Cover

Leseprobe

Kajsa Arnold

Briefe an Adam Green

Ein Weihnachtsmärchen

Briefe an Adam Green

Ein Weihnachtsmärchen

Kajsa Arnold

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Danksagung

Leseprobe

Deutsche Erstausgabe

Copyright © 2019, Kajsa Arnold

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung

1. Auflage

Das Cover wurde mit folgendem Foto erstellt:

© shuwy - iStock

Kajsa Arnold c/o Andrea Wölk,

Lutherstr. 16, 46414 Rhede

www.mybooklove.de

Prolog

Dear Adam,

nach so langer Zeit, die ich Dir nicht geschrieben habe, fällt es mir schwer, Dich Dad zu nennen, also habe ich mich für Adam entschieden. Ich weiß, ich habe ewig nichts von mir hören lassen, um genau zu sein, fünfzehn Jahre. Bei dem letzten Brief, den Du von mir erhalten hast, war ich zehn Jahre alt. Ich habe aufgehört, Dir zu schreiben, weil ich glaube, dass meine Briefe Dich ohnehin nicht erreichen. Jetzt fragst Du Dich bestimmt, warum ich erneut einen Brief schreibe, wenn ich doch nicht daran glaube. Tja, wenn ich ehrlich bin, weiß ich das selbst nicht so genau. Vielleicht, weil ich doch noch einen Funken Hoffnung habe, dass Dich einer meiner Briefe erreicht hat. Es ist bald Weihnachten und das ist bekanntlich die Zeit der magischen Wunder. Ob ich auf ein Wunder hoffe? Eindeutig ja. In meinem Leben ist so einiges schiefgelaufen und ich habe keine Ahnung, wie ich es wieder zurechtbiegen kann. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Du Dich um meine Sorgen gekümmert hast. Damals, als Dich der Krebs noch nicht von uns gerissen hatte. Wenn ich gefallen bin und mir das Knie aufgeschlagen habe, hast Du mich auf den Schoß genommen und so lange gepustet, bis es nicht mehr wehtat. Dann hast Du ein Pflaster aufgeklebt und meine Welt war wieder heile. Doch so einfach ist das nicht. Wenn man älter wird, kann man leider nicht mehr einfach ein Pflaster aufkleben, damit alles wieder gut wird. Je älter man wird, desto größer werden die Probleme. Mittlerweile habe ich eine Menge davon. Nicht nur, dass ich meinen Job bei Coffee Road hasse. Ich hasse auch meinen Chef, der mir das Leben zur Hölle macht. Ich hasse mich, weil ich nicht stark genug bin, mir einen anderen Job zu suchen. Ich hasse meinen Mann, der mich betrogen hat und ich es nicht schaffe, ihn aus der Wohnung zu werfen. Ich hasse meine Schwäche, die mich davon abhält, mein Leben zu ändern und ich hasse diesen verfluchten Krebs, der mir nicht nur Dich, sondern auch Anfang diesen Jahres Mom genommen hat. Ich fühle mich einsam und verlassen. Ich wünschte, es gäbe einen Menschen, mit dem ich so sprechen könnte, wie ich es mit Dir konnte. Gerade jetzt, in der Zeit der Besinnung und Freude, wünsche ich mir einen Menschen, der mir zuhört und sich für mich interessiert. Habe ich nicht auch ein klein wenig Aufmerksamkeit verdient, ein wenig Beachtung? Ich gebe zu, ich vermisse unsere Gespräche. Wo auch immer Du bist, sollst Du wissen, ich liebe Dich und verspreche Dir, dass ich mich zusammenreißen und mein Leben selbst in die Hand nehmen werde, sobald diese schreckliche Weihnachtszeit vorbei ist. Neues Jahr, neues Glück. Versprochen!

Deine Lexie

Kapitel 1

Adam

»Hey, Adam! Hier ist ein Brief für dich!« Brodys Lachen füllte die ganze Halle aus. In der Sortierhalle donnerten die Maschinen, die die Briefe nach Postleitzahlen verteilten.

