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Titel

 

Rhiana Corbin

Beautiful Lies

 

Titel

Rhiana Corbin

 

 

Beautiful

Lies

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Überarbeitete Ausgabe

Ausgabe November 2017

Copyright © 2015, 2017 Kajsa Arnold

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet

1. Auflage

Covergestaltung Andrea Wölk

Foto: © sakkmesterke – Bigstock.com

Kajsa Arnold Edition

www.kajsa-arnold.de

 

Vorwort

Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.

 

Christian Morgenstern

 

1



»Sylvie, schließen Sie bitte gleich den Laden ab, ich muss meinen Zug nach Antwerpen bekommen. Heute haben sich keine weiteren Kunden angemeldet. Wir sehen uns am Montag. Ein schönes Wochenende.«

»Gute Reise, Herr Kovac, und Ihnen auch ein schönes Wochenende in Antwerpen«, rufe ich meinem Chef nach und höre das Sicherheitsschloss der Hintertür einrasten. Es piept drei Mal, der Code ist aktiviert.

Ich schaue auf meine Uhr: zwanzig Uhr, Freitagabend – Wochenende. Morgen bleibt das Juweliergeschäft geschlossen, weil der Geschäftsführer in Antwerpen ist, um Diamanten einzukaufen. Kunden müssen sich ohnehin vorher anmelden, um beraten zu werden. Wir sind keines dieser Geschäfte mit festen Ladenöffnungszeiten. Die Kundschaft ist so exklusiv wie unsere Waren und kommt meistens in Limousinen mit Bodyguards vorgefahren.

Ich schließe die Ladentür ab, die ohnehin durch einen Code geschützt wird. Dieses Juweliergeschäft gleicht einer Festung, was auch verständlich ist, da wir Schmuckstücke und Rohdiamanten im Wert von mehreren Millionen Euro im Tresor verwahren.

Schnell räume ich noch neue Ware in die Vitrine, als es an der Hintertür klopft. Ich lasse die elektronischen Fenstergitter herunterfahren und mache mich auf ins Hinterzimmer. Schnell schaue ich auf den Monitor und sehe, dass Herr Kovac davorsteht. Vermutlich hat er etwas vergessen. Vorschriftsmäßig deaktiviere ich die Alarmanlage und öffne die Tür. Im selben Moment wird sie aufgestoßen, ich werde dabei mit Wucht gegen die Wand geschleudert. Benommen rutsche ich daran herunter. Meine Sicht ist unscharf und mein Kopf dröhnt von dem Aufprall. Das Nächste, was ich klar sehe, ist ein Foto von Herrn Kovac, das zu Boden segelt, und eine Pistole, die mir von einem Mann unter die Nase gehalten wird, der sein Gesicht mit Mütze und Schal vermummt hat. Er hilft mir wieder auf die Beine. Sein Griff unter meinen Arm ist nicht roh und grob, sondern vorsichtig, fast schon hilfsbereit, als würde es ihm leidtun, dass er mich umgehauen hat.

Er spricht Deutsch mit einem starken russischen Akzent. Oh Gott, die Russenmafia, geht es mir durch den Kopf. Viel habe ich in den Medien darüber gehört. Die sind nicht zimperlich, er wird mich töten! Ich habe große Angst, beginne zu schwitzen und meine Hände werden feucht.

»Bitte, öffnen Sie die Tür zum Tresor.«

In meiner Panik vergesse ich die Zahlenkombination des Schlosses, das den raumgroßen Safe schützt. Der Mann drängt mich vorwärts. Er ist völlig souverän, als hätte er Routine, und er hält seine Pistole ruhig auf mich gerichtet, fuchtelt nicht damit herum. Ich kann nicht fassen, dass mir solche Feinheiten in dieser Lage auffallen. Die ganze Situation hat etwas Surreales, als würde ich sie zu Hause am Fernseher beobachten.

»Ich ... ich habe die Kombination vergessen«, stottere ich hilflos.