»Für mich?«, fragte ich überrascht. Wer schrieb mir denn direkt ans Postamt? Das konnte doch nur eine Verwechslung sein.

»Hier steht auf jeden Fall dein Name: Adam Green.« Brody wedelte mit einem lindgrünen Briefumschlag.

»Gib zu, du hast ihn geschrieben, um mich hereinzulegen.« Ich war auf der Hut. Brody hatte ein Faible dafür, seinen Kollegen einen Streich zu spielen. Ich gehörte zu seinen Lieblingsopfern, weil ich schon oft darauf hereingefallen war, um ihm einen Gefallen zu tun.

»Es wird ja wohl mehr als nur einen Adam Green in London geben. Ganz zu schweigen von ganz England.«

»Aber der hier ist für dich, ich kann das riechen.« Er schnupperte an dem Umschlag. »Er riecht nach Zimt, Vanille und … Kaffee.«

Er kam zu mir herüber. Brody arbeitete in der Abteilung der Spürhunde. Das waren die Postangestellten, die den Absender ausfindig machen mussten, wenn der Adressat nicht ermittelt werden konnte. Wenn zum Beispiel die Straßen- oder Ortsangabe auf dem Umschlag fehlte oder sonst irgendwie unleserlich war, und auch der Absender nicht sofort zu ermitteln war.

»Hier, riech selbst.« Er hielt mir den Umschlag unter die Nase.

Ich schnupperte und musste zugeben, dass er recht hatte. Eine feine Kaffeenote war deutlich erkennbar, Zimt auch, bei Vanille war ich mir nicht mehr so sicher. Der Umschlag trug wirklich meinen Namen. Er hatte eine gültige Briefmarke, aber weder Adresse noch Absender. Nur den Namen Adam Green in einer geschwungenen Handschrift.

»Er ist von einer Frau«, sagte Brody, als wüsste er mehr, als er zugeben wollte.

»Also sag schon. Wer hat diesen Brief jetzt geschrieben? Springt ein Clown heraus, wenn ich den Umschlag öffne? Eine Karte, die Merry Christmas singt?« Ich konnte mir einen gewissen Spott nicht verkneifen.

Brody schüttelte den Kopf und blieb seltsamerweise ernst dabei. »Nein, nichts davon, Adam. Eigentlich ist es eine traurige Sache. Komm mal mit.«

Er ging hinüber zu seinem Schreibtisch, und ich, nun doch neugierig geworden, folgte ihm. Er zog aus dem untersten Fach des Containers einen Packen Briefe heraus, der fein säuberlich mit einem roten Samtband zusammengebunden war. Sie waren fein säuberlich geöffnet worden.

»Das sind alles Briefe an Adam Green. Geschrieben von einem zehnjährigen Mädchen. Sie hat alle drei Monate einen Brief geschrieben, bis sie fünfzehn Jahre alt war. Dann hörten die Briefe auf und nun ist nach langer Zeit wieder einer gekommen.«

Gebannt starrte ich auf den Packen Briefe. Sie waren alle geöffnet. »Du hast sie gelesen?«

Brody nickte.

»Und das Briefgeheimnis?«

Er hob die Schultern. »Die Briefe wären ohnehin vernichtet worden, weil der Absender nicht ausfindig gemacht werden konnte. Es war ein kleines Mädchen, das ihren Vater an den Krebs verloren hatte. Zuerst waren die Briefe sehr traurig, doch dann erzählte sie immer mehr von ihrem Alltag. Sie schien ihr Schicksal angenommen zu haben. Irgendwann hörten die Briefe auf. Mir war es erst gar nicht aufgefallen. Und nun gibt es wieder einen. Ich würde sagen, der ist für dich bestimmt.«

»Für mich? Wie kommst du denn da drauf?«

»Ich gehe in vier Tagen in Pension. Jetzt bist du dran.« Er schmunzelte. Brody arbeitete seit mehr als vierzig Jahren bei der Post und ging Ende des Monats in den verdienten Ruhestand.

Ich schaute mir den neuen Brief genauer an. »Also zurücksenden können wir ihn nicht. Es gibt keinen Absender und eine Adresse, um ihn zuzustellen, gibt es auch nicht.«

»Es hätte ja auch keinen Sinn, dieser Adam Green ist bereits mehr als fünfzehn Jahre tot. Du hingegen lebst. Und da du auch ein Adam Green bist …« Er ließ den Rest des Satzes offen, zuckte nur mit den Schultern. »So, ich habe jetzt Feierabend. Meine Frau wartet mit dem Essen auf mich. Wir sehen uns noch bevor ich für immer die Segel streiche, Kleiner.« Er schlug mir auf die Schulter, schnappte sich seine Aktentasche und ließ mich verdattert stehen.

Nachdem ich vier Stunden später Feierabend machte, fuhr ich nach Hause. Unterwegs hielt ich kurz an, um mir etwas vom Thailänder mitzunehmen. Kochen zählte zwar zu meinen liebsten Hobbys., doch heute sollte es schnell gehen. Gesättigt und mit vollem Magen ließ ich mich später auf dem Sofa nieder und zog den lindgrünen Umschlag aus meiner Hosentasche. Ich hatte ihn einfach mitgenommen. Mein Gewissen versuchte ich damit zu beruhigen, dass er ja für mich sein könnte, immerhin stand mein Name auf dem Umschlag. Brody hatte recht. Er wäre ohnehin vernichtet worden.

Trotzdem dauerte es noch eine halbe Stunde, bis ich mich endlich dazu durchringen konnte, ihn zu öffnen. Mit einem scharfen Messer öffnete ich vorsichtig den Kleberand. Wenn er etwas enthielt, das von Wichtigkeit war, würde ich ihn wieder zukleben können. Doch der Umschlag enthielt nur einen Brief, der in der Mitte gefaltet war. Ich öffnete ihn und sofort fiel mir die schöne geschwungene Schrift auf. Dann begann ich zu lesen. Ich konnte gar nicht anders, weil die Worte meinen Blick wie magisch anzogen …

Dear Adam,

nach so langer Zeit, die ich Dir nicht geschrieben habe, fällt es mir schwer, Dich Dad zu nennen, also habe ich mich für Adam entschieden. Ich weiß, … Deine Lexie

Kapitel 2

Adam

Lexie – der Name spukte mir am nächsten Morgen immer noch durch den Kopf. So wie schon die ganze Nacht. Der Brief hatte mich tief berührt. Er war von einer Frau geschrieben worden, die zutiefst deprimiert war. Irgendwie hatte ich das Bild eines zehnjährigen Mädchens vor mir, das an ihrem Schreibtisch saß und verzweifelt war. Natürlich war sie nicht mehr das fünfzehnjährige Mädchen, sie musste mittlerweile eine erwachsene Frau sein. Ihr Mann betrog sie, ihr Chef mobbte sie. Sie war ganz allein auf der Welt. Und das zu Weihnachten. Konnte einem das Leben noch härter mitspielen?

Die ganze Nacht über hatte ich wach gelegen und überlegt, wie man dieser Lexie helfen konnte. Da der Brief keinen Absender trug, konnte sie überall in London leben. In der Poststelle liefen alle Briefe der Stadt zusammen.

Lexie!

Allein der Name zerging mir auf der Zunge. Sie war mit Sicherheit blond und blauäugig. Mit Locken, die ihr bis zur Schulter reichten. Eine schlanke Frau, die gerne Ballerinas trug. Ich blickte aus dem Fenster. Na ja, vielleicht im Sommer, jetzt wohl eher Schneestiefel. Nachdem ich geduscht hatte, zog ich mich an und frühstückte schnell. Als ich am frühen Morgen den Brief noch einmal gelesen hatte, war mir ein Gedanke gekommen. Ich öffnete meinen Laptop und rief einen Stadtplan auf. Dann suchte ich die Standorte von den Coffee Road Filialen in der näheren Umgebung heraus. Es gab acht Läden im Stadtgebiet. Ein Glück, dass sie nicht bei Starbucks arbeitete, denn davon gab es zwanzig.