»Sie lügen. Ich weiß, dass Sie sie kennen.«

»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich sie nicht kenne, ich habe sie nur vergessen, weil Sie mir dieses Ding da unter die Nase halten!«

Für einen Moment sehe ich Überraschung in dem Blick des Mannes aufleuchten. »Sie fangen in dieser Situation doch nicht etwa an, mit mir zu streiten?«, fragt er erstaunt.

Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich jetzt lachen. Seine Stimme ist beherrscht, sehr angenehm, ich mag seine Stimmfarbe.

»Beruhigen Sie sich. Ich werde Ihnen nichts tun. Hören Sie auf zu zittern und konzentrieren Sie sich.«

»Ich habe Angst vor dem Tod«, flüstere ich verlegen.

»Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben. Wie ist Ihr Name?«, fragt er.

Er steht mir sehr nah gegenüber, doch ich sehe kaum etwas von seinem Gesicht. Nur seine Augen. Dunkelbraun. Und einige grau melierte Haarspitzen lugen unter seiner Mütze hervor. Oh mein Gott, er wird mich töten, damit ich ihn später nicht identifiziere, denke ich panisch.

»Sagen Sie mir Ihren Namen.« Er streicht mir mit dem Zeigefinger eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich dorthin verirrt hat. Es fühlt sich vertraut an und meine flatternden Nerven beruhigen sich ein wenig, obwohl ich diesem Mann noch nie begegnet bin und mir vor Angst in die Hose machen sollte.

»Sylvie Komarow«, antworte ich zögerlich.

»Sind Sie Russin?«

Ich schüttele den Kopf. »Nein, mein Großvater war es«, flüstere ich ... und werde schweißgebadet wach.


»Oh mein Gott«, atme ich schwer. Meine Bettwäsche ist vollkommen nass geschwitzt, mein Shorty ebenfalls. So geht es nun schon fünf Tage. Seit dem Raubüberfall schlafe ich kaum, und wenn, dann durchlebe ich immer wieder das gleiche Szenario.

Die Polizei geht von einem Auftragsdiebstahl aus, denn der Räuber war nur an einem ganz bestimmten Stück interessiert, mehr hat er nämlich nicht entwendet. Das Kostbarste im Safe, ein Collier in Blumenform, besetzt mit 708 Rubinen. Es sollte am Montag zusammen mit anderen Stücken nach Cannes gebracht und dort vor den Filmfestspielen ausgestellt werden. Der Besitzer dieses wundervollen Schmuckstücks verweilt zurzeit auf seinem Anwesen in der Nähe von Düsseldorf und hatte es bis zum Transport in die Obhut meines Arbeitgebers gegeben. Nun ist es geraubt worden und ich bin dafür verantwortlich, weil mir schließlich beim Überfall doch noch die Kombination des Tresors einfiel und ich sie dem Dieb preisgab. Um mein lumpiges Leben zu retten.

Obwohl Herr Kovac immer wieder beteuert, dass kein Schmuckstück der Welt ein Menschenleben wert sei, plagt mich nun Nacht für Nacht die Erinnerung an den Überfall. Dabei ist es nicht einmal die gefährliche Situation, in der ich mich befand, die mir den Schlaf raubt. Nein, es ist vielmehr das eigenartige, fast fürsorgliche Verhalten des Diebes, das mich mehr beschäftigt, als es sollte. Mein Gott, bin ich in meinem Beruf wirklich so einsam geworden, dass ich mich nach der unangemessenen Aufmerksamkeit eines bewaffneten Diebes sehne? Offensichtlich.

Meine Nächte sind nicht mehr erholsam, ich kann mich tagsüber kaum noch konzentrieren, und das sieht man mir inzwischen an. Also habe ich mir auf Anraten meines Chefs Urlaub genommen, um erst einmal einen gewissen Abstand zu diesem Überfall zu gewinnen. Eine Distanz, die mir guttun wird, solange ich nicht die Augen schließe und träume.

Gähnend gehe ich in die Küche meiner kleinen Zweizimmerwohnung und hole mir ein Glas Wasser. Dabei fällt mein Blick auf den Umschlag, den ich am frühen Abend durch einen Boten erhalten habe. Er enthält eine Zugfahrkarte nach Cannes, sowie die Reservierungsbestätigung eines Hotelzimmers für fünf Tage. Nun, Herr Kovac ist wohl augenscheinlich der Meinung, ich bräuchte dringend etwas Abwechslung. Aber muss es ausgerechnet Cannes sein, wo eigentlich das Collier hinreisen sollte? Der Mann hat eine eigenartige Vorstellung davon, was mir gut tun könnte, aber das Reiseziel kommt mir dennoch sehr entgegen. Immerhin ist es dort wenigstens schön warm, während der Rest Europas in diesem Mai von einer Kältewelle heimgesucht wird.

Mein Zug fährt am nächsten Tag um halb eins ab Düsseldorf Hauptbahnhof. Ein Flug wäre wesentlich schneller als elf Stunden Zugfahrt mit zweimal Umsteigen, doch einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul. Ich kann ohnehin nicht mehr schlafen, also fange ich um halb vier morgens an, meinen Koffer zu packen, nachdem ich geduscht, mich umgezogen und das Bett frisch bezogen habe.

Plötzlich fällt mein Blick auf eine dunkle Stelle im Teppich, die ich vorher noch nie wahrgenommen habe. Ich gehe in die Hocke und begutachte den Fleck. Er ist feucht! Vom Regen? Aber ich habe gestern gar nicht das Haus verlassen!

Mein Blick geht zur offenen Balkontür. Ich bin nicht ängstlich und lüfte gerne gründlich. Gerade in meiner Wohnung fühle ich mich immer sicher. Wer soll denn auch hier im 2. Stock über den Balkon einsteigen?

Mit einem Schirm und einer Frauenzeitschrift bewaffnet, schleiche ich durch meine Wohnung und sehe sogar auf dem Balkon nach. Nichts. Der Boden glänzt vor Nässe, ich frage mich, was ich erwartet habe, dort zu finden. Fußabdrücke? Eine Visitenkarte?

Nein, ich glaube, es ist wirklich Zeit für einen Tapetenwechsel.


2



In Aix-en-Provence steige ich in den TGV Richtung Cannes. Wir haben fast 22 Uhr und in circa zwei Stunden werde ich endlich in Cannes eintreffen.

Es ist dunkel und von der herrlichen Landschaft da draußen ist nicht mehr viel zu sehen, allerdings kann man sie riechen. Der unverwechselbare Geruch Südfrankreichs nach Wärme und Zitrusfrüchten. Wunderbar und voller Versprechen. Trotzdem wird der Blick aus dem Fenster eintönig, deshalb verziehe ich mich in den Speisewagen, trinke ein Glas Wein und blättere in dem Reiseführer, den ich am Bahnhof gekauft habe. Der Zug ist voll, alles scheint zu den Filmfestspielen unterwegs zu sein.

»Madame, excusez-moi sʼil vous plaît, ist dieser Platz noch frei?«

Mein Blick fällt zuerst auf ein Paar blitzblanke schwarze Schuhe, gleitet dann über eine Anzughose mit exakter Bügelfalte und eine dunkelgraue Anzugjacke hinauf zu einem Paar grüner Augen, die leuchten, als würden sie von der Sonne angestrahlt. Der Fremde spricht Deutsch mit starkem Akzent, daher nehme ich mal an, dass er Franzose ist. Woran er erkennt, dass ich Deutsche bin – weiß der Himmel.

Prüfend schaue ich mich um, doch alle Plätze in der näheren Umgebung sind belegt. Ich sitze an einem kleinen Zweiertisch und deute auf den gegenüberliegenden Platz. »Bitte.«

»Merci, Madame.«

Der Mann zeigt auf den Reiseführer. »Daher weiß ich, dass Sie aus Deutschland kommen.« Er grinst frech, während er sich setzt. »Diese Frage stand Ihnen regelrecht ins Gesicht geschrieben.«

»Dann sollte ich wohl an meinem Ausdruck arbeiten«, erwidere ich lächelnd.

Franzosen sind ja so charmant und ... schleimig. Ich schmunzele und vertiefe mich wieder in meine Reiselektüre.

Mein Gegenüber bestellt einen Café-au-lait und beobachtet mich eingehend. Er spiegelt sich in der Fensterscheibe. Unauffällig beobachte ich ihn, er hat wundervolle Hände, lang und schmal, und ich wette er spielt Klavier. Mit solchen Händen muss man einfach Klavier spielen können, denke ich, denn ich habe eine Schwäche für Klavierspieler. Nur schade, dass mir bisher noch keiner über den Weg gelaufen ist.

»Wir haben das gleiche Ziel«, sagt er plötzlich und ich zucke zusammen, reiße mich von dem Spiegelbild seiner Hände los.

»So, woher wissen ...?« Natürlich, der Reiseführer.

»Fahren Sie zu den Festspielen oder sind Sie beruflich in Cannes?«, frage ich neugierig. Vielleicht gibt er ja ein Konzert.

»Sowohl als auch.«

»Dann sind Sie Schauspieler?«

»Oh nein«, er schüttelt den Kopf, »dafür fehlt mir das nötige Talent. Ich bin geschäftlich in Cannes und zur Schmuckausstellung unterwegs. Was führt Sie in diese Region?«

»Ich ... ich spanne ein paar Tage aus. Urlaub sozusagen.«

»Dann wünsche ich Ihnen unvergessliche Tage an der Côte d’Azur.« Er trinkt seinen Kaffee aus, legt einen 10-Euro-Schein neben die Tasse und ist verschwunden. Schade. Ich hätte gerne seinen Namen erfahren. Er sah nach einem Albert oder Pierre aus. Welches Musikstück er wohl besonders gerne spielt? All diese Geheimnisse wird er nun mit in die dunkle Nacht hinaustragen.


Die knapp anderthalb Kilometer vom Bahnhof zum Hotel Charleston lege ich mit dem Taxi zurück, denn es ist bereits Mitternacht. Ich bin müde und froh, wenn ich endlich ins Bett fallen kann.

Das Hotel ist eines der besten am Platz und liegt an dem Boulevard de la Croisette ganz in der Nähe der Festivalhalle. Das habe ich schon im Reiseführer recherchiert, doch als das Taxi vor dem Hotel hält, falle ich aus allen Wolken. Es ist eine absolute Nobelherberge und mit einem Mal komme ich mir vor wie Aschenbrödel, bevor ihr die Fee zu einem schicken Kleid verhilft. Allerdings scheint es dem Portier, der mir galant die Tür öffnet, nicht aufzufallen, denn er begrüßt mich äußerst freundlich. Ich bin völlig aus dem Häuschen und geblendet von der grazilen Eleganz, die mich umgibt. Jetzt weiß ich auch, warum die Reichen immer und überall Sonnenbrillen tragen, selbst in der Dunkelheit.

Als ich an den Empfang trete, wird gerade ein Gast eingecheckt, dann bin ich an der Reihe.

»Mein Name ist Sylvie Komarow und für mich wurde ein Zimmer reserviert«, erkläre ich im einwandfreien Französisch.

Der Concierge nickt, nachdem er auf den Computermonitor geblickt hat. »Oui, Madame Komarow, eine Suite mit Blick auf die Bucht.«

»Mademoiselle«, verbessere ich ihn und er nickt ergeben. Danach reicht er mir das Anmeldeformular und als alles erledigt ist, winkt er einen Pagen herbei, der sich um mein Gepäck kümmert.

»So, Mademoiselle Komarow also, nicht Madame«, sagt eine Stimme und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kajsa Arnold
Bildmaterialien: © sakkmesterke – Bigstock.com
Cover: Andrea Wölk
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2021
ISBN: 978-3-7487-8940-6

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