Ich überlegte, ob und wie ich vorgehen sollte, damit ich nicht erklären musste, wer ich war und was ich von Lexie Green wollte. Da ich gerade keine originelle Idee hatte, wollte ich es der Situation überlassen. Mir würde schon etwas einfallen.

Meine Wohnung lag in Chelsea und ich nahm den Bus Richtung Mayfair. Keine Ahnung, warum ich dachte, dass sie vielleicht dort arbeiten würde. Viel hatte ich ja nicht, nur ihren Namen und den Arbeitgeber. Ich konnte ja schlecht in den Laden gehen und fragen, ob der Chef ein Ekel war.

Zum Glück hatte es aufgehört zu schneien. Ich trug einen dunkelblauen Wollmantel und einen karierten Schal, den mir meine Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschickt hatte. Meine Familie lebte auf dem Land nahe Canterbury und ich hatte es letztes Jahr nicht geschafft, zu ihnen hinauszufahren.

Die erste Adresse lag auf der Berkeley Street, direkt neben einem exklusiven Restaurant. Ich betrat den Laden, schaute auf die Tafel, was es alles im Angebot gab.

»Guten Morgen bei Coffee Road. Was können wir für Sie tun?«

»Einen Kaffee to go, bitte. Mit Sojamilch.«

»Gerne.« Die freundliche Bedienung lächelte mich an. Ihre Haare waren blond gelockt. Ob sie wohl Lexie war? Das wäre der absolute Volltreffer.

Sie stellte mir den Becher hin und nahm das Geld entgegen.

»Sonst noch was?«, fragte sie. Vermutlich hielt sie mich für verrückt, weil ich sie so anstarrte.

»Entschuldigung, kennen wir uns vielleicht? Ist Ihr Name Lexie? Lexie Green?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wenn das eine Anmache ist, dann ist sie nicht sehr originell«, entgegnete sie und sah nicht begeistert aus. Wer weiß, wie oft sie solche Anmachsprüche hörte.

»Bitte entschuldigen Sie, dann habe ich Sie verwechselt. Ich habe eine Bekannte, Lexie Green. Sie arbeitet auch bei Coffee Road. Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für aufdringlich. Das ist mir jetzt sehr peinlich.« Ich begann langsam zu schwitzen.

»Nein, schon okay. Drüben in der City of London arbeitet eine Lexie, aber sie heißt nicht Green. Daher kann es nicht die richtige sein. Es tut mir leid. Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«

»Nicht schlimm. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Ich nahm meinen Kaffee und machte mich auf den Weg. Also City of London fiel dann auch aus. Zwei Läden, die ich schon erledigt hatte. Wenn ich in jedem Laden einen Kaffee bestellte, würde ich in der Nacht vermutlich senkrecht im Bett stehen. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.

Der nächste Laden lag in Notting Hill. Es lag westlich und ich nahm die Underground Bahn. Hier war der Laden wesentlich voller. Die Bedienung wirkte gehetzt.

»Eine Schokolade, bitte«, bestellte ich, als ich endlich an der Reihe war.

Es dauerte keine Minute und ich hatte mein Getränk in der Hand. »Sagen Sie, ist Lexie da?«, fragte ich frei heraus.

»Lexie? Nee, die gibt es hier nicht«, erklärte mir die gestresste Angestellte und ich legte das Geld auf den Tresen, nahm meine Schokolade und ging hinaus.

So schwer konnte es doch nicht sein. Ich zog mein Handy heraus und sah auf dem Plan nach. Eigentlich wäre jetzt City of London dran, doch dort würde sie nicht zu finden sein. Also beschloss

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kajsa Arnold
Bildmaterialien: © shuwy - iStock
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2022
ISBN: 978-3-7554-0699-0

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /