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Kapitel 1

 


„Und denkt an die Hausaufgaben, meine Herrschaften!" ermahne ich die Klasse während ich hinter meinem Schreibtisch stehe und Unterlagen in meiner Tasche verstaue.
„Ja, Miss Spencer." kommt es geschlossen zurück.
Lächelnd lasse ich meinen Blick über 'meine Klasse' schweifen. Vor 3 Monaten noch saß ich im College und studierte und jetzt habe ich schon meine erste eigene Klasse. Meinen Abschluss habe ich ganz passabel bestanden. Mit Elan und Selbstvertrauen sehe mich nun  gewappnet diese Kinder gut durch ihre Grundschulzeit zu bringen. Ich habe auch schon die meisten  Namen der Kinder im Kopf. Da haben wir den blonden Steven Green mit dem frechen Grinsen, der schlaue Benjamin Abott mit seiner runden Harry Potter Brille, die schüchterne Susan Summers, die stets eine Schleife in ihrem brünetten Haar trägt und natürlich den süßen Rauschegoldengel Charlotte. Ihren Namen mir zu merken war leicht, schließlich sind wir Namensvettern. Allesamt super süße, freundliche Kinder! Ich habe echt Glück gehabt.
Auch mit meiner Anstellung hier in der Belgravia Elementery School habe ich das große Los gezogen! Die Arbeitszeiten sind, wahrscheinlich wie bei jedem anderen Lehrer gleich, echt annehmbar, die Bezahlung ist dem Klientel dieser privaten Institution angeglichen und meine Kolleginnen und Kollegen haben mich sehr freundlich aufgenommen. Ich fühle mich hier, wie sagt man so schön, pudelwohl!
Eine Freundin und Kommilitonin von mir, Stacey hat es nach ihrem Abschluss nicht so gut getroffen. Sie arbeitet in einer Grundschule im Londoner East End. Was sie mir bei unseren gelegentlichen Telefonaten berichtet, lässt mich zu dem Entschluss kommen, dass ich es definitiv besser getroffen habe! Zu beneiden ist sie nicht.

Es läutet zum Unterrichtsende.
„Ich wünsche euch einen schönen Nachmittag!" wünsche ich und entlasse die Kinder für heute. Einige stürmen sofort aus dem Zimmer, andere, besonders die Mädchen stehen noch zusammen und unterhalten sich. Verlassen dann gemeinsam den Raum. Charlotte steckt ordentlich ihre Stifte in die dafür vorgesehenen Halterungen ihrer Federtasche und verstaut diese anschließend in ihrem glitzernden Paillettenrucksack. „Tschüß, Miss Spencer." ruft sie, winkt und hakt sich bei ihrer Freundin Cindy unter. Gemeinsam verlassen sie mich nun ebenfalls.
„Tschüß ihr zwei." rufe ich den beiden hinterher. Ich bin allein im Raum.

Ich widme mich wieder meinen Sachen, greife zu meiner Kaffeetasse und nehme einen letzten Schluck des mittlerweile kalten Getränks, als ich plötzlich eine Stimme höre die mich erschaudern lässt.
„Hey Baby."
Ein Kribbeln kriecht mir die Wirbelsäule hinauf. Diese dunkle, sexy Stimme trifft mich direkt ins Herz.
Ich verschlucke mich und huste. Was war das denn? Und vor allem - wer? Von Neugier gepackt husche ich zur Tür und spähe vorsichtig hinaus, doch der Flur vor meinem Klassenraum ist leer. Enttäuscht will ich mich schon umdrehen, da kommt mein Kollege Martin um die Ecke. „Hallo, Charlotte!" grüßt er und tippt sich an den nicht vorhanden Hut. Ich nicke als Erwiderung und gehe zurück in den Raum um meine Sachen zu holen.
Mit der Tasche unter dem Arm überquere ich den Schulhof, gehe durch das schmiedeeiserne Eingangstor. In eisernen Lettern steht darüber das Schulmotto geschrieben 'quia vita et doctrina'. Ich registriere es mit einem kurzen gen Himmel gerichteten Blick und gehe zu meinem Auto. Der dunkelgrüne Mini Cooper steht wie immer auf dem Parkplatz der Lehrkräfte.

In dieser Nacht verfolgt mich diese Stimme sogar bis in meine Träume. Sie flüstert das "Hey baby!" mir zu und lässt mich dann ganz unanständige Dinge tun.
Die restliche Woche vergeht, ohne dass ich den Besitzer dieser Stimme noch einmal gehört, geschweige denn gesehen habe.
Meine große Hoffnung liegt auf dem heutigen Freitag Abend. Da habe ich die Eltern meiner Klasse zu unserem ersten Elternabend in diesem Schuljahr eingeladen. Bisher kennen mich die wenigsten und mir geht es genauso. Da alle Eltern ihre Teilnahme zugesagt haben, verspricht es für mich ein interessanter Abend zu werden. Vielleicht ist es ja ein Alleinerziehender Vater der von der teuflischen Mutter seines Kindes für einen anderen sitzen gelassen wurde oder ein sexy Witwer? Aber nein, dass ist gemein. Das arme Kind! Vielleicht ist der Besitzer der Stimme aber auch grottenhässlich, übergewichtig und so überhaupt nicht mein Typ. Schnell wische ich diesen Gedanken weg. Jemand mit solch einer Stimme kann gar nicht nicht sexy sein.
Pünktlich um 19 Uhr betreten die ersten Erwachsenen meinen Klassenraum.
„Guten Abend und willkommen! Mein Name ist Charlotte Spencer." begrüße ich sie und deute mit der rechten Hand auf die Tische. „Sie finden das Namenskärtchen Ihres Kindes auf dessen Tisch. Ich bitte Sie sich an den Tisch zu setzen wo auch Ihr Kind sitzt."
Bereitwillig setzen sie sich. So langsam füllt sich der Raum. Ich sehe auf die Uhr. Drei Minuten vor sieben. Ich warte noch bis fünf nach und schließe dann die Tür. Ein letztes mal tief durchatmen, ich drehe mich zur Klasse äh zu den Eltern um und schenke ihnen ein strahlendes Lächeln. „Guten Abend, liebe Eltern!" eröffne ich den ersten Elternabend in meinem Leben. Vereinzelt kommt ein gemurmelter Gruß zurück. Ein paar nicken nur. Eine gemütlich aussehende Dame in der ersten Reihe nickt mir aufmunternd zu. Sie sitzt auf Susans Platz. Also ihre Mutter. Eine Blondine mit super langen Locken scheint durch mich durch zu schauen. Sie sieht irgendwie genervt oder gar sauer aus. Ich lasse mich davon nicht beirren.
„Getreu unseres Schulmottos möchte ich Ihre Kinder hier nicht nur in den Dingen unterrichten die im Lehrplan stehen, sondern ihnen auch ein paar Lebensweisheiten mit auf den Weg geben. Sie sollen doch alle gestandene Persönlichkeiten werden die sich in diesem Dschungel der sich Leben nennt behaupten zu können oder? Also natürlich sind sie schon ganz besondere Persönlichkeiten Ihre Kinder. Ja, es sind tolle Kinder und ich kann mich glücklich schätzen hie..."
Mein hilfloses Gestammel wird rüde unterbrochen als jemand die Tür aufreißt und den Raum ohne eine Entschuldigung für sein zuspätkommen zu äußern betritt. Meine Augen verfolgen ihn als er durch den Raum geht, direkt auf die blond gelockte Frau im dunkelroten Etuikleid zu. Er trägt einen hellgrauen Anzug. Sein kurzes braunes Haar glänzt im Licht der Deckenlampen. Als er sich den Stuhl zurück zieht und sich darauf nieder lässt. Er flüstert seiner Frau etwas an ihr Ohr, darauf antwortet sie laut genug damit ich es hören kann „Bisher noch nicht viel. Sie hat uns nur zu den tollen Persönlichkeiten unserer Kinder gratuliert." Vor ihnen steht das Kärtchen von Charlotte Steel. Grinsend ruht sein Blick nun auf mir. Ich, völlig aus dem Konzept geraten durch den Anblick diesen sexiest man alive gerate ins Stocken. „Ähm wo war ich stehen geblieben? Ähm ja - ich bin wirklich sehr glücklich über meine Anstellung hier! Ihre Kinder sind toll! Wir haben in den ersten drei Wochen dieses Schuljahres begonnen mit...."

Irgendwie schaffe ich es mit hängen und würgen den Abend gut zu überstehen. Ich denke, was ich sagen wollte konnte ich gut rüber bringen. Nach der Verabschiedung treten noch einige Eltern an mich heran um mir spezielle Fragen bezüglich ihrer Kinder zu stellen. Der sexy Typ hat den ganzen Abend kein einziges Wort gesprochen, ab und an etwas auf seinem Smartphone herumgetippt oder sich mit seiner Frau etwas zu geraunt. Worauf sie beide leise gelacht haben. Sicher ging es über mein Versagen.

Abends im Bett bin ich dann doch aber recht zufrieden mit mir. Das habe ich doch ganz gut gemeistert!

 

Kapitel 2

Max

 

Vom ersten Augenblick an war ich fasziniert von dieser Frau! Klar, sie wirkt etwas linkisch und unbeholfen, wie sie da am gestrigen Abend vor der Tafel stand und irgendwas von unseren gut gelungenen Kindern fasselte. Aber und das glaube ich tatsächlich, sie ist intelligent und witzig. Und dazu ist sie verdammt sexy. Ich wollte sie besitzen! Wollte sie als Trophäe in mein imaginäres Wandregal mit meinen Eroberungen stellen. Sollte ich Beverly gegenüber Gewissensbisse haben? Ich denke nicht. Und wenn, es wäre ja eh zu spät dafür. Außerdem weiß ich das mit ihr und ihrem Manager.
Also begann ich mit meinem "Projekt: Charlotte Spencer. Ich wollte alles über sie erfahren. Wo sie wohnt, wo sie herkommt, shoppen geht, was sie so in ihrer Freizeit macht. Ein wenig beschatten...
Wenn jemand weiß wie unbemerktes Beschatten funktioniert, dann ich. Ich habe das ja buchstäblich erfunden.

 

Charlotte

 

In den nächsten Wochen bekomme ich Mister Steel nicht mehr zu Gesicht. Leider! Bis mir Charlotte eines Montag morgens ganz aufgeregt vor dem Unterricht berichtet wie ihre Mama sich beim shoppen ihren Knöchel gebrochen hat. Ich ziehe meine Augenbraue hoch und frage sie wie ihre Mama das denn bitte schön bewerkstelligt hat.
„Na sie ist über die Leine von Fluffy gestolpert und dann mit ihren hohen Stockschuhen umgeknickt."
„Stockschuhen?" hake ich nach.
„Na solche." sagt Charlotte und zeigt auf meine Heels.
Ich blicke an mir runter und muss grinsen. „Du meinst High Heels."
„Na sag ich doch." lacht sie und hüpft zu ihrem Platz.
Ich hätte sie am liebsten gefragt ob sie dann jetzt immer von ihrem überaus sexy Vater von der Schule abholt wird, konnte mich aber gerade noch zurück halten. Stattdessen lenke ich mich am Abend mit Sport ab. Ich fahre mit meinem Wagen zum Regentspark um joggen zu gehen. Obwohl es schon dämmert sind noch viele Leute unterwegs. Spaziergänger, Hunde mit ihren Herrchen oder Frauchen, weitere Jogger, so wie ich. Noch schnell die Kopfhörer aufgesetzt und die Musik gestartet und los geht's.
Immer dem Hauptweg folgend jogge ich geradeaus, dass erscheint mir bei der aufziehenden Dunkelheit am Sichersten. Je länger ich laufe um so leerer wird es im Park und obwohl ich auf dem breiten Hauptweg laufe, wo sich noch mit Abstand die meisten Leute tummeln, komme ich mir mit einem Mal so verlassen und gleichzeitig beobachtet vor.
"Zeit für's heimkehren." denke ich und kehre um. Ein kalter Schauer kriecht mir den Rücken herauf. Instinktiv erhöhe ich das Tempo. Nur zurück zum Auto. Irgendwo in der Ferne klingelt ein Handy. Das wird mir immer unheimlicher. Das Gefühl beobachtet zu werden verstärkt sich von Minute zu Minute. Nichts wie weg hier. Ich mobilisiere noch einmal die letzten Reserven und renne so schnell wie möglich und sicherlich auch äußerst undamenhaft zurück zu dem Parkplatz und meinem Auto zurück.

 

Max

 

Mist! Da renne ich wie blöde hinter ihr her. Ohne Sportkleidung versteht sich. Sie bemerkt mich natürlich nicht. Und da klingelt plötzlich inmitten der abendlichen Stille mein beschissenes Handy! Anfängerfehler. Mist! Ich habe vergessen es auf lautlos zu stellen. Das mir sowas passiert?
Ich drehe mich schnell hinter den Baum hinter dem ich gerade Deckung gesucht hatte und nehme genervt das Gespräch entgegen. "Was ist?"

 

Charlotte

 

Am Donnerstag nach Unterrichtsschluss schlendern Franziska und ich über den Schulhof, als ich aus dem Augenwinkel Charlotte auf jemanden zu rennen sehe. Sie springt ihrem Vater in die Arme der sie hoch hebt und sie herum wirbelt. Ich habe gar nicht bemerkt das ich stehen geblieben bin und den beiden zusehe.
Franzi knufft mich in die Seite „Der ist ja süß! Ist die Kleine in deiner Klasse?"
Ich bringe nur ein Nicken als Antwort zu Stande. Ich möchte nichts verpassen. Als Mister Steel seine Tochter wieder abgesetzt hat trifft sein Blick mich. Er grinst und tippt sich an die seitliche Stirn.
Ich nicke stumm und starre ihn unverwandt an.
„Tschüßi, Miss Spencer." ruft Charlotte, greift nach seiner Hand und zieht ihn vom Hof.
„Wow. Was für ein Mann!" und ich kann das bewundernde Grinsen in Franzi's Stimme hören. „Den würde wohl keine von der Bettkante schubsen. Ist er verheiratet?"
Ich nicke stumm.
„Hey was ist denn los? Der hat dich wohl schwer beeindruckt was! Komm mal mit! Du brauchst Ablenkung." bestimmt sie und zieht mich hinter sich her zu ihrem Wagen. „Wir gehen jetzt was trinken. Du nimmst dir nachher einfach ein Taxi nach Hause."
Ich überlege kurz ob das jetzt wirklich in meinen Tagesablauf passt. Eigentlich hatte ich vor die Aufsätze zu korrigieren und eine weitere Folge meiner Lieblingsserie an zu schauen. Komme dann aber zu dem Entschluss, dass ein bisschen Spaß mit meiner besten Freundin zu haben auch ganz gut in meinen Tagesplan passt.
Lächelnd stimme ich zu und Franzi jubelt gespielt. Wir kennen uns seit dem Studium an der University of Greenwitch, wo Franziska, die ihres Zeichens Deutsche ist ein Auslandstudienjahr absolviert hat. Gleich zu Beginn des dritten Semesters freundeten wir uns an. Von diesem Tag an waren wir praktisch unzertrennlich. Franzi erweiterte ihren Aufenthalt in London bis zum Studienabschluss und darüber hinaus. Gemeinsam wohnten wir anfangs in einer WG in Soho. Das war praktisch und kostengünstig. Die Mieten im Londoner Stadtgebiet sind heutzutage utopisch. Zum erfolgreichen Abschluss schenkten mir meine Eltern die Eigentumswohnung in Notting Hill in der ich mich auch heute noch pudelwohl fühle. Mein erstes eigenes Reich in dem ich schalten und walten kann wie es mir beliebt. Für zwei wäre sie aber zu klein gewesen und da Franzi sich damals in einer hoffnungsvollen Beziehung mit einem gewissen Mark befand, machte sie Nägel mit Köpfen und zog mit ihm gemeinsam in eine kleine 2-Zimmer Wohnung in Kensal Green. Leider hielt die Beziehung das andauernde aufeinander hocken nicht aus und nach etwa sechs Monaten machte sie Schluss. Mark, da er ebenfalls im Mietvertrag stand, änderte, der Einfachheit halber seinen Status von Freund in WG Mitbewohner und wohnt noch heute mit ihr gemeinsam in dieser Wohnung.
Ich dagegen bin froh keine Miete zahlen zu müssen und kann, bis auf die regulären monatlichen Ausgaben mein Geld für das verpulvern was mir Freude bereitet. Bücher, Kosmetika, Filme, Bücher und Kleidung.
Seit frühester Jugend wollte ich Lehrerin werden. Ich glaube, ausschlaggebend war meine eigene Lehrerin, Miss Powers in der Junior School. Sie war so freundlich, ehrlich und hilfsbereit das sie eigentlich einen Heiligenschein hätte tragen müssen. Ich liebte und vergötterte sie nahezu. Miss Powers verkörperte das genaue Gegenteil meiner Eltern. Die waren abweisend, zurückhaltend und kalt. Na ja gut, meine Mutter hat auch ihre lichten Seiten in denen sie liebevoll und freundlich ist, doch meistens tut sie es meinem Vater nach und benimmt sich wie eine kaltherzige Schneekönigin. Mein Vater, ein Bankier wie aus dem Bilderbuch führt eine noble Londoner Privatbank in der dritten Generation. Ein Umstand auf den er äußerst stolz ist und es zur jeden sich bietenden Möglichkeit verkündet. Kurzum, mein Vater ist ein Eisriese und meine Mutter die Schneekönigin.
Lichtblick in meinem Leben ist mein älterer Bruder Aiden. Aiden hat in Cambrigde Jura studiert und dort auch seine zukünftige Frau Mary kennengelernt. Beide leben jetzt als vereidigte Juristen in Dover in einem hübschen Haus mit Meerblick. Man kann sagen, Aiden hat etwas aus sich gemacht. Emely studiert Modedesign hier in London. Und obwohl man in der selben Stadt lebt sieht man sich doch nur an den herkömmlichen Feiertagen wie Geburtstage der Eltern, Weihnachten und Ostern. Mich stört das nicht sonderlich. Es reicht mir. Denn, und das gebe ich nicht gerne zu, mein Verhältnis zu meiner Schwester ist nicht das Beste. Das soll nicht heißen, dass wir uns nicht mögen. Nein. Es ist vielmehr so, dass wir gar nichts für einander empfinden. Wenn wir uns sehen begrüßen wir uns und halten oberflächlichen Smalltalk, mehr aber auch nicht. Ganz anders verhält es sich mit Aiden. Wir sind Seelenverwante. Fast, wie man bei Zwillingen festgestellt hat, empfinden wir es körperlich wenn es dem anderen schlecht geht. Ich liebe meinen Bruder!
Ansonsten gibt es in meinem Leben keinen dem ich mein Herz schenken könnte. Ich besitze nicht einmal eine Katze.
Doch vielleicht würde sich das ja in näherer Zukunft ändern? 

 

Einige Tage später

 

Ich stehe auf der obersten Stufe einer Leiter und suche im Regal nach dem Klassensatz von ‚Winnie the puh',  dass ich ab morgen mit den Kindern bearbeiten möchte. Mir fehlen noch fünft Exemplare.
„Sie müssen hier doch irgendwo sein." murmle ich verzweifelt als ich mich noch ein wenig mehr strecke. Meine Heels sind hier nicht gerade hilfreich.
„Kann man helfen?" höre ich da plötzlich unter mir eine Stimme. DIE Stimme.
Ich wirbelte herum und verliere das Gleichgewicht. Wie in Zeitlupe falle ich - direkt in zwei starke Arme die mich sicher auffangen. Dieser Duft, der Schock - meine linke Hand umklammert seinen Nacken, die rechte seinen Bizeps. Ich öffne die Augen und blicke in die von Charlottes Vater. Ein spitzer Schrei entfleucht mir und ich springe aus seinen Armen. Ich knicke um - scheiß High Heels. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stolpere ich rückwärts.
Er kommt einen Schritt näher.
>Warum ist es denn so heiß hier drin?< denke ich. Noch einen Schritt zurück. Er kommt, ein wölfisches Grinsen auf den Lippen immer näher.
Ich stoße gegen das Regal, kein Ausweg mehr.
Er stützt seine linke Hand neben meinen Kopf am Regal ab, mit der rechten hebt er mein Kinn an so das ich gezwungen bin ihm direkt in die Augen zu sehen. Sein Mund kommt näher. Diese sinnlichen Lippen. Ich schließe meine Augen in erwartungsvoller Hoffnung das er mich küsst. Doch ich werde enttäuscht.
„Das ist es doch wovon du seit Wochen träumst - stimmt's?" raunt er stattdessen an mein Ohr.
Ein Seufzer entfleucht mir. Ich spüre seinen Körper direkt vor mir. Spüre seine Wärme, werde von seinem männlichen Duft betört. Ich habe das Gefühl gleich in Ohnmacht zu fallen. Gerade als meine Beine, weich wie Wackelpudding nachgeben wollen, umfasst er mit beiden Händen meine Taille und zieht mich zu sich heran. Durch den dünnen Stoff seines Seiden Hemdes spüre ich harte Muskeln. Mit einer Hand fasst er mir ins Haar und zieht sanft meinen Kopf nach hinten. Mein Hals wird überstreckt, ich bekomme kaum noch Luft. Aber es fühlt sich unglaublich gut an. Ich kann ihm direkt in seine braunen Augen sehen, versinke darin. Er haucht mir einen Kuss an den Mundwinkel. Ein Schauder durchfährt mich und gerade als ich meine Augen schließe treffen seine weichen Lippen auf meine. Seine Zunge stößt in meine Mundhöhle. Unsere Zungen tanzen förmlich miteinander. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken, greife in sein Haar und presse ihn näher an mich heran. Der Kuss scheint eine Ewigkeit zu dauern - die Zeit steht still.
Plötzlich zieht er sich zurück, tritt einen Schritt zurück, fährt sich durchs Haar. Sein Blick, zuerst auf den Boden, richtet sich nun direkt auf mich. Da ist es wieder dieses wölfische Grinsen.
„Und war es so wie du es dir erträumt hast?" flüstert er mit seiner sexy Stimme. Ich bringe nur ein Nicken zu stande.
"Miss Spencer?" höre ich eine Stimme wie durch Watte oder dichten Nebel.
Ich schüttle den Kopf um sie zu vertreiben.
"Hallo?"
Ich wedle mit der Hand. Die Stimme soll weg gehen. Sie stört.
"Miss Spencer, benötigen Sie einen Arzt?" höre ich DIE Stimme sagen.
"Was?" flüstere ich verwirrt und öffne die Augen. Was ist passiert? Und warum tut mein Fuß so weh?
"Brauchen Sie einen Arzt? Soll ich jemanden holen?" fragt Charlotte's Vater vor mir und sieht mit besorgtem Blick aus seinen braunen Augen auf mich herunter.
"Ähm ... was? Nein. Nein, danke." stammle ich und reibe mir meinen Knöchel. "Was ... was ist denn passiert?"
Lächelnd lässt er mich los und tritt einen Schritt zurück. "Sie sind auf der Leiter herumgeturnt. In diesen Schuhen keine gute Idee!" Er deutet mit der Hand auf meine Heels. "Ich wollte Sie was fragen und da haben Sie sich scheinbar erschreckt und das Gleichgewicht verloren." Sein Lächeln wird breiter. "Zum Glück war ich da um Sie aufzufangen."
"Wären Sie nicht gewesen wäre ich gar nicht gefallen." zische ich mit schmerzverzerrtem Gesicht.
"Wie Sie meinen." lacht er und wendet sich zum gehen. "Bitte schön übrigens."
"Ja, danke." brumme ich.
Seine Miene erstarrt kurz, Aber nur für einen Moment. Dann fängt er sich und lächelt erneut breit und sexy. "Na dann. Einen schönen Tag noch." grüßt er und verschwindet.
Verärgert, verwirrt und mit einem verstauchten Knöchel bleibe ich zurück.
"Das hast du ja toll hinbekommen, Charlotte!" rüge ich mich selbst.

Kapitel 3

In der nächsten Zeit treffe ich nicht mehr auf Charlottes Vater. Er scheint nur noch im Wagen vor dem Schulgebäude auf sie zu warten wenn er sie abholt. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Sicher hat er Angst vor der durchgeknallten Lehrerin seiner Tochter.
Enttäuscht verbringe ich die Nächte allein mit meinen Träumen und Fantasien.
Ich komme sogar auf den unmöglichen Gedanken Charlotte irgendein untadeliges Verhalten anzudichten nur um ihre Eltern vorladen zu können. Mir fallen noch weitere Dinge ein die ich unternehmen könnte nur um IHN wieder zusehen. Doch diese Gedanken verwerfen ich sofort wieder. Was sollte ich der absolut liebenswerten und freundlichen Charlotte schon vorwerfen? Sie lernt fleißig, arbeitet sauber, ist eine gute Schülerin.

Irgendwann ganz plötzlich mitten in der Nacht kommt mir die Erleuchtung.

Am nächsten Morgen teile ich meiner Klasse das Thema der nächsten Zeit mit. Berufe, insbesondere die ihrer Eltern mit anschließender Einladung der genannten damit sie etwas über ihrem Beruf erzählen können. Das ist perfekt. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich treffe ihn wieder und als Bonus erfahre ich was er beruflich macht. Vielleicht ja Banker? Zumindest sieht er genauso aus wie die adretten jungen Männer in Dad's Bank.

Mein Vorschlag findet unter den Kindern große Zustimmung, also lasse ich die Kinder jeder eine Einladung für ihre Eltern schreiben mit der Bitte diese ihnen gleich heute zu überreichen damit sie sich darauf einstellen können.
Während der nächsten Unterrichtsstunden erfahre ich das ein Vater bei der NASA in Amerika arbeitet und nur alle paar Wochen mal zu Hause bei seiner Familie in London ist. Ein paar Mütter sind Hausfrauen, >Mummy geht nicht arbeiten. Sie hat es nicht nötig. Daddy verdient genug.< Eine Mutter ist Politikerin. Oh ha. Polizist, Anwalt und Anwältin, Arzt, Richter, Gärtnerin, Erzieherin, stellvertretende Geschäftsführerin eines Kaufhauses, persönliche Assistentin, Schauspielerin, Sekretärin - alles dabei. Charlottes Mutter ist eigentlich Sängerin, jetzt jedoch Hausfrau und was ihr Vater genau macht erzählt er ihr nicht. Aber es ist irgendwas mit auf Leute aufpassen damit ihnen nichts passiert.
„Vielleicht ein Security oder ein Polizist?" rate ich.
„Hm vielleicht." gibt sie schulterzuckend zurück und malt weiter mit einem pinken Stift in ihr Heft. Es bleibt also spannend.

Übernächste Woche Mittwoch ist es dann so weit. Ich hatte mir überlegt, dass Mittwoch gut wäre. So können die Eltern zu uns in die Klasse kommen und von sich erzählen. Am Tag darauf, Donnerstag dann dürfen einige Kinder ihre Eltern auf deren Arbeitsstätte besuchen. Dafür haben sie großzügig von der Schulleitung einen Tag Schulfrei bekommen und am Freitag dann sollen die betreffenden Kinder berichten, wie ihr Ausflug in die Arbeitswelt der Erwachsenen gewesen ist.
Charlottes Vater hat gleich abgeriegelt das seine Tochter ihn begleiten kann. Viel zu gefährlich wurde mir im Hausaufgabenheft mitgeteilt. Charlotte wird ihre Mutter stattdessen in ein Tonstudio begleiten.

Mittwoch morgen war ich mit Sicherheit ebenso aufgeregt wie die Kinder. Gespannt warten wir auf die dritte Stunde.
Pünktlich treffen die Eltern ein. Jeder der von Berufs wegen Uniform trägt, trägt diese auch jetzt. Entweder um authentisch rüber zu kommen oder weil er oder sie nur kurz von Arbeit weg ist um diesen Termin wahrnehmen zu können. Von Charlotte's Eltern erscheint nur ihr Vater. Mister Steel adrett wie eh und je, trägt einen dunkelblauen Dreiteiler. Dazu ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte. Mit nach hinten verschenkten Armen steht er breitbeinig zwischen den anderen Eltern vor der Tafel und lässt gelangweilt seinen Blick über die Köpfe der Kinder schweifen.
Ich begrüße alle Anwesenden freundlich und bitte sie nun, einzeln der Reihe nach wie sie stehen vorzutreten und etwas über sich zu erzählen.
Ich bin total happy das er gekommen ist und kann es kaum erwarten bis er an der Reihe ist.
Die rundliche Mutter von Susan ist die stellvertretende Geschäftsführerin des Kaufhauses. Sie spricht von der großen Verantwortung die auf ihren Schultern lastet.
Als nächstes ist Neils Vater, der Richter dran. Er spricht von einer noch größeren Verantwortung die er trägt.
Gespannt hängen die Kinder an den Lippen von Peters Vater. Er berichtet von spannenden Einsätzen als Feuerwehrmann. Wie er Leben rettet und wie sie aber auch so harmlose Dinge wie eine Storchfamilie von einem Schornstein einer Fabrik die abgerissen werden sollte umgesiedelt hat.
Nun war ER dran.
„Hi. Mein Name ist Max Steel. Ich bin Charlotte's Dad. Ich bin Personenschützer."
Oh ha. Cool!
„Ich beschütze wichtige Leute mit meinem Leben." erklärt er.
Ein Raunen geht durch die Klasse und Neil fragt „Mit dem Leben? Wie geht denn das?"
Er zuckt gelangweilt die Schultern und antwortet. „Ich werfe mich dazwischen wenn auf die Schutzperson geschossen wird."
Ich ziehe scharf die Luft ein.
Die Augen der Kinder werden groß. Schnell werfe ich einen Blick auf Charlotte. Ihre Augen glänzen verdächtig. Ich bekomme eine Ahnung weshalb man ihr bisher verheimlicht hat was ihr Vater genau tut.
„Das ist bisher aber noch nie vorgekommen." schiebt Mister Steel schnell ein. „Wenn man alles gut plant und auf alles vorbereitet ist, kommt man gar nicht erst in diese Situation."
„Und wen beschützen Sie da so, Mister Steel?" wende ich mich jetzt an ihn.
Langsam dreht er den Kopf in meine Richtung. Ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel. Seine Augen beginnen zu funkeln „Das darf ich nicht sagen, Miss. Aber ich kann Ihnen versichern das es sehr ..." Er betont dieses Wort. "... wichtige Persönlichkeiten sind. Und ich beschütze auschließlich Leute die es wert sind und sich meine Aufmerksamkeit leisten können - Charlotte ." fügt er grinsend hinzu.
Mein Name trifft mich bis ins Mark. Ich merke wie meine Wangen heiß werden und schlucke. Mir ist es unmöglich meine Augen von ihm ab zuwenden. Seit wann duzt er mich?
„Hast du schon mal Tom Cruise beschützt?" fragt Tom.
„Vielleicht." gibt Max Steel schulterzuckend zurück als wäre Tom Cruise gerade mal so eine der Persönlichkeiten die sich seine Aufmerksamkeit leisten könnten. Sicher beschützt er sonst Mitglieder des Königshauses.
„Und eine berühmte Schauspielerin?" kommt von Anastasia die verträumt ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände stützt.

Der Denkansatz ist gut. Da gerate ich auch gleich ins Träumen. Er ist Bodyguard. Meine Gedanken schweifen ab zu Whitney Huston und Kevin Costner. Nur das wir das sind in meinem Tagtraum.

„... Ich muss immer top fit sein, verbringe viel Zeit mit Sport." erzählt er weiter. Ich verrate prinzipiell niemanden die Namen meiner Auftraggeber und Schutzpersonen." wiegelt er Toms erneute Frage nach seinem jetzigen Auftraggeber ab.
Ich klatsche in die Hände. „So Kinder, ihr hört es doch. Mister Steel darf es nicht mehr verraten und ich denke wir haben jetzt genug über ihn gesprochen. Die anderen Eltern wollen auch noch zu Wort kommen." Lächeln fordere ich mit einem Wink den nächsten Vater auf vor zutreten. Anhand des weißen Kittels vermute ich mal das er Arzt ist. Kimberlys Vater bestätigt meine Vermutung und erklärt das er Chirurg in einer großen Klinik ist.
Ich zwinge mich nicht in Max Nähe zu blicken, so erschrecke ich fast zu Tode als er plötzlich neben mir steht.
„Haben Sie mich vermisst?" raunt er an meinem Ohr.
Erschrocken halte ich die Luft an und schweige. Woher weiß er von meinen innersten Gedanken?
"Ich war sehr beschäftigt in den letzten Tagen." erklärt er gerade so laut das nur ich es hören kann. Verwirrt sehe ich ihm in die Augen.
Er grinst „Na, Sie haben sich doch sicher gefragt wo ich mich rum treibe?" Wieder dieses wölfische Lächeln was mir einen Schauder durch den Körper jagt.
Wieder denke ich an den Kuss. Der Kuss den ich mir in einem Tagtraum eingebildet habe. Es war doch ein Traum? Allerdings fühlte es sich so real an, dass ich mir ganz und gar nicht sicher bin.
"Geht es Ihnen gut?" fragt er und sieht mich an. Lang und intensiv.
Ich schlucke. "Ähm ... ja. Ja, mir geht es gut. Danke." murmle ich.
Er grinst.
„Ich bin jetzt erstmals frei. 6 Tage lang." flüstert er weiter. „Ich möchte Sie gern' mal zum Essen einladen! Wie wäre es heute um 20 Uhr?"
Ich blicke ihm in die wunderschönen Augen und nicke. Ohne nachzudenken nicke ich und schenke ihm ein Lächeln.
Selbstsicher grinst er. "Prima! Dann hole ich Sie zu Hause ab." Damit dreht er sich um und stellt sich wieder zwischen die anderen Eltern. Ihm scheinen die Blicke der Erwachsenen nicht im geringsten zu stören. Mich jedoch schon. Ich bemerke wie meine Wangen glühen.

Den Rest der Stunde bekomme ich kaum noch etwas mit. Meine Gedanken kreisen nur um den heutigen Abend. Max Steel der absolut sexy, durchtrainierte Bodyguard will mich daten. Aber er ist doch verheiratet. Das Ehepaar Steel sah beim Elternabend so vertraut aus, gar nicht als das es bei ihnen in der Ehe krieseln könnte. Oder leben sie bereits getrennt und nehmen nur Termine ihre Tochter betreffend gemeinsam wahr?
Wie auch immer. Irgendwann, vielleicht heute Abend bekomme ich ja die Gelegenheit meine Fragen los zu werden. Aber im Grunde konnte es mir egal sein. Es ist schließlich seine Sache wenn er seine Frau betrügt.
Schlussendlich betrachtet war die Elternberufe-Aktion ein voller Erfolg.

 

Kapitel 4


Im Lehrerzimmer berichte ich bei einer Tasse Kaffee Franzi von meinem Date.
„Wahnsinn! Wie geil ist das denn? Wirklich der Typ vom Schulhof letztens?" Sie bekommt sich kaum noch ein.
Abwehrend hebe ich die Hände. „Langsam, langsam. Es ist doch nur ein Date." lache ich. Seufzend füge ich hinzu „Außerdem ist er verheiratet. Ich habe keine Ahnung was er von mir will? Was er damit bezweckt?"
„Ist doch Scheiß-egal." kreischt Franziska und wirft die Arme in die Luft. „Da macht sie sich Gedanken um die Ehefrau anstatt sie sich drauf freut eine geile Nacht mit einem noch geilen Typen zu verbringen." Sie nimmt meine Hände in ihre und sieht mir fest in die Augen. „Charly, der Typ will dich Daten. Vielleicht will er nur was trinken, vielleicht auch mehr? Lass es drauf ankommen und genieße es! Sein Kram kann dir doch egal sein."
Ganz so wie sie sehe ich das zwar nicht, ich habe nämlich ein Gewissen aber sie hat schon in einer Sache recht, ich sollte hingehen und Spaß haben heute Abend.
Also setze ich mich nach Dienstschluss in mein Auto und brause nach Hause um mich aufzubretzeln.
Habe ich überhaupt was passendes zum anziehen? Natürlich nicht.
Also noch einmal los. Zum Glück ist Notting Hill ein Viertel mit einigen süßen Boutiquen. Beim dritten Anlauf finde ich ein schönes smaragdgrünes Kleid das hervorragend zu meinem roten Haar passt.
Es ist bereits halb sieben als ich endlich wieder zu Hause bin. Während ich mir Badewasser einlasse und die Musik im Player voll aufdrehe, hänge ich das Kleid auf einen Bügel damit es nicht knittert und lege die übrigen Kleidungsstücke heraus.
Anschließend lege ich mich in den duftenden Schaum in der Wanne und versuche, schlussendlich erfolglos ein wenige runter zu kommen. Vor Nervosität bin ich hibbelig und aufgekratzt. Nach dreißig Minuten steige ich wieder aus der Wanne, creme mich ein und schminke mich. Weder zu viel, noch zu wenig. Fertig angezogen mit nude farbenen Heels an den Füßen betrachte ich mein Spiegelbild in meinem großen Standspiegel. „Du kannst dich echt sehen lassen, Charlotte." spreche ich mir selbst Mut zu.
Plötzlich erklingt die Türklingel. Eine ganze Weile habe ich nicht mehr auf die Uhrzeit geachtet. Es ist bereits fünf vor 8. Ich drücke auf den Türsummer, schnappe mir hektisch meine Handtasche, werfe Hausschlüssel, Handy, ein paar einzelne Taschentücher und einen Lippenstift hinein, da klopft es schon an der Tür. Mit der Hand auf der Klinke atme ich noch einmal tief durch. Ein letzter Blick in den Spiegel und ich drücke die Klinke herunter.
Max, heute leger in dunkelblauer Jeanshose und hellbrauner Lederjacke, grinst mir entgegen.
„Hi. Gut sehen Sie aus!" lobt er.
„Dankeschön." murmle ich und sehe beschämt zu Boden.
Er macht einen Schritt auf mich zu, umfasst meine Taille mit der einen Hand mit der anderen hebt er mein Kinn an und zwingt mich so ihm direkt in die Augen zu schauen.
„Du bist wahnsinnig hübsch, Charlotte! Du brauchst dich für dein Aussehen nicht zu schämen." brummt er. Sein Kopf senkt sich und seine warmen Lippen treffen auf meine. Mein Herz hämmert. Ich habe Angst das er es hören kann.
Ob aus Sehnsucht oder einer geistige Verwirrung heraus schmiege ich mich an ihn und sehe zu ihm auf. Sein Blick zeigt überraschung. Er beugt sich herunter und unsere Lippen treffen aufeinander. Unsere Zungen tanzen förmlich miteinander. Max Hände wandern an meinem Rücken hinab bis zu meinem Po wo sie liegen bleiben und ihn kneten.
Ein Schauder nach dem anderen jagt durch meinen Körper. Dieser Mann hat etwas was mich förmlich zu Wachs werden lässt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Und dieser Duft. Männlich, nach frischer Luft, seinem Aftershave und irgendwie nach Pfefferminz.
"Hm." stöhne ich als er meinen Hals mit Küssen bedeckt. Ich stütze mich mit meinen Händen an seiner Brust ab. Wie kann man nur solch ein muskulösen Körper haben?
„Willst du noch was trinken gehen oder lieber doch nur Spaß haben?" raunt er an meinem Hals.
„M-Max, du bist verheiratet. M-meinst du nicht ..." weiter komme ich nicht weil er meinen Mund mit einem Kuss verschließt.
„Sch..." macht er und löst sich etwas von mir. Teils verwundert, teils beschämt von meinem eigenen Fehlverhalten sehe ich zu ihm auf.
Ich kann seinen Blick nicht deuten. Plötzlich greift er nach meiner Hand, zieht mich in meine Wohnung zurück und schließt die Tür mit einem Fußtritt. Die Tür fällt laut knallend ins Schloss. Kaum ist sie zu, drückt er mich mit seinem Körpergewicht gegen das Holz. Sein Bein drängt sich zwischen meine. Während ich mich haltsuchend mit einer Hand an seiner Brust und der anderen an der Tür abstütze, öffnet er mit einer Hand hinter meinem Rücken den Reißverschluss meines Kleides. Achtlos fällt das Kleid zu Boden und bauscht sich um meine Knöchel. Max zieht scharf die Luft ein, leckt sich gierig die Lippen als sein Blick meine Rundungen abtastet.
Ich persönlich finde meine Hüfte und Oberschenkel etwas zu füllig, aber ihm scheint zu gefallen was er sieht. „Du bist so schön!" raunt er mit zusammen gerissenen Zähnen.
„Du erstmal." entfährt es mir, ich werfe alle Gewissensbisse über Bord, greife mit beiden Händen nach seinem Jackenrevers und ziehe ihn an mich. Fordernd küsse ich ihn. Meine Hände machen sich selbstständig. Das haben sie doch noch nie getan, aber ich habe auch noch nie solch eine Erfahrung gemacht. Überhaupt ist die Situation vollkommen neu für mich.
Ich zerre ihm die Jacke von den Schultern. Max hilft mir und wirft sie anschließend einfach in eine Zimmerdecke. Meine langen Fingernägel krallen sich nun in sein weißes Hemd.
„Hey, nicht so wild." stöhnt er an meinem Mund. Mit einem mal hebt er mich hoch, seine großen Hände umfassen meinen Po. Ich quieke vor Überraschung kurz auf.
„Wo ist das Schlafzimmer?" will er wissen.
„Irgendwo da hinten." antworte ich atemlos und wedel mit der linken Hand hinter ihm in der Luft herum.
Max dreht uns um und trägt mich mühelos, als würde ich kaum etwas wiegen durch meine Wohnung. Sie ist nicht besonders groß, so dass er schnell findet was er sucht. Dort wirft er mich rücklings auf das King Size Bett, greift mit beiden Händen nach meiner Hüfte und dreht mich mühelos um und hebt meinen Po an, so das ich nun in auf allen vieren vor ihm auf der Matratze knie.
Max beugt sich halb über mich, mit seiner Hand fährt er zuerst die Konturen meines weißen Spitzenhöschens nach „Du hast es doch darauf angelegt das ich dich heute ficke, gib's zu. Sonst hättest du den nicht an." Jetzt fährt er mit der Hand unter den dünnen Stoff und streichelt meinen Po.
Ich halte unwillkürlich die Luft an und keuche erschrocken auf, als er unvermittelt zwei Finger in mich schiebt. „Du bist so was von bereit für mich, Baby." raunt er hinter mir. „Willst du das ich dich ficke?"
Oh man, diese Stimme. Mein Herz hämmert, in meinem Kopf dreht sich alles, in den Ohren rauscht es.
Mehr als ein stummes Nicken bringe ich nicht zu Stande, während er genüsslich langsam seine Finger in mich rein und raus schiebt. Sein anzügliches Grinsen dabei kann ich mir bildlich vorstellen.
Mit einem Mal klatscht er mir auf die Pobacke. „Sag es! Was willst du?" ruft er scharf.
Ich erschrecke, schweigend nicke ich nochmal.
Wieder ein Klaps. „Sag mir was du willst, Charlotte!" Seine Stimme hat einen scharfen Unterton.
Meine Haut schmerzt an der Stelle wo seine Hand mich getroffen hat. Leise sage ich „Schlaf mit mir."
„Nein, an schlafen habe ich nicht gedacht, Charlotte. Was willst du wirklich?" Seine Finger stoßen kraftvoll in mich als die richtigen Worte mir endlich über die Lippen kommen
„Fick mich endlich!" schreie ich lustvoll. Ich erkenne mich gar nicht wieder.
„Na also." Max beugt sich runter, sein Mund an meinem Ohr, „So mag ich das. Bin gleich wieder bei dir." Dann steht er auf. Qualvoll langsam beginnt er sich seiner Klamotten zu entledigen. Ich lege mich auf den Bauch und drehe mich zu ihm um ihm dabei zusehen zu können. Er grinst mich frech an. Bevor er die Hose fallen lässt holt er auf der Tasche noch ein Kondom hervor. Max lässt die Augenbrauen wackeln, reißt es mit dem Mund auf und stattet sich mit dem Kondom aus. Ich bin völlig fasziniert wie gut er ausgestattet ist. Ich kann meine Augen gar nicht abwenden. Natürlich bleiben meine Blicke nicht unbemerkt. Anzüglich grinsend und wie ein Raubtier auf Beutezug kommt er wieder über mich. „Bereit?" fragt er.
Ich nicke und presse, weil er es sicher wieder so haben will, ein „Ja." zwischen den Zähnen hervor.
Mit einem Ruck zieht er mich wieder in Positur vor sich. Sein harter Schwanz drückt gegen meinen Oberschenkel. Lasziv langsam stößt er in mich ein. Seine Männlichkeit erfüllt mich voll und ganz. Ich keuche erschrocken auf. Er ist so tief. Wow! So habe ich das noch nie erlebt.
Naja, viel Erfahrung habe ich auf diesem Gebiet eh noch nicht gesammelt.
„Fuck, bist du eng, Babe." stöhnt er während er sich zu vollen Gänze in mich schiebt.
Ich habe das Gefühl Ohnmächtig zu werden, meine Beine sacken unter meinem Gewicht weg. Max scheint es zu bemerken und hält mich an meiner Hüfte fest. Mit langsamen Bewegungen stößt er immer wieder in mich. Qualvoll langsam steigert sich meine Lust. Gekonnt öffnet er meinen BH. Dieser fällt unter mich auf das Bett.
„Komm her." flüstert er, zieht meinen Oberkörper zu sich hoch und beginnt meinen Hals zu küssen, seine Hände kneten meine Brüste.
Max zieht sich aus mir zurück, dreht mich zu sich um, so das ich ihn direkt anschauen kann. Seine braunen Augen, dieser unglaubliche sexy Blick, ich zerfließe unter ihm. Mit einer Hand in meinem Nacken lässt er mich langsam nach hinten auf das Bett legen. Seine Küsse bedecken meinen gesamten Oberkörper. Sein Schwanz findet von ganz allein wieder in mich. Mit langsamen kreisenden Bewegungen steigert er meine Lust. Meine Hände gleiten an seinem Rücken auf und ab. Ich spüre wie sich seine Muskeln anspannen. Als er kraftvoller zustößt krallen sich meine Fingernägel in sein Fleisch. Ich schreie auf.
„Ja komm für mich, Süße!" raunt er.
Mit einem weiteren kraftvollen Stoß peitscht er mich zu Höhepunkt. Gemeinsam kommen wir. Max stöhnt und kneift die Augen zusammen. Dieser Anblick, diesen Mann so verletzlich zu sehen einfach geil!
Erschöpft rollt er sich von mir herunter und legt sich neben mich. Sein Oberkörper hebt und senkt sich.
Ich drehe mich zu ihm, lege den rechten Arm über seinen Oberkörper. „Das war schön!"
„Schön? Pha." Macht er abfällig. „Das war super!" grinsend sieht er mich direkt an. „Du bist wahnsinnig eng, das war total intensiv."
Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll und schweige lieber.
„Du bist so vollkommen anders als Beverly." beginnt er zu erzählen. Beverly ist dann wohl seine Frau.
„Als ich dich das erste mal gesehen hatte wusste ich es schon - du bist besonders, Charlotte. So süß und unschuldig. Ich wollte dich von Anfang an ficken." Sein hinreißendes Lächeln entschuldigt diese Frechheit.
„Aha." Mehr fällt mir nicht ein. Ob ich ihm gestehen sollte, dass ich schon länger ähnliche Gedanken habe?
Einige Zeit liegen wir schweigend nur einfach so da. Ich mit meinem Kopf auf seiner Brust. Meine Finger tanzen über seinen Bauch. Umspielen seinen Sixpack.
Mir fallen meine unzähligen Fragen wieder ein. Doch ist jetzt die richtige Zeit sie zu stellen?
Als hätte er meine Gedanken gelesen sagt er plötzlich „Ich werde meine Frau nicht verlassen. Ich liebe sie."
Diese Worte treffen mich wie ein Faustschlag in die Magengrube.
Aber er ist noch nicht fertig „Aber ich empfinde auch was für dich. Glaube ich zumindest."
Glaubt er. Na toll. Sauer will ich die Hand von ihm weg ziehen, doch er hält sie fest.
„Hey, ich mag dich! Wirklich. Aber wir haben erst einmal miteinander gepoppt. Was erwartest du da? Das ist etwas was wachsen muss." Er sieht mir fest in die Augen. „Aber meine Familie kann ich nicht verlassen. Ich habe eine Tochter. Charly bedeutet mir alles."
Das verstehe ich und ich nicke. Dennoch frage ich. "Machst du das öfters?"
"Was?"
"Deine geliebte Frau betrügen indem du mit anderen Frauen schläfst? Ich hätte angenommen ihr seid getrennt."
"Nee." erwidert er kurz und grinst. "Wir ... wir führen nur eine sehr ... offene Beziehung." gesteht er anzüglich grinsend.
"Ach so." Meine Augen werden groß. "So ein Mann ist mir noch nie untergekommen.
Ich muss ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben, denn er murmelt lächelnd „Du bist so süß!" und küsst meine Mundwinkel. „Keine Sorge mich wirst du so schnell nicht mehr los."
Eine schöne Drohung, wenn ich die einzige Frau in seinem Leben wäre. Aber so ...
Kurz darauf zog er sich an und nachdem er mich noch ein weiteres Mal intensiv geküsst hat, verschwand er in die Dunkelheit der Londoner Nacht.
Verwirrt aber glücklich lehne ich mich an die geschlossene Wohnungtür. Toll, Charlotte nun bist du eine heimliche Geliebte!
Es ist ewig her das ich Sex hatte. Das letzte Mal bei der Abschlussparty des Studiums. Der Typ war sturzbesoffen und stank nach Schweiß. Keine schöne Erinnerung. Zum Glück hat er sich nie bei mir gemeldet! Wahrscheinlich kann er sich noch nicht einmal an mich erinnern! Auf jeden Fall war mein letztes Mal scheiße! Kein Vergleich zu heute mit Max.
Max ist ein absoluter Traummann! Sexy, erfolgreich und er strahlt so eine gewisse Autorität aus. Ich bin völlig willenlos in seiner Nähe. So etwas habe ich an mir noch nie erlebt.
Und irgendwie habe ich das Gefühl, nicht mehr so schnell von ihm loszukommen. Auch wenn es mir nicht gut tun sollte, will ich nichts daran ändern!

 

Kapitel 5

Am nächsten Tag machte ich meine übrig gebliebenen Schüler glücklich, indem ich keinen richtigen Unterricht sondern im Medienraum mit ihnen einen Film ansah. Wenn sie schon nicht ihre Eltern begleiten durften, so sollen sie wenigstens einen schönen Schultag haben.
Am Abend kommt ein Anruf von Max.
„Hey. Was machst du schönes?" fragt er.
„Ach nichts besonderes. Du weißt schon. So Sachen wie Filme schauen und Eis essen." lache ich.
„Soll dein Abend interessanter werden?"
„Gern! Und wie stellst du dir das vor?"
„Wir könnten heute ja nochmal versuchen etwas trinken zu gehen und anschließend könnten wir zu mir gehen. Ich habe heute Sturmfreie Bude." lacht er. „Und um sicher zu gehen das wir nicht wieder gleich übereinander herfallen, treffen wir uns gleich in der Bar."
„Einverstanden! Wann und wo?" frage ich glücklich.
Ernst nachdem ich das Telefonat beendet habe fällt mir auf, dass ich ihm weder meine Adresse noch meine Telefonnummer gegeben habe. Aber sicher gehört es zum know how eines selbstständigen Personenschützers dererlei Informationen heraus zubekommen.

Wenig später sitzen wir in einem gemütlichen Pup in Soho. Diesmal habe ich deutlich weniger Aufwand betrieben um mich heraus zuputzen. Schließlich hatte mich dieser Mann schon nackt gesehen und war nicht schreiend davon gelaufen.
Max Hand landet wie selbstverständlich auf meinem Oberschenkel. „Erzähl mir von dir!" fordert er mich auf kaum das die Bedienung mit unserer Getränkebestellung zum nächsten Tisch weiter gezogen war.
„Was denn alles?"
„Na, wo kommst du her. Deine Eltern. Hobbies, Vorlieben. Wer genau bist du?" zählt er auf und sieht mich abwartend an.
„Willst du das wirklich alles wissen? Ernsthaft? Es wird doch gar nichts festes - das mit uns. Du bist verheiratet." sage ich traurig.
„Charlotte, ich mag dich wirklich! Ich will das es was Ernstes wird! Irgendwie." erklärt er. „Beverly lasse meine Sorge sein."
„Und Charlotte?" hake ich mit ernster Miene nach.
Zerknirscht sieht er auf die Tischplatte vor sich. "Das ist etwas womit auch ich allein fertig werden muss." flüstert er kaum hörbar. Überhaupt habe ich wegen des vorherschenden Lautstärkepegels Schwierigkeiten ihn zu verstehen.
Ich nicke wissend. "Also gut." beginne ich schließlich um das Gespräch ins laufen zu bringen. "Mein vollständiger Name ist Charlotte Elisabeth Spencer. Geboren am 13.08.1992 hier in London als mittleres von drei Kindern. Ich habe einen älteren Bruder - Aiden und eine jüngere Schwester - Emely. Ich habe an der University of Greenwitch hier in London Pädagogik auf Lehramt studiert und habe mit einem, wie ich finde, recht passablen Zeugniss meinen Abschluss gemacht. Zumindest waren meine Eltern zufrieden und schenkten mir zum Abschluss die Wohnung in der ich lebe. Schon meine ersten Bewerbung war ein Volltreffer und mir wurde eine Anstellung in der Primärschool in Belgravia angeboten wo ich nun die Klassenlehrerin deiner Tochter bin. Ich liebe Bücher, italienisches Essen, Eiscreme und Schokotorte. Ich treibe Sport. Mal allein mal im Fitnessstudio. Und ich stehe auf Sportwagen." ich sehe ihm in die Augen. „So, das war's. Jetzt weißt du so ziemlich alles über mich."
„Oh okay, das war ausführlich." lacht er und fährt sich mit der Hand durch das kurze Haar.
„Du bist dran!" fordere ich ihn auf.
Er grinst, nickt zustimmend und beginnt zu erzählen. „Okay ... Ich wurde am 4.5.1981 in Ottawa Kanada geboren. Bin Einzelkind. Habe eine Tochter - sie ist ganz niedlich, muss ich dir unbedingt mal vorstellen." Er lacht über seinen Scherz. Ich lächle ihn an. „Ich liebe meine Tochter! Ich bin Personenschützer. Habe eine eigene Firma die, wie ich mit gutem Gewissen sagen darf, erstklassig ist. Aber was ich genau tue darf ich dir nicht sagen, dass weißt du ja. Hm - für Hobbies habe ich keine Zeit. Obwohl, ich mache auch gern Sport. Und ich liebe es Motorrad zu fahren. Ja, ich denke das könnte ich als mein Hobbie bezeichnen. Jede freie Minute fahre ich. Ich esse was mir vorgesetzt wird, habe kein bestimmtes Lieblingsessen. Ach ja, und ich liebe gute Kleidung." schließt er mit seiner Vorstellungsrunde.
„Na, das war doch gar nicht schwer oder?" necke ich ihn und schenke ihm ein strahlendes Lächeln. „Ja, ich muss sagen du hast einen guten Mode Geschmack! Und vielleicht nimmst du mich mal mit auf deiner Maschine? Ich bin früher ab und zu mal bei meinem Bruder mitgefahren. Er ist auch ein Biker."
„Klar! Das kriegen wir hin. Bald muss ich aber erstmal wieder für einen Auftrag ein paar Tage weg." sagt er.
„Ich weiß. Das sagtest du schon." Irgendwie bin ich enttäuscht - traurig.
Er bemerkt den traurigen Unterton in meiner Stimme „Ich komme wieder. Keine Sorge." Max lächelt. „Ich sagte doch schon mal, mich wirst du so schnell nicht mehr los."
„Es ist ja nicht nur die Tatsache das du verheiratet bist und ich dich nicht nur für mich allein haben darf. Es ist auch dein Job. Er ist gefährlich. Wenn dir etwas zustößt bekomme ich keine Auskunft. Keiner meldet sich bei mir. Du bist dann einfach weg und ich wieder allein. Unwissend."
'Schonwieder' füge ich in Gedanken hinzu.
„Worüber du dir Gedanken machst?" lacht er. „Mir passiert nichts. Ist noch nie, und wird auch nie vorkommen." Selbstsicher strahlt er mich an.
Na gut, er muss es ja wissen. Er macht das ja schon eine Weile.
„Lass uns austrinken und zu mir fahren." schlägt er nach einer kurzen Weile vor in der wir beide schweigend aus dem Fenster gesehen und den draußen eilig vorbei hastenden Passanten zugesehen haben. Ich nicke zustimmend und leere mein Glas mit einem letzten Zug.

Max Zuhause ist eine noble Stadtvilla in Belgravia. Die weiße Fassade strahlt in der Dunkelheit der Nacht. Ein schwarzer schmiedeeiserne Zaun trennt Vorgarten und Gehweg. Während ich noch die Größe des Hauses bewundere, als exclusiver Personenschützer scheint man gut Geld zu verdienen, steigt Max schon die fünf Stufen zur Eingangstür hinauf. Ein Schlüssel klimpert. Er öffnet die Tür und tritt beiseite um mich als erstes das Haus betreten zu lassen.
Der beige gestrichene schmale Flur scheint vor allem als Fotowand zu dienen. Überall hängen welche. Fotos von Charlotte in jedem Alter, von Max und Beverly. Foto's der beiden aus glücklicheren Zeiten? Oder ist es für sie noch immer so und er nutzt ihre Unwissenheit aus um durch fremde Betten zu hüpfen?
Ich schlucke und laufe rasch daran vorbei. Max folgt mir.
„Hier gleich rechts." sagt er und deutet auf eine gläserne zweiflüglige Schiebetür. Dahinter befindet sich das Wohnzimmer. Es ist modern eingerichtet mit einer weinroten Couch Garnitur und einem gläsernen Couchtischchen davor. An der Wand steht ein Sideboard, darüber hängt ein Druck von Andy Warhol. Vielleicht ist es ja ein Original, keine Ahnung. Ein monströs großer Flat Screen hängt zwischen den beiden Fenstern die zur Straße hinaus gehen.
Bis auf die Fotos im Flur sehe ich nichts persönliches. Nichts was erahnen lässt, dass hier eine drei köpfige Familie wohnt. Irgendwie komme ich mir vor wie in einer Musterwohnung.
„Gefällt's dir?"
Unschlüssig zucke ich die Schultern. „Du, mir muss es nicht gefallen. Ich wohne hier ja nicht." gebe ich mit Blick auf Max der an der Tür stehen geblieben ist ruhig zurück. "Würde ich hier wohnen, sähe es devinitiv anders aus." murmle ich noch.
„Hm." macht er nur.
„Wo ist Charlotte heute Abend?" will ich wissen „Und Beverly." füge ich hinzu.
„Sie sind bei Beverlys Eltern in Epsom. Sie waren heute im Tonstudio und wollten anschließend zu ihnen zu Besuch fahren."
„Hm." mache nun ich und nicke wissend.
„Hey, möchtest du was trinken?" fragt er und dreht sich zum Sideboard.
„Gern. Weißwein wenn du hast." antworte ich.
„Klar hab ich den. Dann muss ich aber kurz in die Küche. Moment." er verschwindet aus dem Zimmer.
Vorsichtig setze ich mich auf die Couch und lege meine Hände gefaltet im Schoß ab. Aus Angst verräterische Spuren zu hinterlassen versuche ich so wenig wie möglich zu berühren. Ich höre Max entfernt Schubladen öffnen, Gläser klirren, da kommt er auch schon wieder zurück. Mit einem lauten Plopp entkorkt er die Flasche und gießt zwei Gläser halb voll. „Bitte." er reicht mir eines der Gläser.
Ich nehme es entgegen und probiere gleich einen Schluck. „Hm, lecker!" lobe ich.
Max setzt sich mir zugewandt neben mich. Sein linker Arm ruht auf der Rückenlehne, in der anderen hält er sein Glas. „Worauf hast du Lust?" fragt er.
„Hm. Ein Film?" frage ich zurück. „Deine ... ich meine, eure Couch sieht sehr bequem aus."
„Okay. Schauen wir mal was das Internet so hergibt." er greift nach einer der drei Fernbedienungen die vor uns auf dem Tisch liegen. „Was für ein Genre?"
„Na eine Liebesschnulze möchtest du bestimmt nicht schauen. Eine Komödie vielleicht?"
Max sucht herum und wird recht schnell fündig. Wir einigen uns auf 'Grand Budapest Hotel' .
„Ich liebe diesen Film!" rufe ich erfreut aus. „Gute Schauspieler und lustiger Text. Einfach klasse!"
„Sie steht auf gute Filme - wird vermerkt." diktiert er seinem Gedächtnis.
„Ja, das stimmt. Wie nennt man diese Art von Leuten?" grübel ich.
„Cineast." wirft er trocken ein.
Ich zeige auf ihn und rufe fröhlich „Stimmt genau.".
Als der Film startet stellt Max sein Glas auf dem Tisch ab. Ich tue es ihm nach. So unauffällig wie möglich rücke ich näher als vorher an ihn heran. Er bemerkt es dennoch und zieht mich an sich. Dann umfassen seine Stärken Arme meine Taille von hinten. In dieser Position genießen wir den Film. Immer wieder müssen wir beide über die selben Stellen im Film lachen. Wir scheinen wenigstens etwas gemeinsam zu haben - den Humor.

Kurz um der Abend wird noch interessant. Damit meine ich nicht nur das obere Stockwerk des Hauses, sondern auch unsere gemeinsam verbrachten Stunden.
Es war sehr schön!
Weniger schön war wiederum, dass Max mich noch in der selben Nacht nach Hause fuhr.
„Ich kann nicht riskieren, dass Beverly doch früher zurück kommt." erklärt er als er sich wieder anzieht.
„Klar, das verstehe ich." murmle ich und füge mich. Schweigend sammel ich meine Kleidung zusammen und gehe ins nebenan gelegene Badezimmer.
In seinem schwarzen Chevrolet kutschiert er mich bis vor mein Wohnhaus. Direkt davor, auf der Türschwelle gibt er mir noch einen langen intensiven Kuss. Er verabschiedet sich mit den Worten. "Bis bald, Darling!", steigt wieder in seinen Wagen und verschwindet.

2 ½ Monate später

Mittlerweile hat der Herbst angefangen. Das Wetter ist immer noch mild und London erstrahlt im Indian Summer.
In den letzten Wochen waren meine Sextoys meine besten Freunde, denn auf Max musste ich verzichten. Er hat sich seit Wochen nicht blicken lassen, dafür aber mit mir telefoniert. Er musste seine Zielperson, die wohl Kronzeuge in einem spektakulären Politikerfall von nationalen Ausmaß war, nach Den Haag begleiten. Kaum war er zurück ging es mit seiner Familie in den Urlaub. Es waren Herbstferien und er schließlich Familienvater.

Ich verbrachte meine freie Zeit größtenteils mit Franzi. Wir gingen schwimmen und ins Frauen Gym, gingen tanzen und shoppen, was mir besonders viel Freude machte. Endlich hatte ich wieder einen Grund mir hübsche Sachen zu gönnen. Es galt schließlich einen Mann für mich zu gewinnen. Ich musste ja leider jederzeit damit rechnen abserviert zu werden.

An einem Samstag Nachmittag erinnerte sich Max wieder meiner Wenigkeit und bestellte mich für den frühen Abend zu einem Pup am Piccadilli Circus.
Als ich dort eintraf wartete er bereits vor der Tür des Pup.
„Hi, Darling." raunt er an meinem Mund und küsst mich intensiv. Wie hatte ich das vermisst!
„Hallo." flüstere ich atemlos kaum das er meinen Mund wieder frei gibt. Zu meinem Entsetzen bemerke ich einen verliebten Unterton. Sogleich bereue ich diesen, doch Max grinst nur.
„Wie geht's dir?" will er wissen.
„Sehr gut. Danke! Und bei dir? Ist alles gut verlaufen bei deinem Auftrag?"
„Ja, alles gut - in jeder Hinsicht." er winkt ab. „Lass uns rein gehen! Ich glaube es wird gleich regnen."
Drinnen setzen wir uns an einen Tisch am Fenster. Kaum sitzen wir beginnt es zu regnen. Tropfen laufen die Scheibe hinunter und reflektieren die bunten Lichter der Außenwelt. Fasziniert verfolge ich einige Tropfen.
„Hey, bist du noch da?" höre ich die sexy Stimme die ich so liebe durch meine Gedanken an mein Ohr dringen.
Ich schüttelte kurz den Kopf und antworte „Klar doch. Entschuldige bitte!"
„Beschäftigt dich was?" will er wissen.
Erneut schüttele ich den Kopf „Nein nein."
„Dann erzähl mir was du so getrieben hast in der letzten Zeit!"
„Ach, so dies und das. Freunde treffen, stoppen gehen, Sport." zähle ich auf und bemühe mich einen beiläufigen Ton anzuschlagen. Auf keinen Fall sollte er denken ich hätte in seiner Abwesenheit nichts mit mir anzufangen gewusst. „Aber um ehrlich zu sein, ab und an habe ich dich auch vermisst. Besonders nachts." füge ich hinzu und achte genau auf seinen Blick. Wie reagiert er auf mein pikäres Geständnis.
Max zieht aber nur kurz die Augenbraue hoch und sagt. „Ja tut mir leid. Wir können das ja nachher nachholen."
„Was? Ganze 2 ½ Monate?" mit gespielten Entsetzen schaue ich ihn an.
„Hast du Angst vor Muskelkater morgen?" lacht er und und sieht mich mit anzüglich erhobener Augenbraue an.
„Muskelkater, wovon?" fordere ich ihn heraus und bereue es sofort. Ich weiß wie Max im Bett ist.
„Hey, ich warne dich! Mach dich auf was gefasst!" seine Drohung lässt mir einen wohligen Schauder den Rücken herunter kriechen „Aber erst später. Was willst du trinken?"
Ich sage es ihm und er geht zur Bar und bestellt. Kurz darauf kommt er mit einem Guinnes und einem Glas Weißwein zurück. „Bitte." er reicht mir mein Glas.
„Wie war euer Urlaub?" versuche ich so locker wie möglich zu fragen.
„Willst du das wirklich wissen?" Max zieht eine Augenbraue hoch.
„Nicht wirklich. Aber du könntest mur zumindest von Charlotte erzählen." gebe ich ehrlich zu.
„Schön. Wir waren auf den Malediven. Charly hat einen Schwimmkurs gemacht. Sie war kaum aus dem Wasser heraus zu bekommen. Geschnorchelt, oder zumindest hielt sie es dafür hat sie auch und viele bunte Fische gesehen. Du glaubst gar nicht wie wunderschön die Unterwasserwelt dort ist!" schwärmt er.
„Hm ... ach ... wirklich?" ich presse die Lippen zusammen.
Es tut ganz schön weh ihn so von seiner Familie schwärmen zu hören. Aber ich hatte ihn ja dazu aufgefordert. Ich bin so eine dumme Kuh!
Krampfhaft konzentriere ich mich wieder auf die Regentropfen auf der Fensterscheibe.
„ ... und das Essen dort ist fantastisch." er redet immer noch.
Ich nicke zustimmend (als wäre ich jemals dort gewesen).
„Sag mal, langweile ich dich?" Er ist ein echt guter Beobachter.
Erschrocken sehe ich ihn an. Verdammt! Es muss zwischen uns doch mehr geben als nur guter Sex. Aber wie sollte es da auch was geben? Er kommt fickt mich und weg ist er, den perfekten Familienvater spielen. Wie nennt man solch eine Situation doch gleich - ach ja, Verhältnis haben.
„Nein nein. ..." Beschwichtigend hebe ich die Hände. "... Ich habe nur gerade über ein neues Schulprojekt nach gedacht." lüge ich.
„Du, wenn ich dich langweile können wir das hier auch gleich abkürzen ..."
„ ... und Schluss machen." denke ich entsetzt.
„ ... und gleich zu dir fahren und poppen." beendet er seinen Satz.
Erleichtert atme ich geräuschvoll aus. „Quatsch. Du langweilst mich nicht. Aber es muss doch noch mehr zwischen uns geben als nur der Sex." ich wedle demonstrativ mit den Händen in der Luft herum.
„Wie meinst du das? Du weißt doch das ich Familie und einen zeitaufwändigen Job habe. Und was heißt hier NUR? Der Sex mit dir ist fantastisch!"
Schon wieder dieses Wort- fantastisch. Ist das sein Lieblingswort?
"Ich genieße jede Minute die ich mit dir verbringen darf!" Max greift nach meinen beiden Händen. „Du bedeutest mir echt viel! Viel mehr als es Beverly je getan hat. Aber ich habe sie nun einmal geheiratet."
„Es gibt ja Scheidungsanwälte." murmle ich.
Das hat er trotzdem gehört „Ich weiß, aber da ist noch Charlotte." Er schenkt mir ein aufmunternde Lächeln. „Wenn es Beverly nicht gäbe würde ich DICH sofort heiraten, Charlotte!"
Wow, war das eine Liebeserklärung! Ich starre ihn an. „Wie bitte?"
„Wenn sie sich scheiden lässt, mache ich dir sofort einen Antrag. Aber ich möchte nicht diese Art von Mann sein, der seine Frau für eine jüngere verlässt." erklärt er und ist wirklich ehrlich damit.
Ich bin schockiert. Max würde mich heiraten.
Ein wohliges warmes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Ich bin hin und her gerissen. Etwas zu hastig nehme ich einen Schluck vom Wein und verschlucke mich prompt. Was soll ich jetzt antworten?
„Alles in Ordnung?" fragt er besorgt. „Hast du mich gerade verstanden?"
Klar hab ich das.
Ich nicke stumm.
„Und du hast gar nichts dazu zu sagen?" enttäuscht blickt er auf seine Hände vor sich.
"Ähm, was soll ich dazu sagen?" ich suche nach Worten. „Max du bist verheiratet mit einer Frau die du gar nicht mehr zu lieben scheinst, möchtest sie aber aus ethischen Gründen nicht verlassen. Und sagst mir aber du empfindest viel für mich? Wie glaubst du fühle ich mich dabei?" erkläre ich. Meine Stimme wird mit jedem Wort eine Oktave höher.
Max greift wieder nach meinen Händen. „Charlotte, ich verspreche dir hiermit nicht mehr mit Beverly zu schlafen. Ich schwöre dir, nur dir treu sein. Ich erfülle dir jeden Wunsch. Egal was es ist. Ich schwöre es! Hauptsache ich verliere dich nicht!" echte Verzweiflung steht in seinem Blick. Woher kommt die? Wir kenne uns doch erst seit kurzer Zeit.
Jetzt weiß ich noch viel weniger was ich dazu sagen soll.
Ich komme mir vor wie die Mätresse eines Königs. Er erfüllt ihr jeden Wunsch, aber seine Königin verlässt er nicht für die arme Bauerntochter. Dabei bin ich eine echt gute Partie. Meine Eltern besitzen eine der ältesten Privatbanken des Landes und wir sind nicht gerade arm.
Das bringt mich auf den Gedanken wie ich ihnen von Max erzählen soll. Mom und Dad das ist Max Steel, mein heimlicher Geliebter.
„Charly, wenn du jetzt nicht bald etwas sagst mache ich mir ernsthafte Sorgen." höre ich ihn.
Hastig schüttel ich den Kopf. „Max ... ich ... ich weiß ehrlich nicht was ich sagen soll."
„Na ganz einfach, sag mir einfach, ob du ähnlich empfindest!" lacht er und sieht mich an.
"Wie kannst du das wissen? Nach so kurzer Zeit? Wo wir uns nicht einmal regelmäßig gesehen haben." frage ich.
„Ich denke schon, dass ich es beurteilen kann. Glaubst du nicht an die Liebe auf den ersten Blick?"
„Hm, ich weiß nicht. Ich hatte früher einen festen Freund, mit ihm war es so." gebe ich zu „Aber mit uns ... . Ich weiß es nicht, Max. Also ich mag dich sehr, ich würde sogar sagen ich bin total in dich verschossen. Aber Liebe?" Schnell füge ich hinzu „Ich will dich nicht verlieren! Ich glaube wenn es so wäre würde es mir das Herz brechen ..."
„Na also, du liebst mich. Du willst es dir nur nicht eingestehen." unterbricht er mich lachend.
Da muss ich einsehen das er wohl recht hat und schenke ihm ein strahlendes Lächeln.

Und um mir seine Liebe zu beweisen fährt er mich später nicht nach Hause, sondern auf's Land raus. In einer kleinen Frühstückspension quartieren wir uns als Mr. und Mrs. Steel ein. Kaum auf dem Zimmer beginne ich ihn auszuziehen. Mit dem laszivsten sexiesten Schlafzimmerblick den ich zu bewerkstelligen ich fähig bin öffne ich ihm langsam die Knöpfe seines Seidenhemdes. Langsam schiebe ich es ihm von den Schultern. Sein weißes Unterhemd verdeckt seinen sexy Sixpack - also weg damit. Ich ziehe es ihm über den Kopf. Mit festem Blick in seine Augen gehe ich vor ihm auf die Knie. Mit geübten Griff öffne ich seinen Gürtel und die Hose. Beides fällt kurz darauf zu Boden. Die Shorts sind kein großes Hindernis. Seine ganze Männlichkeit stellt sich mir entgegen. Genussvoll lecke ich mir die Lippen. Mit festen Blick in seine Augen nehme ich ihn in mir auf. Max stöhnt lustvoll. Meine Zunge umfährt seine Eichel, immer wieder, in kreisenden Bewegungen. Ein Stück tiefer noch. Max stöhnt hemmungslos und drückt mit seiner Hand meinen Kopf noch näher an sich heran. Ich sauge und lecke. Immer gieriger und intensiver und peitsche ihn damit zum Höhepunkt. Als er sich warm und weich in mir ergießt krallt sich seine Hand noch fester in mein Haar. Mit der anderen Hand stützt er sich an der Wand ab. Immer noch auf den Knien vor ihm sehe ich zu ihm auf und wische mir mit dem Handrücken über den Mund. Seine Augen funkeln dunkel. Er zieht mich auf die Füße und schenkt mir einen epischen Kuss.
Das war das erste Mal das ich es einem Mann auf diese Art besorgt habe. Und ich scheine meinen Job gut gemacht zu haben!
Ohne Umschweife hebt er mich hoch, trägt mich zu dem Doppelbett hinüber und legt mich vorsichtig darauf ab. Augenblicklich kommt er wie eine Raubkatze über mich. Seine Hand fährt unter den Rock meines Kleides und schiebt sich unaufhörlich höher zu meiner Mitte. Ein Finger schlüpft unter den Hauch von nichts meines Höschens und dringt ohne Vorwarnung in mich ein.
„Oh, Charly, schon wieder so heiß." raunt er.
Ich stöhne auf und schließe genussvoll die Augen. Ich weiß was jetzt kommt, er hat es schon oft mit mir getan. So wie Max Steel mich verwöhnt hat das noch nie einer getan. Er ist ein wahrer Sexgott!
Mit beiden Händen zieht er mein Höschen ganz herunter und wirft es achtlos auf den Boden. Den Rock schiebt er mir bis zum Bauchnabel hoch, dort bauscht er sich um mich. Heiße, feuchte Küsse bedecken die zarte Haut meiner Oberschenkel. Lustvoll graben sich meine Fingernägel in das Fleisch an seinem Rücken. Ich will ihn endlich spüren!
„Sag es! Was willst du?" raunt er an meiner Mitte und pustet sanft darauf.
Ich stöhne auf.
„Sag es!" ein sanfter Biss in mein Fleisch.
Ich schreie auf, vor Lust nicht vor Schmerz. „Ich will dich spüren! Bitte fick mich endlich!" bettel ich.
„Okay. Und womit?" er lässt den Finger erneut in mir kreisen „ ... So ...", er zieht in raus und legt seine Zunge auf meine feuchte Mitte „... oder so ..." raunt er. „Oder willst du mich ganz spüren?"
Wow! Was soll das jetzt wieder?
„Mit allem." bettel ich.
„In Ordnung. Dann erst einmal ..." Max zieht sich wieder zurück, legt sich neben mich und Finger mich einige lange Minuten. Dann beugt er sich wieder über mich und lässt mir eine extra Behandlung aller besten Oralsex zukommen. Schreiend komme ich zum Höhepunkt. Meine Beine beginnen zu zittern, meine Sinne entschwinden mir für einige Sekunden. Ich bin im siebenten Himmel- gemeinsam mit Max. Meinem Max.
Die nächste Stunde liegen wir einfach nur nebeneinander im Bett, streicheln und küssen uns.
„So, bereit für die nächste Runde?" fragt er plötzlich mit einem frechen Grinsen auf den Lippen.
„Nächste Runde?" frage ich entsetzt.
„Klar doch. Du hast es dir schließlich gewünscht und ich hab geschworen dir jeden Wunsch zu erfüllen." lacht er und macht sich über mich her.

Am nächsten Morgen werde ich von einem Sonnenstrahl der durch die Vorhänge hindurch scheint und Hahnenschreie geweckt. Einen Moment brauche ich um zu begreifen wo ich mich befinde. Dann kommt die Erinnerung an diese letzte fantastische Nacht. Ich lächle still mich hinein und kuschel mich an meinen Max.

Kapitel 6

Die Ferien sind seit zwei Wochen vorüber und ich stehe vor meiner Klasse und unterrichte. Charlotte gegenüber versuche ich mich so neutral wie möglich zu verhalten, was aber echt schwer ist. Ich verteile Aufgabenblätter für den Mathetest und lasse sie die Kinder ausfüllen.
„Los geht's Freunde! Ihr habt 40 Minuten." rufe ich laut in die Klasse. Reißverschlüsse werden geöffnet, Papier raschelt, leises Flüstern.
„Ruhe Bitte! Und denkt dran, nicht abschreiben! Jeder sieht auf sein eigenes Blatt." erkläre ich die allgemeinen Regeln.
Mein Handy meldete sich und teilte mir mit das ich eine WhatsApp Nachricht erhalten hatte. Ein schneller Blick in die Klasse, alle Kinder waren mit ihren Mathematikaufgaben beschäftigt, also konnte ich getrost kurz auf mein Handy schauen. Normalerweise mag ich es nicht wenn man sein Handy auf Arbeit privat nutzt und ich weiß auch nicht weshalb ich es heute nicht auf lautlos gestellt hatte. Vielleicht weil ich unbewusst auf Nachricht von Max hoffe?
Die Nachricht ist von einer mir unbekannten Nummer.
Sie lautet 'Hallo Charly. Wie geht's dir? Ich bin wieder in der Stadt. Ich weiß, is lange her, aber ich wollte dich fragen ob du mit mir etwas essen gehen möchtest? Um der alten Zeiten willen. Gruß, Tom'

Ich musste den kurzen Text zwei mal durchlesen. Dann erst begriff ich wer mir da geschrieben hatte.
Tom, der „ich muss geschäftlich für ein paar Tage weg" und das ist jetzt 19 Monate her. Mein Ex Freund Tom. Fassungslos starrte ich das Display an bis die Stimme von Neil zu mir durchdringt. „Miss ich brauche Hilfe."
„Was?" ich schüttelte meinen Kopf um meine Gedanken zu sortieren. „Ich bin sofort bei dir, Neil."
Rasch tippe ich eine Antwort 'Ich habe Unterricht. Melde mich später.' und lasse mein Smartphone zurück in die Tasche fallen.

Später im Lehrerzimmer nach Unterrichtsschluss, Franziska erklärt mir ihr neues Projekt das sie mit ihrer Klasse ab nächster Woche durchführen möchte, doch ich höre nur mit einem Ohr zu.
Zu sehr beschäftigt mich was Tom dazu bewogen hat sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder bei mir zu melden. Warum jetzt? Jetzt wo ich Max getroffen habe. Warum nicht in den Monaten in denen ich mir wegen ihm die Augen ausgeweint habe, als ich tonnenweise Eis in mich gestopft habe, dann die Kalorien durch Sport bis zur Besinnungslosigkeit wieder abtrainiert habe. Als ich mich, um ihn zu vergessen, auf andere Typen eingelassen habe. Scheiße!
„Ist doch super oder würdest du es anderes angehen? ... Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?" höre ich Franzi fragen.
Mit leerem Blick schaue ich sie an und kann mit Mühe die Worte „Tut mir leid, nein." hervor stoßen.
„Süße, was hast du denn?" mitfühlend legt sie ihren Arm um mich und sieht mich fest an. „Sag schon! Dich bedrückt doch etwas. Was ist passiert?"
„Ach nichts." Ich wische mir eine Träne von der Wange. „Du hast mir von deinem Projekt erzählt. Entschuldige bitte dass ich nicht zugehört habe. Bitte nochmal!" fordere ich sie tapfer auf.
„Nix da. Du erzählt mir jetzt erst mal was los ist! Meine Sache kann warten. Ich weiß eh das es gut so ist wie es ist." lacht sie.
Wortlos greife ich nach meinem Handy, öffne WhatsApp und lasse sie die Nachricht lesen.
„Okay. Ist das der Tom an den ich denke?"
Ich nicke nur.
„Was will dieser Wichser von dir? Jetzt nach so langer Zeit." Franzi wird sauer.
Ich zucke die Schultern „Du liest es doch. Er möchte etwas essen gehen. Vielleicht braucht er dabei ja Hilfe. Es kann ja sein das er das eigenständige Essen in der Zwischenzeit verlernt hat." versuche ich zu scherzen.
„Na wenigstens hast du deinen Humor nicht verloren. Aber im Ernst. Was will er?"
„Ich habe wirklich kein Ahnung. Er hat mir so weh getan, damals, dass er sich einfach nie mehr gemeldet hat. Ich war so fertig. Und gerade als ich endlich über ihn hinweg bin, kommt er zurück."
Ich lege meinen Kopf auf meinen Armen auf der Tischplatte ab. Nun dürften auch meine Kollegen bemerkt haben das mit mir was los ist.
„Ist alles in Ordnung?" fragt irgendwer.
„Ja ja, schon gut." abwehrend wedelt Franziska mit ihren Armen herum. „Nur ein Frauenproblem. Komm!" letzteres war an mich gerichtet. Sie zieht mich vom Stuhl hoch.
Ich greife noch schnell nach meiner Tasche, klemme ich mir unter den Arm und verlasse mit Franzi den Raum.

In meinem Auto lege ich die Stirn gegen das Lenkrad. Franzi streichelt meinen Rücken. „Beruhige dich! Was hast du jetzt vor? Riskierst du es und triffst dich mit ihm?"
Ich zucke die Schultern „ Ich weiß nicht ob ich das durch stehe." gestehe ich, zeige drei Finger hoch „Es gibt drei Möglichkeiten. Entweder ich treffe ihn und haue ihm voll eine rein oder ich treffe mich mit ihm und anschließend springe ich von der Tower Bridge. Oder ich stehe ihm gegenüber, sehe seine unglaublichen blauen Augen und seine sinnlichen vollen Lippen, höre seine tiefe sexy Stimme und werfe mich ihm sofort wieder an den Hals."
„Hm. Also zweitens ist nicht ganz so toll. Letzteres könnte ich verstehen, aber nicht gut heißen. Also ich würde ihm nicht nur eine kleben." wägt Franzi meine Möglichkeiten ab. „Ja, er ist verdammt sexy. Aber er ist ein Arschloch! Und zwar ein riesengroßes. Ich weiß, du bist irgendwie von ihm besessen... aber konzentriere dich jetzt lieber auf Max. Triff dich nicht mit Tom! Tue es lieber nicht! Um deiner selbst willen." warnt sie mich eindringlich.
Sie hat ja recht. Aber es ist Tom...

Ich wische mir mit dem Handrücken über die Augen, schnäutze mich in ein Taschentuch und sehe sie mit festem Blick an. „Du hast Recht. Er tut mir nicht gut. Ich sollte und werde mich auch nicht wieder auf ihn einlassen." Zur Bestätigung nicke ich tapfer.
"Meine Rede. Und jetzt komm! Du sieht furchtbar aus. Du brauchst Ablenkung." Sie kneift mich in die Seite. „Schwing dein Arsch auf den Beifahrersitz! Ich fahre, du bist dazu nicht in der Lage. Und dann gehen wir was trinken."
Dankbar, dass sie mich ablenken möchte, steige ich aus dem Wagen, gehe darum herum und steige auf der linken Seite wieder ein. Inzwischen hat sie im Wagen den Fahrersitz für sich eingenommen und startet den Motor. „Und dein Auto?" frage ich.
„Das kann ich auch morgen noch holen. Ich fahre morgen früh einfach mit der Bahn zur Arbeit."

In einer stylischen Bar am Piccadilly Circus verschwinde ich erst einmal auf der Toilette. Mit meinen beschränkten Mitteln die meine Handtasche hergibt restauriere ich mich schnell. Nach einem prüfenden Blick im Spiegel finde ich mich wieder vorzeigbar und verlasse das Badezimmer.
„Da ist sie ja wieder." ruft Franzi mir schon entgegen als ich mich unserem Tisch nähere. „Setz dich! Schau mal, der Typ da an der Bar. Was hältst du von dem?"
Ich drehe mich nach der Bar um und folge dem Fingerzeig meiner Freundin. Dort sitzt ein wirklich toller Typ. Er ist zwar ganz nach meinem Geschmack, aber gerade habe ich doch wohl genug mit verschiedenen Männern zu tun. Genau das sage ich ihr auch.
„Gerade darum, Süße. Der eine ist verheiratet und ihr habt eine heimliche Affäre. Der andere ist ein sexy Arschloch der nur Probleme macht. Der da vorne sieht nett aus und kann dich sicherlich gut ablenken." Sie wackelt mit den Augenbrauen. „Zumindest heute Abend."
„Ich weis nicht." grübel ich.
„Ach was soll's." sagt sie, steht auf und ehe ich sie daran hindern kann ist sie schon zur Bar geschlendert. Franzi lehnt sich rücklings neben den Typen an den Tresen und ich sehe wie sie mit ihm spricht. Als sie mit dem Glas in der Hand in meine Richtung zeigt dreht dieser sich um und sieht mich direkt an. Peinlich berührt schaue ich weg. Franzi kommt zurück. „Er meint, du kannst dich gern neben ihn setzen."
„Wie bitte? Wer bin ich denn, dass ich mich in irgendeiner Bar jemanden an den Hals werfe und vielleicht soll ich dann noch mit ihm kurz auf der Toilette verschwinden oder was?" Ich bin etwas gereizt.
„Nur wenn du das möchtest." grinst sie frech. „Charlotte, hab einfach ein bisschen Spaß heute Abend!"
„Sorry Franzi, ich kann das nicht ... ich muss gehen ... nachdenken." Damit stehe ich auf und verlasse einfach die Bar.
Zurück lasse ich meine beste Freundin die mir meine rüde Abfuhr und das sitzen lassen ohne Auto mitten in der City hoffentlich verzeihen wird. Aber ich muss wirklich in Ruhe nachdenken.

Zu Hause werfe ich mich auf meine Couch, ziehe mein Smartphone aus der Tasche und lese erneut die Nachricht von Tom. Und was ist wenn er sein Verhalten echt bereut? Ich kenne ja nicht einmal den Grund für sein plötzliches verschwinden und weg bleiben - 19 endlose Monate lang. Vielleicht saß er ja im Knast und es war ihm peinlich?
Schlussendlich komme ich zu dem Entschluss, dass ich es nur heraus finde wenn ich mich mit ihm treffe.

 

Kapitel 7

'Wann und wo?' tippe ich nur. Mein Daumen schwebt über dem Sendepfeil. „Ja ich tue es!" spreche mir selbst Mut zu. „So, gesendet. Jetzt heißt es warten." sage ich zu mir selbst.
Kaum eine Minute später piepst mein Handy. Er antwortet schnell. Hat er den ganzen Tag auf Antwort wartend vor seinem Handy gelauert?
'Heute Abend ... 19 Uhr ... ich hab einen Tisch im L'Escargot reserviert ... ich hol dich ab.'
Okay, echt jetzt? Das Restaurant ist in Soho und echt nicht billig. Und außerdem, wieso hat er da einen Tisch reserviert? Wann hat er das getan? In den letzten zwei Minuten oder was. Oder Tom besitzt noch immer das enorme Selbstvertrauen das er schon damals an den Tag gelegt hat und ist einfach davon ausgegangen, dass ich zustimme.
Da piepst es erneut. 'Ich freue mich!'
Ich tippe 'Uhrzeit und Restaurant sind in Ordnung. Bis nachher. Grüße'
Mein Herz klopft wild nur bei dem Gedanken an ihn.
Tom war ein wichtiger Teil in meinem Leben. Wir haben in den 7 Jahren unserer gemeinsamen Zeit viel miteinander durch gemacht. Er war mein erster Freund. An ihn habe ich im süßen Alter von 17 meine Unschuld verloren. Schon allein deshalb hat er doch eine zweite Chance verdient. Zumindest wäre das eine gute Erklärung für mein blödsinniges Verhalten.
„Ich bin so bescheuert!" tadel ich mich selbst. „Das wird wieder sowas von nach hinten los gehen."
Dennoch schicke ich ihm noch eine Nachricht mit meiner Adresse.

Kurz nach halb sieben bin ich mit allem fertig. Damit er sich richtig ärgert mich verlassen zu haben, habe ich heute alles aus mir raus geholt.
Mein weißes kurzes Spitzenkleid hebt sich von meiner braunen Haut ab. Meine Zeit im Sonnenstudio hat sich gelohnt. Dazu die nudefarbenen High Heels. Meine rote Mähne habe ich kunstvoll hochgesteckt. Die großen Creolen Ohrringe machen meinen look perfekt. Zufrieden lächle ich mein Spiegelbild an.

Pünktlich um 19 Uhr klingelt es an meiner Haustür. Ich öffne und warte an der geöffneten Wohnungstür. Sekunden später steigt mein Traummann aus einer längst vergangenen Zeit die Treppenstufen hinauf. Unwillkürlich schnappe ich nach Luft. Er sieht so gut aus wie damals. Nein, noch besser.
Sein braunes Haar ist kurz geschnitten und mit Gel nach hinten gekämmt. Dazu ein frecher drei Tage Bart der ihm verdammt gut steht. Er trägt eine schwarze enge Jeans, ein dunkelblaues Shirt, dass eng an seinem Oberkörper anliegt. Eine gut dazu passende schwarze Lederjacke hat er sich lässig über die Schulter geworfen. Sein Bizeps ist enorm vergrößert. Seine unzähligen Tattoos sind unter dem Shirt gut versteckt, nur ab und an blitzen sie am Halsausschnitt oder Ärmel hervor. Was hat er nur gemacht? Er sieht unverschämt gut aus! Seine blauen Augen treffen mich und sofort scheint mein Körper in Flammen zu stehen. Diese Magie hat er schon damals in mir ausgelöst.
„H-hallo Tom." stottere ich.
Ein Lächeln umspielt seine vollen Lippen. „Hi, Charly." raunt er mit tiefer sexy Stimme.
Ich weiß nicht recht was ich jetzt tun soll. Nervös knete ich meine Hände.
Tom geht noch zwei Schritte weiter, bis er direkt vor mir steht. "Du siehst verdammt gut aus!" raunt er und lässt gierig seinen Blick an mir herab wandern.
Ich spüre seine Wärme, sauge seinen Duft ein. Er ist so männlich, so stark. Ehe ich etwas dagegen tun kann, verselbstständigen sich meine Hände und berühren seine Brust und seine Oberarme. Erschrocken ziehe ich sie wieder zurück. „Sorry!" murmle ich.
Was mache ich denn da?
„Kein Problem." Lässig zuckt er mit den Schultern. Sein selbstsicheres Grinsen bleibt bei mir nicht unbemerkt.
Ich spüre seinen Blick auf mir als ich rasch im Flur meine Handtasche und meine Jacke hole. Galant nimmt er mir den Trenchcoat ab, hält ihn mir auf, damit ich ihn mir leichter anziehen kann. Ich drehe mich zu ihm um. Nun stehe ich direkt vor ihm. Mit festem Blick in meine Augen knöpft er mir den Mantel zu. Als er den Gürtel schließt zieht er mich noch näher an sich und umfängt mich mit seinen Armen. Seine Muskeln drücken gegen meine Oberarme. Die warnende Stimme der Vernunft ignorierend schmiege ich meine Wange an seine Brust. Sein Herz klopft genauso stark wie meines. Das gibt mir Mut. Er ist genauso aufgeregt wie ich. Vielleicht konnte er wirklich nichts für sein weg bleiben. Ich sehe zu ihm auf - diese Augen.
„Oh, Charly, es tut mir so leid!" raunt er, senkt den Kopf. Sein Mund nähert sich meinem. In dem Moment wo seine Lippen die meinigen treffen sprühen Funken. Ich sehe ihm in die Augen - Ehrlichkeit, Traurigkeit und Verlangen spiegeln sie wieder. Ich schließe die Augen, gebe mich ihm hin.
„Es tut mir so leid! Ehrlich leid! Ich habe dich so sehr vermisst!" raunt er in meinem Mund.
„Scht ..."
„Küss mich als gäbe es kein morgen. Küss mich und sag mir das du mir vergibst!" Rezitiert er hier Filme oder was?
„Scht ... Küss mich weiter!" zische ich. Und das tut er. Und wie.
Ich ziehe ihn zurück in meine Wohnung. Mit einem Fußtritt schließt er die Tür hinter uns. Tom nimmt mich noch fester in die Arme als hätte er Angst mich noch einmal zu verlieren. Dabei war er es doch er mich verlassen hat.
„Ich hab dich so vermisst, Süße!"
„Ich dich auch." entfleucht es mir ehe ich mich beherrschen kann. Ich will nicht das er denkt ich hätte mir monatelang wegen ihm die Augen ausgeweint. Auch wenn es die Wahrheit ist.
„Ich weiß, Süße, ich weiß. Es tut mir so leid!"
Sachte stoße ich ihn ein Stück von mir weg „Wo warst du denn? Warum hast du mich verlassen?" Kämpferisch halte ich seinem traurigen Blick stand.
„Ich will es dir ja erklären. Aber nicht hier." er deutet mit der Hand auf meine Wohnung. „Lieber in einer neutralen Umgebung."
„Warum? Hast du Angst wenn du es mir beichtest zerfleische ich dich?" scherze ich.
„Auch." lacht er und fährt sich mit der Hand durch die Haare. Dadurch verstrubbeln sie etwas. Wie süß!
„Ich dachte mir, in einer anonymen Umgebung fällt es uns leichter uns nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen."
Ein Scherz. Ich lache nervös auf.
„O-K-A-Y." erwidere ich gedehnt. "Wenn es so ist, dass du dich nur in Umgebung vieler Menschen traust die Wahrheit zu sagen, dann sollten wir jetzt los gehen." entscheide ich und gehe auf die Tür zu. Er folgt mir schweigend.
Auf dem Weg nach unten bleibt er stets einen Schritt hinter mir. Kaum aus der Tür getreten drückt er einen Knopf auf einer Fernbedienung und ein direkt vor der Haustür geparkter orangener Audi TT Coupé begrüßt uns mit einem freudigen 'Biep-Biep'.  Geschockt bleibe ich stehen. Erst als er mich überholt und mir gentleman like die Beifahrertür aufhält, realisiere ich, dass es sich um seinen Wagen handelt. Wie automatisiert setze ich mich in Bewegung und steige ein. Immer noch geschockt sehe ich mich im Innern um. Beige Ledersitze und eine teuer aussehende Holzarmatur veredeln den Innenraum. Wie kann er sich solch einen Wagen leisten? Damals fuhr er eine silberne Schrottkarre. Irgendwas altes, billiges. 
"Beeindruckt?" fragt er selbstbewusst kaum das er eingestiegen ist. 
"Um ehrlich zu sein, ja." gebe ich leise murmelnd zu. "Leihwagen?"
Er lacht herzlich. "Nö." erwidert er daraufhin kurz angebunden.
"Dein eigener?" frage ich fassungslos und sehe mich erneut um.
"Wenn er nicht geliehen ist, sollte es wohl meiner sein." lacht er fröhlich und dreht den Zündschlüssel im Schloss.
Mit einem Fauchen erwacht der kraftvolle Motor.
"Aber wie ... wie kannst du dir das leisten?" stammle ich.,
"Ich erklär's dir ja. Hab nur noch etwas Geduld, bitte!" murmelt er jetzt deutlich ernster.
Kurz darauf rasen wir im abendlichen Berufsverkehr durch London.
Pünktlich um 20 Uhr kommen wir im Restaurant an.

Nachdem man uns die Jacken abgenommen hat führt uns ein Kellner durch das schon gut gefüllte Lokal zu unserem Tisch. Dort zieht er mir einen Stuhl zurecht und händigt mir eine Speisekarte aus. An Tom gewandt fragt er ob wir bereits Getränkewünsche hätten. Tom bestellt Weißwein für uns beide. Natürlich weiß er noch das ich den am liebsten trinke.
Der Kellner nickt und entfernt sich würdevoll. Zuerst blättere ich nervös in der damast gefassten Speisekarte, kann mich jedoch nicht konzentrieren und lege sie beiseite. Zu viele Fragen brennen mir auf der Seele als das ich jetzt an Essen denken könnte.
Ich schaue Tom über den Tisch hinweg an. Er scheint ebenfalls nervös zu sein. Schweigend lässt er seinen Blick abwechselnd über mich und dann wieder im Gastraum schweifen.
Worauf wartet er?
Erneut fährt er sich durch die Haare. Plötzlich holt er tief Luft und beginnt zögernd. „Also es ist so." Er holt erneut tief Luft. „Ich war ... ich war nicht in London in der letzten Zeit." 
„O-k-a-y." erwidere ich gedehnt. Aufmunternd nicke ich und sage. „Nur weiter!"
„Ich musste arbeiten ..." Aha. Und das erklärt jetzt alles oder was?
Was bitteschön ist das für eine Arbeit wo man 19 Monate keinen Tag Urlaub bekommt? Doch ich schweige.
„Ein neuer Job ... Einer für den ich zuerst eine extra 'Weiterbildung' machen musste ... und dann hatte ich gleich den ersten Einsatz." erklärt er weiter.
„Einsatz?" hake ich nach. „Was für ein Job ist das, Tom? Früher warst du Polizist."
Er nickt zustimmend. „Das bin ich auch jetzt noch. Aber eben nicht nur ..." Er bricht ab und sieht schweigend auf seine Hände auf der Tischplatte. „Ich hätte mich melden müssen. Ich weiß, aber wir hatten ein striktes Kommunikationsverbot."
Ich sehe ihn an. Was ist er - James Bond? „Aber jetzt darfst du darüber sprechen?" frage ich zweifelnd. Er will mich doch verarschen!
„Naja. Ich habe beschlossen dich, nur dich, einzuweihen. Ich habe solche Gewissensbisse wegen der Sache." Jetzt knetet er seine Hände. "Ich liebe dich, Charly! Das habe ich immer. Ich hatte immer ein Bild von dir bei mir. Hier ..." Er zieht an einer Kette die um seinem Hals hängt. Unter seinem Shirt kommen zwei sogenannte Hundemarken wie man sie vom Militär her kennt und ein schlichter viereckiger Anhänger zum Vorschein. Er öffnet das silberne Schmuckstück. Darin befindet sich tatsächlich ein Bild von mir. Ich muss unwillkürlich schlucken. Mein Blick verschleiert. 'Nicht heulen, Charly!' rufe ich mich selbst zu Räson.
„Charly, ich will dich nicht mehr verlieren! Bitte verzeih mir!" Er lässt seine Kette wieder unter seinem Shirt verschwinden.
„Tom ..." wehre ich mit erhobenen Händen ab. „Erzähl mir doch jetzt erst einmal was du sagen wolltest! Erzähl wo du gewesen bist!"
„Also gut." Er atmet tief durch. "Ich arbeite für den MI6. Das ist der ..."
„Du arbeitest jetzt für den britischen Geheimdienst?" rufe ich etwas zu laut. Die beiden Männer am Nebentisch drehen sich an uns um.
„Scht... Charly, bitte." Er legt seinen Zeigefinger an seine Lippen. „Aber ja, ich arbeite für die. Ich musste, wie gesagt, ein extra Training absolvieren."
„Daher die Muskelberge?" lache ich nervös.
Er grinst und schaut auf seine Oberarme „Ja genau. Es war hart, aber es hat sich gelohnt, denke ich."
"Aber wie? ... Wieso?  Wie bist du dazu gekommen?" stammle ich.
"Beförderung." erwidert er Achselzuckend.
"Und h-hast du auch so einen ... einen Tarnnamen? Eine Nummer so wie James Bond?" ziehe ich ihn stammelnd auf. Irgendwie glauben kann ich das nicht so richtig. Niemand wird doch einfach so Geheimagent.
„Nein. So etwas gibt's nur im Film." er zuckt die Schultern.
"Schade! Wäre echt cool gewesen! Darf ich Ihnen mein Freund vorstellen? 005." ziehe ich ihn auf.
"Ja ja, sehr lustig!" er verdreht genervt die Augen.
Ich kriege mich wieder ein. „Aber mit deinem Körper hast du recht. Dafür hat es sich wirklich gelohnt."
Ich lecke mir die Lippen.
Charlotte - reiß dich mal zusammen! Du sabberst hier herum wie eine ungebumste alte Jungfer.
„Ich war in Moskau. Was ich dort genau getan habe darf ich dir nicht sagen, nur so viel, ich war erfolgreich. Sonst säße ich jetzt nicht hier."
Erschrocken reiße ich meine Augen auf.
Das scheint ihn zu belustigen. „Schön das wenigstens einer mich vermissen würde!" scherzt er.
Das ist unfähr von ihm. Schließlich weiß ich, dass er wunderbare Eltern hat die ihn sehr lieben. Ob sie von seinem Job wissen?
„Ich habe gefährliche Einsätze, dass kann ich nicht abstreiten. Ich könnte dabei drauf gehen. Aber wir arbeiten immer im Team. Ich bin also nicht allein."
„Okay." nicke ich. "Aber warum erzählst du mir das jetzt alles, Tom? Was möchtest du?" frage ich und sehe ihm fest in die Augen.
„Kannst du das nicht erraten? Ich will dich zurück! Falls wir je getrennt waren ..."
Ja sag mal, spinnt der? Wut lodert in mir hoch. Er war es doch der sich nie mehr gemeldet hat.
„19 Monate sich nicht blicken lassen - ich würde sagen, ja, wir sind getrennt." keife ich.
Schon wieder Blicke vom Nachbartisch. Wild gestikulierend funkel ich ihn wütend über den Tisch hinweg an. „Du kreuzt hier plötzlich wieder auf. Schleppst mich in diesen Nobelschuppen, jammerst mir was vor von deinem anstrengenden Job, spielst hier mit deinen Muskeln rum und glaubst tatsächlich das ich mich dir sofort wieder an den Hals werfe?" Meine Stimme springt Wort für Wort eine Oktave höher. Die Blicke der anderen Leute sind mir mittlerweile egal.
„Charly, ich sagte doch, es tut mir leid!" sagt er leise und sieht mich an.
„Ja, das sagtest du schon." fauche ich.
Er will nach meiner Hand greifen, doch ich entziehe sie ihm. „So einfach geht das nicht, Tom. Ich habe monatelang wegen dir geheult. Meinen Körper geschunden und mich mit Leuten eingelassen die mir nicht gut tun. Ich war so fertig. Ich war so enttäuscht." brülle ich und füge leise hinzu „Ich war so einsam."
Seine Augen glänzen. Ich weiß, Tom ist nicht der Typ für Tränen, doch jetzt wäre so ein Moment. Doch er reißt sich zusammen. „Ich hatte keine Ahnung wie sehr dich das belastet hat." murmelt er zerknirscht.
"Du hattest keine Ahnung?" keife ich und springe auf. „Du bist so ein Arschloch! Wir waren 7 Jahre zusammen. Ich hab dir meine Unschuld geschenkt." schreie ich.
Hinter mir nähert sich der Kellner. "Madam, ich muss Sie bitten sich zu mäßigen!" raunt er an mich gewandt.
Ich wirbel herum und bedenke ihn mit einem wütenden Blick. "Entschuldigung!" zische ich. "Ich gehe ja schon."
Hastig greife ich mir meine Clutch vom Tisch und wende mich zum gehen.
"Charly!" ruft Tom und springt auf.
Tränenblind ignoriere ich ihn und eile zur Tür. Dort wartet bereits ein weiterer Kellner und reicht mir meinen Trenchcoat. Ich reiße sie ihm aus der Hand und verlasse das Lokal. Tom würde mir sicher folgen, wird aber scheinbar von dem Kellner aufgehalten. Schließlich will der bestellte Tisch, auch trotz des entfallenen Essens bezahlt werden. 
Draußen regnet es den berühmten Englischen Sprühregen. Im Nu bin ich bis auf mein Kleid durchgeweicht. Was für ein beschissener Tag! So schnell es meine hohen Schuhe zulassen eile ich mir die kleine Tasche als Regenschutz über den Kopf haltend den Gehsteig entlang. In diesem Moment nähert sich ein Auto. Ich sehe mich um und erkenne, dass es sich um ein freies Taxi handelt. Ein wenig Glück braucht der Mensch. Wild gestikulierend bedeute ich dem Fahrer anzuhalten.
Kaum das es anhält reiße ich die hintere Tür auf und steige ein. Atemlos nenne ich meine Adresse, der Fahrer nickt stumm und gibt Gas.
Kaum bin ich unterwegs klingelt mein Smartphone in meiner Handtasche. Tom.
Ich nehme das Gespräch an. „Was?" blaffe ich hinein.
„Charly, es tut mir leid ..." Ich lege auf und lege die Hand mit dem Handy in meinen Schoß.
Es klingelt erneut. Wieder hebe ich ab.
„Charly, du legst jetzt nicht wieder auf!" knurrt Tom warnend.
Ich tue es dennoch, stelle es auf lautlos und werfe das Gerät in die Tasche zurück.
"War ein harter Tag, was?" fragt der Fahrer mit einem Blick in den Rückspiegel.
„Wenn Sie wüssten." seufze ich.
Während der Taxifahrt nach Hause ruft er nicht nochmal an. Kaum vor meinem Wohnhaus angekommen weiß ich auch warum. Tom's Audi steht vor der Tür und er lehnt dagegen.

 

Kapitel 8

Das Taxi parkt direkt vor dem Audi ein. Ich bezahle den Fahrer, greife mir meine Tasche und steige mit einer gemurmelten Verabschiedung aus dem Taxi.
Scheiße, was mache ich denn jetzt?
Einige Sekunden bleibe ich unschlüssig stehen und überlege was ich tun soll.
"Reiß dich zusammen, Charlotte!" rufe ich mich zur Ordnung. "Was bist du? Eine erwachsene Frau oder ein kleines Schulmädchen?"
Wie in Zeitlupe gehe ich zielstrebig an ihm vorbei und auf meine Haustür zu.
Tom hat den Kopf gesenkt, Blick Richtung Boden. „Charly, bleib stehen!" Seine Stimme ist nicht laut, aber laut genug das sie mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Wie versteinert bleibe ich stehen. Seine Stimme hatte schon früher den Effekt auf mich. Sie trifft mich mitten ins Mark.
Ich drehe mich nicht um. Ganz sicher werde ich ihm nicht den Gefallen tun freie Sicht auf mein verheultes Gesicht zu bekommen. Schon wieder Tränen wegen ihm. Stur blicke ich auf meine Haustür.
„Ich weiß, 'es tut mir leid' hab ich heute schon oft genug gesagt. Deswegen lass ich es jetzt auch. Charly, ich bin ein verdammter Geheimagent des MI6. Die Betonung liegt auf GEHEIM. Selbst meine Eltern wissen nicht was ich bin und was ich mache."
"Ach wirklich?" fauche ich und drehe mich jetzt doch zu ihm um. "Was denken sie denn womit ihr Sohn sich seine Brötchen verdient?"
"Sie denken ich sei noch immer Police Sergeant." gibt er zu. "Latsche mir die Füße in Londons Straßen platt und jage böse Jungs." Seine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern, aber ich verstehe jedes Wort.
„Hast du ihnen damals wenigstens bye gesagt?" will ich wissen.
„Klar hab ich das." gibt er locker zu.
„Hast du also." Ich hebe den Blick und sehe ihn an. Noch immer blickt er zu Boden. „Von ihnen hast du dich also verabschiedet. Warum nicht auch von mir?" frage ich flüsternd. Ebenso leise fahre ich fort. "7 Jahre Tom, so lange waren wir zusammen. Du hast mir alles bedeutet. Warum hast du dich nicht wenigstens verabschiedet?" Sturzbäche an Tränen ströhmen mir über die Wangen.
„Weil ich eine Scheiß Angst hatte. Angst das ich nicht den Mut habe zu gehen, wenn ich dich noch ein letztes Mal sehe." gibt er flüsternd zu. Quälend langsam hebt er den Kopf, sein Blick trifft mich. Seine Augen weiten sich bei meinem Anblick. „Charly, ich ..." Er will einen Schritt auf mich zu machen, überlegt es sich dann doch und bleibt stehen.
„Was hast du dann deinen Eltern erzählt wo du hin verschwindest?" unterbreche ich ihn. "Sie werden sich doch wohl gewundert haben als sich ihr einziges Kind nicht einmal an Weihnachten gemeldet hat." mutmaße ich.
Am liebsten möchte ich mir die Ohren zuhalten. Ich will nicht schon wieder eine Entschuldigung von ihm hören.
„Das ich für ein Jahr nach Sizilien gehe um dort vor Ort zu lernen wie man mit der Mafia fertig wird. Ein Praktikum wenn du es so willst." erklärt er. Nervös zieht er an seiner E-Zigarette.
„Und warum verdammt konntest du diese Lüge nicht auch mir erzählen?" flüstere ich.
Sein Blick trifft meinen „Weil ich dich nicht anlügen kann, Charly. Konnte ich noch nie. Du bedeutest mir viel zu viel." gesteht er und sein Blick sagt mir, dass es die Wahrheit war.
Das hat gesessen. Wie automatisiert beginne ich zu laufen, werfe mich in seine Arme.
Tom, selbst überrascht lässt seine Zigarette fallen. Sie rollt unter den Wagen. Seine starken Arme umfassen mich, halten mich.
„Oh Charly, ich liebe dich!" raunt er in mein feuchtes Haar. Ich blicke zu ihm auf „Ehrlich?"
„Klar! Ich sagte doch gerade ich könnte dich niemals belügen."
Glücklich schmiege ich meine Wange an seine Brust. Diese hebt und senkt sich schneller, sein Herz rast. Er ist aufgeregt.
„Ich wollte dich immer anrufen, ehrlich, doch wir durften es nicht. Absolute Geheimhaltungsstufe. Viel zu groß war die Gefahr das wir versehentlich ausplaudern wo genau wir uns befinden ... was wir dort tun." er räuspert sich. „Und anschließend ging es gleich nach Moskau. Wir waren ja gerade so schön in dem Modus drin."
„Was für ein Modus denn?" Ich muss an James Bond denken. Und plötzlich kommt mir da so ein Gedanke. Zögernd frage ich. "Musstest du jemals jemanden t-töten?" meine Stimme gerät ins stocken.
„Nicht nur einen." erklärt er und es reicht um mir auszumalen was er durch gemacht hat. "Aber als Polizist war ich damals mit ähnlichen Problemen konfrotiert."
Ich hebe den Kopf, sehe ihn an und schließe die Augen. Er ist nicht wesendlich größer als ich, daher genügt es sich ein wenig vorzubeugen damit seine Lippen auf meine treffen. Ein wunderbares Gefühl! So warm, weich und wundervoll! Der Kuss transportiert all die unausgesprochenen Gefühle. Ich schmecke den salzigen Geschmack meiner Tränen.
Tom zieht mich noch fester an sich. Unsere Zungen tanzen miteinander einen schier endlosen Tanz. Der feine Sprühregen stört mich schon lange nicht mehr.
„Es tut mir so leid, Süße! Ich wollte dich beschützen und nicht dir weh tun." raunt er an meinem Mund.
„Scht..." zische ich „Halt die Klappe!"
Als wir uns voneinander lösen, greife ich nach seiner Hand und ziehe ihn hinter mir her zur Haustür. Etwas zu hastig ziehe ich meinen Schlüssel aus der Tasche - er fällt klirrend zu Boden. Tom hebt ihn auf und schließt wie selbstverständlich auf. Nun greift er sich meine Hand zieht mich die Treppenstufen hinauf. Bereitwillig folge ich ihm.
Oben im dritten Stock angekommen nehme ich ihm den Schlüssel ab und öffne selbst die Tür zu meiner Wohnung. Im Flur werfe ich ihn in eine Schale auf dem Sideboard neben der Tür. Langsam öffne ich den Gürtel an meinem Mantel. Als ich daran denke wie er ihn mir vor etwas mehr als einer Stunde angezogen hat muss ich lächeln. Ich hänge ihn ordentlich auf einen Bügel an der Garderobe. Tom wirft seine Lederjacke einfach auf den Boden. Typisch. Alte Erinnerungen kommen in mir hoch.
Mit einem schüchternen Blick kommt er wieder auf mich zu, greift mit seinen Händen um meine Taille und zieht mich mit einem Ruck an sich. Ich stolpere in meinen hohen Schuhen und falle gegen seine Brust. Halt suchend stützen ich mich auf dieser ab. Ich sehe wieder in seine wunderschönen Augen. Sein Blick sagt mir das er es ernst meint. Er liebt mich. Noch immer. Genau wie damals.
Wortlos löste ich mich aus seiner Umarmung, greife sein Shirt an der Brust und ziehe ihn hinter mir her Richtung Schlafzimmer. Er folgt mir ebenso schweigend. Vor dem Bett ziehe ich mit einem Ruck an seinem Shirt, will ihn herum drehen und ihn auf das Bett werfen. Es klappt nicht so ganz, aber Tom versteht was ich vorhabe und setzt sich auf die Bettkante. Ich ziehe meinen kurzen Rock etwas hoch und klettere auf seinen Schoß. Dabei halte ich seinem Blick stand. Er greift mir unter den Po, hilft mir mich richtig auf ihn zu setzen. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken. Meine rechts Hand spielt an seinem Hinterkopf mit seinem Haar, krallt sich in seinen Nacken. Das hat er früher immer gemocht. Er schließt die Augen, dreht den Kopf etwas - scheint zu genießen.
Schließlich greife ich wieder nach seinem Shirt, ziehe es ihm über den Kopf. Er hilft mir und wirft es achtlos auf den Boden. Ich nehme mir einen Moment um seinen Oberkörper zu betrachten. Seit damals sind ein paar Tattoos dazu gekommen. Ich besehe sie mir genauer. Tom sieht mir lächelnd dabei zu.
Da entdecke ich auf seiner rechten Brust meinen Namen in alt englischer Schrift. Vorsichtig fahre ich mit den Fingerspitzen die Tintenspuren auf seiner Haut nach.
„So hatte ich dich wenigstens bei mir. Ich gehöre zu dir und du zu mir, Charly." erklärt er mit rauer Stimme und hält meine Hand fest. Seine Haut ist warm und fest. An der Stelle wo sich unsere Körper berühren scheint meine Haut in Flammen zu stehen.
Ich schlucke. Er hat es sich irgendwann in dieser Zeit erst stechen lassen. Es muss ihm tatsächlich ernst sein.
Ich besehe weiter seinen Oberkörper. Es ist mir etwas peinlich ihn derart anzustarren, aber ich kann nicht anders. Er war ja damals schon ganz gut gebaut, doch nun sind es Muskelberge. Sein Nacken ist richtig bullig, die Oberarme so dick wie meine Oberschenkel - zumindest fast. „Entschuldige!" murmle ich und schaue dennoch ungeniert weiter.
„Schon okay. Ich weiß wie ich jetzt auf Frauen wirke." grinst er frech.
Ich sehe ihm in die Augen und schlage ihm mit der freien Hand auf die Brust „Hey, was heißt das jetzt wieder? War das Teil der Ausbildung? Jede Frau flach zu legen die dir unter kommt?" ich spüre wie ich erneut sauer werde.
Schließlich kenne ich jeden James Bond Film. Da dämmert es mir - Tom ist ein Geheimagent. Er ist wie James Bond. Krass! Sofort bekomme ich wieder Angst, dass ich mit meiner Vermutung voll ins Schwarze getroffen habe.
„Quatsch. Aber ich sehe doch wie mich die Frauen anstarren. Wie sie sich die Lippen lecken. Ihre Brustwarzen sich mir entgegen recken." er grinst "Und Angebote gab es reichlich." legt er nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme nach.
Ich will ihn erneut schlagen, doch unfassbar schnell ergreift er auch meine zweite Hand und hält sie ebenfalls fest. Leicht schüttelt er den Kopf. „Für mich gab es immer nur dich. Angebote gab es einige, aber ich bin immer allein abends ins Bett gegangen. Die anderen Jungs aus meiner Truppe haben das voll ausgenutzt. Du kannst dir gar nicht vorstellen was das Wort 'Geheimagent' bei Frauen für Reaktionen auslöst."
Doch das kann ich mir ganz gut vorstellen. Bei mir ist es genau so. Aber ich werde einen Teufel tun, dass jetzt zu zugeben. 
„Bei dir ist es genauso, Charly. Ich glaube, ihr könnt da nichts für." mutmaßt er selbstsicher.
Ich sehe ihn verständnislos an.
„Dein Puls ist beschleunigt, dein Atem natürlich ebenso. Deine Brüste recken sich mir entgegen. Du ziehst mich mit deinen Blicken aus. Du bist wie all die anderen. Aber hey, dass ist okay. Du kannst nichts dafür." Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. "Es ist ja auch so gewollt. Ein positiver Nebeneffekt sagt der Ausbilder. Falls man mal eine weibliche Zielperson hat." erklärt er ungerührt weiter.
Sprachlos über seine Dreistigkeit starre ich ihn nur an. Aber recht hat er - irgendwie. Das muss ich zugeben. Diese Vermutung bestätigt ebenfalls jeder Bond Film.
„Also musstest du schon mal eine Frau während eines Auftrages flach legen?" ich bin ehrlich schockiert.
Im Film geschieht sowas andauernd.
„Was? Nein! Was ... Was redest du denn da?" echauffiert er sich. „Bisher hatte ich nur den einen Auftrag. Und da ging es um ..." rechtfertigt er sich weiter, doch dann unterbricht er sich. Gerade noch rechtzeitig bevor er geheime Informationen preis gibt.
„Es ging jedenfalls nicht um eine Frau." murmelt er.
„In Ordnung, ich glaube dir."
„Wirklich?"
Ich nicke ernsthaft.
"Das bedeutet mir viel, Charly!" er sieht mich fest an.
Ich erwidere seinen Blick und wie von allein finden unsere Münder einander.

Am Morgen wache ich mit dem Kopf auf Tom's harter Brust auf. Sein Arm ruht auf mir. Vorsichtig schiebe ich ihn von mir herunter und rolle mich zur Seite. Als ich stehe schaue ich auf den schlafenden Tom hinunter. Seine Lider zucken, er scheint zu träumen. Sein Haar ist zerzaust, sein Mund leicht geöffnet. Er lächelt im Schlaf.
Wie süß er ist - schon immer war!
Nun habe ich Gelegenheit mich einmal ganz ungeniert an seinem gut gebauten Körper zu erfreuen.
Das Tattoo mit der Britischen Flagge scheint ebenfalls neu zu sein. Es ist etwas erhaben so wie es ist wenn ein Tattoo frisch gestochen wurde. Ansonsten haben sich nicht viele neue dazu gesellt. Bis auf mein Name natürlich. Verträumt blicke ich auf die Buchstaben. Seine Brust hebt und senkt sich rhythmisch.
Seine Boxershorts sitzt sehr tief auf der Hüfte. Wahnsinn was er für ein Sixpack hat! Die Decke hatte er sich irgendwann in der Nacht weg gestrampelt. Auch ich trage mein seidenes Nachthemd noch. Mehr als küssen und streicheln ist letzte Nacht nicht passiert. Ich möchte es lieber ruhig angehen lassen und er hatte es akzeptiert. 
Und schließlich ist da noch Max.
Max von dem Tom nichts weiß, nichts ahnt, nie etwas erfahren darf.

 

Kapitel 9


Ich gehe in die Küche um Kaffee auf zusetzen. Ich weiß Kapselmaschinen sind in, aber ich stehe auf frisch aufgebrühtem hochwertigen Kaffee. Da bin ich eigen. Während der Kaffee durch läuft gehe ich rasch duschen. Nachdem ich mich abgetrocknet und eingecremt habe ziehe ich mir meinen apricotfarbenen seidenen Morgenmantel an und kehre in die Küche zurück. Per App starte ich auf meinem Handy die Playlist mit meinen Lieblingssongs. Die Hüfte schwingend singe ich leise mit.
Gerade bereite ich ein paar Spiegeleier mit Würstchen zu als ich Tom's sexy Stimme hinter mir höre „Guten Morgen, Süße!"
Erschrocken fahre ich herum. Oh man, wie peinlich! Er muss mich singen gehört haben. Sicher habe ich ihn mit meiner furchtbaren Singstimme geweckt. Zerknirscht schaue ich ihn an.
„Ist schon gut, Süße. Es war sehr unterhaltsam." ein anzügliches Grinsen umspielt seine Lippen.
Bei seinem Anblick bekomme ich Schnappatmung. Er trägt seine Shorts tief auf der Hüfte. Jeder Muskel ist extrem definiert.
„Na toll. Vielen Dank auch." Damit er nicht sieht wie ich erröte drehe ich mich schnell wieder zum Herd.
Er kommt näher, umarmt mich von hinten und legt sein Kinn auf meine Schulter. „Lecker!" raunt er nach einem Blick auf die Pfanne.
„Ja, ich dachte mir du möchtest mal wieder ein richtiges britisches Frühstück haben. Wo du so lange in Russland warst."
„So lange war das eigentlich nicht. Aufspüren, auskundschaften, Daten sichern und Schuss."
Bei Schuss zucke ich unwillkürlich zusammen.
„Was? Es ist dir doch wohl klar was ich tue!" fügt er kühl hinzu.
Ich schlucke. „Ähm doch schon. Aber das du da so locker drüber sprechen kannst. Hast du keine Gewissensbisse?"
„Oh glaub mir, dass wurde mir ganz schnell abtrainiert." meint er dunkel.
Ein Schauder überfährt mich.
„Gib mal her! Ich mach das schon." Tom nimmt mir den Pfannenwender aus der Hand. „Setz dich!" er deutet damit auf die Hocker an meinem Küchentresen.
„In Ordnung. Bitteschön." lache ich und tue was er mir gesagt hat.
So sexy wie möglich nehme ich auf dem hohen Hocker platz. Peinlich darauf bedacht gerade zu sitzen und somit eine vorteilhaftere Figur zu machen sehe ich ihm beim kochen zu. Tom verteilt die angebratenen Spiegeleier auf zwei Tellern und beginnt anschließend kleine Bockwürstchen anzubraten. Fasziniert beobachte ich das Muskelspiel auf seinem Rücken. Wahnsinn! Er muss sehr hart trainiert haben um so auszusehen. Er scheint meinen Blick zu bemerken und dreht sich um. „Du tust es schon wieder." grinst er.
„Hast recht. Tut mir leid!" verlegen betrachte ich eingehend meine manikürten Fingernägel.
„Wie schon gesagt, es ist in Ordnung." er zuckt mit den Schultern und dreht sich wieder um.
Da fällt mir der Kaffee ein. „Möchtest du Kaffee?" frage ich fröhlich und stehe auf.
Er brummt ein 'Ja' und ich nehme einen zweiten Kaffeebecher aus dem Schrank um ihm ebenfalls etwas von der duftenden braunen Flüssigkeit einzugießen.
Mit einem Mal geht alles ganz schnell. In einer flüssigen Bewegung schiebt Tom die Pfanne von der Gasflamme, dreht diese ab und dreht sich zu mir um. Meine Augen kommen kaum hinterher. Ich stehe da und umklammere erschrocken die Tasse.
Mit einem Schritt ist e rbei mir, nimmt sie mir aus der Hand und stellt sie irgendwo ab. Dann greift mit einer Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich heran. Ich bin so überrumpelt um mich wehren zu können. „Hey, was ..."
Schweigend dreht Tom mich herum, schiebt oder wirft mich eher wieder zurück zum Küchentresen. Mit der freien Hand schiebt er alles was sich darauf befindet herunter und drückt mich bäuchlings auf die Tischplatte. Das laute Scheppern ignorieren wir. Mein leichter Morgenmantel ging schon durch die heftige Drehung auf und nun liegen meine nackten Brüste direkt auf dem kalten Holz. Noch immer drückt er mich mit einer Hand hinunter, während die andere meinen Mantel hinaufschiebt so dass mein nackter Arsch sich ihm entgegen streckt und der Stoff des Mantels sich um mich bauscht.
„Was hast du vor?" frage ich, meine Stimme zittert.
Als Antwort erhalte ich einen Klaps auf den Po und „Ich gebe dir nur wonach du dich schon seit gestern sehnst." stößt er hervor, greift in mein Haar und zieht meinen Oberkörper zu sich hoch. Seine Zunge stößt hart in mich. Er küsst mich fordernd brutal.
Er irrt sich, ich wollte es doch ruhig angehen lassen.
Mit einem Ruck drückt er mich zurück auf die Tischplatte. Überrascht japse ich auf. „Hey!" protestiere ich.
Er lässt nur ein dunkles Lachen hören. Drückt sich nahe an mich heran. Durch den Stoff seiner Shorts spüre ich wie erregt er ist.
Was wird das hier? Sexspielchen oder eine Vergewaltigung? Aber wäre es das denn wenn es mir Spaß macht?
Mit einem mal spüre ich seinen harten Schwanz an meinem Oberschenkel, er hat sich die Hose vom Körper gerissen. Er beugt sich über mich, sein Mund ist direkt an meinem Ohr „Da stehst du drauf, stimmt's Charly? Du wünschst dir nichts mehr als von mir gefickt zu werden. Hier, SO, brutal. Du stehst auf böse Jungs, oder Charly? Willst du das ich dich ficke?"
Überrascht über seine plötzliche Sinneswandlung und Ausdrucksweise kann ich nicht sprechen und nicke nur stumm. Vielleicht hat er ja recht und ich will es doch nicht ruhig angehen lassen?
„Wusste ich es doch. Du bist mindestens so dunkel wie ich, so versaut, Charly." Ich kann sein anzügliches Grinsen in meinem Rücken spüren. Seine Blicke auf meinen Po, wie er überlegt was er wohl alles damit anstellen wird. „Zieh den Fetzen aus!" befiehlt er und lässt mich los damit ich mich aufrecht hinstellen kann. Ich tue es ohne Widerworte.
Irgendwie gefällt mir das tatsächlich! Er kennt mich zu gut. Ich bin gespannt wie es weiter geht!
Als ich nackt vor ihm stehe will ich ihn küssen, doch er dreht mich mit beiden Händen an meiner Taille ruckartig zurück auf die Tischplatte. Wieder greift eine Hand in mein Haar und drückt mich mit sanftem, aber auch beständigem Druck hinunter.
„Du tust genau was ich dir sage! Verstanden? Sonst ...!" er gibt mir einen Klaps auf den Po.
Ich kreische auf. Es hat weh getan, war aber dennoch erregend.
„Hast du mich verstanden, Charly?" knurrt er dunkel.
„Ja habe ich, Tom." kreische ich als er mich erneut schlägt.
„Komm her!" raunt er dunkel, hält meine Hüfte mit der einen Hand umfasst und rammt sich mit einem harten Stoß in mich. Ich schreie auf. Meine Augen werden feucht. Mit heftigen Stößen peitscht er meine Lust voran. Meine Brüste werden auf der Tischplatte platt gedrückt, mein Bauch stößt an die Kante. Meine Hände tasten Haltsuchend auf der glatten Tischplatte herum.
„Na, gefällt dir das? Davon hast du geträumt als du mich vorhin schon wieder mit deinen Blicken ausgezogen hast, stimmt's Charly?" seine Stimme klingt gefährlich dunkel. "Du willst das ich dich hart ficke. Ich kann alles mit dir tun. Alles was ich will. Oder?"
Ich bekomme eine Gänsehaut.
„Du bist so verdorben. Tust nach außen so brav und unschuldig, doch dabei bist du auch nur eine Schlampe die auf muskelbepackte Badboys steht."
Er schlägt mir erneut auf den Arsch. Ich jaule auf.
Seine Worte sind zwar unglaublich verletzend, aber irgendwie stehe ich drauf wenn er schmutzige Sachen sagt. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Bei keinem Mann. Woher hat er das? Wann wurde er so?
Mit einem Mal zieht er sich aus mir zurück, dreht mich zu sich um, hebt mich hoch und wirfst sich mich auf die Schulter. So trägt er mich ins Wohnzimmer. Dort stellt er mich vor der Balkontür wieder auf die Füße. Was hat er vor? Tom öffnet die Tür und schiebt mich hinaus. Ich stolpere und kann mich gerade so am Geländer abfangen. Meine Hände krampfen sich um das kühle Metall.
„Was machst du?" will ich wissen.
„Halt den Mund! Wenn ich dich jetzt ficke will ich das London zu schaut. Du gehörst mir, Charlotte Spencer und alle sollen es sehen." ruft er kalt.
Das ist mir jetzt etwas peinlich. Wir stehen vollkommen nackt auf einem Balkon im dritten Stock. Das ist nicht gerade außerhalb der Blickhöhe für Passanten unten auf dem Gehsteig.
„Tom ... ich denke nicht das wir ..."
„Was habe ich gerade gesagt? Wenn ich dich auf diese Art ficke, bist du still! Verstanden?" Seine Stimme hat einen gefährlich drohenden Unterton. „Ich sage dir schon wenn du reden darfst." fügt er großzügig hinzu.
Ich weiß, dass es nur ein Rollenspiel ist, aber Tom's Drohung wirkt so echt. Alles wirkt so echt. Ich tue lieber was er sagt. Ich nicke stumm.
„Braves Mädchen! Und ..." er flüstert mir von hinten ans Ohr „... bist du bereit von mir in Besitz genommen zu werden?"
Ich nicke wieder.
„Oh nein, nein, du darfst sprechen." lacht er. „Schrei es raus was du willst was ich dir anstellen soll!"
Wie bitte? Was will er? Nein, oh nein, er verlangt doch nicht tatsächlich von mir, dass ich hier in die morgendliche Ruhe meiner Straße vom Balkon brülle - dass er mich verdammt nochmal endlich hart ficken soll!
„Das kann ich nicht, Tom." bettle ich leise.
„Wie bitte? Du musst schon lauter sprechen, Süße!" lacht er dunkel und vor allem - laut.
"Ich kann das nicht. Bitte Tom, lass uns rein gehen!" flehe ich leise.
Er beißt mir sanft in den Nacken und schlägt mir erneut auf den Po.
Ich schreie auf.
„Ach hier herum schreien, dass kannst du, aber du kannst nicht sagen was ich mit dir tun soll?" ruft er. Lauter. „Los Charly, ruf deinen Nachbarn zu, zu wem du gehörst und was ich gerade mit dir mache!"
Sicherlich sind meine Wangen bereits jetzt schon vollkommen gerötet vor Scham. Ein weiterer Schlag. Schon allein das Geräusch wenn seine Hand auf mein Fleisch trifft hallt in der schmalen Straße wieder.
„Sag es!" droht er.
„Ist ja schon gut, ich mach es ja." murmle ich. „Ich ... ich will dich sp-spüren! Bitte bitte ... fick mich, Tom!" schreie ich zögernd vom Balkon.
Sicherlich hätte ich noch lauter sein können, doch er ist auch so zufrieden.
„Dann macht es doch endlich!" kommt eine männliche Stimme von irgendwo her.
Ich könnte vor Scham im Boden versinken. Jetzt haben wir garantiert Zuschauer.
Hinter mir lacht Tom „Ich hätte nicht gedacht das du es tatsächlich machst."
„Was?" ich drehe mich zu ihm um, doch er dreht mich mit einem heftigen Ruck zurück, presst mich gegen das Geländer und ruft „Jetzt müssen wir deinen Nachbarn auch was bieten."
Ich keuche erschrocken auf. „Wo du sie doch so freundlich eingeladen hast uns zu zusehen." lacht er böse.
Dreißter Mistkerl! Aber das ganze Schauspiel hier macht mich dennoch unheimlich an. So erregend wie jetzt, so aufregend war Sex noch nie!
Die Feuchtigkeit läuft mir bereits am inneren Schenkel hinab. Tom nimmt seinen harten Schwanz in die Hand und hilft ihm den richtigen Weg zu finden. Mit einem kräftigen Stoß ist er in mir. Mein Bauch stößt gegen das Geländer. Meine Brüste liegen darauf. Dadurch das, dass vergitterte Geländer bieten wir hier die perfekte Peepshow mit bester Aussicht auf - einfach alles.
Mit einer Hand knetet und drückt er meine Brust und Brustwarze, mit der anderen hält er mich an der Hüfte fest. Toms harte Stöße peitschen mich unaufhörlich zum Höhepunkt.
„Jeah, besorg es ihr richtig!" grölt wieder der Unbekannte. Unten vorm Haus ist ein Nachtschwärmer Pärchen stehen geblieben und sieht zu uns hinauf.
Mittlerweile bin ich so high von Tom, dass es nur noch ihn und mich gibt. Und wenn er mich mitten auf der Straße nehmen würde, ich würde mitmachen!
„Ist geil oder?" raunt er mir zu.
Ich nicke zustimmend.
Plötzlich zieht er sich aus mir zurück, dreht mich zu sich um, hebt mich hoch. Meine Beine umklammern seine Hüfte. Tom trägt mich zur Wand drückt mich dagegen, hebt mich hoch und lässt mich langsam auf seinen Schwanz gleiten. Er pfählt mich regelrecht mit seiner Männlichkeit. Extrem tief kann er in dieser Position in mich eindringen.
„Oh, Tom!" schreie ich. „Oh Gott, Tommy!" noch etwas lauter.
Ich merke wie mir die Sinne schwinden. Ich umklammere mit den Armen seinen Nacken und mit den Beinen seine Hüfte. Dabei brauche ich keine Angst zu haben zu fallen. Mühelos, als hätte ich kein Gewicht, hebt und senkt er mich immer wieder und wieder auf sich.
„Du bist so was von geil, Charly! Du bist so eng, so verdammt eng." stöhnt er. Ich merke wie sich der Höhepunkt in mir wie in Wellen ausbreitet. Gleich ist es soweit.
„Fuck!" schreit er plötzlich „Ich komme."
Ich will ihm dabei in die Augen sehen. Greife in sein Haar und ziehe seinen Kopf zurück. Tom öffnet die Augen und genau als er sich warm in mir ergießt trifft sein Blick auf meinen, und es liegt nichts als vollkommene, aufrichtige Liebe darin. Leidenschaftlich küssen wir uns.
Von weit her durchdringt Gegröle und Applaus den Nebel den der Höhepunkt in meinem Kopf ausgelöst hat.
Tom liegt mit seinem Kopf auf meiner Brust. Noch immer scheine ich nichts zu wiegen. „Das war unglaublich!" flüstert er. „DU bist unglaublich!" er küsst mich.
„Das bist nur du, Tom." gebe ich das Lob an ihn zurück. "Du bringst mich dazu Dinge zu tun, die ich mich niemals zu tun getraut hätte." gebe ich zu. „Ich liebe dich!"
Was sage ich denn da? Ich glaube er hat mir gerade wortwörtlich das Hirn heraus gevögelt!
Sein selbstsicheres Grinsen erstarrt. „Wirklich?" fragt er leise.
Ja, es ist die Wahrheit. „Ich liebe dich, Tom Cray!" schreie ich laut in den Morgen hinein.
Überrascht reißt Tom die Augen auf. 
„Ja das tue ich, Tom. Das habe ich schon immer!" wiederhole ich ehrlich.
Er scheint kurz zu überlegen ob er meinen Liebesschwur erwidern sollte und sagt schließlich „Dann heirate mich!"
Ich starre ihn an.
Moment - was bitte?

 

Kapitel 10

Zwei Heiratsanträge, zumindest fast, von zwei Männern. Und das in kürzester Zeit. Was ist nur los in meinem Leben?
„Charly?" fragt er vorsichtig, hebt mit dem Zeigefinger mein Kinn an, so das ich ihn anschauen muss. „Was sagst du dazu?"
Ich löse mich mit einer Drehung von ihm. Um dann Hals über Kopf in die Wohnung zu stürzen.
„Hey, was ist?" ruft er verwúndert hinter mir her. Er folgt mir, ich höre seine schweren Schritte hinter mir.
In der Küche gieße ich mir hastig ein Glas Wasser ein.
„Süße, beruhig dich! Ich weiß, dass kommt jetzt plötzlich, aber ich liebe dich und geb' dich nicht mehr auf!" gesteht er mir seine Liebe.
Ich wende mich ihm zu, sehe ihm in die Augen und murmle. „Ach Tommy, ich liebe dich doch auch! Aber heiraten? Ich ... ich ..."
„Tommy hast du mich lang nicht mehr genannt." grinst er verschmitzt. Scheinbar hatte er das vorhin nicht mitbekommen.
Ich schenke ihm ein Lächeln. „Tommy, ja, ich ... ich könnte mir vorstellen dich zu heiraten ..."
Seine Augen beginnen zu leuchten. „Das klingt nach einem 'Aber'?"
Ich nicke ergebend. "...aber noch nicht jetzt." Mutlos sehe ich hinab auf meine Fußspitzen.
Enttäuscht blickt er zu Boden.
„Lass es uns langsam angehen! Wir haben uns doch gerade erst wieder gefunden." Bitte ich eindringlich und sehe ich ihn flehend an. „Bitte!"
Scheinbar braucht er einen Moment Bedenkzeit. Schließlich nickt er und sagt. „Du hast recht. Aber ich will dich nicht mehr verlieren. Niemals! Ich will das du mir gehörst - nur MIR!"
Ich schlucke.
„Ich will mit dir zusammen leben. Will, wenn ich von der Arbeit komme, dich in unserem gemeinsamen Zuhause wissen. Ich will der einzige sein der das hier machen darf." Er haucht mir einen Kuss auf die nackte Schulter. Seine Hände wandern an meinem Körper hinauf bis zu meinen Brüsten. Sie umgreifen und kneten sie. Zwischen je zwei Fingern zwirbelt er meine Brustwarzen bis meine Brüste sich ihm erwartungsvoll entgegen strecken und sich zwischen meinen Schenkeln die Feuchtigkeit sammelt.
„Du bist so schön, Charly! Wenn man dich sieht, will man dich einfach ficken. Ich muss auf dich aufpassen. Ich will dich besitzen, dich mit einem Ring markieren!" raunt er dunkel.
Ich schlucke erneut. Besitzen - echt jetzt? Was bin ich denn eine Trophäe?
„Tommy, ich ... ich bin wirklich ... also ich liebe dich auch, aber heiraten möchte ich dich jetzt noch nicht." Tapfer sehe ich ihm in die Augen als er mich mit einem Ruck an sich zieht. „Was hast du gesagt?" knurrt er. In seinen Augen lodert ein dunkles Feuer. Mich überkommt ein Schauder.
„Ich möchte dich doch nur JETZT nicht heiraten. Noch nicht eben. Lass uns doch abwarten! Wir haben uns doch gerade erst wieder gefunden." versuche ich zu erklären.
„Gibt es schon einen anderen?" knurrt er noch dunkler und gefährlicher. Scheiße!
Ich schüttle etwas zu hastig den Kopf. Er nimmt mein Kinn in die Hand und zwingt mich ihn direkt anzusehen. „Charly, wenn es da jemanden gibt, sagst du es mir doch oder?"
Ich nicke und sage aber auch „Selbst wenn es so wäre, würde es dich nichts angehen."
„Wie war das bitte?" Tom wird sauer, die Stimmung schlägt um, die Luft scheint vor Spannung zu knistern.
„Ich ... ich meine, du warst ewig weg. Da habe ich ..." beginne ich.
„Nur weiter! Was hast du?" seine Stimme ist eisig.
„Da habe ich jemanden kennengelernt, mich mit ihm getroffen."
Nun ist es raus. Warum kann ich nicht einfach meine Klappe halten? Ich bin einfach zu ehrlich.
„Wie lange läuft das schon?"
„Zirka 3 Monate."
„Auch jetzt noch?"
Kaum das ich nicke, schlägt seine Faust auch schon auf die Wand neben mir ein. Ich zucke zusammen und lasse vor Schreck das Glas fallen.
Tommy geht schnaufend im Kreis herum. Immer wieder wirft er mir böse Blicke zu.
Schließlich bleibt er stehen, direkt vor mir und sieht mich an. Ich zittere wie Espenlaub. Dennoch rufe ich mutig. "Was verlangst du von mir? Wir haben uns gestern erst wieder getroffen. Zeitreisen kann ich leider noch nicht. Wenn es so wäre, hätte ich mit .... mit dem anderen nichts angefangen und stattdessen auf deine Ankunft gewartet. Doch nun ist es so wie es ist. Komm damit klar!" Meine Stimme hat sich zu einem schrillen Schreien gesteigert.  
"Willst du mich verarschen?" knurrt er.
Als Antwort verschränke ich nur die Arme vor der nackten Brust und schiebe schmollend die Unterlippe vor.
„Das war mir klar. Kaum bin ich weg stürzt sich ein anderer auf dich." echauffiert sich ein nackter Tom.
Das geht jetzt echt zu weit! „Pha." mache ich. „Kaum weg? Ich wusste ja nicht einmal ob du jemals wieder kommst. Du warst einfach von einem Tag auf den nächsten weg. Dachtest du ich bleibe ewig allein und warte hier auf dich?" Meine Stimme wird immer schriller. Die armen Nachbarn. „Ich habe auf dich gewartet, war dir treu. Viele Monate lang. Aber irgendwann brauchte ich auch mal wieder etwas Liebe!" werfe ich ihm die Worte vor die Füße.
Tom dreht sich um, geht schnellen Schrittes ins Schlafzimmer. Ich folge ihm. Dort sammelt er seine Sachen zusammen und zieht sich an.
„Wo willst du hin?" rufe ich.
„Ich muss hier raus." schreit er. Er dreht sich zum Bett, deutet darauf „Habt ihr es hier drauf auch getrieben?"
„Ja natürlich haben wir das, Tommy. Bitte bleib hier!" bettle ich.
„Hure!" schreit er.
Das geht zu weit! Ich hebe die Hand um ihm eine runter zu hauen. Doch er ist schneller, fängt meine Hand ab, dreht mir den Arm auf den Rücken, hält mich fest und raunt mir ins Ohr „Ich lasse mich von niemanden schlagen. Sag deinem Freund das es aus ist! Du hast eine Woche Zeit." Dann wirft er mich einfach, als wäre ich eine Stoffpuppe, auf das Bett.
Erschrocken rappelte ich mich wieder auf und schreie „Du bist nicht in der Position eine derartige Forderung zu stellen!"
Mit einem Mal springt er auf mich zu wirft mich im Flug zurück auf das Bett, ist über mir und raunt mir ins Ohr. „Du glaubst gar nicht zu was ich alles fähig bin, Süße. Bring du es zu Ende oder ich erledige das auf meine Weise! Du gehörst zu mir, ist das klar?"
Ich kneife die Lippen zusammen und schüttle den Kopf.
Nichts ist klar!
„Du willst nicht hören? Nein?" Langsam lässt er seine Hand an meiner Seite Abwärts gleiten. Mit einem Ruck greift er mich und dreht mich auf den Bauch, er holt aus und schlägt mir kräftig auf den Po.
Ich schreie auf.
Er zieht meine Hüfte nach oben so das ich vor ihm knie. Immer wieder gibt er mir Schläge auf den Po und beißt mich sanft in die Hüfte oder den Hals. „Du gehörst mir! Und wenn du schon keinen Ring von mir tragen willst, dann müssen eben blaue Flecken reichen - bis du zur Vernunft kommst." Diese dunkle Drohung bleibt in der Luft hängen.
„Tommy, bitte ..." bettle ich.
Doch er hört nicht auf. Wütend beiße ich mir auf die Lippe. Auf keinen Fall werde ich ihm die Genugtuung bieten mich erneut heulen zu sehen.
„Ich liebe euch beide!" schreie ich schließlich. Eigentlich habe ich das nicht zugeben wollen - ich weiß auch nicht was mich da gerade geritten hat!
Sofort hält er inne. „Was sagst du da? Liebe?"
Ich nicke stumm mit dem Kopf.
„Heißt das, ich muss mit einem anderen um dich kämpfen damit du dich entscheiden kannst?" will er wissen.
„Tu doch was du willst!" flüstere ich. „An meinen Gefühlen wird es nichts ändern."
Skeptisch sieht er auf mich herunter. Er zieht sich zurück, setzt sich auf die Bettkante und sieht mich grübelnd an. "Okay, dann eben auf diese Weise. Ich werde kämpfen! Du gehörst zu mir - schon immer. Und am Ende wirst du dich auch wieder daran erinnern, Charly." meint er schließlich.
Dann steht er auf und nimmt seine Jacke. „Sag dem anderen Bescheid! Wenn er dich haben will muss er sich warm anziehen."
Anschließend verschwindet er einfach und lässt mich allein zurück.

„Schade, der Tag hatte so schön angefangen!" murmle ich und reibe mit der Hand über meine Wunden.

 

Kapitel 11

Einige Zeit bleibe ich einfach auf meinem Bett liegen, dann schließlich nehme ich mein Handy und rufe Franzi an. Als sie abnimmt sage ich nur ein Wort „Hilfe!" und lege wieder auf.
Dreißig Minuten später klingelt es an meiner Tür.
Franzi's erste Reaktion als sie mich sieht „Ach du scheiße! Du siehst aus wie ein geprügelter Hund. Was ist passiert?" sie fasst mich am Ellbogen und schiebt mich sanft in die Küche. Ich setze mich wieder auf den Hocker am Küchentresen und umfasse mein Weinglas. Es ist mittlerweile mein fünftes. Franzi setzt sich mir gegenüber auf den zweiten Hocker.
„Erzähl! Hast du dich doch mit IHM getroffen?"
Ich nicke stumm und sehe tief in das Glas.
„Oh Charly!" sie schlägt die Hände vor das Gesicht. „Was hat dich nur geritten?" Ihre Stimme klingt gedämpft.
„Nein nein. Es lief eigentlich ganz gut. Er war lieb ... und süß und ... und experimentierfreudig." schwärme ich, hebe den Kopf und sehe sie an." Er hat mir außerdem erklärt wo er die ganze Zeit gewesen ist."
„Ach ist das so? Wo war er denn? In der Muschi einer anderen?" Abwartend verschränkt sie die Arme vor der Brust.
Ich schüttel den Kopf. „Nein so war das nicht. Es gibt keine andere. Er hat einen neuen Job und ... und daher war er so lange weg."
„Ach ja klar. Und da hat man ihn eingesperrt, sein Handy weg genommen und ihm eine Gehirnwäsche unterzogen. Oder warum hat er dann vergessen sich bei dir zu melden?" lästert sie.
„Er hat mir alles erklärt." winke ich ab. Ich greife nach ihrer Hand. Aufgeregt fahre ich fort. "Du, er ist jetzt beim MI6. Er hatte einen Auftrag in Moskau. Vorher war er in so einem geheimen Trainingslager."
Jetzt wo ich das alles aus meinem Mund höre, hört es sich doch schon recht weit weg geholt an!
Skeptisch zieht meine beste Freundin die Augenbrauen hoch. „Du bist doch ein schlaues Mädchen, Charly! Glaubst du ihm das wirklich?" 
„Ja, das tue ich!" sage ich tapfer. „Irgendwie." füge ich deutlich leiser, mit zweifelnden Unterton hinzu.
„Hat er dir seinen Ausweis gezeigt? Eine Dienstmarke oder so was. "
„Nein ..."
Sie macht eine deutliche Geste.
"Aber er hat einen neues Wagen. Einen echt teuren." werfe ich ein.
„Leihwagen." kontert sie.
Habe ich mich wirklich so leicht reinlegen - um den Finger wickeln lassen? Ich habe ihm einfach so ohne Beweise geglaubt. Wie blöd bin ich eigentlich? Geschockt von dieser Erkenntnis und meiner eigenen Naivität sacke ich auf meinem Hocker wie ein Häufchen Elend zusammen.
„Ich könnte jetzt sagen, ich hab's dir ja gleich gesagt, aber ich lasse es. Süße, ich kann dich ja verstehen ..."
„Ja?" frage ich erstaunt.
Sie macht ein ernstes Gesicht und schweigt.
"Franzi, du müsstest ihn jetzt mal sehen. Muskelbepackt, stark. Noch mehr Sex geht überhaupt nicht." schwärme ich.
„Na dann wusste er ja wie er dich rum kriegt. Er lässt einfach seine Muskeln spielen." brummt sie. Höre ich da Enttäuschung in ihrer Stimme mitschwingen?
„Aber das ist alles gar nicht weswegen ich dich angerufen habe."
„Es ging also nicht darum, dass er dich verprügelt hat?" wirft sie skeptisch dazwischen und sieht auf die blauen Flecken an meinen Armen.
„Was? Nein darum geht es nicht." ich winke ab." Er hat mich auch gar nicht verprügelt. Das ist nur ... nur ... eine Art Liebesbeweis. Ob du es glaubst oder nicht, es lief wirklich gut, bis ... bis er mir einen Heiratsantrag machte." erkläre ich und schweige abwartend.
Franzi verschluckt sich und prustet los. „Wie bitte? Das darf doch nicht wahr sein!" schreit sie. „Der hat Nerven."
"Ich weiß nicht was ich machen soll!" jammere ich.
„Na nicht annehmen natürlich!" schlägt sie vor.
„Wirklich? Meinst du? Mein Problem ist nur, dass Max mir auch einen Antrag gemacht hat. Schon vor einiger Zeit." erkläre ich.
„Wie war das? Ich verstehe immer Heiratsantrag." Franzi bleibt vor Staunen der Mund offen stehen.
"Süße, der eine ist ein krankes Arschloch und der andere verheiratet. Du nimmst keinen der Anträge an!" appelliert sie an meine Vernunft. „Worüber musst du da noch nachdenken?"
„Aber ich liebe sie - beide!" flüstere ich.
Franzi schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Charlotte, du kannst nicht glücklich werden. Mit keinem von ihnen." warnt sie mich.
„Nein, du verstehst mich nicht. Du begreifst nicht das Problem was ich habe. Wie soll ich mich für einen von ihnen entscheiden, wo ich doch beide liebe?" jammere ich ohne auf ihre warnenden Worte einzugehen.
Sie wiegelt mit den Händen ab.
„Du bist vollkommen verrückt, weißt du das! Ich kann dich ja verstehen. Beide sind heiße Typen! Bestimmt macht der Sex auch Spaß! Aber du darfst doch unter einer Beziehung nicht leiden, Süße!"
„Ach, ich bin es gewöhnt." ich zucke mit den Schultern.
„Ja eben. Aber so sollte es nicht sein. Das ist nicht ... " Dieses Wort betont sie deutlich."... normal. Man sollte glücklich sein. Sich bei dem Partner geborgen und sicher fühlen. Und nicht täglich in einem Meer aus Tränen ertrinken." erklärt sie und sieht mich eindringlich dabei an.
Sie hat ja recht, aber ich kann nicht anders. Tommy ist meine erste große Liebe und ich hänge an ihm. Ich würde alles für ihn tun.
Max ist wunderbar, witzig, charmant und verdammt gut im Bett. Ich fühle mich bei ihm sicher und geborgen.
Bei Tom aber auch. Oh ja, sicher ist man bei ihm. Bei diesem Gedanken muss ich grinsen.
„Von Tom bin ich abhängig, ich brauche ihn, dass ist mir jetzt wieder klar geworden, wie die Luft zum atmen ... „
„Süße, du bist ihm hörig, dass ist es doch oder?" wirft sie die bittere Wahrheit ein.
„Ja, vielleicht, dass gebe ich zu. Aber das ist okay. Es war schon immer so. Tom hat eine ganz bestimmte Wirkung auf mich. Aber nun zu Max: er ist sexy, und wie er das ist, interessant, witzig und sein Körper kann sich wirklich sehen lassen. Bei ihm ist es die Stimme die mich ganz wuschig macht."
„War es das jetzt? Bist du fertig?" genervt zieht Franzi die Augenbrauen hoch. „Charlotte Spencer, dir ist nicht mehr zu helfen! Ich weiß nicht wie ich dir helfen, oder was ich dir raten soll, wenn du derart verbohrt bist." Sie erhebt sich von ihrem Hocker. „Ich geh dann jetzt mal. Dieses Problem kannst nur Du allein aus der Welt schaffen. Sorry." Damit verschwindet sie einfach. Fassungslos starre ich die Wohnungstür an die hinter ihr ins Schloss gefallen war.

Am nächsten Morgen sieht die Welt schon gar nicht mehr so düster aus.
Ich hatte Zeit zum Nachdenken und konnte sogar ein paar Stunden schlafen. Hey, ich habe da zwei super heiße Typen die beide MICH wollen.
Ich bin zu dem Entschluss gekommen es eine Weile auszunutzen. Ich fahre einfach zweigleisig. Ich muss nur aufpassen das der eine nichts von dem anderen mitbekommt. Und Tommy werde ich sagen das ich mit Max Schluss gemacht habe.

 

Da konnte ich noch nicht ahnen wie sehr dieser Plan in die Hose gehen wird.

 

Kapitel 12

Ich beschloss Max ebenfalls im Unklaren zu lassen und erzählte ihm nichts von Tom.
„Wie war deine Woche?" fragt Max als wir uns am Samstag Abend treffen.
Die gemütliche Bar am Piccadilly Circus ist zu unserem Lieblingslokal geworden.
Max hatte sich die ganze Woche nicht blicken lassen. Er musste diese Woche irgendeine berühmte Sängerin während ihres Aufenthaltes in London vor aufdringlichen Fans beschützen.
„Ach das übliche. Nichts besonderes." lüge ich.
„Hm. Und woher hast du diese blauen Flecken?" will er dann aber doch wissen.
Ich hatte gehofft er würde nicht fragen. „Ach die. Ich habe mit dem Hund meines Bruders gespielt. Der ist noch jung und verspielt."
Es ist eine schlechte Ausrede, aber es ist immerhin eine.
„Ach so ist das." Ich kann ihm ansehen das er mir das nicht abkauft. „Ich hab das Wochenende wieder sturmfreie Bude." wechselt er das Thema. „Beverlys Großmutter hat Geburtstag und sie ist mit Charlotte zu ihr gefahren." ein freches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Es erreicht seine Augen die nun zu funkeln beginnen. Ich weiß woran er gerade denkt. Unwillkürlich muss ich ebenfalls lächeln. „Und du solltest sie nicht begleiten?" frage ich.
Max schüttelt den Kopf „Ich kann nicht. Habe einen Auftrag."
Betrübt, weil ich angenommen hatte, wir würden endlich mal wieder ein bisschen Zeit miteinander verbringen, blicke ich aus dem Fenster. „Ach so." murmle ich.
„Ja, eine junge Frau benötigt meinen Schutz dieses Wochenende. Ich muss sie auf Schritt und Tritt begleiten." erklärt er ernsthaft. „Sogar nachts."
Ich verschlucke mich an meinem Cocktail und bekomme kaum Luft. Und was macht Max?
Er lacht „Hey, Süße. Due junge Frau bist du. Ich habe frei und bleibe bei dir. Auch über Nacht." Er wackelt mit den Augenbrauen und strahlt mich an.
Das erwiderte ich gern. „Wirklich? Du bleibst bei mir? Die ganze Nacht?" Ich kann es kaum fassen. "Das ist ja noch nie vorgekommen."
„Zwei Nächte um genau zu sein." lacht er. „Was möchtest du unternehmen?"
Da muss ich erst einmal überlegen. Ich bin völlig überrumpelt. „Hm schwierig. Wir könnten nachher noch ins Kino gehen und es uns danach bei mir zu Hause gemütlich machen. Und morgen ..."
„Gute Idee! Angenommen." unterbricht er mich.
„Und morgen vielleicht etwas Kunst?" fragend sehe ich ihn an.
„Kunst?" er zieht skeptisch eine Braue nach oben. „Klingt ja spannend." murmelt er enttäuscht.
„Hey Mister! Es ist noch gar nicht all zu lange her, da hast du geschworen mir jeden Wunsch zu erfüllen." ich zwinkerte ihm frech zu und schlage ihm spielerisch auf den Unterarm.
Ich weiß, dass war gemein, aber seinen Trumpf sollte man stets zur passenden Zeit ausspielen.
Max hebt abwehrend die Hände „Schon gut. Ich erinnere mich. Klar erfülle ich dir sehr gern deinen Wunsch, mein Schatz! Ich hoffe nur du hast dann eine Adrenalinspritze bei dir um mich wiederzubeleben wenn ich vor Langeweile im sterben liege." scherzt er.
„Scherzkeks." Ich rolle mit den Augen. Dann greife ich mit beiden Händen nach dem Revers seines Hemdes und ziehe ihn über den Tisch zu mir. „Ich verspreche dir, dich für deine Mühen danach angemessen zu entschädigen."
„Keine leeren Versprechungen." raunt er an meinem Mund.
„Hallo?" tue ich entrüstet. „Habe ich jemals deine Erwartungen nicht erfüllt?"
„Oh doch und wie. Du erfüllst alle Erwartungen die ich an eine Frau stelle."
„Ach ist das so?" grinse ich. „Dann komm jetzt mal in die Puschen alter Mann! Damit ich dir zeigen kann, dass ich die Erwartungen an einen passionierten Kinogänger erfüllen kann." Ich stehe auf und ziehe ihn an der Hand nach oben.
„Hey, nicht so frech! Was heißt hier alter Mann? Dir werde ich zeigen was ich noch so zu bieten habe." meckert er. Ich weiß ja, dass er mir nicht böse ist.

Im Kino schauen wir eine romantische Komödie. Auch so ein Zugeständnis an mich. Allein hätte er sich den Schmachtfetzen sicher nicht angeschaut. Wir setzen uns in die hinterste Reihe.
Kaum geht das Licht aus fummeln wir herum wie zwei verliebte Teenager.
Es war aufregend und schön - ganz wie in meiner Jugend.

Später zu Hause bekomme ich die Retourkutsche wegen meines frechen Spruchs.
Max ist Lichtjahre davon entfernt davon ein alter Mann zu sein.
Nach dem zweiten Höhepunkt bemerke ich erste Ermüdungsanzeichen, nach dem dritten spüre ich meine Beine kaum noch. Ich habe mich schon lange nicht mehr so wund angefühlt.
„Wer zu letzt lacht ..." zieht er mich lachend auf.
„Schon gut, schon gut. Ich nehme es zurück." ergebe ich mich lachend. „Du bist der pure Wahnsinn!" Erschöpft lasse ich mich in die Laken fallen.
„Danke für das Lob!" grinst er. "Ich geb mein Bestes nur um dir zu zeigen wie wahnsinnig verknallt ich in dich bin." gesteht er.
Ich schlucke. Oh nein, nicht schon wieder.
„Ich auch in dich, Max!" flüstere ich und kuschel mich an seine Brust.
Von meinem Handy her dringt leise Musik- Somethin' Stupid.
Meine Fingerspitzen tanzen einen federleichten Tanz vom seidigen Flaum unter seinem Bauchnabel bis hinauf zu seinem Hals. Max braune Augen verfolgen jede ihre Bewegungen.
„Du bist wunderschön!" flüstere ich.
„Quatsch, dass bist du! Ich sehe aus wie ein Kasperclown. Du bist das schönste Mädchen der Stadt - mindestens! Ich wünschte du wärst meine Frau!" Verliebt schaut er mich direkt an und irgendwie weiß ich, er meint das ernst.
„Und ich wäre verdammt gerne deine Frau!" erwidere ich.
Er fährt sich mit der Hand durch die Haare. „Scheiße ist das! Warum bin ich dir nicht schon vor 10 Jahren begegnet?"
„Na ja vielleicht, weil ich da erst ein Teenager war und so gar nicht deinem Beuteschema entsprochen habe." lache ich um die Stimmung etwas aufzuheitern.
„Was?" verwirrt schaut er mich an.
Fast so als würde ihm jetzt erst auffallen das zwischen uns ein gewisser Altersunterschied besteht - ein Altersunterschied von 11 Jahren. Ich bin süße 27 und er 38.
„Ach vergiss es." winke ich ab.
Aretha Franklin singt gerade im Hintergrund I say a little Prayer.
„Fuck! Wenn ich könnte würde ich Die Zeit zurück drehen, dich schon als Teenie verführen und dich zu meiner Frau machen sobald du 18 wärst. Dann müsste ich zwar auf Charlotte verzichten, aber das wäre es mir wert."
Diese Liebeserklärung aus seinem Mund bedeutet mir extrem viel. Er liebt seine Tochter über alles.
„Da hättest du aber gehörigen Ärger mit meinem Dad bekommen." versuche ich die angespannte Stimmung wieder auf die lockere Seite zu ziehen.
„Kann ich verstehen! Ich würde auch keinem daher gelaufenen Saftsack an meine Tochter lassen! Never! " Jetzt lacht er wieder, nimmt mich fester in den Arm und streichelt sanft die nackte Haut meiner Schulter. Ein Kribbeln durchfährt mich.
Den Rest der Nacht liegen wir einfach so da, schauen aus dem bodentiefen Fenster meines Schlafzimmers dem Mond beim scheinen zu und hören Musik. What a wonderful World meint Louis Armstrong.

Am nächsten Nachmittag erfüllt er mir tatsächlich den Wunsch eine Kunstgalerie zu besuchen.
Wir fahren in seinem Wagen nach Mayfair in die Bartoux Galery. Dort stellt gerade Roberta Coni aus. Ich liebe ihre Arbeiten!
Ich wollte unbedingt in diese Ausstellung und freue mich jetzt um so mehr es nicht allein tun zu müssen! Franzi hätte ich niemals dazu bewegen können mich zu begleiten. Sie hasst Kunst ebenso sehr wie der Teufel das Weihwasser.
Und mit Tom- niemals. Er ist ebenfalls kein großer Kunstfreund.

Max parkt in einem Parkhaus in der Nähe der Galerie. Händchenhaltend spazieren wir durch den milden Herbstabend zu dem Gebäude in der Bond Street.
Lustig das die Straße ebenso Bond heißt wie der Geheimagent. Und dieser Gedankengang lässt mich wiederum an Tom denken. Ob er wirklich ein Geheimagent ist? Da wir uns seit diesem ersten Abend nicht mehr gesprochen haben, konnte ich ihn nicht dahingehend befragen. Expandentiell zur Nähe der Galerie wächst die Anzahl deren die sich, in geschmackvoller Abendgarderobe auf den Gehweg tummeln. Alle scheinen auf etwas zu warten.
„Warum stehen die hier draußen?" denke ich laut.
„Keine Ahnung." antwortet er Schulterzuckend.
Ich sehe mich um. Gerade als ich beschließe die Dame rechts neben mir danach zu befragen, biegt eine schwarze Strechlimousine um die Ecke und hält auf die Galerie zu. Blitzlicht flammt auf. Scheinbar sind auch Reporter unter den Wartenden.
Die Beifahrertür öffnet sich und ein breitschultiger Mann im dunklen Anzug und mit Sonnenbrille steigt aus. Er geht vorn um den Wagen herum und öffnet schließlich die Tür im hinteren Teil des Wagens. Hilfsbereit reicht er dem hinter den getönten Scheiben  unsichtbaren Fahrgast seine Hand. Eine blondgelockte Dame in einem extravaganten goldenen Kleid steigt lasziv aus dem Fond. Ihre goldenen Pailletten Stilettos glitzern im Blitzlicht der Kameras. Ihr Kleid hat einen extrem tiefen Rückenausschnitt und lässt kaum taum für Fantasie. Sie stolziert über den roten Teppich direkt auf die gläserne Tür der Galerie zu. Der Mann, sicher ihr Bodyguard folgt ihr auf dem Fuße. Atemlos sehe ich ihr hinterher.
Es ist wie ein Unfall - man kann gar nicht weg schauen.
„Kennst du die?" fragt Max doch ich antworte nicht, ich bin gerade etwas abgelenkt. Denn gerade als beide an uns vorüber laufen werfe ich auch mal einen genaueren Blick auf ihren männlichen Begleiter. Und ich kippe beinahe hinten über.
Es ist Tom.

Scheiße!

 

Kapitel 13

Wir warten bis die Meute aus Reportern sich entweder dazu entschlossen hat der Frau in die Galerie zu folgen oder es sich auf deren Rückkehr lauernd draußen bequem macht, und betreten schließlich selbst die Galerie. Gleich am Eingang bekommen wir von einer freundlichen jungen Frau im schwarzen Kostüm ein Programheft in die Hände gedrückt. "Herzlich Willkommen und einem angenehmen Abend wünsche ich!" flötet sie.
„Roberta Coni also. Sehr interessant!" murmelt Max der das Heft oberflächlich durchblättert. „Na ja, sehen ja ganz passabel aus die Bilder von ihr!"
„Pha passabel." schnaube ich und lasse den Blick durch den Raum schweifen. Jede Menge Leute sind da, es ist super voll. Wenn das kein Beweis für die Qualität ihrer Bilder ist, dann weiß ich auch nicht.
„Komm mit! Da vorn hängt 'Mathilde with blue Turban'." Ich greife nach seinem Arm und ziehe ihn mit mir mit.
" Matilda mit was? " schnaubt er.
Zielstrebig gehen wir auf ein großes Gemälde mit einer jungen Frau die einen blauen Turban trägt zu.
Widerwillig schlurft Max mir hinterher. Ich drehe mich zu ihm um. „Komm schon!" bettle ich gespielt. Gerade als ich mich wieder zurück drehe, pralle ich mit einer Person im dunklen Anzug zusammen.
„Sie müssen hier warten, Miss!" sagt eine männliche Stimme die mir seltsam bekannt vorkommt. 
Langsam hebe ich den Blick und sehe direkt in Tom's blaue Augen. Erschrocken rudere ich zurück, gerate ins straucheln und werde gerade noch rechtzeitig von Max aufgefangen bevor ich der länge nach auf das Parkett fallen kann.
„Hoppala." sagt er und lächelt. „Wie gut das du mich hast."
„Dankeschön." murmle ich und sehe rasch zu Tom hinüber.
Er steht wie angewurzelt da und starrt uns an. Sein Blick wandert zuckend zwischen Max und mir hin und her. Verzweifelt versuche ich ihm mit meinem Blick zu vermitteln, dass er sich bitte nichts anmerken lassen soll. Falls er vor hätte etwas zu sagen, kommt er nicht dazu, da Max hinter mir herausfordernd fragt. „Und warum bitte? Es ist doch eine öffentliche Galerie hier. Wenn ihrer Zielperson Menschenmassen Unbehagen bereiten, sollte sie vielleicht nicht gerade an einem Eröffnungstag die Galerie besuchen."
Da spricht der Fachmann.
„Sir, dass ist nicht Ihr Problem. Ich fordere Sie hiermit ein letztes Mal auf zurück zu bleiben!" droht Tom Max, sieht aber mir direkt in die Augen.
Wie ein Schrank baut er sich vor uns auf und ich habe das Gefühl mit jeder Sekunde etwas mehr zu schrumpfen. Betreten blicke ich auf meine Fußspitzen.
Max bemerkt meine Misere und kommt mir, ganz der Bodyguard zur Hilfe. Er stellt sich zwischen Tom und mich und drängt mich dabei ein wenig zurück. Schützend reckt er einen Arm nach hinten und hindert mich so daran an ihm vorbei zu treten.
„Haben Sie ein Problem?" fragt er.
Tom macht einen Schritt nach vorn. Beide Männer sind in etwa gleich groß, so das sie sich gut gegenseitig in die Augen starren können.
„Ich habe gar kein Problem. Sie Sir, haben gleich eines, wenn Sie nicht endlich ihre kleine Freundin hier nehmen und sich verpissen." schnautzt Tom.
Wie war das gerade? Wütend stoße ich Max Arm weg und trete nun wieder direkt vor Tom.
„Spinnst du?" rutscht es mir heraus während ich ihm den Zeigefinger gegen die Brust stupse.
Mit einer schnellen Bewegung hält er meine Hand fest und dreht mir den Arm herum.
Ich japse erschrocken nach Luft.
So kann er mich nahe an sich ran ziehen. „Das ist er also, ja?" zischt er mir leise ins Ohr.
Ich hoffe, dass nur ich ihn verstehen kann!
Ehe ich etwas erwidern kann werde ich mit einem Ruck von ihm weg gezogen. „Finger weg!" schnautzt Max und zieht mich in seine Arme.
Mittlerweile sind auch die Umfeld stehenden Gäste auf uns aufmerksam geworden und schauen belustigt zu wie sich die beiden Männer streiten. Die beiden Streithähne scheinen völlig vergessen zu haben wo wir uns hier befinden. Ich muss dringend etwas tun.
„Komm, wir gehen!" Ich greife nach Max Arm und versuche ihn von Tom weg zu ziehen.
Die Lust auf Kultur ist mir für diesen Abend sowieso vergangen. Widerwillig löst er sich von seinem Kontrahenten und lässt sich von mir aus der Galerie ziehen.
Draußen auf dem Gehweg streicht Max sich seinen Anzug glatt. „Idiot! Sehr unbeherrscht. Sicherlich ein Anfänger." zischt er. An seiner Tonlage kann ich erkennen wie viel Mühe es ihn kostet ruhig zu bkeiben.
"Ja, er ist recht neu in der Branche." stimme ich ihm in Gedanken zu.
„Irgendwie hatte ich das Gefühl der würde dich kennen." grübelt Max mit einem Mal. Neugierig sieht er mich von der Seite an.
Doch ich spiele da nicht mit und erwidere nur Achselzuckend. „Keinen Schimmer wer der ist. Ich hab den noch nie zuvor gesehen. Sicher ist es so wie du sagst und der ist neu in seinem Job." Um Unbefangenheit zu suggerieren  hake mich bei ihm unter und setze mich in Bewegung. „Seien wir nachsichtig mit ihm! Er war sicherlich aufgeregt."
Max bleibt jedoch stehen, sieht mich an und sagt verwundert. „Du hast aber viel Verständnis für einen wildfremden Rüpel."
Da ich Angst habe, dass er in meinen Augen die Lüge erkennen könnte, weiche ich seinem Blick aus. „Ach Blödsinn." Lächelnd winke ich ab. "Ich habe nur ein zu weiches Herz." Ich schaue zu ihm auf „Das wissen auch meine Schüler und nutzen es schamlos aus wenn sie zum Beispiel ihre Hausaufgaben vergessen haben." lache ich.
Mit einem Lachen gibt er sich damit zufrieden, legt seinen linken Arm um meine Hüfte und spaziert mit mir die Straße hinunter.
„Ich kann den Typen nicht ausstehen! Der muss echt aufpassen, dass ich dem nicht mal einfach die Lichter ausknipse." Selbstsicher zwinkert er mir zu.
Ich schlucke betroffen den Kloß in meinem Hals hinunter.

Max Drohung bleibt über mir hängen wie eine Wolke.

 

Kapitel 14

In dieser Nacht träume ich von meinen Männern wie sie sich wegen mir bis zum Tod duellieren und wache mit einem Schrei auf den Lippen viel zu früh am Morgen auf.
„So eine verdammte Scheiße! Wo bin ich da nur rein geraten?" jammere ich mir selbst etwas vor. Doch wenn ich ehrlich bin, habe ich das Ganze nur mir selbst zu zuschreiben.
Ich greife nach meinem Handy auf dem Nachttisch. Drei Nachrichten von Tom. 'Hey. Dieser Schnösel also? Echt jetzt?'
Die zweite: 'Antworte mir gefälligst! Ich will von dir wissen ob du ihn mir wirklich vorziehen willst.' und die dritte Nachricht, in deutlich jammervollem Tonfall lautet 'Ich liebe dich doch so, Charly! Bitte entscheide dich für mich!'
Bei der letzten muss er betrunken gewesen sein. So jammert er sicherlich nicht im nüchternen Zustand.
Ich tippe eine Antwort 'Habe gestern Nacht schon geschlafen. Ja, das ist Max. Ich mag ihn -genau so sehr wie dich, Tommy! Ich kann mich nicht entscheiden. Noch nicht. Bitte gib mir etwas Zeit!'
Um ihn etwas zu besänftigen tippe ich eine zweite SMS 'Verzeih mir bitte meine Unentschlossenheit! Ich liebe dich!'
Bevor ich aufstehe und meinen Tag beginne tippe ich noch eine Nachricht. Diesmal für Max.
'Trotz des misslungenen Ausflug in die Kunstwelt war unser Abend doch echt schön gewesen! Nein, das ganze Wochenende war es! Vielen Dank das du deine kostbare Zeit mit mir verbracht hast! Ich bin im 7. Himmel. Ich liebe Dich!'

Nach einer Dusche und zwei Tassen Kaffee bin ich endgültig wach, ziehe ich mich an und packe meine Arbeitstasche. Zeit genug habe ich ja noch.
Mein Handy meldet sich. Eine Nachricht von Max 'Mit dir Zeit zu verbringen ist das sinnvollste und schönste was man sich vorstellen kann! Ich möchte alle Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Monate und Jahre die mir noch bleiben mit dir zusammen sein! I love you to!' Sofort schießen mir beim lesen der wenigen Zeilen Tränen in die Augen.
Es klingt ja ganz so, als hätte er seine Meinung geändert und verlässt Beverly jetzt doch.
Ich tippe eine Antwort' Das ist eine wunderbare Vorstellung! Doch leider nicht umsetzbar.'
Es dauert ein wenig bis er zurück schreibt. Dann' Theoretisch schon. Wenn nur mein ethisches Gefühl mir nicht im Weg stünde. Aber du sollst wissen, wäre ich frei, wärst du es nicht mehr. I love you.' Gerührt schaue ich auf das Display. Plötzlich eine weitere Nachricht, diesmal von Tom' Bleib wo du bist. Ich bin gleich da.'
Was? Wo ist er gleich?
Ich gehe zum Wohnzimmerfenster und blicke hinaus auf die Straße. Tatsächlich kommt in diesem Moment Tom's orangener Audi um die Ecke gebraust und parkt mit einem lässigen Schlenker nach links direkt vor meiner Haustür ein.
Tom steigt aus. Wow, wie gut er um diese Uhrzeit schon wieder aussieht! Bestimmt war er schon auf dem Weg zur Arbeit.
Es klingelt.
Als er schließlich die Stufen zu meiner Wohnung im ersten Stock hinauf gestiegen ist und vor mir steht, drückt er mich mit dem Rücken an die Wand und küsst mich - fordernd, leidenschaftlich, wild.
„Tom, bitte ... lass das ..." stoße ich hervor und drücke ihn etwas zurück.
„Ich soll das lassen?" verwundert nimmt er den Kopf etwas zurück und schaut mich herausfordernd an. „Warum? Hast du dich etwa für den Schnösel entschieden?"
„Nein Tommy, das habe ich nicht." suche ich ihn zu beschwichtigen." "Wir sollten aber vielleicht über gestern reden."
„Reden? Ich wollte dir einen weiteren Grund geben dich für mich zu entscheiden und dich vor der Arbeit richtig ran nehmen." grinst er frech und will mich erneut küssen.
Ich halte ihn mit der flachen Hand auf Abstand. „Stopp! Was fühlst du denn jetzt wo du ihn gesehen hast? Wollen wir nicht darüber reden?"
„Ach ihr Frauen wollt immer alles bereden. Wir Männer sind anders. Wir reden nicht, wir handeln." er zieht mich wieder näher an sich heran. „Jetzt wo ich den Typen gesehen habe ..." Er macht eine abwertend Handbewegung."... mache mir gar keine Gedanken mehr. Der Typ sieht aus wie ein Banker. Ist er einer aus eurer Bank? Will Daddy sein Töchterchen mit einem geeigneten Schwiegersohn zusammen bringen?" lacht er erneut.
„Nein, da irrst du dich. Banker ist er nicht. Er ist ... Personenschützer. Und zwar ein richtig guter." springe ich für Max in die Bresche.
Tom sieht mich an. „Was ist der? Personenschützer. Wie heißt der?"
„Max Steel." gebe ich locker zurück.
„Fuck! Das darf doch nicht wahr sein!" schreit Tom und schlägt hinter mir mit der Faust gegen die Wand. Erschrocken zucke ich zusammen. Seine Augen funkeln gefährlich.
„Du machst sofort Schluss mit dem!" befiehlt er wütend.
„Was? Wieso sollte ich das tun? Spinnst du?" keife ich zurück.
Er sieht mir tief in die Augen und knurrt. „Weil dieser Typ uns andauernd in die Quere kommt. Er steht auf der anderen Seite."
Ich werde nicht schlau aus seiner Begründung. „Was soll das heißen, auf der anderen Seite? Und wer ist Uns?"
„Charly, er beschützt die Art von Leuten, die Leute die ich beschütze, umbringen wollen."
Noch immer verstehe ich sein Problem nicht. „Was hat das mit seinem Privatleben zu tun?"
„Das ist ein ethisches Problem." Tom fährt sich durch die gegelten Haare und bringt sie dadurch etwas durch einander.
" Ein ethisches Problem?" wiederhole ich lächelnd.
Tom nimmt meine Hände in seine und beginnt zu erklären. „Pass auf! Vor einigen Wochen zum Beispiel hat der Typ einen russischen Waffenhändler beschützt während dieser hier in London war. Ein Agent sollte ihn festnehmen, da wir endlich was gegen ihn in der Hand hatten und ihn zudem noch inflagranti bei einem Geschäft erwischt haben. Doch gerade beim Zugriff trat dieser Steel in Aktion. Mit dem Ergebnis das ein paar meiner Kollegen gebrochene Knochen, Blutergüsse und Schusswunden hatten."
Nun habe ich es verstanden. Ich schlucke den Klos in meinem Hals herunter. „Okay verstehe. Er ist der Regierung also ein Dorn im Auge?"
Tom nickt. „Stimmt. Und der Gedanke das ich deine Muschi mit diesem nervigen Arschloch teilen muss ist unerträglich! Mach Schluss und entscheide dich für mich! Sonst garantiere ich für gar nichts."
Entsetzt über diese, seine Erkenntnis und Drohung schaue ich ihn an. „Tommy, bitte lass mich nachdenken! Ich muss in Ruhe darüber nachdenken." flehe ich nachdrücklich.
„Okay. Ich gehe jetzt. Ich geb' dir Zeit zum nachdenken. Aber entscheide dich für die richtige Seite, Charly!" droht er düster.
Dann drückt er mich ein letztes mal gegen die Wand. Sein Mund presst sich hart auf meinen, seine Zunge stößt in mich. Mit der Hand knetet er meine Brust unter der Bluse. Mit zwei Fingern zwirbelt er die Brustwarze. Sofort reagiert mein Körper auf ihn. Ein Kribbeln durchfährt mich vom Kopf bis in die Zehen.
„Diese Reaktion kann nur ich bei dir auslösen. Da bin ich sicher. Du gehörst zu mir, Charly. Denk daran!"
Er beißt mir sanft in mein zarten Fleisch am Brustansatz und saugt leicht daran. Es entsteht sofort ein Bluterguss - ein Knutschfleck. Dann lässt er von mir ab, nimmt mein Kinn in die Hand und hebt es an. Mit einem Blick der all seine Liebe für mich transportiert verabschiedet er sich und geht.
Völlig geflasht stehe ich in meinem Flur und warte bis die Lust die er mit gekonnten Berührungen in mir aufgebaut hat wieder etwas abgeebbt.
Er hat recht, so wie er kann mich keiner berühren. Hat keiner Einfluss auf mich. Tom strahlt eine ganz besondere Magie aus die mich völlig fesselt.
Das wird eine schwere Entscheidung! Aber irgendwann muss ich sie treffen, dass ist mir klar.

Ein paar Tage später, der Knutschfleck ist zum Glück bereits stark verblasst, sitzen Max und ich in einem italienischen Restaurant.
„Ich hatte übrigens recht." Wirft Max so einfach mitten im Gespräch dazwischen.
Ich tunke gerade den letzten super leckeren Rest Soße auf meinem Teller mit einem Stück Baguette auf. „Womit?" frage ich beiläufig.
„Na damit, dass der Typ von letztens, du weißt schon, der in der Galerie, ein ‚Rotarsch' ist."
Ich sehe ihn direkt an „Ein was, bitte?"
„So nennt man Neulinge beim Militär. Der Typ ist neu in diesem Geschäft."
Ich antworte locker „Ach was? So einfach war das? Und ich dachte, die Agenten des MI6 arbeiten verdeckt. Alles ganz geheim." und stecke mir den letzten Brocken Weißbrot in den Mund. Dabei sehe ich aus dem Fenster. Es wird still am Tisch. Ganz, ganz langsam dämmert es mir, dass ich soeben einen Fehler gemacht habe. Ich drehe meinen Kopf um Max anzusehen.
„Moment mal. Ich hatte nicht erwähnt das der Typ einer vom Geheimdienst ist." Seine Augen funkeln. „Es stimmt zwar, aber woher weißt du das bitte?"
Erschrocken verschlucke ich mich an den letzten Krümeln.
„Ähm ..." verzweifelt suche ich in Gedanken nach einer plausiblen Ausrede.
„Und warum wirst du jetzt rot? Willst du mir irgendwas sagen, Charlotte? Kennst du den Typen etwa?" dringt er in mich.
„Ähm ... gewissermaßen ..." stammle ich.
„Gewissermaßen ja, ich muss dir was sagen oder gewissermaßen, ja ich kenne den Mann?" hakt er mit vor der Brust verschränkt Armen nach.
Er lässt nicht locker. Richtig verbohrt, der Gute.
Was soll ich bloß tun? Aber im Inneren weiß ich es - jetzt ist die Zeit der Wahrheit gekommen. Wenn Max herausfinden konnte wer Tom ist, dass findet er auch noch heraus wie wir zueinander stehen.
Betreten sehe ich auf das rot weiß karierte Tischtuch vor mir.
„Beides ja. Er heißt Tom Cray und ... und er arbeitet als Agent im Auslandsgeheimdienst." flüstere ich.
„Was wird das hier? Bist du eine Agentin die mich auskundschaften soll um mich dann kalt zu stellen?" herrscht er mich an und geht noch ein wenig mehr in Abwehrhaltung.
WAS? Spinnt der?
„Nein! Spinnst du?" echauffiere Ich mich lautstark. "Bin ich nicht. Tommy und ich wir sind ... sind befreundet. Ziemlich lange schon und ziemlich ... intensiv." gebe ich schließlich zögernd zu.
Max starrt mich an als hätte ich plötzlich die Beulenpest.
„Du hattest die ganze Zeit einen Freund und hast dennoch was mit mir angefangen?" Er fährt sich mit der Hand durch das Haar.
„Nein, ganz so war es nicht, Max. Tom war mein fester Freund, ja. Bis vor 20 Monaten. Dann verschwand er plötzlich spurlos. Ich nahm an er hätte mich sitzen gelassen. Vor einigen Wochen tauchte er mit einem Mal wieder auf. Entschuldigte sich und erklärte mir, er sei jetzt Agent beim MI6 und war in einem Ausbildungslager. Er will mich zurück. Er glaubt sogar, dass wir nie getrennt waren."
Max hört aufmerksam zu.
„Er hat sich nie gemeldet. Ich war völlig fertig wegen ihm - damals. Doch irgendwann war ich über ihn hinweg. Und dann bist du in mein Leben getreten." ich greife nach seinen Händen, halte sie fest und sehe ihm tief in die braunen Augen. „Und ich bin endlich wieder glücklich! Glücklich mit dir, Max! "
Ein Funkeln flammt in seinen Augen auf. „Du hast ihm also alles erklärt und mit ihm Schluss gemacht?"
„Nun ja ... um genau zu sein ... nein." Beschämt über meine eigene Feigheit blicke ich wieder auf den Tisch zwischen uns.
„Wie bitte?" seine Stimme klingt scharf wie ein Rasiermesser.
„Ich kann es nicht. Tommy hat eine gewisse Macht über mich ... er löst da was aus ... ich kann gar nicht anders." versuche ich mich zu rechtfertigen.
„Du willst mir also sagen, dass du immer noch was mit DEM hast? Zeitgleich mit MIR." fragt er. „Du lässt dich von uns beiden ficken?"
Ich nicke stumm. Sein Blick schweift kurz ab aus dem Fenster, dann wieder auf mich und trifft mich mit voller Wucht.
„Das ist echt widerlich! Was bist du, Charlotte? Bist du ihm hörig oder so was?" Ekel liegt in seinem Blick.
Das finde ich jetzt unfair! Wer betrügt denn hier seine Ehefrau und Tochter? Wut kocht in mir auf.
„Du bist nicht fair, Max!" presse ich hervor. „Oder wie nennst du es denn was du mit Beverly und Charlotte machst?"
„Das ... ähm ..."
„Sage jetzt ja nicht, dass ist etwas anderes! Weil es das nicht ist, Max. Das ist ebenfalls Betrügen. Sogar noch schlimmer, weil du es mit voller Absicht getan hast. Ich dagegen wusste nicht, dass Tom irgendwann wieder zurück kehren wird." unterbreche ich ihn.
Er bleibt stumm.
„Willst du wissen weshalb ich, als Tom auftauchte, nicht mit dir Schluss gemacht habe?" frage ich leise.
Max nickt.
„Weil ich es nicht konnte. Ich bin nämlich in dich, genauso wie in Tom verliebt. Ja, Max Steel, ich liebe dich genau so sehr wie ich ihn liebe. Ich kann nicht anders." füge ich noch leiser hinzu.
„Du kannst dich nicht entscheiden?" will er schließlich nach einigen Schweigeminuten wissen.
Ich nicke „Genau. Ich kann es nicht, da ich euch beide gleichermaßen liebe!"
Eine gefühlte Ewigkeit blickt er stumm aus dem Fenster. Ich sehe ihm dabei zu.
„Das ist Scheiße, Charlotte! Ich will dich nicht teilen! Der Gedanke das ..."
„Das auch er in meine Muschi darf ist unerträglich für dich." unterbreche ich ihn mit Tom's Worten. „Das hat er auch gesagt."
„Da muss ich dem Arschloch zustimmen." sagt er trocken. „Es ist unerträglich. Du gehörst zu mir! Ich will dich für mich allein haben!"
„Ich habe dich ja auch nicht für mich allein." konterte ich.
„Ich habe dir doch schon einen Antrag gemacht." versucht er es erneut.
Ich nehme ihm den Wind aus den Segeln „Das hat er auch getan."
Wütend schlägt Max mit der flachen Hand auf den Tisch. Geschirr klirrt laut und das widerum handelt uns Blicke von den Nachbartischen ein.
„Beherrsche dich!" zische ich.
Er starrt erneut nur aus dem Fenster.
„Ich brauche einfach noch etwas Zeit um mich zu entscheiden, Max! Bitte lass die mir auch!" bitte ich und will nach seinem Arm greifen, doch er entzieht ihn mir. Mit einem Mal steht er ruckartig auf, sieht auf mich hinunter und sagt „Tut mir leid, Charlotte, dass muss ich erst einmal verarbeiten."
Und weg ist er.
Betreten schlucke ich den Kloß in meinem Hals hinunter. Der Abend ist gründlich schief gelaufen.
Mist!

 

Kapitel 15

Die nächsten Tage sind die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich stehe morgens schon mit Kopfschmerzen auf, kann mich kaum auf meinen Unterricht konzentrieren und weine mich abends in den Schlaf.
Am Donnerstag ziehe ich schließlich die Reißleine und rufe Aiden an.
„Hallo Bruderherz." melde ich mich nachdem er abhebt.
Er muss schon an meiner Stimme merken das etwas nicht in Ordnung ist. „Hey. Was ist los? Brauchst du mal wieder eine Tour?" Er spielt auf eine Biketour an. Das haben wir früher schon immer getan wenn einer von uns Probleme hatte. Einfach drauf setzen, los fahren, irgendwo an der Küste Rast machen und reden.
„Du hast es erfasst. Darf ich kommen?" frage ich freundlich.
„Was für eine Frage. Klaro! Morgen?"
„Ja, sehr gern! Wenn es euch wirklich recht ist und ihr einen Trauerkloß ertragen könnt." witzel ich.
„Natürlich. Trudel einfach morgen im laufe des Tages hier ein! Mary ist da, sie hat Urlaub." erklärt Aiden.
„Urlaub? Und da seid ihr nicht weg gefahren?" will ich wissen. Komisch! Sonst nutzen die beiden Weltenbummler jeden freien Tag um die Welt zu erkunden.
„Nö. Wir haben keinen Bock. Zuhause ist es doch am schönsten." lacht er und ich kann sein Gesicht direkt vor mir sehen, aufgeschlossen und freundlich mit den süßen Grübchen an den Mundwinkeln. Ich liebe meinen Bruder! Meinen Fels in der Brandung. „Okay. Dann bin ich morgen am frühen Nachmittag bei euch. Bis dann. Liebe Grüße an Mary! Hab dich lieb!" beende ich das Gespräch.
„Und ich dich erst!" ruft er noch ehe das Handy das Ende des Gespräches mit einem Piepton anzeigt.

Am nächsten Morgen schalte ich mein Handy komplett aus und lege es in eine Schublade. Ich werde es bei Aiden nicht brauchen. Was ich aber brauche ist Ruhe. Und die bekomme ich nicht, wenn ich andauernd auf mein Handy schaue, in der Hoffnung das einer meiner Männer sich meldet.
Die kleine Reisetasche lasse ich während der Arbeitszeit im Auto. Zum Glück habe ich freitags nur eine Stunde Unterricht und somit bereits 10:30 Schluss. Normalerweise bereite ich dann immer den Unterricht für die kommende Woche vor, doch darauf verzichtete ich heute mal. Ich verabschiede mich von den Kollegen und Franzi und düse los ins Wochenende.

Auf der M20 fahre ich Richtung Kent. Knapp 2 Stunden später, es gab einem Stau, erreiche ich Dover. Dort, fast direkt am Strand wohnen Mary und Aiden in einem hübschen Häuschen in der Old Folkestone Road. Ich drücke auf die Hupe um mich bemerkbar zu machen. Gerade als ich aus dem Auto steige öffnet sich auch schon die Haustür und Mary kommt mit ausgebreiteten Armen lächelnd auf mich zu. „Charly, ist das schön dich zu sehen!" begrüßt sie mich herzlich.
„Ich bin auch sehr froh hier zu sein!" lächle ich. „Danke, dass ich kommen durfte!" Ich küsse sie links und rechts auf die Wangen.
„Aber natürlich. Sehr gern! Komm rein, komm rein!"
Ich greife nach der Reisetasche auf dem Rücksitz und schlage die Wagentür zu. Mary legt ihren Arm um mich und schiebt mich voran ins Haus. „Willkommen! Du musst mir unbedingt erzählen wie dein Start in der Arbeitswelt war!" fordert sie mich auf. „Setz dich!" Mary deutet mit der Hand ins Wohnzimmer.
Ich gehe hinein, lasse die Tasche neben den Sessel achtlos auf den Boden fallen und setze mich. Der Sessel ist herrlich bequem. Besonders nach einer längeren Autofahrt. Mary rumort in der Küche herum. Ich höre Gläser klirren. Als sie sich wieder zu mir gesellt, drückt sie mir ein Glas Mineralwasser in die Hand und nimmt mir gegenüber auf der Couch platz. Aufmunternd nickt sie mir zu.
„Also gut. Wo fange ich nur an?" überlege ich lächelnd.
„Na am besten am Anfang." lacht sie.

Mary und Aiden sind zusammen seit er 21 Jahre alt war. Sie haben sich während des Studiums in Cambridge kennengelernt. Ja, sie sind zwei helle Köpfe mein Bruder und meine Schwägerin! Genau so lange wie die beiden sich, kenne ich auch Mary. Aiden hatte sie der Familie recht schnell und mit Stolz vorgestellt. Ich mochte sie von Anfang an sehr gern! Mary ist freundlich, offen und hilfsbereit. Ein durch und durch angenehmer Mensch!

„Also der Start war gut. Wirklich gut. Die Schule ist klasse! Meine Schüler ebenfalls." schwärme ich. Als meine Gedanken zu einem bestimmten Vater einer meiner Schülerinnen driften, beginne ich wohl ziemlich dusselig zu lächeln.
„Also entweder sind deine Schüler sehr herzerwärmend oder du hast einen attraktiven Kollegen. Du bist doch verliebt." schlussfolgert sie aus meinem Gesichtsausdruck.
„Weder noch. Ach vergiss es! Ich habe nur an etwas gedacht." tue ich die Sache mit einer laxen Handbewegung ab.
„An etwas oder eher an jemanden." lacht sie erneut.
„Nein, es ist wirklich toll und ich bin auch sehr glücklich dort! Aber ich musste einfach mal raus aus London. Abschalten. Und was liegt da näher als meine fantastische Schwägerin und mein Bruderherz zu besuchen?"
„Du bist hier jederzeit willkommen, Charly! Auch wenn du demnächst auf der Couch schlafen musst wenn du uns besuchst." Mary lächelt verschwörerisch.
Was geht hier vor?
„Aha. Renoviert ihr das Gästezimmer oder ..." frage ich und sehe sie an. Und da bemerke ich es. Das Leuchten in ihren Augen, der strahlende Teint, der weite Pullover.
„Sag mal ... kann es sein ... bist du etwa ... schwanger?" stammele ich.
Mary nickt und strahlt.
Jubelnd springe ich auf und hopse auf sie zu. Sie steht ebenfalls auf damit ich sie umarmen kann.
„Mensch freu ich mich für euch! Das ist ja toll!" freue ich mich ehrlich. Tränen steigen mir in die Augen.
„Wann ist es denn soweit? Was wird es? Wisst ihr das schon?" Fragen über Fragen.
„Hilfe, nicht so stürmisch!" lacht Mary und wehrt weitere Fragen mit erhobenen Händen ab. „Es wird ein Mädchen und ich bin in der 23. Woche."
„Aha." Wir setzen uns auf die Couch. „Erzähl mir alles!" fordere ich sie auf. Überglücklich, nicht nur über diese fantastischen Neuigkeiten, sondern auch, weil ich nicht mehr der Gegenstand unseres Gespräches bin, strahle ich sie an.
Und sie erzählt und erzählt. Am Ende weiß ich alles, nur den Namen für ihr kleines Mädchen möchte sie noch nicht verraten.
Anschließend kochen wir zusammen das Abendessen. Aiden kommt nach hause gerade als wir die Penne mit Meeresfrüchten und den Salat auf den Tisch stellen.
„Hey, da komm ich ja genau richtig." ruft er.
Lächelnd gehe ich auf ihn zu und falle ihm um den Hals. Weil er mehr als einen Kopf größer ist als ich muss ich mich auf die Zehenspitzen stellen. Um es mir leichter zu machen ihn zu begrüßen, hebt er mich einfach hoch. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und drücke ihm einen dicken Kuss auf die Wange. „Bruderherz. Herzlichen Glückwunsch!" Freundschaftlich verwuschel ich ihm sein adrett gegeltes rotes Haar.
„Hey." mahnt er und versucht zu retten was zu retten ist. "Du weißt es also schon? Danke Liebes! Wie geht's dir?" lacht er jetzt.
„Mir geht's super! Besonders seit ich weiß das ich bald Tante werde." juble ich.
„Eigentlich wollten wir es der Familie erst zu Weihnachten sagen. Da wäre Marys Bauch eh unübersehbar gewesen ..."
„Doch dann komme ich euch in die Quere mit meinem plötzlichen Auftauchen." plapperte ich dazwischen. „Mary musste es mir einfach erzählen."
„Ist ja nicht schlimm. Ich hatte eh schon ein schlechtes Gewissen, weil ich dir noch nichts erzählt hatte." gibt er zu.
„Können wir dann mal endlich essen?" meldet Mary sich zu Wort. Aiden und ich setzen uns und gemeinsam genießen wir das Dinner. Es schmeckt sehr gut.
An diesem Abend wird viel gelacht und in Erinnerungen geschwelgt.
In dieser Nacht träume ich mal zur Abwechslung nicht von Tom oder Max. Zumindest am Anfang. Irgendwann schiebe ich dann doch selbst einen Kinderwagen vor mir her. Als ich voller Liebe in die Wanne hinein schaue sehe ich ein Kind, dass unverwechselbar das Kind von Tom sein muss. Erschrocken fahre ich in meinem Bett auf.
Schlaftrunken stehe ich auf, ziehe mir meinen Kimono über und gehe hinüber zum Fenster. Ich öffne es und atme tief ein. Kalte salzige Meeresluft erfüllt meine Lungen, umhüllt mich und lässt mich frosteln.
Es tut gut, einfach gut.

Nach dem Frühstück steht Aiden komplett in Motorrad Kluft im Flur und ruft „Charly, wollen wir dann mal endlich los?"
"Ich komme ja schon." lache ich und nehme ihm den zweiten Helm ab den er mir reicht. „Können wir dann mal endlich los?" ziehe ich ihn auf.
Vor dem Haus geht Aiden auf seine schwarze Honda zu. Er setzt sich und ich nehme hinter ihm platz.
Sobald der Motor aufheult umschlingen meine Arme Aidens Mitte und los geht's.
Wegen der vielen Kreisverkehre in Dover wird unsere Fahrt stark gebremst, aber als wir Stadt schließlich hinter uns lassen und die Klippe erreichen, gibt Aiden Gas. Mein langes rotes Haar weht im Wind. Wir fahren bis zum South Foreland Lighthouse. Ein kleiner weißer Leuchtturm über den Klippen.
Dort hält er an und wir steigen ab.
Gemeinsam spazieren wir zum Rand der Klippe. Das Meer peitscht weiße Schaumkronen ans Ufer. Den Wind kann man hier getrost als steife Briese bezeichnen.
Stumm stehen wir einige Minuten nebeneinander und starren aufs Meer hinaus. Bei guter Sicht, soll man von hier aus sogar bis nach Calais sehen können meint Aiden.
„So, jetzt raus mit der Sprache! Was ist los, Charly?" bricht er nach weiteren Minuten das Schweigen.
Ich sehe ihn an und weiß mit einem Blick, ich kann ihm noch immer nichts vormachen. Aiden weiß immer wie es in mir aussieht.
„Du hast recht! Ich hab ein Problem. Oder besser gesagt zwei." beginne ich.
„Das dachte ich mir." grinst er. „Probleme wobei ich dir helfen kann oder ..." er schüttelt den Kopf.
„Du brauchst nur zu zuhören und mir deinen weisen Rat geben." fordere ich.
Er nickt.
Also fahre ich fort. „Also. Da ist der Vater einer meiner Schülerinnen. Sehr sexy, umwerfende Stimme, guter S ..."
Aiden hebt die Hand „Stopp! So genau will ich es nicht wissen."
Ich muss unwillkürlich grinsen
„Okay. Also er ist toll! Einfach toll! Er heißt Max und ist verheiratet."
Aiden zieht die Augenbraue nach oben. „Okay, ich verstehe dein Problem. Du bist verknallt und er verheiratet. Er will sie nicht verlassen und dir bricht das das Herz." mutmaßt er.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Er verlässt sie zwar nicht, möchte mich aber auch nicht verlassen. Erfüllt mir jeden Wunsch und so weiter und so weiter. Max vergöttert seine Tochter und will ihr auf jeden Fall das Dasein als Scheidungskind ersparen. Aber das alles ist nicht mein Problem." Aiden hört aufmerksam zu.
„Erinnerst du dich noch an Tommy?" frage ich.
Seine Augen blitzen auf. „Nicht etwa der Tommy an den ich denke? Der, der dich hat sitzen lassen. Wegen dem du dir die Augen ausgeheult hast. Und das monatelang. Tommy Cray - das Arschloch?"
Ich nicke. „ Jup genau der. Er ist wieder da. Er war ... sagen wir mal ... ähm ... geschäftlich im Ausland." Ich drehe mich zu ihm und blicke ihm in die Augen. „Ach scheiß drauf. Ich sag's dir. Er ist beim MI6. Ich dürfte es eigentlich keinem sagen. Aber du lebst weit weg von London. Er war ja Polizist. Hat dann eine extra Ausbildung gemacht oder so und war dann für einen geheimen Auftrag in Russland. Er durfte mir nichts sagen." Aiden hört mir aufmerksam und schweigend zugehört, jetzt fragt er „Aber verabschieden hätte er sich doch wohl können, oder?"
"Er sagt, er hätte es nicht geschafft mich anzulügen. Er durfte mir ja nichts von seinem Auftrag erzählen. Für ihn war es der einfachere Weg einfach so zu verschwinden."
„Aha." Wieder die erhobene Augenbraue. „Und jetzt ist er ein Geheimagent? Ist das sicher? Glaubst du ihm? Wieso hat er es dir jetzt doch erzählt, wo es doch so ein Geheimnis ist?" will er wissen.
„Ja, es ist sicher. Wurde mir aus sicherer Quelle bestätigt." zerknirscht blicke ich zu Boden als ich an das Gespräch mit Max denke.
„Okay. Gut. Und jetzt ist er jedenfalls wieder da und will weiter machen wo er aufgehört hat bevor er weg gegangen ist?" bringt er es auf den Punkt.
„Jaaa, so in etwa." zögernd komme ich zum Kern meines Problems. „Tom will wieder mit mir zusammen sein. Für ihn waren wir nie getrennt.
Aber da ist eben noch Max. Der mich nicht aufgeben will, obwohl er Frau und Kind hat. Beide wollen mich. Ich kann mich nicht entscheiden Aiden. Ich mag sie beide! Sehr sogar."
„Ich verstehe." er legt seinen Arm um mich und geht los. Wir spazieren an der Klippe entlang. „Ich könnte dir jetzt dazu raten es auszunutzen und mit beiden eine Affäre zu haben. Aber das kann ich aus Loyalität meines Geschlechts gegenüber nicht tun. Du musst dich entscheiden, Charly! Mache eine Pro und Kontra Liste!" rät er.
Ich nicke. „Geheime Affäre wäre eh nicht möglich."
„Was ist? Wissen sie etwa von einander?" wirft er leicht entsetzt ein.
„Ja leider. Sie sind sich begegnet und waren sich nicht gerade sympathisch. Ich soll mich entscheiden, sagen sie."
Er zuckt mit den Schultern. „Kann ich verstehen! Ich würde Mary auch nicht teilen wollen! Dann bleibt dir nur die Pro und Kontra Liste."
Ich bleibe stehen und zähle mit den Fingern. „Okay. Pro für beide: sie sind sexy, süß, gutaussehend. Und beide gehören zu den besser Verdienern. Kontra für beide: sie haben gefährliche Jobs. Wobei ich stets Angst haben muss das sie ihren Arbeitstag nicht überleben. ..."
Wieder unterbricht Aiden mich. „Was ist? Was macht Max denn?"
„Ach ja. Max ist ein exklusiver Bodyguard. Für die Schönen und Reichen eben. Die, die es sich leisten können sich von ihm beschützen zu lassen."
Er rollt mit den Augen und grinst. „Du kannst Leute kennen."
Ich gehe weiter und halte zwei Finger hoch. „Pro für Max: er ist aufmerksam, romantisch, kultiviert. Kontra: er ist eifersüchtig, eitel und manchmal arrogant. Und so ernsthaft. Als wäre er sonst wie alt. Dabei ist er erst 38. Pro für Tom: er ist einfühlsam, einfallsreich, romantisch. Er kennt mich so wie kein anderer. Er bringt meine Beste Seite zum Vorschein. In seiner Nähe kann ich ganz ich selbst sein. Kontra für Tom: er ist ebenfalls eifersüchtig, impulsiv und er hat einen Hang zum unvorsichtig sein. Er ist eben Tommy, wie er schon immer war." Ich atme tief aus. „Ich mach's kurz, er ist mein Seelenverwandter." schließe ich.
„Für mich klingt das so als hättest du dich schon entschieden." grinst mein großer Bruder und lächelt auf mich hinunter. Ich boxe ihm freundschaftlich gegen den Oberarm.
„Quatsch. Du weißt ja das beste noch nicht. Den Grund für meine Miesere." flüstere ich.
Aiden sieht mich herausfordernd an.
„Was?"
„Beide haben mir einen Antrag gemacht." flüstere ich kaum hörbar.
„Wie war das bitte? Ich habe verstanden das beide dir einen Antrag gemacht hätten."
„Da hast du richtig verstanden." ernst blicke ich ihm in die Augen.
Die Luft schien mit einem Mal förmlich zu knistern.
Um die Stimmung wieder aufzulockern sagt Aiden „Wie können sie es wagen? Als erstes müssen sie doch durch meine Prüfung. Wo bleibt der förmliche Antrittsbesuch bei Dad?" lacht er. Sein Lachen ist ansteckend. Ich schlinge meine Arme um seine Taille und schmiege meine Wange an seine Brust. Das Leder seiner Jacke ist kalt. Tröstend nimmt er mich in den Arm. Mit einem mal kann ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Sie strömen mir über die Wangen.
„Scht, Kleines. Ist ja gut. Ich werde versuchen dir zu helfen. Mit meinem Rat. Weiter kann ich nichts für dich tun." versucht er mich zu trösten.
Seine warme, dunkle Stimme lullt mich ein. Schniefend wische ich mir mit dem Handrücken die Tränen weg.
„Okay. Geht schon wieder. Ich weiß einfach nicht wie ich mich entscheiden soll, Aiden. Ich liebe sie beide! Meinst du nicht, dass man zwei Menschen gleichermaßen lieben kann?"
„Als Verfechter der wahren Liebe kann ich das nicht, Charly. Es kann nicht gut gehen. Und es wäre nicht fair den beiden gegenüber. Das musst du ehrlich zugeben." dringt er in mich. „Sie scheinen dich beide zu lieben. Aber wen liebst DU mehr?"
„Ich kann es nicht, Aiden. Ich kann mich nicht entscheiden." jammere ich.
Er schüttelt den Kopf. „Das ist nicht meine kleine Charly. Die hat ihren eigenen Kopf und wusste immer was zu tun ist. Stets abgeklärt und aufgeräumt war es da oben." Er tippt mit dem Zeigefinger sanft gegen meine Stirn. „Was ist nur mit dir geschehen, dass da oben alles durch einander geraten ist?"
„Ich weiß es ja auch nicht." jammere ich weiter.
„Na als ersten, höre auf zu jammern! Das bringt dich nicht weiter und hilft niemanden." sagt er streng. „Gehe nachher am Strand spazieren, wäge die Vor- und Nachteile ab. Schlafe eine Nacht darüber. Die gute Meeresluft bläst dir vielleicht den Kopf frei. Und morgen sieht die Welt dann schon wieder anderes aus." rät er mir.
Ich schniefe „Meinst du ja? Ich habe schon so viele Stunden nachgedacht. Es ist wie zwischen Sachertorte und Schwarzwälder Kirsch wählen zu müssen. Und du weißt wie gern ich die beiden Torten esse." lache ich.
Aiden lacht „Scherzkeks. Ja das weiß ich. Aber es muss doch etwas geben was der eine hat und der andere nicht. Und darüber solltest du nachdenken. Finde diese Sache! Dabei kann dir niemand helfen."
Komisch, genau diesen Satz habe ich schon einmal gehört.
"Es geht um deine Zukunft. Wer macht dich wirklich glücklich, Charly?" schließt er.
„In Ordnung. Du hast ja recht, großer Bruder! Ich werde es versuchen." schniefe ich.
„Dann komm jetzt! Wir sollten zurück fahren. Es wird bald regnen." er deutet auf den mit grauen Wolken vergangenen Himmel. Ich nicke zustimmend und folge ihm den Weg zurück zum Leuchtturm.
Noch als wir unterwegs waren tut sich der Himmel auf und ein Wolkenbruch der einen binnen weniger Sekunden völlig durchnässt bricht über uns herein.
Kaum das wir vor Aiden's Haus anhalten, springe ich vom Bike und renne, mit den Händen meinen Kopf bedeckend hinüber zur Haustür. Sekunden später folgt auch Aiden.
Mary steckt mich nach unserer Ankunft sofort in die Badewanne und Aiden wird unter die Dusche ins Gästebad geschickt.
Das warme Wasser lockert augenblicklich meine verkrampften Muskeln. Genüsslich lege ich den Kopf auf den Wannenrand und schließe meine Augen.
Vor meinem inneren Bild erscheint Max Gesicht. Er lächelt mir freundlich zu. Plötzlich schwenkt sein Blick nach rechts und verfinstert sich. Tom taucht auf, schubst Max aus meinem Blickfeld und grinst mich frech an. „Na, entscheidest du dich mal endlich?" schreit er mit einem Mal. Erschrocken zucke ich zusammen. Ein ganzer Schwall Wasser schwappt über den Rand der Wanne.

Mein Gott! Ich werde noch verrückt! Ich muss mir wirklich endlich über meine Gefühle klar werden!

 

Kapitel 16


„Ich habe dir einen kuscheligen Pulli von mir raus gelegt. Die dünnen Fetzen die du dabei hast taugen hier an der Küste nichts. Darin wird dir hier niemals warm, Schätzchen." verkündet Mary durch die angelehnte Badezimmertür und geht lachend weiter.
Ebenfalls lachend rufe ich ihr „Danke, Mary!" hinterher. Anschließend steige ich aus der Wanne, rubbel mich trocken und schlinge mir das Handtuch um den Körper. Im Gästezimmer liegen tatsächlich ein wunderbar warm aussehender Hoodie und eine von meinen Jeans auf dem Bett. Mary übt wohl schon das Mutterdasein. Trotzdem muss ich grinsen über so eine rührende Geste.

Als ich hinunter in die Küche komme, sitzt Aiden bereits am Tisch. Sein Haar ist noch dunkel vor Feuchtigkeit. Leicht zerstrubbelt steht es in alle Richtungen.
„Da bist du ja. Willst du was essen? Es gibt Suppe." empfängt Mary mich.
Ich nicke dankbar und setze mich Aiden gegenüber an den Massivholz Esstisch. Als Mary zum Herd hinüber geht um mir etwas auf einen Teller zu füllen, beugt Aiden sich zu mir und flüstert. „Und, konntest du etwas Ordnung in dein Chaos bringen?"
Diesmal schüttle ich den Kopf. „Nein. So schnell geht das auch gar nicht. Wie gesagt, ich grüble über diesem Problem jetzt schon seit Wochen."
„Welches Problem? Kann ich helfen?"
Erschrocken fahre ich herum. Mary steht hinter mir mit einem Teller Suppe in der Hand und schaut besorgt auf mich herunter.
Mist! Sie sollte eigentlich nichts davon mitbekommen. Ich möchte nicht vor der gesamten Familie meine lächerlichen Probleme ausbreiten. Obwohl. Mary ist eine gute Freundin und vielleicht kann ihre Sicht der Dinge etwas Licht in meine düsteren Gedanken bringen?
Aiden schaut mich abwartend an. Ich nicke kaum merklich und da sagt er. „Setz dich, Liebling. Charly hat ein Männerproblem. Vielleicht kann deine unvoreingenommene, neutrale Sicht der Dinge ihr ja weiter helfen?"
Wie gut er mich dich kennt! Es ist fast so, als wären unsere Körper durch ein unsichtbares Kabel verbunden. Er weiß stets was ich denke, er weiß stets was ich fühle.
Mary stellt den Teller vor mich, legt einen silbernen Löffel daneben und setzt sich. Abwartend schaut sie mich an.
Zögernd, weil ich nicht recht weiß wie ich anfangen soll, greife ich zunächst einmal zum Löffel und koste von der dampfenden orangenfarbigen Flüssigkeit. Hm, Kürbissuppe!
„Also ... es gibt da zwei Männer ... beide sind süß und wunderbar ... sie sind großartig, jeder von ihnen auf seine Weise ... ähm ... haben interessante Jobs ... der eine ist allerdings verheiratet ... beide wollen mich für sich allein und beide wollen mich heiraten." fasse ich stammelnd meine Misere zusammen.
Marys Gesichtsausdruck nach zu schließen hat sie kein Wort verstanden. Fragend blickt sie mich an.
„Hast du gehört?" frage ich daher nach.
„Gehört schon, aber beim besten Willen nicht verstanden." gibt sie Achselzuckend zu.
Also gebe ich meine Story ein weiteres Mal zum besten. Diesmal etwas verständlicher scheint mir, denn Mary versteht nun den Sachverhalt.
Sie fragt „Und wie ist der Sex?" Aiden zieht scharf die Luft ein. „Wenn der mit einem der beiden Scheiße ist solltest du den anderen wählen."
Ich grinse und werfe einen Blick auf meinen Bruder der sein Gesicht in den Händen vergräbt. Er will ja davon gar nichts wissen. „Das hilft mir auch nicht weiter. Der Sex ist fantastisch. Mit beiden." Sicherlich grinse ich total bescheuert bis über beide Ohren. „Okay. Du bist ja wirklich total verschossen." lacht sie. „Hast du eine Liste gemacht?"
„Meinst du eine Pro- und Kontraliste? Ja, habe ich. Aiden hat mir dazu geraten." ich grinse ihn an.
„Typisch für ihn. Das hat er schon immer getan." Liebevoll greift sie nach seiner Hand und streichelt mit dem Daumen über seinen Handrücken.
„Jup." sagt er. „Das hilft mir persönlich am besten. Kannst du dich nicht für dein Studienziel entscheiden? Mach eine Liste! Weist du nicht wo du am besten deine Hochzeit feiern solltest? Mach eine Liste!" scherzt er. „Es ist am effektivsten."
„Na ja bei mir jetzt nicht gerade." grüble ich.
„Doch, ich denke schon. Nur das du die Antwort wohl nicht akzeptieren kannst oder willst." meint er geheimnisvoll.
„Du meinst ich hätte mich schon entschieden, sehe aber den Wald vor lauter Bäumen nicht? Hab ich was verpasst?" ich starre ihn verständnislos an.
„Jup, ganz genau. Für mich ist die Sache klar. Du stehst auf Tom. Das hast du doch genau genommen schon immer getan." grinst mein großer Bruder.
Er ist sich seiner Sache ziemlich  sicher. Ich habe da meine Zweifel!
„Meinst du ja? Ich denke nicht das es so einfach ist. Aber gut, ich werde deinen zweiten Rat beherzigen und jetzt ein wenig am Strand spazieren gehen." Ich stehe auf, räume meinen leeren Teller in die Spüle und gehe zur Garderobe. Aiden und Mary folgen mir. Aiden lehnt sich an den Türrahmen zur Küche und umarmt seine Frau von hinten. Verliebt kuschelt sie sich an seine Brust. „Ich drück dir die Daumen das es hilft." wünscht sie lächelnd.
Ich spaziere den kleinen Weg zum Strand hinunter. Kalter Wind peitscht mir ins Gesicht und zerzaust mir das Haar. Zumindest regnet es jetzt nicht mehr. Die Luft ist wie gewaschen und tut wirklich gut. Ich spüre wie sich meine Lungen mit salziger Meeresluft füllen. Hoch über mir kreischen Möwen. Obwohl es heute arschkalt ist ziehe ich meine Boots und Strümpfe aus und gehe barfuß durch das seichte Wasser. Mein Blick stets Richtung Wasser gerichtet wandere ich immer weiter und weiter. Seltsamerweise denke ich an gar nichts. Ich kann nicht. Nach einiger Zeit sehe ich auf und blicke mich um. Ich muss Meilenweit gelaufen sein. Die letzten Häuser in Aiden's Straße kann man in der Ferne gerade noch erkennen.
Mein Blick schweift über das Wasser. Am Horizont erkenne ich ein größeres Schiff. Wo es wohl hinfährt? Sicher nach Calais. Mein Zeh stößt gegen etwas Hartes. Es tut weh. Ich fluche und sehe auf der Suche nach dem Übeltäter auf den Boden. Direkt vor mir im feuchten Sand liegt ein mittelgroßer Stein. Ich hebe ihn auf und schleuderte ihn weit hinaus auf das Meer. Dabei fällt mein Blick erneut auf die Stelle wo er gelegen hat. Dort liegt, halb vergraben im nassen Sand eine Münze. Nachdem ich sie aufgehoben und mir genauer angesehen habe, es ist kein englisches Geld, erinnere ich mich plötzlich an ein Ammenmärchen was Grandma uns immer erzählt hat: >Findest du eine Münze. Dann hast du einen Wunsch frei.< Ich schließe meine Augen und wünsche mir - na was wohl? Natürlich, dass ich endlich eine Lösung für mein Problem finde. In Gedanken versunken gehe ich weiter. Und ganz plötzlich kommt mir die Erleuchtung. Mit einem Mal weiß ich wie ich es machen kann.
Ich lasse beide Männer gegeneinander antreten. Sie sollen um mich kämpfen. Nicht wie bei einem Duell im Mittelalter, mit Lanze und hoch zu Pferd, nein. Aber sie sollen sich ruhig etwas anstrengen, um mein Herz zu erobern. Und dem Gewinner winkt ein Preis - ich, im Brautkleid vor dem Traualtar.
Ja, so werde ich es machen!

 

Da konnte ich ja noch nicht ahnen was für eine Katastrophe ich damit auslösen würde.

 

Kapitel 17

Etwas später, ich hatte mir Socken und Schuhe wieder angezogen und war zum Haus zurück gestapft, verkünde ich voller Stolz meinem Bruder und seiner Frau meinen tollen Plan.
In Aiden's Blick liegt Skepsis, Mary scheint die Idee nicht von Grund auf zu verteufeln. „Du musst nur bedenken, dass dein schöner Plan nach hinten los gehen könnte. So wie du die beiden beschrieben hast, sind sie beide sehr impulsiv und eifersüchtig." gibt sie zu bedenken.
„Ja genau. Ich habe keine Lust dich im Krankenhaus oder sonst wo besuchen zu müssen, nur weil einer der beiden aus Eifersucht zusammen schlägt. Und aus dem Knast will ich dich auch nicht holen müssen! Wer weiß, ob du nicht mit dem einen dann doch einen Plan schmiedet um den lästigen Konkurrenten los zu werden?" scherzt Aiden.
Sauertöpfisch starre ich ihn an. Ich hoffe, dass das einer seiner Scherze ist!
„Das würde niemals passieren, Aiden. Und deine Fähigkeiten als Anwalt werden auch nicht benötigt. Das verspreche ich dir!"
„Versprich nicht was du nicht halten kannst, Schwesterherz! Denk dran, einmal hat Tommy dich schon in solch eine Situation gebracht. Nur war es damals Dad's Anwalt der dich raus geboxt hat. Ich war ja noch am Anfang meines Studiums." gibt er zu bedenken. Ich verdrehe die Augen. „Ich weiß, ich weiß." Ergebend hebe ich die Hände. Wie könnte ich es vergessen. Diese Nacht in der Zelle und der Kater dazu. Bää. Das hat mich geheilt. "Keine Sorge, dass kommt nie wieder vor." versichere ich ihm.
Damals hatten Tommy und ich etwas zu tief ins Glas, beziehungsweise in die Gläser geguckt. Haben dann, in unserem jugendlichen Leichtsinn das nächst beste Auto was uns gefiel geklaut und sind durch Londons West End gekurvt. Das ging so lange gut, bis wir beinahe einen Bobbi in der Nähe der Charing Cross Station über den Haufen gefahren haben. Unsere Fahrt endete zuerst an einer Straßenlaterne und später endgültig in der West End Central Police Station.
„Macht euch keine Sorgen! Ich werde nicht zu leiden haben, sondern die beiden sollen es. Warum, dachte ich mir, soll ich es mir so schwer machen? Warum muss ich leiden und weinen? Sollen sie sich doch Gedanken machen wer für MICH der bessere Partner ist! Sie können sich mal anstrengen." inbrünstig verteidige ich meinen Plan und ich habe auch echt ein gutes Gefühl dabei.
„In Ordnung. Wenn du meinst, dann mache es so!" lenkt Mary zögernd ein. „Schreib ihnen gleich! Teile ihnen deinen Entschluss mit."
"Das geht nicht. Ich habe mein Handy zu Hause gelassen. Ich brauchte mal absolute Ruhe."
Sie nickt „Kann ich verstehen. Hat man das Ding dabei ist man stets so abhängig."
„Ich sage es ihnen am Montag." entscheide ich.

Den Sonntag verbringe ich größtenteils mit Mary und später noch mit einem gutem Buch auf ihrer Terrasse. Am späten Nachmittag mache ich mich auf den Heimweg nach London. „Komm uns ruhig auch mal besuchen wenn du keine Probleme hast!" lacht Aiden und umarmt mich zum Abschied.
„Das werde ich tun. Versprochen! Pass mir gut auf deine Frau auf!" sage ich und umarme auch Mary. Ich streichel ihr über den Bauch. „,Und du passt gut auf meine Nichte auf, ja!"
„Ja, ja, wir passen alle auf alles und jeden auf." nörgelt Aiden. „Nun hör aber auf! Du klingt wie Tante Meggy." Ich pruste los. „Ohweia, du hast recht. Wie schrecklich!" Um den Abschied abzukürzen steige ich in mein Auto und schlage die Tür zu. „Tschüß und danke!" rufe ich noch und starte den Motor. Bevor ich um die Kurve fahre hupe ich noch einmal. Und weg bin ich.

Zu Hause angekommen kämpfe ich gegen die Neugierde an gleich an die Schublade zu stürzen und auf mein Handy zu schauen. In aller Ruhe packe ich meine Tasche aus und lasse mir nebenher Badewasser einlaufen. Ich ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus, stelle eine Maschine Wäsche an und gehe ins Bad. Entschlossen schließe ich die Tür. Nur um sie sekundenspäter ebenso entschlossen wieder zu öffnen, hinüber zu der Kommode zu gehen, dass Handy heraus zu holen und es einzuschalten.
„Ist ja nur, weil ich Musik beim baden brauche." versuche ich mir selbst einreden. Ich kann es kaum erwarten, dass es endlich hoch gefahren ist. Es beginnt zu Piepen. Es hört gar nicht mehr auf. Mit vor Erstaunen geweiteten Augen starre ich auf das Display. 62 verpasste Anrufe. Wie bitte? 45 von Tom und 17 von Max. Dazu kommen noch SMS Nachrichten. Tom: 'Wo bist du? Wieso meldest du dich nicht?'. 'Geh endlich an das beschissene Telefon!' . 'Hab ich dir irgendwas getan, dass du mich so mies behandelst?', 'Ich war bei dir und du machst nicht auf.'. Und so weiter und so weiter. Max Nachrichten sind netter formuliert. 'Süße, wo steckst du denn? Ich habe Zeit und wollte mit dir essen gehen. Melde dich!' . 'Ich mache mir langsam Sorgen! Noch immer kein Lebensteichen von dir. Wo steckst du?',  'Ich werde morgen mal vorbei kommen.' lautet seine letzte Nachricht. Das war Samstag. Ohje, sie scheinen ohne mich ja kaum atmen zu können.
„Sehr schön!" freue ich mich. Genüsslich steige ich in die warmen duftenden Schaumberge in meiner Badewanne.
Später im Bett nehme ich mein Handy erneut zur Hand. Es wird Zeit das ich mich zurück melde. 'Hallo Max. Ich war bei meinem Bruder über das Wochenende. Er hatte Geburtstag. Es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast!' Briefe ich die Wahrheit zurecht.
An Tom Texte ich 'Hey Tommy. Ich war spontan über das Wochenende mit einer Freundin verreist.' Ich habe keine Lust das er meine Familie in unsere Geschichte mit hinein zieht. Ich kenne ihn, er würde vielleicht irgendwann um Rat zu suchen Aiden und meinen Dad aufsuchen. 'Das darf ich doch wohl noch? Schließlich muss man sich ja nicht von seinem Partner abmelden. Kommunikation wird ja eh viel zu überbewertet.' Diesen Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen. Er wird stink sauer sein. Lächelnd will ich gerade das Handy weg legen, da piepst es schon wieder. Max. 'Ich bin so froh das es dir gut geht! Ich dachte schon dir sei etwas zugestoßen!' Verständnisvoll wie immer. Tommys Antwort kommt auch prompt. 'Ich bin gleich da und dann reden wir darüber warum du mich anlügst.'
Wie bitte? Ich tue bitte was?
Ich bin noch immer in empörte Selbstgespräche vertieft, da klingelt es schon an meiner Haustür. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken einfach nicht zu öffnen, doch dann entscheide ich mich dagegen. Wenn es tatsächlich Tom ist der davor steht, würde er sicherlich mit Leichtigkeit die Tür eintreten um Eintritt zu erhalten.
Noch einmal tief durchatmen.
Auf alles vorbereitet öffne ich meine Wohnungstür. Tom steht bereits davor. Wie immer ganz leicht nach vorn gebeugt mit der linken Hand in der Hosentasche blickt er mich düster an. Die typische Tom Cray Körperhaltung eben. „Was soll der Scheiß, Charly? Warum lügst du mich an?" blafft er statt eine Begrüßung.
Ich gehe sofort in Hab-acht-stellung und verschränke meine Arme vor der Brust. „Was soll das heißen? Bin ich dir in irgendeiner Weise Rechenschaft schuldig wo ich meine Wochenenden verbringe?" erwiderte ich schnippisch.
Ja, ich kann auch zickig sein.
„Ich möchte von dir wissen warum du mich anlügst und mir nicht erzählst das du bei Aiden warst?" zischt er und sieht mich herausfordernd an.
„Ich darf ja wohl mit meiner Freundin weg fahren wenn es ..." ich stocke. Woher weiß er wo ich wirklich war? „Moment. Was?" ich starre ihn an.
Tom grinst nur frech.
„Sag mal, woher weißt du das?" will ich wissen.
„Das tut nichts zur Sache. Ich will wissen seit wann du mich anlügst. Ich könnte das nicht und bin echt enttäuscht." Er klingt ja wirklich aufrichtig.
Ich bin verwundert. Aber nicht lange, dann brülle ich „Bist du jetzt enttäuscht weil ich dich nicht mit eingeladen habe mich zu begleiten oder was?"
Ungerührt, ohne mit der Wimper zu zucken schaut er mich weiterhin an. Da bemerke ich. „Sag mal, kann es sein, dass du deine dir als Polizist zustehenden Möglichkeiten ausnutzt um mich auszuspionieren?"
Tom zuckt nur kurz mit den Schultern. „Kann schon sein."
„Kann schon sein? Spinnst du! Das ist doch krank!" kreische Ich empört.
Meine armen Nachbarn! Wir liefern Ihnen hier bestes Laienschauspiel erster Güte.
Ihm scheint das auch aufzufallen. Er nimmt mich am Arm und schiebt mich voran in die Wohnung. „Charly, hat es wenigstens was gebracht das du dir in Dover den Wind um deine hübsche Nase hast wehen lassen? Hast du dich entschieden und kannst mir endlich eine positive Antwort auf meine Frage geben?" raunt Tom und sieht mir tief in die Augen. Diese Augen!
Ich seufze. Charlotte Spencer bleibe stark! Du wirfst dich ihm nicht gleich wieder an den Hals!
„Woher weißt du das er jetzt in Dover wohnt?" versuche ich das Gespräch wieder auf den richtigen Weg zu lenken.
„Das wusste ich schon lange." gibt er lax zu.
Ich ziehe die Stirn kraus. "Woher zum Teufel?"
„Lenk nicht ab, Charly!" droht er. „Hör mal Tommy, ich kann machen was ich will. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Du mir aber. Ich will wissen was dich geritten hat mir nachzuspionieren!"
„Das ist meine Sache." er bleibt stur.
Mit einem mal klopft es an der Wohnungstür. Wie automatisiert öffne ich sie und erstarrte.
„M ... Max ... was ... was machst du ... äh ... denn hier?" stammele ich. „Gerade jetzt." flüstere ich und verzweifle über diese beschissene Situation.
„Oh da ist er ja." sagt er und schiebt sich an mir vorbei in die Wohnung.
„Ähm ja, ich habe Besuch." flüstere ich und schließe die Tür. Dann lehne ich für einige Sekunden meine Stirn dagegen. Tief durchatmen Charlotte! Es wird schon werden. Sie werden sich schon nicht duellieren. Zumindest heute und hier nicht. Langsam drehe ich mich um. Da stehen meine beiden Männer und starren mich an. Der eine mit verschränkten Armen vor der Brust, der andere lauernd in seiner gewohnten Stellung.
„Hallo Max. Schön das du da bist! Tom kennst du ja bereits." versuche ich mit gespielter Freundlichkeit Konversation zu machen.
„Charlotte, ich wollte dich sehen. Ich komme her und wen finde ich hier? Ihn. Was soll das?" blafft Max und deutet mit der Hand auf Tom.
„Nun, Tom wollte mich auch sehen. Scheinbar könnt ihr zwei es kaum drei Tage ohne mich aushalten. Aber der Zeitpunkt deines Besuches ist etwas schlecht gewählt. Kann ich dich nicht morgen ..."
„Er ist hier." Ein Seitenblick auf den stummen Tom neben ihm. „Dann bleibe ich es auch!" unterbricht er mich.
„O k a y." sage ich gedehnt. „Dann bleibst du eben und wir sprechen uns aus. Eigentlich wollte ich noch eine Nacht darüber schlafen. Und ich wollte es euch beiden schonend beibringen." beginne ich meinen Plan zu erläutern. „Aber wo ihr nun mal hier seid ..."
„Wieso bist du nicht an das Telefon gegangen?" unterbricht Max mich. „Ich hatte es nicht bei mir. Ich brauchte mal Abstand. Also wie gesagt, ich habe einen Plan." Abwartend sehen mich beide an. Ich kann ihnen doch jetzt nicht einfach so ins Gesicht knallen, kämpft um mich, duelliert euch für mich. Oder doch? Ich mache auf Eliza Doolitle und steh für mich selbst und meine Gefühle ein. Um jeden Preis. „Ich kann mich nicht entscheiden. Ihr seid beide so toll! Warum soll ich auch einfach so wählen? Ihr wollt mich? Dann strengt euch mal an! Beweist mir wer der Bessere ist und kämpft um mich!"
So, nun ist es raus.
Tom schnaubt „Du willst das wir uns für dich duellieren?"
„Ihr müsst euch ja nicht im Morgengrauen am Themseufer treffen und mit uralt Pistolen auf einander los gehen. Aber ... seid doch mal kreativ!"
„Kreativ?" flüstert Max.
„Ja. Ihr wisst doch was ich mag. Denkt euch was aus! Überrascht mich!"
„Duell klingt ganz gut für mich! Dem Kerl hier will das MI6 schon lange eins rein würgen." raunt Tom hämisch grinsend. „Dann kann ich das übernehmen und bekomme dafür auch noch dich als Preis."
„Wie bitte?" quieke ich. „Ihr sollt euch doch nicht verletzen!"
Die Stimmung ist mit einem Mal elektrisch geladen, sie knistert förmlich. Ich habe das Gefühl eine Lawine los getreten zu haben. Hilflos muss ich mit ansehen wie sie sich verselbstständigt. Tom's Augen funkeln gefährlich. „Ich kämpfe. Mit allen Mitteln."
„Mit allen Mitteln." stimmt ihm auch Max zu.
„Ähm Jungs ..." versuche ich zu ihnen durch zu dringen. „Aber mit fairen Mitteln. Keine Waffen! Ich will das niemand verletzt wird. Es sollte ja mehr ein Scherz sein." Doch die Geister die ich rief ließen sich nicht mehr aufhalten. Das läuft hier gründlich schief. Mary hatte mich gewarnt.
Tom tigert im Flur auf und ab „Wie ich dich kenne, Steel, hast du sie schon verwanzt oder?" raunt er und sieht seinen Kontrahenten lauernd an.
Verwanzt. Wie bitte? „Was ist los?" werfe ich verwirrt ein.
„Ach tu doch nicht so scheinheilig. Ihr Agenten seid da ja auch ganz schnell." kontert Max gehässig.
Tom betastete den Rahmen des großen Spiegels über dem Sideboard. „Wo sind sie?"
„Du weißt genau wo sie sind, Wichser!" blafft Max.
Solch eine Ausdrucksweise bin ich gar nicht gewöhnt von ihm.
„Na gut." zischt Tom. „GPS?"
Max nickt. „Mit allen Mitteln?" fragt er.
„Mit allen verfickten Mitteln." antwortet Tom.
Was geht denn hier ab? Sprachlos schaue ich den beiden zu.
„Du hast keine Chance, Steel. Sie gehört zu mir!"
„Wer's glaubt. Sie wird sich für den richtigen entscheiden."
„Hallo! SIE steht hier und kann euch ganz genau verstehen." schreie ich. Die beiden führen sich auf wie Hähne im Streit um den höchsten Misthaufen.
„Charlotte, du willst das wir um dich kämpfen. In Ordnung! Dann lass es uns aber auch auf unsere Weise tun. So wie wir es am besten können." Die letzten Worte presst Max nur noch zwischen den Zähne hindurch.
„Genau. Am Ende wird einer übrig sein und der bekommt dann dich." meint Tom.
„Hört ihr euch auch mal zu?" keife ich. Doch es ist zwecklos. Tom greift nach meinem Handy was auf dem Sideboard lag und nimmt es mit geübten Griffen komplett auseinander. Ich will schon etwas sagen, lasse es dann jedoch sein. Er scheint gefunden zu haben was er gesucht hat, baut es wieder zusammen und kommt auf mich zu. Mit zwei Schritten steht er vor mir, schlingt seinen Arm um mich und drückt mich an sich. Seine Lippen pressen sich hart und fordernd auf meine. Er will Max provozieren, ganz klar! Mit einem Mal wird er von mir weg gezerrt und Max schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht.
Ich schreie auf als Tom sich wehrt und nun Max eine verpasst.
Das war ja klar. Ich blöde Kuh hab es ja nicht anders gewollt.
Entschlossen gehe ich dazwischen und zerre an Max Arm. „Hört sofort auf damit!" befehle ich streng. Es funktioniert. Max lässt von Tom ab. Dieser reißt sich auch zusammen und beide stehen schwer atmend neben mir. Der eine links, der andere rechts. „Ihr benehmt euch wie zwei ... wie pubertierende 16 jährige. Ihr solltet wie erwachsene Männer handeln und mir imponieren und nicht auf einander los gehen! Ich möchte nicht den einen beerdigen und den anderen heiraten. Ich liebe euch beide! Also gebt euch gefälligst Mühe! Sagen wir ein Viertel Jahr, dann entscheide ich mich. So lange habt ihr Gelegenheit mir zu imponieren." stelle ich hier die Regeln klar.
Beide haben mir stumm zugehört. Ich sehe sie beide durch den Spiegel vor mir an. Tom presst die blutigen Lippen zusammen, nickt und sieht mich ernst an. Max wischt sich das Blut von der Wange und nickt ebenfalls. Ich selbst sehe zufrieden mit mir selbst mein Ebenbild im Spiegel an. Eine selbstbewusste Frau die sich nimmt was ihr verdammt nochmal zusteht lächelt mir entgegen. Ewigkeiten waren wir Frauen es die zurückstecken mussten. Warum nicht also auch mal feministisch sein? Und wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir, wie die beiden sich für mich aufreiben!
Ich weiß, dass klingt alles krank. Aber eine Dreiecksbeziehung ist es ja auch irgendwie. Da muss eine Entscheidung her!

 

Kapitel 18

Zuerst einmal muss ich die beiden trennen.
Ich schiebe Max energisch in mein kleines Wohnzimmer und Tom in mein Schlafzimmer.
Vom Flur aus rufe ich laut genug damit beide mich hören können. „Setzt euch und wartet mal kurz!"
Anschließend gehe ich ins Bad und schnappe ich mir zwei Gästehandtücher, tränke sie in warmes Wasser und kehre als erstes ins Wohnzimmer zurück.
„Ich mach das kurz sauber." sage ich und deute auf den Cut an Max Wange. Er nickt.
Ich gehe vor ihm in die Hocke und beginne vorsichtig das Blut abzuwischen. Das hellgrüne Handtuch verfärbt sich sofort in ein schmutziges rot braunes Etwas.
„Soll ich ein Pflaster drauf tun?" Max schüttelt den Kopf „Was ich aber bräuchte wäre eine Antwort, Charlotte. Ist es dir wirklich ernst damit?"
Ich nicke „Ja. Ich kann mich nicht einfach so entscheiden, Max. Ihr seid beide perfekt. Ich liebe dich! Aber ich liebe eben auch ihn." Ich deute mit dem Kopf auf die Wand die diesen Raum von meinem Schlafzimmer trennt. „Ich kenne dich noch nicht gut genug um mich für ein endgültiges Leben mit DIR zu entscheiden. Tom kenne ich bereits mein halbes Leben lang."
„Na toll." murmelt Max.
Ich lächle ihn an. „Aber hey, du hast jetzt drei Monate die Chance mich von dir zu überzeugen."
„In Ordnung. Ich versuche es. Aber ich werde mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen den da drüben auszustechen." Sein Blick ist dunkel.
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und nicke. „Ich weiß. Und Tom wird ebenfalls alles versuchen. Aber du musst mir etwas versprechen Max!"
„Was denn?" fragt er und besieht sich seinen aufgeplatzten Handrücken.
„Das ihr euch nicht Gefahr bringt und euch gegenseitig verletzt!"
Er schnaubt abfällig. „Sie fordert uns heraus um sie zu kämpfen, will aber nicht das wir uns verletzen." Er schüttelt den Kopf. „Charlotte wir sind beides Männer die freien Zugriff zu Waffen haben. Und vor allem wissen wir damit umzugehen. Es wird nicht nur fair ablaufen. War dir das nicht bewusst als du diesen tollen Plan geschmiedet hast?"
Langsam dämmert es mir was für eine Katastrophe ich hier verzapft habe.
Ich schlucke und schüttle stumm den Kopf." Da war ich wohl ziemlich naiv. " urteile ich zerknirscht über mich selbst und sehe beschämt zu Boden.
Er hebt mit einer Hand mein Kinn, so dass ich gezwungen bin ihn anzusehen. „Nur weil ich dich wirklich liebe lasse ich mich darauf ein, Charlotte! Ich versuche den Platz in deinem Herzen zu erobern. Damit du mir ganz allein gehörst. Und ich verspreche dir noch etwas ... wenn du dich dann für mich entscheidest ... verlasse ich Beverly ... und Charlotte." Er stockt , sieht von seinen Händen auf und blickt mir mit festem Blick direkt ins Gesicht.
Er will das wirklich machen, das sehe ich. „Aber Max ... du liebst doch deine Tochter?" stammele ich.
„Aber dich liebe ich noch mehr! Charly wird drüber hinweg kommen. Sie ist ein vernünftiges Mädchen."
„Oh Max." ich falle ihm um den Hals und küsse ihn. Stürmisch und intensiv. Er zieht scharf die Luft ein als ich mit der Hand an seine verletzte Wange komme. „Oh Verzeihung!" entschuldige ich mich.
„Alles gut." sagt er in meinem Mund. „Küss mich!"
Und das tun wir bis sich jemand hinter uns laut räuspert. „Braucht ihr noch lange?"
Erschrocken fahren wir auseinander. „Ach der ist ja auch noch da." zischt Max leise.
„Wenn du auch ein paar deiner wertvollen Minuten für mich opfern könntest. ..." mault Tom.
„Klar doch." ich komme auf die Beine. „Entschuldige bitte." Ich greife nach dem zweiten, sauberen Handtuch und folge Tom, der schon wieder den Raum verlassen hat. „Entschuldige Max." rufe ich über die Schulter.
„Du entschuldigst dich immer noch gern, was Charly!" grinst Tom mich frech an als ich das Schlafzimmer betrete.
„Also ich ..." will ich mich rechtfertigen. Doch Tom kommt auf mich zu, nimmt mich in den Arm und küsst mich. Ich schmecke den eisenhaltigen Geschmack seines Blutes. Mir schaudert es.
Tom zieht den Kopf zurück. „Oh sorry. Ich sollte mich wohl erst waschen." er greift nach dem Handtuch um sich sein Gesicht zu säubern. „Ich mach das schon." erwidere ich und nehme ihm das Handtuch wieder aus der Hand.
Zuerst wische ich mir mit dem kalten Tuch über den Mund, anschließend tupfe ich sanft mit einem Zipfel an seinem Mund herum.
Tom grinst. „Ich bin nicht aus Watte, Charly."
Trotzdem tupfe ich weiter bis sein Gesicht wieder makellos ist. Na ja, zumindest ist da kein Blut mehr. „Komm her!" raunt er, zieht mich an sich und küsst mich erneut. Diesmal überkommt mich kein Ekel. Ganz im Gegenteil.
„Du willst das echt durchziehen?" fragt Tommy als wir nebeneinander auf meinem Bett sitzen. „Du weißt doch insgeheim bereits wer gewinnen wird." Wieder dieses freche, überhebliche, typische Tommy Grinsen.
„Nein, ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich kann mich nicht entscheiden. Ich liebe dich, Tommy! Aber eben auch ihn." Diesmal deute ich mit der Hand auf die Wand zum angrenzenden Zimmer.
„Wir beide kennen uns schon ewig, ich muss ihm wenigstens auch die Chance geben mich genauer kennen zu lernen und mich von ihm zu überzeugen." lamentiere ich.
Er rollt mit den Augen „Zeitverschwendung. Du gehörst zu mir! Und das weißt du auch. Okay, ich war einige Zeit weg, du hast jemanden gebraucht, er war da. War eine kurze Abwechslung. Aber nun ist es gut. Gibt dem da den Laufpass und komm zu mir, Charly!" fordert er selbstbewusst. Ich schüttle den Kopf. „Nein, wir machen es so wie ich entschieden habe! Passt es dir nicht - kannst du gerne gehen."
„Ich soll gehen? Das meinst du nicht ernst!"
„Es steht dir frei. Wenn du nicht nach meinen Regeln spielen willst." Ich zucke mit den Schultern.
Mein Schmollmund und mein cooles Auftreten sind gespielt. Im ernst habe ich eine scheißangst davor das er einfach gehen könnte. Ich bin verrückt nach Tom! Doch er geht natürlich nicht. Mit „Max ist dabei." gebe ich ihm den Rest. „Ich natürlich auch! Das würde dem Wichser gefallen, dass ich einfach verschwinde. Ich werde ebenfalls kämpfen."
Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken.
Tom bemerkt es natürlich. „Ja das gefällt dir, du verdorbenes Stück. Das zwei Männer sich wegen dir gegenseitig an die Gurgel gehen." raunt er dunkel. „Macht dich das scharf ja?"
Er trifft mal wieder voll ins Schwarze. Ich schlucke.
„Brauchst es nicht zu zugeben. Ich weiß eh das es so ist! Ihr seid alle gleich." Tom lässt ein heiseres Lachen erklingen.
„Bin ich so leicht zu durchschauen?" flüstere ich. „Nicht nur du. Alle Frauen."
„Ich denke das es eher daran liegt, dass du ein selbstverliebter, arroganter Macho bist! Und du deshalb stets denkst alle Frauen liegen dir zu Füßen und du könntest sie alle durchschauen." konterte ich und verschränke schmollend die Arme vor der Brust.
„Das denke ich nicht nur - ich weiß es! Es ist immer das gleiche." lässig zuckt er mit den Schultern.
„Weil du ja schon so viel Erfahrung gesammelt hast." brummte ich. Herausfordernd sehe ich ihm entgegen. Plötzlich bekommt meine Fassade Kratzer. „Oder hast du ... als wir ... als du diese ... als du in Russland warst?" stammele ich.
„Beruhig dich, Babe! Ich hab genug Erfahrungen gesammelt in meinem Leben. Aber nicht in der Zeit unserer Trennung." lacht er. „Es gab schließlich noch eine Zeit vor dir."
„Da war ich gerade mal 18." sage ich und starre ihn an.
„Na und? Ich war 26." Tom zuckt die Schulter.
„Stimmt auch wieder." leuchtet es mir ein.
„Okay, Charly, ich will dich für mich allein haben, deshalb werde ich mitmachen! Ich werde mir schon was einfallen lassen." grinst er. „Ich kenne dich genau. Im Gegensatz zu dem da drüben." Er deutet mit einem Nicken Richtung Wand." Aber er soll auch seine Chance haben." Tom nimmt meine Hände in seine. „Aber ich werde nicht nur mit fairen Mitteln kämpfen, Charly. Das muss dir klar sein."
„Das habe ich heute schon einmal gehört." murmle ich.
„Wenn dir das nicht passt, hättest du dir vielleicht zwei andere Kandidaten für dein Spiel aussuchen sollen." scherzt er. „Ich wird mein bestes geben, Babe! Für dich." Und dann küsst er mich als wäre es das erste mal.
„Ich mach uns dann mal Tee." Versuche ich die Stimmung aufzuheitern. „Lass mal, Babe. Ich geh lieber." meint Tom, steht auf, zieht mich an sich und küsst mich ein letztes mal.
Bevor er aus der Wohnungstür verschwindet wirft er Max noch einen vernichtenden Blick zu. Die Tür knallt ins Schloss.
Überrumpelt drehe ich mich zu Max um. „Möchtest du?"
„Tee? Nein danke. Ich muss nachdenken und hab noch was vorzubereiten ... ein neuer Auftrag." erklärt er und verabschiedet sich ebenfalls mit einem Kuss.
Na ja ist auch besser so. Der Gedanke bei verkrampfter Stimmung schweigend zwischen beiden Männern beim Tee zu sitzen lässt mich erschaudern.

 

Kapitel 19

Tom

 

Ich bin echt geplättet! Das meine brave Charlotte zu solch einer Idee überhaupt fähig ist. Sonst so brav und angepasst beginnt sie plötzlich aufmüpfig, stark und selbstbewusst zu sein. Das gefällt mir! Ich spiele ihr Spiel gern mit! Wenn das ihr Selbstvertrauen stärkt, umso besser! Leider ist auch noch dieser Wichser von Securityheini mit von der Partie. Selbst meinen Kollegen von der Met ging er schon auf die Nerven. Der Fall von dem Mafiaboss den die SO1 einkassieren wollte, den er aber gut abgeschirmt außer Landes gebracht hat, ist mir noch gut im Gedächtnis. Dieser kleine Pisser!
Alles was Charlotte dazu bringt endlich mal etwas lockerer zu werden ist okay für mich. Ich werde mit dem schon fertig werden! Ich kann mir ja Verstärkung holen. Das bringt mich auf den Gedanken mir ein Team zusammen zu stellen.
Kaum sitze ich im Wagen wähle ich die Nummer von Gibson.
„Hey, Gibs! Ich hätte da einen Auftrag für dich." melde ich mich sobald er abnimmt.
„Hey Cray, ich höre. Worum geht's?"
„Is ein neuer Fall. Zwei Zielpersonen. Weiblich und männlich. Über die Frau weiß ich schon einiges, da brauche ich nur Überwachung mit allem Drum und dran. Wann geht sie zur Arbeit. Wohin danach. Wo geht sie joggen. Beste Freundinnen und so weiter. Bei dem Mann brauche ich alles. Familie, Geburtstag, Arbeit, Wohnort, Einkommen, Hobbies und so was. Dazu will ich das sein Auto und die Wohnung verwanzt wird!" befehle ich.
„Verstanden. Bis wann brauchst du es?" fragt Gibson.
„Am besten sofort. Danke!" ich lege auf. Ich werfe einen Blick hoch zu Charlottes Balkon im dritten Stock. „Ja, Babe. Ich kämpfe um dich. Du wirst dich so Hals über Kopf in mich verlieben das der Pisser keinen einzigen Gedanken mehr in deinem hübschen Köpfchen beansprucht." denke ich drehe den Zündschlüssel um und gebe Gas.

 

Max

 

Kaum bin ich zu Hause verschwinde ich ohne ein Wort des Grußes in meinem Arbeitszimmer. An meinem Schreibtisch drücke ich auf den Play-Knopf der Abhöranlage. Meine Non Stop Verbindung zu Charlottes Wohnung. Ich muss einfach wissen was sie gerade macht. War ja klar das der Trottel vom SIS mich durchschaut. Aber sie scheint es nicht gerafft zu haben das ich ihre Wohnung verwanzt habe. Gut so! Leise höre ich ihre Stimme durch den Lautsprecher. Sie singt. Sicher kocht sie was oder sie ist der Typ Frau der unter der Dusche singt. Ich lasse den Lautsprecher an und wende mich dem Bücherregal rechts neben mir zu. Ich ziehe Krieg und Frieden heraus, dahinter befindet sich ein kleines Tastenfeld. Nachdem ich den fünfstelligen Code eingegeben habe schiebt sich das gesamte Regal nach links zur Seite weg und mein absoluter Lieblingsraum in diesem Haus öffnet sich. Ich weiß, dass ich gerade dümmlich stolz grinse. Meine Waffenkammer, mein Refugium, mein Heiligstes!
Beverly würde ausflippen wenn sie wüsste das es ihn gibt. Sie ist eine waschechte Pazifistin. Da hat sie sich gerade den richtigen Ehemann ausgesucht, ich weiß. Aber wo die Liebe hinfällt ...
Ich stecke mir meine Walther PPK ins Holster. „Du wirst jetzt mein ständiger Begleiter so lange dieses Spiel läuft. Man weiß ja nie." murmle ich um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Ich hatte Beverly immer versprochen, dass Charlotte mich niemals mit einer Waffe zu sehen bekommt. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Die Typen vom Geheimdienst sind mit allen Wasser gewaschen. Denen fällt es leicht eine Leiche legal verschwinden zu lassen. Mit einem mal höre ich Charlottes Stimme aus dem Lautsprecher deutlicher. Mein Handy meldet sich zudem mit der Mitteilung, dass Charlotte Spencer einen Anruf tätigt. Sie ruft ihren Bruder an. Aiden Spencer Old Folkestone Road 132, Dover, CT17 9JQ .
Gespannt gehe ich zum Schreibtisch zurück und setze mich auf deren Kante. Ich aktiviere den Telefonabhörmodus in meinem Smartphon und lausche.
„Hi Schwesterchen." meldet sich eine junge männliche Stimme. „Bist du gut zu Hause angekommen?"
„Hi Aiden. Ja schon. Aber ich hatte in den letzten Stunden echt Aktion." beginnt Charlotte zu berichten. Und ich höre noch einmal diese Abstrusität ihres Plans.
„Oh Charly. Du hast das echt durchgezogen? Scheiße!" Man kann förmlich hören wie ihr Bruder sich die Haare rauft.
„Wieso? Ich hatte euch doch erklärt das ich mich nur so werde entscheiden können. Die sind beide so toll!" jammert sie.
„Bitte nicht, Charly, nicht jammern! Du weißt doch, dass hilft dir nicht weiter." Der Mann gefällt mir! „Wie haben sie es denn aufgenommen?" will er weiter wissen.
„Nun ja. Sie haben sich zum Glück nur kurz geschlagen." gibt sie zerknirscht zu.
„Das ist genau das was ich befürchtet habe. Habe ich es dir nicht gesagt? Du kannst doch nicht zwei Männer die es gewohnt sind mit Waffengewalt ihr Ziel zu erreichen auffordern um dich zu kämpfen. Ich wäre da ein geeigneter Kandidat. Juristen sind besonnener."
„Ha ha." sagt sie trocken. „Nun ist es aber so. Also meckere nicht!"
Sie macht jetzt bestimmt gerade ihren Schmollmund. Dabei sieht sie so umwerfend sexy aus. Ich lächle.
„Du musst noch einiges lernen, Schwesterchen. Und ich bin nicht da um auf dich aufzupassen. Dann kannst du jetzt nur hoffen, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen. Dann stehst du nämlich ganz ohne Mann da." Er lacht ins Telefon. „Ich hoffe für dich, dass es das alles wirklich wert ist! Die wahre einzige richtige Liebe gibt es nur einmal, Charly. Bist du dir vollkommen sicher das es einer von denen ist?"
Sehr besonnen und reif, der Mann. Er gefällt mir immer besser!
„Oh ja, Aiden das weiß ich. Ich bin mir ganz sicher das es einer von ihnen ist! Tommy kenne ich schon so lange. Uns verbindet ja nicht nur die Freundschaft. Du weißt ja das ich mit ihm mein erstes..."
„Stopp! Nichts für die Ohren großer Brüder." unterbricht er sie. Ich kann ihn verstehen.
Sie kichert. „Ja, jedenfalls sind wir mehr als Freunde."
„Ja ja, du bist ihm ja schon immer hinterher gelaufen. Mom meint sogar du bist ihm hörig. Damit steht sie übrigens nicht alleine da, Charly. So einige unserer alten Freunde sind der selben Ansicht. Kannst du dich an Dick erinnern?"
„Dick, die Ratte?"
„Jup. Der hatte ja auch ein Auge auf dich geworfen, doch du hast ihn immer links liegen lassen. Nur Augen für Tommy hattest du. Da war Dick echt angepisst. Der wollte Tommy eine aufs Maul hauen. Aber der war ihm schon damals körperlich überlegen. Dick hat ganz schön einstecken müssen. Wenn man es sich genau überlegt, hat sich Tommy da schon für dich geprügelt. Und ihr wart nicht einmal zusammen. Und wie eifersüchtig du auf jedes Mädel warst das er abgeschleppt hat. Das hat erst aufgehört als du ihn endlich hattest." plaudert er hier Charlys dunkelste Geheimnisse aus. Er weiß ja nicht das ich lausche. Sicherlich würde Charlotte wollen das ich das niemals erfahre.
„Und wenn es so wäre ... Scheiß drauf! Dick war echt ne Ratte. Wer will schon was von dem?" rechtfertigt sie ihre Jugendsünden.
„Klar doch. Und Franky, Martin und Luis ebenfalls." wieder lacht er. Charlotte schnauft. „Wenn du nicht sofort aufhörst, lege ich auf." droht sie.
„Schon gut." er lacht noch immer. „Dir scheint es ja wirklich ernst zu sein mit dieser Sache! Okay. Dann wünsche ich dir das alles glatt läuft und du deinen Traummann auswählen kannst! Wir sind für dich da, falls es doch schief geht."
„Das ist lieb von euch!"
„Aber bring deine Schießwütigen Freunde nicht auf unsere Fährte! Denk dran, wir erwarten Nachwuchs! Mary kann keine Aufregung gebrauchen." warnt er sie.
Also ich werde nicht vor deren Tür stehen. Jedenfalls nicht bevor sie mich ihnen offiziell als ihren Mann vorstellen möchte. Für den anderen Typen kann ich natürlich nicht sprechen.
„Ich wollte dich nur kurz auf den neuesten Stand bringen. Ich hab dich lieb, Bruderherz!"
„Ich dich auch! Pass auf dich auf!" und sie beenden ihr Gespräch. Ich lege mein Smartphon weg.
Das Gespräch war interessant! Charly ist dem Wichser also hörig. Hm, das dürfte schwierig werden. Ich muss sie vollkommen umhauen mit meinem Charme, meinem Witz und im Bett.
Sie wollte vorhin Tee trinken. Da fällt mir das Asia House am Oxford Circus ein. Luxuriös, intim und sau lecker. Ich rufe gleich dort an und reserviere einen Tisch für morgen Nachmittag. Charlotte muss morgen nur bis 15:30 arbeiten. Das hatte ich bereits heraus gefunden als sie mir zum ersten Mal ins Auge gefallen ist. Ich hole sie direkt von der Schule ab. Das erste Date wärend des Spiels muss ich mir unbedingt sichern!
'Hi Süße! Ich will dich morgen entführen. Hole dich um 15:30 von der Schule ab. I love you!' texte ich ihr.
Ich höre das eintreffen meiner Nachricht auf ihrem Handy. Schritte. Dann kommt eine Nachricht zurück 'In Ordnung. Bin gespannt und freue mich!'
Kein "Ich liebe dich ebenfalls". Nun ja, sie wird sich jetzt hüten uns diese magischen Worte zu sagen. Das dauert wohl noch etwas.
„Daddy!" schreit es plötzlich aus dem Haus.
Ich zucke zusammen, sehe auf die Uhr. Scheiße, so spät schon! Es ist Zeit für Charlys Gute Nacht Geschichte. Schweigend verschließe ich mein Geheimzimmer, stelle den Lautsprecher aus und verlasse den Raum.
„DADDY komm endlich!"

 

Charlotte

 

Es tut gut nach diesem chaotischen Wochenende wieder in mein geregeltes Leben zurück zu kehren und diese lieben Kinder zu unterrichten. Dennoch freue ich mich auf heute Nachmittag! Während die Kinder später ihr Mittagessen zu sich nehmen haben Franzi und ich Zeit uns mal wieder auszutauschen. „Ich muss dich unbedingt auf den neuesten Stand bringen!" sage ich und ziehe sie zu einem abgelegenen Tisch im Lehrerzimmer. Hier sind wir ungestört. "Ich habe einen Weg gefunden mich aus der verfahrenen Kiste mit Max und Tom raus zu mogeln."
„Erzähl!" fordert sie aufgeregt. Und ich berichte ihr ausführlich von allen Vorkommnissen der letzten Tage.
„Was? Das hast du echt getan?" sie starrt mich freudestrahlend an. „Das sieht dir gar nicht ähnlich, Süße. Klasse! Endlich traust du dich mal was!"
„Du findest also es war eine gute Idee?" frage ich. Ich kann kaum glauben, dass meine Idee auch Fans haben könnte. „Die beiden sind nicht so glücklich damit."
„Natürlich nicht. Sie müssen sich ja auch mal anstrengen um bei einer Frau zu landen." lacht sie. „Sicher sind ihnen die Frauen bisher nur so in die Arme geflogen." Da muss ich auch lachen. „Okay, so werde ich es von jetzt an auch betrachten. Drei Monate. Das werden wir schon überleben."

Als ich um Punkt 15:30 über den Schulhof zu den Parkplätzen gehe, steht Max bereits an seinen schwarzen Chevrolet gelehnt da und wartet auf mich. „Hallo Süße! Komm her!" er greift nach meinen Händen und zieht mich an sich. Sofort treffen sich unsere Lippen. Heiß und intensiv.
„Hey. Heb dir noch was für den Abend auf." lächle ich und schiebe ihn etwas von mir weg.
„Wie du meinst, Süße. Steig ein!" raunt er.

 

Tom

 

Okay, der Wichser war schneller, aber dafür habe ich heute Abend freie Bahn um Charlys Wohnung zu präparieren. Ich hole Gibson in seinem Büro ab, hole aus dem Lager die benötigten Sachen und anschließend fahr ich mit ihm zu Charlys Wohnung in Notting Hill. „Hübsches Häuschen. Dritter Stock?" bemerkt Gibs.
„Jup. Du kümmerst dich um die Wanzen und ich um die Kameras." ordne ich an.
„Verstanden."
„Miss Spencer steht auch für andere im Focus. Es kann also sein das schon ein paar Abhörgeräte versteckt sind. Nur falls du welche finden solltest." erkläre ich.
„In Ordnung. Soll ich die dann entfernen?"
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das würde uns bei ihm nur verraten."
„Ihm?" Gibs runzelte die Stirn. „Was hat sie eigentlich verbrochen das wir sie beschatten?"
„Ähm ... Geheimsache." tu ich es ab. „Los geht's!" Ich steige aus und werfe die Wagentür zu. Gibson macht es mir nach. In der Hand trägt er den Koffer mit den Gadgets.
Unauffällig öffne ich die Haustür mit einem Dietrich. Im dritten Stock verfahre ich ebenso an Charlys Wohnungstür. Wie simpel es ist bei jemanden einzusteigen. Schweigend bedeute ich Gibs ebenfalls zu schweigen während wir in der Wohnung sind. Feind hört mit. Nehme ich jedenfalls an. Ich bin ja auch hier um das selbe zu tun. Gibs nickt und schweigend betreten wir Charlys Wohnung.
Zielsicher steuert er auf den großen Spiegel im Flur zu. Er tastet ihn rundherum ab, dreht sich zu mir und deutet mir mit erhobenen Daumen das hier bereits eine Wanze ist. Dennoch holt er aus dem Koffer eine von uns und platziert sie am oberen Rand. Ich gehe Richtung Schlafzimmer, nehme den Stuhl aus dem Flur mit und stelle ihn im Zimmer direkt unter die Deckenlampe. Mit geübten Griff ziehe ich eine Mikrokamera aus meiner Jackentasche und befestige sie unter der Lampe am Schirm.
Den Stuhl stelle ich anschließend an genau den selben Ort zurück wo ich ihn her habe. Aus dem Augenwinkel beobachte ich Gibson der sich gerade im Schlafzimmer an den Vorhängen zu schaffen macht. Ich hoffe so sehr niemals etwas was ich eigentlich nicht hören möchte von dieser Wanze zu hören zu bekommen, sonst garantiere ich für gar nichts!
Im Wohnzimmer werfe ich einen Blick in ihr Bücherregal. Die meisten von ihren Büchern kenne ich. Stolz und Vorurteil, Jane Eyre, Abbitte, Buddenbrooks, Das Parfüm und so weiter und so weiter. Und natürlich steht dort auch Sturmhöhe. Unser Buch. Ich nehme es aus dem Regal. Es ist total zerlesen. Wie oft sie es wohl gelesen hat als ich weg war?
Sie ist gerade bei Cathys Todeskampf. Ihr Heathcliff weicht ihr nicht von der Seite. Im Gegensatz zu mir. Dennoch,
sie ist meine Cathy und ich ihr Heathcliff. Unsere Seelen sind gleich. Woraus auch immer sie beschaffen sein mögen. Aber ich schweife ab.
Seit ich sie damals verlassen habe sind noch viele Bücher hinzu gekommen. Gibt sie ihr Geld eigentlich auch für was anderes aus als für Bücher?
Später, bei einem Blick in ihren Kleiderschrank erhalte ich die Antwort. Er ist bis obenhin voll mit Kleidung. „Sie hat sich doch früher nicht so viel aus Mode gemacht." überlege ich. Charly hat sich ganz schön verändert in den letzten 1 ½ Jahren.
Eine halbe Stunde, mehr brauchen wir nicht um Charlottes Wohnung komplett unter unsere Überwachung zu stellen.
Im Auto stellt Gibson mich gleich zur Rede. Er hatte auf einem Regal ein Foto von Charly und mir zusammen entdeckt. „Was ist das? Du kennst die Zielperson privat? Bist du sicher das du den Fall dann bearbeiten solltest?" Er schaut aus dem Autofenster. „Ich mein ja nur, wegen Befangenheit oder so."
„Oh, glaub mir, ich bin der einzig richtige für diesen Job." grinse ich und starte den Motor. Mit einem Kickstart parke ich aus.
„War sie deine Freundin?" er lässt nicht locker.
„Jup."
Ich hoffe das damit alles geklärt ist. Ist es aber natürlich nicht. Wenn ich will das Gibs mir hilft, muss ich ihm wohl mehr erzählen.
„Okay ich sag's dir ... aber es bleibt unter uns ... also die Aktion ... diese Geheimaktion, meine ich." Was ist nur mit mir? Werde ich jetzt nervös oder was? Ich versuche einen neuen Anlauf. „Also, Charlotte ist meine Freundin ... ähm ... nur ist es gerade so das ... sie macht da gerade so ein blödes Spiel mit mir ... mit uns ..."
„Oh Gott Cray, hör auf zu stammeln!"
„In Ordnung. Also es gibt sie und mich und nen anderen Typen. Sie kann sich nicht entscheiden zwischen uns und da hat sie sich dieses scheiß Spiel ausgedacht. Wir sollen um sie kämpfen." Das letzte Wort unterstreiche ich indem Gänsefüßchen mit den Fingern in die Luft zeichne.

"Du nutzt deine Position aus um eine Tussi zu erobern?" fragt er fassungslos.
„Also erstens ist sie keine Tussi und zweitens ja, ich nutze es aus. Aber denk dran, ich hab noch was gut bei dir!" drohe ich.
„Ist ja schon gut. Beruhige dich! Ich zieh das mit dir durch. Und der Boss erfährt nichts." lenkt er ein. „Ist nur ganz schön kindisch. Was soll das?"
„Glaub mir, wenn du sie kennen würdest, würdest du verstehen warum ich da mit mache. Charly ist was ganz besonderes. Und sie gehört zu mir, nur begreift sie es noch nicht. Und dann gibt's da noch den Pisser von Steel, der sie auch haben will."
„Moment mal. Steel? Etwa Max Steel. Der Personenschützer?"
Ich nicke. Jetzt hab ich ihn.
„Das allein ist schon Grund genug mit zu machen. Diesem Scheißkerl eins auszuwischen ist es wert!" lacht er. „Ich helfe dir. Und der Boss erfährt nichts. Gibt's denn eine Deadline?"

„Hä?"
„Na wie lange soll das Ganze laufen? Wann entscheidet sie sich?"
„Ach so. Drei Monate." antworte ich. „Die muss ja ganz schön verwirrt sein." meint er. „Oder ihr gefällt es mit Männern zu spielen. Ganz schön krass!" murmelt er leise.
„So ist sie nicht." ergreife ich Partei für Charly. „Sie ist nur verwirrt. Ich war lange weg. Der beschissene Auftrag in Moskau und dann lief ihr der Typ über den Weg. Na ja. Ich krieg das schon hin."
„Klar doch." murmelt er und schaut wieder aus dem Fenster.

 

Charlotte

 

Max entführt mich nach Marylebone am Oxford Circus. Da liegt versteckt hinter der All-Souls Kirche das Asia House. Es liegt derart versteckt das ich es noch gar nicht kannte.
„Gefällt es dir?" fragt Max als er mir den Stuhl zurecht rückt.
„Oh ja, sehr schön! Ich kenne das hier noch gar nicht." gebe ich entzückt zu.
„Hier kann man prima die Tea Time genießen. Wo du doch so gern Tee trinkst." Max zwinkert mir zu.
„Wegen gestern, oder?" lächle ich.
Eine Kellnerin kommt und nimmt unsere Bestellung auf.
„Okay. Wie war dein Tag?" versuche ich das Gespräch in eine ungefährliche Richtung zu lenken.
„Gut. Ganz gut. Ich hatte ein paar Vorkehrungen zu treffen. Ein neuer Auftrag. Von Freitag bis Sonntag passe ich auf so einen Millionär und seine Frau auf. Der Typ ist außerdem auch Nobelpreisträger und bekommt hier am Wochenende irgendein Preis verliehen. Aber seine Ansichten missfallen ein paar Leuten, weswegen die ihn lieber Tod als lebendig sehen würden."
„Verstehe. Und damit das nicht passiert, bist du da, um dir für ihn eine Kugel einzufangen?" bringe ich es auf den Punkt.
„Nun ja, er bezahlt immerhin ein nettes Sümmchen dafür."
„Nettes Sümmchen? Was muss man denn auf den Tisch legen um sich von dir beschützen zu lassen?" will ich es jetzt ganz genau wissen.
„Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Aber der Typ jetzt muss mir für meine Dienste 10,000 £ abdrücken."
Ich glaube mich verhört zu haben. „10,000£ für ein Wochenende?" Ich bin fassungslos. „Echt jetzt? Das sind ja über 3000 pro Tag. Gibt's echt Leute die so viel Geld haben?"
„Klar gibt's die. Das geht doch noch. Und überlege mal, für diese Summe stehe ich diesem Typen und seiner Familie rund um die Uhr zur ständigen Verfügung. Ich werde kaum schlafen können und hey..." er beugt sich über den Tisch zu mir hinüber „... schließlich würde ich ohne mit der Wimper zu zucken mein Leben für sie opfern." Max küsst mich.
Diese Erkenntnis lässt mich schlucken. Das stimmt. Ist echt krass!
„Hast du dir schon einmal eine Kugel eingefangen für einen Klienten? Du bist aber auch geschützt mit einer Weste oder so was. Oder?" will ich leise wissen.
Max nickt und lehnt sich wieder zurück. „Natürlich bin ich das. Mache dir keine Sorgen! Beverly tut das auch nie."
Musste er das Gespräch jetzt auf sie bringen?
„Und zu deiner ersten Frage: Nein, noch nie. Wenn man alles gut plant, konzentriert ist und gute Mitarbeiter hat läuft nichts schief. Langweilig ist das neue Sicher." lacht er.
Sicherlich sein Werbeslogan.
Ich lächle ihn an.
Da kommt auch schon die Bedienung zurück und stellt eine Kanne dampfenden Tee, zwei Tassen, ein Kännchen Milch, Zucker, Scones, Marmelade und Clotted Cream vor uns auf den Tisch. Dazu bringt sie kurz danach noch eine Etagere mit Sandwiches und Petit Fours. Ich kann nicht anders, ich strahle beim Anblick der leckeren Sachen.
Max schenkt mir ein strahlendes Lächeln. „Ich weiß doch was für eine Naschkatze du bist."
„Was soll das denn heißen? Das ich fett bin." will ich etwas gekränkt wissen.
„Was zum? Nein natürlich nicht, Süße! Ich meinte damit nur, du isst gern Süßes." Verwirrt versucht er sich aus der Situation zu retten.
„Ja und das führt dazu das ich etwas mehr auf die Waage bringe als andere Frauen." Warum flippt ich hier so aus? „Vielen Dank auch!" sauer will ich aufstehen, doch er hält mich am Arm fest. „Setz dich wieder hin und höre auf mit dem Theater! Du bist wunderschön genau so wie du bist! Was soll das jetzt?"
Max ist verwirrt. Er kann ja auch nicht wissen, dass ich schon seit meiner Kindheit ein Ernährungsproblem habe. Als kleines Kind war ich stark übergewichtig. Daddy meinte immer das verwächst sich sobald ich in die Pubertät komme. Doch Mom wollte nicht so lange warten, ihr wurde es irgendwann zu bunt und sie ließ mich in eine Klinik einweisen.
Tom hätte das über mich gewusst und hätte mich niemals darauf angesprochen.
Traurig blicke ich auf meinen leeren Teller. Der Appetit ist mir leider vergangen.
„Möchtest du gehen?" fragt Max leise.
Ich nicke stumm und bemerke das Tränen sich in meinen Augen sammeln.
"Entschuldige mich bitte!" Schnell stehe ich auf und laufe zur Toilette.
Als ich zurück komme, hat Max alles essbare einpacken lassen und wartet mit unseren Mänteln am Tisch auf mich. Vorsichtig hilft er mir in den dunkelblauen schweren Wollmantel. Dankbar schenke ich ihm ein Lächeln.

Draußen hat es in der Zwischenzeit angefangen zu regnen. Max legt seinen freien Arm um mich. In der anderen Hand trägt er den Karton mit den Speisen. Schützend halte ich mir meine Clutch als Regenschutz über den Kopf. „Kannst du dir vorstellen das es mittlerweile in Rom mehr regnet als in London?" behauptet er. „Habe ich letztens erst gelesen."
„Wirklich?" Ich blicke zu ihm hoch. Der Regen fällt mir mitten ins Gesicht. Sicherlich sehe ich mittlerweile furchtbar aus!
Max bleibt stehen, nickt und sieht mich glücklich an. „Du bist wunderschön, Charlotte! Ich liebe dich! Alles an dir. Ich will mein Leben mit dir teilen!"
Schon wieder eine Liebeserklärung. Ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln. Wenn er mich in diesem Zustand wunderschön findet, dann muss es ihm ernst sein.
„Ich hebe mir die berühmten drei Worte für den Schluss auf. Aber, Max Steel, ich kann dir sagen, ich habe dich verdammt gern!"
„Das genügt mir für's erste." lacht er, nimmt mich wieder in den Arm und geht mit mir weiter.

Max fährt mich zurück zur Schule wo mein Wagen steht. Dort verabschieden wir uns vor dem Schultor mit einem innigen Kuss. Ganz so wie in Teenagerzeiten.

Kapitel 20

Tom

 

Ich sitze noch im Büro und tippe den Bericht für Holmes2 vom letzten Einsatz, als mein Handy klingelt. Ich nehme das Gespräch entgegen. „Was gibt's Gibs?" blaffe ich.
„Zielperson Eins ist so eben nach Hause gekommen. Du wolltest unterrichtet werden wenn das der Fall ist." erklärt mein Kollege.
„Bin auf dem Weg." sage ich und lege auf.
Im Technikraum nehme ich die Kopfhörer die mir Gibs hin hält, setze mich auf einen Stuhl vor der riesigen Monitorwand und setze sie mir auf. Ich höre Schlüssel klimpern.
„Schalte mal auf die 1!" bitte ich Gibs.
Dieser nickt und drückt einen der unzähligen Knöpfe an der Konsole. Charlotte's Flur erscheint auf einem der Bildschirme. Charly steht an der Garderobe.
Sie ist allein - Gott sei Dank! Sie stellt einen Karton auf dem Sideboard ab und entledigt sich ihres Mantels. Ordentlich hängt sie ihn auf einen Kleiderbügel und hängt diesen an einen Haken der Garderobe. Ihre Stiefeletten stellt sie fein säuberlich nebeneinander darunter.
„Das ist mein Mädchen." denke ich und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Sie nimmt den Karton, geht auf Strümpfen in die Küche und rumort dort herum. In der Küche haben wir keine Kamera installiert, so dass ich mich hier mit einem Hörspiel begnügen muss. Ich höre Schranktüren klappen und Geschirr klappern. Dann erscheint sie wieder im Bild. Sie durchquert den Flur und geht ins Wohnzimmer.
„Kamera 3!" sage ich.
Sofort sehe ich Charlotte auf ihrer Couch. Sie telefoniert mit ihrem Handy. Blöd, dass ich dem Ding keine Wanze verpassen konnte! Das hat sicherlich der andere schon getan. Wenigstens höre ich was sie sagt. „Hi Franzi. ... Ja, ich weiß. Ganz schön früh. ... Es ist was dazwischen gekommen. ... Du, ich habe leckeren Kuchen hier. Den kann ich unmöglich alleine essen. ... Super! Ich freu mich! ... Ja bis gleich." Sie legt das Handy auf das Sofa. Anschließend steht sie wieder auf, geht ins Schlafzimmer, aber nur kurz. Sie holt ein paar Kleidungsstücke und verschwindet damit im Bad.
Um ihre Privatsphäre wenigstens ein bisschen zu wahren habe ich dort keine Abhörvorrichtungen installieren lassen. Sie würde mich eh schon lynchen wenn sie erfahren würde das sie auf Schritt und Tritt überwacht wird. Aber hey, der Pisser macht es garantiert genau so!

Exakt 42 Minuten später trifft Franziska bei Charly ein. Die kenne ich noch von früher. Damals war sie eine total schräge Umweltaktivistin, mit Dreadlocks und jede Menge Piercings. Immer genau das Gegenteil von meiner adretten Charlotte. Doch ich bin überrascht, sie hat sich echt rausgemacht. Blondes, kurz geschnittenes Haar, saubere ordentliche Kleidung und von Piercings keine Spur. Die beiden Frauen begrüßen sich an der Wohnungstür und verschwinden dann im Wohnzimmer. Dort hat Charly inzwischen einen Film ausgesucht (Bad Moms) und den mitgebrachten Kuchen auf Teller verteilt. Dazu trinken sie keinen Tee sondern der späten Stunde geschuldet Sekt oder Prosecco. Klirrend stoßen sie an und lachen fröhlich.
„Scheint nur ein Mädelsabend zu sein. Kein geheimer Informationsaustausch." mutmaßt Gibs leicht enttäuscht. „Dann könnten wir eigentlich abbrechen."
„Nein!" rufe ich eine Spur zu panisch. „Nein schon gut, Gibs. Ich übernehme das hier. Mach' ruhig Feierabend!" erkläre ich schon entspannter. Dieser nickt und lächelt wissend, greift nach seiner Jacke und verlässt mit einem Gruß den Raum. Ich erwidere nichts. Das wird hier auch nicht von mir erwartet. Ich habe den Ruf unnahbar und stets leicht gereizt zu sein. Mir geht man besser aus dem Weg. Ich konzentriere mich wieder auf Charlotte. Sie haben mittlerweile den Film gestartet und essen dabei.
„Hattest du nicht eigentlich heute Abend ein Date? Was ist denn nun dazwischen gekommen?" will Franziska zwischen zwei Gabeln Kuchen wissen.
Charlotte schluckt runter und antwortet „Max war mit mir im Asia House. Kennst du das? Ist in Marylebone."
Franziska verneint.
„Ein echter Geheimtipp. Müssen wir auch mal hin! Ist aber sicher nicht ganz billig dort." erklärt meine Süße.
„Der Kuchen ist auch von da."
„Der Kuchen? Du hast ihn hier und bist nicht dort oder woanders mit Max. Was hat er angestellt."
Ich richte mich auf und lausche gespannt.
„Er kann eigentlich gar nichts dafür. Wir kennen uns eben noch nicht so gut." druckst Charly rum.
„Komm auf den Punkt, Süße!"
„Max sagte etwas darüber das ich sicher gern Süßes esse. Ich habe es in den falschen Hals bekommen und habe ihm eine Szene gemacht." Charly verbirgt ihr Gesicht in den Händen. „Voll blöd, ich weiß! Er kann ja nichts dafür."
Klar kann er. Er hätte ja seine Hausaufgaben machen können. Charly auf ihr Gewicht oder Essverhalten anzusprechen ist ein absolutes No-Go.
Franzi legt ihren Arm um sie. „Ist doch echt nicht so tragisch. Das ist doch schon ewig lange her. Du bist normal. Das musst du ihm verzeihen!" tröstet sie sie.
„Muss sie gar nicht! Er kann ruhig Minuspunkte sammeln." freue ich mich im Stillen.
„Ach, dass habe ich ja schon längst. Es tut mir voll leid wie ich zu ihm war! Aber ich glaube eh, er kann mir gar nicht böse sein." lacht sie nun wieder.
Mist!
„Trotzdem war mir die Lust auf Ausgehen heute Abend vergangen und er hat mich heim gebracht."
„Und wann seht ihr euch wieder?" fragt Franziska.
„Ich weiß gar nicht. Von diesem Freitag an bis Sonntag muss er erst einmal arbeiten. Irgend so einen Nobelpreisträger beschützen. Da fällt mir ein ... er hat mir verraten wieviel er verdient."
„Ich bin ganz Ohr."
Da stimme ich Franzi zu.
„Halt dich fest! 10.000 £ nimmt er diesem Nobelpreisträger ab. Aber es geht wohl noch höher."
Charly ist ja ganz aufgeregt.
Krass wieviel der Pisser bekommt dafür das er den echten Profis das Leben schwer macht. Ich hasse den Typen immer mehr!
„Wahnsinn! Ist ja krass!" kreischt ihre Freundin als würde sie dieses Geld demnächst auf ihrem Konto verbucht bekommen. Im Kopf überschlage ich ob ich Charlotte ein ebenso angenehmes Leben bieten könnte wie Max Steel. Mein Gehalt reicht bei weitem nicht an seines ran. Aber zum Glück ist sie nicht so oberflächlich und sieht nur auf's Geld.
„Ja Wahnsinn oder! Er hat gesagt er erfüllt mir jeden Wunsch." Sie kichert wie eine pubertierende 16 jährige. „Schmuck, ein neues Auto, vielleicht noch eine schicke Wohnung bei ihm in Belgravia oder ein romantischer Karibikurlaub?" schwärmt Franziska.
Mein Magen kämpft sich schmerzhaft zusammen. Sollte ich mich in meiner Charly so geirrt haben?
Doch Charly wehrt mit ernste Gesicht ab. „Du vergisst, seine Frau ist auch noch da und sie hat sicher Einblick in die Finanzen." Vernünftig wie immer.
„Wer weiß. Du solltest es jedenfalls ausnutzen, Süße!" erwidert ihre Freundin Achselzuckend.
„Ich nutze die Jungs schon genug aus." antwortet Charly leise. „Ich habe ein ganz schön schlechtes Gewissen deswegen. Und das alles nur weil es mir Spaß macht sie gegeneinander antreten zu lassen!" gibt sie es endlich zu.
„Ich wusste es. Du kleines Miststück!" rufe ich und schlage mit der flachen Hand auf den Tisch vor mir.
„Ach komm. Mach jetzt keinen Rückzieher! Sie spielen doch auch mit uns. Da kannst du dir das ruhig auch mal gönnen!" bestärkt Franzi sie.
„Sie sind aber beide gar nicht gut auf einander zu sprechen. Und ... und sie haben Waffen." Charly ist aufgestanden und sieht aus dem Fenster. „Ich muss aber zugeben, es erregt mich irgendwie diese Macht zu besitzen!" flüstert sie.
Ich kann mir nicht vorstellen das ihre Freundin sie vom Sofa aus verstanden hat. Doch hat sie. „Das denke ich mir! Welche Frau wäre nicht gern in der Situation? Und was das andere angeht, ach, sie werden sich schon nicht umbringen."
„Wenn du sie zusammen erlebt hättest, würdest du jetzt so nicht sprechen."
„Charlotte Spencer, deine Männer werden nichts tun was gefährlich ist, glaube mir. Sie sind erwachsen und haben scheinbar auch Verstand in ihren hübschen Köpfen. Außerdem verlangen ihre Berufe Beherrschung. Du braucht dir keine Sorgen zu machen! Genieße die nächste Zeit einfach! Sie werden sich richtig Mühe geben um dich zu beeindrucken. Genieße es! Das wird nie wieder in deinem Leben passieren." Franziska hält ja eine richtige Rede. „Überlege mal wie sehr du wegen Tom gelitten hast. Er kann ruhig auch ein wenig leiden, finde ich!" beendet sie ihren Vortrag.
Charly hat ihr schweigend zugehört. Nun nickt sie zustimmend. Erkenntnis erhellt ihr Gesicht. „Ich glaube du hast wirklich recht!"
„Klar hab ich das!" lacht die andere und nickt heftig.
„Gut. Ich ziehe es durch. Tommy hat eine Abreibung verdient und warum sich nicht an Max ein bisschen bereichern. Ganz koscher ist er schließlich auch nicht. Er ist ein Ehebrecher. Das Spiel kann also weitergehen!" verkündet Charly.
„Hallo! Kenne ich Sie? Was haben Sie mit meiner schüchternen Freundin gemacht?" lacht Franziska.
„Auf die Männer und wieviel Spaß wir mit ihnen haben können!" ruft Charly lachend und hebt ihr Glas. „Ja, auf die Männer!" stimmt Franziska mit ein und sie stoßen an.
Geflasht wegen Charlottes ehrlichen Worten sitze ich stumm da und starre auf den Bildschirm.

Dieses Miststück!

Kapitel 21

Max

 

Ich wage am nächsten Tag einen neuen Anlauf und plane einen Ausflug zum London Eye. Ganz romantisch will ich mit Charlotte eine Runde drehen. Vielleicht kommt ja in 135 m Höhe die richtige Stimmung auf. Wer weiß was gestern mit ihr los war? Nachdem ich online eine Amorkapsel im London Eye gebucht habe gehe ich in mein Arbeitszimmer. Ich will doch mal hören was bei Charly so los ist. Ich schalte den Lautsprecher auf meinem Schreibtisch ein und höre auch schon Charlottes Stimme. Sie lacht. Aber da ist auch noch eine zweite weibliche Stimme. Scheiße, dass ich keine Kameras in ihrer Wohnung installiert habe! Sicher ist das ihre beste Freundin Franziska. Ich kenne sie als Deutschlehrerin an Charlotte's Schule. Die Frauen unterhalten sich über irgendeinen Film. Sicher sehen sie sich den gerade an. Ihr Gespräch dreht sich um Männer. Explizit über die Schauspieler in besagtem Film. Mädchenkram. Ich schalte wieder ab und setze mich stattdessen lieber vor den Fernseher.

Stunden später kommen Beverly und Charlotte nach Hause. Sie waren scheinbar shoppen. Ein bisschen von meinem hart erarbeiteten Geld ausgeben. Nicht das ich es meiner Tochter nicht gönnen würde ...

 

Charlotte

 

'Versuchen wir es morgen noch einmal?' kommt am Abend noch eine Nachricht von Max rein. Schon wieder? Er ist aber hartnäckig! Aber Tom hat sich nicht gemeldet und auch sonst habe ich morgen nichts vor, also tippe ich eine Antwort 'Sehr gern! Wo geht's diesmal hin?'
Er antwortet' Überraschung. Das wird nicht verraten. Darf ich dich um 18 Uhr zu Hause abholen?'
' Klar doch darfst du das!'
Er schickt einen verliebt guckenden Smiley und schreibt dazu' Ich freu mich auf dich!'
' Ich mich auch und ich bin gespannt! Gute Nacht, mein Schatz!' wünsche ich.
' Träum süß, Süße! Bis morgen. Hab dich lieb!' Verliebt drücke ich mit mein Handy an die Brust und lächle dämlich. Ich bin voller Glück! Vielleicht ist es aber auch der Alkohol? Davon hatte ich heute Abend mehr als mir gut tut.
Am Morgen danach wache ich mit Kopfweh und Gliederschmerzen auf.
Den Arbeitstag überstehe ich nur mit leichten Kopfschmerzmitteln. Ich trinke selten so viel Alkohol das ich gleich einen Kater bekommen habe.

Nach der Arbeit fahre ich gleich heim um mich in aller Ruhe fertig zu machen. Ich lege mich in die Schaumberge in meiner Badewanne und genieße sie ausgiebig. Erst kürzlich hatte ich mir einen neuen Badezusatz gekauft und nun ist ein guter Zeitpunkt ihn auszuprobieren. Danach Creme ich mich am ganzen Körper ein und schminke mich und drehe meine Haare ein. Anschließend stehe ich vor meinem großen Kleiderschrank und überlege was ich anziehen soll. Max hat mir nicht verraten wo wir heute hingehen, daher könnte es alles sein. Schlussendlich entscheide ich mich für das kurze schwarze. Dazu schwarze Stillettos.
„Das passt." lobe ich mein Spiegelbild. „Oh nein, so spät schon!" bemerke ich panisch.
Hektisch laufe ich ins Bad und mache meine Haare endgültig fertig.

Pünktlich wie immer steht Max vor meiner Tür um mich abzuholen.
„Du sieht wunderschön aus!" begrüßt er mich staunend.
„Du aber auch." lächle ich und lasse mir von ihm die Wagentür aufhalten. Als wir beide sitzen gibt er mir einen innigen Kuss zur Begrüßung.
„Und, wo geht's jetzt hin?" versuche ich ihn auszutricksen um endlich heraus zubekommen wohin er mich „entführen" will.
„Das wird noch immer nicht verraten." lacht er und startet den Motor.

Unsere Fahrt führt uns durch Chelsea und Pimlico, über die Themse nach South Bank. Die Sonne war bereits untergegangen. Überall glitzern Lichter. Scheinwerfer der Autos, die LED's der riesigen Werbetafeln und die Lichter der Gebäuden.
„Sie ist wunderschön, nicht wahr!" flüstere ich.
„Wer?"
„Unsere Stadt. London. Ich liebe diese Stadt! Sie ist die schönste der Welt!" schwärme ich und lasse meinen Blick über die Themse schweifen.
Weithin sichtbar stehen dort hell erleutet Big Ben und das Houses of Parliament. Da fällt mir wieder ein das er ja Kanadier ist und er London vielleicht nicht so attraktiv findet wie ich es tue.
Dennoch sagt er „Ja das Empire. Wer liebt es nicht?" lacht er und wirft ebenfalls einen Blick über den Fluss. „Na, ahnst du schon wo wir hinfahren?"
In diesem Moment kommt das London Eye in mein Blickfeld. Rot erleuchtet hebt es sich vom dunklen Himmel ab. „Vielleicht dort hin? Zum Riesenrad."
„Treffer." lacht er erneut.
Max findet tatsächlich auf Anhieb einen Parkplatz. Das ist gleich zusetzen mit einem 6er im Lotto in dieser Stadt. Hand in Hand spazieren wir zum Ufer der Themse.
'Fly tue eye' steht auf einem Schild am Kassenhäuschen des Riesenrads.
Max unterhält sich kurz mit der Dame hinter dem Glas und führt mich anschließend zu den Gondeln. Im Schneckentempo dreht es sich Stunde um Stunde immerfort.
Ein junger Mann im Flanellhemd kommt auf uns zu. „Folgen Sie mir!" sagt er und stapft los.
Obwohl zu dieser Stunde noch einige Leute auf Einlass warten, werden wir an ihnen vorbei geführt, direkt zu einer leeren Kapsel. An der Tür hängt ein Schild auf dem 'Reserviert' steht. Unser Begleiter entfernt das Schild und öffnet die Tür. „Bitte." Er entfernt sich wieder.
Das Rad muss nicht einmal anhalten damit man einsteigen kann, es ist langsam genug, dennoch reicht Max mir seine Hand. Vorsichtig steige ich in die gläserne Kapsel.
„Nur für uns allein?" frage ich staunend und drehe mich zu ihm um.
Er schließt die gläserne Tür hinter sich. „Ja nur für uns. 30 Minuten ungestörte Zweisamkeit. Komm her, Babe!" Es folgt ein heißer Kuss während uns das Rad in die Lüfte hebt. „Und ich dachte mir ... falls du Hunger und Durst bekommst ..." Max deutet mit dem Arm auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen hinter uns. Ich löse mich aus seiner Umarmung und gehe darauf zu. In dem Sektkühler auf dem Tisch wird eine Flasche Champagner kalt gehalten, daneben ein silbernes Tablett mit Kanapees.
„Du bist verrückt! Das muss doch ein kleines Vermögen gekostet haben!" staune ich.
Max tritt hinter mich, umfasst meine Taille mit der einen und greift mit der anderen Hand nach einem Teilchen. „Ach weißt du ... ein Gentleman genießt und schweigt."
Lachend sehe ich zu ihm auf. „Das ist wirklich was ganz besonderes, Max! Ich war zwar schon einmal hier, aber noch nie am Abend und so." Ich mache eine ausholende Geste. Er schlingt seine Arme um mich, legt sein Kinn auf meine rechte Schulter und gemeinsam genießen wir den Ausblick. Immer höher hebt uns die Gondel über diese fantastische Stadt. Unter uns glitzert das Wasser und weiter entfernt sehen wir Buckingham Palace. „Siehst du, her Majesty ist zu Hause." flüstert er und zeigt in diese Richtung. Auch ich sehe die Standarte auf dem Dach wehen. Das deutliche Zeichen für ihr Volk das die Queen zu Hause ist. Ich lache „Kann ich verstehen! Ich möchte auch an keinem anderen Ort als hier leben!"
„Setz dich doch." Er rückt mir einen der Stühle zurecht.
Nachdem ich Platz genommen habe öffnet er die Flasche, schenkt uns ein, reicht mir mein Glas und setzt sich mir gegenüber.
Wir prosten uns zu und nehmen einen Schluck. Lecker!
„Wow! Der ist lecker! So was Gutes habe ich ja noch nie getrunken!" lobe ich die prickelnde Flüssigkeit. „Für dich nur das Beste, Darling!" meint er und ich merke das ich rot werde. Um mich abzulenken greife ich zu den Häppchen. Auch die schmecken fantastisch!
„Woher haben die nur diese Leckereien?" denke ich laut.
„Aus dem Park Plaza." meint er trocken.
Ich verschlucke mich. „Das teuerste Hotel am Platz? Max du .... Du bist wahnsinnig!"
„Schon gut. Wenn es dich beruhigt. Die hier haben es organisiert. Ich habe es nur gebucht und bezahlt."
„Still! Zerstör nicht die schöne Illusion!" winke ich lachend ab. Max strahlt und schweigt. Unsere Kapsel hat mittlerweile den höchsten Punkt erreicht. Nach einigen Minuten bricht er sein Schweigen und sagt „Charlotte, du weißt wie meine Gefühle dir gegenüber sind. Ich liebe dich!"
Unsere Blicke treffen sich. Ich schlucke.
„Ich weiß, Max." hauche ich.
„Du würdest mich zu dem glücklichsten Mann der Welt machen wenn du dich für mich entscheidest!" Sein Blick wandelt sich von verliebt in verzweifelt. „Bitte!" Ich wende den Blick ab und sehe hinunter auf die Themse. „Max ... du weißt doch ...noch nicht ...." Zerknirscht sagt er „Ich weiß."
„Lass uns den Abend genießen!" versuche ich ihn aufzumuntern. „Möchtest du gleich noch mit zu mir kommen?" Er hebt den Kopf und nickt glücklich.

Als die Erde uns wieder hat spazieren wir Arm in Arm am Ufer der Themse entlang. Der Abend ist mild und trocken.
Was will man mehr in England?

Bei mir zu Hause in Notting Hill angekommen schaffen wir es gerade noch die Treppe hoch in meine Wohnung.
Ich will mich für den schönen Abend bedanken und zwar richtig.
Von Liebe besessen schließe die Wohnungstür auf, greife nach Max Hemdkragen und zerre ihn ins Innere der Wohnung. Mit einem Tritt schlage ich die Tür hinter uns zu und dränge ihn dagegen. Mit flinken Fingern öffne ich seine Hose.
„Oh Baby. Du hast es aber eilig." Dennoch schließt er die Augen und lehnt den Hinterkopf gegen die Tür. Seine Hose fällt zu Boden und ich gehe vor ihm in die Hocke. Meine feuchten roten Lippen umschließen seine Männlichkeit und ich nehme ihn langsam vollkommen in mich auf.
„Oh Baby!" stöhnt er. Eine seiner Hände ruht auf meiner Schulter, mit der anderen stützt er sich an der Wand ab. Meine Zunge gleitet an deinem Schwanz auf und ab, kitzelt seine Eichel. Immer wieder stöhnt er über die Lust die ich ihm bereite.
Mit einer Hand unterstütze ich die Bewegung meines Mundes und nach wenigen Minuten ergießt er sich warm und tief in mir. Lächelnd sehe ich von unten zu ihm auf und wische mir mit dem Handrücken über den Mund.
„Du machst mich wahnsinnig, Charlotte! Ich liebe dich!" raunt er dunkel. „Komm her!" er reicht mir seine Hände und zieht mich hoch. Mit geübten Griff öffnet er den Reisverschluss meines Kleides und den Verschluss meines BH. Beides fällt zu Boden.
„Du bist wunderschön!" sagt er verliebt.
Sanft bedeckt er meinen Hals, mein Schlüsselbein und den Brustansatz mit Küssen.
Ich seufze voll Sehnsucht. Ich will ihn spüren! Jetzt und hier! Meine Hände versuchen ihn zu mir zu ziehen.
„Geduld." grinst er, umfasst meine Brüste mit seinen starken Händen. Er rollt meine Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger und lässt mich mit dieser Lust die er mir damit bereitet in höhere Sphären schweben. Jetzt wandert eine seiner Hände an meinem Körper tiefer und tiefer bis sie meinen Slip erreicht. Zielsicher gleitet sie unter den zarten Spitzenstoff meines Höschens. Gekonnt lässt er einen Finger in meine feuchte Spalte gleiten. Vor und zurück.
Ich habe das Gefühl verrückt zu werden und greife Haltsuchend nach seinem Hemd.
Als mir die Beine weg zu knicken drohen hebt er mich mit Schwung einfach hoch, wirft sich mir über die Schulter und trägt mich ins Schlafzimmer.

 

Tom

 

„Cray, sie ist gerade nach Hause gekommen." meldet Gibson als ich das Gespräch annehme.
„Okay. Dann weiß ich bescheid." gebe ich gelangweilt zurück.
Ich mache Überstunden weil ich noch über dem langweiligem aber nötigen Einsatzbericht des Einsatzes von heute sitze. Genervt tippe ich alles in den PC ein um es anschließend auf Holmes2 hoch zuladen.
„Ich dachte du willst es wissen."
„Ja nun weiß ich es ja." Ich will schon auflegen als Gibson noch dran hängt „Sie ist nicht allein." Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf. „Ich bin in zwei Minuten da." brülle ich ins Handy bevor ich auflege.

Minuten später sitze ich neben Gibson vor der Monitorwand im Technikraum. Auf dem Monitor erkenne ich Charlotte und ihren anderen Macker. Er hat die Hose unten und sie hockt in eindeutiger Pose vor ihm. Wütend balle ich die Fäuste und starre auf den Bildschirm.
„Ähm ... die zweite ... ähm männliche Person ist unsere zweite Zielperson. Max Steel." erklärt mir Gibs peinlich berührt. „Sorry, dass du das jetzt sehen musst! Konnte ja keiner ahnen das sie gleich hinter der Wohnungstür über ihn herfällt."
„Was? Sie hat angefangen?" frage ich fassungslos.
„Du kleine Bitch!" denke ich wütend. „Aber sicher sagt sie mir nicht das sie weiterhin mit dem Pisser ins Bett steigt. Tut dann schön so aus wäre nix gewesen."
Meine Wut steigert sich ins unermessliche jede weitere Minute die ich den beiden zu sehe. Als er endlich mal fertig ist und sie sich wie eine Schlampe über den Mund wischt halte ich es nicht mehr aus. Ich springe auf, reiße meine Jacke von der Stuhllehne und renne aus dem Raum. „Weiter alles aufnehmen!" befehle ich bevor die Tür ins Schloss fällt.
Von hier zu Charlottes Wohnung sind es nur wenige Minuten. 25 schätze ich.
Ich schaffe es in 15. Dafür musste ich zwar an die 20 Verkehrsregeln brechen. Ist mir aber scheißegal!
Ich parke quer über dem Gehweg vor ihrem Haus, reiße den Schlüssel aus dem Zündschloss und springe aus dem Wagen. Mit einem lauten Knall in der nächtlichen Ruhe schlägt die Autotür zu.
Mit gekonnten Griffen breche ich wieder einmal Charlottes Türen auf. Für einen Moment bleibe ich im Flur stehen und sehe Richtung Lampe. Ich weiß genau das Gibs mir gerade zusieht.
Geräusche aus dem Schlafzimmer.
Mit 4 Schritten stehe ich direkt neben dem Bett. Sie bekommen mich zunächst gar nicht mit.
Charly liegt vollkommen nackt mit geschlossenen Augen unter ihm auf dem Bett. Ihre Beine ruhen auf seinen Schultern. Er nimmt sie gerade tief und innig und es gefällt ihr scheinbar - so wie man an ihrem Stöhnen hören kann.
„So, dass reicht!" brülle ich, reiße den Arsch von ihr runter und werfe den vollkommen überrumpelten Typen wie Dreck auf den Boden. Charly kreischt entsetzt auf und reißt sich im Reflex die Bettdecke vor ihren Körper.
„Tom? Was zum ..." schreit sie. Ich habe keine Zeit ihr zu antworten, Max ist wieder auf den Beinen. Sein Schwanz ist noch immer steif und ragt vor ihm wie ein lächerliches Schwert. Er holt aus und will mir eine verpassen, doch da stoppe ich ihn.
„Stopp! Kannst du dir mal was anziehen. Ich vermöbel so ungern nackte Typen. Da sieht man das Blut so deutlich." knurre ich.
Er presst die Zähne zusammen, nickt und geht seine Hose holen. Die liegt noch immer im Flur.
Wortlos zieht er Hose und Hemd an, wobei er letzteres offen lässt. Nun gut, das muss reichen.
„Fertig?" frage ich und sobald er mir mit einer Geste mit der Hand signalisiert hat das ich ruhig näher kommen kann, hole ich aus. „Jungs! Macht keinen Scheiß!" brüllt von irgendwo Charlys Stimme.
Das Adrenalin rauscht mir durch den Körper. Meine Faust trifft ihn am Kinn. Sein Kopf dreht sich durch die Wucht weg. Mit wütenden blick starrt er mich an und wischt sich das Blut mit dem Handrücken ab. Aus dieser Bewegung holt er aus und landet einen Treffer in meiner Magengrube. Ich links, rechts, von unten. Immer ein Treffer. „Hört sofort auf!" droht Charly vom Bett aus.
Wenn sie nicht bald eingreift bring ich den Wichser hier und jetzt um!
Da trifft er mich direkt am Kinn, gleich danach klammert er sich an meinen Hals und versetzt mir gezielte Tritte mit dem Knie in den Magen. Ich stöhne auf. Der Wichser ist echt gut! Das hat er sicher von der Army. Da war er ja bevor er Privat durchstartete.
Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Auch ich habe eine gute Ausbildung genossen. Kämpfen bis zum Ende.

Ich trete ihn mit einem Kick von mir weg und ballert ihm einige rechte und linke rein.
Er taumelt zurück.
Ich will einen Schritt auf ihn zugehen um es zu beenden, als er plötzlich etwas vom Sideboard neben sich aufhebt. Ich höre das klicken wie wenn eine Waffe entsichert wird.
Scheiße!
Er hält mir seine Walther vor die Nase. Aus Reflex ziehe ich ebenfalls meine Waffe. Was der kann, kann ich schon lange!
Mit ausgestreckten Armen stehen wir uns gegenüber.
„HÖRT SOFORT MIT DEM SCHEIß AUF!" schreit Charly, springt auf und mit einem Sprung ist sie zwischen uns. Mit ausgestreckten Armen und erhobenen Handflächen signalisiert sie uns aufzuhören.
„Ihr lasst jetzt sofort die Waffen verschwinden!" befiehlt sie in ihrem strengsten Lehrerinnenton.
Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, stecke mein Schätzchen aber zurück ins Holster.
Als Max sieht das ich meine weg stecke tut er es mir nach.
„Gut so. Und nun hört auf euch zu prügeln!" befiehlt sie weiter.
„Wer prügelt sich denn hier?" scherze ich lahm. Damit handle ich mir einen vernichtenden Blick ihrerseits ein. Sofort bin ich still. „Tom, was sollte das? Was machst du hier und vor allem wie bist du hier rein gekommen?" will sie wissen. Ihr Ton ist unmissverständlich. Sie ist stinksauer. Wie ein kleiner Schuljunge sehe ich betreten zu Boden.
Dafür sagt Max etwas „Eifersüchtig ist er. Er hat uns beobachtet und ist ausgetrickst, weil er dich nicht teilen kann."
„Kannst DU es denn?" schnautze ich ihn an.
„Wie sollte er uns denn beobachtet haben?" lacht sie. „Sicher wollte er mich nur spontan besuchen kommen."
Max zieht die Augenbraue hoch. „Bist du wirklich so naiv, Charlotte? Er hat deine Wohnung natürlich verwanzt." blafft der Wichser und starrt mich hämisch grinsend an.
Ich ahne was jetzt folgt. Eine Szene. Charly wird ausflippen. Sie starrt mich an und ich sehe förmlich wie ihr Hirn nach den richtigen Worten sucht.
„Stimmt das was er sagt, Tommy?" Ich ziehe es vor weiterhin zu schweigen.
„VERDAMMT NOCHMAL. SAG WAS!" schreit sie mich an und ich zucke tatsächlich kurz zusammen.
„Hat er recht?" flüstert die plötzlich.
Ich sehe sie an und bringe nur ein nicken zu Stande.
„War doch klar. Er hat doch die Mittel dafür, Charlotte. Ja ein besessenes perverses Schwein ist er." höhnt Max.
Jetzt reicht mir dieser Kerl endgültig! „Halts Maul! Charly, was glaubst du wohl was ich gefunden habe als ich die Kameras versteckt habe?"
Sie blickt mich fragend an.
„Ja genau. ER war schon vorher da und hat Wanzen hier versteckt. Überall." nun sehe ich ihn hämisch an.
Charlottes Kopf fliegt zu ihm „Was? Wie konntest du? Wie lange läuft das schon?" schreit sie.
„Erst sein einigen Tagen." geben wir beide leise zu.
„Das sind einige Tage zu viel. Ihr entfernt die Dinger! Sofort!" befiehlt sie streng. „Und glaubt bloß nicht das ich einen von euch erst mal wieder sehen will." Sie rauscht in ihre Decke gewickelt ins Badezimmer. „Scheiße!" entfährt es mir und verzweifelt fahre ich mir mit den Händen durch die Haare. Ich hab's versaut!

Als sie nach einer Viertelstunde immer noch nicht wieder raus kommt klopfe ich leicht an die Badezimmertür. „Süße, komm raus!"
„Erst wenn meine Wohnung wieder clean ist." droht sie durch die geschlossene Tür.
„Etwas unfair bist du jetzt aber schon. Schließlich wusstest du, dass wir beide mit allen Mitteln um dich kämpfen würden. Das schließt technische Hilfsmittel mit ein." Erkläre ich du bereue meine Worte sofort wieder. Warum kann ich nicht einmal meine vorlaute Klappe halten? Oder doch nicht ... denn die Badezimmertür öffnet sich und sie kommt heraus. Mit voller Wucht landet ihre kleine zarte Hand auf meiner Wange. Autsch, die hat gesessen!
„Du spinnst doch! Ihr alle beide!" schimpft sie.
„Wer hatte denn die Idee mit diesem dämlichen Spiel? Wer hat den Spaß daran das sich zwei Männer um dich prügeln?" gebe ich ihr zu verstehen, dass ich auch dieses Gespräch bereits mitbekommen habe.
Sie sieht mir fest in die Augen. Sie erinnert sich an den Abend. Sie schluckt. „Das ist ... richtig ... Okay, ich gebe es zu! Es tut mir leid!" flüstert sie und knetet ihre Hände. Sie ist überführt und nun nervös.
„Nun hast du die direkten Folgen deines Spiels mitbekommen. Dein Bruder hat es dir ja gesagt oder?" mischt sich nun Max ein.
Charlotte nickt. „Es ist furchtbar und tut mir leid!" Ohne Vorwarnung umschlingt sie mit ihren Armen meine Taille und schmiegt ihre Wange an meine Brust.
„Bitte verzeih mir!" flüstert sie so leise das nur ich sie hören kann.
Ich sehe liebevoll auf sie hinunter und nicke stumm. Sanft streichel ich ihr mit der Hand über das Haar.
Dann löst sie sich von mir und tut das selbe bei Max. Auch er scheint ihr zu verzeihen. Ich lehne mich an die Wand und möchte wissen wie es nun weiter gehen soll.
„Ja genau." meint er.
Charlotte steht zwischen uns und scheint echt verzweifelt zu sein. „Gesteht mir jeder noch drei Dates ein! Bitte! Dann entscheide ich mich. Ehrlich!" sagt sie nach kurzer Überlegung und blickt zu uns auf „Und das mache ich nicht aus dem Grund das ich gern zusehen wie ihr euch bekriegt, sondern weil ich euch noch etwas genauer kennen lernen möchte. Und du Max weißt noch nicht viel über mich. Möchtest du das nicht nachholen?"
Ich schaue zu ihm. Er nickt und sagt „Das klingt fair. Und du hast recht. All zu viel weiß ich noch nicht von dir."
„Dann ist es abgemacht? Max, Tom." fragt sie zögerlich.
„Unter einer Bedingung. Dürfte auch in deinem Interesse sein." werfe ich ein und sehe ihn an. „Du hast keinen Sex mit uns bis du dich entschieden hast!" fahre ich fort. „Ich verstehe. Natürlich!" stimmt sie zu.
„Dann ist es für mich okay." antworte ich.
„Für mich natürlich auch. Ich gebe dich nicht auf, Charlotte!" meint der Lackaffe.

Kapitel 22

Charlotte

 

An diesem Wochenende brauchte ich dann doch mal eine Auszeit und Ruhe für mich. Max war ja sowieso mit seinem Nobelpreisträger beschäftigt und Tom sagte ich ab als er mich um ein Treffen bat. Es tat mir zwar leid, aber es musste sein!
Meine Hobbies habe ich lange genug vernachlässigt. Und meine beste Freundin.
Also rief ich am Samstag morgen Franziska an und lud sie zum Spa ins Koia ein.
Die ganzen letzten Tage war ich eh schon gehemmt, da bei mir zu Hause die Wände Ohren und Augen haben. So hatte ich wenig Lust mehr Zeit als nötig dort zu verbringen. 
Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass meine Männer all ihre Abhörgeräte und Kameras entfernt haben! Sie geben doch ihren Trumpf nicht aus der Hand.                   
Franzi und ich lassen uns nach allen Regeln der Kunst, und das auch noch stundenlang von zwei äußerst ansprechend aussehenden Masseuren verwöhnen. Anschließend gehen wir zusammen in ein gehobenes Restaurant und genießen ein köstliches Drei-Gänge-Menü.

Den nächsten Tag verbringe ich allein in der British Library. Die hat auch Sonntags geöffnet.
Den ganzen Tag suchte ich die Gesellschaft von Käptain Ahab, Heathcliff,  John Thorpe und den Buddenbrooks. Es war herrlich einen ganzen Tag nur schweigend da zu sitzen und zu lesen!

Am Montag konnte ich meinen Heathcliff nicht mehr länger hin halten. Als er am Nachmittag zu mir kommt meint er. „Ich hab heute frei und will dir zeigen was ich so jeden Tag mache. Du meintest letztens, du weißt gar nichts mehr über mich. Das will ich ändern. Lern mich wieder neu kennen, Charly!"
Erstaunt reiße ich die Augen auf." Wirklich?"
Er nickt." In mein Büro kann ich dich zwar nicht mitnehmen, aber ich kann dir zeigen womit ich mir nach Dienstschluss meine Zeit vertreibe.“ erklärt er. „Du bist doch sportlich oder, Süße?“             
Dieses freche Grinsen hätte mich stutzig machen sollen, aber ich antworte fröhlich „Das will ich meinen.“
„Okay. Dann schmeiß dich mal in deine Sportklamotten und packe dir was zu trinken ein!“                     
„Wo genau willst du mit mir hin?“ frage ich.                                               
„Nun mal nicht so neugierig. Du erfährst es noch früh genug.“ grinst er.  
„In Ordnung. Ich geh ins Bad. Gib mir fünf Minuten.“ lachend hole ich meine Klamotten aus dem Kleiderschrank und verschwinde im Badezimmer.                  
Ich ziehe mir eine hellblau weiß gemusterte Leggins mit dazu gehörenden Sport BH an. Darüber noch ein marineblauer Hoodie. Ich bin fertig.
„Na, hast du alles?“ Tom zieht mich an sich um mich zu küssen. „Bereit?“   
Ich nicke und küsse ihn erneut.     
„Dann komm mal mit!“ er zieht mich an der Hand hinter sich her.
Mit seinem Wagen fahren wir nach Soho.                                                       „Soho?“                                                 
„Ja Soho. Ich bin fast jeden Tag hier.“ Tom konzentriert sich auf den Verkehr. „Hier ist mein Boxstall.“                 
„Dein was?“                                         
Er dreht kurz lachend den Kopf zu mir. „Mein Boxstall eben. Da trainiere ich. Oder dachtest du dieser Körper wurde mir von Gott geschenkt?“ Stolz klopft er sich auf den Bizeps.                      

Darauf gehe ich nicht ein sondern sage „In Ordnung. Und den willst du mir zeigen? Willst du mir damit sagen, komm Charlotte, beweg dich auch mal wieder! Du bist zu fett.“ ziehe ich ihn auf.                       
„So etwas würde ich nie sagen, Süße!“ entrüstet er sich.
„Das weiß ich doch.“ Ich streichle seinen Oberschenkel. „Ich will dich nur aufziehen.“                              
„Na warte. Ich werde dich auch gleich mal ein wenig ärgern.“ lacht er dunkel. 
Ich schlucke.

Der Boxstall entpuppt sich keineswegs, wie ich es befürchtet habe, als düstere Spelunke in der noch düstere muskelbepackte Kerle auf einander ein schlagen, sondern als helles freundliches und modernes Fitnessstudio. Das es hier um Boxen geht erkennt man nicht nur am Boxring der mittig in der umgebauten Lagerhalle aufgebaut ist, sondern auch noch an den Punchingbällen und Sandsäcken die von der Decke baumeln. Muskelbepackte Kerle gibt es aber selbstverständlich dennoch. Ich lecke mir die Lippen als Tommy mich an ihnen vorbei in den hinteren Teil der Halle führt wo sich die Umkleidekabine befindet.
„Hey Tommy!“ ruft der eine. „Schön dich zu sehen!“ ein anderer.
„Na, bringst du dir den Sparringpartner heute selbst mit?“ lacht ein dritter und hat die Lacher auf seiner Seite.               
Als wir in der Garderobe ankommen meint er „Ich zieh mich schnell um. Bleib besser hier. Wenn du allein dort raus gehst, kann ich nicht für deine Sicherheit garantieren.“
Er scherzt, aber irgendwas sagt mir auch das es durchaus auch ernst gemeint sein könnte. Während Tommy seine Jeans gegen eine bequeme schwarze Trainingshose tauscht und sich die Hände bandagiert sehe ich mich ein wenig im Raum um. An zwei Wänden stehen graue Spinte. Unter den großen Fenstern an der anderen Wand Bänke. Es riecht nach Männerschweiß und Deo. Tief sauge ich den markanten Duft ein. Ein paar Poster an den Wänden. Ankündigungen für vergangene Wettkämpfe, eine nackte Frau darf auch nicht fehlen und eine riesige Pinnwand. Jede Menge Zettel und Aushänge hängen daran. Die alle zu lesen, da fehlt mir jetzt die Lust und die Zeit, denn Tom verkündet gerade er sei jetzt fertig.
Er greift nach meiner Hand und führt mich in die Halle zurück. Einige der Männer unterbrechen ihr Training und starren mich an. Wir gehen auf einen älteren Mann im dunkelblauen Trainingsanzug zu.
„Hey Big Paddy. Darf ich dir meine Freundin vorstellen?“ begrüßt Tommy ihn.
„Charlotte das ist Big Pad, Paddy das ist Charlotte.“ stellt er uns gegenseitig vor.
Wir reichen uns die Hände. Er hat für sein Alter einen kräftigen Händedruck. Überrascht reibe ich mir die schmerzende Hand.             
„Paddy ist nein Trainer seit … ja, seit wann eigentlich, Paddy?“         
„Seit dem du mit 14 angefangen hast Junge.“ lacht der ältere.           
„Stimmt. Eine verdammt lange Zeit!“ Tom sieht zu Boden, kriegt sich aber gleich wieder ein und erzählt weiter. „Alles was ich kann, hab ich von ihm gelernt. Er ist der beste Boxtrainer Londons!“
Unwillkürlich muss ich lächeln bei all der Zuneigung die Tom für ihn aufbringt.                                 
„Nun übertreib mal nicht, Tommy!“ wehrt Paddy ab. „Und heute möchtest du deiner Freundin mal was zeigen?“
„Jup.“                                                     
„In Ordnung. Dann macht mal. Aber sei vorsichtig, Mädchen! Tommy kennt alle Tricks.“ lachend geht er ab.                       
Ich drehe mich zu Tommy um. „Zum Glück weiß ich das du mich nie schlagen wirst. Kämpfen kann ich nicht mit dir. Was soll ich aber dann hier? Was hast du vor, Tom?“ ich nehme ihn in den Arm und sehe zu ihm auf.             
„Ich würde dich niemals schlagen, da hast du recht! Und auch nie mit dir kämpfen. Das könntest du auch gar nicht. Aber ich will dir mein Workout zeigen. Das womit mein Körper so geworden ist wie du ihn liebst.“ Er zwinkert mir zu.             
„Und ich soll mitmachen?“       
„Ganz genau. Auf geht’s!“ lacht er und führt mich in eine ruhigere Ecke der Halle.
                                                                 
Tom

 

„Zuerst Seilspringen. Zum aufwärmen.“ ordne ich an und drücke ihr eines der derben Hanfseile in die Hand. 
Tapfer greift sie danach und wir nehmen uns gegenüber Aufstellung.      
„Go!“ rufe ich und beginne zu springen. „So mein Schatz, heute werde ich dir mal eine Lektion verpassen! Für deine frechen Worte letztens hast du es verdient.“ denke ich und grinse sie böse an.                                          Aber sie springt, richtig gut sogar. Nach wenigen Sekunden fragt sie „Und wie viele machen wir?“       
„Also ich springe 100. Mindestens. Mache so viele wie du schaffst, Süße!“   
Sie hält bis zum Ende durch. „Komm her!“ ich gehe auf sie zu und ziehe sie an mich. „Gut gemacht!“     
Charly lächelt ihr süßes schüchternes Lächeln, das was mich so scharf macht. Sofort merke ich wie sich in meiner Hose was regt.                                             
„Und was jetzt?“ raunt sie mir ins Ohr.  „Ähm … Kniehebellauf.“         
„Ähm. Kniehebellauf also. So so.“ flüstert sie und sieht mich verführerisch von unten herauf an.       
„Hey. Was wird das hier?“ denke ich.                                                         
Auch diese Übung absolviert sie mit Bravour. „Den kennst du schon oder? Macht ihr in eurem Frauenfitnesscenter auch oder?“ ziehe ich sie auf.                                   
Doch sie geht nicht darauf ein und fragt nur herausfordernd „Zeig mir endlich was härteres!“              
„Du willst es härter? Na gut. Warte kurz ich muss  etwas holen!“ Ich laufe kurz in die Umkleide und hole aus meiner Tasche zwei Kleingewichte mit jeweils 5 kg. „Hier. Leichtere habe ich nicht.“ Grinse ich sie an und reiche ihr die gelben Dinger. „Hab ich mitgebracht. Hier gibt's solch ein Mädchenkram nicht. Die Gewichte hier sind für echte Kerle.“ Herausfordernd blicke ich ihr in die Augen.
Ich bin irritiert, ich hätte jetzt erwartet das sie sauer wird und ihren Schmollmund zieht.
Doch sie steht nur da und sieht mich herausfordernd an. „Sehe ich. Und was mache ich jetzt damit?“                                 
Etwas aus der Bahn geraten antworte ich „Du nimmst sie in die Hände. Beine Schulterbreit auseinander stellen. Knie leicht gebeugt. Und nun boxen!“     
„So einfach in die Luft?“ fragt sie. 
„Jup. Ich nehme derweilen diese hier.“ Ich greife nach den 10 kg Hanteln.          
„Angeber!“ zieht sie mich auf.         
Ich stelle mich neben sie und nicke ihr im Spiegel zu. „Los!“                   
Sekundenbruchteile beobachtet sie was ich mache und legt dann selbst los.          
„Das macht sie richtig gut und auch noch länger als ich von ihr erwartet hätte.“ denke ich anerkennend.
Als nächstes lasse ich sie Sit ups machen. Ich halte ihre Füße fest damit sie es leichter hat. 52 Stück schafft sie.
„Wow. Du überrascht mich immer wieder, Charly!“ lobe ich und meine es ehrlich.             
„Tja, in mir steckt eben mehr als man von außen sieht.“ Sie greift mir in den Nacken und zieht meinen Kopf zu sich herunter um mir „Du hast keine Vorstellung davon zu was ich alles fähig bin, Tommy.“  ins Ohr zu flüstern. Dabei berühren ihre Lippen flüchtig meinen Hals. Sofort schießt ein elektrischer Impuls durch meinen Körper.                       
Ich schlucke.
Die Sache hier läuft aus dem Ruder. Ich wollte sie ein wenig ärgern, sie in die Schranken weißen, dass sie mit mir nicht wie mit einem Spielzeug umzugehen hat. Und nun dreht sie den Spieß einfach um und spielt ein sexy freches Spiel mit mir. Sie versucht mich zu verführen. Es ist wie sie sagt, ich weiß gar nicht mehr wer sie ist. Aber die neue Charlotte gefällt mir!                 
Sie will wieder gehen doch ich greife nach ihrem Arm. „Stopp!“ raune ich. „Komm her!“ mit einem Ruck liegt sie in meinen Armen.
Für einen Augenblick ist ihr Blick erschrocken doch gleich darauf wieder sexy herausfordernd. „Was ist? Willst du mit mir in der Umkleide verschwinden?“ neckt sie mich.               
Ich ziehe die Luft scharf ein. „Du weißt genau das wir eine Vereinbarung haben, Charly.“         
Ihr Blick wechselt ins unterwürfige „Schade.“ flüstert sie von unten herauf.  Dieses Biest!
Mein Schwanz meldet sich kampfbereit. Doch ich ignoriere es. „Hör sofort auf damit!“ blaffe ich sie eine Spur zu unfreundlich an.                 
Doch sie lässt sich nicht einschüchtern. „Womit?“ fragt sie unschuldig.                 
„Du weißt ganz genau womit. Süße du machst es mir verdammt schwer dich nicht hier gleich vor versammelter Mannschaft auf der Matte flach zu legen.“ presse ich hervor.                         
„Wirklich? Ist das so?“ sie dreht sich weg „Ich mach doch gar nichts.“              
Für diesen Satz würde ich sie am liebsten versohlen. Doch ich folge ihr wieder etwas zurück in die Halle. Wo wir weiter trainieren werden, denn dafür sind wir schließlich hier.               
„Nun darfst du mich mal schlagen.“ verkünde ich.                 
Charly sieht mich mit erhobener Augenbraue an.                                   
Ich erkläre es ihr. „Ich nehme die hier.“ Und halte zwei Griffpolster für die Hände hoch. „Du wirst dagegen boxen, schlagen, treten. Was ich dir eben sagen werde.“       
„In Ordnung.  Bekomme ich Handschuhe oder so? Meine Fingernägel …“ meint sie und wackelt mit ihren Fingern in der Luft herum.     
„Klar kriegst du welche.“                 
Ich helfe ihr die unbequemen Dinger anzuziehen.
„Bereit?“                                               
„Bereit wenn du es bist.“ antwortet sie. 
„Das ist mein Mädchen! Okay. Schlag jetzt einfach mal links und rechts gegen die Polster. Mit der linken Hand auf das rechte und anders rum genauso.“ befehle ich. 
Sie ballert mir mehrere Schläge so präzise rein das ich erstaunt feststelle „Also entweder bist du ein verdammtes Naturtalent oder du trainierst heimlich.“
Charlys Blick verdunkelt sich, sie bleibt still stehen. „Damals als du einfach so verschwunden bist, habe ich erst gehofft, dann geweint. Mich abschließend, als ich realisierte das du weg bist, an Männer ran gemacht die mir nicht gut taten. Um wieder von ihnen los zu kommen habe ich einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Der Trainer damals hatte so ähnliche Übungen wie du hier eingebaut.“ Sie blickt mir tief in die Augen. „Du siehst also ich kann mich auch etwas verteidigen.“     
Ich habe ihr schweigend zugehört. Ihre Worte klingen in meinen Ohren nach. Das Blut rauscht in meinen Adern. Ich bin schuld! Ich habe ihr das angetan! Meine Süße, schüchterne Charlotte von früher gibt es nicht mehr. Aus ihr ist eine starke junge Frau geworden. Jetzt liebe ich sie gleich noch heftiger!
„Womit geht's weiter?“ höre ich ihre Stimme weit entfernt. „Hey Mister! Womit machen wir weiter?“ sie ist zu mir rüber gekommen, umarmt mich und küsst meine Arme und den Hals.     
„Sex" entfährt es mir.                         
„Was?“ sie beugt sich zurück um mich von etwas weiter weg ansehen zu können. „Ich dachte …“         
„Ähm … Quatsch … ich meinte natürlich Tritte.“ versuche ich erfolglos sie zu überzeugen sich verhört zu haben.                               
Sie stellt sich auf Zehenspitzen und flüstert mir ins Ohr „Schade.“ dreht sich um und geht davon.       
Ja, überaus schade!

„Du warst wirklich gut, Süße! Das hätte ich nie gedacht" lobe ich sie später im Auto auf dem Parkplatz.
„Na du weißt ja nun warum.“ murmelt sie.                                         
Um die Stimmung wieder auf ungefährlicher Pfade zu leiten frage ich grinsend „Na, noch ne Runde joggen in Greenwich zum Abschluss?“     
„Nein danke.“ lacht sie.                     
„Nein?“ mein Grinsen wird breiter „Dann vielleicht spazieren gehen.“  „Jetzt? So wie ich aussehe?“ jammert sie gespielt.                         
„Genau so wie du jetzt aussiehst! Natürlich. So mag ich dich besonders!“ gestehe ich.            
„Wirklich?“ sie sieht mich an.         
Ich nicke. „Zumindest geduscht hast du ja.“ ziehe ich sie auf.             
„Ja du Gott sei dank. Sonst wäre deine Gegenwart schier unerträglich.“ sagt sie gespielt ernst und bekommt einen Lachanfall. „Nein Quatsch, ich liebe deinen Duft!“ flüstert sie plötzlich.         
Schweigen.                                           
Ich schlucke. „Also Greenwich?“    Und sie nickt ebenfalls.
Greenwich verliert zwar zum Winter hin etwas von seinem Reiz, aber eben nicht ganz. Das Gras ist eben nicht so saftig grün wie es im Frühling und Sommer ist. Aber der Park ist schön und weitläufig. Toll zum spazieren gehen. Wir haben Glück mit dem Wetter. Vorhin hatte es noch geregnet, nun scheint die Sonne. Ihr Licht spiegelt sich in den zahllosen Pfützen auf den Wegen wieder.
Arm in Arm eben diesen ausweichend spazieren wir durch den Park.                 
„Ich fand es toll heute!“ meint Charly nach einer Weile.                   
„Und ich fand toll das du mitgemacht hast! Hättest ja auch sagen können >Da brechen mir die Nägel ab< oder sonst was.“               
„Du hältst mich für so oberflächlich?“ sie sieht mich an.   
„Ähm nein … so sollte das jetzt nicht rüber kommen. Entschuldige!“ 
„Schon gut.“ Sie geht weiter. „Ich habe mir übrigens einen Nagel abgebrochen. Dafür wirst du noch büßen … später.“ lächelt sie.
„Okay. Ich freu mich drauf!“       

       

Charlotte

          
„Lust auf Sushi? Ich kenne hier in der Nähe ein super Sushi Restaurant.“ frage ich als sich mein Magen zum wiederholten Male bemerkbar macht.   
„Gern! Können wir da zu Fuß hin oder erst noch zurück zum Auto?“ will Tom wissen.                        
„Folgen Sie mir einfach, Sir!“ lachend ziehe ich ihn an der Hand hinter mir her. „Wir sind gleich da.“   

Ich gehe mit ihm ins Sticks'n'Sushi. Ein fantastisches Restaurant mit noch besserem Essen!                   
„Ich bin öfters mit Franzi hier und mit Aiden wenn er in der Stadt ist.“ erkläre ich fröhlich und ziehe ihn an einen der dunkelbraunen Tische im hinteren Teil des Restaurants.                                      
Nachdem Tom sich gesetzt und sich umgesehen hat meint er „Irgendwie skandinavisch die Einrichtung oder? Ein skandinavischer Japaner? Seltsam.“
„Das ist doch nur das Interieur. Das Essen ist fantastisch!“    
„Fantastisch ist dein Lieblingswort, was Süße? Du benutzt es in fast jedem Satz.“ zieht er mich auf.    
„Und wenn schon. Wenn doch alles so fantastisch ist! Der Tag, das Restaurant hier. Du.“ sage ich leise.                             
Tom sieht mich an, greift nach meiner Hand, drückt sie sanft und sagt lächelnd „Ich liebe dich, du fantastische Charlotte!“                   
„Ich di …“ gerade noch rechtzeitig unterbreche ich mich.
Beinahe hätte ich die drei magischen Worte gesagt. Erschrocken beiße ich mir auf die Lippen. Noch darf ich es nicht sagen. Noch nicht.                   
„Sprich dich nur aus!“ lacht er frech.     
Doch ich gebe ihm stattdessen einen Kuss.
Der muss erst einmal genügen.

 

Tom

 

„Ich geh mal kurz eine rauchen.“ sage ich nach dem Essen und erhebe mich. Mit der Hand wühle ich in meiner Jackentasche nach der Zigarettenpackung und dem Feuerzeug. Doch meine Finger ertasten noch etwas. Etwas was ich schon seit einiger Zeit mit mir rum schleppe und das auf seinen Einsatz wartet.                               
„Geh nur.“ erlaubt sie es mir lächelnd. „Komm aber diesmal wieder zurück!“   
Lachend gehe ich davon.
Draußen vor der Tür des Restaurants schaue ich in das Kästchen. Ein GPS Sender und ein Abhörgerät. Beides nur so groß wie eine Microchipkarte. Charly muss sie stets bei sich tragen. Wochenlang habe ich sie beobachtet. Welche Kleidungsstücke trägt sie regelmäßig? Da wir mit großen Schritten auf den Winter zu gehen, fällt meine Wahl auf ihren dunkelblauen Wollmantel. Den trägt sie täglich. Jetzt muss ich nur noch den richtigen Zeitpunkt anpassen um die Dinger in dem Mantel zu verstecken. Hastig, weil es arschkalt geworden ist und ich Trottel hier im dünnen Shirt rum stehe rauche ich meine Zigarette auf, pustet den weißen Qualm aus und gehe wieder hinein. Charly sitzt am Tisch, den Blick aus dem Fenster gerichtet.       
„Hey Babe.“ grüße ich und küsse sie im vorbei gehen auf den Scheitel.                 
„Hallo Schatz.“ sie lächelt zu mir auf.                                                                               
Nachdem wir noch zum Abschluss Kaffee und Cappuccino getrunken haben erhebt Charly sich und verkündet „Ich geh nochmal kurz zur Toilette. Lauf nicht weg!“ und sie geht ab.
Verliebt lächelnd sehe ich ihr nach bis sie hinter der Tür zur Toilette verschwindet.                                       
Eilig stehe ich auf, gehe zu ihrem Stuhl, krame derweilen die Dinger aus dem Kästchen hervor und beuge mich über ihren Mantel.
Die Taschen sind riesig, aber das sie sie dort zufällig findet ist zu groß.
Besser ist es am Revers. Aber sie stellt den Kragen öfters hoch, dann würde sie die Sachen entdecken.
Wohin dann? Die Lösung sticht mir ins Auge als ich an dem Kleidungsstück hinab schaue. Ganz unten am Saum spaltet sich am hinteren Teil des Mantels der Stoff für etwa 15 cm. Dort klebe ich den Sender hin. Der Klebstoff ist super. Hält bombenfest auf jedem Untergrund.
Das Abhörgerät muss ich aber dann doch am Kragen befestigen, sonst höre ich nichts.
Ich muss mich beeilen und  hoffe einfach mal  das sie ihn nicht findet! Kaum setze ich mich wieder auf meinen Stuhl, kommt sie auch schon zurück. Hastig stehe ich erneut auf. „Wollen wir los?“ frage ich, nehme den Mantel von der Lehne und helfe ihr hinein.
„Dankeschön Schatz!“ lächelt sie.   
„Gerne.“ ich ziehe sie am Revers zu mir und küsse sie leidenschaftlich.            

Kapitel 23

Charlotte

 

 „Was machst du heute noch schönes?" will Franzi im Lehrerzimmer wissen. Ich packe die Arbeitshefte mit den kontrollierten Diktaten der Kinder zusammen und verstaue sie anschließend in meiner Tasche. „Morgen hat meine Mutter Geburtstag und ich habe, ganz untypisch für mich, noch kein Geschenk für sie. Das muss ich besorgen." erkläre ich. „Ich will zu Harrods. Sag mal, hast du nicht Lust mich zu begleiten?" „Bisher habe ich nichts vor heute. Okay, ich komme mit. Ich kenne deine Mom zwar nicht, aber ich versuche dich so gut wie möglich zu beraten." lacht sie. 

Ich stimme in ihr Lachen mit ein. „Das wird nicht nötig sein. Aber ich freue mich nicht allein gehen zu müssen!"
„Wieso eigentlich? Hat heute keiner deiner Traummänner Zeit für dich?" zieht sie mich auf.
„Nix da. Du bist meine beste Freundin und ich habe dich in den letzten Wochen ziemlich vernachlässigt. Jetzt bist nur du dran!"
„Entschuldigung angenommen." lacht sie. „Aber so schlimm war es gar nicht." Sie sieht mir verschwörerisch in die Augen. „Ich habe auch jemanden kennengelernt."
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. „Was? Das ist ja toll! Erzähl mir alles!"
„Nicht hier." kichert sie und sieht sich verstohlen um.
„Dann komm! Ich bin hier fertig für heute." Ich greife nach meiner Tasche und ihren Arm und ziehe sie aus dem Raum.
„Zur Feier des Tagen fahren wir mit einem Taxi. Dann können wir während der Fahrt quatschen. „ beschließe ich und stelle mich an den Straßenrand um ein Taxi herbei zu rufen.
Kurz darauf hält eines direkt vor uns und wir steigen ein.
„Brompton Road. Harrods." teile ich dem Fahrer mit. Dieser nickt und setzt die Fahrt fort.
„Nun erzähl endlich!"
„Also gut. Ich war letztens mit meiner Schwester im Kino ..."
„Deine Schwester lebt doch in Deutschland." frage ich dazwischen.
„Ja genau. Sie war zu Besuch in London. Jedenfalls sind wir im Kino und dann passierte mir das peinlichste und zugleich beste was mir je geschehen ist."
„Na was denn?" frage ich ungeduldig.
„Ich trage diese Coke im Riesenbecher. Vor mir warten ebenfalls Leute auf den Einlass. Jenny fragt mich was, ich weiß gar nicht mehr was eigentlich, da drehe ich mich um und als ich mich wieder zurück drehe, bleibe ich mit meinem Absatz im Bodenbelag hängen. Ich gerate ins straucheln, knicke um, die Coke fliegt mir aus der Hand und landet auf dem Hemd und der Hose von dem Typen vor mir. Der hatte sie umgedreht. Ich falle also und lande gleich nach der Cola in seinen Armen. Voll peinlich! Ich hätte vor Scham im Boden versinken können. Alles hat gelacht." beendet sie ihre Geschichte.
„Eine Wahnsinns Geschichte! Und wie ging es weiter? Was war das Beste was dir passiert ist?" bedränge ich sie.
„Pass auf! Der Typ den ich da vollgekleckert habe, er ist das schärfste männliche Wesen was auf dieser Erde wandelt, Charly!"
Da stimme ich ihr zwar insgeheim nicht zu, denn ich weiß es besser, dennoch nicke ich zustimmend. „Er heißt Sam und ist so süß! Er hat es mir gar nicht krumm genommen das ich ihm nicht nur das Hemd und die Hose, sondern auch den Abend versaut habe. Er war ganz locker. Hat mich zur Seite genommen und meinte >Die Sachen müssen gesäubert werden. Sie müssen mir das aber bezahlen!< Ich denke er will meine Adresse um mir die Rechnung für die Reinigung zu zuschicken, doch er nimmt mich bei der Hand und verlässt mit mir einfach so das Kino. Er hat seine Begleitung einfach so stehen lassen."
„Du aber auch." gebe ich zu bedenken.
„Ja schon. Aber ich habe mit Jenny später telefoniert und sie hat es verstanden. Wir gehen also raus auf dem Kino. Er führt mich die Straße runter zu einem Waschsalon. Dort drin geht er zu einer Maschine und beginnt sich aus zuziehen. Einfach so, Charly. Gut der Laden war leer, aber ich war ja dort."
„Wie jetzt? Der hat sich ausgezogen?" ich kann kaum glauben das jemand sich so verhält. „Der muss ja echt extrovertiert sein!" mutmaße ich.
„Oh ja, das ist er." Für einen Moment hängt sie verträumt lächelnd ihrem Tagtraum nach, dann spricht sie weiter „Er zieht sich die Hose runter, stopft sie in die Maschine und knöpft sich langsam das Hemd auf. Dabei geht er auf mich zu bis er direkt vor mir steht. Ich konnte seinen Duft riechen. Wahnsinn! Mein Herz hämmerte so das ich schon dachte er kann es hören. Dann zieht er es aus und hält mir eine Hand hin. Ich gucke ihn an wie der Ochs vorm Berg."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
„Na er wollte Geld haben. Ich sollte doch die Reinigung bezahlen." lacht Franzi.
„Und weiter?"
„Nun, wir mussten ja die Wartezeit irgendwie überbrücken." Sie zwinkert mir zu.
„Ihr habt doch nicht ... du hast doch nicht ...?" stammle ich.
Franzi nickt geheimnisvoll und grinst schelmisch.
„Franzi! Du Miststück!" lache ich. „Das ist ja Wahnsinn! Einfach so in dem Waschsalon? War da keiner? Die ganze Zeit?"
„Nein und selbst wenn, wir hätten es kaum mitbekommen. Wir waren voll und ganz beschäftigt." ihr Grinsen wird noch breiter. Ich sehe lachend aus dem Fenster. Kann kaum glauben das sie das wirklich getan hat!
„Ich kann es nicht fassen, Franzi! Und wie er es so ... der Sex?"
„Fantastisch! Nein, sogar episch!" schwärmt sie.
„Okay und als seine Sachen wieder sauber und trocken waren ..."
„... wussten wir alles wichtige voneinander und sind zu mir nach Hause gegangen."
„Oh wow, Franzi! Und wie sieht er aus?"
„Nun ja, etwas größer als ich, muskulös, echt gut gebaut, dunkelblonde kurze Haare, blaue Augen und eine sexy Stimme. Ich könnte weg schmelzen bei seiner Stimme!" schwärmt sie.
„Klingt nach einem echten Traummann!" freue ich mich für sie. „Und wie alt ist er?"
„36."
„Cool! Und ihr wollt euch wieder treffen?"
„Haben wir schon." Sie wackelt mit den Augenbrauen.
„Was und ich weiß davon auch nichts?" jammere ich gespielt theatralisch.
"Und ihr seid jetzt zusammen oder wie?"
„Nun ja zumindest treffen wir uns weiter."
„Ich freue mich für dich, Franzi! Ehrlich!" ich drücke ihren Oberschenkel.

Bei Harrods angekommen parkt das Taxi kurz am Fahrbahnrand. Ich bezahle den Fahrer und wir steigen auf der Gehwegseite aus. Arm in Arm betreten wir das Kaufhaus.
„Und, hast du schon eine Geschenkidee für deine Mutter?" will Franzi wissen als wir beide nebeneinander in dem Ägyptisch aussehenden Foyer Harrods stehen. „Auf jeden Fall Pralinen. Sie liebt Süßigkeiten!." lache ich.
„Na das ist ja schon einmal ein Anfang. Komm!" sie zieht mich zu den Rolltreppen.
Aber in der Süßwarenabteilung kann ich mich dann doch nicht entscheiden. Welche sind die richtigen? Mom mag Marzipan, also hole ich davon welche. Sie werden mir in einer hübschen Schachtel und eine weiße Papiertüte verpackt.
„Nun noch das richtige Geschenk." Unschlüssig stehe ich vor dem Hinweisschild der verschiedenen Etagen.
„Ein schicker Wollpulli vielleicht? Es wird ja jetzt Winter." lacht Franzi. „Oder Wollsocken?"
Ich stimme in ihr Lachen mit ein.
Als ich wieder Luft bekomme und ich mich beruhige, schlage ich vor einfach mal zu den Handtaschen gehen.
Franziska Augen beginnen zu leuchten beim Anblick der vielen verschiedenen Handtaschen. Ein Frauenparadies!
„Schau mal diese da!" kreischt sie und stürmt auf eine rosè farbige mittelgroße Ledertasche. „Die ist schön und passt so gut zu meinen Haaren! Findest du nicht auch?"
„Nein, sieh dir die mal an!" rufe ich sie stattdessen zu mir. Ich halte eine smaragdgrüne Shopper Tasche in den Händen.
Sie kommt nicht zu mir, ruft aber „Die passt super zu deiner Haarfarbe!"
Die gefällt mir richtig gut! Und sie ist schön groß. Da passen meine Arbeitsmittel sogar hinein. Und diese Farbe. Ich überlege noch kurz und entscheide mich dann doch dafür sie zu kaufen.
„Jetzt brauchst du aber noch passende Schuhe dazu!" meint Franzi.
„Du hast recht! Wo gibt's hier Schuhe?"
„Auf dieser Etage, Miss. Gleich da hinten." erklärt die freundlich junge Verkäuferin die meine frage mitbekommen hatte.
„Dankeschön!" bedanke ich mich freundlich und ziehe mit Franzi im Schlepptau ab.
„Guck mal! Diese dort vielleicht? Sie sind immerhin grün." meint Franzi nach einer ganzen Weile genervt. Die passenden Schuhe zu meiner neuen Tasche zu finden stellt sich als schwieriger heraus als angenommen. Grün ist wohl nicht gerade die Farbe des Herbstes.
Am Ende entscheide ich mich für hellbraune Lederstiefel. Sie sind so bequem, dass sie sicherlich den Platz meiner absoluten Lieblingsschuhe einnehmen werden!
„Super schön!" lobt meine Freundin.
Als nächstes versuchen wir in der Schmuckabteilung unser Glück, stellen aber nach kurzer Zeit betrübt fest, dass meine Liquidität nicht den Preisen hier entspricht.
Parfum vielleicht? Doch da gehen wir nur eingehüllt in die verschiedensten, sich beißensten Düfte wieder hinaus.
„Ein Hut?" fragend sieht sie mich an. Mein zweifelnden Blick lässt sie lachen. „Komm schon! Selbst wenn wir keinen für deine Mom finden, haben wir wenigstens Spaß gehabt."
„Okay." willige ich ein.
Mit der Rolltreppe geht es für uns ins oberste Stockwerk.
„Also mit diesem dort kannst du dich sogar in Ascot sehen lassen." Franziska zeigt auf ein weißes Modell mit überdimensional großer roter Schleife und jeder Menge Tüll.
Ich kräuselte die Lippen. „Bä."
Interessiert suchend gehe ich durch die Gänge. Ich entdecke zwar ein hübsches fliederfarbenes Hütchen, bin mir dann aber doch nicht sicher, ob dass das richtige Geschenk für meine Mutter ist. „Guck mal!" kreischt Franzi von irgendwoher. Ich blicke mich suchend um und sehe sie vor einem bodentiefen Spiegel stehen. Auf dem Kopf trägt sie einen runden cremefarbenen Hut mit schwarzen Tupfen und schwarzem Hutband. Irgendwie erinnert der mich an Pretty Woman.
Als ich neben ihr stehe sage ich „Der ist hübsch!" und schaue auf das kleine Preisschuld das am Hut baumelt. „Und er kostet ein hübsches Sümmchen."
„Echt? Wieviel denn?" Franzi schaut ebenfalls auf das Schild. „Wow! 590£." Sie schaut enttäuscht ihr Spiegelbild an. „Dabei steht der mir so gut."
Ich nehme sie tröstend von hinten in den Arm und schaue über ihre Schulter ebenfalls mir in den Spiegel. „Das stimmt, Süße! Weißt du was, den schenke ich dir zum Geburtstag."
Ich, als Tochter reicher Eltern, kann mir solch ein Stück locker leisten. Franzi dagegen ist weniger gut situiert. Ich werde es wirklich tun! Ich schenke ihn ihr zu ihrem Geburtstag. Sie hat im Frühjahr. Das passt dann auch noch gut weil man solch einen Hut nur bei warmen Wetter trägt.

Schlussendlich finde ich doch noch das Richtige. Ein luxuriöses Körperpflege Set. Dazu einen super flauschigen Bademantel. Ich habe vor heute Abend noch einen Termin für Mom in meinem Lieblings Spa zu vereinbaren und das dazu zu schenken.
„Ich hab eine Idee. Da dein Kinobesuch ja letztens ins Wasser oder besser gesagt in die Cola gefallen ist ..."
Wir müssen beide schmunzeln.
„... dachte ich mir, gehen wir jetzt sofort gemeinsam ins Kino. Sicher läuft etwas schönes! Und wir hauen uns die Bäuche mit Popcorn und Nachos voll."
„Gute Idee! Ist einstimmig angenommen." stimmt Franzi zu, hakt sich bei mir unter und verlässt mit mir das Shoppingparadies.

 

Kapitel 24

Pünktlich um 16 Uhr stehe ich am nächsten Tag vor dem Haus meiner Eltern in Mayfair.
Da meine Mutter eine passionierte Gärtnerin ist und englische Landhausgärten ihre Leidenschaft sind, ist der Garten meines Elternhauses perfekt gepflegt und wunderschön anzusehen. Und das zu jeder Jahreszeit. Die Rot- und Rosatöne des Gartens verfärben sich, jetzt im Herbst in Richtung Blau und Lila. Ganz so als ob Mutter Natur für den Winter die Lichter auslöscht.
Gedankenverloren streiche ich mit einer Hand über den rauen Backstein. Immer wenn ich hier bin werden Erinnerungen wach. Oft kommt das ja nicht gerade vor, aber Familienfeste und Feiertage sind Pflicht für alle. Und damit meine ich für alle. In der Auffahrt und auf dem gekiesten Platz vor dem Haus stehen überall Fahrzeuge. Ich stelle meinen Mini Cooper noch dazu. Trotz seiner annehmbaren Lackierung wirkt mein Wagen wie der sprichwörtliche bunte Hund zwischen den Luxuskarossen meiner Familie. Der schwarze Bentley meines Vaters steht neben seinem dunkelgrünen Jaguar, den er für Privatausflüge nutzt und dann stets selbst steuert. Der weinrote Mercedes meiner Mutter, parkt daneben. Und auf der anderen Seite parkt ein metallic blauer BMW. Den kenne ich nicht. Scheinbar hatte Emely die Nase voll von ihrem Porsche Cayenne. Nur das Auto meines Bruders fällt noch mehr auf als mein Kleinwagen. Ein alter Scoda. Aiden war schon immer anders als unsere Eltern. Reichtum, sofern man ihn besitzt muss man nicht so deutlich nach außen tragen. Meine Eltern sehen das ganz anders.
„Scheinbar bin ich die letzte." murmle ich und drücke auf den Klingelknopf. Nur Sekunden später wird mir von Babette geöffnet. „Guten Tag, Miss Spencer! Schön das Sie da sind!" begrüßt sie mich.
„Hallo Babette. Schön Sie zu sehen! Geht es ihnen gut?"
„Ich kann nicht klagen." lächelt sie schüchtern.
Babette arbeitet bereits einige Jahre bei meinen Eltern. Ich persönlich hätte mit meinen besten Jahren sicherlich etwas besseres anzufangen gewusst, als den Dreck fremder Menschen weg zu räumen. Aber so hat jeder eben seins.
Wir sind zwar keine Royals, aber den Luxus Bedienstete zu unterhalten leistet sich meine Familie bereits seit Generationen. Zumindest seit dem mein Ur-Urgroßvater mit cleveren Geschäften zu Geld gekommen ist. Seit damals gibt es auch ein Familienmotto >Ostende nobis quid< - Zeige was in dir steckt. Ein Motto, dass einige Familienmitglieder etwas zu intensiv verinnerlicht haben. Vater besteht darauf das unser Motto strikt durch zuhalten ist.
Inzwischen war ich eingetreten und Babette hat die schwere Eichenholztür geschlossen. Sofort umfängt mich Wärme. Da kommt meine Mutter mit ausgebreiteten Armen auf uns zu.
„Babette im Salon wird eine weitere Flasche Champagner benötigt." zischt sie bevor sie sich mir zuwendet.
Babette eilt davon.
„Charlotte, schön das du kommen konntest!" Sie nimmt mich in den Arm und küsst mich links und rechts auf die Wangen.
„Das ist doch selbstverständlich, Mummy! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" lächle ich und überreiche ihr die Geschenktüte.
„Oh! Danke sehr, mein Schatz! Aber nötig wäre es nicht gewesen."
„Ja na klar. Ich kreuze hier ohne Geschenk auf und mache mich zum Gespött der gesamten Familie." scherze ich. „Sicher hat Dad wieder das größte, tollste und vor allem teuerste aufgetrieben."
Sie lacht. „Oh ja, das hat er. Er schenkte mir eine Luxus Kreuzfahrt. Nur wir zwei. Über Silvester."
„Sehr einfallsreich. Wo ihr doch so selten Urlaub macht." lache ich.
„Der Wille ist es der zählt, mein Schatz. Und zwei Wochen ohne die Bank und allem was daran hängt, hören sich in meinen Ohren sehr verführerisch an!" erklärt sie und ich kann sie verstehen.
Mein ganzes Leben lang kenne ich nur einen Alltag, Dad ist in der Bank oder in seinem Arbeitszimmer und wir müssen ohne ihn Familie spielen. Und wenn er sich gerade mal nicht in der Bank aufhielt, war er auf Geschäftsessen oder hatte wichtige anderweitige Termine. Für Mom hat er regelmäßig zwei Abende der Woche Zeit. Dann gehen sie in die Oper, besuchen Partys oder gehen essen. Wir Kinder kannten Dad als wir noch jünger waren hauptsächlich von dem riesigen Ölschinken der im Wohnzimmer über dem Kamin hängt. Darunter, in die Front des Kaminsims eingemeiselt unser Familienmotto. Schön vor unserer Nase, so dass wir tagtäglich daran erinnert wurden warum wir hier waren. Stets das Beste aus sich raus holen. Aiden wurde Anwalt. Und heiratete auch noch eine Kollegin. Er arbeitet für eine kleine Bank in Dover. Emely fiel mit ihrem Studienfachwechsel vor knapp ein ein halb Jahren teilweise in Ungnade, als sie von Wirtschaftswissenschaften in Oxfort zu Modedesign hier in London wechselte. Vater war damals so erbost, dass er sich einige Wochen weigerte auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln. Aber schließlich kam er zu dem Entschluss, dass überhaupt etwas zu studieren doch auch schon etwas war. Zudem zeigte die internationale Modewelt, dass man damit auch gut Geld verdienen konnte.
Das Verhältnis zwischen unserem Vater und uns Kindern, explizit mir war nie das beste.
Ich bin das so genannte Sandwichkind. Das Kind das zwischen dem Ältesten und dem süßen Nesthäckchen geboren wurde. Dazu falle ich schon seit der Pubertät aus dem Rahmen. Rannte dem schlimmsten Kerl unserer Clique hinterher bis ich ihn endlich an der Angel hatte. Baue Mist wie zum Beispiel mit geklauten Autos durch London fahren oder stehle Kosmetik im Kaufhaus und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen studiere ich zwar, aber was? Nicht etwa Jura oder BWL, wie man es ganz der Tradition folgend von mir erwartet hätte, sondern Pädagogik. Ich werde eine schlecht bezahlte Lehrerin und laufe somit Gefahr ihm das ganze Leben auf der Tasche zu liegen. Damit bin ich die erste Versagerin in der Familie. Sie können sich vorstellen wie mein Vater sich gefreut hat.
„Komm mit in den Salon! Es sind schon alle da." meint Mom und nimmt sanft meinen Ellbogen.

Als wir den Salon betreten liegen alle Blicke auf uns. Dad kommt auf mich zu „Charlotte. Lass dich ansehen. Du wirst ja immer dünner. Isst du nichts oder hast du wieder Ärger?" brummt er und lässt den Blick abschätzig über neben Körper wandern."Hast du kein Geld um dir Nahrung zu kaufen?" flüstert er mir ins Ohr.
„Ähm Dad. Mir geht es gut. Danke für die Nachfrage." weiche ich aus und küsse ihn auf die Wange. „Schwesterherz." ruft da jemand. Es ist Aiden, er winkt vom Sofa her zu mir herüber wo er auf der Lehne neben Mary sitzt.
Freudestrahlend laufe ich auf die beiden zu. „Mary, Aiden. Schön euch zu sehen!" freue ich mich ehrlich.
Aiden steht auf und umarmt mich. Dabei hebt er mich wie er es immer getan hat in die Höhe.
Mary versucht ebenfalls aus dem tiefen Sessel hoch zu kommen. „Nein nein, du bleibst mal hübsch sitzen!" lache ich und umarme sie im Sitzen. „Wie geht es euch?" frage ich und streichel ihr über den Bauch. „Mir geht es prima und der kleinen hier ebenfalls. Alles in Ordnung." antwortet sie und streicht zärtlich mit der Hand über ihren Bauch. Das enge Jersey Kleid spannt sich schon ganz schön über ihre Babymurmel.
„Das ist schön!" erwidere ich und setze mich ihr gegenüber in einen Sessel. Babette bringt ein Tablett mit vollen Gläsern. Aiden und ich nehmen je eine Sektflöte. Mary reicht er eines mit einer dickflüssigen orangefarbenen Flüssigkeit. „Hier Schatz, dein Karottensaft."
"Steh ich im Moment voll drauf." erklärt sie mit entschuldigenden Blick als sie meinen angewidert fragenden sieht. „Ist zur Zeit das einzige was ich runter gekommen." lacht sie.
„Ohne Begleitung heute Abend?" staunt Aiden im Flüsterton. „Ich hätte gedacht jetzt wo du zwei geeignete Kandidaten hast kommst du wenigstens mit einem her." raubt er an mein Ohr.
Ich schüttle den Kopf. „Die Zeit das ich sie unseren Eltern vorstelle ist noch nicht gekommen, finde ich. Damit warte ich bis ich mich entschieden habe."
Aiden und Mary wechseln bedeutsame Blicke.
„Na ja, Tom Cray kennen sie ja schon." wirft er lässig ein. Mary muss lachen und verschluckt sich an ihrem Saft. Sie hustet krampfhaft. Aiden klopft ihr besorgt auf den Rücken bis es wieder geht.
„Ja sehr lustig! Ich weiß das sie nicht sehr glücklich über meine Entscheidung wären wenn ich mich für Tom entscheide. Aber es ist mein Leben." bestimme ich.
„Da hast du recht!" stimmt Mary mir zu.
„Und eine gute Partie ist er ja nun mittlerweile auch."
„Er mag ja ein geheimnisvoller und guter Geheimagent ihrer Majestät sein, aber der Traumprinz von der London Stock Exchange, den sich unsere Eltern für ihre verkorkste Tochter gewünscht haben, ist er eben nicht." zieht Aiden mich auf.
„Streu nur weiter Salz in die Wunde, Bruderherz! Kann ja nicht jeder so perfekt sein wie du." Ich versuche mit dem Fuß sein Scheinbein zu treten, doch er weicht aus.
„Daneben."
„Charlotte? Schätzchen, hallo." ruft da jemand hinter mir. Ich wende mich um und entdecke Granny.
„Granny!" Freudig springe ich auf, stelle schnell mein Glas irgendwo ab und laufe zu ihr. Herzlich umarme ich meine Großmutter.
"Mein Liebling." sagt sie liebevoll. Im Gegensatz zu meinem Vater habe ich in ihren Augen stets das richtige gemacht. „Höre nur immer auf dein Herz!" sagt sie mir immer.
„Ist das schön sich zu sehen! Wie geht es dir? Was machst du so zur Zeit?" bestürme ich sie mit Fragen
„Also zu aller erst, mir geht es fantastisch! Ich Urlaube zur Zeit in Florida. Das Klima dort ist prima für meine Gelenke. Das britische wäre das reinste Gift für mich. Dazu habe ich wieder angefangen zu malen."
„Wirklich? Toll!" freue ich mich. Früher hatte sie schon einmal gemalt. Richtig gut sogar. Doch dann rutschte sie im Winter auf einer gefrorenen Pfütze aus und brach sich den rechten Arm. Dann war es erst einmal vorbei mit der Malerei. Das ist jetzt fast 3 Jahre her. Umso schöner das sie ihr altes Hobby nun wieder für sich entdeckt hat!
„Viel wichtiger ist jedoch, wie geht es dir? Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du reihenweise die Herzen der Männer brichst." Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.
„Ich glaube diesem Vogel muss ich den Hals umdrehen." sage ich düster und schaue zu Aiden. Er bemerkt es und prostet mir frech mit seinem Glas zu.
„Sei ihm nicht böse, Liebes! Wir hatten noch nie Geheimnisse voreinander." Sie winkt ihrem Enkelsohn zu. „Ich freue mich für dich, dass du jemanden gefunden hast! Aber verbrenne dich nicht, Charlotte! Zwei Männer. Eine dreier Konstellation geht nie gut." Sie sieht mir fest in die Augen. „Aber es sollen ja ganz passable Männer sein! Und du bist eine Schönheit! Kein Wunder das dir die Männer zu Füßen liegen!"
„Granny." Beschämt sehe ich auf meine Fußspitzen. Ich freue mich aber, dass Aiden meine Jungs als akzeptable Kandidaten beschrieben hat!
„Ich sage nur die Wahrheit. Du hast so eine gewisse Ausstrahlung, Charlotte. Die Männer können wahrscheinlich gar nicht anders als sich dir zu Füßen zu werfen."
So etwas in der Art hat Tommy auch schon gesagt.

Kurz darauf schlägt mein Vater mit einer Gabel gegen sein Glas und verkündet, dass die Kaffeetafel gedeckt sei. Alle folgen ihm und Mom hinüber in das Speisezimmer.

Dolly hatte sich mal wieder selbst übertroffen mit ihren Backkünsten! Torten, Bisquitrollen, Obstkuchen, Petit Fours. Bei dem Anblick der Köstlichkeiten läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Das ist es was ich ehrlich vermisse - das gute Essen von Dolly!
Obwohl es nur ein Kaffeetrinken ist, stehen, wie bei einem Bankett an jedem Platz Tischkärtchen mit unseren Namen darauf. Jeder nimmt auf dem ihm vorgeschriebenen Stuhl Platz. Ich sitze zwischen Aiden und Emely. Ich hatte meine jüngere Schwester heute noch gar nicht gesehen. Sie sitzt bereits auf ihrem Stuhl als ich neben sie trete.
„Emely." rufe ich erfreut.
Sie sieht auf, erhebt sich um mich zu umarmen. „Charlotte. Wie schön!" sagt sie mit ihrer zarten Stimme.
Wir setzen uns. Aiden ebenfalls.
„Hi Em. Da bist du ja. Wo hast du dich bisher versteckt?" grüßt er sie über meinen Schoß hinweg.
„Ich war oben. Telefonieren." erklärt sie kurz angebunden. Wie immer eigentlich.
Emely hat schon immer bemerkt, dass zwischen Aiden und mir kein Blatt passt und sie schon gar nicht.
Wir waren uns immer ein Stück weit fremd. Mir ist sie es jedenfalls. Was sie so den ganzen Tag treibt, was für Menschen sie ihre Freunde nennt, ob sie überhaupt welche hat - all das kann ich gar nicht sagen. Aiden war stets bemüht uns Geschwister zusammen zu halten. Mit mäßigem Erfolg wie er sich nun als Erwachsener eingestehen musste.
Dann wird gegessen, getrunken und noch mehr gegessen.
Babette geht mit Kannen voller Tee und Kaffee herum und schenkt uns nach. Mutter versorgt ihre Gäste mit Torte und Dad unterhält sich mit Onkel Oswald. Onkel Oswald ist eigentlich nicht unser richtiger Onkel. Aber wir kennen ihn seit unserer Kindheit nur als Onkel Oswald. Ich beobachte die beiden wie sie die Köpfe zusammen stecken. Sicher geht es mal wieder um die Bank. Dad schüttelt gerade vehement den Kopf und wehrt mit seinen Händen ab während Oswald eindringlich auf ihn einredet.

Nachdem alle satt sind ziehen die Männer sich im Salon zum Rauchen zurück. Mom hasst es das Dad immer seine Zigarren qualmt und sie gestattet es ihm ausschließlich im Salon. Und auch nur wenn sie nicht mit anwesend ist. Nach all den Jahren hat es sich bei Gästen ebenfalls so eingebürgert.
Aiden geht ebenfalls mit.

Mary und ich setzen uns im Wohnzimmer wieder auf einen Sessel, wobei ich ihr die bequeme Sitzfläche überlasse und mich selbst auf die Lehne hocke.
„Erzähl jetzt mal ohne die neugierigen Ohren deines Bruders, wie läuft es wirklich mit Tom und Max?" fordert sie mich auf und sieht verschwörerisch zu mir auf.
„Gut, wirklich gut. Wir treffen uns regelmäßig. Sie lassen sich echt was einfallen um mich zu beeindrucken. Max hat für uns eine eigene Kapsel im London Eye bei Nacht gebucht. Das war so romantisch!" schwärme ich. „Und Tommy ist so kreativ. Er zeigt sich von einer ganz neuen Seite. Romantisch aber auch fordernd und wild wie immer."
„Und der Sex?"
„Den gibt es gerade nicht. Das ist echt hart! Nicht nur für die Jungs." grinse ich bei dem Gedanken an das was im Boxstall passiert ist.
„Letztens habe ich frecher weise etwas mit Tommy gespielt. Ich habe ihn raus gefordert, heiß gemacht. Ich wollte sehen wie weit ich gehen kann bis er sich nicht mehr beherrschen kann."
„Ein Test also! Und?" fragt Mary gespannt.
„Er drohte mir mich gleich übers Knie zu legen wenn ich nicht damit aufhöre. Aber lieb eben. Er musste sich dennoch echt beherrschen. Die deutliche Beule in seiner Hose habe ich sehr wohl bemerkt." Wir müssen beide kichern wie zwei Schulmädchen.
„Mehr als küssen ist also nicht drin bis du dich entschieden hast?" hakt sie nach.
Ich nicke. „Ganz genau. Weißt du , in seiner Gegenwart bin mutig, wild, irgendwie ... verändert. Vielleicht ist das ja mein wahres Ich. War es schon immer. Irgendwo hier in mir drin. Ich weiß es nicht. Und wenn nicht, bringt Tommy meine besten Seiten zum Vorschein." schwärme ich.
„Und, tendierst du denn schon zu einem?"
„Es ist echt schwierig!" grüble ich. Habe ich einen Favoriten? Ich weiß es nicht!
„Also ich habe es damals schon gesagt als du bei uns warst und ich wiederhole es gern wieder. Ich denke du hast dich unterbewusst schon entschieden." spekuliert Mary.
„Ach so? Und wen bitte schön?"
„Das behalte ich schön für mich. Ich will dich ja nicht beeinflussen. Du kommst schon sehr bald selbst darauf!" zwinkert sie mir zu.
„Okay." sage ich gedehnt.
Den restlichen Abend grübel ich über Marys Vermutung und meine Gefühle nach. Zu einem Entschluss komme ich dennoch nicht.
Mein Vater hält noch eine emotionale Rede auf meine Mutter. Es folgt begeisterter Applaus und um Mitternacht sogar noch ein kleines Feuerwerk.
Ich freue mich für Mom über das gelungene Fest! Man wird schließlich nur einmal 50.

Kurz darauf, gegen 1 Uhr verabschiede ich mich.
„Schon?" fragt Mom.
„Nun ja. Es gibt Leute die morgen früh zur Arbeit müssen. Oder besser gesagt, nachher."
„Da hast du recht. In Ordnung, mein Liebling. Fahr vorsichtig!" verabschiedet sie mich an der Haustür. Dad kommt dazu und schüttelt mir die Hand zum Abschied.
„Du willst aber doch nicht gehen ohne mir Adieu zu sagen." ruft Granny von der Salontür herüber. Wir gehen aufeinander zu und umarmen uns herzlich.
„Tschüß Granny. Es war schön dich wieder gesehen zu haben!"
„Das fand ich auch! Auf wiedersehen, Schatz."
„Ich hab dich lieb, Granny!" ich gebe ihr noch einen letzten Kuss auf die Wange.

 

Kapitel 25

Tom

 

„Neuer Auftrag für Sie, Cray. Sie fliegen morgen früh nach Kiew. Dort soll sich ein gewisser Michail Makarow aufhalten. Ihr Kontaktmann vor Ort heißt Vladyslav Sorokin. Die Adresse wo sie sich treffen finden sie in ihren Unterlagen. Downing Street braucht mehr Informationen um gegen Makarow handeln zu können!" weißt Falkner mich ein. „Verstanden, Sir. Wie lange wird es dauern?"
„So lang wie es eben dauert, Cray. Und noch was, wir kennen Sorokin nicht, er könnte auch ein Doppelagent sein. Sehen Sie sich also vor! Falls widererwartend etwas schief geht haben Sie Genehmigung für finalen Rettungsschuss. Ihre Unterlagen und Extras erhalten Sie vom Quartiermeister." Ich schlucke. Das passt mir jetzt gar nicht in den Kram. Dennoch muss ich meinen Job machen und sage „Alles klar, Sir. Danke." und lege auf.

Später in der Forschungsabteilung erhalte ich von Bekker dem Quartiermeister meinen Reisepass, Unterlagen, etwas ukrainisches Geld und das Beste von allem, mein ‚Spielzeug'.
„Cray, heute habe ich für Sie einen Kugelschreiber mit integriertem Betäubungsmittel im Reisegepäck. Ein Schuss. Ihre Waffe, eine Walther CCP." Er schiebt mir Waffe und Kuli rüber." Dann noch diese Armbanduhr hat ein micro Stahlseil integriert. Sie lösen es aus indem Sie hier drücken." Er drückt auf das Einstellrädchen und ein sehr dünnes, kaum erkennbares aber starkes Stahlseil von 50 cm Länge schießt aus der Uhr heraus und baumelt daran herunter. „Falls Sie sich im Nahkampf verteidigen müssen." erklärt Bekker. Er drückt erneut auf das Rädchen und das Seil fährt sich ein als wäre nichts gewesen. „Also nutze ich es um jemanden zu strangulieren." denke ich weiter. Hoffentlich brauche ich es nicht! Das letzte mal hat mir gereicht. Da hat der Kerl sich gewehrt wie ein Löwe. Hat ewig gedauert bis ich ihn zu Boden gebracht hatte.
„Dazu noch ein paar GPS Sender. Nur für den Fall das Sie sie gebrauchen könnten. Sind Standard. Mehr dürften sie wohl kaum benötigen." meint Bekker. Ich nicke und stecke mir die Waffe in das Schulterholster. Den Rest packe ich zusammen auf den Umschlag mit den Unterlagen und verlasse ohne ein weiteres Wort das Labor.

Ich muss es Charly sagen. Nicht noch einmal kann ich einfach so abhauen. Ich wähle auf meinem Smartphone ihre Nummer. „Hey Babe." raune ich als sie ran geht. „Hey Schatz." freut sie sich. „Was gibt's?"
„Also zuerst einmal wollte ich deine Stimme hören. Und zweitens muss ich dir was sagen." beginne ich.
„Ich bin ganz Ohr." sagt sie verführerisch. Ihre Stimme klingt selbst durch das Telefon total sexy! Sicher macht sie gerade ihren süßen Schmollmund.
„Ich muss weg." sage ich gerade heraus.
„Bitte was?" sie erschrickt und hustet.
Ich lache „Nicht was du denkst. Ich muss arbeiten. Ein Auftrag in Kiew."
„Oh." macht sie traurig.
„Oh Baby, keine Angst! Ich komme wieder!" versuche ich sie durch das verdammte Handy durch zu trösten. "Versprochen!"
„Wird es gefährlich?" ihre Stimme zittert.
„Das kann ich dir nicht sagen. Es kann immer was dazwischen kommen."
Sie zieht die Luft scharf ein. Ich höre sie schluchzen. Ich versuche es mit einem Zitat „Liebling, das Leben ist immer Lebensgefährlich."
Da muss sie lachen. Zumindest ein wenig.
„Ist wieder alles gut?" frage ich vorsichtig. „Nur zu deiner Information. Ich habe was zur Verteidigung dabei."
„Waffen?"
„Jup, die auch."
„Okay. Das beruhigt mich ein bisschen." sagt sie leise. Noch leiser fügt sie hinzu „Damit muss ich mich wohl abfinden als Frau eines Geheimagenten." Ich horche auf. Hat sie da gerade zugegeben das sie sich schon längst für mich entschieden hat?
Charly scheint ihre Wortwahl selbst nicht mitbekommen zu haben, sie fährt fort „Deshalb hat James Bond keine feste Freundin. Welche Frau kann diesen Stress schon über einen längeren Zeitraum mitmachen?"
„Ich kenne eine die es kann." versuche ich sie aus der Reserve zu locken.
„Und alt wird ein Agent ja auch nicht."
„Keine gute Wortwahl, Mister!" faucht sie. Ich lache über meinen eigenen Fehler. „So habe ich das doch nicht gemeint. Ich wollte sagen, dass Agenten früher in Rente gehen. Mit spätestens 50 bin ich raus. Dann können wir uns von meiner Pension ein geiles Leben machen, Babe!"
„50? Tommy, wenn du überhaupt so alt wirst."
„Hey, ich bin der Beste. Mach dir keine Sorgen! Bitte!"
Das Gespräch läuft aus dem Ruder. Ich wollte mich doch nur verabschieden. Das klappt so nicht. „Ich bin gleich da." sage ich und lege auf ehe sie Einwende erheben kann. Ich greife meine Jacke und Autoschlüssel und verlasse meine Wohnung. Es ist nicht weit von meiner zu Charlys Wohnung. Nur etwa 20 Minuten zu Fuß, mit dem Auto ein Katzensprung. Ich fahre aus der Tiefgarage und parke 5 Minuten später vor ihrem Haus.

„Was machst du hier?" sie steht lächelnd an den Türrahmen ihrer Wohnungstür gelehnt und sieht zu wie ich die Treppen zu ihr hoch steige. Sie trägt einen übergroßen grünen Hoodie der sich in perfekter Harmonie mit ihrem langen gelockte roten Haar und ihrer gebräunten Haut zu einem wunderschönen Gesamtbild fügt. Oh man, ich liebe diese Frau!
„Na mich wie ein Gentleman verabschieden . Am Telefon ist ja nicht gerade die feine Art." erkläre ich und nehme sie an der Taille um sie nah an mich zu ziehen. „Hey, Babe! Wie geht's dir?" Ich küsse zärtlich ihren schönen Hals. Sofort reagiert ihr Körper auf mich. Eine feine Gänsehaut überzieht die sensible Haut am Hals.
„Jetzt gut." haucht sie mir ins Ohr. „Oh Charly." raune ich, hebe sie an der Taille hoch. Sofort umschlingen ihre Beine meine Hüfte und sie krallt sich an meinen Hals. Überrascht quiekt sie auf. Ich trage sie in die Wohnung und werfe sie im Schlafzimmer auf das Bett. „Tommy ..." doch weiter sagt sie nichts. Also mache ich weiter. Langsam ziehe ich mir meine Jacke aus und sehe dabei hinunter auf sie, wie sie sich so vor mir auf dem Bett räkelt.

Ihre idiotische Regel besagt ihr vielleicht das sie nicht mit mir schlafen sollte, doch ihr Körper spricht eine ganz andere Sprache. Sie will es. Und außerdem will ich nicht mit ihr schlafen - ich will sie ficken!

Mit einem schnellem Handgriff entledige ich mich meines Shirts. Dann beuge ich mich über sie bedecke ihren Hals mit weiteren Küssen. Sie stöhnt streichelt meinen Nacken und Rücken. Ich gehe tiefer, schiebe eine Hand unter den Pulli. Sie trägt nur ein Höschen, keinen BH.
„Hast mich wohl schon erwartet." grinse ich und beiße ihr sanft in den Oberschenkel.
Sie stöhnt laut auf.
Meine Hand erforscht weiter ihre Mitte. Sie ist schon wieder bereit für mich. Mit beiden Händen ziehe ich ihr das Höschen aus, dann spreize ich ihr die Beine so breit das ich mich dazwischen Knien kann. Lasziv langsam lasse ich meine Zunge an der Innenseite ihrer Oberschenkel entlang gleiten. Charly greift in das Laken, ihre Beine liegen nicht still. „Bleib still liegen!" raune ich an ihrer Spalte. Mit schnellen Bewegungen lasse ich meine Zungenspitze über ihre Spalte gleiten, immer wieder. Ich umrunde sie. Ertaste ihre Knospe, umkreisen sie, sauge daran und lasse sie so in höhere Sphären der Lust aufsteigen. Dann mit einer schnellen Bewegung der Zunge dringe ich tiefer in sie ein. Sie schreit auf als ich ihren empfindlichsten Punkt gefunden habe. Ihre Fingernägel graben sich in das Fleisch auf meinem Rücken. Das gibt sicher Kratzer!
Ich nehme einen Finger zu Hilfe und Finger und lecke sie zu ihrem ersten Höhepunkt heute Abend.
„Ich möchte auch was für dich tun!" sagt Charly leise als wir eine Pause machen und einfach nur nebeneinander in ihrem Bett liegen. „Aha, und was genau?" frage ich schelmisch grinsend. Als wüsste ich es nicht.
Sie setzt sich auf und ist gleich darauf über mir. Ihre sinnlichen feuchten Lippen bedecken meinen ganzen Oberkörper mit Küssen. Sinnlich langsam fährt sie mit den Fingerspitzen die schwarzen Linien auf meiner Haut nach. Ihr schöner Mund küsst meine Brustwarzen und fährt dann Abwärts bis zu meinem Schwanz. Als sie wieder höher rutschen will, greife ich in ihr Haar und drücke sie wieder hinunter auf meinen Schwanz. Sie kapiert - ich will mich in ihr spüren. In ihrem sexy warmen Mund. Da ich mit dem Rücken am Bettende lehne habe ich beste Sicht auf mein Mädchen wie sie es mir mit dem Mund besorgt. Ihren perfekten Arsch streckt sie demonstrativ in die Höhe, wackelt ein bisschen damit vor meiner Nase. „Oh tu das nicht!" knurre ich gespielt böse. Sie schwenkt ihren Po und fragt unschuldig „Was soll ich sein lassen? Etwa DAS hier?" Sie sieht mir von unten herauf in die Augen, im Mund meinen harten Schwanz. „Tu das nicht! Ich muss dich sonst bestrafen." drohe ich dunkel. Sie schaut noch eine Spur unschuldiger. „Oh fuck, Charly! Ich will es dir richtig hart besorgen! Darf ich das tun?" Man(n) muss sich ja vergewissern. Als sie nickt und abwartend mit ihren großen grünen Augen zu mir hinauf schaut, gib es für mich kein halten mehr. Mit einem Ruck ziehe ich ihren Oberkörper in Sitzposition und schiebe ihr den Pulli über den Kopf. „Bleib so!" befehle ich während ich aufstehe und mich umsehe. Am Kleiderschrank hängt was ich gesucht habe. Gekonnt knote ich den Seidenschal um ihre Handgelenke vor ihrem Bauch. „Fesseln. Echt jetzt?" lacht sie. „Das ist nicht witzig! Verstanden?" knurre ich. Dann werfe ich sie zurück auf das Bett , hebe ihre Arme über den Kopf und befehle „Du lässt sie da oben! Verstanden?"
Sie schluckt und nickt. Ihre Mimik wirkt verängstigt, ihr Blick sagt mir aber sie will mehr davon. Lasziv räkelt sie sich auf dem Bett und sieht zu mir auf. „Oh Charly, was machst du nur mit mir?" knurre ich.
„Ich tu doch gar nichts." flüstert sie unschuldig. So, dass reicht, dafür leg ich sie über's Knie! Ich greife nach ihren zusammen gebundenen Handgelenken und ziehe sie mit einem Ruck vom Bett hoch. Dann setze ich mich auf die Bettkante und werfe sie mir über die Knie. „Tommy, was ...." ruft sie erschrocken doch ich gebiete ihr still zu sein.
„Sei still! Ich hatte dich ja gewarnt.
Jetzt ..." Ich streichel ihr mit der rechten Hand über das zarte Fleisch , dann mit einem kräftigen Schlag lande meine Hand auf ihrem süßen Arsch.
Es klatscht laut und Charly schreit auf. „Tommy." Ein weiterer Schlag. Die Haut an der Stelle rötet sich leicht. Mich durchströmt das Adrenalin. Sie so zu sehen, mir völlig ausgeliefert, erregt mich dermaßen das ich kaum noch an mich halten kann.
Noch ein Schlag.
Mittlerweile sind ihre schmerzschreie in ein lustvolle Stöhnen gewechselt wenn ich sie schlage. Noch einer. „Tommy bitte ..."
„Was willst du Charlotte?" frage ich. „Dich." fleht sie. „In Ordnung. Hast du die Lektion gelernt? Wenn du es so darauf anlegt mich zu reizen, dann werde ich dich bestrafen. Ich lasse mich nicht von dir verarschen, Charly!" Sie nickt stumm, den Blick auf den Boden gerichtet. „War nur Spaß, Süße. Keine Angst." lächle ich emtschuldigend und streichel ihr den Hintern. Dann gebe ich ihr einen Kuss auf die gerötete Stelle und lasse sie aufstehen. Ich stehe ebenfalls auf und werfe sie bäuchlings auf das Bett zurück. Mit schnellen Handgriffen entledige ich mich meiner Hose und bin auch schon über ihr. Abwartend was nun geschieht räkelt sie sich schon wieder lasziv vor mir, streckt mir ihren Arsch entgegen. Ich ziehe scharf die Luft ein.
„Ah du willst es von hinten! Ja?" Sie antwortet nicht. Mit beiden Händen ziehe ich ihre Hüfte hoch und stoße ohne Vorwarnung in sie.
Sie schreit auf. Mit einer Hand drücke ich ihren Oberkörper hinunter auf das Bett. Diese Aussicht gefällt mir am besten! Mit der anderen Hand ziehe ich ihre Hüfte immer wieder so nah an mich wie es nur geht. Mit kräftigen Stößen bringe ich sie zum Höhepunkt. Ihre Beine beginnen zu zittern und signalisieren mir das sie kurz davor ist zu kommen. „Komm für mich, Baby!" raune ich in ihr Ohr. Und sie kommt, explodiert förmlich unter mir. Ein warmes Kribbeln fährt mir die Wirbelsäule hoch und ich ergieße mich in ihrer warmen feuchten Muschi. Schwer atmend lasse ich von ihr ab, löse den Knoten ihrer Fessel und rolle mich neben sie auf das Bett. Charly reibt sich die Handgelenke, steht auf und besieht sich in ihr Hinterteil in dem großen Standspiegel.
„Ganz schön rot." stellt sie fest. „Jup. Bist aber selber schuld." ziehe ich sie auf und lehne mich am Kopfende des Bettes an die Lehne.
Sie kommt langsam zurück zum Bett, kniet sich auf die Kante und kommt im Vierfüßerstand zu mir gekrabbelt. Dann legt sie sich halb auf mich, wobei ihr Kopf auf meinem Bauch ruht. Ihre kleine Hand fährt über meinen Körper. Ihre Finger tanzen auf meiner Haut. Gedankenverloren zieht sie die Buchstaben auf meinem Bauch nach. Dort versprach ich einer Ex sie zu lieben bis zum Tod. Nun ja, Liebe ist vergänglich, Tattoos sind es nicht.
Aber unsere Liebe, Charlys und meine, ist anders - sie ist für die Ewigkeit!


Plötzlich sieht sie mir fest in die Augen und sagt „Aber wenn du dort deinem Bond-Girl, irgendeiner osteuropäischen Schönheit begegnest, bitte, lass sie einfach stehen und komm zu mir zurück!"
„Natürlich Baby. Ich hab mein Bond-Girl ja auch schon gefunden!" und ich gebe ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

 

Max

 

„Können wir jetzt endlich mal gehen?" genervt schaue ich zum hundertsten Mal auf meine Armbanduhr.
„Oh Darling, ich habe noch gar keine Schuhe gefunden." empört Beverly sich und dreht sich sofort wieder den Kleiderstangen zu. „Liebling, wenn das so ist, sollten wir vielleicht endlich mal in ein Schuhgeschäft gehen!" schlage ich trocken vor.
Beverly schnauft. „Ich bin ja gleich fertig. Das du immer so drängeln musst." Sie nimmt ein grünes bodenlanges Chiffonkleid von der Stange. Ich verdrehte die Augen und hole mein Smartphone aus der Jackettasche. Ich tippe Charlotte eine Nachricht 'Hey Süße! Was machst du gerade schönes? Ich langweile mich hier zu Tode.'  Während ich auf eine Antwort warte gehe ich zu Charlotte. Meine kleine steht mit einem für sie riesigen Hut auf dem Kopf vor einer Spiegelwand. „Schau mal, Daddy! Der ist doch toll! Steht der mir?" fragt sie und strahlt von unten zu mir herauf.
„Ganz hübsch, mein Schatz!" erwidere ich abwesend. Ich habe die Faxen dicke. Stundenlang geht das jetzt so. Beverly rennt in ein Geschäft nach dem nächsten. Und wir müssen mit, Charlotte und ich. Aber ich bin ja selber schuld. Auch mal Zeit mit ihr zu verbringen hatte ich Beverly versprochen.
„Darling!" kreischt sie von den Umkleidekabinen herüber.
Ich verdrehte erneut die Augen gehe aber zu ihr.
„Was sagst du?" strahlt sie.
„Fantastisch." gebe ich müde zur Antwort.
„Du könntest ruhig etwas mehr Engagement zeigen!" mault meine zickige Ehefrau.
„Ja na klar." brumme ich. Ja, am liebsten würde ich endlich einmal Engagement zeigen und sie erwürgen!
„Pha." zischt sie und reißt den Vorhang wieder zu.
„Weißt du was Charlotte ..." ich gehe zu meiner Tochter, nehme ihr den Hut ab und werfe den auf einen Tisch. Dann nehme ich ihre Hand und führe sie zum Ausgang. „... wir gehen Eis essen." rufe ich laut genug damit Beverly mich hören kann.
„Ja geh doch." brüllt sie hinter dem Vorhang. Ich ignoriere sie und verlasse das Geschäft.
„Daddy, was findet Mummy eigentlich an Kleidern so toll?" will mein Töchterchen wissen als wir Minuten später an der Regent Street in einem Café sitzen und auf unsere Bestellung warten.
„Ach, ich denke, diese Frage kannst du dir schneller als mir lieb ist selbst beantworten." stöhne ich und fahre mir durchs Haar. „Wieso?"
„Ganz einfach, weil du die Tochter deiner Mutter bist."
„Hä?" sie legt den Kopf schief. „,Damit will ich sagen das du sicherlich auch sehr bald das shoppen und Geld ausgeben für dich entdecken wirst." erkläre ich. „Nein ganz sicher nicht. Kleider finde ich doof! Na ja zumindest will ich nicht immer nur Kleider tragen. Hosen mag ich auch!"
Ich muss über ihre kindliche Ernsthaftigkeit lachen.
„Aber du freust dich doch immer wenn Mom mit dir Kleidung kauft?" frage ich.
„Ja, da geht's ja auch um mich. Wenn Mummy einkaufen geht braucht sie immer ewig und das ist so langweilig!" jammert sie.
Ich muss schmunzeln. Die Bedienung bringt unseren Eisbecher und Kaffee.
„Ich würde mich aber mal ganz dolle freuen wenn wir mir ein Pony kaufen würden! Und die Sachen dafür. Das wäre dann auch gar nicht langweilig." Sie wackelt mit den Augenbrauen. Ich lache „Du bist mir eine. Ein Pony also. Das kann ich nicht selbst entscheiden. Da müssen wir Mummy fragen."
„Wieso denn? Du bist doch der, der das Geld hat." Da hat sie recht. „Trotzdem. Mummy wäre sehr traurig wenn wir sie nicht nach ihrer Meinung fragen würden." erkläre ich ihr und nehme einen Schluck Kaffee.
„Ja ja." mault sie und schiebt sich einen Löffel Zitroneneis in den Mund.
Unauffällig schaue ich auf das Display meines Handys. Noch immer keine Rückmeldung von Charlotte. Was macht sie wohl gerade? Ich bin so neugierig das ich so schnell wie möglich heim in mein Arbeitszimmer will! Nachdem Charlotte aufgegessen hat fahren wir mit meinem Chevrolet nach Hause. Beverly wird stinksauer sein. Aber ich traue ihr schon zu, sich ein Taxi zu rufen und so nach Hause zu kommen. Meine Kreditkarte hat sie ja. Wie immer.

Kaum sind wir zu Hause renne ich hinauf finden ersten Stock in mein Arbeitszimmer. Binnen weniger Sekunden habe ich den Lautsprecher angeschaltet und höre live in Charlottes Wohnung. Es ist später Nachmittag, da dürfte sie zu Hause sein. Ich höre leise ihre Stimme. Sie ist sicher im Wohnzimmer oder in der Küche. Und entweder führt sie Selbstgespräche oder sie telefoniert. Gerade sagt sie „Waffen." Warum zum Teufel unterhält sie sich über Waffen? Spricht sie etwas mit dem zweiten Waffennarr den sie kennt, Tom Cray? Sie spricht weiter. „Okay. Das beruhigt mich ein bisschen." Ihre Stimme wird leiser so das ich sie kaum noch verstehe. „Damit muss ich mich wohl abfinden als Frau eines Geheimagenten."
Was ist los? Hat sie sich entschieden und ich habe es nicht mitbekommen? Sie zieht diesen Wichser mir vor? Krass! „Deshalb hat James Bond keine feste Freundin. Welche Frau kann diesen Stress schon über einen längeren Zeitraum mitmachen?" erzählt sie weiter und mir dreht sich der Magen um.
Mit einem mal verändert sich ihr Tonfall „Keine gute Wortwahl Mister!" Ich horche auf. „50? Tommy, wenn du überhaupt so alt wirst." Also wenn es nach mir geht, kann der Typ gleich morgen schon den Löffel abgeben! „Tommy? Tommy, hey! Ahr!" ruft sie laut. Hat der Typ einfach aufgelegt oder was. Trottel! Schadenfroh freue ich mich darüber, dass sie jetzt sicher sauer auf ihn ist und ihm die Hölle heiß macht. Doch ich sollte meine Schadenfreude schnell bereuen. Zuerst einmal tat sich in Charlottes Wohnung nicht mehr. Sie geht ins Badezimmer, in der Küche höre ich den Wasserkocher und sie schaltet das Radio ein. Lovesongs. Hat sie noch was vor und schafft romantische Stimmung dafür oder macht sie es sich gerade selbst? Welche Frau hört denn sonst Lovesongs einfach so. Kurz darauf klingelt es bei Charlotte an der Haustür. Kurz darauf höre ich wieder ihre Stimme. „Was machst du hier?" und leider auch seine Stimme „Na mich wie ein Gentleman verabschieden . Am Telefon ist ja nicht gerade die feine Art."
Er verabschiedet sich? Sehr gut! „Hey Babe, wie geht's dir?" fragt der Wichser und sie antwortet in einem verliebten Tonfall „Jetzt gut." Man hört nichts deutliches, vielleicht küssen sie sich. „Oh Charly."
„Tommy..."
Jetzt reicht's mir! Meine Fantasie ist gut genug, dass ich mir ausmalen kann was nun geschieht. Was mache ich jetzt? Tom ist ja auch einfach mal so rein geplatzt als wir Spaß miteinander hatten, soll ich das auch tun? Das ist nicht mein Stil! Außerdem kann ich doch Charlotte nicht allein zu Hause lassen. Beverly hat es immer noch nicht für nötig gehalten hier aufzukreuzen. Aber wenn ich sie jetzt machen lasse ... Moment eigentlich wollte sie doch nicht mehr mit uns schlafen ohne sich entschieden zu haben? Das muss ich klären! Und zwar jetzt!

Von Belgravia nach Notting Hill brauche ich etwas länger. 35 Minuten später parke ich hinter einem protzigen orangenen Audi, steige aus und laufe schnellen Schrittes zu ihrer Haustür hinüber. Klingeln? Nö! Ich nehme mein kleines, aber sehr hilfreiches Gadget aus der Jackettasche. Im Auto habe ich immer Equipment um für jede Situation gewappnet zu sein. Ich lege es über das Schloss der Haustür und drücke den Knopf. Wie von Zauberhand öffnet das Schätzchen mir alle Türen. Schon bin ich im Treppenhaus und renne immer zwei Stufen mit einmal nehmend hinauf in den ersten Stock. Da öffne ich die Tür auf die selbe Weise. Leise schwingt die Tür auf. Aus dem Schlafzimmer höre ich gedämpftes Stöhnen. Ich folge den Geräuschen und bleibe im Türrahmen stehen. Auf dem Boden liegen mehrere Kleidungsstücke und ein weißes Höschen. Sie bemerken mich nicht, da der Pisser meine Süße gerade von hinten poppt. Sie haben doch vorhin schon angefangen und sind immer noch nicht fertig? Geflasht bleibe ich noch eine Sekunde so stehen, dann tue ich es ihm nach und reiße den Pisser von ihr weg. „Hey was zum ..." schreit er und geht, ganz der Polizist, sofort in den Angriffsmodus über. Ich habe drei Vorteile. 1. Ich bin nicht nackt. 2. Ich bin vorbereitet und 3. Ich habe eine Waffe. Er hat nichts außer seinen Schwanz. Und damit kann er mir nicht gefährlich werden. Aber es ist doch schon recht peinlich sich mit einem Nackten zu prügeln! Er nutzt den Moment in dem ich es auskoste den Vorteil ihm gegenüber zu haben, um mir seine Faust in den Magen zu schlagen. Ich taumel überrascht etwas zurück, hole aus und schlage ihm von unten gegen das Kinn. Er holt aus, trifft mich zuerst in der Magengrube, ich kippe leicht nach vorn, dann holt er aus und schlägt mir links und rechts ins Gesicht. In meinen Ohren rauscht es, aber weit entfernt höre ich Charlottes Stimme. Wir sollen sofort mit dem Scheiß aufhören! Da kann sie lange warten.

 

Charlotte

 

Ich glaube ich habe ein Déjà-vu. Das hatten wir doch schon einmal. Ich raffe mir meine Decke um den Körper.
„Hört sofort mit dem Scheiß auf, ihr Idioten!" schreie ich so laut ich kann. Oh mein Gott, meine armen Nachbarn! Seit dem diese Dreier Beziehung hier läuft müssen sie ganz schön was wegstecken. Jedenfalls hören die Jungs nicht auf mich. Sie prügeln sich weiter, hier vor meinem Bett als wäre das ein Boxring. Ich versuche es anders „Wenn ihr nicht endlich aufhört, will ich keinen von euch beiden jemals wieder sehen!" Keine Reaktion, außer gegenseitiges Beschimpfen. „Gut, ihr habt es ja nicht anders gewollt. Es ist aus! Raus hier, alle beide!"
Jetzt halten sie inne, ineinander verkrallt erstarren sie und sehen mich an. „Und nur damit ihr es wisst, ich habe letztens jemanden getroffen, der ist ganz süß!"
Wie erstarrt stehen sie da.
„Ich sagte, Haut ab!" schreie ich ihnen entgegen. Da kommt Bewegung in sie.
„Charly, ich ... es tut mir leid!" sagt Tom reumütig.
„Ja, mir auch! Ehrlich, Charlotte." Max kommt auf mich zu, doch ich signalisiere ihm mit erhobener Hand stehen zu bleiben.
„Du wirst doch nicht wirklich ... mit dem anderen ..." stammelt Tommy und sieht zu Boden. Mittlerweile hat er es geschafft sich seine Jeans anzuziehen. Sein nackter Oberkörper glänzt vor Schweiß. An den Stellen wo Max ihn mit Schlägen oder Tritten getroffen hat ist seine Haut gerötet. Er ist trotzdem sowas von sexy! Warum nur musste Max herkommen und alles kaputt machen? Da fällt mir auf ...
„Moment mal. Max, woher wusstest du das Tom hier bei mir ist? Hast du etwa immer noch Sender und solches Zeug hier versteckt? Und du ..." ich sehe zu Tommy. Doch der blickt immer noch stumm zu Boden. „... hast du deine Sachen wenigstens abgebaut?" Er schweigt. Von Max kommt ein Schnauben.
„Also nicht. Ich bin echt enttäuscht! Von euch allen beiden!" gebe ich ihnen zu verstehen. „Es ist das beste ihr geht jetzt wirklich. Ich möchte allein sein!" Tom hebt sein Shirt und seine Jacke auf und verlässt das Schlafzimmer. Max schlurft hinterher. Ich bleibe im Türrahmen des Schlafzimmers gelehnt stehen und sehe ihnen entgegen.
„Das war idiotisch von mir. Es tut mir leid!" sagt Max leise. „Ich hoffe du überlegst es dir und meldest dich demnächst bei mir!" und damit verlässt er meine Wohnung. „Mir tut es auch leid Baby! Ich hoffe du kannst mir verzeihen! Denk darüber nach solange ich weg bin! Aber bitte ..." er nimmt meine Hände in seine „... bitte fang nichts mit dem anderen an!"
„Ist das deine größte Sorgen, Tommy? Das du mich mit noch einem teilen müsstest."
Er schaut zerknirscht an die Wand neben mir. Also das ist es! Ich presse die Lippen aufeinander und nicke. „Wenn DAS deine größte Sorge ist, dann ist es wirklich besser wenn wir es dabei belassen!"
Entsetzt sieht er mir schließlich doch in die Augen „Nein ... nein Charly! Tu das nicht!" Seine Augen beginnen zu glänzen. Er wird doch nicht wirklich weinen! Sofort bereue ich meine Lüge.
„Tommy ... es tut mir leid! Ich habe gelogen." gestehe ich.
„Du hast gelogen?" er versteht nicht. „Ich habe gelogen als ich behauptet habe einen anderen getroffen zu haben." flüstere ich du sehe beschämt auf meine verschränkten Arme vor mir. Ich hätte gedacht das er jetzt toben würde vor Wut, aber stattdessen lacht er. Ja, er lacht. Ich sehe ihn an. Ist er jetzt verrückt geworden? „Ich verzeihe dir Baby. Erst recht weil es den anderen in die Flucht geschlagen hat. Klasse!" lacht er und klatscht in die Hände.
„Du bist unverbesserlich, Tommy!" stimme ich in sein Lachen mit ein. „Max darf aber nichts davon erfahren!"
„Von mir ganz sicher nicht!" lacht er. „Soll ich noch schnell die Abhörgeräte abbauen?"
„Das ist die beste Idee die du jemals hattest!" lache ich.
Tom nickt und geht gezielt auf den Spiegel zu und tastet deren Rahmen ab. Er hält zwei kleine Dinger hoch, lässt sie auf den Boden fallen und tritt mit dem Schuh darauf. Dann greift er nach dem Stuhl der neben dem Sideboard im Flur steht, trägt ihn ins Schlafzimmer unter die Deckenlampe und steigt hinauf. Auch von dort holt er eine kleine Kamera hervor. „Das ist meine. Tut mir echt leid!" murmelt er und lässt sie in seiner Hosentasche verschwinden.
So fährt er fort bis er, dass hoffe ich zumindest alle Abhörgeräte und Kameras entsorgt hat.
„So, ich muss los, Süße. Ich kann dir noch nicht sagen wie lange ich weg sein werde. Aber ich mache so schnell ich kann!" verspricht er. Ich nicke „Pass aber gut auf dich auf!" „Versprochen!" er zieht mich an sich und umarmt mich ganz fest. Zum Schluss gibt er mir noch einen langen Abschiedsgruß und weg ist er.

Kapitel 26

Charlotte

 

In dieser Nacht habe ich fantastisch geschlafen. Das Gefühl nicht mehr unter Beobachtung zu stehen, schien mich innerlich zu beruhigen. In aller Ruhe und völlig entspannt mache ich mich für den Tag fertig. Anschließend gönne ich mir, im Café um die Ecke ein Frühstück außer Haus. Da Samstag ist habe ich alle Zeit der Welt. Selbst das Wetter entsprach heute meiner Stimmung. Von einem makellos blauem Himmel strahlte die Herbstsonne auf London herab.
Den freien Tag nutzte ich um Anrufe die schon längst überfällig waren zu erledigen. Zuerst meine Eltern. Ich wähle die Nummer und lehne mich in meinem Sessel zurück.
„Spencer" meldet sich meine Mutter.
„Hallo Mummy. Wie geht es euch?"
„Uns geht es gut, Schätzchen. Wie geht es dir?"
Ich überlege kurz ob ich ihr endlich von Tom erzähle. Das er wieder in mein Leben getreten ist, dass das mit uns eventuell was ernstes wird, aber ich traue mich nicht. Mom hatte stets das Gute in Tom gesehen, ihn niemals schlecht gemacht. In den Augen meines Vaters ist er der letzte Trottel.
„Mir geht's gut. Ich arbeite, gehe mit Franzi aus, treibe Sport.", plaudere ich. Ich will mit diesem Anruf meiner Mutter ja nur ein kurzes Update meines momentanen Lebens geben und keinen Seelenstriptease machen. „Und es gibt niemanden in deinem Leben?" macht sie gewisse Andeutungen.
„Ähm ... nein ... W-Wieso fragst du?" stottere ich.
„Schätzchen, du vergisst das Aiden und ich uns ebenfalls sehr nahe stehen."
„Aiden also. Na Dankeschön!" gebe ich säuerlich zurück.
„Sei ihm nicht böse! Er kann nichts dafür. Sicherlich hätte ich nie etwas erfahren, wenn er sich nicht versprochen hätte und da habe ich nachgehakt. Aber er hielt sich sehr bedeckt, dass kann ich dir versichern. Ich weiß nichts genaues. Aber erzähl doch mal!" Sie scheint aufgeregt zu sein.
„Mummy, da ist nichts, was wirklich spruchreif wäre. Wenn es das wird, erfährst du es als Erste. Versprochen!"
„In Ordnung. Damit gebe ich mich erst einmal zufrieden." lacht sie.
„Was macht Dad?" versuche ich das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
„Ach, du weißt ja, er arbeitet viel, ist noch viel mehr außer Haus und dazu hat er in der letzten Zeit fast dauerhaft schlechte Laune. Alles beim alten, würde ich sagen." jetzt klingt ihr Lachen verbittert.
Verübeln kann ich es ihr nicht. Nicht nur wir Kinder haben unter dem Verhalten meines Vaters stets gelitten, auch sie.
„Hat er in letzter Zeit mehr Stress als sonst? Ist etwas mit der Bank?" Bankenkriese rauscht mir durch den Kopf.
„Das würde ich nicht sagen. Aber was weiß ich schon? Er lässt mich ja nicht an seinem Leben teilhaben." Nun klingt sie traurig. Am liebsten würde ich sie jetzt tröstend in die Arme nehmen!
„Hm, dann können wir ihm auch nicht helfen." beende ich das Thema.
„So, Mom, ich muss langsam Schluss machen."
„Natürlich Schätzchen. Melde dich bald wieder! Oder komm mich besuchen!" verabschiedet sie sich. Ich verspreche es und beende das Gespräch.
Als nächstes rufe ich Franzi an. Sie bekommt von mir die neuesten Informationen und ich im Gegenzug erhalte ein Update über ihre Beziehung zu „Mister Extrovertiert". Seit einiger Zeit führt sie eine On-Off-Beziehung zu einem Mann, deren Beschreibung als bunter Hund voll ins Schwarze trifft. Er ist so mit sich selbst beschäftigt, dass Franzi hinten über fällt. Dann wiederum erinnert er sich ihrer doch und kommt mit Pralinen, Champagner und einer heißen Nacht angekrochen.
Max schreibe ich eine Nachricht und unterrichte ihn davon, dass er zukünftig keinen Erfolg mehr haben wird, wenn er versucht in meine Wohnung hinein zu horchen.

 

Tom

 

Ich sitze jetzt schon seit einer geschlagenen Stunde in dieser miesen Spelunke an der Bar und warte auf Sorokin. Leider habe ich keinen blassen Schimmer wie der Typ aussieht. Vielleicht ist er ja sogar schon hier, beobachtet mich und wartet er auf den Moment in dem ich mich eventuell verrate -als wäre ich so ein mieser Doppelagent.
Unauffällig sehe ich mich im Schankraum um.
Gerade öffnet sich wieder die Tür und ein Mann in dunkelbrauner Cordjacke und grüner Stoffhose betritt das Lokal. Sein Haar ist gescheitelt und mit Gel eng am Kopf angeklatscht. Unschlüssig bleibt er für einen Moment mitten im Schankraum stehen und sieht sich suchend um. Als er in mir das Gesuchte gefunden zu haben scheint, kommt er direkt auf mich und die Bar zu.
„Schöner Tag heute!" raunt er leise neben mir.
Unser Erkennungszeichen.
„Ich glaube, es wird Regen geben." erwidere ich und gebe mich als seine Kontaktperson zu erkennen.
„Cray?" fragt er.
Ich nicke und frage im Gegenzug „Sorokin?"
„Wie er laibt und lebt." gibt dieser zurück und nimmt schnaufend auf dem Barhocker neben mir Platz.
„Erzählen Sie! Was haben sie für mich?" brumme ich leise.
„Zunächst einmal würde ich mich freuen wenn die Queen so nett wäre mir einen Drink auszugeben." Mit einem schmierigen Grinsen in mein Gesicht offenbart er mehr faule Zähne als sie jeder Obdachlose hat. Angewidert wende ich den Blick ab um beim Barkeeper zwei Whiskey zu bestellen.
Der Typ ist mir unsympathisch, und irgendwo in meinem Kopf schwillt eine Alarmglocke. Ich ignoriere sie vorerst.
„Richten Sie der Queen meinen Dank aus!" lächelt Sorokin und hebt sein vom Barkeeper hingestelltes Glas an die Lippen.
Mein eigenes umfasse ich mit der rechten Hand und drehe es, scheinbar in Gedanken versunken im Kreis herum. Ich würde einen Teufel tun und meinen Verstand jetzt mit Alkohol trüben. Dies ist nein zweiter einzel Einsatz und ich will es nicht versauen.  
„Reden Sie jetzt?" fordere ich um Freundlichkeit bemüht.
„Schon gut." er hebt abwehrend die Hände. „Ihr braucht Informationen über Maxim Gegorovitch?"
Ich nicke und nehme einen Schluck.
"Gregorovitch lebt in Chicago. Er schottet sich ab, hat ein riesiges Netzwerk aus Clans, Söldnern, geschmiert Cops, Freunden in Politik und Wirtschaft und solch Leuten aufgebaut. Es kommt keiner einfach so an ihn ran. Und damit meine ich nicht den Ozean der zwischen uns liegt. Wenn man so viel Knete hat wie der, dann ist das leicht, denke ich."
„Stopp!" unterbreche ich ihn. „Erzählen sie mir was, was ich noch nicht weiß!"
„Momentchen. Ich komme ja schon zum Punkt. Meine Schwester ist 67' in die USA ausgewandert."
„Und? Was interessiert das SIS ihre Familiengeschichte?"
„Sie ist nach Chicago gegangen, hat dort geheiratet." fährt er unbehelligt fort.
Jetzt wird es vielleicht interessant! Auch wenn es mir schwer fällt konzentriere ich mich auf seine Stimme.
„Ihr Mann arbeitet als Coiffeur. Er geht bei seinem Arbeitgeber ein und aus."
Er macht eine bedeutungsvolle Pause. „Und sein Brötchengeber heißt Gregorovitch."
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. „Und er würde für England Informationen raus schmuggeln? Was für einen Grund hat er seinem Arbeitgeber in den Rücken zu fallen?" frage ich skeptisch. „Er hat seine Tochter auf dem Gewissen." erklärt er.
Als ich schweige berichtet er weiter. „Sie war ein hübsches Mädchen! Meine Nichte. Das fand Gregorovitch auch und hat sie sich geschnappt. Er hat sie um seinen gold bereiften Finger gewickelt. Als mein Schwager gegen diese Verbindung war und Stress machte, ließ Gregorovitch ihn zusammen schlagen und verschwand für einige Wochen mit Abbygale. Als er genug mit ihr gespielt hatte, wurde sie in einem seiner Clubs verschleppt. Was sie dort machen musste können sie sich sicher vorstellen. Meiner Schwester zerbrach es das Herz, und mein Schwager schwor Rache. Um die haben zu können, schluckte er seinen Hass runter und begab sie reumütig zurück an die Arbeit. Wie heißt es doch so schön? Sei deinen Freunden nahe, deinen Feinden noch näher." schließt er.
„Okay. Wie geht es Abbygale heute?"
„Sie ist Tod. Ein Freier mit einem Hang zu brutalen Fetischspielchen hat sie auf dem Gewissen."
Ich schlucke.
„Und Sie fungieren dann als Mittelsmann zwischen Chicago, Kiew und London?" frage ich skeptisch.
„So habe ich mir das gedacht."
„In Ordnung. Ich werde meinen Boss fragen. Geben sie mir jetzt erst einmal die Informationen! Wenn die gut sind, sind wir das Problem Gregorovitch eventuell gleich los." erkläre ich.
Mein Gegenüber lacht bitter. „Gregorovitch kann man nicht so einfach los werden. Der hat überall seine Finger drin. Und er hat mächtige Freunde." erwidert er bedeutungsvoll.
„Überlassen Sie das mal dem SIS." wische ich seine Bedenken zur Seite. „Können Sie uns Namen nennen?"
„Gregorovitch ist Eigentümer mehrerer Kasinos und Clubs in Europa. Menschenhandel, Prostitution, Drogen, überall hängt er mit drin. Nach außen hin macht er einen auf seriösen Immobilien Heini und Casinobetreiber. Seine Leute unterschreiben dafür das sie nicht plaudern. Da finden Sie keinen der gegen ihn aussagt. Alle die aussteigen sind kurz darauf Tod."
Mit einem Handzeichen bestelle ich beim Barkeeper einen weiteren Drink.
Sorokin grinst dankbar. Gerade als er weiter reden will, sehe ich aus den Augenwinkel, dass sich uns ein dunkel gekleideter Mann nähert. Etwas blitzt auf. Mit einer schnellen Bewegung greife ich nach dem vollen Glas und schleuderte es mit einer schnellen Drehung dem Angreifer entgegen. Er taumelt überrascht zurück, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde, macht dann einen Hechtsprung auf mich zu. Ich ziehe meine Waffe und ziele, zeitgleich wie ich rufe "Bewaffnete Polizei!" auf den Angreifer. Entsetzte Schreie, Menschen die sich unter Tische flüchten. Der Typ lässt sich nicht abschrecken und versucht mich mit seinem Jagdmesser zu treffen. Sorokin ist ebenfalls aufgesprungen und steht nur die Hände abwehrend vor seiner Brust haltend etwas abseits neben mir.
Mit einer Körperdrehung trete ich gegen den Arm des Angreifers, das Messer segelt in hohem Bogen zu Boden. Mit einer weiteren Drehung nehme ich ihn in den Schwitzkasten. Ich drücke zu, versuche ihn bewusstlos zu machen, doch er ist mir nicht nur an Körpergröße überlegen, er hat Bärenkräfte. Und so windet er sich schließlich aus meiner Umklammerung, zieht plötzlich ein weiteres Messer zu Tage und bedroht mich. Ich trete einen Schritt zurück um Platz zwischen uns zu schaffen. Stolpere dabei jedoch über ein am Boden liegendes Hindernis. Um ihm keine Angriffsfläche zu bieten springe ich mit einem Satz über den Tresen der Bar und suche dahinter Deckung. In einer flüssigen Bewegung ziehe ich meine Waffe und nehme ihn erneut ins Visier. Ein Schuss, geschickt platziert in seinem Oberschenkel dürfte ihn außer Gefecht setzen. Ich entsichere meine Walther und drücke auf den Auslöser. Doch statt eines Knalls bemerke ich einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf. Die Sekunden in denen mir schwarz vor Augen wird nutzt der Kerl um mir sein Messer entgegen zuschleudern. Ich reagiere so schnell es mir möglich ist und ducke mich weg. Dennoch  spüre ich plötzlich einen stechenden Schmerz in meiner Schulter. Ich bin getroffen. Ich beiße die Zähne zusammen, drücke den Auslöser an meiner Armbanduhr. Greife, nachdem das Stahlseil herausgeschossen war es mit der rechten Hand und ziehe es straff. Ich springe auf, in der Hoffnung das der Kerl nach seinem Messer sucht und direkt vorm Tresen steht. Glück muss der Mensch haben. In diesem Moment kommt eine dunkel gekleidete Gestalt um den Tresen herum. Den Schmerz in meiner Schulter und das Schädelbrummen weiterhin ignorierend springe ich auf. Binnen Sekundenbruchteilen schlinge ich das gespannte Seil um den Hals des Typen. Wie ich das bewerkstelligt habe kann ich gar nicht sagen. Er lächelt und versucht mit den Händen die Schlinge gegriffen zu bekommen. Es misslingt ihm. Ich drehe die Schlinge noch etwas fester. Sein Röcheln verstärkt sich. In diesem Moment bekomme ich von hinten einen erneuten Schlag auf den Kopf.
Wer ist das verdammt?
Benommen lasse ich die Schlinge los. Er nutzt meine Schwäche aus und kriecht immer noch husten und würgend von mir weg. Taumelnd drehe mich um, um den zweiten Angreifer ausfindig zu machen. Es ist Sorokin. Halb ängstlich, halb triumphierend sieht er mich an. Dieser Wichser! Sicher haben sie nicht damit gerechnet das ich mich so standhaft wehren würde. Wenigsten kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen! Das hat mich nicht getäuscht.
Wütend gehe ich in die hocke, greife nach meiner am Boden liegenden Walther und ziele auf ihn. Das Ganze wurde im Trainingslager so oft eingeübt, dass es nun, im Ernstfall wie automatisiert klappt. Tödlich getroffen stürzt Sorokin zu Boden. Blut sikert fließend aus seiner Wunde auf der Brust.
Alamiert sehe ich mich nach dem Gorilla um. Der sitzt inzwischen auf einem Stuhl und holt krampfhaft Luft. Ich stürze auf ihn zu und ramme ihm ohne Vorwarnung meine Faust ins Gesicht. Überrumpelt stürzt er zu Boden. Da bleibt er aber nicht lange, schon rappelt er sich auf. Was folgt ist ein gratis Boxkampf für die noch verbliebenen Bargäste. Er ist gut. Scheinbar bin ich nicht der einzige der regelmäßig trainiert.
Mein Chance sehe ich, als er über ein am Boden liegenden Barhoker stolpert und für der Bruchteil einer Sekunde unkonzentriert ist. Ich ziele auf sein Herz und er sackt in sich zusammen wie ein nasser Lappen. Mit den Händen auf den Oberschenkeln abstützend stehe ich in gedrückter Haltung für einen Moment da und konzentriere mich wieder zu Atem zu kommen. Dann mache ich das ich da weg komme. Keiner hindert mich daran.
Ich wurde verraten. Das SIS wurde verraten. Wir wurden verarscht. Diese ganze Mission war ein totaler Reinfall. Sauer mache ich mich auf den Weg in die Heimat.

Kapitel 27

 

Charlotte

 

Zwei Wochen später 

 

Mein Handy läutet mitten im Unterricht. Erschrocken zucke ich zusammen. „Scheiße!" entfährt es mir. Normalerweise stelle ich es immer auf lautlos wenn ich arbeite. Hektisch krame ich danach in meiner Tasche. Es klingelt und klingelt. Wie unangenehm! Schließlich bekomme ich es zu fassen. Das Display verkündet, dass es mein Vater ist der so beharrlich darauf pocht mich zu sprechen. Was will er denn mitten in der Woche? Wir telefonieren doch regelmäßig am Wochenende oder verkehren per Email miteinander.
„Hallo Dad." flüstere ich als ich das Gespräch schließlich annehme.
„Hallo Charlotte. Hättest du heute spontan Zeit deine Eltern zu besuchen?" fragt er geordnet als würde er mit einem Geschäftspartner sprechen. Ein merkwürdiger Unterton schwingt in seiner Stimme mit.
„Heute? Ähm ... eigentlich... ." verzweifelt sicher ich nach einer Ausrede. Schließlich bin ich mit Tommy verabredet. Er hat eine Überraschung für mich geplant. Außerdem wollen wir Wiedersehen feiern. „Deine Anwesenheit heute Abend ist äußerst wichtig. Aiden, Mary und Emely werden ebenfalls hier sein."
„Echt?" entfahrt es mir erstaunt.
Dann muss es ja wirklich wichtig sein wenn meine Eltern alle ihre Kinder extra für ein Familiengespräch antanzen lassen. „In Ordnung. Überredet. Ich komme. Wann soll ich da sein?" lenke ich neugierig geworden ein.
„Direkt nach Dienstschluss würde ich sagen. Wir erwarten dich dann zum Tee." befiehlt mein Vater.
„Das schaffe ich. Ich habe bis 15:30 Unterricht. Bis nachher dann. By." ich lege auf.
Die Kinder haben meinem Gespräch interessiert gelauscht und sind in ihrer Arbeit erstarrt. „Entschuldigt bitte! Das war ein ... ein wichtiges Telefonat. So, jetzt wird aber weiter gemacht!" rufe ich der Klasse fröhlich verwirrt zu.

Pünktlich um 15:35 verlasse ich das Schulgebäude. Ich steige in meinen Mini Cooper und parke aus. Der Park Lane folgend fahre ich am Hyde Park vorbei Richtung Mayfair.
Den ganzen Tag war es schon regnerisch und trüb. Nun beginnt es zu allem Übel auch noch zu schneien. Und wie. Dichte weiße Flocken machen es mir kaum noch möglich etwas durch die Windschutzscheibe hindurch zu erkennen. Ich stelle den Scheibenwischer an, doch dieser kommt kaum hinterher mir die Sicht frei zu halten. Hilflos kneife ich die Augen zusammen.
Mit einem Mal gibt es einen lauten Knall, mein Wagen kommt ins Schleudern. Automatisch trete ich so stark ich kann auf die Bremse. Mein Auto vollführt eine scharfe Drehung wobei mein Kopf gegen die Seitenscheibe knallt. Schlingernd und sich um sich selbst drehend kommt der Mini zum stehen. Hinter mir hubt es.
"Mensch ja doch! Ich hab es mir nicht ausgesucht!" schreie ich. "Anstatt ihr Trottel mal Hilfe anbietet!"
Durch die Scheiben kann ich nichts erkennen. Mein Herz klopft wie verrückt. Auf meinen Lippen schmecke ich Blut. Panisch löse ich den Gurt, steige aus und laufe, auf der Suche nach den Grund des Unfalls um den Wagen herum.
Jemand musste ein ähnliches Problem gehabt haben wie ich und ist mir hinten aufgefahren. Bei der anschließenden Drehung hatte es einen Reifen komplett zerfetzt. Hektisch schaue ich mich um. Frontlichter und Rücklichter in großer Zahl, aber alle Autos fahren im Schneegestöber achtlos an mir vorüber. Plötzlich hupt es direkt hinter mir. Ich drehe mich nach dem Geräusch um und entdecke, Gott sei Dank einen Abschleppwagen.
Ein rundlicher Mann in neonorangefarbener Hose steigt auf und kommt auf mich zu. Die Scheinwerfer des Wagens blenden mich, so dass ich sein Gesicht nicht genau erkennen kann.
„Oh ha. Brauchen Sie Hilfe, Miss?" fragt er freundlich mit einem starken Chockney Akzent.
„Sie schickt der Himmel!" freue ich mich ehrlich. „Ich ... ich hatte einen Unfall. Mir ist wohl ein Reifen geplatzt." Ich zeige auf das Korpus delicti.
Er geht davor in die Hocke und sieht es sich genauer an. Als er wieder aufsteht und sich zu mir dreht meint er „Klarer Fall. Gut das ich da bin und gerade nichts zu tun habe. Ich schlepp Sie ab."
„Vielen Dank!" ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln.
„Haben Sie ne Werkstatt oder soll ich Sie zu mir schleppen?" will er wissen. Ohje das weiß ich gar nicht.
„Ich würde Ihr Angebot sehr gern annehmen, dass Sie mich zu ihrer Werkstatt bringen!" erwidere ich. „In Ordnung. Steigen Sie schon mal ein. Ich mach das schon." meint er freundlich.
Ich nicke, gehe zu meinem Wagen um meine Handtasche zu holen und setze mich anschließend in den warmen Innenraum des Abschleppwagens. Erst dann entdecke ich den zweiten jüngeren Mann. Er ist sicher ein Mitarbeiter und hat im Wagen abgewartet ob sein Kollege Hilfe benötigt. Er grinst mich an.
„Hallo." grüße ich. Ein locker im Mundwinkel hängender Zahnstocher in seinem Mund vollführt eine Bewegung vom einen in den anderen Mundwinkel, dann sagt er kurz „Hi."
Etwas unbehaglich ist mir schon mich neben diesen Kerl zu setzen. Aber ich habe keine andere Wahl. Nachdem er meinen Wagen ausgiebig begutachtet zu haben scheint, steigt der ältere Mann zu uns in die Fahrerkabine. Grinsend startet er das Fahrzeug und manövriert es vor meinen Kleinwagen. „Das haben wir gleich." meint er und steigt lächelnd wieder aus.
„Danke sehr!" rufe ich ihm noch hinterher.
Als mein Auto auf der Ladefläche des Abschleppwagens steht fahren wir zu dritt los.
„Meine Werkstatt ist aber in Hammersmith. Kommen Sie dann von da weg, Miss?" erklärt der ältere.
„Kein Problem. Es gibt ja die Tube. Ich bin nur dankbar das Sie zufällig vorbei gekommen sind!" gebe ich freundlich zurück.
Er grinst. Ebenso wie der jüngere. Nur das der dabei auf seinem Zahnstocher herum kaut.
Der Schneesturm flach etwas ab und hinterlässt eine ordentlich gepuderte weiße Straße. Nach einiger Zeit erreichen wir ein Industriegebiet. Vor einer großen Halle hält er an, steigt aus und geht zu einem großen Metallrolltor um es zu öffnen. Ich starre aus dem Fenster. Hier war ich noch nie. Und ich mit meinem gestörten Orientierungssinn ... Hoffentlich finde ich die Werkstatt wieder wenn ich mein Auto abholen kann! Mit einer schnellen Bewegung rutscht der jüngere nun auf den Fahrersitz und parkt das Abschleppfahrzeug im Inneren der Halle. Im Rückspiegel entdecke ich den älteren wie er hinter uns das Tor schließt. Ich sitz in der Falle. Unwillkürlich überkommt mich das Gefühl in der Falle zu sitzen.
Zögernd steige ich aus und sehe mich um. Links neben mir befindet sich eine Hebebühne. Dahinter steht ein schwarzer Kleintransporter mit getönten Scheiben. Sicher ein weiterer „Patient".
„Komm se, Miss! Sie bekommen erstmal einen Kaffee zum aufwärmen. Komm se in mein Büro! Freddy kümmert sich um alles." ruft der rundliche Mann vom anderen Ende der Halle mir zu.
Ich gehe auf ihn zu. Vorsichtig steige ich über größere Werkzeuge die auf dem Boden liegen. Umrunde einen Stapel Autoreifen und stolpere fast über eine zusammengerollte Kette auf dem Boden. Hinter mir höre ich Freddy herum laufen. Er scheint ebenfalls über die Kette zu stolpern.
Endlich erreiche ich die Tür hinter der der Mann verschwunden ist. Durch das riesige vor Dreck starrende Fenster kann ich ihn an einem niedrigen Schrank stehend entdecken. Er gießt gerade eine Tasse voll Kaffee.
Dann geht alles so schnell das ich gar nicht weiß wie mir geschieht oder das ich gar um Hilfe schreien könnte.
Von hinten wird mir ein stinkender Sack über den Kopf geworfen und sofort umfängt mich Finsternis. Wild mit den Armen rudernd schlage ich um mich. Zwei starke Arme umfangen meinen Oberkörper und machen mich so Bewegungsunfähig. Gleich darauf Schlingen sie mir ein Seil oder ähnliches um den Körper. Sie verschnüren mich wie ein Weihnachtspräsent. Ich schreie so laut ich kann. Sinnlos und auf Antwort kann ich wohl auch kaum hoffen. Donnoch schreie ich weiter wie eine Furie. Jemand kräftiges gibt mir eine Ohrfeige. Ich gerate ins straucheln, werde von den Füßen gerissen, eine zweite Person ergreift meinen Oberkörper und gemeinsam tragen sie mich irgendwo hin. Eine Autotür wird aufgeschoben und ich unsanft ins Innere eines Autos geworfen. Hart schlage ich auf dem Metall Boden auf. Vor Schmerz und Wut schreie ich laut auf, doch das kümmert sie nicht. Die Autotür wird zugeschoben und kurz darauf spüre ich das rhythmische Brummen eines Motors unter mir. „Ich werde gerade entführt. Das darf doch wohl nicht wahr sein!" denke ich panisch. „Warum? Warum tut man mir das an?"

 

Tom

 

Über dreißig Minuten schon warte ich am vereinbarten Treffpunkt auf Charlotte. Sich verspäten passt gar nicht zu ihr. Sie ist sonst die Pünktlichkeit in Person. Und mir macht das Warten bei dieser Kälte macht auch keinen Spaß! Zumindest hat es aufgehört zu schneien. Ich hatte ja schon die Befürchtung meine Aktion müsste wegen des miesen Wetters ausfallen.
Mein Handy klingelt. Vielleicht ist sie es ja? Doch das Display gibt mir zu verstehen das es nicht Charlotte ist. Ich nehme dennoch ab.
„Mister Cray?" fragt eine männliche Stimme.
„Jup." raune ich kurz angebunden.
„Sie hatten den Heli für 18 Uhr bestellt. Nun ist es schon halb sieben. Kommen. Sie noch?" will der Pilot wissen.
„Meine Verabredung verspätet sich noch etwas. Können sie noch etwas warten?" bitte ich mit aller Freundlichkeit die aufbringen kann.
„Nur noch bis sieben. Dann ist Schluss." mault er und legt einfach auf.
„Mensch Charly, wo bleibst du nur?"
Um das heraus zu finden rufe ich sie zum wiederholten Male an. Doch wieder nichts. Es klingelt und klingelt, doch sie geht einfach nicht ran.
Ich warte noch bis 7 Uhr, sage dem Piloten zerknirscht ab und fahre dann zurück ins Büro. Im Technikraum angekommen schalte ich die Monitore auf ihre Wohnung und setze mir die Kopfhörer auf. Doch weder war sie seit heute morgen zu Hause noch ist sie jetzt dort. Die Abhörgegäte haben demzufolge auch nichts aufgezeichnet. Mit einem mal klingelt ihr Festnetztelefon. Sofort springt ein Abnahmegerät an um die Geräusche aus ihrer Wohnung aufzuzeichnen. Ich erkenne es an dem grünen Pfeil der aufleuchtet. Es klingelt drei mal dann springt ihr Anrufbeantworter an.
„Charlotte." höre ich die barsche Stimme ihres Vaters gedämpft durch das Abhorgerät." Wir warten hier auf dich. Immer noch. So langsam machen wir uns Sorgen, Charlotte. Deine Mutter steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Melde dich bitte! Und falls du dieses wichtige Treffen nur schwänzt weil du etwas wichtigeres zu tun hast, muss ich dir leider sagen, dass ich sehr enttäuscht bin!" fährt er unfreundlich fort. „Melde dich bitte! Es ist wirklich sehr wichtig!" sagt er noch etwas freundlicher und legt dann auf. Der Anrufbeantworter piepst noch einmal, dann herrscht wieder Stille.
Ihre Eltern vermissen sie also auch und das schon länger als ich. Wo ist sie nur?

 

Charlotte

 

„Wo bringt ihr mich hin, ihr Schweine?" schreie ich so laut es mir möglich ist. Unter diesem ekelhaft nach Benzin stinkenden Sack kann ich kaum atmen. Ihn mir vom Kopf zu ziehen ist, da ich noch immer gefesselt bin unmöglich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit halten wir endlich mal an. Erneut nutze ich die Chance auf mich aufmerksam zu machen. Ich schreie und strampelt aber keiner kommt um mich zu retten. War ja klar! Mit einem Ruck fährt das Auto wieder los. Es rumpelt stark. Wir scheinen über eine Brücke oder so zu fahren. Nach wenigen Minuten kommen wir zum stehen. Zwei Autotüren werden zugeschlagen. Sie sind weg und lassen mich hier drin allein. Wo bin ich nur? Vor Verzweiflung heule ich wie ein geschlagener Hund.
Nun muss ich eine ganze Weile warten bis wieder etwas geschieht. Meine Blase meldet sich, diesmal noch drängender. Verzweifelt versuche ich den Urin anzuhalten. Ebenso verzweifelt mich wenigstens etwas bequemer hin zulegen, doch es misslingt mir. Beides.
Irgendwann steigen meine Entführer wieder in das Fahrzeug und das ganze geht rückwärts. Fahren, über die Brücke rumpeln und wieder eine Weile fahren. Irgendeine Ahnung sagt mir, dass wir uns auf einem Boot oder Schiff befunden haben müssen. Eine Fähre vielleicht.
Es muss Stunden her sein das wir in der Werkstatt aufgebrochen sind. Meine Glieder sind steif und mir ist arschkalt. Unter meinem Po und an meinem Schenkeln klebt meine Jeans klamm an meiner Haut.
Wir fahren über eine holprige Straße und bleiben endlich stehen. Wieder das klappen der Autotüren und die Schiebetür neben mir wird geöffnet.
„Komm her, Süße!" raunt einer und ergreift mich an den Armen. "Uah ... wie stinkt's denn hier?" flucht er laut.
Mit festem Griff schleift er mich aus dem Wageninneren, hebt mich hoch und trägt mich wo auch immer hin. "Die Schlampe hat eingepisst." flucht der miese Scheißer weiter.
"Kein Wunder." murmelt ein anderer. "Wir waren ja auch echt lang unterwegs."
Der Erste schnaubt.
Rüde werde ich auf einen Stuhl abgesetzt. Die Ketten werden gelöst und mit einem Ruck wird mir der Sack mir vom Kopf gerissen. Ich blinzle gegen das Licht.
Zwei Männer, groß und vollkommen in schwarz gekleidet bauen sich vor mir auf. Ihre Gesichter haben sie mit Masken verdeckt und die Kapuzen ihrer Hoodies sind tief ins Gesicht gezogen.
„Was wollen sie von mir?" schreie ich sie an.
„Zuerst einmal, halt's Maul!" blafft der eine. „Hier hört dich eh niemand. Du bleibst jetzt schön eine Weile hier. Und wenn du brav bist, wird's dir gut gehen, ansonsten ..." er zuckt mit den Schultern. „... bekommst du ne Abreibung."
Ich schlucke. „Wie lange?" frage ich den Blick auf den Boden gerichtet.
„So lange bis dein Daddy zahlt."
Womit der Grund meiner Entführung auch geklärt wäre. Es geht um Lösegeld Erpressung

Kapitel 28

Tom

 

Samstag Morgen, heute ist mein freier Tag und eigentlich hatte ich vor auszuschlafen. Doch da hatte mein Boss wohl andere Pläne, denn um 10 Uhr klingelte er mich aus dem Bett. Beziehungsweise rief mich mehrere Male über mein Handy an. Notiz an mich: das nächste mal schalte ich es an meinem freien Tag aus. Egal was der Boss sagt.
„Cray, Spezialeinsatz für Sie. Schwingen Sie ihren Arsch in ihr Auto und kommen Sie sofort her!" und aufgelegt. Sicher damit ich keine Einwende erheben kann. Grummelnd mache ich mich fertig. Frühstück muss wohl heute aus einem Kaffee to go und Croissants aus der Bäckerei an der Ecke bestehen. Hoffentlich muss ich nicht wieder weg! Das kann ich Charly nicht antun. Gerade jetzt wo ihr blödes Spiel fast zu Ende ist. Weihnachten hat sie gesagt, da will sie sich entscheiden. Apropos Charly. Ich rufe sie an. So viel Zeit muss sein. Mittlerweile muss sie ja wieder aufgetaucht sein. Doch ihr Handy ist ausgestellt. „Dann fahr ich nachher einfach bei ihr vorbei. Wehe die liegt nur mit diesem Max in den Kissen!" überlege ich wütend.
Kaum im Büro angekommen zitiert mich die Sekretärin vom Boss auch schon in sein Büro. Ich klopfe an die schwere Mahagonitür und trete ein als man mich herein bittet. Ich sehe mich um. Im Raum befindet sich nicht nur Falkner hinter seinem wuchtigen Schreibtisch, sondern auch ein älterer Mann im grauen Zweireiher und eine Dame im dunkelgrünen Kostüm. Beide sitzen mit dem Rücken zur Tür vor Falkner am Schreibtisch . Ich gehe auf sie zu.
„Ah Cray, da sind sie ja." grüßt Falkner. „Dies sind Mister und Mrs. Spencer. Sie haben ein Problem was unsere vollste Aufmerksamkeit bedarf."
„Sir, es ist mir neu, dass Privatpersonen jetzt schon den britischen Geheimdienst beauftragen können." meckere ich beim näher kommen. Doch dann sehe ich den Fremden ins Gesicht und ändere sofort meine Meinung. „James, Veronica." staune ich und starre sie abwechselnd an. „Was macht ihr denn hier? Was habt ihr für ein Problem?"
„Ach, Sie kennen sich?" staunt nun Falkner.
„Er ist der Lebensgefährte unserer Tochter Charlotte um die es hier handelt." erklärt James mit fester Stimme.
„Sind Sie sicher das Sie ihn damit betrauen wollen? Er ist immerhin emotional in den Fall verstrickt."
Ich begreife gar nichts mehr. Worin bin ich verstrickt. Und dann auch noch emotional. Die Freude darüber das James mich gerade als Charlottes Lebensgefährte bezeichnet hat, währt nur kurz.
„Ihr Fall wurde zwar von der Met aufgenommen, doch da eventuell eine Verbrecherorganisation wie etwa die Mafia dahinter stecken könnte an uns verwiesen." erklärt Falkner. An James gewandt fährt er fort. "Mister Cray gilt hier im Haus als unser bester Mann in dererlei Dingen. Er wird der Met für diese Aktion so zusagen ausgeliehen." versucht er Licht in meine Verwirrung zu bringen.
„Reden Sie doch nicht immerzu von Fällen und Sachen verdammt!" meldet sich plötzlich Veronica zu Wort. Ihre Stimme zittert, man merkt das sie stark angespannt ist und wütend.
„Es geht um Charlotte, unsere Tochter, die von Lösegelderpressern entführt worden ist." schreit sie Falkner an. An mich gerichtet erklärt sie sanfter „Jetzt weißt du es, Tom."
Ich falle in ein tiefes Loch. Was ist los? Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Wut lodert in mir auf.
Veronica erhebt sich und kommt zu mir. Sie nimmt mich mütterlich in den Arm und ich entspanne mich etwas. Ich darf hier jetzt nicht ausrasten! Ich muss besonnen bleiben, sonst entzieht mir Falkner vielleicht doch gleich wieder den Fall. „Okay. Ich brauche Hinweise. Erzählt mir alles!"
„Setzen sie sich alle bitte!" fordert Falkner uns auf. Ich greife nach einem Stuhl an der Wand und stelle ihn ebenfalls vor den Schreibtisch.
„Ein Dossier finden Sie auf ihrem Rechner, Cray. Hier nun die Fakten in der Zusammenfassung. Die Spencers werden seit längerem schon von der organisierten Kriminalität hier in der Stadt unter Druck gesetzt. Man verlangt Schutzgeld. Wie Sie ja sicherlich wissen führt Mister Spencer in dritter Generation eine Londoner Privatbank."
Ich nicke wissend.
„Mister Spencer hat sich bisher stets geweigert auf diese Forderungen einzugehen. Nun kam vorgestern ein letzter Anruf worin man ihm konkret mit Konsequenzen drohte wenn er weiterhin nicht zahle. Mister und Mrs. Spencer bekamen immer mehr Sorge, dass ihre Familie, ihre Kinder darin mit hineingezogen werden konnten. Sie riefen ihre Kinder zu sich nach Hause um diese in einem ruhigen Gespräch vor der Gefahr zu warnen. Alle erschienen gestern Nachmittag. Nur Charlotte nicht. Sie gilt somit seit gestern als verschwunden."
„Das habe ich mitbekommen." knurre ich. „Wir waren ebenfalls verabredet. Gestern Abend. Doch sie ist seit dem verschwunden." Wieder lodert die Wut in mir hoch.
„Nun ja ..." übergeht Falkner meine Gefühle. „Heute morgen wurde dann ein Umschlag bei den Spencers abgegeben. Darin befand sich ein am PC verfasster Brief und eine DVD."
„Was ist auf der DVD?"
„Unser Mädchen, Tom war auf dem Video. Unsere kleine." jammert Veronica und schlägt die Hände vor ihr Gesicht. James legt beruhigend seinen Arm um ihre Schultern. Ihr zierlicher Körper bebt unter ihren Schlurchzern.
„Ich will es sehen!" erkläre ich mit fester Stimme.
„Selbstverständlich Cray. Sie finden es auf ihrem PC. Weiter wichtig für Sie zu wissen ist, dass Mister Spencer nun einwilligt auf die Lösegeldforderung von 5 Millionen einzugehen. Zum Wohle seiner Tochter. Jedoch hat er uns verständigt was natürlich entgegen der Anweisung der Erpresser ist. Daher müssen wir äußerst vorsichtig vorgehen. Zum Glück waren die Kollegen der Met so umsichtig Sie zu uns schicken, Mister Spencer!" der letzte Satz ist an Charlottes Vater gerichtet. „Wäre nur die Met involviert, wäre es sicherlich nur eine Frage der Zeit bis die Erpresser auf sie aufmerksam geworden wären." mutmaßt James. "Und wer weeiß, sie dann mit meiner Tochter anstellen?"
„Das war auch mein Gedanke." raune ich.
„Nun gut. Mit Cray haben wir den besten Mann für diesen Fall ..." mischt Falkner sich ein und schaut erschrocken zu Veronica. „Ähm ... er kriegt das schon hin. Wir melden uns bei Ihnen sobald wir zu einem neuen Kenntnisstand gekommen sind. Und Sie halten uns auf dem Laufenden wenn die Entführer sich melden!" damit verabschiedet Falkner uns.
Im Flur vor Falkners Büro wendet sich Veronica mir zu. „Tom, ich wusste gar nicht das du mittlerweile für den Geheimdienst arbeitest? Charlotte hat uns nichts davon gesagt."
„Sie wird nur noch nicht dazu gekommen sein, Veronica." erkläre ich.
Sie nickt. „So wird es sein." und nimmt mich erneut in den Arm.
„Sieh dir das Video an, Junge! Und dann versuche einfach dein bestes und bringe uns unsere Tochter zurück!" erklärt James und reicht mir die Hand.
Ich nicke und verspreche es während ich seine Hand schüttle. James war nie der Mensch großer Gefühle, doch seltsamerweise ist gerade jetzt sein Gesicht ausdruckslos wie in Stein gemeißelt. Keine Regung. Keine Emotion. Lässt ihn das Schicksal seiner Tochter so kalt?

In meinem Büro setze ich mich sofort an den Rechner. Das Dossier lese ich später, ich weiß ja schon einiges. Ich klicke auf das Video. Graues Geriesel, dann Charlotte gefesselt auf einem Stuhl sitzend. Sie weint, ihre Lippe ist blutig aufgeplatzt und an ihrem linken Auge sehe ich eine Rötung. Sie wurde geschlagen. Mein Magen krampfte sich zusammen. Sie liest einen Text von einem Blatt ab das man außerhalb der Kamera hält. Ihre Stimme bricht, sie weint. Eine männliche Stimme schreit sie an gefälligst mit dem Gejammer aufzuhören und nur zu lesen was da steht. Sie schluckt und tut was ihr geheißen. Wütend balle ich die Fäuste bis die Knöchel weiß werden. Das werden diese Schweine büßen! Nachdem sie alles gesagt hat was sie sagen sollte bricht das Video kommentarlos ab.
Ich starre auf den Bildschirm. Im Dossier finde ich Namen möglicher involvierter Personen und die des Kontaktmannes die James treffen soll um das Geld zu überreichen. Er hat maximal noch 6 Tage Zeit um das Geld zu besorgen. Eine Woche, bis sie Charly, wie sie es gedroht gaben in Einzelteilen ihren Eltern schicken wollen.
Im Technikraum durchsuche ich gemeinsam mit Gib, dem Technikgenie des SIS die städtischen Überwachungskameraaufzeichnungen des gestrigen nachmittags. Zum Glück hat London ein dicht geknüpften Netz aus Überwachungskameras. Theoretisch kann man nicht mal in der Nase bohren ohne dabei beobachtet zu werden. Ich beginne bei Charlottes Arbeitsplatz, der Schule. Ich sehe wie sie 15:37 in ihren Wagen steigt und Richtung Norden fährt. Sie wollte ja nach Mayfair. Von Belgravia nach Mayfair kommt man am einfachsten über die Park Lane am Hyde Park. Ich gebe diese Adresse ein. Konzentriert beobachte ich die Aufnahme. Schließlich entdecke ich ihr Auto. Dann erschwert der Schneesturm meine Sicht. Mit einem mal vollführt ihr Auto eine scharfe Kurve. Mitten auf der Fahrbahn. Sie rast in eine Baumgruppe am Straßenrand zum Hyde Park. Ich zoome heran. Erkenne Charly, wie sie in ihrem Mantel gehüllt um ihre Wagen geht. Keiner hilft ihr, alle fahren vorbei. Doch da fährt ein Abschleppwagen links ran. Jemand steigt aus. Sie reden miteinander. Schließlich steigt sie in den Abschleppwagen und der Fahrer kümmert sich darum ihr Auto auf seine Ladefläche zu ziehen. Anschließend fahren sie auf der Park Lane weiter, biegen am Marble Arch links ab und fahren auf der Bayswater Road Richtung Westen.
„Wo bringst du sie hin?" flüstere ich. Ich verfolge den Wagen auf dem Monitor bis er in Hammersmith in einem Industriegebiet in einer Halle verschwindet. Ein paar Minuten tut sich nichts mehr. Niemand verlässt die Halle, keine geht hinein.
„Was machen die da drin?" fragt sich Gibs als sich minutenlang nichts tut.
Ich will gerade birch agen mal zu spülen, als sich auf dem Video das silberne Rolltor der Halle wieder öffnet.
Das Tor fährt vollständig hoch und ein schwarzer Kleintransporter verlässt die Halle. Ich starre weiter auf den Monitor. Aber Charly kommt nicht hinaus, nur zwei Männer, einer dick der andere schlaksig. Also der Transporter. Ich spule zurück und zoome das Kennzeichen ran. Sofort jage ich es durch die Kennzeichendatenbank. Die Kennzeichen sind gestohlen. War ja klar. Eine Sackgasse also. Gibs sucht den Transporter erneut und findet ihn. Ihre Fahrt endet schließlich im Hafen. Dort liegt eine kleine Fähre am Ufer. Über die Rampe fährt der Transporter an Bord. Das Schiff ist so winzig, dass es mit dem Auto an Bord voll sein dürfte. Als das Schiff kurze Zeit später ablegt verlässt es nicht nur den Londoner Hafen, sondern auch meine Möglichkeiten es zu überwachen. Ich zoome an den Schiffsrumpf um den Namen des Schiffes lesen zu können. Diesen gebe ich telefonisch an die Hafenverwaltung weiter um mir Informationen zu beschaffen. Während ich auf Nachricht von der Port of London Authority warte hole ich mir einen Kaffee. Gibs selbst ist mit RedBull Dosen aus seinem eigenen kleinen Minikühlschrank unter seinem Schreibtisch gut versorgt. Er braucht das Zeug scheinbar wie unsereins die Luft zum atmen.
Per Handy werde ich Minuten später informiert, das dass Schiff dänisch sei und keine Angaben zu seinem Ziel gemacht hat. Als Anlauf Grund in London gaben sie wohl an das sie für eine Privatperson größere Ware anzuliefern. Scheiße!
Dennoch unterrichte ich Falkner über den Ermittlungsstand. Anschließend verziehe ich mich zum nachdenken in das Pup unten an der Ecke zurück.

 

Max

 

„Endlich wieder zu Hause!" freue ich mich und mache es mir auf der Couch im Wohnzimmer vor dem Fernseher bequem. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Diese hysterische alte Ziege. In allem sieht sie eine Bedrohung, überall einen Attentäter. Also ich habe die ganze Woche rein gar nichts davon mitbekommen. Meines Erachtens ist die Alte nur Schizophren. Aber sie hat zuviel Geld und wollte es los werden.
Mein Handy im Jackett über der Stuhllehne am Esstisch meldet sich.
„Wehe wenn das nicht wichtig ist." knurre ich und gehe hinüber um es zu holen.
„Steel Security." melde ich mich.
„Guten Tag, Mister Steel. Mein Name ist Spencer und ich benötige ihre Dienste! Sie wurden mir wärmstens von einem Freund empfohlen."
„Das hört man gern! In welcher Angelegenheit? Benötigen Sie selbst Schutz oder ein Angehöriger?" frage ich.
„Es geht um folgendes. Meine Familie ist in den Focus von Verbrechern geraten. Meine Tochter wurde entführt und sie halten sie irgendwo gefangen. Ich habe nun Sorge, dass meinen anderen Kindern oder meiner Frau und mir ähnliches zustoßen könnte. Daher möchte ich Sie als unseren ständigen Leibwächter engagieren. So lange bis die Sache ausgestanden ist." erklärt er ein wenig zu sachlich, gar nicht wie man es von einem Vater eines Entführungsopfer erwarten würde.
Ich bin verwirrt. „Moment mal! Ihre Tochter wurde entführt? Haben Sie die Polizei verständigt?" will ich zuerst einmal wissen. „Was denken Sie denn? Natürlich habe ich das! Auch wenn es mir natürlich untersagt worden ist." erklärt er nachdrücklich.
„In Ordnung. Und ich soll nun Sie und ihre restliche Familie beschützen? Könnten wir uns treffen damit wir alles in Ruhe besprechen?"
„Selbstverständlich!" und dann nennt er mir noch seine Adresse und eine Uhrzeit. Eine feine Gegend ist das da in Mayfair. Mit der Queen als Nachbarin.

Ich bin pünktlich an der angegebenen Adresse und man empfängt mich im Salon.
„Mister Steel. Wie schön das Sie es so kurzfristig einrichten konnten!" Ein älterer Herr mit graumeliertem Haar und teurem Anzug kommt mir mit ausgestreckter Hand entgegen.
„Das gehört zum gutem Service von Steel Security." entgegne ich und schütteln die mir angebotene Hand.
„Setzen wir uns doch!" bietet mein Gastgeber mir einen Platz auf einem der Sessel an. „Möchten sie etwas trinken?"
Ich bejae dies, verlange aber nur Orangensaft. Sich vor einem Auftraggeber mit Alkohol voll laufen zu lassen wäre nicht sehr vertrauenserweckend.
Mit einem Glas der gelben Flüssigkeit in der Hand sitze ich Minuten später in einem der bequemsten Sessel in dem ich jemals gesessen habe!
„Also ihre Tochter ... ." beginne ich ein Gespräch.
„Ja. Mein geliebtes kleines Mädchen!" murmelt er und sieht mit einem seltsam versteinerten Blick die Wand hinter mir an. „Wir hatten sie gestern zu uns eingeladen. Ganz spontan, denn es gab etwas wichtiges zu besprechen." Ich nicke wissend. „Darf ich fragen was so wichtig war? Hat es eventuell etwas damit zu tun weshalb ihre Tochter nun entführt worden ist?" Irgendwie sagt mir mein Gefühl das beides zusammen hängt.
„Sie sind gut! Sehr gute Kombinationsgabe!" lobt er mich. „Ja, das hat es in der Tat. Ich werde seit Monaten schon bedroht. Man hat mir nahe gelegt einen gewissen monatlichen Betrag an eine gewisse Organisation zu zahlen. Als Gegenleistung würde meine Bank und ihre Filialen von Überfällen verschont bleiben." Er schüttelt den Kopf. „Dabei wurden wir noch nie Opfer eines Überfalles. Seit drei Generationen nicht. Das hat sich nie jemand gewagt."
„Für mich klingt das nach organisierter Kriminalität." mutmaße ich.
„Sie meinen die Mafia?" er sieht mich mit festem Blick an. „Das denke ich ebenfalls! Nun ja, vorgestern erhielt ich einen weiteren Anruf. Man hatte genug von meinen, ich zitiere „Mätzchen" und man müsse mir wohl mal zeigen „wie das so läuft". Meine Frau und ich waren der Meinung nun auch unsere Kinder einzuweihen und luden sie daher für gestern zu uns ein. Ich rief auch Charlotte an. Sie versprach am Nachmittag zu kommen, doch sie erschien nicht. Am Abend machten wir uns langsam Sorgen. Ich rief bei ihr zu Hause an, fuhr dort vorbei, doch sie war nicht dort. Heute morgen kam nun ein Umschlag mit Inhalt."
„Was befand sich im Umschlag?" frage ich.
„Ein am PC geschriebener Brief und eine CD. Darauf war ein kurzes Video. Zu sehen war unsere Tochter Charlotte gefesselt auf einem Stuhl. Sie las von einem Zettel ab den man ihr hin hielt. Sie sagte, sie sei entführt worden und man verlangt für ihre Freilassung 5 Millionen Pfund von mir."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Oh ha. In Ordnung. Wie sah ihre Tochter aus? Wurde sie geschlagen? War da Blut?"
„Ihre Lippe war aufgeplatzt und sie hatte ein gerötete Auge. Sicher hat sie sich gewehrt und man hat sie daraufhin gezüchtigt. Ansonsten sah sie aber ... normal aus. Entsprechend den gegebenen Umständen natürlich." erklärt der Vater.
„Hm." Ich nicke. „Und dann haben Sie dennoch obwohl es ihnen verboten wurde die Polizei involviert?"
„Selbstverständlich! Wenn ich mich bei jeder kleinsten Drohung immer gleich hätte ins Boxhorn jagen lassen, wäre ich niemals soweit gekommen. Ich lasse die Entführer natürlich im Glauben ich hätte es nicht getan."
„Wenn sie es nicht schon längst wissen. Vielleicht ist Ihr Haus ja verwanzt? Ihr Telefon angezapft?" mutmaße ich erneut. Erschrocken sieht mein Auftraggeber sich um. Dann fasst er sich gleich wieder. „Nein, dass denke ich nicht. Wir hatten keine Handwerker in der letzten Zeit im Haus. Auch keine anderen fremden Personen. Ich habe mich zunächst der normalen Polizei anvertraut, doch die waren der Auffassung das es sich um organisierte Kriminalität handelt und gaben den Fall an den Geheimdienst weiter."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Wirklich?"
„Natürlich! Es soll sich ja nicht herum sprechen. Ich bin vollends damit einverstanden! Schluesluch sollte der Fall so diskret wie möglich behandelt werden." erklärt er.
„Ich verstehe! Und wenn es ihnen möglich war ..."
„Der Generaldirektor ist ein guter Freund von mir. Er kommt meiner Bitte gerne nach und stellt dafür ein paar Männer ab. Mir ist selbstverständlich bewusst, das dass nicht die Regel ist. Aber wir kennen uns seit Collegetagen."
„Ich verstehe. Die CD befindet sich nehme ich an auch beim MI5! In dieser Sache wird sich ja nun von anderer Stelle gekümmert. Das wäre auch nicht mein Spezialgebiet. Was genau erwarten Sie nun von mir?"
„Ich möchte, dass Sie hier sind bis die Sache ausgestanden ist! Ich möchte, dass Sie mich in die Bank begleiten oder meine Frau und mich wenn wir abends ausgehen." erklärt er.
„Ich verstehe, Sie leben ihr Leben nach außen hin ganz normal weiter damit niemand etwas von der Entführung mitbekommt."
Er nickt. „Genau so ist es. Auch wenn es uns unendlich schwer fällt! Charlottes älterer Bruder Aiden ist ebenfalls am Boden zerstört. Die beiden stehen sich sehr nahe."
Bei dem Namen Aiden klingelt geltend irgendwas bei mir. Charlotte und Aiden - woher kommt mir das so bekannt vor. Hatte meine Charlotte nicht gesagt das ihr Bruder Aiden heißt. Und auch, dass ihrem Vater ein der ältesten britischen Privatbanken gehört.
„Entschuldigen Sie Mister Spencer ..."
Natürlich Spencer. Scheiße! Meine Charlotte wurde entführt. Ich muss sicher gehen!
„... hätten Sie eventuell ein Bild Ihrer Tochter?"
„Sicher." Er erhebt sich, geht hinüber zum Konzertflügel und holt ein gerahmtes Foto. Er reicht es mir.
Darauf ist meine Charlotte in der Mitte. Links und rechts neben ihr ihre Geschwister.
„Die in der Mitte ist Charlotte." erklärt er mir überflüssigerweise.
Geschockt starre ich das Bild an. Meine Finger krampfen sich um den Rahmen.
„Stimmt etwas nicht?" fragt er mich.
Ich schrecke auf auch meiner Wut. „Doch doch. Schon gut." Ich reiche ihm das Bild zurück.
Ich kann ihm doch nicht sagen das seine Tochter meine Freundin ist und er eventuell mein baldiger Schwiegervater.
Da fällt mir ein, dass ich auch ein paar Kontakte zur Londoner Mafia habe. Ich frage „Ist jemals ein Name von Seiten der Organisation gefallen? Irgendein Kontaktmann?"
„Ja Garret. So heißt der Mann den ich in einem Pup treffen soll bezüglich der Geldübergabe."
Ich grübel. Garret, der Name sagt mir nichts. Sicher nur ein Handlanger.
„Heute ist Samstag. Wie sieht ihr Tagesplan für heute noch aus? Was steht die nächsten Tage an?" möchte ich wissen.
„Heute benötigen wir ihre Dienste nicht. Morgen sind wir auf einem Wohltätigkeitsball eingeladen. Aber meine Frau fühlt sich nicht so gut, daher werden wir diesen Absagen."
Ich nicke verständnisvoll. „In Ordnung. Ich briefe mein Team und melde mich. Morgen um 9 Uhr bin ich dann hier. Würde ihnen das passen?"
Mister Spencer stimmt zu und begleitet mich hinaus.
„Machen Sie sich keine Sorgen um ihre Sicherheit, Sir! Bei uns sind Sie sicher. Und ihre Tochter wird von fähigen Leuten gesucht. Es dauert sicher nicht lange bis sie wieder bei ihnen ist!" versuche ich ihn etwas zu beruhigen. Obwohl Beruhigung ist gar nicht nötig. Charlottes Vater scheint die Ruhe selbst zu sein. Nur sehr selten hat er sich während unseren Gespräches emotionale Ausrutscher in seiner Mimik erlaubt. Ein überaus beherrschter und stolzer Mann.

 

Charlotte

 

Kaum war das Video abgedreht das sie für meinen Vater aufgenommen haben, wurde ich los gebunden und auf mein Zimmer gebracht. „Die Schläge mussten sein, Süße. Nur so sieht es echt aus. Aber keine Angst, während deines Aufenthaltes hier tun wir dir nichts mehr. Außer dein Vater zahlt nicht. Tja, dann müssen wir dir leider jeden Tag etwas abschneiden und ihm schicken. So lange bis Daddy es sich doch noch anders überlegt. Es liegt an ihm." erklärt der Typ mit schmieriger Stimme. Ich schlucke und blicke stumm zu Boden. Dann überlässt er mich meinem Schicksal.

Seit gestern Abend gehen die Männer mir aus dem Weg und lassen mich allein.
Nachdem ich am Morgen aufgewacht bin, gehe ich hinunter in die Küche. Ich erschrecke als ich Geräusche höre und will schon umdrehen und wieder hinauf auf mein Zimmer gehen. Dann überlege ich es mir jedoch anders und schaue vorsichtig um die Ecke. Eine alte Frau steht in gedrückter Haltung am Herd. Irgendwas lecker duftendes brutzelt in einer Pfanne. Kurz überlege ich noch ob ich es wagen kann zu ihr zu gehen, dann entscheide ich mich dafür. Was kann sie mir schon tun? Ich sehe nochmal nach ob keiner der beiden Männer bei ist. Sie ist allein. Zaghaft trete ich neben sie. „Guten Morgen." grüße ich freundlich.
Sie erschrickt und starrt mich an, dann lässt sie ein schiefes Lächeln blicken.
„Das duftet sehr gut." versuche ich ein Gespräch zu beginnen.
Sie nickt. Mit einem mal nimmt sie die Pfanne, dreht sich damit um und füllt mir Würstchen und Spiegelei auf einen Teller. Darauf befinden sich schon gebackene Bohnen.
„Siediti e mangia!" sagt sie und deutet mit dem Pfannenwender Richtung Tisch.
Ohje sie spricht nicht meine Sprache. Ich versuche es anders. Ich deute mit dem Daumen auf mich selbst und dann auf den Teller.
Sie nickt und macht sich an den Abwasch.
„Sind sie Spanierin?" versuche ich mein Glück.
„Sono itamiano." brummt sie
„Ah Italienerin." begreife ich. „Ich kann leider kein einziges Wort italienisch." Schweigend nehme ich mein Frühstück zu mir. Britisch kochen kann sie aber sehr gut!
Als sie fertig ist verlässt sie ohne ein weiteres Wort zu sagen die Küche.
Nachdem ich aufgegessen habe wasche ich mein Geschirr selbst ab. Dabei sehe ich aus dem Fenster. Die Sonne scheint und es scheint nicht besonders kalt zu sein. Ich gehe zur Garderobe um mir meinen Mantel über zuziehen. Zum Glück haben sie mir meinen Mantel gelassen! Meine Handtasche wurde mir natürlich weg genommen. Ich finde einen Schal auf der Ablage und binde ihn mir um den Hals. Noch ein letzter Blick ob irgendwo jemand ist der mich daran hindert könnte das Haus zu verlassen. Es ist niemand zu sehen. Mutig öffne ich die Haustür. Kühle Luft weht mir ins Gesicht. Ich trete hinaus. Hinter mir ziehe ich die Tür ins Schloss. Tief durchatmend stehe ich vor dem Haus.
Immer noch zeigt sich niemand. Ich gehe ein paar Schritte. Der Garten hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber das Cottage liegt hier wunderschön mitten in der Natur. Wo bin ich hier nur? Ob ich noch in England bin? Es kann aber auch Schottland oder Irland sein. Ich weiß es nicht.
Ob ich es wagen kann weg zulaufen? Ich beschließe es zu versuchen.
„Bleib ruhig, Charlotte! Schön langsam weiter laufen!" spreche ich mir selbst Mut zu. Ich straffe die Schultern und gehe ruhig aber bestimmt einfach geradeaus. Weitere zehn Schritte sind geschafft.
Weiter!
Mit einmal höre ich hinter mir schnelle Schritte. Ich drehe mich hastig um, einer der Männer rennt mir hinterher. Mit einer Hand zieht er sich gerade noch die Maske über das Gesicht.
„Bleib stehen!" brüllt er.
Ich renne los.
Er wird schneller und holt mich ein. Kräftig packt er mich am Arm. „Willst wohl ein bisschen spazieren gehen was?" lacht er. „Dann begleite ich dich mal lieber. Nicht das du dich noch verläufst." Enttäuscht blicke ich zu Boden und lasse mich von ihm am Arm haltend weiter führen. „Danke." brumme ich gedehnt. Ich schiebe meine Hände in die Manteltaschen. Jetzt wo ich langsam laufe ist es doch recht frisch. „Du brauchst nicht zu glauben von hier abhauen zu können, Süße! Wir passen auf das du uns nicht abhanden kommst." Er bleibt stehen und zieht mich mit einem Ruck an sich. Ich stolpere und kann mich gerade noch mit beiden Händen an seinem Oberkörper abstützen.
„Du bist sehr wertvoll für uns." raunt er und streicht mir eine Locke aus dem Gesicht.
Hastig trete ich einen Schritt zurück und wische mir die Hände an meinem Mantel ab.
Er sieht es und quittiert es mit erhobener Augenbraue. „Willst du noch weiter gehen? Dahinten ist gleich die Küste."
Ich nicke und gehe weiter. Er geht neben mir.

Später sitze ich auf der Bank im Erkerfenster in meinem Zimmer und sehe hinaus. Weit hinten erkenne ich das Meer. Aber welches es ist weiß ich noch immer nicht. Nordsee oder Ostsee. Eines von beiden muss es doch sein. Ich habe bei dem Spaziergang heraus bekommen das die alte Italienerin Marciella heißt und wirklich kein Wort Englisch spricht. So kann sie mir nicht helfen. Und zwei Männer sind hier um mich zu bewachen. Sonst keiner weiter. Wie lange ich jedoch hier bleiben muss konnte er mir nicht sagen. Das kommt darauf an wie schnell mein Vater das Geld besorgt.
„Oh Daddy, ich hoffe du machst schnell! Ich will nach Hause!" weine ich.
Unter meinem Fenster stehen mit dem Rücken zu mir die beiden Männer. Sie haben beide Gewehre in den Händen. Vorsichtig öffne ich einen der kleinen Fensterflügel in der Hoffnung ihr Gespräch belauschen zu können um vielleicht Informationen zu erhalten. Das Fenster knarzt leise. Ich erstarre. Ob sie es gehört haben? Doch die beiden sehen sich nicht um. Sie sind in ihr Gespräch vertieft.
„Diese Langeweile hier bringt mich noch um. Ich könnt kotzen!" meckert der eine mit der schmierigen Stimme.
„Ach komm schon. Klar ist es hier langweilig, aber die Gesellschaft die wir haben ist ganz passabel." spielerisch boxt er dem anderen mit dem Ellbogen in die Seite. „Tolle Gesellschaft. Wir dürfen ja nicht mit ihr reden. Der Boss meint je weniger Kontakt wir zu der haben, um so weniger könnten wir uns verraten."
„Hm. Reden wäre nicht das erste woran ich bei der denken würde. Aber na ja, wenn der Boss das sagt." Dann folgt kurzes Schweigen.
„Ah guck mal! Da ist Abwechslung. Wer zuerst den Hasen da erledigt." meldet sich die Ekelstimme wieder zu Wort.
„Wo?"
„Na dort, du Idiot!"
Ich sehe in die Richtung wohin der eine zeigt und sehe in einiger Entfernung zwei Hasen auf einem Hügel sitzen.
„Die hol ich mir." Knurrt der Erste und legt sein Gewehr an.
Der Zweite macht es ihm nach.
Ein Knall. Dann ein zweiter. Jubelschreie. „Jeah! Ich hab einen!"
Beide entfernen sich vom Haus um ihre Beute zu holen. Als sie zurück kehren tragen sie blutende Hasenleichen. Angeekelt schlage ich ohne Vorsicht das Fenster zu und setze mich mit dem Rücken dazu auf die Bank.
„Ob sie auch ohne zu zögern ebenso mich abknallen würden?" denke ich. Aber zwischen Mensch und Tier ist ja immerhin noch ein Unterschied. Ich hoffe dessen sind die beiden da unten auch bewusst.

 

Max

 

Ich sitze am Küchentresen im Haus der Spencers und trinke ein Glas Orangensaft als ich ein Telefon klingeln höre. Schnell stehe ich auf und laufe dem Geräusch entgegen. Es kommt aus dem Salon wo sich Mister Spencer aufhält. Gerade als ich um die Ecke biegen will höre ich ihn sagen „... du bekommst dein Geld zurück. Das habe ich dir stets gesagt, Maxim."
Das könnte interessant werden. Ich bleibe abwartend stehen und lausche.
„... Maxim bitte .... meine Tochter ... bitte ... nein nein ... du bekommst dein Geld ja. Ich bin dabei. ... Zwei höchstens drei Tage noch ... Ja, ich weiß ich hatte lange genug Zeit. .... In Ordnung. Ich bitte dich nur um eines, Maxim, bitte tu ihr nicht weh! Sie kann doch gar nichts dafür." Ich glaube den stets nach außen hin beherrschten spielenden Mann weinen zu hören.
Weiter höre ich wie etwas hart auf einen Tisch geknallt wird. Sicher das Handy.
Ich gebe ihm noch ein paar Sekunden sich zu sammeln dann betrete ich den Raum. „Ich dachte ich hätte ein Klingeln gehört?" frage ich unschuldig.
Erschrocken fährt der angesprochene herum. „Ähm ... ja, mein Handy war es. ... Unwichtig ... nur die Bank." trägt er mir stammelnd eine Lüge vor.
Der feine saubere Mister Spencer hat ein dunkles Geheimnis und ich denke schon erraten zu können um welches es sich handelt. Scheiße ist nur, dass er da meine Süße mit rein gezogen hat!

Kapitel 29

Charlotte

 

Es ist 16 Uhr und draußen ist es bereits dunkel. Das schöne Wetter vom Morgen hat sich leider nicht gehalten. Der ganze restliche Tag war trübe und verregnet. Demnach ist meine Stimmung in einem Tief. Was da hilft ist Tee. Ich möchte mir in der Küche unten einen zubereiten und gehe leise die Treppe hinunter. Da höre ich einen der Männer mit jemanden sprechen. Da ich nur seine Stimme höre, gehe ich davon aus das er telefoniert. Es ist der Mann mit der weniger unangenehmen Stimme. „... Wirklich? Der Boss meinte doch wir sollen ... ist ja gut ... entspann dich ... ich mach's ja, kann eben nur nicht verstehen was den Boss seine Meinung hat ändern lassen ... soll ich ein Video? ... okay ... ja, okay." Das letzte okay schrie er fast ins Telefon. Ich höre wie eine Faust auf eine Wand trifft. Erschrocken zucke ich zusammen. Durch das Geräusch angelockt, kommt auch der zweite dazu. „Hey, was is denn los?"
„Ist schon gut. Ich bin nur sauer." brummt der erste.
„Neue Anweisungen? Sollen wir die Kleine laufen lassen? Sie mitten in Wales aussetzen?" lacht der mit der normalen Stimme.
„Halts Maul du Idiot! Wenn sie dich hört." zischt der eine.
„Ach die ist oben und heult sich sicherlich die Augen aus. >Daddy wann kommst du mich retten?<". äfft mich der andere mit verstellt hoher Stimme nach.
Mir schaudert es.
„Also, was gibt's Neues?" will er wieder mit seiner normalen Stimme wissen.
„Wir sollen den Aufenthalt der Kleinen hier etwas unangenehmer gestalten." knurrt der andere und ich kann förmlich sehen wie er dabei wütend die Lippen aufeinander presst.
„Echt?" ruft der andere aufgekratzt. „Egal wie und womit?"
Schweigen.
Mir schwant Bösen.
Leise, aber so schnell ich kann eile ich die Treppe wieder hinauf auf mein Zimmer.
Oben angekommen schlage ich hinter mir die Tür zu und lehne mich dagegen. „Überleg dir was, Charlotte!" sporne ich mich selbst an. Einen Schlüssel gibt für diese Tür nicht, also muss ich mich verbarrikadieren. Panik steigt in mir hoch. Ich sehe mich im Raum um. Nichts großes was ich vor die Tür schieben kann. Nur Kleinmöbel und das Bett. Eilig stelle ich das Tischchen, den Stuhl und ein kleines Regal vor die Tür. Krampfhaft versuche ich auch das Bett zu bewegen. Es ist sehr schwer und daher kaum weg zu bewegen. Da höre ich sich nähernde schwere Schritte auf der Treppe. Das Zimmer liegt im ersten Stock, wenn ich aus dem Fenster klettere kann ich vielleicht fliehen? Die Dunkelheit dürfte mir genug Schutz bieten. Hastig laufe ich zum Fenster und stoße es auf. Neben dem Fenster läuft die Regenrinne entlang, daran könnte ich hinunter klettern und falls ich falle bremsen die struppigen Rosensträucher unter dem Fenster eventuell meinen Sturz.
Es klopft an der Tür. „Schätzchen, schläfst du schon?" höre ich das Ekel rufen.
Ich wage es und klettere aus dem Fenster. Zum Glück bin ich schlank genug! Trotzdem bleibe ich mit dem Shirt an etwas hängen. Stoff reißt.
„Schätzchen?"
Vor dem Fenster befindet sich ein kleines Vordach. Ich sehe mich um.
Hinter mir höre ich „Ich hab eine Überraschung für dich. Ich komm jetzt rein sie dir zeigen." Er lacht. Das Lachen vergeht ihm aber als er merkt das sich die Tür sich nicht ohne weiteres öffnen lässt. „Hey was soll das? Mach auf!" brüllt er.
Schläge an der Tür.
In dem Moment wo ich nach der Regenrinne greife geht im Raum hinter mir die Tür auf. „Sie haut ab, Steve." brüllt er und stürzt zum Fenster.
Ich klettere so gut es eben geht hinunter. Die Regenrinne ist alt und vor allem nicht mehr richtig an der Hauswand befestigt. Sie wackelt und knarzt. Nur noch wenige Zentimeter trennen mich vom Boden. Mutig lasse ich los und falle.
„Na wo wollen wir denn hin?"
Das Blut gefriert mir in den Adern. Ich hatte angenommen der zweite Kerl würde in mein Zimmer laufen, dass er so umsichtig ist zu wissen das ich über das Fenster flüchte, hätte ich nie gedacht. Man soll sein Gegenüber eben nicht unterschätzen!
„Komm her!" blafft er und greift mir ins Haar. Ich schreie auf. Brutal zerrt er mich an den Haaren hinter sich her ins Haus zurück. „Ich wollte dir nicht weh tun. Doch jetzt wo du versucht hast zu fliehen werde ich meinen Kollegen kaum noch davon abhalten können." schnautzt er mich an.
Tränen strömen mir über das Gesicht. „Nein nein. Bitte nicht! Nein. Bitte bitte!" flehe ich ihn an während ich seine Hände in meinem Haar festhalte und versuche ihn so daran zu hindern mir die Haare auszureißen. „Ich kann nichts mehr für dich tun, Süße." sagt er, wirft mich ins Wohnzimmer hinein und sieht zu Boden. Er sieht traurig aus. Ich krabbelte auf allen vierten zu ihm und umklammere seine Taille. „Bitte bitte. Tun Sie mir nichts, Steve!"
Da schlägt er mir mit dem Handrücken unverhofft ins Gesicht.
Ehe bei mir die Lichter ausgehen und ich auf dem Teppich aufschlage sehe ich noch das Ekel den Raum betreten.

 

Max

 

„Haben Sie das Geld bald zusammen, Mister Spencer?" frage ich als dieser am Frühstückstisch sitzt und scheinbar in aller Seelenruhe Zeitung liest. Er faltet sie zusammen und sieht mich an. „Das geht Sie nichts an Steel! Sie sind nur für die Sicherheit meiner Familie hier, und nicht um Fragen zu stellen." blafft er.
„Selbstverständlich, Sir." lenke ich ein und ziehe mich zurück. Sicher hat die Köchin in der Küche einen Kaffee für mich.
„So ein selbstgerechtes Arschloch!" denke ich. „Und Charlotte muss es ausbaden." Unterwegs zur Küche rufe ich Greenwood an. Mein Mann für Recherche.
„Greenwood, haben Sie mittlerweile mal was raus bekommen?" frage ich statt einer Begrüßung als er abnimmt.
„Bin noch dran, Boss. Bisher hat der GPS Tracker in ihrem Handy nichts gebracht. Das Handy ist aus, nicht mehr ortbar."
„Vielleicht haben sie ihn ja gefunden und zerstört." werfe ich ein.
„Sicherlich. Ich bin noch dran raus zubekommen wohin das Schiff mit ihr an Bord verschwunden ist. Die Angaben die der Kapitän der Hafenbehörde gemacht hat waren falsch."
„War ja klar." murmle ich. „Versuchen Sie etwas über einen Millionär mit dem Vornamen Maxim heraus zu bekommen!"
„Klingt russisch. Eine neue Spur?"
„Ja genau. Die heißeste vielleicht die wir haben. Ich bin rund um die Uhr erreichbar, Greenwood. Melden Sie sich sobald Sie was haben!" ich lege auf.

In der Küche hat die Köchin nicht nur einen Kaffee für mich sondern auch ein vorzügliches Frühstück.
„Na nein Hübscher." begrüßt sie mich. Grinsend setze ich mich an den Tisch.
„Danke für das Frühstück!"
„Gerne doch! Ich freue mich, dass wenigstens einer hier noch etwas von dem isst was ich zubereite! Die Misses isst kaum noch. Und Mister Spencer verkriecht sich nur noch in sein Arbeitszimmer und wird immer sonderbarer. Heute morgen erst wieder sagte mir Babette ..."
„Babette ist das Zimmermädchen oder?" unterbrechen ich sie.
Sie nickt. „So ist es. Sie hat gerade im Büro sauber gemacht als der Chef an seinem Schreibtisch saß und arbeitete oder was er sonst so den ganzen Tag da drin macht. Dann bekam er wohl eine Email. Darin muss ein Video gewesen sein. Als das startete, stoppte er es abrupt und schickte Babette hinaus." erklärt sie und Nacht ein wissendes Gesicht.
„Ein Video also. Interessant. Babette konnte nichts erkennen nehme ich an."
Sie schüttelt den Kopf.
„Dolly , Sie haben ja ein gutes Verhältnis hier untereinander. Sie, die Angestellten. Haben ihre Augen und Ohren doch sicher überall. Können Sie mir eventuell sagen, ob ihr Chef öfters abends allein ausgeht? Macht er sowas wie Männerabende?" versuche ich mein Glück.
Dolly überlegt. „Na ja, Barron erzählt manchmal davon das er Mister Spencer nach Nightsbridge fährt und er sich dort immer an einer bestimmten Straßenecke absetzen lässt und den Rest zu Fuß geht. Ist fast so als würde er nicht wollen das jemand mitbekommt wo er wirklich hingeht. Wir vermuten ja, er hat ne Geliebte und die besucht er dann! Ansonsten fahren sie schon auch mal ins Casino in. Aber dort fahren sie gemeinsam hin. Mister und Misses Spencer."
Interessant! Marylebone, dass deckt sich mit meiner Vermutung. Mister Spencer ist ein Spieler. Er schuldet den falschen Leuten Geld und weil er nicht zahlt bekommt er jetzt die Quittung.
„Interessabt, Dolly. Ich danke ihnen!" charmant lächelnd verlasse ich sie wieder. Den leer gegessenen Teller lasse ich einfach stehen. Ich muss dieses Video sehen! Wieder rufe ich Greenwood an.
„Ich bin noch dran, Boss." sagt dieser als er abnimmt.
„Okay. Ich brauche aber noch etwas. Das hat oberste Priorität. Hacken Sie sich in den privaten PC von James Spencer! Er hat heute morgen eine Mail mit Video Anhang bekommen. Ich brauche Absender wenn möglich, Text der Mail und den Anhang." befehle ich.
„Einen Moment. ... Ich orte ihn. ... Da ist er ja. ... Und drin. Soll ich es ihnen auf ihr Handy schicken?" fragt Greenwood.
„Ja."
„Oh wow! Ach du scheiße! Ähm Boss ..."
„Was?" frage ich misstrauisch.
„Ich denke nicht das Sie sich das Video ansehen sollten!" Er zieht die Luft scharf ein. „Nein ... nein, wirklich nicht. Scheiße!"
Er scheint nicht zu bemerken, dass er mich mit seinen vagen Bemerkungen und gefluche erst recht scharf darauf macht es mir anzusehen. Schicken Sie es mir! Sofort!" befehle ich so streng wie möglich. „Okay, aber auf Ihre eigene Verantwortung, Boss."
Mein Handy signalisiert mir mit einem kurzen Geräusch den Eingang einer Email. Ich lege auf um mir sie anzusehen. Ich öffne das Emailpostfach. Eine weitergeleitet Mail von Greenwood ist da. Im Betreff steht nichts. Die Mail ist ebenfalls leer, ohne Text. Nur ein Video im Anhang wie Greenwood schon gesagt hat. Ich öffne es und bereue es sofort wieder. Ich sehe meine Charlotte nackt und gefesselt auf einem schäbigen Sofa liegen. Sie blutet und wimmert. Ihre Hände sind vor dem Körper gefesselt, ihr Mund mit einem Handtuch geknebelt. Dennoch schaue ich es mir weiter an. Ein nackter Männerarsch erscheint im Bild und nährt sich ihr. Meine Hand krampft sich um mein Smartphone. Charlotte wird mit einem Ruck als würde sie nichts wiegen über die Rückenlehne des Sofas geworfen. Die Position der Kamera ändert sich von hinter ihnen zu neben ihnen. Ich kann alles sehen. Wie sie sich heftig zu wehren versucht, wie dieser Pisser ungehindert und schmierig grinsend mit einem Ruck in sie eindringt. Sie wimmert und versucht zu schreien. Dann sagt er „Na gefällt dir das, Alter? Das hast du jetzt davon." Er krallt sich in ihr Haar und rammt ihr immer wieder und wieder seinen Schwanz von hinten rein.
„Komm das reicht jetzt!" hört man die Stimme eines weiteren Mannes. Die des Kameramannes.
„Ich bin noch nicht fertig." mault der Wichser. „Und unsre Schönheit hier ist auch noch nicht am Höhepunkt." Er leckt ihr mit der Zunge quer über die Wange. Tränen strömen ihr über das geschundene Gesicht.
„Ich sage dir es reicht! Wir haben doch was wir wollten." versucht es der andere erneut.
Ich kann kaum noch hinsehen. Muss mich mit der freien Hand an der Wand abstützen.
Laut stöhnend kommt der Wichser und das Bild wird dunkel.
Entsetzt und wütend stecke ich mein Handy in die Tasche meines Jacketts. Vor Wut über die Ruhe die Charlottes Vater an den Tag legt könnte ich ausflippen. Am liebsten würde ich zu Spencer hingehen und ihn verprügeln. Er hat das auch gesehen und frühstückt danach in aller Ruhe als wäre nichts gewesen. Dieses selbstgerechte Arschloch! Ich hoffe nur, er hat seiner Frau nichts von dem Video gesagt! Die würde glatt Selbstmord begehen.
Ich schicke Greenwood eine Nachricht 'Alle Bemühungen verschärfen! Ich brauche schnellstmöglich Informationen!'

 

Tom

 

Ich beiße in das Croissant das ich mir heute früh beim Bäcker besorgt habe und trinke einen Schluck Automatenkaffee dazu, als eine Mail in meinem Postfach ankommt. Sie ist von Falkner. Ich öffne sie sofort.' Kam heute morgen bei Spencer an.' steht im Betreff. Ansonsten ist die Mail leer. Ich öffne den Anhang. Es ist ein Video. Zunächst ist das Bild verwackelt und man sieht einen schäbigen mit Blumen gemusterten Teppich. Jemand wimmert. Das Bild fährt hoch, ist nun auf eine Couch gerichtet. Dort liegt nackt und gefesselt Charly. Ihr Mund wurde mit einem Geschirrhandtuch geknebelt. Auf ihrer Wange prangt eine blutende Wunde. Weinend dreht sie den Kopf zur Rückenlehne. Wütend springe ich von meinem Stuhl auf, tigere im Raum auf und ab. Das Video läuft weiter. Ich sehe wie ein nackter behaarter Arsch ins Bild läuft. Der Kerl geht zu ihr, reißt sie an den gefesselten Händen mit denen sie versucht hat ihre Blöße zu verdecken hoch und wirft sie bäuchlings über die Rückenlehne der Couch. Ich kann kaum hinsehen als er sich hinter sie kniet. Ihr Wimmern wird lauter, sie versucht sich zu wehren, schlägt mit dem Kopf nach hinten aus, versucht zu treten. Doch sie hat keine Chance. Mit einer Hand hält er ihre Hüfte fest, mit der anderen verknallt er sich in ihrem zerzausten roten Haar und zieht ihren Kopf zu sich. Die Kamera geht vorwärts bis sie neben der Couch mit bestem Seitenblick auf die beiden stehen bleibt. Man kann alles sehen. Ich sehe wie er mit einem Ruck in sie eindringt, wie sie vor Schmerzen wimmert und versucht zu schreien und er schmierig grinsend in die Kamera schaut und sagt „Na gefällt dir das, Alter? Das hast du jetzt davon." Meine Faust landet in seiner widerlichen Fresse und Glassplitter in meiner Haut als ich in den Bildschirm schlage.
Es klopft an meiner Tür. Ich sehe auf. Mein Blick ist glasig.
Es ist Gibs. „Darf ich?" fragt dieser und sieht verwundert auf meinen zerschlagenen Bildschirm.
„Ich musste Aggressionen ablassen." erkläre ich abfällig. „Komm rein!"
Er tritt ein und wirft mir eine gelbe Akte auf den Tisch. „Was ist das?" will ich wissen, greife aber schon danach und schlage sie auf.
„Alles was ich über dieses Schiff und seinen Besitzer herausfinden konnte." erwidert er und setzt sich mir gegenüber auf den Besucherstuhl.
Schweigend überfliege ich den Text. Das Schiff gehört einem gewissen Maxim Gregorovic. Ein steinreicher Immobilienmagnat aus Moskau mit besten Verbindungen nach London. Er wurde via Videotelefonie befragt warum sein Schiff vor vier Tagen in London war. Nach eigenen Angaben hatte er einem Freund einen Wagen geschickt. Einen getunten Maserati. Dieser war eine Wettschuld. Und Wettschulden sind schließlich Ehrenschulden. Bei der Abfahrt war es angeblich leer und hatte bis auf die eigene Besatzung keine Menschenseele an Bord. „Na klar." brumme ich während ich den Schwachsinn lese. Das Schiff fuhr Richtung Osten die Themse wieder runter zurück in die Nordsee. Ziel Norwegen. Angeblich wollten ein zwei Leute der Crew dort auf Elchjagd gehen. Wütend klatsche ich die Akte zu. „Hat man das überprüft? Ich meine ob das Schiff tatsächlich nach Norwegen fuhr." frage ich.
„Ich glaube schon ..."
„Glaubst du oder weißt du es?" schnautze ich ihn an.
„Ich werde mich sofort nochmal ran setzen." Gibs springt auf, reißt mir die Akte aus der Hand und verlässt mein Büro. „Zehn Minuten."
Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehne mich zurück. „Wo bist du nur, Charly?"
Die ganze Zeit schon habe ich das Gefühl irgendwas übersehen zu haben. Aber was nur? Was?
Ich stehe auf und gehe in den Technikraum und sehe mir noch ein weiteres mal die Aufzeichnungen der städtischen Überwachungskameras an. Da ist Charly im Schneesturm in ihren dunklen Mantel gehüllt neben ihrem verunglückten Auto. Sie steigt in den Abschleppwagen. Dieser fährt .... Moment mal." Ich spule zurück. Sehe mir Charly erneut an und da sehe ich es plötzlich. Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen? Sicher weil es im Winter ein alltägliches Bild ist das jemand einen Mantel trägt. Es ist dieser Mantel. Der den ich mit einem GPS Sender und einem Abhörgerät ausgestattet habe. Mit ganz viel Glück hat sie ihn noch bei sich.
Ich will gerade aufstehen um Gibs zu suchen , als sich die Tür öffnet. „Das Schiff ist nie in Norwegen angekommen." verkündet Gibs niedergeschlagen. „Was für eine Überraschung. Nun sind wir wieder am Anfang."
„Vielleicht nicht." murmle ich und erkläre ihm schnell den Stand der Dinge.
Neue Hoffnung schöpfend gehen wir gemeinsam in den Techniktaum, Gibs Büro. Er setzt sich sofort ran das GPS Signal zu orten, und findet es tatsächlich. In Wales.
„Bingo. Wir haben sie." jubelt Gibs.
„Freu dich nicht zu früh! Sie können den Mantel weg geworfen oder den Sender entdeckt und diesen entsorgt haben." gebe ich zu bedenken.
„Und jetzt? Willst du da hin?"
„Na klar. Aber da ist noch etwas." ich aktiviere das Abhörgerät und schalte den Lautsprecher ein.
Gespannt lauschen wir.
Stille.
Dann wird plötzlich eine Tür zugeschlagen.
„Marciella bring warmes Wasser! Sofort!" brüllt eine männliche Stimme ziemlich laut. „Du hättest auch mal drauf gehen sollen, Bruder! Jetzt schläft sie erstmal. Ist völlig fertig."
„Geschunden meinst du wohl." Hört man eine weitere männliche Stimme.
„Quatsch. Der wurde es nur noch nie so gut besorgt. Die ist nur müde. Fünf Mal, Steve. So oft hat sie mich kommen lassen."
Ich merke wie unbändige Wut in mir kocht. Dieser Wichser sollte hoffen mir nie vor die Augen zu kommen!
„Du bist ein Schwein!" sagt der andere ruhig. „Mit dir rede ich kein Wort mehr." brüllt er den anderen an.
„Ist mir doch egal. Ich ruf jetzt erst mal den Boss an und sag ihm der Befehl wurde ausgeführt. Zumindest von einem seiner Männer." höhnt er erste.
Etwas knallt gegen Holz.
„Ah Marcella. Ja, sie ist da drin. Bitte kümmere dich um sie. ... Ja da drin. ... Wenn sie etwas braucht, Medizin oder so, sag mir Bescheid! Mir ... ja nur mir." Redet er da mit einer begriffsstutzigen Italienerin oder was?
Eine Tür geht auf. „Nein bitte nicht!" hören wir Charlottes Stimme weit entfernt kraftlos rufen.
„Keine Sorge, Miss. Er ist erstmal weg." ruft der freundlichere von den Typen. Die Tür schließt sich. Dann folgt Stille. Kurz darauf hören wir aber eine Stimme, leise, etwas weiter entfernt aber deutlich.
„Ja Boss. ... Ja, es hat ihr gefallen." Ein Lachen folgt. „Ich hab bis eben weiter gemacht. Die hat ihre Lektion gelernt und ich hoffe der Alte auch!"
Gibson und ich sehen uns an.
„Hat der Alte schon was verlauten lassen wann er zahlt? ... Übermorgen? Klasse! Ich hab nämlich die Nase voll von der Walisischen Einöde! Nur Wasser und Gras. Ich brauch mal wieder richtiges Gras und Muschis die sich nicht so zieren. ... In Ordnung, Boss. Klar halte ich noch durch! ... Ja, der auch. ... Ja, ich weiß. ... Steve hat Gewissensbisse. Er ist eben noch jung. Hat noch nicht viel Erfahrung. ... Keine Sorge, der quatscht trotzdem nicht. Ich hab da so meine Mittel." Erneut dieses dreckige Lachen. „Auf bald." Eine Tür wird aufgestoßen und zugeschlagen. „Ach geh mir aus dem Weg, Alte!" blafft er. Eine weibliche italienische Stimme murmelt „Puoi Attraversarmi volte!" Schritte entfernen sich. Dann herrscht wieder Stille.
„Walisische Küste." Gibs hat sofort reagiert und sucht auf der Karte nach abgelegenen Gebäuden in Küstennähe in Wales. „Bingo. Südlich von Dale. Nahe Westdale Bay." verkündet Gibs und schlägt mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Gut gemacht, Gibs! Ich informiere Falkner. Besorg du einen Heli!"

„In Ordnung, Cray, fliegen Sie dort hin und checken Sie die Lage. Zugriff nur wenn sich die Gelegenheit ergibt. Das Leben der Geisel darf unter keinen Umständen gefährdet werden!" instruiert mein Boss mich. Schweigend und nickend blicke ich zu Boden. Unruhig trete ich von einem Bein auf das andere. Ich will endlich los und mein Mädchen retten!
„Ist das auch wirklich okay für Sie, Cray?"
„Hä?" mache ich und sehe ihn fragend an.
„Na weil sie doch ihre Freundin ist." ergänzt er.
„Ich komm schon klar, Sir." brumme ich.
„Dann fliegen Sie. Ich verständige die Eltern. Ich denke aber wir belassen es erst einmal bei der Lösegeldübergabe in zwei Tagen."
Ich nicke, tippe mir an die Stirn und verlasse das Büro meines Chefs.

Mein nächster Weg führt mich direkt in unsere Waffenkammer. Die Beamtin hinter der Glasscheibe sieht mir mürrisch entgegen.
„Hey. Ich brauche meine Walther und drei Magazine." Ich werfe ihr meine blaue Waffenkarte in die Schublade unter der kugelsicheren Glasscheibe.
Sie schaut auf die Karte, nickt, erhebt sich und holt mir aus den tiefen ihrer Räumlichkeiten meine Waffe. Anschließend legt sie sie gemeinsam mit einem Klemmbrett in die Schublade. Ich unterschreibe dafür und stecke mir die Waffe in das Schulterholster und die Magazine in die Jackentasche. „Danke." brumme ich und verschwinde.
„Heli steht bereit. Die machen allerdings nen Affen weil du selbst fliegen willst." teilt Gibs mir am Handy mit. „Du weißt schon, der Heli war teuer und du bist noch kein so erfahrener Pilot."
„Die können mich mal! Das wird eine Ein-Mann-Show!" brumme ich. „Danke! Ich melde mich wenn ich in Dale bin."
„In Ordnung." sagt Gibs.
Ich lege auf.

Noch ein kurzer Zwischenstopp im Ausrüstungslager. Ich lasse mir von Bekker ein Nachtsichtgerät und diese geniale Armbanduhr geben die mir bereits im letzten Einsatz äußerst hilfreich war und gehe ich zum Fahrstuhl der mich direkt zum Hubschrauberlandeplatz hoch bringt. Dieser befindet sich, natürlich auf dem Dach. Oben öffnet sich die Fahrstuhltür und kalter Wind peitscht mir ins Gesicht. Der Windsack zerrt wild an der Fahnenstange. Als der Pilot bemerkt das ich mich seinem Lieblingsspielzeug nähre und verschränkt die Arme vor der Brust. Seine Orden glänzen im diffusen Licht hier oben. Das weiße Hemd hebt sich extrem von seiner braunen Haut ab.
„Cray." begrüßt er mich.
„Wallberg." blaffe ich. „Kann ich jetzt mal los? Ist echt eilig."
„Erst nach der Übergabe." grinst Wallberg über beide Ohren. Am liebsten würde ich ihn K.O. hauen! „Hör mal du Kasper, ich hab es eilig. Muss bis nach Wales. Es geht um Leben und Tod. Wenn du Pisser also kein Blut an deinen Händen kleben haben willst, lässt du mich jetzt durch!"
„Du glaubst du kannst dir hier alles erlauben, oder Cray?"
„Ich glaube es nicht nur, Wallberg. Ich weiß es!" triumphiere ich.
Er schnaubt verächtlich. Gibt aber immer noch nicht den Weg frei. Langsam wird's mir zu bunt! Aber ich beherrsche mich. Meine Mission ist eine andere. „Hör mal, wenn du wissen willst wie wichtig diese Mission ist in der ich unterwegs bin, wende dich an Falkner! Ich geh derweilen schon mal."
Ich gehe an ihm vorbei. Nicht ohne ihn mit der Schulter hart anzustoßen.
„Arschloch!" flüstert er. Er weiß, dass ich in der Hierarchie höher stehe, aber mit einem Ego wie dem seinen ist es natürlich schwer zu akzeptieren.
„Okay, Cray. Das werde ich tun. Verlassen Sie sich drauf." Er hebt ergebend die Hände in die Höhe und dreht sich Richtung Fahrstuhl.

Sicher führt sein nächster Weg direkt in Falkner's Büro.
Als sich die Fahrstuhltüren vor der Pisser schließen, sitze ich bereits im Pilotensitz und betätige die Knöpfe und Hebel. Der Rotor beginnt sich zu drehen. Immer schneller, immer lauter.
„Vauxhall Alpha. Eagle Tango erbittet Starterlaubnis!" spreche ich in das Mikro an dem Helm.
„Vauxhall Alpha hört. Eagle Tango, Starterlaubnis ist erteilt." kommt es verzerrt aus dem Lautsprecher.
Das ist mein Startzeichen.
Langsam ziehe ich den Stick zwischen meinen Beinen zu mir heran. Der Heli hebt langsam vom Boden ab. Ich schwebe knapp über den Rand des Landeplatzes und ziehe dann mit Tempo in die Höhe.
Unter mir glitzert die Themse im nächtlichen Lichtermeer. Kurven ziehend umfliege ich die Hochhäuser von Southwark.
Ich fliege zunächst Richtung Westen.
Unterwegs bleibe ich im ständigen Funkkontakt mit Vauxhall Alpha.
Per Smartphone übermittelt Gibson mir die Koordinaten wo Charlotte in Süd Wales versteckt gehalten wird.

Kapitel 30

Charlotte

 

Die letzten Stunden kann ich getrost als die schlimmste Zeit meines Lebens betiteln! Schon als mich dieser Steve vor dem Haus einfing schwahnte mir, jetzt gibt es Ärger. Er stieß mich in das Wohnzimmer und sperrte die Tür ab. Gerade dachte ich daran das Fenster einzuschlagen und erneut zu fliehen, als ich schwere Schritte die Treppe herunter poltern höre. „Wo ist das Miststück?" hallte es durch das Haus.
Mein Magen krampfte, ich verfiel in eine Schockstarre. Dann kam mir der Gedanke mich neben der Tür zu postieren und dem nächsten der dieses Zimmer betritt mit einem schweren Gegenstand eines über zu braten. Hektisch sah ich mich nach solch einem Gegenstand um und fand das Kaminbesteck. Die Schaufel war genau richtig! Da wurde auch schon der Schlüssel in der Tür gedreht. Mit einem Hechtsprung war ich neben der Tür und presste mich eng an die Wand. Der Hinterkopf des brutalen Scheißkerls mit der nervtötenden Stimme schiebt sich durch den Türspalt ins Zimmer. Ich hebe die Hände, hole aus und ... da sieht er mich wohl aus dem Augenwinkel ... dreht sich etwas zur Seite, greift nach meinem Arm und drückt so kräftig zu das ich vor Schmerz die Schaufel fallen lasse. Dafür bekomme ich etwas anderes. Er schlägt mir mit dem Handrücken hart ins Gesicht. Ich falle und schlage mir den Kopf irgendwo an einem Möbel an. Bei mir gehen die Lichter aus. Das sollte nicht das letzte mal gewesen sein an diesem Tag.

Als ich wieder zu mir komme bin ich vollkommen nackt und liege auf dem hässlichen gelben Sofa. Instinktiv versuche ich mich zu bedecken, doch meine Hände sind gefesselt und in meinem Mund hat man mir ein Küchenhandtuch gestopft. Panik überkommt mich, schnell und heftig, so wie wenn die Tube aus dem Tunnel geschossen kommt. Ich versuche aufzustehen und mir mit den Händen den Knebel raus zu reißen.
„Nix da, Süße. Du bleibst schön hier und lässt alles so. Ich hab keinen Lust mir dein Gejammer anzuhören!" Ich war mir seiner Anwesenheit gar nicht bewusst gewesen. Erschrocken starre ich ihn an wie er so ohne Hose auf mich zu kommt. Langsam und gefährlich wie ein Tiger im Dschungel. Da betritt der andere das Zimmer, in der Hand hält er sein Handy.
„Was wird das hier?" versuche ich zu sagen, doch heraus kommen nur unverständliche Laute.
„Dein Daddy hat Scheiße gebaut. 5 Millionen Pfund große Scheiße. Und weil er immer noch nicht hören will, müssen wir deutlicher werden. Tja, Schätzchen, du musst es ausbaden." Er zuckt mit den Schultern." Vielleicht besinnt sich dein Daddy ja wenn er das Video sieht." erklärt der weiter. Verstanden habe ich es allerdings nicht. Kann auch an den Umstand liegen sich nackt und gefesselt in einer gefährlichen Situation zu befinden. Das ist für das logische Denken nicht gerade förderlich.
Ich schüttelte den Kopf als er näher kommt, trete zurück bis ich mit den Waden an ein Hindernis stoße. Direkt hinter mir steht ein Sofa. Ich sitze in der Falle. Mein Herz zerspringt gleich, da bin ich mir sicher! Der schmierige Kerl kommt näher und greift mich brutal am Arm. Bäuchlings schleudert er mich über die Rückenlehne des Sofas.
„Läuft die Kamera?" blafft er dem anderen zu, der abwartend hinter uns an der Tür stehen geblieben war.
„Ja doch." gibt der gepresst zurück.
Ich ahne was jetzt kommt und versuche mit meinem Hintern hin und her zu schwingen um es ihm nicht zu leicht zu machen. Doch er packt meine Taille und stößt unvermittelt in mich. Ein Schrei will meine Kehle verlassen wird aber am Handtuchknebel daran gehindert. Tränen strömen mir über das Gesicht. Immer wilder und brutaler stößt er in mich. Mein Bauch wird mit jedem Stoß hart gegen die Lehne gepresst mein Oberkörper hängt halb über der Lehne herüber. Mir schwinden die Sinne. Irgendwas sagt der Kerl, doch ich kann es nicht verstehen. Um mich herum wird es dunkel.

Als ich erwache befinde ich mich noch immer in diesem Alptraum. Ich liege jetzt auf dem Boden und werde vergewaltigt. Der zweite Mann scheint den Raum verlassen zu haben. Anfangs dachte ich noch an Rache. Wenn das hier vorbei ist besorge ich mir ein Messer in der Küche. Ich werde ihn aufschlitzen. Werde ihm den Schwanz abschneiden. Ihn ausbluten lassen. Doch nach der Zeit machte sich eine Dunkelheit in mir breit. Ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen, doch in meinem Kopf ist nun nur noch Leere. Mein Körper fühlt Schmerz. Mein Herz und Magen krampfen und das Gehirn schaltet ab. „Ich sterbe heute." ist das letzte was ich denken kann bevor ich erneut in die Bewusstlosigkeit hinübergleite.

„Ich bin allein. Endlich!" bemerke ich als ich wiedererwartend doch ins Leben zurück kehre.
Geschunden liege ich mit ausgebreiteten Beinen auf dem schäbigen alten Teppich. Ächzend rolle ich mich auf die Seite, lasse einen Blick durch den Raum gleiten um mich zu vergewissern das ich auch wirklich allein bin und nicht unvermittelt wieder jemand über mich her fällt. Wie viele Stunden war ich wohl ohnmächtig? Oder waren es nur Minuten?
Auf dem Sofa neben mir liegt eine Wolldecke. Ich greife danach und ziehe sie zu mir. Die Fesseln sind und den Knebel hat man mir abgenommen. Mühsam wickle ich mich in die kratzige Decke und hieve mich auf das Sofa. Meine untere Mitte schmerzt und brennt. Ich müsste mal auf die Toilette. Im sitzen halte ich es nicht aus. Ich stehe wieder auf und schlurfe zur Tür. Abgeschlossen. War ja klar.
Da höre ich Stimmen davor.
„Marciella bring warmes Wasser! Sofort!" brüllt eine männliche Stimme ziemlich laut. „Du hättest auch mal drauf gehen sollen, Bruder! Jetzt schläft sie erstmal. Ist völlig fertig."
„Geschunden meinst du wohl." höre ich Steve.
„Quatsch. Der wurde es nur noch nie so gut besorgt. Die ist nur müde. Fünf Mal, Steve. So oft hat sie mich kommen lassen."
„Du bist ein Schwein!" antwortet sein Kompagnon. „Mit dir rede ich kein Wort mehr." brüllt er den anderen an.
„Ist mir doch egal. Ich ruf jetzt erst mal den Boss an und sag ihm erstmal das der Befehl ausgeführt wurde. Zumindest von einem seiner Männer." höhnt er erste. Etwas knallt gegen Holz. Ich zucke erschrocken zusammen. „Ah Marciella, sie ist da drin. Bitte kümmere dich um sie. ... Ja da drin. ... Wenn sie etwas braucht, Medizin oder so, sag mir Bescheid! Mir ... ja nur mir."
Die Tür wird geöffnet und ich weiche zurück. „Bitte nicht!" schreie ich.
„Keine Sorge, Miss. Er ist erstmal weg."

Marciella versorgt meine Wunden, wäscht mich und begleitet mich auf die Toilette wobei sie mich die Treppe hoch stützt, denn meine Beine wollen immer wieder weg knicken. Anschließend begleitet sie mich in mein Zimmer und hilft mir meine Sachen anzuziehen. Unentwegt murmelt sie etwas auf italienisch. Sicherlich Flüche, denn glücklich scheint sie mit der Situation auch nicht zu sein. Zum ersten mal frage ich mich, ob sie eventuell ebenfalls hier gefangen gehalten wird. Aber aus welchem Grund? Was könnte der geheimnisvolle Boss mit ihr zu schaffen haben? Und was hat das mit meinem Vater zu tun? Erschöpft schlafe ich ein.

 

Tom

 

Während des Fluges nach Wales verdunkelt sich der Himmel immer mehr. „Hauptsache es kommt kein Gewitter!" denke ich bei mir. „Eventuell müssen wir heute noch schnell von da weg kommen."
Gerade melde ich mich im Tower vom Flugplatz Cardiff an. Ich überquere deren Luftraum und will schließlich nicht riskieren aufgehalten zu werden.
Als ich Cardiff hinter mir lasse, erstreckt sich unter mir nur noch Dunkelheit. Ab und an erkenne ich das Licht einer Ortschaft oder einer Farm, was mir die spärliche Dichte der Bevölkerung Wales vor Augen führt. Ein perfekter Ort um jemanden zu verstecken.
Ich sehe auf die Uhr und bemerke das ich knapp eineinhalb Stunden für den Flug gebraucht habe. Zum Glück war der Heli voll getankt, so reicht der Treibstoff auch noch für den Rückflug. Ich überprüfe die Koordinaten und beginne den Landeanflug. Leider muss ich in einiger Entfernung landen, damit mich das Geräusch des Rotors nicht verrät. Das bedeutet aber auch, dass ich mit der verletzten traumatisierten Charly ein ganzes Stück durch die Dunkelheit werde laufen müssen. Ich habe keine Ahnung ob sie dazu fähig ist. Sobald der Heli auf dem Boden aufsetzt mache ich mich fertig. Ich ziehe mir meine Jacke an, lasse sie aber offen damit ich problemlos an meine Waffe heran komme. Auf den Kopf setze ich mir ein Nachtsichtgerät. Zunächst jedoch schiebe ich es mir hoch auf den Kopf damit es mich nicht behindert. Bevor ich aussteige informiere ich meine Leute in der Zentrale in London von meinem Standpunkt und meiner weiteren Vorgehensweise.
„Chef, bin soeben in Dale angekommen. Werde jetzt zunächst das Objekt aus der Distanz beobachten." erkläre ich meinem Chef per Telefon.
„In Ordnung, Cray. Zugriff in eigenem Ermessen. Aber bringen Sie das Opfer heil nach Hause! Ich will das ihr kein Haar gekrümmt wird!" Sein folgendes Lachen finde ich in der jetzigen Situation etwas unangemessen. „Dürfte ja in ihrem eigenen Interesse liegen, was Cray?"
„Wie Sie meinen, Sir." knurre ich. „Ich melde mich sobald ich auf dem Rückweg bin." und lege auf.

Kaum aus dem Heli ziehe ich mir das Nachtsichtgerät herunter und schalte es ein. Mit Hilfe des GPS in meiner Uhr laufe ich zunächst schneller, dann langsamer und vorsichtiger werdend auf die eingegebenen Koordinaten zu.
Als ein Cottage in Sicht kommt lege ich mich flach auf die Erde um ohne selbst entdeckt zu werden das Haus beobachten zu können. Das Haus selbst hatte sicher schon bessere Tage gesehen, aber es war alles instandgehalten worden. Entweder lebt hier also jemand dauerhaft oder es fungiert zumindest für irgendwen als Ferienhaus. In einem der Räume in der oberen Etage brennt ein Licht. Die untere ist komplett illuminiert. Natürlich halten sich die Kidnapper unten auf. So ist Charly der Fluchtweg abgeschnitten und sie können schneller reagieren im Falle eines Angriff. Reglos warte ich ab ob sich einer der Kidnapper zeigt. Vielleicht raucht einer ja und geht dafür vor die Tür? Mit einem Mal öffnet sich die Haustür. Sofort spannt sich jeder Muskel in meinem Körper an. Doch es ist nur eine alte Frau die einen Eimer mit Wasser vor der Tür ausschüttet. Dann verschwindet sie wieder im inneren und schließt die Tür. Ich warte weiter. Eine Stunde. Im oberen Fenster erlischt das Licht. Dumpf vernehme ich Stimmen. Ich überdenke meine weitere Vorgehensweise. Sicherlich sind die Kidnapper nur kleine Fische, unbedeutend und unerfahren. Auch wenn es einfach wäre, darf ich sie nicht ausschalten. Da steckt jemand großes hinter der Aktion auf den wir aber keinerlei Hinweise haben. Ich muss die Typen festnehmen und mitnehmen. Und da habe ich schon ein Problem. In den Heli passen nur 3 Personen.
Über Funk, weil das helle Leuchten meines Handy Displays würde mich in der Dunkelheit verraten übermittle ich dem Hauptquartier das ich zum festnehmen der Kidnapper Verstärkung benötige.

Wenn ich nun noch knappe 2 Stunden auf deren eintreffen warten muss, kann ich mich auch nützlich machen und herausfinden um wieviele Personen es sich handelt. Außerdem friere ich hier bereits am Boden fest. „Bewegung tut dir gut, Tom!" treibe ich mich selbst an.
Vorsichtig im Schutz der Dunkelheit schleiche ich mich an das Haus. Unter einem der Fenster an der Seite des Hauses gehe ich in die Hocke. Im Zimmer dahinter brennt noch Licht. Im innern ist es still, dass hat aber nichts zu heißen, da könnten dennoch Angreifer lauern. Ich muss es riskieren. Ich nehme das Nachtsichtgerät ab und erhebe mich. Millimeter für Millimeter, nur so weit das meine Augen gerade so in den Raum blicken können. Die Küche. Ein Typ sitzt im Profil zu mir am Tisch, sein Gewehr baumelt an einem Gurt über der Stuhllehne. Vor sich der für zwei Esser gedeckte Tisch. Am Herd steht, mit dem Rücken zu mir, eine alte Frau in gedrückter Haltung. Sie scheint zu kochen. So spät noch. Seltsam. Mit eingefrohrener Miene wendet sie sich zu dem Typen um und lässt aus der Pfanne Spiegeleier auf deren Teller rutschen. Ihr Gesichtsausdruck spricht Sprichwörtlich Bände. Hass, Ekel kann ich da lesen. Sie sagt irgendwas, ich kann es aber nicht verstehen. Dann beginnt sie erneut Eier in der Pfanne aufzuschlagen. Sicher für eine zweite Person, für die auch auf dem Tisch eingedeckt wurde. Gut, ich werde mal weiter gehen. Mit dem Nachtsichtgerät in der Hand schleiche ich mich zu einem anderen beleuchteten Fenster. Wieder schaue ich vorsichtig hinein. Der Raum ist leer. Ich erkenne ihn jedoch als der Drehort vom letzten Video wieder. Hier drin musste meine Charly Höllenqualen erleiden. Mein Magen krampft sich zusammen, Wut lodert wieder hoch. „Du musst dich zusammen reißen! Nur ausschalten, nicht töten. Deine Wut lässt dich Dinge tun die du später bereuen wirst." weise ich mich selbst zurecht. Ich gehe weiter, einmal um das gesamte Haus. In keinem der Räume eine weitere Person. Wieder beim Küchenfenster angekommen spähe ich erneut hinein. Nun sitzen zwei Männer am Tisch. Der erste hat aufgegessen und raucht jetzt genüsslich eine Zigarre. Der frisch dazu gekommene versucht sein Abendessen zu genießen, was ihm aber misslingt, da er dauerhaft den dicken Qualm der Zigarre ins Gesicht gepustet bekommt. „Hör auf damit, Martin! Ich esse." beklagt er sich.
„Das sehe ich." lacht der erste. „Hättest ja gleich mit mir essen können. Aber du musstest ja Händchen halten bei der Schlampe." Ich erkenne die Stimme vom Video und Abhörgerät wieder.
Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Das ist der endgültige Beweis, Charly wird hier versteckt. Sicher in der oberen Etage. Kann ich es wagen hinein zu gehen und sie zu suchen oder warte ich auf die Verstärkung. Ich entscheide mich impulsiv wie ich nun einmal bin für ersteres. Ich bin ein verfluchter Agent und das nur zwei fucking möchtegern Kidnapper.
Die Tür unmittelbar neben dem Fenster führt auf dem schnellsten Weg in die Küche. Sicher ist dahinter ein Flur. Ich lasse das Nachtsichtgerät im Gras liegen, ziehe mir eine Sturmhaube über den Kopf und stelle mich vor die Tür, die entsicherte Waffe im Anschlag.
„Drei, zwei, eins." zähle ich stumm runter und trete mit Wucht die Tür auf. Es geht überraschend leicht. Durch den Knall aufgeschreckt stürzen die beiden Kerle in den Flur wo ich bereits neben der Tür zur Küche auf sie warte. Ich halte dem ersten die Waffe an den Kopf.
„SIS. Pfoten hoch!" fordere ich sie laut auf.
Der vor mir hebt sofort die Hände über den Kopf.
„Was machst du da du Idiot?" brüllt von hinten der andere.
„Na wonach siehst denn aus? Ich ergebe mich. Der hält ne Waffe auf mich gerichtet." erklärt er den Blick stur geradeaus auf mich gerichtet.
„Na und? Ich auch." Und schon knallt es. Holz splittert, ich ziehe den Typen mit mir zur Seite, raus aus der Schusslinie und werfe ihn zur Tür hinaus ins Freie. Da bin ich auch schon hinter ihm, drehe ihn auf den Bauch und binde ihm mit gekonnten Griffen die Hände mit Kabelbinder zusammen. So lasse ich ihn liegen und verschwinde wieder im Haus. Vorsichtig spähe ich in die Küche. Sofort fliegen mir weitere Kugeln um die Ohren. Ich gehe in die hocke, hebe die Waffe. Mit einer schnellen Bewegung drehe ich mich zur Tür, gehe in Deckung und feuerte beim etwas nach vorn drehen mehrere Kugeln ab. Holz kracht, Porzellan zerspringt und Metall klirrt. Als Antwort erhalte ich weitere Schüsse. Ich drehe mich um und verlasse das Haus erneut. Unter dem Küchenfenster bleibe ich stehen, erhebe mich und ziele auf das Bein des Deppen. Der sich hinter dem umgeworfenen Esstisch versteckt, als würde dieser Kugelschutz geben und stur gerade aus zur Küchentür starrt. Der kommt gar nicht auf die Idee das jemand hinter ihm am Fenster sein könnte. Anfänger und total bescheuert! Ein gezielter Schuss also in sein Bein und er knickt zusammen wie ein Kartenhaus. Sein Schrei hallt durch die Nacht. Eilig laufe ich zurück in die Küche. Als er mich sieht versucht er nach seinem herunter gefallenen Gewehr zu greifen, doch mit einem lockeren Schuss gegen deren Kolben dreht es sich von ihm weg. Erschrocken zieht er die Hände zurück. Dann fällt ihm wohl sein Bein wieder ein und er beginnt von neuem zu jammern.
„Na, wie ist das jetzt? Jetzt hast du keine große Klappe mehr oder?" zische ich ihm in Ohr, während ich seine Hände mit Kabelbinder fessle. „Na gefällt dir das? Stehst ja auf Fesselspielchen oder!" Ich stehe auf, greife ihn am Kragen und schleife ihn durch die Essensreste und Scherben hinaus zu seinem Kompagnon.
„Ist sie oben?" frage ich, erwarte aber keine ernste Antwort.
Doch der eine Typ meint plötzlich „Ja. Treppe hoch erste Tür rechts."
„Danke man!" sage ich und verschwinde im Haus. Zunächst muss ich noch die alte Frau suchen. Ist sie Freund oder Feind?

 

Charlotte

 

Ich schrecke aus dem Schlaf hoch. Waren das gerade Schüsse? Erschrocken rutsche ich zum Bettende und setze mich auf. Weitere Schüsse. Jemand schreit. Ein Mann. Dann ist kurz Ruhe. 

Ich stehe auf und laufe zum Fenster. Unten im dunklen Gras liegen zwei Gestalten. Eine dritte Person geht soeben zurück in das Haus. Ich kann nirgends Fahrzeuge oder andere Hoffnung auf Rettung erkennen. Ist noch ein weiterer von diesen Kerlen gekommen? Bringt man mich jetzt zu diesem ominösen Boss?
Da höre ich eine vertraute Stimme direkt vor meiner Zimmertür.
„Mam, bitte gehen Sie hinunter! Warten Sie draußen auf mich. Meine Verstärkung wird gleich da sein."
Es ist Tommy, er muss es einfach sein. Und er redet mit Marciella. Er versucht es wenigstens. Ich renne zur Tür und reiße sie auf. Tatsächlich. Marciella schlurft gerade die Stufen hinunter und vor mir steht Tom. Er dreht sich erschrocken um als er die Tür sich öffnen hört.
„Tommy." kreische ich und springe ihm in die Arme. Er fängt mich auf und drückt mich an sich. „Baby." raunt er an mein Haar. „Da bist du ja."
„Quello deve essere amore." murmelt Marciella noch bevor sie in der unteren Etage verschwindet. Ich habe nichts verstanden aber es ist was nettes, dass weiß ich einfach.
„Du bist hier ... bei mir!" schlurchze ich.
„Ja, ich bin hier Baby! Ich bin hier." Tröstend streichelt er mit über das Haar. „Ich hol dich hier raus."
Er trägt mich die Stufen hinunter und aus dem Haus hinaus. Draußen stellt er mich auf die Füße und hält mich etwas von sich entfernt um mich ansehen zu können. Vorsichtig streicht er mir mit den Fingern über die Lippen, Wange bis hoch zur Augenbraue. „Was haben diese Schweine mit dir gemacht?" murmelt er traurig. „Geht's dir ... geht's dir gut?"
Ich nicke stumm und weiche seinem Blick aus.
„Was für eine beschissene Frage. Natürlich geht's dir schlecht." murmelt er und nimmt mich fest in den Arm.
Ein befreiende Gefühl übermannt mich und ich kann die Tränen der Erleichterung nicht mehr zurück halten.
„Scht ... alles ist gut. Jetzt ist alles gut. Ich bring dich nach Hause." versucht er mich zu beruhigen. „Wir müssen nur kurz noch auf meine Verstärkung warten. In den Heli passen nur drei Leute. Und diese Pisser hier ..." er deutet mit einem Kopfnicken auf die beiden auf dem Boden liegenden Gestalten. „... müssen nach London. Da kümmern wir uns um sie."
„Heli?" frage ich. „Ich sehe keinen."
„Ein Stück weit da hinten." Tom deutet mit der Hand wage in die Dunkelheit. „Ist es in Ordnung für dich wenn wir hier warten? Oder willst du lieber so schnell wie möglich weg von hier?"
„Nein, es ist okay. Ich will nur das du bei mir bleibst! Lass mich nicht mehr allein!" flehe ich und stütze mich mit den flachen Händen an seiner Brust ab.
„Ich werde dich nie mehr alleine lassen!" verspricht er mir und küsst mich auf den Scheitel. In sein Headset spricht er „Vauxhall Alpha. Eagle Tango gibt Lagebericht. Lage unter Kontrolle. Zielperson in Sicherheit. Zwei Tatverdächtige festgesetzt. Eine Zivilistin ist anwesend und müsste ärztlich versorgt werden. Sie ist Italienerin und spricht kein Wort Englisch. Ein Dolmetscher wäre hilfreich. Verstärkung wurde bereits angefordert und ist unterwegs. Ich bringe die Zielperson persönlich in das Hauptquartier des SIS."
Kurz darauf klingelt sein Handy. „Hey Boss ... Ja ich habe sie hier ... Es geht ihr so weit gut ... Ich werde sie unverzüglich ins Hautquartier bringen ... okay, ich richte es ihr aus ... Medizinische Versorgung? Unbedingt! ... Verstanden ." An mich gewandt sagt er „Deine Eltern werden nachher auch da sein. Sie sind sehr erleichtert."
Ich nicke verwirrt. „Mein Dad hat irgendwas getan ... er soll Schuld sein ... das ... das ich ..." meine Stimme bricht und ich werde von heftigen Schluchzern geschüttelt.
„Scht ... beruhige dich! Es ist vorbei!"
Dann schwinden mir die Sinne.

 

Max

 

Ich sitze in der Küche am Tisch, den Kopf auf eine Hand gestützt. Im Haus ist es vollkommen still. Die Angestellten sind schon längst nach Hause gegangen und die Spencers haben sich bereits zu Bett begeben. Ich könnte jetzt glatt einschlafen. Aber das ist nicht das nicht wofür ich bezahlt werde. Ich habe Nachtschicht. Morgen früh kommt Joyce, meine Ablösung. Mit einem Mal klingelt irgendwo im Haus ein Telefon. Mit schnellen Schritten gehe ich auf die Geräuschquelle zu, sie scheint im Foyer zu sein. Ich höre Schritte auf der Treppe und bleibe im Schutz der Dunkelheit hinter der angelehnten Wohnzimmertür abwartend stehen. Es wird abgenommen. Ich höre Spencers Stimme. „Ja am Apparat ... wirklich ... das ist ... das ist ja wundervoll ... meine Frau und ich werden auch kommen ... in Ordnung... in Ihrem Büro ... Auf Wiederhören."
Eilige Schritte entfernen sich, führen die Treppe hinauf. Von oben höre ich seine Stimme aufgeregt rufen „Veronica stehe auf! Unsere Tochter wurde gefunden."
„Wie war das bitte, Sir?" rufe ich von unten herauf und komme aus meiner Deckung. Spencer beugt sich über das Geländer und ruft zu mir hinunter „Man hat Charlotte befreit. In Wales. Sie wird gerade nach London gebracht. Machen Sie sich bereit Steel, meine Frau und ich werden zum Hauptquartier des SIS!"
Ich kann es nicht fassen! Charlotte ist gefunden worden?
„Natürlich, Sir. Das sind hervorragende Neuigkeiten! Ich fahre den Wagen vor." antworte ich auf die selbe Weise quer durch das Treppenhaus.
Spencer nickt und verschwindet aus meinem Blickfeld.
Ich hole aus der Küche rasch meinen Mantel und laufe dann schnellen Schrittes zu der Garage.
Nur Minuten später erscheinen Charlottes Eltern auf der Treppe vor ihrem Haus. So leger wie jetzt habe ich sie noch nie gesehen, sie haben sich nur rasch irgendetwas übergeworfen.
„Vauxhall. Zum Hauptquartier des SIS, Steel. Aber schnell!" blafft er während er mit seiner Frau im Fond des Wagens steigt.
Noch während der Fahrt erhält Spencer erneut einen Anruf. Ich schaue ihm durch den Rückspiegel zu. Er wirkt nervös, scheint zu überlegen ob er den Anruf annehmen soll. Aber das vibrieren ist nervtötend für alle Insassen und vielleicht weiß er auch, dass der Anrufer hartnäckig ist und es immer wieder probieren wird, also nimmt er ab. Bemüht leise zu sprechen sagt er „Ja ... ja, dass ist mir bekannt ..." Er zuckt zusammen. „... was kann ich dafür? ... ich sagte doch sch ..." Er zuckt erneut zusammen, fährt sich mit der Hand hektisch durch das graumelierte Haar. „... Sie bekommen Ihr Geld ... ich verspreche es!" Die letzten Worte versucht er mit seiner Hand um den Mund etwas abzuschirmen. „... bitte ..." Scheinbar hat sein Gegenüber aufgelegt. Kraftlos lässt er sein Smartphone in seinen Schoß sinken.
„Wer war das, James? Du bist ja völlig durch einander." flüstert Veronica ihrem Mann zu.
„Gar niemand, Liebes."
Sie lässt nicht locker. „Sag so etwas nicht! Ich sehe doch wie dich dieses Telefonat aufgeregt hat."
Er wirft mir durch den Spiegel einen Blick zu, unsere Blicke treffen sich. Er wirkt gehetzt. Rasch sieht er seine Frau an und blafft „Halt doch einfach einmal deinen Mund, Veronica!"
Den Rest der Fahrt starren beide nur noch stumm aus ihren Seitenfenstern.

 

Charlotte

 

Als ich zu mir komme, sitze ich angeschnallt im Helikopter. Ich höre das Rauschen der Rotorblätter. Tom steuert ihn, den Blick konzentriert in die Nacht gerichtet. Er bekommt nicht mit das ich ihn ansehe. Kurz darauf übermannt mich erneut Müdigkeit und mir fallen die Augen zu.
„Baby." höre ich Toms sanfte Stimme weit entfernt rufen. „Baby wir sind angekommen. Aufwachen!"
Mühevoll komme ich zu mir. Tom öffnet meinen Sicherheitsgurt, stellt sich vor die offene Tür und reicht mir seine Hand. „Komm, ich helfe dir."
Kaum berühren meine Füße den Boden knicken auch schon meine Beine weg. Tom fängt mich auf. „Oh man. Du bist ja völlig fertig." Er hebt mich auf seine Arme und trägt mich davon.
„Charlotte." höre ich mit einem mal die Stimme meiner Mutter schreien.
Ich sauge Toms Duft ein, öffne die Augen und sehe zunächst nur seine Brust. Als ich den Kopf wende erkenne ich meine Mutter auf uns zu laufen. Sie trägt eine weite Stoffhose und darüber eine Strickjacke. Ihr Haar ist zu einem Pferdeschwanz gebunden. So legere habe ich meine Mutter noch nie gesehen. Ich blinzle ein paar mal, vielleicht träume ich ja noch? Nein alles bleibt wie es ist, dass ist tatsächlich meine Mom.
„Wir haben schon geschlafen als der Anruf kam. Wir haben uns nur kurz etwas übergeworfen." zerstreut sie meine Verwunderung.
„Mom." krächzte ich. Tom lässt mich runter, stützt mich aber weiterhin an der Taille. „Mummy." Wir umarmen uns.
„Mein Schätzchen! Ich bin so froh ... bin so erleichtert ... das du nicht ..." stammelt sie und streicht mir mit der hand über das Haar.
Ich will gerade etwas tröstendes erwidern als ich sich schnell nähernde Schritte auf uns zu kommen höre. Um die Ecke biegen mein Dad und Max. Was tut er hier? Verwirrt starre ich ihnen entgegen. Wen soll ich als erstes begrüßen? Tom neben mir spannt sich sofort an, seine Hände drücken mich fester an sich.
„Dad!" murmle ich und lass mich von ihm in den Arm nehmen. Er drückt mich fest an sich. Tom zieht sich etwas zurück. Aber nur einen Schritt.
„Ich bin ja so froh!" raunt Mein Vater. „Es ist alles meine Schuld!"
Wenn er mit der Sache wirklich etwas zu schaffen hat, hoffe ich, dass er sich starke Vorwürfe macht!
„Natürlich nicht, Daddy! Es ist ja alles gut. Dank Tom bin ich ja hier." Ich werfe einen schnellen Blick über Dad's Schultern zu Max. Der steht zerknirscht drein blickend unschlüssig herum. Wieviel wissen alle von unserer Dreiecksbeziehung? Wie soll ich mich nur verhalten? Nachdem Dad mich los gelassen und Mom in den Arm haltend neben uns stehen bleibt gehe ich auf Max zu.
„Hey." grüße ich.
„Hey." grüßt er leise zurück.
„Was machst du hier?" frage ich leise.
„Dein Dad hat mich als Personenschützer für sich und deine Mom engagiert." erklärt er.
Ich nicke verständnisvoll. „Er will eben stets nur das Beste." Als ich das sage muss ich lächeln. Obwohl die Situation so rein gar nicht zu lachen ist.
„Ich bin froh das es dir soweit gut geht!" murmelt er.
Da kann ich nicht anders. Zur Überraschung aller falle ich Max um den Hals und küsse ihn. Zunächst überrumpelt erwidert er dann aber den Kuss.
„Charlotte ..." beginnt meine Mutter.
Wir lösen uns voneinander.
„Es ist wohl Zeit um einiges zu erklären." will ich beginnen, doch da kommen erneut Schritte auf uns zu. Es ist eine Frau auf deren blauer Jacke hinten das Wort Notärztin prangert. Dazu trägt sie auf dem linken Ärmel ein Abzeichen des Äskulapstab.
„Miss Spencer. Folgen sie mir bitte. Es ist nötig das wir so schnell wie möglich die medizinischen Untersuchungen durchführen!" Ihr Ton duldet keinen Widerspruch und ich folge ihr.
Tom, Max und meine Eltern bleiben zurück.

 

Tom

 

Falkner hatte mich, gleich nachdem man Charly ins Krankenhaus gebracht hat in sein Büro beordert. Ebenso Charlys Vater. Gemeinsam betreten wir den Raum. James wird der Stuhl vor Falkners Schreibtisch angeboten, ich bleibe, die Hände hinter dem Rücken verschränkt daneben stehen.
„Cray, Bericht, bitte!" werde ich von meinem Boss aufgefordert.
Also berichte ich bis ins Detail von meinem Rettungsauftrag. James wird zeitweise scheinbar nervös, knetet seine Hände und reibt seine Handflächen an der Hose ab. Ohne darauf einzugehen rede ich weiter.
Als ich geendet habe nickt Falkner mir zu und wendet sich an James.
„Nun, Mister Spencer, was halten sie davon? Haben Sie nachgedacht und haben mittlerweile eine Idee weshalb man ihre Tochter entführt hat?"
James schüttelt den Kopf. „Ich habe es doch schon hundert mal gesagt, ich habe keine Ahnung." Er ringt sie Hände. Man könnte meinen er sei verzweifelt. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass er sich stattdessen unwohl fühlt. Er wirkt wie ein gehetztes Kaninchen in der Falle.
„Aber so etwas passiert doch nicht ohne Grund. Selbst bei der organisierten Kriminalität nicht." erwidert Falkner.
James horcht auf „Wer sagt das die organisierte Kriminalität darin verwickelt ist?" fragt er etwas zu heftig.
Mit einem wissenden Lächeln sieht Falkner ihn an und erklärt. „Mister Spencer, ich bin seit 21 Jahren Leiter des SIS. Und davor hatte ich als Polizist oft genug Gelegenheit Lügnern ins Gesicht zu sehen. Sie verschweigen uns was." Er verschränkt die Finger ineinander und beugt sich über seinen Schreibtisch zu James hinüber. „Was ist es?" fragt er lässig.
„Ich muss mir das nicht anhören." ereifert James sich, steht auf und verschwindet aus dem Büro. Mit einem Knall schließt sich hinter ihm die Tür.
Falkner sieht mich mit erhobener Augenbraue skeptisch an.
"Sehen Sie es ähnlich das dieser Mann Dreck am stecken hat?" fragt mein Boss.
Ich nicke zustimmend. "Auf jeden Fall!"
"Dann wissen Sie ja worum Sie sich in der nächsten Zeit zu kümmern haben."
Damit bin ich entlassen.

 

Charlotte

 

Später liege ich in einem weißen Krankenzimmer in einem weißen Krankenhausbett und versuche zu schlafen. Doch die Ereignisse der letzten Tage lassen es nun nicht mehr zu und das Beruhigungsmittel scheint seine volle Wirkung wohl erst noch entwickeln zu müssen. Vorhin hatte ich ein Gespräch mit einer Psychiaterin. Sie befragte mich zu den Erlebten und nun habe ich die Bilder des Grauens wieder vor Augen. Etwas Abwechslung wäre jetzt schön!
Wie auf Kommando klopft es an meiner Tür. „Herein." rufe ich laut und meine Mutter tritt ein. „Sie können hier draußen warten!" ruft sie über ihre Schulter. Nachdem sie sich einen Stuhl an mein Bett gestellt und sich darauf gesetzt hat, nimmt sie meine Hand in ihre und sieht mich fest an. „Zu den Ereignissen befrage ich dich nicht. Das haben andere sicherlich schon zur genüge getan. Mich interessiert viel mehr woher du Mister Steel kennst. Ich hatte angenommen du hättest eine Beziehung zu Tom Cray."
Und da schütte ich meiner Mutter gegenüber mein Herz aus. Ich erzähle ich alles. Na ja, fast alles. Die pikanten Einzelheiten lasse ich weg. Das ist nichts für das Ohr einer Mutter.
Danach fühle ich mich besser. Nicht nur weil ich mein Gewissen erleichtert habe, sondern weil ich mich mit dem Gespräch von der beschissenen Situation abgelenkt habe.
„Du weißt schon, dass du dich entscheiden musst, Schatz! Die beiden Männer so zu quälen ist nicht fair!" redet sie mir ins Gewissen.
Ich nicke. „Ja ich weiß. Ich glaube heute habe ich mich auch entschieden. Aber die Situation ist nicht die beste um es ihm zu sagen. Krankenhäuser zählen nicht gerade zu den romantischen Orten.." gestehe ich und bin selbst überrascht über meine Worte. Wann habe ich mich denn entschieden? Oder weiß ich es schön länger und habe es mir selbst nicht eingestehen wollen, wie Aiden gesagt hat.
„Gut. Warte aber nicht zu lange! Du musst noch ein paar Tage zur Beobachtung hier bleiben. Dann ziehst du erst einmal zu uns!"
„Was? Nein Mom. Ich möchte in meine eigene Wohnung!" protestiere ich.
„Ich meine ja nur, damit du nicht allein bist." gibt sie zu bedenken.
„Ich werde nicht allein sein, Mummy. Tom hat mir versprochen mich nie wieder allein zu lassen." berichte ich.
„Aha, Tom Cray also." Augenzwinkernd verabschiedet sie sich und lässt mich allein.

Um die Mittagszeit bekomme ich Besuch von meinen Männern. Unschlüssig stehen sie mit verschränkten Armen vor meinem Bett. „Wie geht's dir jetzt?" bricht Tom das Schweigen.
Ich lächle ihn an und erkläre das es mir schon wieder ganz gut geht. Besonders das Gefühl in Sicherheit zu sein, ist ein tolles Gefühl! „Dank dir." füge ich an ihn gewendet hinzu. Max Blick huscht wütend zwischen uns hin und her. „Aber dir bin ich sehr dankbar, dass du dich um meine Eltern kümmerst!" wende ich mich an Max. Auch ihm gilt nun mein Lächeln. Er erwidert es mit einem schiefen Grinsen. „Er bezahlt mich ja dafür." brummt er. „Ich muss leider gleich wieder los."
„Oh." entfährt es mir.
„Sei nicht traurig. Ich komme dich wieder besuchen. Oder weißt du schon wie lange du hierbleiben musst?"
„Der Arzt meint, ein paar Tage." antworte ich.
„Okay. Ich komme morgen wieder. Ruhe dich schön aus! Nutze die Therapiegespräche!" ermahnt Max mich.
Ich rolle mit den Augen „Ja ja, Daddy!" sage ich nicke aber.
Max beugt sich über mich und verabschiedet sich mit einem Kuss. An der Tür dreht er sich noch einmal um und sagt an Tom gewandt „Cray, kommst du mal mit!"
Tom macht ein verwundertes Gesicht, folgt ihm jedoch nach draußen auf den Flur.

 

Max

 

Auch wenn mir dieser Mistkerl total gegen den Strich geht, ich muss ihm für seine Arbeit danken. „Hey man, danke dir das du sie da raus geholt hast!" Ich reiche ihm die Hand.
Cray schlägt ein und nickt stumm.
„Ich muss außerdem mit dir reden. Was weißt du über den Grund für die Entführung?" frage ich weiter.
Er zuckt die Schultern „Keine Ahnung. Wir haben bisher nichts raus bekommen. James, also Charlys Vater verhält sich seltsam, finde ich!"
„Ich kenne ihn ja nicht so wie du ihn kennst, aber ja, er legt auf jeden Fall nicht das typische Verhalten eines Vaters deren Tochter entführt wurde an den Tag. Ich habe mal etwas meine Augen und Ohren offen gehalten."
Tom sieht mich abwartend an und fragt „Und?"
„Er ist ein Spieler. Es ist wahrscheinlich das er Schulden gemacht hat. Bei jemanden bei dem man lieber nicht in der Kreide steht. Dieser jemand ist höchstwahrscheinlich ein russischer Milliardär der hier in London ein Casino in Soho betreibt. Ich habe den Namen dieses Mannes ermitteln lassen. Er heißt Maxim Gregorovic und lebt in Chicago. Sein Casino wird hier von seinen britischen Untermännern betrieben und geschützt."
„Ich werde jemanden von der Met auf ihn ansetzen. Die sollen den Laden mal durchleuchten." antworte ich. „Du meinst also Charlys Vater hat sich mit der Londoner organisierten Kriminalität angelegt indem er Schulden machte und diese nicht zurück zahlen wollte oder konnte. Kennst du die Höhe?"
„Ich nehme an die Höhe des Lösegeldes. 5 Millionen."
Tom pfeift durch die Zähne. „Weiß James das du bescheid weißt?"
Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich habe seinen PC angezapft und seine Bediensteten ausgehorcht. Was meinst du, sollten wir ihn mit unserem Verdacht konfrontieren?" überlege ich.
„Das übernehme ich. Wir kennen uns schon länger und ich kann offen mit ihm sprechen." erklärt Cray.
Ich stimme zu. „In Ordnung. Erst auf der Fahrt hier her hat er wieder einen Anruf erhalten. Der hat ihn ganz schön aus der Bahn geworfen. Das Wort Geld ist auch wieder gefallen."
„Das ist interessant! Mein Boss hat übrigens den gleichen Verdacht wie du. Als er ihn damit konfrontierte ist James abgerauscht wie eine Rakete." echauffiert Tom sich.
„Er will sich nicht die Blöße geben. Bringt nur so viel wie möglich aus den Kidnappern raus, damit diesem Russen das Handwerkt gelegt werden kann!"
„Das überlass mal ruhig dem SIS! Wir wissen schon was wir zu tun haben." lacht er. „Aber um heraus zu finden wie James da mit drin hängt, kommen wir wohl nicht drum herum sein Handy anzuzapfen."
„Gut das übernehme ich. Aber ich habe Sorge das der Russe erneut einen Angriff auf Charlotte und ihre Familie plant." erkläre ich.
„Mach dir keinen Kopf! Jetzt kümmern sich die Profis darum! Und für den persönlichen Schutz haben sie ja dich."
„Das stimmt." stimme ich lachend zu und fahre mir mit der Hand durch die Haare.
„Nur Charly nehme ich dir ab. Ich werde ihr nicht mehr von der Seite weichen. Sorry, aber in dieser Sache musst du dich geschlagen geben!" selbstsicher sieht er mir direkt in die Augen. „Ich denke sowieso das sie sich schon entschieden hat. Sie ist noch nicht dazu gekommen es dir zu sagen."
Ich könnte diesem Wichser das freche Grinsen aus dem Gesicht prügeln! Wie kommt der darauf das sie sich bereits entschieden hätte?
Da liefert er mir die Antwort „Charly hat auf dem Heimflug im Schlaf geredet. Sie hat ausschließlich meinen Namen gerufen."
„Du kannst mir ja viel erzählen! Mach lieber deine Arbeit, Cray! Um die wichtigsten Fälle kümmere ich mich selbst!" damit lasse ich ihn einfach stehen.

Kapitel 31

Tom

 

Zwar habe ich als SIS Agent die Entführung beendet und das Opfer befreit, dennoch übernehmen ab jetzt Spezialeinheiten der Met. Sie waren es auch die nach Wales gekommen sind die beiden Wichser einzukassieren und sie werden alles weitere in die Wege leiten um an deren Hintermänner, den Auftraggeber der Entführung zu gelangen.
Gnädigerweise erlaubte man es mir, dem Außenstehenden, hübsch abgeschottet hinter einer Einwegglasscheibe der Vernehmung der beiden Täter beizuwohnen.
So stehe ich hier im Westminster Revier der SCD6 jetzt schon seit geschlagenen fünf Minuten und schaue mir das Schauspiel Böser Cop - Lieber Cop & Arschloch an. Da der Typ den ich anschießen musste um Charly zu befreien die deutlich größere Klappe der beiden hat, war er auch der Glückliche, dem der Vortritt im Verhörraum gewährt wurde. Mit dick verbundenen Bein und ein paar weniger auffällig versorgten Blessuren sitzt er jetzt mit verschränkt Armen den Beamten gegenüber. Das Gesicht spöttisch verzogen, als wolle er signalisieren 'Ihr könnt mir eh nix'. Ich verstehe nicht warum er sich weigert Namen auszupacken. Es könnte ihm durchaus positiv ausgelegt werden. Zumindest was die Entführung angeht. Die Vergewaltigung wird später getrennt behandelt.
Ich kann es mir nur so erklären, dass das was ihn erwartet wenn er die Namen ausplaudert deutlich unangenehmen werden könnte als in einer hübschen warmen Londoner Gefängniszelle einzuziehen.
Ich hatte Instruktion mich ruhig im Nebenraum zu verhalten. Nur zuschauen, nicht eingreifen. Mit verschränkten Armen stehe ich hinter der Scheibe und starre den Typen an der meiner Frau solche Qualen bereitet hat und versuche jede seiner Regungen zu deuten.
Der Verhörraum wurde nach den neuesten psychologischen Methoden eingerichtet. Das heißt es gibt nur eine Stuhlreihe in der Mitte des Zimmers wo die Verdächtigen sitzen und zwei ebenfalls fest verschraubte Stühle für die Detectives gegenüber. So kann kein nervöses kneten der Hände oder ein zappeliger Fuß unter der Tischplatte versteckt werden. Sei jeher schon durchlaufen die Polizeibeamten in ihrer Ausbildung eine spezielle Schulung in Psychologie, psychologischer Forensik und Körpersprache.
Sie werden dahingehend geschult, dass Ihnen keine noch so kleine Regung entgeht.
Draußen auf der Straße kann einem das schonmal das Leben retten.
Der Typ, von dem wir dank seines Partners wenigstens schon einmal den Namen hatten flätzt auf dem Stuhl und tut so als würde ihn das Ganze nur unsäglich langweilen. "Raus mit der Sprache! Erzählen Sie uns für wen Sie Miss Spencer entführen sollten!" fordert der CI nachdem er die üblichen Floskeln abgespult hatte. Ich sehe nur seine Rückansicht, doch ich bin mir sicher das er ihm einen strengen Blick zu wirft.
Doch anstatt sich vor Angst in die Hose zu machen grinst dieser nur frech und lehnt sich mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. "Da müsst ihr mich schon foltern. Aus mir kriegt ihr nix raus, ihr Vögel." höhnt er.
Ruhig fragt der Beamte erneut. "Ich frage Sie nochmal, in wessen Auftrag haben Sie die junge Frau entführt?"
Und erneut erntet er ein abfälliges Schnauben als Antwort.
Die beiden Beamten wechseln einen Blick.
Dann fragt der CI. "Sagt Ihnen der Name Gregorovic etwas?"
"Grego ... was?" echot sein gegenüber.
"Stellen Sie sich nicht dumm!" wird ihm ins Gesicht geschleudert. "Wir haben Indizien die belegen das ein Gewissen Maxim Gregorovitch der Initiator der Entführung war." blufft der andere, etwas niedriger gestellte Beamte.
"Indizien sind keine Beweise oder?" kontert sein gegenüber arschglatt.
In mir brodelt es, ich kann mich kaum noch beherrschen. Wenn die beiden den Kerl nicht endlich zum sprechen bringen, gehe ich da rein und tue es selbst.
"Mister Smiths es ist doch so, dass Sie durch Kooperation eine milderung Ihrer Haftstrafe zu erwarten haben." versucht es der Beamte freundlich. "Sehen Sie denn nicht ein, dass es besser wäre gesprächig zu sein?"
Der Kerl schüttelt den Kopf. "Wenn ich's nicht tue steigt mein Ansehen beim Boss. Und das ist mir ehrlich gesagt wichtiger als euer geheuchel."
"Na dann verabschieden Sie sich mal von Ihrem Boss! Sie werden für ne verdammt lange Zeit keine Aufträge mehr für Gregorovitch ausführen können." schnautzt der CI.
Der Kerl zuckt unbeeindruckt die Schultern.
Jetzt reicht es mir endgültig. Ich reiße die Tür auf und stehe augenblicklich vor dem Constable der die Verhörraum bewacht. Mit erhobener Augen raue sieht er mich an.
"Ich soll dazu kommen." lüge ich.
Sein Blick verändert sich zu zweifelnd, dennoch öffnet er die Tür und lässt mich eintreten. Kaum bin ich hindurch wird sie auch schon wieder geschlossen.
"Was zum ..." echauffiert sich der CI.
Ihn ignorierend stürme ich direkt auf den Vergewaltiger zu, kralle meine Hände in seinen Kragen und reiße ihn von seinem Stuhl hoch.
"Hey!" jault dieser erschrocken auf.
"So Freundchen, solche Typen wie dich verspeise ich zum Frühstück." drohe ich dunkel an seinem Ohr. "Hör auf die Beamten zu verarschen und mach endlich das Maul auf!"
"He ... he, darf der so mit mir reden?"
Die Beamten halten sich zurück. Entweder weil sie froh sind das jemand anderes das tut worauf sie auch seit einigen Minuten Lust hatten und sich das Disziplinarverfahren einfängt oder weil sie unter Schock stehen. Ich tippe auf ersteres.
" Du glaubst gar nicht was ICH alles mit Dir anstellen darf." drohe ich weiter.
Da erhellt Erkenntnis sein Gesicht. "Momentchen mal. Du bist doch der Wichser der uns da überrascht hat. Von dir hab ich das da." Er tippt sich mit der Hand auf sein Bein.
"Ganz richtig." grinse ich. "Ich kann gern für Ausgleich sorgen und dir noch ne Kugel ins andre' Bein verpassen."
"W-was?" keucht er.
Ich zucke grinsend die Schultern.
Die folgenden Sekunden nutzt er noch immer nicht zum Reden, also frage ich. "Maxim Gregorovitch, klingelt's da?"
"Das gab ich doch schon gesagt." jammert er weiter und lässt sich wie ein nasser Sack hängen. Seine Beine drohen weg zu knicken. Achtlos, als wäre er nur ein dreckiger Lumpen werfe ich ihn zurück auf den harten metall Stuhl.
"Aua!" schreit er und rutscht durch die Wucht des Aufpralls vom Stuhl auf den Boden.
Hasserfüllt starre ich ihn von oben herab an. Da von den anderen anwesenden Personen keine Hilfe zu erwarten ist, rappelt er sich selbst wieder hoch und hieft sich auf den Stuhl. Er brummt etwas unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart.
"Und? Bist du jetzt gesprächiger, Smiths?" frage ich ruhig und nehme mit verschränkten Armen direkt vor ihm Aufstellung. "Gregorovitch, Sorokin. Sagen dir diese Namen etwas?"
Er wirkt unbeeindruckt.
Verdammt! Der ist eine echt harte nuss!
"Warst du schonmal in einem von Gregorovitch's Casinos? Das in London zum Beispiel. Woher kanntet ihr das Cottage in Wales? Wem gehört es? Einem Geschäftspartner von Gregorovitch möchte ich Wetten."
Sein Gesicht erhellt sich und ein schmieriges Grinsen legt sich auf seine Lippen. "Ihr habt echt keine Ahnung oder? Ihr tappt vollkommen im Dunkeln." höhnt er.
Damit trifft er ins Schwarze, doch wir sind erfahren genug um unser Pokerface aufzusetzen.
"Wir haben genug Hinweise." blaffe ich.
"Ja ja." grinst er. "Na klar."
"Wir kriegen was wir wissen müssen aus deinem Bruder raus." Lässig zucke ich due Schultern. "Der ist deutlich kooperativer als du."
Verwirrt hebt er den Kopf. "Was? Der ist was?"
"Na der singt da drüben ..." Mit einem Kopfnicken deute ich auf die benachbarte Wand. "... gerade wie ein Vögelchen." lüge ich.
"Was? Dieser Vollidiot!" schreit er so laut das sein Bruder, wenn er tatsächlich nebenan säße ihn hören könnte.
"Tja." mache ich und zucke die Schultern. "Du merkst also wir wissen bald eh alles. Mich interessiert, und da kannst leider nur du mir helfen, Smiths wer gab dir den Auftrag Miss Spencer zu vergewaltigen, den Dreck zu Filmen und anschließend an ihren Vater zu schicken? Zu welchem Zweck?"
"Na der Boss natürlich." zischt er mit bebenden Brustkorb.
"Ich tippe auf einen Untermann. Gregorovitch macht sich mit so etwas nicht die Finger schmutzig."
Er überlegt einen Moment, nickt anschließend und sagt. "Ich kenn gar kein Gregorovitch. Lloyd war es."
Sofort kratzt ein Bleistift über Papier.
"Lloyd also." tue ich so als hätte ich den Namen in diesem Zusammenhang bereits gehört.
"Er war es der uns beauftragt hat." erklärt er.
"Und ihr zwei macht immer die Drecksarbeit für ihn? Seit seine Mädchen für alles." hake ich nach.
Er nickt zögerlich. "Manchmal."
Ich nicke wissend.
Wer Lloyd genau war musste die Met selbst heraus finden. Wenn ich jetzt danach frage würde nein Bluff auffliegen.
"Und die Vergewaltigung. Warum müsste das geschehen?"
"Der alte Spencer brauchte ne Abtreibung. Jedenfalls habe ich das gehört."
"Warum?"
"Na, der hat Schulden die er nicht zurück gezahlt hat."
"In welcher Höhe?"
Smiths zuckt unwissend die Schultern.
"Okay. Man hatte Sie also instruierte die junge Frau zu vergewaltigen und das Ganze zu filmen. Wie genau lautete die Anordnung?"
"Besorg es der Schlampe mal so richtig. Ich dürfte mit ihr machen was ich wollte. Es sollte nur brutal sein."
Mir dreht sich der Magen um.
"Ihrem Vater sollte mal so eine richtige Abreibung verpasst werden." erklärt er ausführlich.
Sofort habe ich die Bilder der Aufnahme wieder vor Augen und ich muss mich zusammenreißen dem Kerl nicht die Zähne nach innen weg zu schlagen.
Mit zusammen gebissenen Zähnen nicke ich stumm.
"Der Boss war ganz zufrieden. Ich hab es ihr schließlich richtig gut besorgt." Unüberhörbarer Stolz schwingt in seiner Stimme mit. "Die Aufnahme hab ich dann an Lloyd geschickt. Was der dann damit gemacht hat weiß ich nicht."
Ich nicke stumm. Mehr würden wir heute wohl kaum aus ihm heraus bringen.


Max

 

Kaum in der Villa angekommen werde ich schon Spencer empfangen. "Da sind Sie ja endlich." begrüßt er mich unfreundlich. Keine Spur mehr von der Erleichterung die er doch verspüren sollte, jetzt wo seine Tochter wieder sicher zurück ist.
"Ich bin pünktlich, wie immer." entschuldige ich mich und will meinen Mantel ausziehen, als er mich davon abhält indem er sagt "Ich brauche Sie in meiner Nähe. Ich ... ich muss zu einem wichtigen Termin in ... in Soho."
Verwundert ziehe ich die Augenbraue hoch. "Aber ich dachte, Sie hätten mich engagiert um auf Ihre Familie aufzupassen?"
"Was geht Sie es an wo ich Sie einsetze?" fährt er mich ungehalten an. "Ich brauche Sie heute in meiner Nähe und damit basta."
"In Ordnung." beschwichtigend hebe ich die Hände. "Ich fahre Sie. Kommen Sie!"
Noch etwas vor sich hin brummend reißt er dem abwartend mit seinem Mantel in der Hand da stehenden Zimmermädchen diesen aus den Händen und wirft ihn sich über. Ohne ein weiteres Wort rauscht er an mir vorbei aus dem Haus. Babette macht ein Geräusch wie ein zischender Teekessel und wendet sich ab. Ich folge meinem Auftraggeber hinaus zu meinem Wagen. Doch er sitzt bereits am Steuer seines Jaguars. So viel zum Thema ich fahre ihn. Kaum habe ich neben ihm platz genommen startet er den Motor und fährt an.
"Wo geht's hin?" frage ich so unverfänglich wie möglich.
"Das geht Sie nichts an. Sie sollen mich nur vor ewaigen Gefahren schützen." brummt er.
"Erwarten Sie denn Gefahren?" hake ich hellhörig geworden nach.
Er zuckt die Schultern. "In diesen Tagen muss man scheinbar auf alles vorbereitet sein."
Da hat er irgendwie recht. Besonders in seiner Situation. Die Lösegeldforderung hat sich ja nun erledigt. Seine Spielschulden jedoch nicht. Ob er sich gleich mit einer Kontaktperson trifft? Gab es eine neue Nachricht mit einer Forderung? Warum weiß ich davon nichts? Greenwood kann was erleben wenn ihm das entgangen ist. Hat er das Geld dabei? Unauffällig drehe ich mich um und inspeziere die Rückbank. Keine Aktentasche oder ähnliches. Aber die könnte er auch im Kofferraum deponiert haben.
Bleibt mir wohl nur abzuwarten. Unauffällig ziehe ich mein Smatphone aus der Hosentasche, wende mich Richtung Fenster und tippe eine SMS. Instruktionen für Greenwood.
"Was machen Sie da?" will da plötzlich Spencer wissen.
Ich drehe mich zu ihm und erwidere. "Ich instruiere mein Team. Die müssen immer auf dem Laufenden sein." erkläre ich lapidar.
"Sie haben denen mitgeteilt wo wir hinfahren?" fragt er entsetzt.
Skeptisch ziehe ich die Braue hoch. "Selbstverständlich. Das ist mein Erfolgskonzept. Alles ist gläsern. Mein Team weiß immer wo es mich findet. Nur so kann in einer Gefahrensituation schnell eingegriffen oder Hilfe herbei beordert werden."
"Das finde ich nicht gut." meint Charly's Vater. "Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass fremde Leute meinen Tagesablauf nachvollziehen können."
"Dabei, Mister Spencer haben Sie, mit Verlaub kein Mitspracherecht. Sie haben mich engagiert um für Ihre Sicherheit zu sorgen. Wie ich das tue, müssen Sie schon mir überlassen." erkläre ich entschieden.
Er schnappt nach Luft. "Na hören Sie mal."
"Es liegt bei Ihnen. Sie können jederzeit auf meine Dienste verzichten." erwidere ich selbstsicher. "Allerdings fallen in diesem Fall mein volles Gehalt für den angebrochenen Monat sowie die Spesen an."
Spencer schluckt was ihm auf der Zunge lag herunter und schweigt während der restlichen Fahrt.

Im Soho angekommen steuert Spencer den Jaguar auf den Parkplatz eines Supermarktes. Er zieht den Zündschlüssel aus dem Schloss und wendet sich mir zu. "Sie können hier warten." befiehlt er.
Erstaunt lasse ich den Blick aus den Fenstern schweifen. "Wollen Sie einkaufen gehen?" frage ich belustigt. "Dann verstehe ich Ihre Sorge. Hausfrauen im Kaufrausch können schon mal beängstigend sein. Besonders wenn man es nicht gewohnt ist selbst einkaufen zu gehen." Ich versuche es mit einem Scherz, der jedoch überhaupt nicht gut ankommt.
"Sehr witzig." brummt mein Gegenüber. "Nein, ich gehe natürlich nicht einkaufen. Ich habe einen Termin in einem Restaurant hier in der Nähe. Dort bekommt man erfahrungsgemäß keinen Parkplatz." erklärt er.
Für jeden anderen klingt das plausibel, nicht aber für mich, der von Natur aus zu den Skeptikern gehört. "O-k-a-y." erwidere ich daher gedehnt.
Spencer nickt und steigt aus dem Wagen aus. Sein Weg führt ihn, wie ich befürchtet habe zum Kofferraum. Was er dort genau herausholt kann ich zuerst nicht erkennen. Erst als er die Klappe geschlossen hat und sich Richtung Straße entfernt, sehe ich das er einen Aktenkoffer in der rechten Hand hält.
Sofort steige ich ebenfalls aus und lehne mich, den Blick auf Spencer's Rücken geheftet an die geschlossene Tür. Ich wähle auf dem Handy Cray's Nummer und bringe ihn auf den neuesten Stand. Ich stopfe mir einen Stöpsel ins Ohr um die Hände frei zu haben.
Kaum das Charlotte's Vater um eine Häuserecke verschwunden ist folge ich ihm unauffällig.
"Sei vorsichtig das er dich nicht sieht!" mahnt Tom in meinem Ohr.
"Bin ich ein Anfänger?" zische ich.
"Wer weiß wie ihr Freiberufler so arbeitet?" zieht mich mein Rivale auf.
Ich zische etwas unverständliches. Spencer betritt in diesem Moment eine Bäckerei. Verwundert bleibe ich stehen und wende mich zum schein den Auslagen eines Schaufensters zu. Erst als ich verwunderte Blicke einiger Kundinnen im Innern des Geschäftes bemerke, registriere ich um was für ein Geschäft es sich hierbei handelt. Es ist ein Geschäft für teure Damenunterwäsche. An den Gesichtern der Damen kann ich erkennen, dass sie mich für einen Lüstling halten. Peinlich berührt wende ich ihnen den Rücken zu.
In diesem Moment sehe ich aus den Augenwinkeln wie Spencer ein paar Meter weiter die Bäckerei wieder verlässt. Er trägt noch immer den Koffer. In der anderen Hand hält er jetzt eine kleine Papiertüte. Er hat sich nur einen Snack besorgt. Komisch, wo er doch auf dem Weg in ein Restaurant ist.
Auffällig sieht er sich nach allen Seiten um. Mich kann er dabei Gott sei Dank nicht entdecken, da mich die Windfahne eines Handyprovidergeschäftes verdeckt.
Nachdem er sich versichert hat das ihm keiner folgt spaziert er weiter. Ja, er spaziert förmlich. Ganz so als würde er nicht mehrere Millionen in seinem Köfferchen durch London tragen. Ich nehme errneut die Verfolgung auf. "Und? Was tut sich? Bist du sicher, dass du das allein hinkriegst?" meldet sich da Cray in meinem Ohr.
"Klar doch. Nerv mich nicht!" brumme ich. Eine ältere Dame mit einem kleinen Wadenbeißer auf dem Arm sieht mich mit perfekt gezupfter erhobener Augenbraue erstaunt an. "Entschuldigung." murmle ich und eile weiter.
Spencer verschwindet um die nächste Ecke. Mist. Die Ampel ist rot für Fußgänger. Entweder warte ich vorbildlich und verliere ihn eventuell oder ich riskiere es auf dieser stark befahrenen Straße überfahren zu werden. Ich kann Spencer jetzt schon kaum noch in dem Gedränge ausmachen. Das erleichtert mir die Entscheidung. Mit zwei raschen Blicken nach links und rechts springe ich auf die Fahrbahn. Ein herannahender blauer Fiat kommt mit quietschenden Reifen zum stehen und praktisch sofort beginnt ein Hupkonzert. Entschuldigend hebe ich die Hand und renne los. Ich schlängel mich zwischen anderen Fahrzeugen hindurch bis ich die andere Straßenseite erreicht habe. Bereits weit entfernt kann ich gerade noch so Spencers hellen Mantel in der Menge ausmachen und renne ihm hinterher. Als ich ihn erreicht habe und knapp hinter ihm bin bemerke ich, als sich der Mann plötzlich einer jungen Frau neben ihm zuwendet, dass es sich hier keinesfalls um Charlotte's Vater handelt. Scheiße! Ich habe ihn verloren.
"Scheiße!" fluche ich laut und fahre mir mit der Hand durch das kurze Haar.
"Was ist?" will Tom wissen.
"Ich hab ihn verloren." gestehe ich zerknirscht.
"Was?" brüllt er. "Na toll!"
Das weiß ich selbst.
"Was nun?" fragt er mich.
"Ich suche ihn." erkläre ich und sehe mich sofort um. Ich hetze an allen Schaufenstern vorbei und werfe einen Blick hinein. Nichts. Da entdecke ich auf der anderen Straßenseite ein Pub. Wollte er nicht in eine Bar? Ich wechsle die Seite und hetze in das Lokal. Doch auch hier ist von Spencer keine Spur. Was für ein verfickter Bodyguard bin ich denn, dass mir die Schutzperson durch die Lappen geht? Genau das will in diesem Moment auch Cray von mir wissen.
Bedrückt wie ein geschlagener Hund verlasse ich das Lokal und stehe kurz darauf ratlos wieder auf dem Gehsteig. Da fällt mein Blick auf das Gebäude gegenüber. 'Casino' blinkt in riesigen roten Leuchtbuchstaben an der Hausfassade. "Wie hieß das Casino gleich noch das dieser Gregorovic betreibt?"
"Hier in London?"
"Ja natürlich." zische ich genervt. "Also?"
"Keine Ahnung. Da müsste ich nachschauen. Ein Casino eben. Wieso fragst du? Ist Spencer etwa dort hin?" will Cray eifrig wissen.
"Genau das werde ich jetzt herausfinden." murmle ich und überquere schon wieder die Fahrbahn. Ein Taxi bleibt mit quietschenden Bremsen vor mir stehen. "Mensch. Bist du bescheuert?" schimpft er Fahrer aus dem geöffneten Fenster. Ich spare mir eine Antwort und winke nur ab. Schon stehe ich vor dem Eingang zum Casino. Ein älterer Mann im roten Livree hält mir eilfertig eine der beiden gläsernen Türen auf. "Viel Erfolg!" wünscht er freundlich. Ich nicke ihm zu und betrete das Gebäude. Da fällt mir noch etwas ein. Ich wende mich zu ihm um und frage "Sagen Sie, ist hier vor einigen Minuten ein gut gekleideter Herr im hellen Mantel mit einem braunen Aktenkoffer herein gekommen?"
Er zuckt die Schultern. "Tut mir leid! Ich habe erst vor fünf Minuten meinen heutigen Dienst angetreten und in dieser Zeit ist niemand auf den diese Beschreibung passt herein gekommen." erklärt er freundlich.
"Danke trotzdem." murmle ich und betrete nun endgültig die Spielhölle. Doch diese Beschreibung trifft bei diesem Etablissment nicht zu. Das Intereieur ist vollkommen in gold und rot gehalten. Überall laufen junge Dinger in goldenen Flatterkleidchen die kaum Raum für Fantasie lassen herum und ballancieren Tabletts mit Champagnergläsern. Sofort wird eine von ihnen auf mich aufmerksam und biete mir mit einem freundlichen falschen Lächeln eines an. Ich lehne dankend ab, versuche aber dennoch bei ihr mein Glück ob ihr Spencer aufgefallen ist. Wie zu erwarten war hat sie ihn nicht gesehen.
Ein "Danke trotzdem." murmelnd lasse ich sie stehen um mich weiter umzusehen. Nirgends ist jemand zu sehen der Charlotte's Vater auch nur entfernt ähnlich sieht. Fehlanzeige. Aber ist ja klar. So eine Geldübergabe macht man hinter verschlossenen Türen. Ich entdecke zwei braune Türen auf einer Empore. Eine mit rotem Teppich ausgelegte Treppe führt dort hinauf. Doch kaum das ich die erste Stufe betreten habe, werde ich von einem Breitschultrigen Mann im schwarzen Maßanzug aufgehalten. Er steht plötzlich da und drückt mir seine Pranke von einer Hand gegen die Brust. "Wo wollen Sie denn hin? Das Casino ist nur hier unten." brummt er mit osteuropäischem Akzent.
Ich stelle mich unwissend. "Oh entschuldigung. Ich müsste mal verschwinden. Sie wissen schon." Ich schenke ihm ein schiefes Grinsen.
Er zeigt sich unbeeindruckt. "Da hinten." Mit dem Kinn deutet er auf eine Tür links neben der Treppe. "Die Klos sind dort hinten." brummt er.
"Ach so." lache ich.
"Abmarsch!" brummt der Typ vor mir und sieht mich streng an.
"Was ist da los?" meldet sich Cray.
"Scht." zische ich.
Der Gorilla zieht die Stirn krauß. "Was?"
"Ähm nicht Sie." entschuldige ich mich leise. "Was ist denn dort oben?" frage ich beiläufig.
"Nichts was solche wie dich was angeht."
Ich schnappe nach Luft und tue entrüstet. "Na hören Sie mal." echauffiere ich mich theadralisch. Ich hoffe so Aufsehen zu erregen in deren Verlauf ich mich dann ungesehen in das obere Stockwerk schleichen kann. Doch mein Plan geht nicht auf.
"Wenn dich was stört. Da ist die Tür." brummt der Gorilla und packt mich schon am Kragen. Aufgrund seiner Statur hat er keine Probleme dabei mich aus dem Gebäude zu befördern. Unsanft schubst er mich auf den Gehweg und verschwindet wieder im Innern.
Ich klopfe mir den Staub von der Hose und sehe mich peinlich berührt um.
"Sagst du mir endlich was da bei dir los ist oder soll ich vorbei kommen um es mir selbst anzusehen?" meldet Cray in meinem Ohr.
Da spricht mich der Portier an. "Die da drin mögen es nicht sonderlich wenn man herumschnüffelt und Fragen stellt." erklärt er leise und klopft mir freundlich den Dreck vom Rücken.
Verwundert sehe ich ihn an. "Wie kommen Sie darauf das ich viele Fragen gestellt habe?"
Skeptisch, als befürchtete er ich würde den Verstand verlieren erwidert er "Sie sind doch Polizist?"
"Ich?" rufe ich entsetzt.
"Du?" lacht da Cray.
"Nicht?" fragt der Mann vor mir verwundert.
"Nein." antworte ich.
"Nein, bist du devinitiv nicht." lacht Cray in meinem Ohr. "Ein echter hätte Spencer nie aus den Augen verloren." höhnt er weiter.
"Klappe!" befehle ich knapp.
Dem alten Mann zuckt die Braue hoch. "Wie bitte, junger Mann?"
"Nicht Sie. Sodern der da." erkläre ich umständlich und deute mit dem Zeigefinger auf mein rechtes Ohr.
Er versteht nicht. Natürlich nicht. Verwundert sieht er mich an. "Ich hatte wirklich angenommen Sie seien von der Polizei." murmelt er.
Na ja, so abwägig ist das ja nicht. "Ich bin so etwas in der Art." beginne ich.
Cray schnaubt "Ja. In der Art."
Ich beschließe ihn zu ignorieren und fahre fort. "Ich bin Bodyguard und Pivatdetektiv." lege ich die Wahrheit etwas breiter aus. "Ich ermittel in einem Erpressungsfall."
Jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit. Erfolgheischend sieht mich der Portier an. "Wirklich?"
Ich nicke ernsthaft. "Ja. Und eine meiner Zielpersonen hält sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerade in diesem Etablissment auf. Ich muss herausfinden was hinter den verschlossenen Türen geschieht." erkläre ich.
Wahrscheinlich sieht er in mir eine gerade recht kommende Erheiterung seines sonst so tristen Lebens, jedenfalls vespricht er mir zu helfen und erklärt redseelig. "Ich hatte schon immer den Verdacht das es hier nicht mit rechten Dingen zu geht."
"Ach wirklich? Wieso?"
"Na ja, seit das Casino von diesem Russen aufgekauft wurde, gehen hier immer wieder seltsame Typen ein und aus."
Ich nicke verständig.
"Auch die Mädels wechseln ständig. Schon seltsam. Aber unser eins darf ja nichts in Fragen stellen." schließt er.
Ich werde hellhörig. Bin ich hier sogar auf einen Fall von Menschenhandel gestoßen? "In welchem Turnus wechselt die weibliche Belegschaft?" hake ich nach.
"Das hast du aber schön gesagt." lacht Tom erneut dazwischen.
"Na ja. schon so alle paar Monate."
"Wieviele Monate?" will ich genervt wissen.
"Schon so alle vier bis fünf. Wenn überhaupt." grübelt der Alte.
Ich schlucke.
"So, dass war's." ruft Cray der alles mit angehört hat. "Ab hier übernehmen die Jungs von der Specialist Crime Directorate." beschließt er rigeros. "Das bedeutet Mafia. Das ist ne Nummer zu groß für dich, Steel."
Da hat er Recht. Ich hab auch überhaupt keine Lust mich allein mit der Mafia anzulegen.
"Mein Kollege hat Recht. Das ist ein Fall für die richtige Polizei." verkünde ich und bedenke dabei gar nicht, dass er gar nicht mit anhören konnte was Tom gerade gesagt hat. "Ähm, ich meine, mir wurde gerade klar, dass das ein Fall für die richtige Polizei ist. Da scheint die Mafia mit drin zu stecken." erkläre ich leise und sehe mich verstohlen um ob uns auch ja niemand zuhört.
Der Portier nickt ernsthaft. "In Ordnung. Wo soll ich meine Aussage machen?"
So weit bin ich noch gar nicht. "Cray?" frage ich daher.
"Die sind gleich da." erklärt dieser und beendet das Gespräch.
Erleichtert dieses Problem nicht auch noch an der Backe zu haben ziehe ich mir den Stöpsel aus dem Ohr.
"Ach darüber haben Sie die ganze Zeit mit Ihrem Kollegen gesprochen." lacht der Alte.
Ich nicke. "Genau. Ähm ... die besagten Kollegen werden gleich hier sein. Denen sagen Sie dann einfach genau das was Sie gerade mir gesagt haben." erkläre ich ihm.
Er nickt stumm und ernsthaft.
"Ich muss mich wieder auf die Suche nach meiner Schutzperson machen."
Er nickt erneut. "Klar doch. Ich halte hier die Stellung."
Ich nicke und deute mit dem Daumen nach oben. Dann wende ich mich zum gehen. Zurück zum Parkplatz. Ich kann nur hoffen, dass Spencer noch nicht zurück gekommen ist. Kaum fünf Minuten später rasen einige schwarze SUV's mit Blaulicht im Kühlergrill  an mir vorbei.
Ich habe Glück und von Charlotte's Vater ist weit und breit nichts zu sehen. Also lehne ich mich gegen den Jaguar und warte der Dinge die da kommen werden.

 

Charlotte

 

"Oh man, mein armer armer Schatz!" jammert Franzi theadralisch als sie mein Krankenzimmer betritt. Den riesigen Blumenstrauß hinter dem versteckt sie sich eben ins Zimmer geschoben hatte wirft sie achtlos auf das unbenutzte Nachbarbett.
"Hey." grüße ich leicht überrumpelt. "Ich lebe noch." verkünde ich das offensichtliche.
"Na ja, gerade so. Ich darf gar nicht daran denken was dir alles hätte passieren können." jammert sie und setzt sich auf die Bettkante neben mich.
"Es ist WAS passiert und das reicht mir schon." brumme ich leise.
"Oh natürlich." betreten sieht sie zu Boden. "Entschuldige, Liebes." murmelt sie.
Ich greife nach ihrer Hand und drücke sie leicht. "Mensch, Süße, ich weiß doch wie du es gemeint hast. Ich bin ebenso heilfroh das mir nicht mehr passiert ist." erwidere ich. "Jetzt müssen nur noch meine Befunde in Ordnung sein, dann kann ich hier raus." erkläre ich.
"Befunde?"
Ich nicke. "Ja. Blut und ... so." sage ich leise und sehe beschämt auf meine im Schoß gefalteten Hände.
Franzi atmet geräuschvoll aus. "Oh nein, du meinst doch nicht etwa ...?" Was sie vermutet muss sie gar nicht laut aussprechen, wir denken auch so beide an das selbe. Einen Schwangerschaftstest.
"Hat man dich ... etwa?" Ihr versagt die Stimme.
Ich nicke und Tränen treten mir in die Augen. Beschämt versinke ich in mir selbst.
"Hey." ruft sie da entschlossen. "Du kannst überhaupt nichts dafür. Hör sofort auf dich dafür zu schämen!"
Ich sehe meine beste Freundin an. "Ich weiß, es ist blöd. Aber es ist so ... so ... erniedrigend." gebe ich zu.
Franzi nimmt mich in den Arm. "Ich kann es mir vorstellen. Nein, dass ist gelogen. Eigentlich kann ich das nicht, weil ich selbst noch nie in einer solch beschissenen Situation war. Aber ich fühle mit dir, Süße. Aber lass dir von deiner besten Freundin sagen, lass dir diesen Schuh nicht anziehen! Du kannst am aller wenigsten dafür. Nur dieses Arschloch hat das zu verantworten." schimpft sie rigeros.
Ich wische mir mit dem Handrücken über die Augen. "Du hast ja recht. Aber es ist so erniedrigend. Die haben es gefilmt. Sicher haben schon ewig viele dieses Video gesehen."
"Was?" schreit sie entsetzt. "Was zum Teufel ..."
Ich nicke. "Sicher sollten damit meine Eltern erpresst werden." mutmaße ich.
"Wirklich?" fragt sie fassungslos.
"Sicher. Bei den Spencer's gibt's ja viel zu holen." erkläre ich und merke das es mir gut tut mir jemanden Vertrautem darüber zu reden. Natürlich war ich in der Zwischenzeit schon bei dem ansässigen Psychologen. Doch das ist nicht das selbe.
"Was sagen denn deine Eltern?"
Ich zucke die Schultern. "Meinen Vater habe ich noch gar nicht sprechen können. Und meine Mom hält sich bedeckt. Entweder weiß sie selbst nichts oder sie sagt es mir nicht, um mich nicht noch mehr aufzuregen."
"Hm." brummt Franzi.
Wir schweigen bis ich das Schweigen breche und ihr berichte wie ich der Hölle in Wales entkommen bin.
Am Ende ist sie baff. "Mensch, dass ist ja wie in einem Aktionfilm." urteilt sie erstaunt. "Und dein Tommy ist dein strahlender Held in glänzender Rüstung."
"Ja, fehlt nur das weiße Pferd." scherze ich.
"Sicher hätte er, wenn er nur gründlich danach gesucht hätte ein weißes Schaf gefunden. Die gibt es doch dort." stimmt Franzi in meinen Scherz mit ein. Wir beide lachen uns die Anspannung von der Seele.

Als sie mich später verlässt geht es mir deutlich besser. Erst recht, als Tom anruft um mir zu berichten, dass zu Hause bei ihm alles für meine Ankunft vorbereitet ist.

Kapitel 32

 Max

 

Nach mehr als einer Stunde warten ist Spencer noch immer nicht zu seinem Wagen zurückgekehrt. Ich hatte es satt zu warten und habe auch wirklich besseres zu tun. Also greife ich erneut zum Handy und wähle die Nummer von Joyce.
"Hey Boss, was gibt's?" meldet sie sich kaum das es einmal geklingelt hat.
"Hi Joyce. Ich brauche dich als Fahrer." setze ich sie in Kenntnis.
Eifrig antwortet sie. "Cool! Für was denn? Beschattung, Verfolgung oder was?"
Es tut mir fast leid ihren Eifer zu dämpfen. "Nichts davon. Ich brauche dich nur als Taxifahrer. Ich müsste im Westend abgeholt und zur Villa der Spencer's gefahren werden. "
"Oh." macht sie enttäuscht.
Um ihre Laune etwas zu heben füge ich hinzu. "Sicher springt ne Runde Dougnats für's Team bei raus."
"Echt?" Sie hatte angebissen. Mein Team stand voll auf Süßkram. "Bin gleich da. Schick mir die Adresse!"

Kurze Zeit später, und nach einem Stopp bei Dunkin Dougnats war ich zurück im Haus der Spencer's. Von Charlotte's Vater hatte weder jemand etwas gehört, noch war er auf anderem Wege zurück gekehrt. Da es mittlerweile Mittagszeit ist und mein leerer Magen mich ebenfalls daran erinnert, führt mich mein erster Gang in die Küche.
Dolly ist so lieb und Schaufel mir bereitwillig Beef Stroganoff mit Kartoffelpüree auf einen Teller. Während ich es mit Appetit verspeise berichtet sie mir das Babette eine Entdeckung gemacht hat. Hellhörig geworden sehe ich auf und frage "Ach wirklich? Welcher Art?"
Dolly setzte sich zu mir an den Tisch und stemmte ihre fülligen Arme auf der Tischplatte auf. "Heute Morgen, ganz früh, das ganze Haus hat noch geschlafen, klingelte es an der Haustür." begann sie zu berichten.
Ich nicke in der Hoffnung sie so zum weiter reden zu bewegen.
"Es war ein Bote. Können Sie sich das vorstellen, Süßer? Eine junger Bursche mit einem Briefumschlag. Wie im Film." grinst sie geheimnisvoll.
"Und weiter! Für wen war der Brief?" will ich neugierig wissen.
Doch Dolly macht es spannend. Sie grinst.
"Dolly." fordere ich.
"Schon gut." grinst sie. "Der Brief war natürlich für Mister Spencer. Babette gab ihn ihm beim Frühstück."
Ich nicke. "Und hat sie zufällig einen Blick auf das Schreiben werfen können? Irgendwie." frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. Enttäuscht widme ich mich wieder meinem Mittagessen.
"Aber ..." beginnt sie geheimnisvoll flüsternd.
Ich sehe auf. "Ja."
"Aber, er hat den Brief direkt bei Tisch geöffnet."
"Ja."
"Und Babette war anwesend. Sie bediente und konnte so ganz genau seine Reaktion auf das Schreiben beobachten."
"Und?" hake ich nach.
"Erst runzelte er die Stirn, dann würde er wütend und zerknüllte den Brief."
"Was tat er dann?"
"Er hat sein Frühstück gegessen." Sie zuckt die Schultern.
Enttäuscht sehe ich hinunter auf meinen Teller. "Und der Brief?"
"Was?"
"Na wo ist der?"
"Er hat ihn zerknüllt."
Ich nicke zustimmend. "Und dann?"
"Hat er ihn wohl in seine Hosentasche gestopft. Was er dann damit gemacht hat konnte Babette nicht sehen." berichtet sie.
Enttäuschend. Sicherlich war er nicht so freundlich ihn für mich in seinem Arbeitszimmer zu deponieren. Ein Versuch nachzusehen ist es aber auf jeden Fall wert.
Ich bedanke mich und will schon die Küche verlassen, als mir noch einfällt. "Ach Dolly, hat Mrs. Spencer etwas von dem Brief und der Reaktion ihres Mannes darauf mitbekommen?"
Sie nickt. "Ja, sie hat ihn ebenfalls beobachtet, doch als sie ihn fragte was in dem Brief steht und weshalb er sich so aufregt, fuhr er sie wohl an sich um ihren eigenen Scheiß zu kümmern." berichtet sie ausführlich. Ich runzel die Stirn. Dieser Mann liebt seine Frau wirklich sehr. Immer wieder diese netten Liebesbekundungen.
Ich nicke. "Verstehe. Freundlich wie immer also."
Dolly lässt ein heiseres Lachen vernehmen. "Oh ja, ich weiß wirklich nicht was die aneinander finden? Sie sind wie Hund und Katz."
Lächelnd verlasse ich die Küche, aber nicht ohne Dolly das Versprechen zu geben zum Fünf-Uhr-Tee zurück zu sein. Dolly's Battenbergkuchen dürfte ich mir nicht entgehen lassen, meint sie.

Mein erster Gang führt mich zu Mister Spencer's Arbeitszimmer. Auf mein obligatorisches Klopfen reagiert niemand, auch sind keine Geräusche aus dem Raum zu vernehmen. Ich drücke die Klinke herunter. Abgeschlossen. War ja klar. Dieser Mann hat so viele Geheimnisse, dass es nicht verwunderlich ist das er in seinem eigenen Haus sein Büro abschließt. Eine verschlossene Tür stellt für jemanden wie mich jedoch kein großes Hindenis dar. Mich kurz nach allen Seiten umsehend gehe ich vor der Tür in die Hocke und krame mein 'Werkzeug' aus der Hosentasche. Es dauernt nur Sekunden und das Schloss kapituliert. Rasch schlüpfe ich ins Zimmer und ziehe die Tür hinter mir zu. Der wuchtige Mahagonischreibtisch dominiert den Raum. Aus früheren Besuchen weiß ich, dass die beiden darin befindlichen Schubladen meist abgeschlossen sind. Kein Problem. Ich gehe um das Möbel herum und gehe dahinter in die Hocke. Vorsichtig ruckel ich an beiden Griffen. Verschlossen. Ich öffne sie auf die selbe Weise wie bei der Tür. In einer befinden sich, vollkommen überflüssig sie derart zu sichern, Büroklammern, Stifte und diverses anderes Bürokleinkramzeug. Hoffnungsvoll widme ich mich der anderen Lade. Unterlagen, Akten - nichts von Interesse für mich in diesem Moment. Dennoch überfliege ich die Papiere. Bankunterlagen. Bewerbungsunterlagen mit PostIts mit Mister Spencer's Schrift darauf. Briefe und Postkarten mit Urlaubsgrüßen von Angestellten und Familienmitgliedern. Nichts interssantes oder was was mich etwas anginge. Jedenfalls entdecke ich keine Erpresserschreiben oder ähnliches. Nur ein Brief ist interessant. Darin beklagt sich eine Bankkundin das immer wieder größere Geldsummen von ihrem Konto verschwinden. Seltsam. Warum hebt er diese Art von Brief in seinem privaten Büro auf?
Genervt schiebe ich die Schubladen wieder zu. Da fällt mir ein älterer Fall ein, in dem jemand etwas wichtiges an einem Ort versteckt hat wo man es nicht vermuten würde. Ich reiße die linke, unwichtige Lade wieder auf und wühle mich durch den Krimskrams. Tatsächlich ganz hinten verborgen entdecke ich einen dicken Briefumschlag. Ehrfürchtig ziehe ich ihn heraus und merke mir genau wie herum er dagelegen hatte. Schnell öffne ich den Umschlag und ziehe einige Bögen Papier heraus. Einfaches weißes Papier mit am PC gedruckten Worten. Ich überfliege den Text. Eine freundliche Erinnerung an die Begleichung der 'Summe' zu denken. Im nächsten ist aus der freundlichen Erinnerung schon eine Mahnung geworden. Der dritte ist eine deutliche Mahnung mit der Drohung das etwas passieren würde wenn man wieder nicht reagieren würde. Ich ziehe scharf die Luft ein. Das geht so weiter bis zu dem Schreiben was heute morgen angekommen sein muss. Dort steht summa sumarum 'Zahl endlich deine Schulden oder wir löschen deine Familie, einen nach dem nächsten aus und du darfst in der ersten Reihe sitzen und zuschauen!'. Krass! Mich schauderts. Wie kann Spencer nur so ruhig sein Leben weiter führen?
Unterzeichnet sind alle Schreiben mit 'Ein Freund'. Ich besehe mir die Daten. Aus denen kann ich entnehmen, dass Charlotte's Vater bereits seit geraumer Zeit Geldprobleme bzw. Schulden hat und diese Ignoriert. Was ist das für ein Mann der das Leben seiner eigenen Familie auf's Spiel setzt nur damit sein Suchtproblem nicht auffliegt? Denn das er eines hat ist ja wohl klar.
Schnell fotografiere ich alle Briefe mit meinem Handy und stecke sie zurück in den Umschlag. Diesen lege ich genauso wie ich ihn gefunden habe zurück und schließe die Schublade entgültig.
In dem Arbeitszimmer befindet sich außerdem noch eine Vitrine mit Büchern und einer geheimen Bar, deren Inhalt ich schon einmal inspeziert habe und ein metall Aktenschrank in dem Mister Spencer die Personalakten seiner Bank aufbewahrt. Nichts interessantes. Zumindest nicht im Moment. Seit vorhin grübel ich darüber nach in was für eine Geschichte er da verstrickt ist. Illegale Geldspiele - auf jeden Fall. Geldwäsche - kann sein, so nebenbei. Menschenhandel und Prostitution - die Anzeichen sind vorhanden, aber ob er selbst da mit drin hängt?
Ebenso leise und unbemerkt wie ich gekommen bin verschwinde ich wieder aus dem Arbeitszimmer.

 

Tom

 

Falkner's Anruf erreicht mich in der Cafeteria, gerade als ich mich mit einer Portion Bratkartoffeln und Spiegelei hingesetzt habe. "Raten Sie mal wen unsere Kollegen vorhin bei einer illegalen Aktivität hoch genommen haben?"
"Keine Ahnung. Wen?" erwidere ich und schiebe mir die erste Gabel voll Kartoffeln in den Mund.
"James Spencer."
"O-k-a-y." sage ich gedehnt. "Was hat wer getan?"
"Er befand sich in eben diesem Casino das diesem Gregorovic gehört."
"Das verstehe ich nicht." gestehe ich. "Meine Kontakperson war ihm auf der Spur und hatte das Casino durchsucht. Da war er nicht."
"Er wurde in einem der Hinterzimmer aufgegriffen. Zusammen mit einigen anderen reichen Geldsäcken." erklärt mein Boss. "Sie waren dort in ein lustiges kleines Spielchen vertieft."
"Spielchen?"
"Die Herren spielten am Tisch Poker, auf dem Tisch lag ein hübscher Haufen Geldscheine und unter dem Tisch hockten einige nackte Mädchen."
Ich verdrehe die Augen. "Und das so früh am Morgen."
Falkner schnaubt. "Früh am Morgen unter der Woche wiegt man sich wohl in Sicherheit vor dem Auge des Gesetzes. Hey, kommen Sie, welcher Polizist würde schon am Vormittag ein Casino durchsuchen?"
Da hat er auch wieder recht.
"Okay. Verstehe. Wo befindet sich Spencer jetzt?"
"Er ist zur Aufnahme seiner Aussage und der Personalien auf dem Revier des Fraud Squad in Westminster." erklärt er mir.
Ich nicke und bemerke das er mich ja gar nicht sehen kann. "Okay. Und wird man Anklage gegen ihn erheben?" frage ich.
"Keine Ahnung. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, wird er wohl länger Gast der Met sein."
Ich schlucke. Das wird Charlotte gar nicht gefallen. Wie wird sie reagieren wenn sie vom geheimen Leben ihres Vaters erfährt?
"Ich fahr hin." verkünde ich kurz entschlossen.
"Wohin? Nach Westminster?" fragt mein Boss.
"Ja. Oh natürlich nur, wenn Sie nichts anderes für mich haben." beeile ich mich hinterher zu schicken.
"Nein, ich habe nichts. Aber wenn Sie so nett wären mir Ihren Bericht endlich mal zukommen zu lassen."
Ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Klar doch. Sorry. Das habe ich völlig vergessen." gebe ich zerknirscht zu. "Den schreib ich heute noch. Morgen spätestens haben Sie ihn auf dem Schreibtisch."
"Schon gut. Sie haben wohl gerade anderes im Kopf. Aber eines sage ich Ihnen Cray, lassen Sie sich von der Sache nicht all zu sehr ablenken!"
"Mach ich nicht." sage ich und lege auf.
Kurz darauf wandert mein fast unberührtes Mittagessen im Müll und ich schwinge meinen Arsch in meinen orangenen Audi TT Coupe'.

Die verdammten Straßen sind voll wie immer in dieser Stadt. Doch dank dem mobilen Blaulicht das ich spontan auf das Dach klebe komme ich ganz gut durch. Ich parken meinen Liebling auf dem bewachten Mitarbeiterparkplatz und sprinte ins Gebäude.
Drinnen frage ich mich durch bis ich den zuständigen Beamten gefunden habe.
"Hi. Sie müssen Smiths sein. Cray, SIS. Hätten Sie was dagegen wenn ich bei der Vernehmung von James Spencer anwesend bin?" falle ich mit der Tür ins Haus.
Der Kollege sieht mich mit erstaunt erhobener Augenbraue an und schweigt.
Ich muss mich wohl präsziser ausdrücken. "Den Tipp mit dem Casino haben Sie von mir und Mister Spencer ist nur zur falschen Zeit am falschen Ort, jedenfalls hoffe ich das."
"Stehen Sie in irgendeiner persönlichen Beziehung zu Mister Spencer?" bricht er nun doch sein Schweigen.
Ähm. Scheiße ja. "Irgendwie schon." gebe ich zerknirscht zu und verbaue mir so die Chance an diesem Fall weiterhin beteidigt zu sein. Ein Cop darf keinen persönlichen Bezug zu einem in einer Strafsache stehenden Menschen haben.
"Dann heißt das wohl das Sie sich jetzt verabschieden." wirft er mich raus und wendet sich zum gehen.
Wütend schleiche ich mich. Zurück im Auto lasse ich erstmal meine Wut an meinem Lenkrad aus. Dabei kann mein Baby doch gar nichts dafür.
Anschließend greife ich zum Handy und rufe den einzigen Typen an den das gerade interessieren dürfte.
Hämisch erwidert er. "Tja, Kumpel, dann übernimmt ab hier wieder Steel und Co." Max seufzt laut auf. "Welch Wohltat. Schön, dass du auch mal einen Dämpfer bekommst!"
"Pha." zische ich. "Freu dich nur nicht zu früh. Nachher hole ich Charly ab."
Sofort ist er still.
"Ach ja, falls du sie mal besuchen willst, musst du zu mir nach Hause kommen." Damit gebe ich ihm sicherlich den Rest. Er schweigt beleidigt. Jedenfalls denke ich das, denn plötzlich sagt er. "Schön. Bei dir ist sie in Sicherheit. Die Wohnung eines Bullen kann sicherlich schneller und einfacher unter Bewachung gestellt werden als die eines Zivilisten."
"Das brauchen wir nicht." zische ich wütend. "Ich bin ja da."
"Ach, auch wenn du auf Arbeit bist?" hakt er listig nach. Ich kann sein dämliches Grinsen förmlich vor mir sehen.
"Ich ... ich nehm sie eben mit." Kaum ausgesprochen, merke ich wie dämlich sich das anhört.
Als Quittung lacht Max abfällig. "Ja klar. Cray, sie ist kein Kind mehr. Kennst du sie so schlecht? Sie wird wieder arbeiten wollen. Allein schon um sich von all dem abzulenken." erklärt er.
Da könnte er recht haben. Warum ist mir das nicht eingefallen? Und dabei kenne ich sie schon seit unserer Jugend.
"Hm." mache ich daher nur lahm.
"Und, was nun?"
Ich überlege. Max kommt mir zuvor und schlägt freundlich vor. "Wie wärs denn, wenn sie zwar bei dir übernachtet, die Tage jedoch bei mir hier in der Villa verbringt? Ich werde Spencer fragen, sobald deine Leute ihn freilassen ob ich meine Bemühungen künftig nicht eher auf Charlotte konzentrieren sollte. Dann begleite ich sie zur Arbeit. Da hab'ich sogar ein persönliches Interesse dran das ihr dort nichts geschieht."
"Inwiefern?" hake ich neugierig nach. "Weil du sie liebst?"
"Ja auch, aber vor allem wegen meiner Charlotte."
"Na sag ich doch."
"Quatsch. Trottel!" schnautzt er. "Meine Tochter. Charlotte. Sie ist in Charlotte's Klasse. Geschieht der großen Charlotte in der Schulke etwas, geschieht der kleinen eventuell auch etwas." erklärt er ausführlich.
"Ich wusste gar nicht das du ein Kind hast." entgegne ich lahm.
"Du weißt so einiges nicht, scheint mir."
"Ha ha." brumme ich genervt. "Aber gut. Wir machen es so wie du vorgeschlagen hast. Guter Plan. Ich kann dir allerdings nicht sagen ob und wann Spencer frei kommt."
"Hm." macht Max.
"Kommt drauf an wie tief er mit drin steckt." Ich mache eine Pause und fahre fort. "Wenn er schiss bekommt und umfangreich auspackt, lebt seine Familie in Zukunft gefährlich."
Max atmet zischend aus. "Ich weiß. Russenmafia oder?"
"Hm. Höchstwahrscheinlich." erwidere ich.
"Das dachte ich mir schon. Scheiße!"
"Ja, scheiße." brumme ich und besehe meine Fingernägel.
"Das werden harte Zeiten."
"Hm."
Wir scheigen beide.
"Ähm ... ich werde mich dann mal an die Arbeit machen. Weißt du ob Spencer einen Anwalt bei sich hat?"
"Keine Ahnung. Mir gibt man keine Auskünfte. Frag doch seine Frau!"
"Mach ich. Und wenn noch niemand da ist, kümmere ich mich darum. Fahr du zu Charlotte und bring sie heim! Ich melde mich wenn es Neuigkeiten gibt." Damit legt er auf. Ich stecke das Handy weg und starte den Motor.

Im Krankenhaus treffe ich als erstes auf Charly's Mom. Die Sache mit dem Anwalt konnte also ich vor Steel in Erfahrung bringen.
"Hi Veronica." begrüße ich sie freundlich.
Sie dreht sich um. Als sie mich erkennt hellt sich ihre Miene auf. "Hallo Tommy." antwortet sie freundlich.
"Wie geht es dir?" frage ich besorgt und hauche ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ach na ja." seufzt sie. "Ich habe gerade mit dem Arzt gesprochen." Sie deutet mit dem Daumen hinter sich dem sich entfernenden Mann im weißen Kittel hinterher.
Ich nicke verständig und frage. "Und, was sagt er? Wie geht es Charly?"
"Wie es ihr geht, fragst du sie am besten selbst. Aber aus gesundheitlicher Sicht geht es ihr gut. Ein paar blaue Flecke, Schürfwunden." Sie zuckt mit den Schultern. "Aber die seelischen Wunden ..."
Ich weiß was sie meint. Betreten sehen wir beide vor uns auf den Boden und schweigen.
Bis ich das Schweigen breche indem ich brumme "Hm. Das wird wohl noch ne Weile dauern bis sie das ... verdaut hat."
Veronica nickt. "Wenn sie es überhaupt jemals vergessen kann."
Ich nicke traurig.
"Ablenkung wäre ganz gut."
Ich sehe ihr ins Gesicht.
"Ich habe ihr bereits vorgeschlagen mit ihr zu verreisen. Nur sie und ich. Südfrankreich vielleicht. Oder Italien. Sie liebt dieses Land doch so sehr."
"Ja und." erwidere ich. "Was sagt sie?"
"Was sie dazu sagt?"
Ich nicke zustimmend und sehe sie abwartend an. Die Idee Charly irgendwo im Ausland in Sicherheit zu wissen behagt mir ebenso wie ich es auch bedauern würde.
"Sie hat mir einen Korb gegeben. Sie sagt, sie braucht zwar Ablenkung, aber nicht so. Chalotte befürchtet, wenn sie allein an irgendeinem Strand sitzt kommt sie nur ins Grübeln. Und so, meint sie, wird sie die Gespenster ..." Dabei malt sie mit Mittel,- und Zeigefinger Gänsefüßchen in die Luft. "...nie los." erklärt sie ihre Tochter. "Sie war schon immer so. Probleme hat Charlotte schon immer lieber mit sich selbst ausgemacht."
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Ja, ich weiß." sage ich.
"Und, was machen wir jetzt? Bei uns einziehen will sie auch nicht." fährt sie fort.
"Max und ich haben da einen Plan." beginne ich.
Veronica sieht mich interessiert an.
"Wollen wir uns erstmal setzen?" bitte ich und deute mit der Hand auf eine Sitzgruppe zu unserer Rechten.
Kaum sitzen wir uns gegenüber fahre ich fort m it unserem Plan. Sie hört sich alles ruhig an, nickt ab und an und sieht nachdenklich durch mich hindurch.
Als ich geendet habe sehe ich sie abwartend an. "Was sagst du?"
"Das klingt ganz gut. Doch das alles habt ihr über ihren Kopf hinweg entschieden. Du kennst sie. Da haben wir das Thema wieder." lacht sie schief. "Charlotte hat ihren eigenen Kopf."
"Ja, aber in diesem Fall muss sie mal über ihren Schatten springen und sich fügen. Ich glaube, es bleibt ihr nichts anderes übrig." erkläre ich entschieden. Ich nehme mir vor, nachher ebenso standhaft bei Charly zu bleiben.
Sie nickt. "Dann geh und verkünde auch ihr euren Plan!" sagt sie uind erhebt sich. Ich stehe ebenfalls auf. Als ich schon gehen will, hält sie mich am Handgelenk zurück und fragt. "Was ist das eigentlich mit euch dreien?"
Was? Ach du schreck! Mit der Mutter meiner Freundin und beteidigten Person möchte ich eigentlich nicht über unsere Dreiecksbeziehung reden.
"Ähm." mache ich daher nur lahm.
"Charlotte liebt euch scheinbar beide. Ich kenne meine Tochter. Sie wird sich nicht zwischen euch entscheiden können. Ihr müsst das tun. Auch wenn es ihr das Herz bricht." mahnt sie.
Nachdenklich nicke ich und wende mich ab. Da fällt mir noch etwas ein. "Ach Veronica."
"Ja Tommy?"
"Hast du heute schon was von James gehört?"
"Was? Wieso fragst du? Er hatte am Vormittag einen Termin oder so." erwidert sie zögernd. Sicher riecht sie den Braten.
"Nur so. Und du weiß nicht wo er hin gegangen ist?"
Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Ich frage da schon lange nicht mehr nach. Er ist sehr verschlossen in letzter Zeit musst du wissen." erklärt sie ausweichend.
Ich nicke wissend.
"Tommy, du sagst mir jetzt sofort was du zu sagen hast!" fordert sie streng.
Ich komme mir zurück versetzt in meine Teenagerzeit vor wo sie von uns wissen wollte weshalb wir die Tür von Charly's Zimmer verschlossen hatten. Verlegen trete ich von einem Bein auf' s andere.
"Tom Cray, soll ich deine Mutter anrufen?" scherzt sie. Oder ist das kein Scherz? Hat sie tatsächlich noch Kontakt zu meiner Mom?
"Ähm ... ich wollte dir nur sagen." stammle ich unbeholfen.
"Ja." Sie wedelt ungeduldig mit einer Hand in der Luft herum. "Und wo? Muss ich dir denn jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen?"
Sollte wirklich ich es sein der ihr die schlechten Neuigkeiten überbringt? Nö.
"Ich wollte idr nur sagen ... das ich sehr ... also das ich extrem ... Nein extrem klingt blöd." berichtige ich mich gleich wieder.
Veronica scheint zu ahnen was ich zu sagen im Begriff bin und grinst. Dieses Gesicht steht ihr gut, sie wirkt gleich um Jahre jünger.
"Also ... mein Gott was stammle ich hier denn so rum. Ich will dir eigentlich nur versichern, dass ich, wenn sich Charly für mich entscheidet, immer gut für sie sorgen werde!" versichere ich ihr ernsthaft und lüge doch dabei. Denn eigentlich bin ich nur zu feige um ihr die schlechten Nachrichten zu überbringen.
"Das weiß ich doch, Tommy." sagt sie liebevoll, lächelt und streicht mir mit der Hand über die Wange.
"Ich liebe Charlotte wirklich sehr. Ich habe sie gefragt ob sie meine Frau werden will." setze ich sie in Kenntniss.
"Ich weiß. Sie hat es mir erzählt." erwidert sie zu meiner Überraschung.
"Sie hat es dir gesagt?" frage ich verblüfft.
Sie nickt. "Ja. Und auch das auch Max Steel um ihre Hand angehalten hat."
"Was?" entfährt es mir.
Veronica zuckt zusammen. "Ja. Wusstest du das nicht?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein." flüstere ich.
Tröstend legt sie mir ihre Hand auf den Unterarm und drückt ihn sanft. "Charly wird auf ihr Herz hören. Verlier nur nicht die Hoffnung!" rät sie mir noch.
"Die stirbt ja bekanntlich zuletzt." murmle ich und wende mich zum gehen ab.

 

Charlotte

 

Tom brachte mich in seinem Sportwagen nach Hause. Aber nicht etwa zu mir nach Hause, sondern zu sich. Nachdem ich mir seinen Plan angehört und zuerst einmal mein Veto eingelegt habe, habe ich nach gründlicher Überlegung und ein bis zwei Latte Macchiatos später dann schließlich doch mein Einverständnis gegeben.
Und hier sitze ich nun. In Tommy's Schlafzimmer auf dem Bett und soll mich ausruhen. Als hätte ich das nicht in den letzten zwei Tagen bereits zur genüge getan. Genervt greife ich nach dem Buch was auf dem Nachttisch liegt. Der große Gatsby. War ja klar. Das perfekte Buch für jemanden wie Tom Cray. Ich lege es zurück.
Wenn es so weiter geht, fällt mir spätenstens morgen Abend die Decke auf den Kopf. Ich brauche Abwechslung und vor allem Ablenkung.
Wenn ich ehrlich bin, bin ich gar nicht so traumatisiert. Natürlich waren das schleckliche Tage und fürchterliche Erlebnisse die ich da durch gemacht habe, aber alles in allem verkraftbar. Ich gehe weiterhin zum Therapeuten, dass musste ich in der Klinik versprechen und wenn ich Sorgen habe zum Arzt. Aber die heldenhafte Rettungsaktion und die Gewissheit das die Täter hinter Gittern sitzen und ihrer gerechten Strafe entgegen sehen, befriedigt und beruhigt mich ungemein.
Am liebsten würde ich gleich morgen wieder arbeiten gehen, doch dagegen sprechen meine Krankschreibung vom Arzt die wenigstens noch zwei Wochen weiter läuft und mein Bewacher. Aus irgendeinem Grund haben Max und Tom Angst das ich weiterhin Ziel eines Anschlags sein könnte. Blöd nur, dass ich nichts aus ihnen heraus bekomme. Ich will zu gern wissen in was mein Dad da hineingerutscht ist.
Ich beschließe zumindest einmal joggen zu gehen. Also stehe ich auf und gehe hinüber ins Wohnzimmer wo Tommy auf der Couch liegt und durch das Fernsehprogramm zappt.
"Hey, ich denke du schläfst." begrüßt er mich überrascht und schaltet den Fernseher aus.
"Ich habe genug geschlafen." meine ich nur und setze mich neben ihn kaum das er seine Beine eingzogen hat.
"Was ist los?" hakt er besorgt nach. "Brauchst du was? Hast du schlecht geträumt?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Ich kann nicht. Tommy ..." Ich sehe ihm tief in die Augen. "... mir fällt, wenn ich so weiter mache die Decke auf den Kopf. Können wir nicht was unternehmen?"
"Du willst aus gehen?" fragt er entsetzt.
Ich runzle die Stirn. "An so was dachte ich zwar nicht unbedingt, aber trotzdem, was wäre so schlecht daran?"
"Was daran schlecht wäre?" wiederholt er ungläubig das gesagte.
"Ja." lache ich und mache mich lustig über sein bestürztes Gesicht. "Es ist doch alles wieder in Ordnung." raune ich und komme ihm näher.
Tom zuckt die Schultern. "Na ja. In Ordnung?"
"Und wem habe ich das zu verdanken?" raune ich ohne darauf einzugehen, beuge mich halb über ihn und küsse ihn leidenschaftlich auf den Mund.
Überrumpelt will er mich erst von sich schieben, überlegt es sich dann doch aber anders und greift mir ins Haar um mich näher an sich zu ziehen. Ich lege mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf ihn und vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Er duftet so gut. Seufzend schließe ich die Augen. Genau in diesem Moment fühle ich mich so sicher wie noch nie zuvor in meinem Leben. "Ich bin sicher." murmle ich an seinem Hals.
"Das bist du. Ich bin da." raunt er in mein Haar und küsst mich anschließend auf den Scheitel.
"Ich habe dir, glaube ich noch gar nicht richtig gedankt." gebe ich leise zu und sehe ihm ins Gesicht.
Tom zieht die Augenbraue hoch. "Gedankt? Wofür?"
"Wofür? Na für die Rettung, du Dummchen." lache ich um gleich darauf wieder erst zu werden. "Ernsthaft. Wer weiß was mit mir passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst?" murmle ich ernsthaft.
Er verdreht die Augen. Es schmeichelt ihm, ist ihm aber auch peinlich so im Mittelpunkt zu stehen, dass sehe ich ihm an.
"Danke. Ich danke, danke, danke dir, Thomas Edward Cray!" flüstere ich und stemme mich etwas hoch um ihn erneut küssen zu können.
"Hör auf!" bittet er kaum das ich seinen Mund wieder frei gegeben habe. "Das ist mein Job." winkt er ab.
"Ja, aber in diesem Fall war es eine persönliche Sache für dich. Ich weiß doch was du für mich empfindest." Ich schweige abwartend.
Er nickt. "Das stimmt zwar. Aber als Agent lernst du berufliches von privatem zu trennen." erklärt er fachmännisch. "In diesem Moment warst du nichts anderes als meine Zielperson." redet er seine Tat klein.
Gespielt beleidigt ziehe ich mich zurück, verschränke die Arme vor der Brust und schiebe schmollend die Unterlippe vor. "Na toll, und ich dachte du bist mein Ritter in Rüstung." scherze ich.
Er rappelt sich auf."Das war ich doch. Und bin es noch." rechtfertigt er sich schnell.
Lachend springe ich auf und sage. "Na dann. Würde der strahlende Ritter mich auch bei joggen begleiten?" Ich halte ihm meine linke Hand hin um ihn vom Sofa hoch zu ziehen.
Tom überlegt, sicher wägt er das Risiko sich wegen so etwas profanen wie joggen ungeschützt auf der Straße zu zeigen und dem sicheren Fitnesstudio gegeneinander ab. Scheinbar kommt er zu dem Entschluss, dass gegen ein wenig joggen im Park nicht einzuwenden ist wenn er mich begleitet, denn er ergreift lächelnd meine Hand und lässt sich bereitwillig hoch ziehen.
"Okay. Aber du bleibst in meiner Nähe, tust was ich sage und wir laufen dort wo ich will." erklärt er streng.
Ich nicke brav zu all seinen Vorschlägen. Mir war alles Recht, hauptsache raus an die frische Luft.
"Gut. Braves Mädchen." grinst er frech. "Ich zieh mich schnell um. Es läuft ja nicht jeder den ganzen Tag in Schlabberklamotten rum." zieht er mich auf.
Getroffen lasse ich mich zurück aufs Sofa fallen. Als würde ich sonst auch nur in alten schlabbrigen Klamotten herum laufen. "Hör mal, Freundchen. Dir werd'ich's gleich zeigen." warne ich ihn.
"Darauf freue ich mich schon." ruft er aus dem Schlafzimmer.

Es dauert keine fünf Minuten und Tom ist fertig umgezogen. Ich folge ihm zur Haustür. Er öffnet und als er abruppt stehen bleibt pralle ich fast mit ihm zusammen. Neugier was ihn so plötzlich hat stehen bleiben lassen luge ich an seiner breiten Schulter vorbei ins Treppenhaus. Da steht Max, noch immer mit erhobener Hand. Scheinbar wollte er gerade klopfen. Hinter ihm am Straßenrand entdecke ich seinen schwarzen Chevrolet. "Was willst du denn hier?" will Tom mit unterkühlter Stimme wissen.
"Was ich hier ... Die Frage ist doch eher, was habt ihr vor? In diesem Aufzug." Seine Hand wedelt zwischen uns hin und her.
"Wir wollten gerade joggen gehen." erwidere ich freundlich, drängle mich an Tom vorbei um ihn zu begrüßen. "Hallo Darling." säusel ich und falle ihm um den Hals. Oh man, hat er auch schon immer so gut geduftet?
"Hey Süße." raunt er und nimmt mein Gesicht zwischen seine Hände. Unsere Münder finden sich und wir küssen uns leidenschaftlich. Zum Glück kann ich Tom's Gesicht nicht sehen.
"Wenn ihr dann mal fertig seid können wir ja vielleicht doch noch laufen gehen." unterbricht er uns da auch schon genervt.
Max und ich lösen uns voneinander. Etwas peinlich berührt stehen wir nebeneinander.
"Ich mein ja nur. Oder braucht ihr noch ein paar Minuten?" brummt Tom und tritt aus dem Haus. "Ich stelle euch gern mein Haus zur Verfügung. Kann ja solange ne Rund joggen gehen." lästert er.
"Ähm ... nein danke. Ich laufe lieber selbst auch." erwidere ich lächelnd.
"Na dann." Tom zieht die Haustür zu und schließt sorgfältig ab. Den Schlüssel lässt er in einer seiner Hosentaschen verschwinden.
"Ihr geh wirklich raus?" fragt da Max dazwischen. An Tom gewandt fügt er hinzu. "Und du bist dir sicher, dass das das Richtige ist um sie zu beschützen?"
Tom dreht sich zu ihm um und funkelt ihn böse an. "Klar doch. Mir ist noch niemand abhanden gekommen. Und falls du um ihre Sicherheit besorgt bist ..." Er zieht hinter seinem Rücken eine Waffe hervor. Die musste er unter seinem T-Shirt verborgen haben.
Max zieht die Augenbraue hoch. Tom steckt die Waffe wieder weg.
"Außerdem habe ich eine hervorragende Ausbildung genossen."
"Stell dir vor, ich ebenso." zischt Max.
"Jungs, bitte." werfe ich dazwischen. Dieses Hahnenkampfgetue geht mir ganz schön gegen den Strich. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich das selbst zu verantworten.
Beide Männer sehen mich an. "Was?" zischen sie gleichzeitig.
"Was was?" frage ich dümmlich.
"Was sollen wir jetzt machen?" fragt Tom.
"Na wir gehen laufen, so wie wir es vor hatten. Wenn ich noch einen Tag eingesperrt bin ohne mich bewegen zu können, drehe ich durch. Ehrlich." Ich bekräftige meine Rede mit einem ernsthaften Blick an beide gewandt.
"Gut. Aber dann komme ich mit."
"Das ist nicht nötig." zischt Tom.
"Halt den Mund, Cray und finde dich damit ab! Ich bin dabei." beschließt Max standhaft.
Tom verdreht die Augen. Ich ebenso, aber nur heimlich und nicht so offensichtlich wie er.
"Du hast doch gar keine Sportklamotten an." gebe ich zu bedenken.
Max winkt ab. "Pha. So etwas brauchen echte Personenschützer nicht. Wir müssen in jeder Kleidung beweglich sein. Und der Anzug ist unsere Uniform. In der trainieren wir sogar." erwidert er patzig.
Das ist gelogen, da bin ich mir ziemlich sicher.
Tom lacht höhnisch auf. "Ja klar doch." brummt er kaum hörbar.
Abschätzend mustere ich Max Aufzug. Das dunkelblaue Jackett und die dazu gehörige Stoffhose sehen nicht gerade bequem aus. Und die Schuhe erst. Budapester. Aber er muss es ja wissen. Alt genug ist er ja.
"Gut. Dann komm mit! Ich freue mich!" erkläre ich ehrlich.
Das tue ich tatsächlich. Ich fühle mich wohl in Max Nähe, und ebenso wohl in Tom's Nähe. Und pudelwohl fühle ich mich wenn beide bei mir sind.
"Gut." meint Max und stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Dann läuft er los und ruft über die Schulter. "Kommt ihr?"
Tom läuft langsam los und dehnt seinen Kopf in alle Richtungen.
Da sprintet Max plötzlich los. Tom hinterher, als gälte es einen Wettbewerb zu gewinnen.
Das konnte ja lustig werden.

Kapitel 33

 Max

 

Charlotte's Vater wurde dann doch recht bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Na ja, genau genommen war er ja nie verhaftet worden. Bis auf die Beteiligung an illegalen Glücksspiel konnte man ihm nichts nachweisen. Durch die Zahlung einer vierstelligen Kautionssumme und mit einer Verwarnung sich nie wieder zu solch einer Sache hinreißen zu lassen, wurde er nach Hause geschickt. Was der Staatsanwalt daraus machen würde, blieb abzuwarten.
Seine Frau bat mich telefonisch ihren Mann doch bitte vom Polizeirevier abzuholen, da es, ich zitiere, für jemanden wie ihm nicht zu zumuten ist mit einem Streifenwagen nach Hause zu chauffiert zu werden. Als wenn die Bullen so etwas machen würden. Da ich sowieso gerade noch im Revier herumlungerte (ich wollte ein paar Einzelheiten erfahren) traf sich das gut. Bereitwillig sammelte ich den äußerst angefressenen Mister Spencer ein und fuhr ihn in seinem Jaguar nach Hause. Während der ganzen Fahrt sprach er kein einziges Wort und auf meinen Versuch höflich Konversation zu betreiben antwortete er nur mit einem recht unhöflichen Schnauben.
Pünktlich zum versprochenen Fünf-Uhr-Tee schlug ich in der Küche bei Dolly auf.
"Ah, pünktlich wie die Maurer." scherz sie als sie ihren wuchtigen Körper zu mir herum dreht.
"Versprochen ist versprochen." erwidere ich grinsend. "Außerdem habe ich Hunger. Seit heute Morgen habe ich nichts mehr gegessen."
Ich scheine ihr Mitgefühl zu erwecken, denn sie antwortet "Oh nein, du Ärmster! In diesem Haus muss niemand hungern. Setz dich!"
Ein Befehl den ich nur all zu gern befolge. Brav nehme ich an dem riesigen hölzernen Küchentisch platz. Während sie herum fuhrwerkt, lasse ich meine Gedanken schweifen. Abwesend fahre ich mit den Fingerspitzen die Einkerbungen im Holz nach. Messer und andere spitze Gegenstände haben sie hinterlassen. Das Holz ist an einigen Stellen verfärbt. Rot, bläulich, schwarz. Während ich noch grüble wie das geschehen sein könnte, ist Dolly fertig und stellt mir einen Teller mit köstlich duftender Kürbissuppe vor die Nase. "Hier. Iss!"
"Das ist aber kein Kuchen." maule ich mit gespielter Entrüstung.
"Erst gibt's was richtiges. Dann das Süße." schimpft sie. "Iss, mein Süßer! Du kannst es vertragen. Möchtest du Brot dazu?"
Ich nicke.
Sofort schneidet sie fachmännisch mit einer halben Machete von Küchenmesser eine dicke Scheibe eines herrlich duftenden dunklen Brotlaib ab. Das musste sie frisch gebacken haben. "Hier." Sie reicht mir das Brot. "Gerade frisch aus dem Ofen gekommen." erklärt sie überflüssigerweiser.
"Oh. Sie verwöhnen mich." freue ich mich schüchtern.
"Für dich mach ich das gern! Als die Kinder noch hier gelebt haben, war die Küche auch immer ihr Lieblingsplatz." schwelgt sie in Erinnerungen.
"Tatsächlich?"
Sie nickt stolz und zwinkert. "Bei Dolly gab es immer was zu naschen."
Grinsend schlürfe ich meine Suppe weiter.
"Ach das waren noch Zeiten. Damals war Mister Spencer auch noch anders."
"Inwiefern?" hake ich nach.
"Na ja. Da war er noch nett, freundlich. Grüßte wenn man ihn traf. Doch seit dem er Geschäfte mit diesem Russen macht ..." Sie bricht ab und sieht auf die Hände in ihrem Schoß.
"Geschäfte? Russe?" Mein Interesse ist geweckt. Konnte ich hier doch noch mehr erfahren?
"Ja, zumindest glaube ich das es ein Russe war. Wie er gesprochen hat und der Name."
"Hieß der zufällig Gregorovic?" will ich neugierig wissen.
Dolly sieht auf. Sie überlegt. "Hm. Könnte sein. Aber die hören sich ja alle gleich an, irgendwie."
"War dieser Mann öfters zu besuch?"
Sie schüttelt den Kopf. "Nee. Nur ein zwei mal. Dann begann es, dass Mister Spencer regelmäßig ausging."
Ich nicke nachdenklich. Sicher ist er dann immer ins Casino.
"Was bei dem Treffen hier im Haus besprochen wurde, wissen Sie nicht zufällig, oder Dolly?" Fragen konnte man schließlich ja mal.
Dolly musste mich enttäuschen. "Tut mir leid, mein Hübscher."
Ich schenke ihr ein schiefes Grinsen.
"War das aber in etwa die Zeit wo Mister Spencer sich verändert hat? Sein Verhalten meine ich." frage ich.
Sie überlegt kurz und nickt dann. "Doch ja. Das dürfte hinhauen."
"Hm. Okay. Ich danke Ihnen. Dolly, wie immer waren Sie eine große Hilfe. Ich wüsste gar nicht was ich ohne Sie machen sollte."
Geschmeichelt sieht sie auf die Tischplatte. Die alte Dame wird tatsächlich ein bißchen rot.
Genau in diesem Moment klingelt mein Smartphone. Mit einem raschen Blick auf das Display sehe ich das es Greenwood ist der mich da zu erreichen versucht. Wichtig also.
Entschuldigend wende ich mich wieder der Köchin zu. "Ich glaube der Kuchen muss noch etwas warten. Aber vielen Dank für diese köstliche Suppe, Dolly. Die Arbeit ruft." Ich halte das Handy hoch.
"Klar. Das verstehe ich. Ich muss auch das Abendbrot vorbereiten. Den Kuchen heb ich dir auf." Sie zwinkert mir zu. Sicher freut sie sich schon auf meinen nächsten Besuch, den sie sich mit der Aussicht auf Kuchen in diesem Moment garantiert hat.
Ich lächle sie strahlend an, erhebe mich und verlasse die Küche im selben Moment in dem ich das Gespräch entgegen nehme. "Was gibt's Greenwood?" frage ich.
"Boss es dürfte Sie interessieren das Spencer soeben telefoniert hat." beginnt Greenwood mit seiner Meldung.
"Okay. Und mit wem?" frage ich. Sicher mit seinem Anwalt. Ich jedenfalls würde in seiner Situation als erstes mit meinem Anwalt sprechen um das weitere Vorgehen zu bersprechen. Doch ich solte mich irren.
"Er erhielt einen Anruf auf seinem Handy." sagt er.
Genervt verdrehe ich die Augen. "Greenwood, mit wem hat er gesprochen?"
"Das ist es ja, Boss. Ich habe das Gespräch, als ich gesehen habe mit wem er da redet aufgezeichnet." Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
"Okay. Super. Aber ich wäre entzückt wenn ich jetzt auch mal erfahren könnte mit wem der Alte gesprochen hat." erwidere ich genervt.
"Mit einem gewissen Iwanow."
"Sagt mir nichts." gebe ich zu. Mittlerweile war ich oben im Erdgeschoss angelangt und gehe in die Bibliothek.
"Kann es auch nicht. Außer Sie sind mit den engsten Kreisen um Gregorovic bekannt." erklärt er mir. Jetzt hat er meine Aufmerksamkeit.
"Gregorovic? Aber war er nicht erst heute bei dem und hat dem das Lösegeld gebracht."
"Tja, dass dachten wir." Greenwood macht es spannend. "Spencer hat zwar heute wohl eine hübsche Summe spazieren getragen, und auch abgeliefert. Doch dem Russen scheint das nicht genug zu sein. Am besten Sie hören es sich selbst mal an."
"Okay. Los geht's!" bitte ich.
"Moment. Ich schicke es Ihnen als mp3 File auf's Smartphon." erklärt mir mein Technikexperte.
Ich nicke und kurz darauf meldet mir mein Gerät in meiner Hand den Eingang einer Nachricht.
"Ich höre es mir an. Ich melde mich gleich wieder." erkläre ich und lege auf.
Ich klicke mich durch die Nachricht und halte mir das Gerät erneut ans Ohr um die Aufzeichnung abzuhören.
Es beginnt mitten im Gespräch. Ich erkenne Spencer's raue Stimme und die eines jungen russisch stämmigen Mannes.
"Was wollen Sie noch?" Spencer, stolz und kalt, wie man ihn kennt.
Der Russe antwortet ebenso kalt, nur noch eine Spur härter "Du wagst es das zu fragen?"
"Was wollen Sie?" wieder Spencer. "Sie haben ihr Geld. Lassen Sie mich ein für alle Mal in Frieden!" herrscht er wütend.
"Wir sagen wann du deine Ruhe hast, Spencer."
"Aber ... aber ich habe doch ..."
"Halt's Maul! Mister Gregorovic ist äußerst erbost über die heutigen Ereignisse." wird ihm verkündet.
"Das kann ich mir vorstellen. Doch was habe ich damit zu tun?" will Charlotte's Vater wissen.
"Du warst es doch der die Bullen mitgebracht hat."
"Was ich?" Spencer klingt ehrlich überrascht. Kein Wunder, er war es ja auch nicht. Ich war das. Gespannt höre ich dem Gespräch weiter zu.
"Halt's Maul!" herrscht der Russe und Spencer schweigt. "Mister Gregorivic hat heute einen großen Verlust erlitten ..."
"Ja, aber ..."
Der andere redet ungerührt weiter. "Und da du der Verursacher dieses Verlustes bist, hat Mister Gregorovic beschlossen das du für den Schaden der heute entstanden ist aufkommen wirst."
"Was ich?" schreit Spencer.
Oh je, krass!
"Du wirst bezahlen. Weitere 5 Millionen, sonst ist deine Familie dran." droht er ihm.
Ich höre ein keuchendes Luftholen das hunderprozentig von Spencer kommt. "Das ... das ist unmöglich. Ich ... ich bin wirklich nicht dafür verantwortlich." stammelt er plötzlich. Nichts ist mehr übrig vom selbstbeherrschten, strengen, kühlen Spencer den man so kennt.
Der andere lacht höhnisch.
"Wenn Gregorovic mich anhören würde ..."
"Dich?" ruft der Russe verächtlich. "Damit du ihn wieder in eine Falle locken kannst? Er hatte heute Glück nicht im Haus gewesen zu sein, da seine Tochter Geburtstag hat." erklärt er weiter.
"Ja, aber ich muss es ihm erklären." bettelt Spencer. "Ich muss ... ich kann auf keinen Fall noch einmal eine solche Summe ..."
"Du sollst es ja nicht nur können, du sollst es tun."
"Ja aber ... Ich habe es jetzt auch nur knapp geschafft." erklärt sich Spencer.
Der Andere lacht schnaubend. "Wir wissen was du auf dem Konto hast. Auf all deinen Konten. Auch denen in der Schweiz."
Charlotte's Vater holt japsend Luft. "Aber ... aber ..." Mehr vermag er nicht mehr zu sagen.
"Du hast verstanden. Das wir nicht scherzen haben wir, denke ich bereits bewiesen."
Schweigen.
"Es war nur Glück das dein hübsches Töchterchen befreit wurde. Ein zweites Mal würde das nicht passieren. Und soll ich dir sagen warum nicht?"
Spencer holt tief Luft. "Warum?" fragt er kaum hörbar.
"Weil ich mich beim nächsten Mal höchstpersönlich um die Schöne kümmere." Er lacht gehässig. Mir stellen sich alle Nackenhaare auf.
Spencer seufzt. "Ich ... ich versuche es."
"Du hast drei Tage."
"Was?" keucht er entsetzt. "Das geht nicht. Ich brauche wenigstens drei Wochen."
"Wovon träumst du?" lacht der Andere. "Eine Woche. Keinen Tag mehr. Ach und, Spencer, halt die Polizei raus. Sonst gibt's das erste Opfer."
Dann wird das Gespräch von einer Seite beendet. Ich nehme an es war der Russe.
Geflasht lasse ich das Handy sinken. Krass!
In diesem Moment kommt draußen jemand die Treppe herunter. Neugierig gehe ich zur Tür und spähe hinaus in das Foyer. Es ist Spencer höchst selbst. "Ah da sind Sie ja. Ich suche Sie schon die ganze Zeit." herrscht er als er meiner habhaft wird.
Ich trete hinaus und stehe fast schon stramm als er mir mit seiner typischen militärischen Haltung entgegen tritt. "Warum suchen Sie mich, Mister Spencer?"
"Ich muss Sie sprechen. Ihr Einsatz hier ist beendet. Ich brauche Ihre abschließende Rechnung und dann dürfen Sie sich verabschieden."
Wie war das bitte? Ich muss mich verhört haben. Jetzt, wo die Gefahr für seine Familie größer ist den je, will er mich los werden. Ist der Wahnsinnig?
"Aber ... aber Sie brauchen mich doch noch ..." stammle ich ziemlich unprofessionell.
Er zieht skeptisch die Brauen hoch. "Das, Mister Steel müssen Sie schon mir überlassen ob und wann ich sie benötige." herrscht er mich an.
"Ja, selbstverständlich. Aber ..."
"Wenn es Sie beruhigt. Ich habe heute Vormittag die Sache aus der Welt geschafft. Wir sind in Sicherheit." erklärt er zwar etwas freundlicher, doch mir sträubt sich bei so viel Engstirnigkeit und Unvernunft jedes Haar. Dieser Mann ist derart stur und eigensinnig. Das ist kaum zu fassen.
Wenn ich daran denke, dass Charlotte's freundliche Mutter, der Bruder Aiden, der mir ebenso sympatisch war und ihre jüngere Schwester weiterhin in Gefahr schweben und nichts von all dem ahnen. Um ihn ist es mir egal, er wäre selbst schuld. Doch die Erfahrung zeigt, dass Erpresser wie diese nie an ihr Opfer selbst angehen, sondern äußerst effektiv nur dessen Familie ausschalten. Für gewöhnlich reagiert es beim ersten geliebten Opfer und willigt ein zu zahlen. Nicht aber wenn man Spencer heißt.
Mit einer Ganzkörpergänsehaut nicke ich schließlich und verspreche ihm meine Abschlussrechnung in den nächsten Tagen zukommen zu lassen. Die würde gepfeffert ausfallen, dessen kann er sich sicher sein. Nur sagte ich ihm das nicht.

Nachdem ich mich von Dolly verabschiedet und mir mein Kuchenstück habe einpacken lassen verlasse ich das Anwesen der Spencer's.
Mein erster Weg führt mich zu Tom Cray's Haus. Seine Adresse erhielt ich freundlichweise von Greenwood.
Gerade als ich anklopfen will, eine Klingel finde ich nirgends, wird die Tür aufgerissen und Tom höchstselbst steht vor mir. In Sportbekleidung. Hinter ihm kann ich Charlotte ausmachen. Ebenfalls in Sportklamotten.
"Was willst du denn hier?" fragt Cray.
"Was ich hier ..." beginne ich verwundert. "Die Frage ist doch eher, was habt ihr vor? In diesem Aufzug." will ich entrüstet wissen und wedel mit der Hand in der Luft herum.
"Wir wollten gerade joggen gehen." erklärt da Charlotte mit ihrer sanften freundlichen Stimme und lächelt mich an. "Hallo Darling." begrüßt sie mich und fällt mir, ehe ich etwas erwidern kann um den Hals.
"Hey Süße." raune ich und nehme ihr wunderschönes Gesicht zwischen meine Hände. Wie von selbst finden sich unsere Münder und wir küssen uns leidenschaftlich. Mir ist völlig egal, dass Cray neben uns steht und uns zusieht. Ich brauche das jetzt. Ihre Nähe, das Wissen das es ihr gut geht.
"Wenn ihr dann mal fertig seid können wir ja vielleicht doch noch laufen gehen." stört in dieser Sekunde auch schon Cray unsere Intimität. Wir lösen uns voneinander. "Ich mein' ja nur. Oder braucht ihr noch ein paar Minuten?" fragt er gehässig. "Ich stelle euch gern mein Haus zur Verfügung. Kann ja solange ne Runde joggen gehen."
Gute Idee! Verpiss dich, Cray!
Doch ich antworte lässig. "Ähm ... nein danke. Ich laufe lieber selbst auch." Ich schenke ihm ein siegessicheres Lächeln.
"Na dann." Er zieht die Haustür zu und schließt demonstrativ ab. Den Schlüssel steckt er sich in die Hosentasche.
"Ihr geht wirklich raus?" frage ich ihn. "Und du bist dir sicher, dass das das Richtige ist um sie zu beschützen?"
Cray dreht sich mit einem Augenrollen zu mir und entgegnet. "Klar doch. Mir ist noch niemand abhanden gekommen. Und falls du um ihre Sicherheit besorgt bist ..." Er zieht seine Walther aus dem hinteren Hosenbund. War ja klar das er bewaffnet ist. Aber gut, verübeln kann ich es ihm nicht. Schließlich habe ich selbst meine Waffe dabei. Aber das der Typ das selbe Modell wie ich bevorzugt nagt an mir. Hämisch grinsend steckt er sie wieder weg. "Außerdem habe ich eine hervorragende Ausbildung genossen." erklärt er weiter. Diese Selbstsicherheit - ich würde ihm am liebsten seine Zähne einschlagen. Stattdessen zische ich ihm ins Gesicht. "Stell dir vor, ich ebenso."
"Jungs, bitte." meldet sich da Charlotte aus dem Off.
Beide sehen wir auf sie runter. "Was?" zischen Tom und ich gleichzeitig.
"Was was?" fragt sie verständnislos.
"Was sollen wir jetzt machen?" will Cray von ihr wissen.
"Na wir gehen laufen, so wie wir es vorhatten. Wenn ich noch einen Tag eingesperrt bin ohne mich bewegen zu können, drehe ich durch. Ehrlich." Charlotte bekräftigt ihre Ansprache mit einem flehenden Blick abwechselnd in unsere Gesichter. Ich kann ihr nicht böse sein. Ich liebe diese Frau! "Gut. Aber dann komme ich mit." beschließe ich felsenfest.
"Das ist nicht nötig." zischt mein Kontrahent.
"Halt den Mund, Cray und finde dich damit ab!" fahre ich ihn wütend an. "Ich bin dabei."
Er verdreht genervt die Augen.
"Du hast doch gar keine Sportklamotten dabei." wendet sie ein.
Ich zucke die Schultern und winke ab. "Pha. So etwas brauchen echte Personenschützer nicht. Wir müssen in jeder Kleidung beweglich sein. Und der Anzug ist unsere Uniform." erkläre ich entschieden.
Tom lacht schnaubend auf. "Ja klar doch." brummt er leise.
Charlotte mustert mich von Kopf bis Fuß. Ich muss sie wohl erst überzeugen. "Gut. Dann komm mit!" meint sie schließlich. "Ich freue mich!" Sie schenkt mir ein Lächeln das ich sofort glücklich erwidere.
"Gut." ich trete einen Schritt vor und stupse ihr mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Anschließend laufe ich sofort los. "Kommt ihr?" rufe ich über die Schulter.
Wie beabsichtigt, schluckt Cray den Köder und rennt mir sofort hinterher.
Kaum das er auf meiner Höhe ich zische ich ihm zu. "Ich muss dringend mit dir reden."
Er sieht mich von der Seite an. Beide laufen wir locker nebeneinander her. "Was gibt's?" will er wissen. "Neue Erkenntnisse?"
Ich nicke. "Ja. Und Neuigkeiten. Ich bin gefeuert."
"Und das wundert dich?" scherzt er und sieht geradeaus damit ich das hamisches Grinsen nicht sehen kann, dass er unter Garantie aufgelegt hat.
"Spencer hat mich raus geworfen. Er meint die Sache sei erledigt."
"Ist sie das nicht auch? Er hat doch heute gezahlt oder nicht?" meint Tom.
Ich nicke. "Schon. Doch die Sache mit dem Casino kam nicht gut bei Gregorovic an."
Tom sieht mich wieder an und macht ein verständnisloses Gesicht. Ich muss wohl deutlicher werden. Ich hole tief Luft.
"Jungs. Wartet ihr auch mal auf mich?" hören wir hinter uns Charlotte rufen. Beide drehen wir uns gleichzeitig zu ihr um. Während er ihr zuwinkt, sage ich rasch. "Wir können jetzt nicht in Ruhe reden. Lass uns das hier hinter uns bringen und sie nachher irgendwie mal kurz ablenken damit wir unser weiteres Vorgehen besprechen können." schlage ich vor.
"Das klingt ja dramatisch."
"Glaub mir, dass ist es auch."
Cray sieht mich mit gerunzelter Stirn aufmerksam an. Doch da Charlotte in diesem Moment neben uns tritt, nickt er nur schweigend.

Eineinhalb Stunden später sind wir zurück in Cray's Haus. Charlotte hatte, zum Glück für uns, nach der sportlichen Betätigung beschlossen, ausgiebig baden gehen zu wollen. Tom und ich setzten uns mit zwei Bier in sein Wohnzimmer. Sicherheitshalber verschließt er die Tür und dreht den Schlüssel im Schloss.
"Man weiß ja nie." murmelt er entschuldigend als er mein skeptisches Gesicht sieht.
Ich nicke.
"Also was gibt's?" will er wissen und setzt sich mir gegenüber in einen Sessel. Ich nehme auf dem Sofa platz. Wie oft sie es wohl schon auf diesem Ding miteinander getrieben haben? Bei dem Gedanken schaudert es mir. Rasch trinke ich einen Schluck aus der Flasche. "Ja, also wie gesagt, Spencer hat die Zusammenarbeit mit Steel Security beendet."
Tom nickt. "Das sagtest du schon."
"Das war zu dem gegebenen Zeitpunkt jedoch das dümmste was er machen konnte." beginne ich. "Mein Mitarbeiter hat heute Mittag ein Gespräch auf seinem Smatphone aufgezeichnet."
"O-k-a-y."
"Ein Russe rief ihn an."
"Gregorovic?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein, einer seiner Handlanger. Iwanow hieß der."
"Gut. Und weiter?"
"Man hängt ihr die Sache mit dem Casino an. Die glauben er hätte zusammen mit dem Lösegeld die Polizei gebracht."
"Scheiße!"
Ich nicke erneut. "Richtige Scheiße! Besonders für Charlotte und ihre Familie. Sie wollen noch mehr Geld. Angeblich für den Verlust des Casinos."
"Wieviel?"
"Weitere 5 Millionen."
Cray fährt sich mit der Hand durch das braune kurze Haar. "Was drohen sie? Sie haben ihm doch wohl gedroht."
"Wenn er nicht in sieben Tagen zahlt stirbt jemand." flüstere ich fast. Der Gedanke, dass dieser Jemand meine Charlotte sein könnte, bringt mich fast um.
Cray verbirgt für einen kurzen Moment sein Gesicht in den Händen. Doch er fängt sich schnell wieder und steht entschlossen auf. Dabei kippt seine Bierflasche um und ergießt sich auf dem dunklen Parkettboden. Das scheint ihn im Moment jedoch nicht im Geringsten zu stören. Er beachtet die Flasche gar nicht. Wie ein gefangenes Zirkustier tigert er im Zimmer auf und ab. "Sicher soll er die Polizei raus halten." mutmaßt er.
Ich nicke. "Klar doch. Aber das geht doch nicht. Könnt ihr nicht zwangsweise jemanden unter Zeugenschutz oder Schutzhaft nehmen?" frage ich flehendlich.
"Nee." macht er. "Das geht nur wenn dieser 'Zeuge' auch was auszusagen hat. Und das hat er nicht. Ich habe gehört, dass er heute alles abgestritten hat. Er kennt niemanden der Casinobetreiber genauer. Das mit dem Glücksspiel war ein einmaliger Ausrutscher. Bla bla bla." lamitiert er.
Ich fahre mir durch's Haar. "Scheiße!" fluche ich.
"Das heißt jedoch nicht, dass wir untätig bleiben." fährt er fort. "Ich häng mich persönlich dran. Die Sache mit der Entführung läuft ja noch. Da kann ich weiterhin ermitteln. Das mit dem Glücksspiel ist mir erstmal egal. Das kann sein Anwalt regeln. Charly ist wichtig. Und das ihr und ihrer Familie nichts passiert."
Ich nicke zustimmend. "Ganz meine Meinung."
"Auch wenn er dich gefeuert hat, kannst du doch weiter machen oder?" fragt Tom und sieht mich abwartend an.
"Klar. Hätte ich sowieso getan."
"Gut. Du hörst also weiter seine Telefonate ab. Hast du das Haus verwanzt?"
Ich schüttle betreten den Kopf. "Leider nicht. Aber ich habe einen guten Draht zu den Angestellten."
"Gut." Er grinst. "Dolly hat schon immer ihre Augen und Ohren überall gehabt." erklärt er wissend.
Ich stimme in sein Lächeln mit ein.
"Ich überprüfe diese Russen und ich werd sehen was man in Sachen Casino Stilllegung machen kann. Da kam wohl einiges zusammen. Geldwäsche, Menschenhandel, Prostitution. Wenn sich das alles bewahrheitet, war es das sowieso für Mister Gregorovic. Dann kommt er bald nur noch in den Genuß gesiebte Luft zu atmen."
Ich nicke. "Okay. Und ich werde mein Team aufteilen. Die Sicherheit der Familie Spencer hat nun oberstes Gebot. Ich stelle je zwei Leute zur Bewachung von Charlotte's Geschwister ab. Ihre Schwägerin ist schwanger oder?"
Cray nickt. "Mary. Ja. Gut, mach das so. Charly teilen wir uns. Sie wohnt hier bei mir. Aber wenn ich unterwegs bin ..." Er holt Luft. "... kann sie dann bei dir bleiben?"
"Ähm ..."
"Ich weiß du hast ne Frau."
"Ja genau. Aber ich lass mir was einfallen. Ja, sie kommt zu mir. Charly wird sich freuen. Ich meine meine Tochter. Charlotte ist ihre Lehrerin."
Er winkt ab. "Weiß ich doch."
"Klar." murmle ich.
"So machen wir es also. Und wir stehen dauerhaft in Kontakt. Wenn sich was ergibt will ich es zuerst wissen. Klar?"
Er nickt. "Klar." Wir schlagen ein.

Kapitel 34

 Charlotte

 

"Das war meine Mutter." berichte ich Tom nachdem ich das Gespräch beendet habe. "Sie laden mich für heute Abend zum Essen ein."
"Was? Wieso?" will er erstaunt wissen.
"Na sie wollen mal wieder Zeit mit mir verbringen. Emely ist außerdem ebenfalls in der Stadt."
Tom verdreht die Augen. Er meint wohl, dass ich es nicht mitbekomme, doch ich habe es gesehen. "Ich find'es nicht gut." wendet er ein.
Ich schlage ihm freundschaftlich auf den Unterarm. "Ach komm schon. Da ist doch nichts bei. Daddy will wohl auch feiern."
"Feiern? Was denn?"
"Na das ich wohlbehalten zurück gekehrt bin." lache ich und lehne mich im Sessel zurück.
Tom nickt abwesend.
Er muss wohl etwas überzeugt und aufgebaut werden. "Und er weiß wem er das zu verdanken hat. Dir, mein Schatz. Er lässt dir auch seinen Dank ausrichten."
Tom schnaubt spöttisch.
Ich erhebe mich, krabble auf ihn zu bis ich direkt vor ihm knie. "Hey." raune ich und sehe zu ihm auf. "Es ist doch nichts dabei. Du musst dir keine Gedanken machen. Jetzt ist doch alles gut. Du hast mich gerettet, Daddy hat das Lösegeld diesen Leuten dennoch gegeben ..." zähle ich auf.
Tom verdreht erneut die Augen, schweigt aber.
"Darling." Ich erhebe mich um ihn auf den Mund zu küssen.
"Ich find'das nicht gut." mahnt er.
"Warum?" lache ich.
"Na weil ... weil du ... ihr noch immer in Gefahr seid." presst er hervor.
"Aber das sind wir doch gar nicht mehr. Alles ist gut, Tom. Hab doch mal ein wenig Vertrauen!" rate ich ihm.
"Pha. Vertrauen. Oh Darling, du musst noch viel lernen." stöhnt er und fährt sich mit der Hand durch das Haar.
Ich stehe auf. Soll er doch schmollen. Ich werde heute Abend definitiv ausgehen. Ich habe die Nase voll davon immer nur zu Hause rum zu sitzen. Seit drei Tagen sitzen wir Abend für Abend hier rum und schauen fern. Ich sehe mir ja gern Filme an. Wirklich. Tommy gibt sich auch wirklich Mühe mir den Tag zu erleichtern. Max ebenso. Beide Männer, noch vor kurzem Spinnefeind, sind sich mit einem Mal in allem einig, arbeiten zusammen und telefonieren öfter miteinander als ich mit ihnen. Seltsam.
Bevor ich ihn in dem Zimmer und allein auf dem Sofa zurück lasse sage ich noch. "Ich gehe heute Abend mit meiner Familie essen. Komm damit klar oder lass es. verbieten lasse ich es mir jedenfalls nicht von dir."

Pünktlich um 19 Uhr fährt das Taxi vor dem Ormer Mayfair vor und ich steige aus. Tom hatte sich geweigert mich höstpersönlich herzufahren. Er hatte, wie er sagt, schon eine andere Verabredung. Sicher mit Max. Als ich daran denke wie viel Zeit die beiden in den letzten Tagen miteinander verbracht haben, spüre ich einen leichten Stich im Herzen.
Meine Familie entdecke ich nirgends und da es mittlerweile nieselt und außerdem arsch kalt ist vermute ich sie im innern des Restaurants.
Kaum eingetreten begrüßt mich ein Ober und führt mich, nachdem ich meinen Namen genannt habe an einen Tisch im hinteren Teil des Lokals. Mom und Dad sehen auf als ich näher komme. Emely kann ich nirgends entdecken. "Hallo." grüße ich. "Wo ist Emely?"
"Hallo, mein Schatz." erwidert Mom, steht auf und umarmt mich liebevoll. "Schön dich zu sehen!"
Da ich beschlossen habe heute Abend kein einziges Wort über die Ereignisse der letzten Tage zu verlieren nicke ich nur stumm. Ich kenn mich doch, wenn ich daran zurück denke fange ich gleich an zu heulen und mein kunstvolles Abendmakeup ist Geschichte.
"Also wo ist mein Schwesterherz?" will ich erneut wissen als ich platz nehme.
"Sie kommt gleich. Steht wohl im Stau." berichtet Mom. "Sie hat gerade eine SMS geschrieben."
Ich nicke. Ein Kellner tritt an den Tisch und nimmt meine Getränkebestellung auf. Ich wähle Weißwein, was sonst.
"Und bei dir ist alles gut, ja?" spricht Dad seine ersten Worte an diesem Abend.
Erstaunt drehe ich den Kopf in seine Richtung und antworte. "Klar doch. Warum auch nicht? Tom und Max passen gut auf mich auf." Ich sehe zurück zu meiner Mutter und fahre fort. "Ich begreife zwar nicht weshalb sie noch immer solch einen Affen machen. Mir kann ja gar nichts mehr passieren." lache ich.
Mom lächelt gequält zurück. Sicher ist die Erinnerung an meine Entführung noch zu frisch.
"Etwa Max Steel?" will Dad mit leicht gereiztem Unterton wissen.
Ich wende mich erneut ihm zu und antworte. "Ja, genau der."
"Ich habe ihn doch unmissverständlich klar gemacht das ich seine Hilfe nicht weiter benötige." echauffiert er sich und sieht Mom wütend an. Die hebt entschuldigend die Schultern und trinkt einen vorsichtigen Schluck aus ihrem Glas.
"Du hast ihn raus geworfen?" frage ich fassungslos.
"Charlotte, heraus werfen kann man nur, wenn dieser jemand bei einem angestellt ist. Mister Steel ist ein Dienstleister. Mir stand es frei, wenn seine Dienste nicht länger benötigt werden, diese auch nicht länger in Anspruch zu nehmen." erklärt er ausführlich.
"Natürlich, Dad." füge ich mich kleinlaut. Ich komme mir vor wie damals als ich elf Jahre alt war und man mich dabei erwischte wie ich mit unserer Köchin Dolly gemeinsam einkaufen ging. Da war vielleicht was los. Wir geben uns nicht mit dem Gesinde (!) ab. Das ist unter unserer Würde. Bla bla bla.
"Ich wünsche das er sich von dir fern hält!" befiehlt mein Vater. Jetzt reichte es mir. "Dad, bei allem Respekt, aber ich muss hier wohl etwas klar stellen. Max und ich sind ... sind ein ... ein Paar. Bereits seit einigen Monaten schon."
"Wie war das bitte?" erhebt mein Vater seine Stimme. Einige andere Gäste von den Nachbartischen sehen neugierig zu uns herüber.
"James, bitte beherrsch dich!" höre ich Mom's leise Stimme.
"Sag du mir nicht wann ich mich zu beherrschen habe!" schnautzt er quer über den Tisch seine Frau an.
Sofort sieht sie betreten auf die Tischplatte vor sich.
"Ja, Dad, du hast recht gehört. Max Steel und ich sind ein Paar. Ich werde mich, nur weil du scheinbar ein Problem mit ihm hast nicht von ihm trennen." verkünde ich entschieden.
Mein Vater ringt um Fassung. "Ich ... ich verbiete es dir, Charlotte!"
Ein histerisches Lachen kommt aus meiner Kehle. Das war von mir gar nicht beabsichtigt, doch diese Situation ist derart abstrus.
"Dad, es reicht!" verkünde ich wütend. "Ich lasse mir weder von dir vorschreiben mit wem ich mein Leben teile noch mit wem ich befreundet bin. Und Mom sollte auch mal endlich den Mumm haben um sich dir entgegen zu stellen!"
"Mein liebes Fräulein ..." beginnt er, wird aber sogleich von einer jungen weiblichen Stimme hinter sich unterbrochen. "Das finde ich aber auch!"
Emely war von uns unbemerkt an unseren Tisch heran getreten. Ohne dazu aufgefordert worden zu sein oder ein Wort des Grußes setzt sie sich auf den letzten freien Stuhl mir gegenüber.
"Hallo Schwesterchen." grüße ich freundlich. "Du kommst wie gerufen. Ich glauben, hätten wir noch ein paar Minuten länger gezankt, hätten wir jetzt ein lebenslanges Hausverbot in diesem fantastischen Lokal." erkläre ich und nehme damit auch mein Verhalten auf die Schippe.
Unsere Mutter lächelt freundlich und murmelt etwas wie "Wie wahr." Dad hingegen nickt nur stumm und trinkt einen Schluck seines Rotweines.
"Gern geschehen." grinst Em. "Und, was gibt's sonst so neues?"
Jetzt war ich überfragt. Weiß sie eigentlich von den letzten Ereignissen oder hat man sie im Unklaren gelassen?
"Ähm ..." mache ich daher nur dümmlich und sehe hilfesuchend meine Mutter an. Diese schüttelt kaum merklich den Kopf.
Ich wende mich an meine Schwester und antworte. "Ach weißt du, alles beim alten."
"Echt? Na dann, erzähl ich euch eben von mir. Ich glaubt gar nicht was bei mir alles los war in den letzten Wochen."
Emely erzählt und erzählt. Begeistert berichtet sie von Studentenpartys im Verbindungshaus (sehr zum Verdruss für unsere Mutter) und von ihren erfolgreich bestandenen Zwischenprüfungen (sehr zur Freude unseres Vaters). Ich höre größtenteils schweigend zu. Emely war schon immer Daddys Liebling. An meiner Seite hatte ich schon immer Mom.
Alles in allem wurde es ein gemütlicher Abend.
Zwischendurch piepte einmal mein Smartphon in meiner Clutch. Ich entschuldige mich höflich, greife mir die Tasche und verschwinde damit auf der Toilette. Meine Eltern hassen es wenn man Mobiltelefone oder anderes technisches Gerät bei Tisch benutzt.
Max hatte eine SMS geschickt und einmal versucht anzurufen. Ich wähle seine Nummer. Er nimmt beim zweiten klingeln ab. "Hey, Babe. Tom hat einen Notfall rein bekommen. Ich werde dich also vom Restaurant abholen. Weißt du schon wann ihr fertig seid?" sprudelt es aus ihm heraus.
"Langsam, langsam, Schatz. Wir sitzen noch gemütlich beisammen. Es tut so gut, dass glaubst du gar nicht."
"Doch das glaube ich dir, aber du sitzt da wie auf dem Präsentierteller. Das macht mir Bauchschmerzen. Tom hätte es dir wirklich nicht erlauben dürfen."
Wütend fahre ich dazwischen. "Erlauben? Na hör mal! Bin ich ein Kind?"
"Was? Nein, nein natürlich nicht, Schatz. Aber ... verstehst du denn nicht das wir uns Sorgen machen?" erwidert er beschwichtigend.
Doch das tue ich. Auch wenn ich der Meinung bin das sie sich unnötig sorgen.
"Entschuldige. Ich ... ich hatte vorhin nur eine Diskusion mit Dad. Alle wollen mich immer vervormunden. Das geht mir wirklich gegen den Strich!" beschwere ich mich.
"Das verstehe ich ja. Aber dennoch. Du musst vorsichtig sein!" mahnt er.
"Wieso? Es besteht doch gar keine Gefahr mehr."
Max schnaubt.
"Max."
"Was?"
"Willst du mir irgendwas sagen?" hake ich nach.
"Ähm ... nö." redet er sich raus.
Ich schweige.
"Und?" fragt er kurze Zeit später.
"Was denn?"
"Wann kann ich dich abholen?"
"Ach, dass ist doch unnötig. Mein Vater kann mich fahren oder ich nehme wieder ein Taxi."
"Charlotte. Ich hole dich ab. Du übernachtest heute bei mir."
"Wieso das?"
"Ich sagte doch schon das Cray unterwegs ist."
"Ja, aber warum muss ich deswegen deiner Frau über den Weg laufen? Ich möchte das nicht. Was willst du ihr denn sagen?" frage ich.
"Nichts musst du ihr sagen. Sie ist gar nicht zu Hause. Nur Charly ist hier."
"Warum das?"
"Weil sie hier wohnt, Charlotte."
Ich verdrehe die Augen. "Ich meinte, wo ist deine Frau?"
"Die wohnt zur Zeit bei ihrem Freund. Übergangsweise, bis sie ein neues Haus gefunden haben." berichtet er leichthin.
Stimmt ja, ich hatte völlig vergessen das die beiden mittlerweile dazu überein gekommen sind sich zu trennen und das Mrs. Steel schon einen neuen gefunden hat. "Warum das? Gefällt ihr das Haus nicht mehr?" necke ich ihn.
"Nee." erwidert er. "Aber ihrem Neuen. Der will nicht in einem solchen, ich zitiere, versnobten Haus leben. Außerdem mag er wohl keine Kinder."
"Was? Wie kann man Charlotte nicht mögen?" echauffiere ich mnich.
"Ich denke, er mag Kinder im Allgemeinen nicht." stellt er klar.
Ich schüttle den Kopf. Seltsam.
"Okay, dann machen wir es so. Wir sind schon beim Dessert. Komm in etwa sechzig Minuten. Dann dürften wir fertig sein." instruiere ich ihn.
"Ist gut. Bis nachher dann. Ich liebe dich!"
"Ich dich ebenfalls!" Ich lege auf und stecke das Gerät zurück in die kleine silberne Tasche.

Wir stehen noch vor dem Eingang des Rausaurants und verabschieden uns voneinander. "Unser Wagen steht dort hinten." Dad deutet mit der Hand ein Stück weit die Straße herunter. "Wir nehmen dich gerne mit." bietet er zum dritten Mal heute Abend an.
Und erneut lehne ich ab. "Nicht nötig. Ich werde erwartet." Ich deute mit einem Kopfnicken über die Fahrbahn wo in seinem schwarzen Chevrolet Max sitzt und zu uns herüber sieht.
"In Ordnung. Dann geh! Einen schönen Abend dir noch!" wünscht mein Vater und wendet sich zum gehen. Ich umarme zuerst meine Schwester und anschließend meine Mutter herzlich und will gerade die Fahrbahn betreten, als ein Wagen derart schnell an mir vorüber rast das er mich nur um ein Haar verfehlt. Mit einem erschrockenen Schrei springe ich zurück auf den Gehweg. Auf der anderen Straßenseite sehe ich Max aus seinem Wagen springen. Das Fahrzeug rast noch immer mit überhöhter Geschwindigkeit die Straße entlang. Der Fahrer oder die Fahrerin schlägt das Lenkrad ein und der Wagen macht einen Schlenker nach rechts Richtung Gehsteig. Erschrockene Schreie und Hupen anderer Fahrzeuge sind zu hören, als der Geisterfahrer mit einem entgegenkommenden Taxi kollidiert, noch ein wenig mehr nach rechts geschleudert wird und seitwärts in den dunkelgrünen Jaguar meiner Eltern schlittert. Für einen Moment ist es vollkommen still. Keine Stimmen, keine Geräusche. Niemand rührt sich. Bis mit einem ohrenbetäubender Knall sekunden später der Jaguar in einem riesigen Feuerball in die Luft fliegt.
Plötzlich kommt Bewegung in die Szenerie. Menschen schreien, Autoalarmanlagen jaulen los, und von irgendwoher hört man bereits Sirenen.
"Gehts dir gut?" ruft da mit einem Mal Max neben mir und zieht mich in eine Umarmung. Er nimmt mein Gesicht zwischen seine Hände und besieht mich von allen Seiten.
"Max, mir geht es gut. Alles in Ordnung." versichere ich ihm abwesend. "Aber ... aber was war das?" Ich deute mir ausgestrecktem Zeigefinger auf das Feuer.
"Autobombe." erwidert er kurz angebunden.
"A-auto ... Autobombe?" stammle ich verwirrt. "Wieso?"
"Jetzt nicht. Komm!" Er greift nach meiner Hand und zerrt mich zu seinem Chevrolet. Dort verfrachtet er mich auf den Rücksitz und wirft die Tür ins Schloss. Mit einem akkustischen Signal bedeutet der Wagen mir, dass ich eingeschlossen bin. Hilflos sehe ich ihm nach wie er wieder die Straße überquert und zurück zu meinen völlig apathisch dastehenden Familienmitgliedern geht. Ich beobachte wie er auf meinen Vater einredet, dieser aber zunächst immer wieder den Kopf schüttelt, schließlich aber doch nickt.
Da hält ein Polzeiwagen auf der Straße und versperrt mir die Sicht. Immer mehr Rettungsfahrzeuge versperren die enge Straße. Feuerwehrleute beginnen den Brand zu löschen. Wie gebannt sehe ich ihnen zu. Der Fahrer hatte keine Chance seinem Wagen zu entkommen. Geschockt registriere ich, dass hier genau vor meinen Augen gerade ein Mensch verbrennt.
Kurz darauf ist Max zurück. "So, wir müssen los." meint er kurz angebunden.
"Was? Wohin? Was wird aus meinen Eltern? Und aus Emely?" will ich histerisch wissen.
"Beruhige dich. Meine Leute bringen sie in ein Hotel."
"Hotel? Warum?"
Max dreht sich um, aber nicht etwa um mir beim unterhalten in die Augen sehen zu können, sondern um auszuparken. Mittleweile war der Chevrolet ziemlich zugeparkt. Sicher manövriert er uns aus dem Chaos und rast mir schwindelerregender Geschwindigkeit durch die nächtlichen Londoner Straßen.
"Max!" rufe ich eindringlich vom Rücksitzt aus.
"Was?" Er sieht in den Rückspiegel.
"Erklärst du mir jetzt mal endlich was das vorhin war!" fordere ich.
"Eine Autobombe." wiederholt er einsilbig.
"Eine Autobombe? Das sagtest du schon. Wie kannst du dir da so sicher sein? Und wenn es so ist, warum war da eine Bombe im Wagen meiner Eltern?" will ich entschieden wissen.
"Als Drohung. Für deinen Vater."
Na toll, jetzt war ich kein Stück schlauer.
"Max. Bitte, können wir nicht irgendwo anhalten?"
"No way." murmelt er und sieht erneut in die Rückspiegel.
"Was ist denn? Werden wir verfolgt?" Ängstlich blicke ich mich um. Doch für mein ungeübtes Auge ist da nur der ganz normale Londoner Straßenverkehr zu sehen.
"Ich denke nicht. Aber man sollte sich nie zu sicher sein." antwortet er.
"Aha." mache ich lahm. "Und wo fahren wir jetzt hin?"
"Zu mir. Immernoch. Ich bin nur heilfroh, dass ich Charlys Drängen nicht nachgegeben habe und sie mitgenommen habe dich abholen." murmelt er und fährt sich mit einer Hand durch's Haar.
"Sie wollte mitkommen? Aber wo ist sie denn jetzt?" hake ich nach.
"Eine Nachbarin passt kurz auf sie auf."
Ich nicke. "Darf ich wenigstens zu dir nach vorn kommen?"
Er schüttelt den Kopf. "Wir sind doch gleich da."
Schmollend verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe aus dem Fenster. Jedoch nicht lange, dann fällt mir meine Familie wieder ein. Ich krame mein Handy aus der Clutch und besehe mir das Display. Mehrere Anrufe von Em.
Ich tippe auf die Mitteilung und wähle so ihre Rufnummer.
"Endlich!" stöhnt meine Schwester.
"Wo bist du denn so schnell hinverschwunden?"
"Max hat mich weggebracht. Wir fahren zu ihm."
"Scht. Charlotte." herrscht Max mich von vorn an. "Du darfst doch nicht ..."
Genervt verdrehe ich die Augen. "Ach komm schon. Das ist meine Schwester." lache ich histerisch.
Max sieht mich über den Rückspiegel direkt an. Sein Blick bedeutet unmissverständlich sofort zu schweigen.
Ich wechsle das Thema. "Wo seid ihr jetzt?"
"In einem Hotel. Ich ... ich weiß jetzt gar nicht in welchem. Es ging alles so schnell und ich ... ich war ... stand irgendwie neben mir."
"Sind Mom und Dad bei dir?"
"Nein. Ich hab die Frau gefragt die mich hier her gebracht hat, wo man sie hinbringt und ob sie in Sicherheit sind, doch die hat geschwiegen wie ein Grab." erklärt meine jünge Schwester aufgeregt.
Ich nicke wissend. "O-k-a-y."
Vor mir bedeutet Max mit einer eindeutigen Geste das ich das Gespräch langsam mal beenden sollte. "Em, bleib einfach da und ... und warte ab. Ich werde ..." Max Augenbrauen steigen hoch. Rasch berichtige ich mich. "... Ich meine man wird sich bald bei dir melden. Max vielleicht."
"Und wer ist das schon wieder?" will sie genervt wissen.
"Max ist .. er ist mein ... mein Freund."
Mit einem Mal ist sie wie ausgewechselt. "WAS? Du hast einen Freund und ich weiß nichts davon?" kreischt sie. Da zeigt sich mal wieder das sie die jüngere Schwester ist. Erschrocken halte ich mir das Gerät etwas vom Ohr weg. Max beobachtet mich über den Spiegel.
"Ähm ... ja. Wir sind zusammen. Seid einigen Monaten."
Max grinst.
"Is ja ein Ding. Aiden wusste es sicherlich. Mir erzählst du ja nie was." Während sie spricht wird ihre Stimme stetig leiser.
"Ach Em. Es ist ja noch nichts ... Ähm ... unsere Eltern wussten ja auch noch nicts davon." versuche ich mich stammelnd heraus zu reden.
"Ehrlich?"
"Ja, ehrlich. Sobald es ernst wird, machen wir es offiziell." verspreche ich ernsthaft.
"Schön." lacht sie. Irgendwie bekomme ich den Eindruck das ihre Entrüstung nur gespielt war. Das hat sie schon früher öfter abgezogen um ihre Ziele durch zusetzen.
"Okay. Ich muss jetzt auflegen. Bis bald, Em."
"Ja, bis bald." Und sie legt auf. Ich stecke mein Handy weg.
Max ruft. "Das solltest du in der nächsten Zeit lassen!"
"Was meinst du?"
"Jedem verraten wo du dich aufhältst." erklärt er.
"Wieso? Seid wann ist denn das ein Staatsgeheimnis?" scherze ich und lächel ihn an.
"Seid dem vorhin das Auto deines Vaters in die Luft geflogen ist." zischt er und setzt den Blinker.
"O-k-a-y." sage ich gedehnt.
"Charlotte, lass uns nachher in Ruhe drüber reden. Wir sind gleich da."
"Gut, denn ich habe das Gefühl, dass hier irgendwas vor sich geht und nur ich vollkommen im Dunkel tappe."
Max zieht er vor zu schweigen.

Kaum hat er zu Hause die Haustür aufgeschlossen stürmt auch schon Charlotte auf uns zu. "Daddy!" ruft sie freudig. "Das hat ja ewig gedauert."
Er geht in die Knie und umarmt seine Tochter herzlich. An ihrem Haar raunt er. "Du hattest doch nette Gesellschaft."
"Ja toll." erwidert sie, tritt einen Schritt zurück und sieht ihren Vater mit einem kindlich vorwurfsvollen Blick an. "Mrs. Glower ist in etwa so interessant wie ein Besuch im Supermarkt."
Sie spricht wie eine Erwachsene, denke ich noch, als sie mich auch schon entdeckt und auf mich zugestürmt kommt. "Miss Spencer." jubelt sie.
Max erhebt sich und setzt an ihr zu erklären. "Ja, Charl ... ähm Miss Spencer ist hier weil ..."
"Ich freu mich ja so! Was tun Sie hier? Sind Sie eine Freundin von Daddy?" bestürmt sie mich mit Fragen.
"Ho ho ho, langsam kleiner Schlaufuchs!" beschwichtigt Max seine Tochter und hebt sie sich auf die Schulter. "Lass uns doch erstmal rein kommen!"
Er geht weiter ins Innere des Hauses. Ich schließe die Tür und folge den beiden.
Da ich schon einmal hier war kenne ich mich aus und gehe zielstrebig ins Wohnzimmer. Dort treffe ich auf Max, Charlotte und eine ältere Dame mit schlohweißem Haar.
"Ah Sie müssen Miss Spencer sein." begrüßt sie mich freundlich und kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu.
Ich trete vor, ergreife sie und schüttle sie freundlich. "Genau. Guten Abend."
"Ich bin Mrs. Glower. Die Nachbarin. So wie das sehe werde ich wohl auch bald Ihre Nachbarin sein." Mit einem verschmitzten Grinsen zwinkert sie zu mir auf.
Peinlich berührt murmle ich nur. "Freut mich Sie kennen zulernen!"
"Ähm ... ja ... also ... Es war furchtbar nett von Ihnen Mrs. Glower das Sie so kurzfristig einspringen konnten!" versucht Max sie auf freundliche Art und Weise los zu werden.
"Das ist doch selbstverständlich. Ich mach das gern! Und wenn einer wie Sie so freundlich bittet." säuselt sie.
Belustigt beobachte ich die Szenerie. Ich werde den Eindruck nicht los das die alte Dame in Max verliebt ist.
Ihm scheint es ebenfalls nicht verborgen zu bleiben. "Ähm ja ..." Scheinbar nervös fährt er sich mit der Hand durchs Haar. "Es war ein langer Tag ..."
"Ich versteh schon." grinst sie und stupst ihn mit dem Zeigefinger gegen die Brust. "Ich werde Sie dann mal allein lassen. Oder soll ich noch für Sie Charlotte ins Bett bringen?"
"Ich will aber noch gar nicht schlafen gehen." echauffiert sich Charlotte.
"Nein." wirft Max eine Spur zu eifrig ein. "Das ist nicht nötig. Vielen Dank! Kommen Sie, ich bringe Sie noch zur Tür." Auffordernd breitet er die Arme aus.
Bereitwillig, jedoch nicht ohne mir noch einmal kurz die Hand freundschaftlich zu drücken folgt sie ihm hinaus.
"Und, was spielen wir jetzt?" fragt Charlotte und zieht meine Aufmerksamkeit auf sich.
"Ach Charlotte, es ist schon spät ..." beginne ich zögerlich.
"Och nein, nicht Sie auch noch!" jammert sie gespielt theatralisch. "Ich bin doch noch gar nicht müde."
"Oh doch, das bist du." mischt sich Max ein, der in diesem Moment zurück ins Wohnzimmer kommt. "Komm schon, Prinzessin! Ich bring dich ins Bett."
"Nein." jammert sie und wirft die Arme in die Luft.
"Charlotte!" zischt er streng. "Miss Spencer ist morgen auch noch da."
"Echt?" freut sie sich und sieht erfreut zu mir auf.
Ich nicke zögerlich.
"Dann stimmt es also. Sie sind Daddys neue Freundin?" fragt sie erneut.
"Ähm ..." Ich zögere, da ich nicht weiß was er ihr erzählt hat und wie weit sie involviert ist in dem momentanen Verhältnis ihrer Eltern.
Max kommt mir zur Hilfe. "Ja, sie ist meine Freundin. Das habe ich dir doch erklärt."
Sie nickt.
"Und jetzt komm! Es ist wirklich spät. Du musst ins Bett. Außerdem ..." Er geht wieder vor ihr in die Knie. "Habe ich noch einiges mit Miss Spencer zu besprechen. Und da brauchen wir keinen neugierigen Schlaufuchs mit großen Ohren."
Charlotte's Grinsen wird immer breiter. Plötzlich umarmt sie ihn und flüstert, allerdings so laut das ich es hören kann, "Willst du ihr einen Heiratsantrag machen?"
Erschrocken zuckt Max zurück und schaut seine Tochter entrüstet an. Auch ich verschlucke mich an meiner Spucke und sehe beschämt in eine andere Richtung.
"Was?" keucht er. "Wie kommst du denn ..."
"Na du magst sie doch?" will sie leise wissen.
"Oh ja, natürlich tue ich das. Aber ... aber ... "
"Oh Daddy, denkst du das ich es nicht mitbekomme? Ich bin doch kein kleines Kind mehr." lacht sie und hüpft lachend aus dem Raum.
Erschüttert und etwas peinlich berührt bleiben wir zurück.
"Ich komme gleich um dir eine Geschichte zu erzählen." ruft er ihr abwesend nach.
"Ja ja." antwortet sie vom Treppenhaus her.
"Das tut mir ... leid." stammelt er mit einem Mal völlig verändert. Keine Spur mehr von dem selbstsicheren Max Steel.
"Schon gut." grinse ich. "Ist doch irgendwie ... süß. Seltsam ist nur ..."
"Was?"
"Das sie so einverstanden mit mir ist. Normalerweise sind Kinder nicht gleich einverstanden mit ihren Stiefmüttern oder Stiefvätern." überlege ich.
"Tja das liegt wohl daran, dass sie dich echt gern hat. Ihre eigene Mutter hat sie bei ihrem Vater zurück gelassen. Das merkt sie doch und es tut ihr weh." Max kommt auf mich zu und nimmt mich in die Arme. "Sie versucht es zu verbergen, doch ich sehe es ihr an." Ich schlinge meine Arme um seinen Oberkörper und schmiege meine Wange an seine Brust. "Es ist alles so neu. Ein Kind, Max, dass ist was ganz anderes. Bisher warst es nur du und jetzt ... jetzt bist du ein alleinerziehender Vater."
"Aber du magst Charly doch?" hakt er leise nach.
Ich nicke. "Natürlich und wie. Aber seltsam wird es sicherlich doch werden wenn ich wieder arbeiten gehe." gebe ich zu bedenken.
"Hm." macht er an mein Haar. "Kann schon sein. Aber weißt du was."
Ich schweige.
Er fährt fort. "Du packst das. Du bist eine tolle Lehrerin!"
"Woher willst gerade du das wissen?" lache ich.
"Na von Charly. Sie schwärmt nur von dir." lacht er.
"Ich habe einen Fan?" Ich sehe zu ihm auf und blicke in seine wunderschönen braunen Augen.
"Und was für einen." grinst er, beugt sich herab und küsst mich. Ich greife in seinen Nacken und ziehe ihn etwas näher an mich heran. Seine weichen Lippen öffnen sich mir und ich lass meine Zunge tief in seinen Mund gleiten. Die Leidenschaft packt uns und lässt uns alles um uns herum vergessen. Das Brennen in meiner Brust reichte beinahe aus, um mich von dem Chaos in meinem Kopf abzulenken. Ich brauche diesen Mann, seine Liebe, seine Leidenschaft, die Sicherheit die er mir geben kann!
Ich dränge mich an ihn, schlinge mein linkes Bein um seine Hüfte. Er versteht, hebt mich hoch und trägt mich hinüber zu der Couch wo er mich vorsichtig wieder herunter lässt. Ich lege mich hin und ziehe ihn mit einem festen Griff im Ausschnitt seines Hemdes mit mir. Max verharrt in seinen Bewegungen, sieht auf mich herunter und fragt leise "Bist du sicher?"
Ich blicke ihm in seine wunderschönen Augen und nicke erfurchtig. Ein zuckersüßes laszives Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus als er mir näher kommt und heiße Küsse an meinem Hals verteilt. Genussvoll überstrecke ich den Kopf um ihm weitere Fläche für seinen lustvollen Angriff zu bieten. Sein Mund gleitet zu meinem Ohrläppchen. Als er beginnt vorsichtig daran zu knabbern, habe ich das Gefühl den Verstand zu verlieren. Man, wie habe ich das vermisst!
Meine Hände verselbstständigen sich und fummeln an den Knöpfen seines Hemdes. Als ich es endlich geschafft habe alle zu öffnen schiebe ich es ihm über die breiten Schultern. Der Anblick seines nackten Oberkörpers lässt mich seufzen. Der Körper dieses Mannes ist göttlich. Mit den Fingerspitzen erforsche ich die weiche Haut über seinen Rippen, die klare Definition seiner Muskeln an seiner Hüfte und den sanften Pfad aus Haar, der mich hinunterleitete zu seinem Bauchnabel und noch tiefer. Er scheint meinen Blick zu bemerken und fragt grinsend. "Na, gefällt dir was du siehst?"
Ich nicke erführchtig. "Und wie! Du ... du hast dich ... verändert."
Er zieht den Kopf etwas weg und fragt verwundert "Findest du? Siehst man es schon?"
"Wieso?" hauche ich.
"Ich hab die letzte Zeit genutzt um ein wenig zu trainieren." gibt er zu.
"Es hat sich definitiv gelohnt!" lobe ich und mache ihn, wie es scheint zufrieden. Warum er das wohl getan hat? Ob da in irgendeiner weise Tom Cray etwas mit zu tun hat? Sein Körper ist von Hause aus schon etwas bulliger.
Angespornt durch meine Erregung stürzt er sich wieder auf mich. Unsere Küsse waren erst neckend, dann hart, wir kamen zusammen und trennten uns wieder, Hände griffen in Haare und Zungen glitten gegeneinander. Ich japse auf als er sich an mir reibt und ich durch den Stoff seiner Jeans seine erregierte Männlichkeit spüre.
"Oh Gott!" stöhne ich mit zitternden Atem und schlinge ein Bein um ihn.
"Ich weiß." Er atmet heftig in meinem Mund aus. Er sieht auf mein Bein, packt mit einer Hand meinen Hintern, drückt ihn fest und murmelt. "Hab ich dir schon gesagt, wie verdammt sexy du in diesem Kleid aussiehst?" Ich bin mir meines Auftretens sehr wohl bewusst, tue jetzt aber unschuldig. "Ach tue ich das?"
Als Antwort schiebt er mir das Kleid bis zur Hüfte hoch und drückt seinen Mund auf meinen Bauchnabel. Seine Zunge und seine Hände arbeiten synchron. Sie ziehen mir den Spitzenpanty herunter und der Mund presst sich auf meinen Venushügel. Gekonnt verwöhnt mich seine Zunge. "Oh wow!" stöhne ich.
Seine Zungenspitze dringt unvorbereitet in mich ein und bearbeitet meine Knospe. Haltsuchend greife ich in sein Haar und presse seinen Kopf etwas mehr an mich. Damit könnte er meinetwegen ewig weiter machen. Seine Hand wandert an meinem Oberkörper herauf zu meinen Brüsten, findet die Nippel und zwirbelt sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Ein tiefes leidenschaftliches Stöhnen kommt aus meiner Kehle.
"Scht. Nicht so laut!" mahnt er grinsend. "Kind hört mit."
Scheiße! Ja. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Erschrocken schlage ich mir die Hand vor den Mund. An den Umstand, dass er jetzt alleinerziehender Vater war, werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.
Mit einem Mal ist das Gefühl wie weggeblasen und sie romantische Stimmung ebenso. Max merkt es, rollt sich von mir herunter und legt sich neben mich auf das Sofa. "Sorry, dass ich davon angefangen habe." flüstert er uind streicht mir mit zwei Fingern eine Locke aus der Stirn hinter das Ohr.
Ich schüttle leicht den Kopf. "Das muss es nicht. Mis tut es leid! Ich hätte nicht so unvorsichtig sein dürfen. Ich hätte daran denken müssen, dass Charly hier ist."
Er grinst schief. "Ich denke, wir beide müssen uns an den neuen Umstand erst noch gewöhnen."
Ich erwidere sein Grinsen und nicke. "Stimmt. Es ist schon seltsam."
"Für mich nicht so sehr. Schließlich war ich es doch der sich hauptsächlich um sie gekümmert hat. Ihre Mutter war ja immer unterwegs."
Ich ziehe die Augenbraue hoch. "Wirklich?"
Was für eine Mutter war Beverly bitteschön?
"Krass." antworte ich ziemlich lahm.
Die nächsten Minuten liegen wir schweigend nebeneinander, halten uns eng umschlungen in den Armen und lauschen dem Atem des anderen. Und es ist das schönste was ich mir an diesem Abend vorstellen kann.
"Ich wäre dann jetzt bereit zum Gute-Nacht-Sagen." verkündet mit einem Mal Charlotte's fröhliche Stimme von vor der Tür. Sie ist respektvoll genug um nicht einfach so herein zu platzen.
Erschrocken fahren wir auseinander und setzen uns auf. "Ähm ... na klar, mein Schatz. Daddy kommt gleich." ruft er.
Da steckt sie ihren blonden Lockenkopf doch durch den Türspalt und antwortet bestimmend. "Nicht du. Ich will das sie ..." Ihr kleiner Zeigefinger deutet auf mich. "... mir was vorliest!"
"Ach Charly ..." setzt er an.
Da steht sie ganz im Türrahmen, verschränkt die Arme vor der Brust und erwidert. "Sie oder ich schlafe heute nicht ein." Ihre süße Schnute ist zu einem Schmollmund verzogen.
"Charly." sagt Max streng. Doch ich lege ihm sanft die Hand auf den Unterarm, und erwidere. "Ist schon in Ordnung. Ich bringe dich gern zu Bett." Der letzte Satz war an Charlotte gerichtet.
Erfreut strahlt sie uns abwechselnd an, dreht sich um und verschwindet wieder aus unserem Blickfeld. "Ich warte oben." verkündet sie noch lachend.
"Süße, du musst das wirklich nicht ..." sagt er leise und fährt sich mit der Hand durch's Haar.
"Darling, es ist okay. Ich mag deine Tochter und es macht mir absolut nichts aus mich mit ihr anzufreunden." Ich stehe auf, ziehe mein Kleid herunter und streife mir die Schuhe ab. "Bin bald wieder da." verkünde ich lächelnd und lasse ihn allein im Wohnzimmer zurück.

"Hier bin ich." verkündet Charlotte's fröhliche Stimme als ich im oberen Stockwerk angelangt bin. Sie muss meine Schritte auf der Treppe gehört haben. Ich folge ihrer Stimme und betrete ein wahr gewordenen Mädchentraum in den verschiedensten Pinktönen. Geflasht bleibe ich einen Moment stehen und lasse dieses Farbschauspiel auf mich wirken. "Wow!" entfährt es mir.
"Gefällt es Ihnen?" fragt sie grinsend.
"Es ist ... es ist ziemlich ... pink." presse ich hervor.
"Ich weiß. Ich bin eigentlich zu alt dafür, aber meine Mommy meinte mir gefällt das so." berichtet sie und lässt ihren Blick schweifen.
"Aha." mache ich lahm. "Aber eigentlich gefällt es dir nicht?" hake ich nach.
Charlotte schüttelt den Kopf. "Nee, gar nicht. Ich fände es besser in hellblau."
Ich trete an ihr Bett und nehme vorsichtig auf der Bettkante platz. Die Bettwäsche bietet die einzige Abwechslung zum eintönigen pinken Einheitsbrei. Sie ist bunt gemustert mit Herzen in allen Farben des Regenbogens. "Und warum bittest du nicht deinen Daddys es anders zu streichen?" frage ich freundlich.
Sie winkt ab. "Da mache ich mir keine großen Hoffnungen."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
Sie erklärt weiter. "Daddy hat so viel zu tun. Er würde es vielleicht versprechen es zu machen, aber dann kommt es doch nie dazu." Traurig sieht sie auf ihre gefalteten Hände in ihrem Schoß.
Ich lasse den Blick schweifen. Plötzlich fasse ich einen Entschluss. "Was würdest du dazu sagen wenn ich es umgestalte? Mit dir zusammen." frage ich und sehe sie erwartungsvoll an.
Ihr Gesicht hellt sich auf, ihre Augen beginnen zu glänzen. "Wirklich? Das wäre ja ... wäre ja supi dupi toll!" freut sie sich.
Glücklich lächelnd halte ich ihr meine erhobene Handfläche hin. "Dann ist es also abgemacht?"
Sie schlägt ein. Ein leiser Klatsch besiegelt unseren Packt.
"Ich freue mich so!"
Ich lächle sie an. Sicher spricht sie von den Renovierungsplänen. Doch als sie fortfährt werde ich eines besseren belehrt. "Ich finde es klasse, dass Sie Daddys neue Frau sind!" Sie krabbelt unter ihrer Decke hervor und auf mich zu. In einer flüssigen Bewegung schlingt sie ihre dünnen Ärmchen um meine Mitte. Völlig überrumpelt streiche ich ihr mit der Hand den Rücken.
"Ich mich auch." murmle ich.
Wir verweilen einen kurzen Moment in dieser Position. Max Stimme holt uns zurück in das Hier und Jetzt. "Hey, hab'ich was verpasst?" fragt er und kommt näher.
Ich schüttle den Kopf. "Nö, nur zwei Ladys die sich gerade angefreundet haben." scherze ich und strahle ihn gewinnend an.
Er runzelt die Stirn. "Irgendwie hab'ich das Gefühl das hier eine Veränderung ansteht."
"Ja genau ..." beginne ich, doch Charlotte ist schneller und ruft erfreut. "Ja klar. Ich hab eine neue Mommy."
Ähm was? Erschrocken sehe ich zuerst zu ihr und dann abwartend zu ihrem Vater. Was wird er dazu sagen? Wie zu erwarten war erstarrt Max und sieht mit den Händen in den Hosentaschen auf uns herunter.
"Ähm Max." beginne ich zögerlich. "Ich ... ich habe ihr wirklich nicht ..."
Er hebt die Hand und bedeutet mir zu schweigen. "Charly ..." Er wendet sich an seine Tochter. "... ich habe es dir doch erklärt. Miss Spencer und ich sind zwar zusammen aber es kann überhaupt nicht davon die Rede sein, dass sie deine neue Mommy wird. Verstehst du?"
Charlotte's Unterlippe bebt. Sie wird doch jetzt nicht anfangen zu weinen. "Aber ... aber ich möchte sie so gern ..."
"Charly." herrscht Max sie an. "Bitte." Er fährt sich mit der Hand durchs Haar.
"Max ..." mische ich mich leise ein. "Ist ... ist schon gut."
"Charlotte bitte." zischt er und sieht seine Tochter an. "Und du hörst jetzt bitte auf Miss Spencer andauernd mit deinen Fantasien zu belegen!"
"Aber Daddy." Ihre Augen glänzen, Tränen laufen über und rinnen ihre geröteten Bäckchen herab.
Mir zerreißt es das Herz. Ich stehe auf, schiebe Max mit der flachen Hand gegen der Brust aus dem Zimmer und schließe sanft die Tür hinter uns.
"Was?" zischt er genervt.
"Zuerst beruhigst du dich mal!" fordere ich ihn auf.
Er verdreht die Augen. "Warum? Charlotte, ich liebe dich, aber hier bitte ich dich, dich heraus zuhalten! Charly braucht wohl noch etwas Zeit die Trennung zwischen uns zu verkraften."
"Das verstehe ich. "Ich nicke. "Aber sie ist einsam. Sie braucht jemanden. Sie braucht eine Mutter. Aber eine die ihr zuhört. Beverly war wohl nicht so eine." rede ich leise auf ihn ein.
"Wie kommst du darauf?" will er erregt wissen.
Ich deute mit der Hand auf ihre Zimmertür. "Hast du dir mal ihr Zimmer angesehen? Und hast du sie mal gefragt ob es ihr so gefällt?"
Er schiebt seine Hände in die Hosentaschen und besieht sich seine Fußspitzen.
"Also nicht. Charlotte ist unglücklich. Sie liebt euch beide. Sie weiß, ihr seid vielbeschäftigt, aber sie braucht euch. Dagegen möchte sie auch ein folgsames Kind sein und belästigt euch deshalb nicht mit ihren Problemen.
"Was für Probleme denn?" will er wütend wissen.
"Ihr Zimmer zum Beispiel. Sie ist unglücklich damit. Sie hätte es gern anders. Aber sie traut sich nicht dich darum zu bitten, weil sie Angst vor einer Absage hat. Nein, genauer hat sie gesagt, Daddy würde ja sagen, doch er würde es niemals schaffen es neu zu streichen." erkläre ich ausführlich.
Max hört schweigend zu. Er scheint sich alles durch denn Kopf gehen zu lassen, denn er schweigt weiter nachdem ich geendet habe. Schließlich sagt er. "O-k-a-y. Das habe ich tatsächlich nicht gewusst. Sie mag es nicht?"
Ich schüttle lächelnd den Kopf. "Keine Angst, auch ich weiß wie beschäftigt du bist. Unter anderem wegen mir. Und da ich gerade, wegen dieser ganzen Geschichte ..." Ich mache eine umfassende Handbewegung. "... selbst keine Aufgabe habe, habe ich ihr versprochen mit ihr gemeinsam ihr Zimmer neu einzurichten." Abwartend, was er zu meinem Vorstoß sagen wird, blicke ich zu ihm auf.
Max schweigt.
"Ich weiß, ich hätte dich zuerst fragen müssen. Wenn es dir zu viel Aufwand ist, kann ich mich vollkommen selbst um alles kümmern. Ich würde sogar die Möbel bezahlen. Und das Material." rede ich mich in Rage.
Erneut bringt er mich mit erhobener Hand zum schweigen. "Das fehlt noch, dass du für die Sachen meiner Tochter aufkommst." murmelt er. Er hört sich mittlerweile gar nicht mehr so schlecht gelaunt an.
Ich zucke die Schultern. "Würde mir nichts ausmachen. Wirklich."
Mit einem Ruck zieht er mich plötzlich in eine Umarmung. "Charly ist meine Tochter. Ich zahle. Aber ich würde mich freuen, wenn du den Platz einer Mutter bei ihr einnehmen würdest!"
"Ehrlich?" ich sehe zu ihm auf. Seine Augen sagen die Wahrheit. Er kann sich mir tatsächlich als Stiefmutter für seine Tochter vorstellen.
Zur Bekräftigung nickt er. "Ich würde mich sehr freuen, wenn wir drei unser weiteres Leben gemeinsam bestreiten!"
In meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß. Wieder eine Liebeserklärung. Dieser Mann ist der Hammer!
Wie soll ich mich nur jemals entscheiden können?

Kapitel 35

 

Tom

 

Mit einem genervtem Blick auf die Uhr an der Wand zwischen dem Fenster registriere ich das es bereits 19:30 ist. An jedem anderen Tag toll, da bald der Feierabend läutet, doch nicht heute. Ich habe Nachtschicht. Der Apparat auf meinem Schreibtisch klingelt.
"Mister Cray, Mister Falkner bittet Sie in sein Büro." verkündet dessen Sekretärin mir als ich abnehme. Ich bin heute wohl nicht der einzige der eine Nachtschicht einlegt.
"Verstanden." antworte ich und lege auf. Ich greife mir meine Lederjacke von der Stuhllehne und mache mich sofort auf den Weg.
Falkner's Büro befindet sich, ganz dem Rang angemessen in einer der oberen Etagen.

Angekommen bietet er mir keinen Stuhl an, was mir immer gleich ich sagt, es gibt einen Einsatz. Ich salutiere und stehe stramm bis er mir erlaubt bequem zu stehen.
"Bei den Ermittlungen gegen Gregorovic taucht der Name einer Bar immer wieder auf." beginnt mein Chef zu erklären.
"Eine Bar?"
"Ein Nachtclub. Von Gregorovic betrieben. Oder zumindest gehört er ihm. Sicherlich wird er von einem seiner Handlanger geleitet."
Ich nicke und höre weiter zu.
"Genau das sollen Sie herausfinden, Cray. Gehen Sie da hin und finden Sie heraus wer es leitet und was seine Bestimmung  ist."
"Okay."
"Für diesen Einsatz habe ich Ihnen MacAvory zur Seite gestellt. Sie aber leiten ihn."
"Verstanden. Sollen wir nur auskundschaften oder auch handeln?"
"Undercover. Aber wenn Sie handlungsbedarf sehen und sich die Möglichkeit ergibt aktiv zu werden, tun Sie das. Aber rufen Sie vorher Verstärkung!"
"Okay."
"Vorher Verstärkung holen, Cray. Nicht wieder ein Alleingang. Das dürfte selbst für Sie eine Nummer zu groß sein." mahnt Mein Boss.
Ich rolle innerlich mit den Augen.
"Verstanden. Wann soll es los gehen?"
"Sofort. In der Technik werden Sie noch verkabelt. Keine Waffen! Undercover ist das Motto. Hier ist Ihr Einsatzziel." er hält mir eine dünne rote Akte hin.
Ich greife danach und erwidere.
"Ich habe verstanden. Auf Wiedersehen, Sir." verabschiede ich mich.

Greenwood platziert eine versteckte Minikamera an meinem Hemd. Und gibt mir einen Peilsender den ich mir an die Innenseite meines Gürtels klebe. "Passt. Noch ein kurzer Technikcheck." erinnert Greenwood. Er tippt auf einer Tastatur herum. Sofort erscheint er selbst wie er vor einem Computer sitzt auf dem Bildschirm.
"Läuft würde ich sagen." gibst er.
"Und was gibt's neues an der Front?" will er geheimnisvoll wissen.
"Läuft." grinse ich.
Das wir beide von Charly reden wissen nur wir. "Sie ist heute essen mit ihrer Familie. Freude Freude Eierkuchen Happyend." brumme ich. "Der Volltrottel von ihrem Vater hat noch immer nicht begriffen das es ungesund ist sich mit der Russenmafia anzulegen." schimpfe ich.
Greenwood nickt verständigt.
"Gibt's was neues auf seinem PC oder den Telefonen?" hake ich nach.
Er schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck aus einer RedBull Dose. "Nichts. Die halten die Füße still. Er hat ja auch noch vier Tage." erinnert er mich.
Ich nicke. "Ja. Ist aber ungewöhnlich. Normalerweise gibt's doch immer ne nette kleine Erinnerung an die ablaufende Frist." grübel ich.
Er zuckt die Schultern. "Hm. Seltsam."
"Ist er denn dabei das Geld zu besorgen?"
"Na ja. Er arbeitet mit Geld. Überweisung hier, Geldtransfer da. Keine Ahnung ob er dabei auch etwas Geld für sich beiseite legt." gibt Greenwood zu.
"Hm." mache ich lahm. "Also kein gesteigertes Engagement die Haut seiner Familie zu retten?"
"Sieht sie aus."
Wir schweigen.
"Na dann viel Erfolg heute Abend!" wünscht er mir.
Ich verdrehte die Augen und verlasse den Raum.
"Und viel Spaß! Ich bin ja lice dabei." lacht er mir noch hinterher.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los mit Hurra in eine Falle zu rennen.
Beim Ausgang, im Foyer treffe ich auf MacAvory. "Wir beide also heute." empfängt er mich mit sauertöpfischer Miene.
"Jup. Komm! Wir nehmen meinen Wagen." beschließe ich.
"War ja klar." murmelt er folgt mir aber dennoch.
Schwungvoll stoße ich die gläserne Tür auf und gehe zielstrebig auf mein auf dem Mitarbeiterparkplatz abgestellten Audi zu.
"Fährst du immer noch diese Protzkarre?" lästert MacAvory.
"Jup. Gefällt er dir?" Ich weiß eh das es so ist.
"Pha." zischt dieser und wirft einen schnellen Blick zu den langweiligen Schrottkarren der anderen Cops. Sicher steht dort auch seine Karre geparkt.

Ich parke nicht direkt vor dem Laden, sondern unauffällig um die Ecke. Unauffällig, wie zwei Kumpel schlendern wir an dem unscheinbaren fensterlosen Klinkerbau entlang  zum Eingang an deren Fassade oberhalb ein pink leuchtendes Schild 'Hot Girls' anpreist und vor dessen Tür ein breitschultriger Gorilla im schwarzen Anzug steht.
Wir gehen auf ihn zu. Eben noch mit verschränkten Armen da gestanden, breitet er diese jetzt aus und gebietet uns stehen zu bleiben. "Name?" fragt er mit tiefer Stimme.
Der stand in der Akte. Scheinbar muss man in diesem Establissement vorab reservieren.
Ich schiebe mich vor ihn und antworte. "Smith. Ich hatte reserviert für meinen Kumpel hier und mich."
Der Typ brummt nur und sieht in einer Liste nach. Das der des Lesens überhaupt mächtig ist erstaunt mich doch sehr. Schließlich findet er den Namen und knüpft die dicke rote Kordel die vor der Tür gespannt ist ab um uns ein zu lassen. Er öffnet due Tür und tritt beiseite um und vorbei zu lassen. Wir befinden uns in einem winzigen, von grellen gelben Neonlicht beleuchtetem Vorraum.
"Jacken öffnen!" befiehlt er gleich als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist.
Widerwillig und auch etwas verwundert befolgen wir die Anweisung und ziehen die Seiten unserer Jacken auf. Er besiegt sich alles.
"Taschen ausleeren!"
Auch das tun wir.
Er besieht sich unsere Handys, Geldbörsen und den Autoschlüssel mit einem Blick.
"Fotografieren und Filmen ist das drin verboten?!" warnt er.
Wir nicken stumm.
Zum Schluss tastet uns der Gorilla noch nach Waffen ab.
"Ihr seid ja echt gründlich hier." scherze ich.
Er schnaubt. "Hier kommt niemand rein der Ärger macht." erklärt er mit einem Brummen. Als er auch mit MacAvory fertig ist stößt er eine weitere Tür auf.
Kaum öffnet sich diese innere Tür sehen wir um was für eine Art Bar es sich hier genau handelt. Titten und nackte Ärsche wo man nur hinschaut. Die Arbeitsbekleidung der Damen scheint aus einem winzigen Häufchen Nichts zu bestehen. Eine vollkommen nackte blonde Schönheit mit einem runden Tablett in der Hand das sie sich wie ein Schild vor die Brust drückt tritt zu mir und begrüßt uns. "Hey, ich bin Suzi. Herzlich Willkommen. Kommt ich bringe euch zu einem freien Tisch an der Tanzfläche." Ihrem Akzent nach ist sie Osteuropäerin.
"Klasse. Danke." antworte ich und winke MacAvory uns zu folgen. Reden hat bei der Lautstärke keinen großen Sinn.
Suzi führt uns zu dem versprochenen Tisch und fragt was wir trinken wollen. Als ich zwei Bier bestellt habe gibt sie uns noch den Tipp. "Wenn ihr 100 drauf legt könnt ihr eine der Mädels für eine Privatvorstellung  zu euch an den Tisch bitten."
Gut zu wissen. Danke.
Sie zieht ab. Ich starre ihr auf den wohlgeformten Po als sie sich entfernt.
"Geiler Laden!" urteilt MacAvory.
"Hm." mache ich und sehe mich um. Alle weiblichen Personen in diesem Raum sind vollkommen nackt. Die meisten scheinen nicht gerade froh über diesen Zustand zu sein. Ihr Lächeln wirkt aufgesetzt und bei den wenigsten erreicht es die Augen. Gerade stolziert eine brünette vollbusige am Tisch vorbei. Sie wirft einen Blick auf mich und dreht sich um. Ihre Titten parken genau vor meinem Gesicht. Von MacAvory kommt ein keuchendes Lachen. Als ich ihm einen schnellen Blick über den Tisch hinweg zuwerfe verschluckt er sich und muss Husten.
"Na mein Hübscher." säuselt die Vollbusige. Ihre Brüste sind schön, prall und vollkommen rund. Eine gute Arbeit.
"Hi." murmle ich und kann den Blick nicht abwenden.
Ihr scheint es, im Gegensatz zu Frauen da draußen im normalen Leben, nichts auszumachen.
"Du darfst ruhig anfassen. Wir sind hier nicht so." erklärt sie und greift sich meine Hände.
Entschlossen packt sie sie direkt auf die scheinbaren Opfer meine Begierde. Widerwillig lasse ich sie genau da liegen. MacAvory starrt uns an.
"Wie ... wie heißen Sie?" Frage ich um irgendwas zu fragen.
"Nancy, Schätzchen. Und du kannst ruhig du sagen."
"Hallo Nancy." begrüße ich ihre zwei Dinger.
Sie wirft lachend ihr langes Haar zurück.
Ich sehe sie von unten herauf an. Was erwartet sie jetzt? Unter dem Tisch tritt mein Kollege mir gegen das Schienbein. Genau das habe ich gebraucht. Wie aus einer Trance erwacht, schüttle ich leicht den Kopf. "Ähm Nancy, magst du dich zu uns setzen?" frage ich und deute mit einem Kopfnicken auf den freien Stuhl neben mich.
Doch sie schüttelt den Kopf. "Das dürfen wir nicht. Tanzen schon, rum machen auch, aber sich einfach nur zum plaudern dazu setzen nicht." Sie sieht sich um.
Ich ebenso. Niemand achtet scheinbar auf uns.
Ich schlucke. Okay, dann ... dann will ich das du für uns tanzt."
"Dann gib der Kellnerin 100 extra und ich gehöre dir für eine Stunde." erklärt sie.
Ich nicke. Wie auf's Stichwort erscheint in diesem Moment die Bedienung. Diesmal ist ihr Tablett voll beladen und sie kann es sich nicht als Schutz vor ihren Vorbau halten. Im Gegensatz zu Nancy hier sind ihre Brüste naturgemacht. Sie wirkt fast schon flach. "Hier bitte." murmelt sie und blickt stur nach unten.
Ich werde das Gefühl nicht los das sie sich äußerst unwohl fühlt.
Einem Impuls folgend sage ich "Ich geb Ihnen 100 Pfund extra für Nancy hier." Sie sieht auf und der Blick der mich jetzt trifft scheint eindeutig zu sagen 'Dich hätte ich nicht für so einen gehalten.'.  Dennoch nimmt sie das Extrageld und legt es auf das Tablett, dann nickt sie mir traurig zu und zischt an Nancy gewandt" Viel Spaß! ".
Die wirft als Antwort nur wieder schnippisch das Haar zurück und beginnt sofort sich lasziv im Takt der Musik zu bewegen. Ich habe aber keinen Blick mehr für sie. Ich starre der Bedienung hinterher. Wenn uns jemand Infos über den Schuppen hier geben kann, dann sie. Das spüre ich.
Zu MacAvory gebeugt sage ich "Übernimm du das mal hier. Ich kümmere mich ...." Ich deute mit einem Kopfnicken wage in Richtung Bar.
Er nickt und leckt sich die Lippen. Eigentlich sieht er gar nicht so übel aus, doch in meiner Gegenwart ist er stets unsichtbar. Vielleicht ändert sich das ja wenn ich den Tisch verlasse? Bezahlt habe ich für diese Freundlichkeit schließlich genug. Und damit hätten wir auch das erste Indiz für illegale Prostitution. Nancy sagte doch, dass es erlaubt ist, mit den Kunden 'rum zu machen'.
Ich erhebe mich und schlenderte, den Blick scheinbar interessiert schweifen lassend hinüber zur Bar. Wie ich erhofft habe finde ich hier das Mädchen. Sie steht neben einem Mann und reicht ihm gerade mehrere Geldscheine. Dazu deutet sie mit der Hand in verschiedene Richtungen. Da fällt ihr Blick auf mich und ihre Augen weiten sich für einen kurzen Moment. Dann ist er auch wieder vorbei. Der Kerl redet auf sie ein, greift sie hart am Oberarm und zischt ihr etwas ins Ohr. Sie zittert. Nickt. Er lässt sie los und streichelt ihr über den Kopf. Fast wie bei einem Hund wenn der einen Trick brav ausgeführt hat. Sie reibt sich mit der Hand über die Stelle wo er sie angefasst hat. Kaum ist er fort, kommt sie zu mir und fragt "Willst Du noch etwas bestellen?"
"Was könnte ich denn noch gaben wollen?" antworte ich. Keine Ahnung warum ich das sage. Aber irgendwas sagt mir das ich die Worte richtig gewählt habe.
"Für 500 Pfund bekommst du die ganze Nacht."
Ich lehne mich gegen den Tresen. "Und was bekomme ich da?" Auffordernd sehe ich sie an.
Ihr scheint das Gespräch äußerst unangenehm zu sein. "Ja also, alles ... alles was du ... willst." stammelt sie leise, den Blick auf den Boden gerichtet.
In diesem Moment erscheint hinter ihr wieder der Kerl von vorhin. Er packt ihr mit der Hand an den Po mit der anderen ihr Kinn. So dreht er ihren Kopf so, dass er ihr ins Ohr zischen kann. " Du bist jetzt endlich nal etwas freundlicher den Gästen gegenüber! "
Sie nickt panisch. Ihr Brustkorb denkt und gebt sich rasend schnell. Wenn mich nicht alles täuscht hat sie richtig gehend Panik vor ihm.
"Hey Kumpel." er wendet sich an mich. "Gefällt dir die Kleine? Sie ist zwar keines von den Showgirls. Aber wenn du unbedingt sie willst ..."
Erlässt offen was wäre wenn ich unbedingt sie hier will. Es ist auch so klar, dass Mann in diesem Establissement mit Frau machen kann was er will wenn er nur genug dafür zahlt.
"Jup." mache ich und setze ein Grinsen auf. "Die will ich! Wieviel?"
Sein schmierigen Grinsen verbreitet emsich von einem Ohr zum anderen. "Aber sicher doch. Gerne. Kommt drauf an. 100 für eine Stunde am Tisch, 500 für die Nacht."
Ich nicke zustimmend. "Die ganze nacht hier am Tisch?" hake ich nach.
"Die ganze Nacht, wo du willst. Es gibt nur eine Bedingung."
"Und die wäre?"
"Wenn du sie mit zu dir nach Hause oder ins Hotel nehmen willst, fährt dich einer unserer Fahrer." erklärt er und wackelt mit den Augenbrauen. "Wir wollen sichergegen das unsere Mädels sicher zurück kehren."
Die Frau neben mir erschaudert. Sie hat Angst, dass ist ihr deutlich anzumerken.
Dennoch stimme ich zu und zücke meine Brieftasche. "500 also?"
"Jup." Er hält die Hand auf.
Ich lege ihm das abgezahlte Geld hinein und wende mich an das Mädel.
Ehe ich mit ihr gehen kann, packt er sie nochmal am Arm und zischt. "Und du benimmt dich, verstanden! Das mir keine Klagen kommen." Sein Blick macht selbst mir unmissverständlich klar das es besser wäre ihn nicht zu enttäuschen.
An mich gerichtet erklärt er noch. "Sie ist noch neu bei uns. Ein Frischling. Denen muss man erst die Sporen spüren lassen ehe sie verstanden haben wie das läuft. Aber ich denke, Sie werden auch so viel Spaß mit der Kleinen haben." Mit einem hämischen Lachen entfernt er sich.
Jetzt schaudert es mir.
Unbeholfen stehen wir einen Moment lang nur da. Dann übernimmt wieder mein straightes Polizistenhirn." Gut. Dann wollen wir mal. Zu dir oder zu mir? " scherze ich und hoffe, ihr so etwas die Beklommenheit zu nehmen.
Sie lächelt verkrampft schüchtern. Da ergreife ich ihre kleine Hand und ziehe sie sanft mit mir zurück zum Tisch.
Dort flüsterte ich, so gut es bei dieser Kakophobie nur geht, MacAvory ins Ohr. "Kommst du hier allein klar? Ich bin da an etwas dran." Mit einem Kopfnicken deute ich auf die Frau hinter mir.
Mein Kollege sieht sie an und nickt verständig. "Ist gut. Ich genieße das hier noch ein wenig. Komnst Du wieder?"
Ich hebe die Schultern. "Keine Ahnung."
"Gut. Ich nehm mir zur Not men Taxi." erwidert er und sieht zu Nancy die sich inzwischen rücklings auf dem Tisch räkelt.
"Ist gut. Bis morgen dann. 9 Uhr, mein Büro." zische ich und klopfe ihm gegen die Brust.
MacAvory nickt.
Dann werde ich einen letzten Blick auf Nancy und registriere zum ersten Mal ihr Tattoo. Ein kleiner bunter Schmetterling gleich neben dem Bauchnabel. Sie wirft mir ein laszives Handküsschen zu.
Ich grinse und greife wieder nach Suzis Hand.
"Ähm ... ich möchte dich mitnehmen. Solltest du dir da nicht ... ähm ... etwas überziehen?" frage ich unbeholfen ehe wir den Ausgang erreichen.
Sie nickt schüchtern.
"Ich warte hier." erwiderte ich.
Sie entfernt sich.
Da klingelt mit einem Mal mein Handy.
Mist! Nicht doch jetzt.
Ich ziehe es aus der Tasche. Es ist Steel. Was will der denn? Ist was mit Charly?
"Hey, Cray. Hast du kurz Zeit?" fragt er kaum das ich abgenommen habe.
"Was ist das für ein Lärm?" fragt er weiter ehe ich auch nur ein Wort sagen kann.
"Eigentlich nicht. Bin im Einsatz." erkläre ich kurz angebunden. "Was willst du Steel?"
"Hast du von Mayfair gehört?" will er wissen.
"Mayfair? Wieso?"
"Es gab eine Explosion. Autobombe vermutlich."
"Okay. Und?"
"Es war Spencer's Wagen."
"Scheiße!" erfährt es mir.
"Wieviele Tote, wieviel Verletzte? Charly?" frage ich wie benommen. Mit zitternder Hand fahre ich mir durchs Haar.
"Ehrlich? Keine Ahnung. Aber das wichtigste, niemand aus Charlotte's Familie ist unter den Opfern. Ihnen geht's gut."
Erleichtert atme ich aus. "Wo sind sie jetzt?"
"Charly ist hier bei mir und ihre Familie habe ich von meinem Team in Sicherheit bringen lassen. Sie sind in Hotels."
"Gut. Aber ist es bei dir sicher?" Ich kenne sein Haus nicht. Weiß nur das er in Mayfair wohnt. Das ist allerdings keine Garantie für ein einbruchssicheres Haus.
"Für wen hältst du mich?" echauffiert er sich. Ich kann ihn förmlich vor mir sehen wie er die Augen verdreht.
Er fährt fort. "Kugelsichere Fenster und Türen. Bewegungsmelder und Kameras überall auf dem Gelände. Die weltbeste Alarmanlage und eine gut gefüllte Waffenkammer. Beruhigt dich das?"
"Okay." gebe ich zu. "Ich hab hier noch was zu erledigen. Charly muss bei dir bleiben."
"Kein Problem."
"Gut. Ich melde mich morgen früh. Dann weiß ich sicher auch schon genaueres zu der Bombe." beschließe ich. 
"Ist gut. Dann wünsche ich dir mal noch einen angenehmen Abend." Dieser Seitenhieb musste wohl noch sein. Schließlich wird er den angenehmeren Abend verleben. Charly ist schließlich bei ihm. Ich hoffe nur, sie hält sich an ihr Zölibat!
"Ha ha." mache ich daher nur. "Pass mir ja gut auf meine Frau auf!" drohe ich und höre mich fast wie ein wütender Wolf an.
"Du meinst wohl, meine Frau." Damit legt er auf.
Gut so, denn in diesem Moment kommt Suzi zurück. Ich stecke das Handy weg und lächle ihr aufmunternd zu. Sie lächelt scheu zurück.
"Bereit?" frage ich freundlich.
Suzi nickt nur und geht mir voran zur Tür. Der Vorraum ist leer. Ich raune ihr zu. "Ich würde dich gern mit zu mir nehmen. Da ist es sicher."
Erschrocken dreht sie den Kopf und sieht mich an.
Abwehrend hebe ich die Hände. "Hey, keine Angst. Ich weiß, ich seh gefährlich aus. Bin ich aber nicht. Keine Sorge." versuche ich sie zu beruhigen.
Sie scheint einen kurzen Moment darüber nachdenken zu müssen, doch als sich die Tür öffnet und der Gorilla von vorhin in den Vorraum tritt, nickt sie schnell zustimmend. Ich lege meinen Arm um sie und drücke sie an mich. Lächelnd sage ich an den Typen gewandt. "Diese süße Maus nehme ich mit zu mir, wenns recht ist. Hab drinnen alles schon abgeklärt. Und bezahlt." füge ich noch schnell hinzu.
Der Typ nickt und brummt etwas wie. "Tony hat schon bescheid gesagt. Das geht klar. Aber ich fahr euch. Wo willst du sie denn ficken?"
Ich schnappe nach Luft. Suzi sieht beschämt zu Boden. "Ähm ... ich ... ich dachte bei mir." erwidere ich überrumpelt. Es war ja klar, dass die denken das ich sie mir leihe um sie zu ficken. Doch es jetzt so ausgesprochen zu hören, lässt mich doch ganz schön schaudern.
"Okay." sagt da der andere. Ich fahr dir hinterher. Du bist doch mit dem Auto da?"
Ich nicke und halte den Autoschlüssel hoch.
Er nickt, wobei sein bulliger Nacken Falten wirft. Er stößt die Tür auf und tritt heraus auf die Straße. Ein Schwall kalte Nachtluft erfasst und und lässt die zierliche Frau neben mir erzittern. Kein Wunder, sie hat sich zwar etwas angezogen, doch warm ist was anderes. Ihr ultakurzes enges schwarzes Minikleid und das kurze Bolerojäckchen in Leo Optik dürfte kaum warm halten.
Galant ziehe ich mir meine gefütterte Lederjacke aus und lege sie ihr über die schmalen Schultern.
Der Gorilla sieht uns belustigt zu und meint "Gentleman der alten Schule, oder? Ist bei einer wie der aber vergebene Mühe." Er wirft Suzi einen abfälligen Blick zu. Was sieht er in ihr? Ein Stück Fleisch? Ware die man benutzen und wegwerfen kann?
Ich schnaube nur als antwort.  
Sie sieht mich an und ihre rot geschminkten Lippen deutet tonlos "Danke sehr."
"Wo steht dein Wagen?" will der Frauenhasser wissen.
"Um die Ecke." antworte ich knapp.
Er nickt. "Gut fahr vor den Club. Ich häng mich dran."
"Ist gut. Komm mit!" letzteres war an Suzi gerichtet.
Wir entfernen uns, da ruft er uns noch nach. "Und was wird aus deinem Kumpel?"
Ich wende mich noch einmal um. "Ach der. Der hat noch ein bißchen Spaß. Der fährt nachher allein Heim."
Er nickt und dreht sich um.
Ich geleite Suzi um die Ecke zu meinem Audi. Freundlich halte ich ihr die Wagentür auf.
Als wir sitzen frage ich vorsichtig. "Alles klar? Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich will nur ... reden." verspreche ich. Ich hoffe, dass bei Prostituierten dieser Satz etwas beruhigend wirkt.
Sie nickt schüchtern und schaut aus dem Fenster.
"Wie läuft das jetzt? Folgt der uns und wartet die ganze Nacht vor meinem Haus?" lache ich.
Sie zuckt die Schultern.
"Wie oft hast du das schon gemacht?" will ich wissen.
Sie zuckt die Schultern. Im Schein einer Straßenlaterne erkenne ich eine Träne die ihre Wange herunter läuft.
Vorsichtig greife ich unter ihr Kinn und drehe ihren Kopf zu mir. "Sag mir nicht, das ist dein erstes Mal." stöhne ich.
Ihr Blick flackert. Es ist so.
Erschrocken lasse ich die Hand sinken. "Du machst das noch nicht lang."
Sie schüttelt den Kopf.
"Machst du das freiwillig?" Ich kann mir die Antwort eigentlich schon selbst geben. Nein.
Wie gedacht schüttelt sie den Kopf um jedoch gleich darauf zu nicken. "Ich ... ich meine ... doch natürlich mag ich es. Ich ... ich wollte es. Will es, meine ich." stammelt sie leise. Plötzlich sieht sie mich mit ihrem verheulten Blick flehend an. "Bitte bitte sagen Sie nichts zu Tony! Bitte nicht! Ich flehe Sie an!"
Ich lehne mich zurück und antworte so freundlich wie möglich. "Keine Angst. Ich sage nichts. Jetzt sollten wir aber mal los, sonst kommt der Gorilla dich suchen. Die passen auf euch Mädels ja auf wie auf die Kronjuwelen." scherze ich.
Suzi nickt und sieht wieder aus dem Fenster.
Ich starte und fahre wie vereinbart vor den Club. Dort halte ich kurz an und mache Lichthupe. Der Gorilla im schwarzen Jeep ebenfalls. Mein Startsignal. Ich gebe Gas. Sofort schert er aus der Parklücke und folgt mir im geringen Abstand. Will ich wirklich das diese Leute meine privat Adresse kennen? Noch während der Fahrt beschließe ich mit Suzi in ein vertrautes Hotel zu fahren. Es gibt einige in London, die vom Home Service für Anlässe wie diesen genutzt werden. Dort kann bei Bedarf auch schnell Verstärkung da sein.
"Wo kommst du her, Suzi?" versuche ich ungezwungene Konversation zu machen.
"Jasmin." antwortet sie knapp.
"Was?"
"Mein Name. Ich heiße Jasmin." erklärt sie und lächelt schwach. "Suzi ist ausgedacht."
"Wer macht denn so was?" lache ich. "Jasmin ist doch schön!"
Ich lächelt und zuckt die Schultern. "Wir haben alle falsche Namen. Seit wir in dem Club arbeiten mü ..." Sie unterbricht sich.  
Ich werde hellhörig. Vorsichtig frage ich weiter. "Kommst du aus London oder England?"
Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Moladwien. Ich komme aus Triaspol." erklärt sie und mit einem Mal fällt mir ihr leichter osteuropäischer Slang auf.
"Was hat dich nach England verschlagen?"
"Ein Mann." sagt sie kurz und bundig.
Ich sehe sie an. "Und das ist jetzt vorbei?"
Sie schüttelt den Kopf. "Das habe ich nicht gesagt."
"Du meinst, er billigt es das du ... " Ich deute mit einem Kopfnicken wage in die Richtung hinter uns. "... da ... arbeitest?" frage ich fassungslos. Also für mich wäre das ein No go.
"Er billigt es nicht nur, er ist es der mich dort hingeschickt hat."
"Was?" erschrocken starre ich sie an und beiße mir auf die Unterlippe. Menschenhandel. Da ist der Beweis. Jasmin ist eine Zeugin, vielleicht würde sie sogar aussagen. Ich muss sie schützen und in Sicherheit bringen. "Was hat er getan das du deine Familie verlassen hast und ihm hier her gefolgt bist?" will ich neugierig wissen.
"Er hat mir versprochen mich zu heiraten, mir einen guten Job zu besorgen. Vielleicht als Fotomodell. Ein schönes Haus für uns allein." erklärt sie träumerisch. Das herkömmliche also, was solche Typen jungen Dingern versprechen um sie zu ködern. Erstmal im fremden Land werden ihnen ihre Ausweispapiere abgenommen und sie werden eingesperrt. Spätestens da, merkt auch das blauäugigste Mädel, dass ihr Traumprinz in Wahrheit ein ganz mieser Kerl ist. Doch dann ist es schon zu spät. Hilflos, ohne Geld oder Papiere, ohne die fremde Sprache zu sprechen sind sie ihnen ausgeliefert. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung das er sich vielleicht doch noch ändert und sie heiratet. Wenn sie nur hübsch brav alles tut was er verlangt. Leider enden solche Träume meist im Leichenschauhaus oder eben auf dem Strich.
"Verstehe." murmle ich. "Wann war das, dass du nach England gekommen bist?" Im Rückspiegel sehe ich noch immer den Typen in seinem Jeep. Er ist echt hartnäckig.
"Vor eineinhalb Jahren glaube ich."
"Dein Englisch ist gut." lobe ich freundlich.
"Danke." freut sie sich ehrlich. "Ich habe freiwillig englisch gelernt."
Ich deute mit dem Daumen nach oben.
Ich beschließe alles auf eine Karte zu setzen. "Jasmin, sag mir die Wahrheit! Willst du da weg?"
Erschrocken sieht sie mich an.
"Ich bin Polizist. Ich kann dich da raus bringen. Wenn du mir auch etwas hilfst." verspreche ich freundlich.
Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Nein, dass geht nicht. Ich komme da nie wieder raus." jammert sie und beginnt erneut zu weinen.
"Jasmin, bitte. Ich bin Agent einer Spazialeinheit. Wir sind deinem Boss und den Leuten die hinter allem stecken auf den Fersen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis der Club geschlossen wird und ihr da raus geholt werdet."
"Dann warte ich."
"Nein." fahre ich sie an.
Erschrocken weicht sie zurück.
"Entschuldigung. Ich wollte dir keine Angst einjagen. Ich habe in dir nur endlich einen Zeugen gefunden. Mit deiner Aussage können wir ein gutes Stück weiter kommen." flehe ich.
"Wirklich?" Sie scheint über meinen Vorschlag nachzudenken.
Ich nicke heftig. "Selbstverständlich bringe ich dich in Sicherheit. Zeugenschutz nennt sich soetwas. Du würdest bewacht werden. Keinen würde dir was tun." verspreche ich weiter.
Sie überlegt noch immer. Mittlerweile waren wir fast am Ziel angekommen.
"Jasmin, es sieht so aus. Ich fahre mit dir jetzt in ein Hotel. Dort halten wir uns eine Weile auf und lassen den Gorilla im Glauben wir würden ..." Ich wedel mit der Hand in der Luft herum. "Ich hole Verstärkung und du wirst direkt in Sicherheit gebracht. Morgen wirst du das irgendwo deine Aussage machen und anschließend gehts dann in ein Safe House."
"Wirklich? Das würden Sie für mich tun?"
Ich nicke. "Natürlich. Du tust ja auch etwas. Du sagst gegen die Männer aus die das dir und den anderen Frauen antun." erkläre ich freundlich.
Sie sieht aus dem Fenster. Schließlich nickt sie wieder, holt tief Luft und sagt. "Gut. Ich mache es."
Erleichtert atme ich auf. "Gut, dann telefoniere ich mal kurz." erkläre ich und ziehe mit einer Hand mein Handy aus der Hosentasche. Sie nickt und schweigt. Vorsichtig sieht sie sich nach hinten um und beobachtet den Jeep.
"Greenwood." grüße ich meinen Kollegen.
"Hab alles gehört." meldet dieser.
"Ein Team nach Hammersmith ins Eden. Leichte Bewaffnung. Eine Frau sollte auch dabei sein. Wir haben eine Zeugin." befehle ich.
"Verstanden."
"Kennung wie gewohnt und gib Falkner bescheid."
"Mache ich."
Ich lege auf.
"Sie sind auch gleich da." melde ich Jasmin.
Sie dreht sich wieder um und nickt. Ich will gar nicht wissen was jetzt in ihr vorgeht. Sie muss wahnsinnige Angst haben. Tröstend lege ich ihr eine Hand auf den Oberschenkel.

Dann geht alles ganz schnell. Im Hotel checke ich mit dem gewohnten Kennwort ein. "Eine Nacht im Himmelreich bitte."
"Selbstverständlich." erwidert der Portier kaugummikauend. Die Nachtschicht nimmt es hier wohl nicht so genau mit der Etikette. Er reicht mir einen Schlüssel mit überdimensioniertem Anhänger in Form einer Feder und wünscht eine angenehme Nacht. Mit einem anzüglichen Blick auf Jasmin sieht er uns hinterher bis wir am Ende der Treppe verschwunden sind.
Im Zimmer im ersten Stock setzt sich Jasmin erst einmal auf das Bett. Ihre Beine zittern wie Espenlaub.
"Ruhig. Alles wird gut!" tröste ich sie und gehe vor ihr in die Hocke. "Gleich kommen meine Kollegen."
Ich stehe auf, gehe zum Fenster und schiebe die Gardine etwas beiseite. Das Fenster geht zum Parkplatz raus. Im Dunkeln erkenne ich die großen Jeep. Das jemand darin sitzt kann ich nur erkennen, weil ab und zu die Glut einer Zigarette aufleuchtet.
Es klopft an der Tür. Jasmin zuckt erschrocken zusammen.
Ich gehe hin, ziehe aus Gewohnheit meine Waffe, die ich natürlich aus meinem Handschuhfach mitgenommen habe. Es ist eine Glock. Etwas kleiner als meine herkömmliche Walther, aber genauso effektiv.
"Wer ist da?" frage ich durch die Tür durch.
"Im Eden lässt es sich göttlich leben." murmelt jemand vor der Tür. Das hier geltene Kennwort. Ich schließe auf und öffne die Tür. Davor stehen drei Männer und eine Frau in zivil. Alle halten mir ihre Kennmarken hin. Ich mache mich ebenfalls mit meiner eigenen kenntlich.
Ich trete beiseite um sie herein zu lassen.
"Ist das die Schutzperson?" will die blonde Frau mit Blick auf Jasmin wissen.
"Korrekt. Jasmin. Weiter weiß ich nicht. Sie ist so freundlich gegen die Hintermänner auszusagen." erkläre ich und nicke ihr aufmunternd zu. Jasmin erhebt sich.   
"Auf dem Parkplatz steht ein schwarzer Jeep. Darin ist einer der Männer. Also vorsicht!" mahne ich. Alle nicke zustimmend.
"Verstehe. Wir nehmen sie jetzt mit. Diese Nacht müssten Sie mit uns ins Hauptquartier kommen." letzteres erklärt sie für Jasmin. Die nickt stumm.
"Dann ziehen Sie sich jetzt bitte an und kommen mit uns!"
"Sie ist angezogen. Mehr hat sie nicht."
Die Blonde zieht die Stirn krauß. "Ist gut. Ich dürfte in etwa Ihre Größe haben. Wenn Sie wollen leihe ich Ihnen was." bietet sie Jasmin an, die sie daraufhin dankbar anlächelt und leise. "Gern. Vielen Dank." murmelt.
Ich trete auf sie zu und lege beide Hände auf ihre Schultern. "Sie schaffen das, Jasmin! Ich glaube fest an Sie. Von jetzt an  brauchen Sie keine Angst mehr zu haben." verspreche ich ihr. "Wir alle sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet!"
Mit einem Mal umarmt sie mich und schmiegt ihre Wange an meiner Brust. "Vielen Dank, Mister ..."
"Tom." erwidere ich kurz angebunden. "Einfach nur Tom."
"Vielen Dank für alles, Tom!" sagt sie und küsst mich schnell auf die Wange.
Gleich darauf öffnet der eine Beamte die Tür, späht hinaus und tritt raus. Mit einer Handbewegung bedeutet er seinen Kollegen ihm zu folgen. Schweigend nehmen die Polizistin und ihr anderer Kollege Jasmin in ihre Mitte und geleiten sie hinaus. Der letzte Mann bildet die Nachhut. Ich sehe ihnen nach bis sie im Treppenhaus verschwunden sind.
Nachdenklich reibe ich mir die Stelle wo sie mich geküsst hat. Bleibt nur zu hoffen, dass alles gut geht und sie bald das Leben führen kann auf dessen Hoffung sie in unser Land gekommen ist.
Ich lausche. Keine Schussgeräusche. Es scheint alles glatt zu laufen. Ich schließe die tür und gehe hinüber zum Fenster. Vorsichtig spähe ich hinaus zum Jeep. In der Dunkelheit kann ich nichts erkennen. Keine Ahnung ob er noch immer drin sitzt oder mittlerweile ausgestiegen ist um sich die Beine zu vertreten.
Ich ziehe die Vorhänge zu und dimme das Licht. Soll der ruhig denken wir würden uns hier oben vergnügen.
Ich greife mir meine Jacke die Jasmin vorhin auf dem Bett hat liegen lassen und verlasse das Zimmer. Den Schlüssel lasse ich einfach im äußeren Schloss stecken.
Genau wie die Polizisten eben verlasse ich das Hotel über den Hinterausgang. Dieser ist von der Vorderseite nicht einsehbar. Blöd nur, dass mein Baby vorn direkt neben dem Jeep geparkt steht. Auf den bequemen Weg nach Hause musste ich wohl verzichten. Zu Fuß entferne ich mich ein paar Straßen weiter vom Hotel weg. Erst dann ziehe ich mein Handy raus und rufe mir ein Taxi. Typisch, wenn man eines benötigt, ist nirgends eines zu sehen.

Eine Stunde später liege ich in meinem Bett. Allein. Und denke an meine Charly die das Bett heute mit dieser Nervensäge teilt.

 

Max

 

Charlotte ist oben bei Charly und erzählt ihr eine Geschichte. Während ich mir in der Küche ein paar Sandwiches mache rufe ich Cray auf seinem Handy an. Nachdem er abgenommen hat, stelle ich auf Lautsprecher und lege das Gerät auf die Marmorarbeitsfläche.
"Hey, Cray. Hast du kurz Zeit?" fragt ich kaum das er abgenommen hat. Sofort fällt mir der Lärm auf.
"Was ist das für ein Lärm?" fragt ich weiter.
"Eigentlich nicht. Bin im Einsatz." erklärt er kurz angebunden. "Was willst du Steel?" Scheinbar will er mich abwimmeln.
"Hast du von Mayfair gehört?" will ich wissen.
"Mayfair? Wieso?"
"Es gab eine Explosion. Autobombe vermutlich." erkläre ich.
"Okay. Und?"
"Es war Spencer's Wagen."
"Scheiße!" entfährt es ihm.
"Wieviele Tote, wieviel Verletzte? Charly?" feuert er eine Salve aus Fragen ab.
"Ehrlich? Keine Ahnung. Aber das wichtigste, niemand aus Charlotte's Familie ist unter den Opfern. Ihnen geht's gut."
Er atmet laut aus. "Wo sind sie jetzt?"
"Charly ist hier bei mir und ihre Familie habe ich von meinem Team in Sicherheit bringen lassen. Sie sind in Hotels." erkläre ich.
"Gut. Aber ist es bei dir sicher?"
"Für wen hältst du mich?" echauffiere ich mich. Ich kann ihn förmlich vor mir sehen wie er die Augen verdreht.
Ich zähle ihm rasch die Vorzüge meiner Villa auf. "Kugelsichere Fenster und Türen. Bewegungsmelder und Kameras überall auf dem Gelände. Die weltbeste Alarmanlage und eine gut gefüllte Waffenkammer. Beruhigt dich das?"
"Okay." gibt er zu. "Ich hab hier noch was zu erledigen. Charly muss bei dir bleiben."
"Kein Problem."
"Gut. Ich melde mich morgen früh. Dann weiß ich sicher auch schon genaueres zu der Bombe." Er führt sich auf als sei er mein Vorgesetzter. 
"Ist gut. Dann wünsche ich dir mal noch einen angenehmen Abend." ziehe ich ihn dafür auf. Diesen Dämpfer konnte er gebrauchen.
"Ha ha." macht er nur. "Pass mir ja gut auf meine Frau auf!" droht er und hört sich fast wie ein wütender Wolf an.
"Du meinst wohl, meine Frau." Ich lege auf ehe er etwas erwidern kann.
Wie auf's Stichwort kommt Charlotte in die Küche. "Mit wem hast du gesprochen?" fragt sie und nimmt an dem Küchentisch platz.
"Niemand. Nur ein Kollege." umfahre ich die Wahrheit. "Hunger?"
Sie besieht sich argwöhnisch meine Sandwiches und schüttelt den Kopf.
"Hey, die schmecken besser als sie aussehen." grinse ich.
"Trotzdem nicht. Hab keinen Hunger." gibt sie leise zu.
Klar doch, der Abend steckt ihr noch in den Knochen. Ich gehe zu ihr um sie in die Arme zu nehmen. "Hey, es wird alles gut." beruhige ich sie mit leiser Stimme.
"Meinst du?" Charlotte sieht zu mir auf.
"Klar doch. Und das mit der Explosion wird sich auch aufklären."
"Explosion? Jetzt war es doch keine Bombe mehr?" hakt sie neugierig nach.
"Ähm ... ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich werde morgen mal versuchen näheres zu erfahren." gestehe ich.
Sie nickt zustimmend. "Ist gut."
"Die Polizei wird sowieso auf deinen Vater zukommen." beginne ich vorsichtig.
"Warum?" fragt sie verwundert.
"Es war das Auto deines Vaters das da in die Luft geflogen ist." Ich nehme auf dem Stuhl neben ihr platz.
Charlotte nickt. "Natürlich."
Wir schweigen während ich meine vier Sandwiches vertilge. Langsam macht das Hungerfühl in meinem Bauch einem angenehmen Völlegefühl platz. 
Mit einem Mal fragt sie leise. "Kannst du mir vielleicht sagen was da los ist?"
"Was meinst du?" stelle ich mich dumm.
"Warum hasst jemand meinem Vater so, dass er ihm eine Bombe unter das Auto platziert? Hat es eventuell sogar etwas mit meiner Entführung zu tun?"
"Ähm ..."
"Max, ich bin doch nicht blöd. Mein Vater ist da in irgendwas verstrickt. Das viele Geld das er gezahlt hat ... Jetzt die Bombe." zählt sie auf.
"Charlotte, ich ... ich möchte es dir lieber nicht erzählen." Sie runzelt die Stirn.
Schnell beeile ich mich zu sagen. "Zumindest noch nicht. Vorher würde ich mich gern mit Cray absprechen."
"Mit Tom?" fragt sie verwudnert. "Was ist das was ihr zwei in der letzten Zeit miteinander habt?"
"Nichts." echaffiere ich mich. "Wir arbeiten zusammen. Zumindest in deinem Fall. Du hast oberste Priorität. Wir lieben dich, Charlotte! Wir beide." gestehe ich und umfahre damit noch immer die Wahrheit.
Charlotte lächelt sanft. "Ich weiß." seufzt sie und sieht auf ihre Hände hinunter.
"Es wird alles gut werden! Mach dir keine Sorgen! Bei mir bist du sicher und Cray ist ein verdammt guter Cop!"
Sie sieht mir direkt ins Gesicht. "Das findest du, ja?"
Ich nicke ernsthaft. "Auf jeden Fall. Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber er ist der Beste!" lobe ich widerwillig meinen Kontrahenten. Auch wenn ich es nicht gern zugebe, aber das ist die Wahrheit. Zusammen sind wir ein unschlagbares Team.
"Das ich das noch erleben darf." grinst sie und schreichelt meine Wange. "Ich vertraue euch. Und ich werde zukünftig machen was ihr sagt. Das es nötig ist, hat mir der heutige Abend gezeigt."
"Braves Mädchen." sage ich ehe ich es mir verkneifen kann. "Sorry!" füge ich beschämt hinzu. Doch sie lacht nur.
"Und, was fangen wir mit dem angefangenen Abend an?" frage ich um endlich den gemütlichen Teil des Abends einzuläuten.
"Hm." Sie tippt sich mit dem Zeigefinger an die Lippen und sieht gedankenverloren geradeaus. "Fernsehen?"

Kapitel 36

 

Max

 

Daran könnte ich mich gewöhnen. Gemütlich am Frühstückstisch mit meinen beiden Charlies sitzen. Das hier bis vor ein paar wenigen Wochen noch eine andere Frau zu Hause war lässt sich heute kaum noch erahnen. Niemand hier schien Beverly zu vermissen.
Eifrig und mit roten Wangen schmieden die beiden Pläne für die Zimmerrenovierung. Lächelnd sehe ich ihnen zu und beiße abwechselnd von meine Bagel ab oder trinke Kaffee.
Es ist noch früh am Morgen. Bald muss ich Charly in die Schule bringen. Die kleine, nicht die große.
"Gehst du mit mir zusammen ins Möbelhaus?" fragt in diesem Moment meine Tochter.
*Klar mache ich das." erwidert meine Freundin. "Das wird ein heiden Spaß!" lacht sie.
"Nehmt ihr mich auch mit?" mische ich mich lächelnd ein.
"Nur wenn du bezahlst." zieht Charlotte mich auf.
Ich nicke. "So ist es geplant."
"Dann gewähren wir dir großzügig die Begleitung." antwortet sie gespielt theatralisch.
"Vielen Dank!" lache ich.
"Klasse!" freut sich mein Töchterchen.
"Und du musst jetzt zur Schule. Werd' langsam mal fertig!" dämpfe ich ihre Stimmung.
"Weniger klasse. " mault sie beleidigt.
"Tja ... so ist es eben. Der Schulbesuch ist nicht verhandelbar." erwidere ich streng.
"Schon gut. Wenigstens habe ich was worauf ich mich freuen kann." schimpft sie weiter und steht vom Stuhl auf. Ohne ihr schmutziges Geschirr abzuräumen verlässt sie die Küche.
Ich erledige das für sie während sich mein Töchterchen für die Schule fertig macht.
"Möchtest du mich begleiten? Ich muss ein paar Erkundigungen einholen. Dauert nicht lang." frage ich an Charlotte gewandt.
"Ich weißt du, eigentlich würde ich lieber hier bleiben und Pläne schmieden." erwidert sie Achselzuckend.
"Auch gut. Hier bist du sicher. Wenn du drinnen bleibst." mahne ich.
"Ich muss nicht raus." sagt sie leichthin. "Wozu gibt's das Internet?"
Ich beuge mich zu meinem Schatz herunter und küsse sie leidenschaftlich auf den Mund.
Als ich Charly im Foyer herum rumoren höre sage ich. "Gut. Ich beeile mich."
"Ist gut." grinst sie, greift in mein Hemd und zieht mich zu sich herunter. Dann gibt sie mir einen dicken Abschiedskuss.

 

Tom

 

Glockengeläut lässt mich wach werden. Blinzelnd öffne ich die Augen und sehe mich um. Ich stehe auf einem gekiesten Vorplatz vor einer Kirche. Was verdammt tue ich hier? Das letzte Mal habe ich ein Gotteshaus betreten bei der Hochzeit meines Cousines. Ich drehe mich um. Einige gut angezogene Leute eilen Richtung Eingangsportal. Neugierig geworden folge ich ihnen. Durch die weit geöffnete Flügeltür kann ich viele festlich gekleidete Menschen sehen. Die Frauen tragen ausladene Hüte und bunte Kleider. Die Männer allesammt schwarzen Smoking. Einige krönen ihr Outfit sogar mit einem Zylinder.
Ich lasse meinen Blick schweifen. Die Gäste in den hinteren Reihen werden auf mich aufmerksam. Freundlich lächeln sie zu mir auf. Zögerlich gehe ich weiter. Da vorn, beim Altar steht einer im Cutaway. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen. Ein inneres Bedürfnis herauszufinden wer es ist lässt mich schnellen Schrittes nach vorn gehen. Mein Blick fällt in der ersten Reihe auf zwei Leute die mir extrem bekannt vorkommen. Meine eigenen Eltern. Mom trägt ein himmelblaues knielanges Seidenkleid was ihre hellblonden Haare unterstreicht. Auf dem Kopf sitzt ein riesiger Federbesetzter Hut. Dad, neben ihr strahlt mich an und deutet mit dem Daumen nach oben als er meiner habhaft wird. Verwirrt will ich fragen was sie hier zu suchen haben, als ich mit einem Mal eine Hand auf meiner Schulter spüre. Eilig drehe ich mich um und stehe plötzlich vor dem Mann im Cut, denn ich jetzt, aus der Nähe und von vorn ganz genau erkenne. Max Steel. Er hier, im Hochzeitsanzug mit Zylinder auf dem Kopf. Was geht hier vor?
"Was zum ..." beginne ich. Doch ich werde von ihm unterbrochen.
"Da bist du ja endlich. Willst du uns alle etwa warten lassen? Das ist doch sonst das Privileg der Braut." lacht er.
Da wage ich endlich einen Blick an mir herunter. Ich trage ebenfalls einen schwarzen Cutaway. "Was zum." stammle ich erneut.
"Komm, Kumpel. Gleich geht's los." Steel stellt sich vor den Altar. Ich stelle mich neben ihn.
"Was geht denn hier vor?" frage ich. "Was wollen die ganzen Leute hier?"
Er sieht mich an als befürchtete er ich würde meinen Verstand verlieren. "Na hör mal. Hast du vergessen das du heute heiratest?"
Ich heirate? Bitte was?
"Was?" frage ich lahm.
Er lacht. "Du heiratest heute."
Fassungslos starre ich ihn an, anschließend nochmal alle Gäste in der kleinen Kirche.
"Ich heirate?" flüstere ich.
"Er hat's geschnallt." lobt Max.
"Und was machst du hier?" frage ich an ihn gewandt.
"Na hör mal, was ist denn heute mit dir los?" lacht er und zwinkert mir zu. "Ich heirate."
Was?
Er. Ich. Wir beide?
Mir klappt die Kinnlade herunter.
"Du müsstest dich mal sehen." lacht er weiter. "Als wäre das meine Idee gewesen."
"Wessen war es denn dann? Ich ... ich bin doch nicht ... "
"Na Chalotte's." erklärt er ohne auf meine gestammelten Worte einzugehen.
"Was?"
"Was was? Na wir heiraten." erklärt er schwammig. "Du. Ich. Sie."
In diesem Moment setzt die obligatorische Orgelmusik ein und spielt den stinklangweiligen Hochzeitsmarsch den ich schon immer verabscheut habe.
Die Tür schwingt auf und herein kommt Charlotte im Brautkleid.
Erschrocken fahre ich hoch. Wo bin ich? Was für eine abgefuckte Scheiße war das denn? Verflucht nochmal!

Immernoch verwirrt steige ich aus dem Bett und reibe mir die Augen. Fast noch blind tappe ich ins Badezimmer und drehe den Duschhahn auf.

Pünktlich um 9 Uhr klopft es an meine Tür. Auf mein "Rein kommen!" betritt Greenwood, Miller, Persons und Halliway mein Büro. Es ist so winzig, dass es jetzt, wo es derart überbevölkert ist kaum noch platz zum umdrehen bietet.
"Gut, was haben wir." beginne ich die Besprechung. Erst auf den zweiten Blick sehe ich das MacAvory fehlt. "Wo ist MacAvory?"
Alle zucken die Schultern. "Ich hab ihn heute den ganzen Morgen noch nicht gesehen." berichtet unsere junge Kollegin Stacey Miller.
"Hm. Seltsam. Wir hatten zusammen Nachtschicht. Hatten noch einen Auftrag für Falkner erledigt." setze ich die anderen Teammitglieder in den neuesten Stand.
"Ja in einer Tittenbar." verkündet Greenwood und sieht sich erfolgheischend um. Wie zu erwarten war erntet er zustimmendes Johlen und Pfiffe.
"Ich hoffe es gibt davon Bildmaterial." hofft Halliway abzüglich grinsend.
"Ich darf doch wohl bitten." lasse ich den Chef raus hängen.
Alle sehen schweigend zu Boden.
"Gut, sicher ist es spät geworden. Vielleicht schläft er ja noch?" murmle ich.
Greenwood nickt. "Laut Ortung hat er die Bar um 0.23 verlassen." berichtet er.
Ich nicke zustimmend. "Okay. Sicher kommt er noch. Was haben wir im Fall Jasmin? Ist alles glatt gegangen?" will ich wissen.
Miller berichtet das die Schutzperson sicher und vor allem unbemerkt in die Marsham Street gebracht wurde und dort die Nacht verbracht hat. Heute morgen um 10 sollte die Zeugenaussage beginnen. Man wollte ihr ein paar Stunden Ruhe gönnen.
"Da wäre noch was, Cray." meint Miller.
"Und?"
"Das Eden meldet Vandalismus."
Gerechnet habe ich damit ja. Irgendwie.
"O-k-a-y." sage ich gedehnt.
"Der Nachportier sagte aus, dass laut Videoaufzeichnung um 4:26 ein breitschultriger dunkel gekleideter Mann das Hotel betrat und direkt nach oben in die erste Etage ging. Scheinbar wusste er was er sucht. Auf dem Video sieht nan ihn alle Zimmer durchsuchen, wobei der die Türen jeweils auftrat oder aufschoss. Als er scheinbar gefunden hatte was er sucht, eröffnete er das Feuer."
"Das Feuer?" hake ich nach. Eine Gänsehaut kriecht mir das Rückrad hinauf.
"Er schoss in dem Zimmer wild um sich. Da ist nichts mehr wie es vorher war.", erklärt Miller. "Gäste im Nebenraum wurden durch durch due Wand tretenden Kugeln verletzt."
"Gäste im nebenraum?" echauffiere ich mich. "Dieser Trottel! Das Hotel weiß doch, dass UNS im Bedarfsfall immer Zimmer weit ab vom normalen Hotelbeteieb zu geben sind." Ich sehe Miller an. Mir schwahnt etwas. "Gab es noch weitere Verletzte?"
Sie nickt mit zusammengepressten Lippen. "Die gab es. Sieben in den Zimmern und der Nachportier. Ihn hat's am schlimmsten erwischt. Sein Bein ist zertrümmert. Er ist, durch die Schüsse aufgeschreckt hinauf gelaufen um nachzusehen was los ist. Vorher war er allerdings noch so umsichtig die Polizei zu rufen. " Miller zuckt ihre schmalen Schultern. "Alles in allem hat er aber noch Glück gehabt. Hatte ja schlimmer ausgehen können. Der Typ hatte ihm schließlich auch in Kopf oder Brust schießen können."
Ich nicke zustimmend.
"Wir hatten sicher nicht so viel Glück, dass der Täter sich leidenschaftslos hat festnehmen lassen oder?" frage ich.
Miller schüttelt den Kopf. "Bein. Als die Met Klegen eintrafen war von ihm nichts mehr zu sehen. Nur eben die Videoaufnahmen."
Macht nichts. Ich weiß auch so wer das war und warum er tat was er tat. Der Gorilla. Er ist ausgerastet als er gesehen hat, dass eines seiner Täubchen ihm durch die Lappen ist.
Ich bedanke mich und lasse mich noch in weiteren Ermittlungserfolgen unterrichten.
Schließlich wirft Persons ein. "Hast du etwas von der Autobombe in Mayfair mitbekommen?"
Ich drehe mich zu ihm und stimme zu. "Ja. Gestern Abend vor einem Restaurant in der Half Moon Street. Ein Kontaktmann hat es mir berichtet. Weiß man schon etwas genaueres?"
Persons nickt. "Jawohl. Der Fahrer eines grünen Fiat Arosa hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist in den Gegenverkehr geraten. Dort kolledierte er zunächst mit weiteren PKW's bis er schließlich in bzw. neben einem Jaguar zum stehen kam. Ob der Fiat oder der Jaguar schlussendlich in die Luft geflogen ist muss noch ermittelt werden. Die Brandermittler des Firedepartment sind noch dran. Und die Spusi natürlich aus."
"Sind Menschen zu Schaden gekommen?" frage ich um neutralität bemüht nach. Nur Greenwood hier weiß von meinen Beziehungen zu dem Inhaber des in die Luft geflogenen Jaguar.
"Also da hätten wir zunäst einmal den Fahrer oder die Fahrerin des Fiat's." beginnt Persons. Er wirft einen kurzen Blick in sein Notizblock. "Dann noch zwei Passanten die zu nah an den Autos standen. Ein Päarchen. Beide jung, beide Mausetot. Die Fahrerin des Taxis hat eine Platzwunde wegen des Zusammenstoßes. Ist im Krankenhaus. Ansonsten noch einige leicht verletzte und einige die unter Schock stehen. Alles in allem lief es recht glimpflich ab." schließt er seinen Bericht.
"Etwas mehr Ernsthaftigkeit bitte! Es sind Menschen ums leben gekommen." mahne ich.
"Natürlich." murmelt mein Kollege und sieht betreten auf seine Fußspitzen.
"Gut. Ich würde gern über die weiteren Ermittlungsschritte informiert werden! Persons übernimm du das! Streck deine Fühler aus! Nutz unsere Kontakte zur Met!"
Er nickt und steckt sein Notizblock weg.
Ich schließe die Sitzung und gehe mir gemeinsam mit Greenwood in der Cafeteria einen Kaffee und Sandwichtes holen.

Als wir eine dreiviertelstunde später wieder zurück sind wartet Miller mit einer Nachricht auf uns.
"Was ist los?" frage ich sie.
"Leichenfund in Southwark, Queen's Walk." berichtet sie.
"Und? Was geht die SIS das an?"
"Na ja, die Met hat um Mitarbeit gebeten. Es soll sich wohl um Bandenkriminalität handeln." erklärt sie.
"Bandenkriminalität? Was für eine Bande?"
"Na zum Beispiel eine die sich Russenmafia nennt." Sie sieht zu mir auf und wirft ihr langes blondes Haar in den Nacken.
Ich werde hellhörig. "Okay. Du und MacAvory kommen mit mir!" befehle ich.
"Ähm ... der ist noch immer nicht aufgekreuzt." meldet sie.
Erstaunt drehe ich mich wieder zu ihr um. "Nicht? Das sieht ihm aber gar nicht ähnlich. So wird das aber nichts mit der Beförderung zum Agent." murmle ich. "Gut, dann du und Halliway." bestimme ich etwas lauter damit auch der junge Kollege der etwas entfernt an seinem Schreibtisch sitzt mich hören kann. Sofort steht er auf, rückt seine Krawatte zurecht und greift nach seinem Jackett das über den Stuhllehne hängt. "Bin soweit." meldet er eifrig.
"Ja. Ich auch gleich." erwidere ich und gehe in mein Büro unm meine eigene Jacke zu holen. Heute morgen hatte es geschneit. Es ist sau kalt da draußen. Auch wenn's cool aussieht, aber ich renn sicher nicht im Shirt in Southwark rum.

Wir fahren in einem der silbernen zivilen Dienstwagen. Mein Baby hatte ich noch nicht vom Parkplatz des Clubs abholen können. Keine Zeit dafür. Mit jeder Stunde die es dort steht steigt in mir die Sorge das ihm etwas zustößen könnte.
An den alten Docks angekommen folgen meine jungen Kollegen mir mit zwei Metern Abstand. Sie wissen ganz genau das ich es hasse wenn man mir in den Arsch kriecht. Fröstelnd schlingt Miller ihre Arme um ihre Mitte. "Sau kalt heute." sagt sie überflüssigerweise.
"Stimmt." stimme ich ihr zu und schenke ihr ein Lächeln. "Dann wollen wir uns mal bewegen und an die Arbeit gehen."
Wir bleiben am Absperrband stehen und weisen uns aus. Der Bobbie guckt nicht gerade erfreut. Kein Wunder. Sicherlich steht er seit dem Fund der Leiche hier rum und friert sich seinen braunen Arsch ab. Er hält mir mürrisch eine Liste hin, in die ich Name, Abteilung, Dienstgrad und Grund für mein hiersein eintrage. Anschließend reiche ich das Klemmbrett an Miller weiter. Als alles erledigt ist dürfen wir passieren. Der Bobbie deutet mit dem Arm in Richtung Wasser hinunter. Wir stapfen in die angegebene Richtung davon.
Dem nassen Wetter der letzten Tage geschuldet müssen wir uns durch zentimeterhohen Schlamm kämpfen um zu der Leiche zu gelangen. Ein Gerichtsmediziner ist gerade dabei diese zu untersuchen. Er kniet im Schlamm und beugt sich über den Leichnam. Er versperrt mir die Sicht. Ich kann nicht einmal erkennen ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Als ich mich vorstelle und dem Beamten der abwartend neben ihm steht meine Marke gezeigt habe, erhebt sich auch der Arzt. Ehe er mir die Hand schüttelt streif er sich freundlicherweise die weißen Einweghandschuhe ab. "Robinson. Guten Morgen."
"Na für den armen Tropf ist er wohl nicht all zu gut, oder?" erwidere ich und deute mit dem Kinn zur Leiche. Jetzt wo ich praktisch daneben stehe kann ich endlich einen Blick darauf werfen. Ich erstarre. Es handelt sich nur um Frakmente. Vor mir im dunkelbraunen Schlamm liegt der Torso eines männlichen Erwachsenen. Kopf und Gliedmaßen fehlen. An den Schnittstellen ist das Blut bereits geronnen. Weiß stehen die Reste der Knochen hervor. Würgend wende ich mich ab.
"Armer Scheißer!" entfährt es mir.
Robinson beobachtet mich. "Ja, kein schöner Anblick." stimmt er mir zu. "Kommen Sie!" Er geht ein paar Schritte weiter. Ich folge ihm. Aus dem Augenwinkel sehe ich das Miller und Halliway sich den Torso genauer betrachten. Der Inspektor der Met, ein gewisser Brooke gesellt sich zu uns und hört ebenfalls interessiert zu als uns Robinson die ziemlich offensichtliche Todeursache erklärt. "Männlicher Weißer, in etwa 30 bis 35 Jahre alt. Der Todeszeitpunkt liegt zwischen drei und 4 Uhr heute morgen. Todesursachen dürfte ziemlich offensichtlich sein. Ob der Mann bei seiner Zerteilung bei Bewusstsein war oder bereits Tod kann ich erst sagen wenn ich den Torso auf dem Tisch hatte." schließt er seinen Bericht.
Wir nicken kollegtiv.
"Können Sie uns sagen womit er zerteilt wurde?" fragt Brooke.
"Ein äußerst scharfer Gegenstand. Ich tippe auf ein Beil oder ein Schwert. Ein sehr scharfes."
Erstaunt ziehe ich die Stirn kraus.
In London läuft ein Mörder frei rum der seine Opfer mit einem Schwert zerstückelt? Das darf unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit geraten.
Der Pathologe verabschiedet sich und stapft mit seiner braunen Leder Arzttasche Richtung Queen's Walk.
Brooke und ich unterhalten uns kurz über die weitere Vorgehensweise.
"Definitiv wurde er nicht hier zerteilt." urteilt er.
"Jup. Kein Blut zu sehen." Ich betrachte den Schlamm. Allerdings dürfte das hier auch sofort versickert sein.
"Es ist ja auch viel bequemer ihn irgendwo im stillen Kämmerlein zu zerstückelt und anschließend nur seine Einzelteile zu entsorgen." meint Brooke.
"Genau. Dafür braucht man auch das passende Gerät und den Ort. Vielleicht sollten Sie Ihre Leute mal Metzgereien oder Schlachthöfe untersuchen lassen!" schlage ich vorsichtig vor. Polizisten fühlen sich leicht auf die Füße getreten wenn ihnen jemand aus einer anderen Abteilung Vorschriften machen will.
Doch er überrascht mich indem er antwortet.
"Okay. Das werde ich veranlassen. Mein Chief Superintendent sieht Potenzial in dem Fall und bewilligt mir ein größeres Team als gewohnt."
"Super." urteile ich.
"Irgendwo müssen die restlichen Leichenteile ja sein." überlegt mein Gegenüber weiter.
"Keine Sorge, die wird man uns schön präsentieren." mutmaße ich. "Lassen Sie weiter am Ufer des Flusses suchen. Arme und Beine finden Sie da sicherlich." rate ich ihm.
Zu meiner Verwunderung nickt er zustimmend. "Ist gut. Kennen sich ja scheinbar schon damit aus."
"Jup. Das trägt die typische Mafiahandschrift." erkläre ich. "Den Kopf hebt man sich für einen besonderen Moment auf."
Brooke sieht von seinem Notizblock auf. "Besonderer Moment?"
"Ja. Der wird den dem Opfer nahestehenden Personen, Ehefrau oder Eltern geschickt. Sie glauben gar nicht wie wirksam das ist."
Brooke schaudert.
"Noch nicht lange dabei?" grinse ich.
"Nee. Bin aus Edinburgh. Gerade erst befördert worden."
"Na dann Gratuliere ich herzlich!" Ich reiche ihm die Hand. Nicht nur zum gratulieren, sondern auch um mich zu verabschieden. Gemeinsam mit meinen Kollegen verlasse ich das Schlammgebiet.

Nach einem Abstecher zu dem Club, wo ich umsteige in mein geliebtes Baby, geht es geschlossen zurück ins Büro. Gerade angekommen meldet mir ein PostIt auf meinem Schreibtisch, dass ein gewisser Inspektor Brooke von der Met einen Leichfund mit ähnlichen Merkmalen wie bei der Leiche vorhin in den Dockland's, Tower Hamlets meldet. Ein ehemaliger Arbeiterbezirk in dem es öfters mal knallt.
Ich informiere Miller und Halliway und fahre mit ihnen zur angegebenen Adresse. Am Absperrband wieder das selbe Spiel. Ausweise vorzeigen und erkenntlich machen weshalb man an diesen Tatort will und in die Liste eintragen.
Erneut treffe ich auf Robinson. Der ältere Herr kniet erneut neben einer Leiche. Beim näher kommen sehe ich die ähnlichkeit zum vorherigen Fall. Wieder nur ein Torso. Diesmal allerdings von einer weiblichen Erwachsenen. Ihre Rundungen sind wohlproportioniert und künstlich. Ihre Nippel stehen wie eine Eins trotz des Umstands das sie Tod ist. Auffällig ist außerdem, dass sie direkt unterhalb der Rippen zerteilt wurde.
"Warum das?" frage ich den Mediziner und deute mit der Hand auf den Torso.
"Eventuell besaß die Dame Schambehaarung mit deren DNA ich etwas herausfinden könnte was mir verborgen bleiben soll oder sie hatte eine Auffälligkeit die sie sofort erkenntlich machen würde." erklärt er mir.
Ich nicke schweigend.
"Meinen Sie beide Tote stehen in Verbindung?" fragt Brooke an mich gewandt.
"Sie meinen ob sie zusammen gehören? Ein Paar waren?" hake ich nach. Ich zucke die Schultern. "Natürlich könnte das sein. Muss es aber auch nicht. Vielleicht will man die Polizei nur auf eine falsche Fährte locken." mutmaße ich.
"Hm. Ich bin jedenfalls gespannt ob wir bald die Gliedmaßen finden." brummt er.
"Meine Herren." mischt sich Robinson ein, der seine Arbeit scheinbar beendet hatte und es jetzt kaum erwarten kann die Toten in seiner Pathologie genauer zu untersuchen. "Alles wie vorhin. Auch hier liegt der Todeszeitpunkt zwischen drei und 4 Uhr heute morgen. Wie unschwer zu erkennen ist, weiblich. Mitte bis Ende zwanzig. Weiteres wie immer später. Ich melde mich."
Wir nicken stumm.
"Dann darf ich mich empfehlen. Mal schauen auf wie lange." Damit geht er davon.

Zurück im Büro war MacAvory's Schreibtisch noch immer verwaist. Ehe mich wieder etwas ablenken kann wähle ich von meinem Apparat aus die Nummer unserer Personalabteilung und informiere mich ob er sich für heute krank gemeldet hat. Dem war nicht so. Ich lasse mir seine privatadresse geben und mache Feierabend. So langsam machte es sich bemerkbar, dass ich Nachtschicht hatte. Auf meinem Heimweg fuhr ich bei der Adresse vorbei. MacAvory wohnt in einem Appartmentkomplex in Newington, genauer in Elephant and Castle. Doch auf mein klingeln an der Wohnungstür reagiert niemand. Auch kann ich kein Licht oder Geräusche jedlicher Art in der Wohnung ausmachen.
Verwundert mache ich mich endgültig auf den Heimweg.

 

Charlotte

 

Nachdem Max und Charly das Haus verlassen hatten genoss ich die Ruhe und flätzte mich mit meinem Smartphone auf das Sofa. Ach was sag ich Sofa, eine riesige bequeme Kuschel-Schlaf-Spiellandschaft ist das.
Ich wähle die Handynummer meiner Mutter. Nach kurzem klingeln nimmt sie ab.
"Hallo, mein Schatz!" grüßt sie. "Geht es dir gut?"
"Ja. Natürlich. Viel wichtiger ist aber, wie geht es euch?" antworte ich.
"Gut. Wirklich gut. Du musst dir keine Sorgen machen. Dieser Mister Steel hat uns von einem seiner Mitarbeiter zu einem Hotel bringen lassen. Man sagte mir das ich am Telefon niemanden sagen dürfte wo dieses sich befindet. Also ..." Sie schweigt.
"Verstehe." murmle ich. "Max sagte mir sowas ähnliches." gebe ich zu.
"Gut. Dann müssen wir uns wohl damit begnügen den jeweils anderen in Sicherheit zu wissen." scherzt Mom.
"Was sagt Dad zu dem Umstand das sein heiß geliebtes Auto in die Luft geflogen ist?" frage ich neugierig.
"Oh, er stand zunächst unter Schock. Heute morgen aber, wo sich alles gesetzt hat tobt er wie wild." berichtet sie.
"Warum?"
"Ach weißt du, er findet es eine Ungeheuerlichkeit, dass jemand in seinen Jaguar hineingefahren ist und ihn damit in die Luft gejagt hat."
Ich runzle die Stirn. "Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass Dad so an dem Wagen hing?"
"Oh, ich denke, es geht hauptsächlich darum das man das Eigentum deines Vaters zerstört hat." mutmaßt sie.
"Meinst du?"
"Du kennst doch deinen Vater. Wenn er nicht recht hat oder wenn ihn jemand übervorteilt, wird er zum Tier." Mom lässt ein Seufzen hören.
Um sie etwas von dem trüben Thema abzulenken berichte ich ihr von den Renovierungsplänen meinerseits. Sie hört interessiert zu.
"Und diese Charlotte ist also die Tochter von Mister Steel?"
"Ja genau. Sie ist zauberhaft!" schwärme ich.
"Hm." macht sie. "Und was bedeutet das jetzt genau?"
"Was meinst du?"
"Na, du hilfst der Tochter deines Freundes ihr Zimmer herzurichten. Wird das jetzt was ernstes mit euch? Möchtest du gern ihre Stiefmutter werden?"
"Ehrlich, Mom? Ich weiß es nicht." gebe ich ehrlich zu. "Ich liebe dieses Kind und ihren Vater! Aber ob ich für immer mit ihm zusammen bleiben möchte ... Keine Ahnung."
"Es wäre nur fair wenn du es endlich mal herausfinden würdest!" mahnt und erinnert sie mich an mein eigen gesetztes Ultimatum.
Ich fahre mir mit der Hand durch die Locken. "Ich weiß ... ich weiß. Aber ... es ist so schwer, Mommy."
Sie seufzt.
"Ich weiß was du jetzt denkst." gebe ich zu.
"Was denke ich denn?"
"Das du dich für deine Tochter schämst. Ich bin eine ... eine Schlampe. Ich weiß es. Aber es ist ... es ist eben so. Ich liebe Max, aber ich liebe auch Tom. Beide gleichzeitig. Ich kann nichts dafür. Nie wüsste ich wie ich mich jemals zwischen ihnen entscheiden sollte." Oh man, ich höre mich wirklich verzweifelt an.
"Also erstens Mal, würde ich nie von dir denken, dass du eine Schlampe bist. Du bist meine Tochter und ich liebe dich! Aber dein Verhalten kann ich nicht gut heißen. Zum Wohle der beiden Männer musst du dich für einen von ihnen entscheiden. Wie gesagt, dass wäre nur fair." schimpft sie sanft und vorsichtig. "Auf der anderen Seite darf ich dir keine Vorschriften machen. Denn ich kann dich gut verstehen."
Ohne das ich etwas dagegen tun kann, werden meine Augen feucht. Ganz undamenhaft schniefe ich.
"Echt?"
"Ja, du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, aber ich war auch einmal jung." lacht sie. Ich stimme in ihr Lachen ein und es tut verdammt gut. "Ach ist das so?"
Sie lacht herzhaft auf. "Ja. In meiner Jugend während meines Studiums, ich kannte deinen Vater bereits, war ich außerdem mit einem gewissen Benedict ... befreundet."
Hellhörig geworden spitze ich die Ohren. "Ich höre." erwidere ich, weil ich eine interessante Geschichte wittere.
Sie zögert kurz, fährt dann aber fort. "Ja also, wie gesagt Benedict war ebenfalls Student in Manchester. Jura wie ich. Wir haben uns auf einer Party in seinem Verbindungshaus kennengelernt. Mit deinem Vater war ich zu dieser Zeit bereits seit zwei Monaten zusammen. Oh er sah gut aus sage ich dir." schwärmt sie.
"Wer? Dad oder Benedict?"
"Benedict natürlich." kichert sie jugendlich.
Ich pruste los. "Okay. Mom, willst du mir etwa gerade gestehen, dass du Dad damals betrogen hast?"
"Ähm ..."
"Mom?"
"Ja also, James war in Oxfort und ich weit weg in Manchester." sagt sie als würde das alles erklären.
Ich nehme mir einen Moment um zu überlegen ob zwischen den beiden Orten tatsächlich eine halbe Weltreise nötig war um sich zu besuchen.
Ist es. Wie die beiden jemals unter diesen Umständen überhaupt zusammen kommen konnten ist mir schleierhaft.
"O-k-a-y." sage ich gedehnt. "Also du und Benedict?" bringe ich sie wieder auf die Spur.
"Ja, es war eine herrliche Zeit! Wir besuchten gemeinsam Vernissagen, gingen ins Kino oder machten einfach nur lange Spaziergänge am Irwell."
"Wusste Dad von euch?"
"Wo denkst du hin?" echauffiert sie sich. "Der wäre fuchsteufelswild geworden."
Da stimme ich ihr zu.
"Gut. Und wie lange ging das mit euch?"
Sie schweigt.
"Mom?"
"Ja also ... du darfst jetzt nichts schlechtes von mir denken!" bittet sie leise.
Ein unbestimmtes dumpfes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Gleich kommt ein Hammer, ich spüre es. "O-k-a-y."
"Ja also, wir hatten noch lange Kontakt. Weit über die Studienzeit hinaus." erwidert sie zögerlich.
"Ja?"
"Charlotte, ich war damals so in ihn verliebt. Aber auch in deinen Vater." beeilt sie sich zu sagen.
Ich nicke. Was sie jedoch nicht sehen kann.
"Ich steckte damals in einem ähnlichen Dilemma wie du heute." beginnt sie.
Gleich kommt's, ich spüre es. "Ja."
"Also als dein Vater in das Bankgeschäft seiner Eltern einstieg und dieses später auch übernahm, zog ich zu ihm nach London. Ich war im letzten Semester, doch das Studium brach ich ab, wie du ja weißt. Ich hatte künftig wichtigeres zu tun."
"Aiden?" hake ich nach.
Schweigen. Schließlich ein zögerlich zugestimmtes. "Ja."
Ich überlege, ziehe eins und eins zusammen und komme zu einem ungeheuerlichen Ergebnis. Dennoch frage ich zunächst. "Und Benedict? Wo ging er nach seinem Studium hin?"
"Nach London."
Ich schlucke. "Hat Benedict zufällig rotes Haar?" hake ich vorsichtig und fast tonlos nach.
Sie schweigt.
Das reicht mir schon als Antwort. Ich kann sie mir denken. "Ja, oder?"
"Ja." haucht sie.
"Mom, kann es sein, dass Benedict Aiden's Vater ist? Und das ich ..."
Ohne auf diese Frage einzugehen gesteht sie mir. "Ich liebte sie beide gleichermaßen. Ich kam von keinem von beiden los. Unmöglich die Beziehung zu einem zu beenden. Sie ahnten nichts von der Existenz des anderen."
"Also ja. Er ist unser Vater?"
Das würde erklären weshalb ich nie einen Draht zu meinem Vater habe herstellen können. Einzig allein Emely gegenüber konnte er Gefühle zeigen. Für mich bricht eine Welt zusammen. Mein Vater, der Mann der mich aufgezogen hat ist nicht mein leiblicher Vater. Irgendein Jurist namens Benedict ist es. "Weiß James es?" frage ich verwirrt.
Mom weint. Die Momente in denen meine Mutter geweint hat kann ich an einer Hand ablesen.
"Mom?" frage ich vorsichtig. "Ich würde dich jetzt so gern in den Arm nehmen." sage ich leise. Ich könnte allerdings ebenfalls eine Umarmung gebrauchen.
Sie schnieft. "Euer Dad ahnt bis heute nichts. Wie sollte er auch? Wo er doch schon immer am meisten mit sich selbst beschäftigt ist."
"Das stimmt. So ist er." stimme ich ihrem Urteil zu. "Und Benedict? Weiß er von unserer Existenz?"
"Ob er von euch weiß" lacht sie. "Wenn du wüsstest. Du hast es sicherlich nicht mitbekommen. Du warst noch zu jung damals. Aber er war da. Bei jedem eurer Geburtstage, zu Weihnachten am 26. Dezember und auch so. Gemeinsam haben wir Ausflüge beispielsweise in den Zoo unternommen oder sind im Sommer ans Meer gereist." berichtet sie ausführlich.
"Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern." gestehe ich. 
Sie schnieft. "Wie auch? Du warst wie gesagt noch zu jung."
"Was hat Dad denn dazu gesagt das er immer auftauchte?" will ich neugierig wissen. "Es kann doch nicht angehen das beide Männer nie etwas voneinander erfahren haben. Meine beiden haben sich sofort gefunden. Wie zwei Magnete. Und seit dem hassen sie sich." echauffiere ich mich gespielt theatralisch.
"Ach weißt du. Ich stellte ihm James als Studienkollege vor, was ja keine Lüge war. Er registrierte es und nahm es unkommentiert hin. Es schien ihn nie zu stören." erklärt sie leichthin.
"Wirklich? Ist Dad ... ähm James wirklich so egozentrisch das er nie mitbekommen hat was um ihn herum geschieht" Das er so blöde war um nicht zu sehen das seine Frau ihn jahrelang betrügt, wollte ich nicht sagen.
"Scheinbar. Jedenfalls hat er niemals etwas dazu gesagt."
"Okay. Ja, das ist er wie er laibt und lebt." Ich zucke die Schultern. "Was ist aus Benedict geworden?" frage ich.
Sie schnieft erneut. "Er ist tod."
"Was?" rufe ich laut. "Warum? Wie konnte das ... eine Krankheit?" stammle ich verwirrt. Da hatte ich gerade erfahren, dass der Mann zu dem ich mein Leben lang keine richtige Beziehung aufbauen konnte gar nicht mein wahrer Vater ist und erhalte als Entschädigung einen neuen, nur damit dieser mir im nächsten Augenblick wieder genommen wird? Scheiße!
"Er hatte einen Unfall. Bei einem Prozess in dem das Urteil gegen einen berüchtigten Bandenboss gesprochen werden sollte wurde er auf dem Weg zum Gericht überfallen. Ein maskierter, bis heute Unbekannter hatte ihn an einer roten Ampel erschossen. Einfach so. Der öffnete die Wagentür und schoss ihm drei mal in Kopf und Oberkörper."
Mir schaudert es. "Wie furchtbar!" stöhne ich. In was für einer kranken Welt leben wir eigentlich? "Das ... das ist ja ..."
"Ich weiß, Charlotte. Ich weiß." stöhnt sie und schnieft erneut. "Für mich brach damals eine Welt zusammen. Er war mein bester Freund, mein Vertrauter. Mit meinen Eltern konnte ich nicht darüber sprechen. Und da James immer ein so zurückgezogenes Leben führte, hatte ich auch sonst keine Freunde. Jedenfalls keine echten. Damals war es noch so, dass die Ehefrau sich ihrem Mann untergeordnet hat." berichtet sie mir von den schwersten Tagen ihres Lebens. "Allein Aiden und du seid mir von ihm geblieben. ihr seht ihm so ähnlich. Wenn ich in deine Augen sehe, Charlotte, dann sehe ich Benedict."
"Wie alt waren wir als es ... geschah?"
"Du warst damals erst vier Jahre alt und Aiden 7."
Ich nicke. "Das erklärt weshalb ich mich nicht an ihn erinnern kann. Gibt es denn noch Fotos von ihm?" Ich würde so gerne meinen Vater sehen.
"Natürlich. Sehr viele sogar. Ich habe sie in der Villa in einem Koffer auf dem Dachboden. Aber eines steht eingerahmt auf meinem Schreibtisch. Da steht es übrigens schon immer."
"Echt? Dann kenne ich es?" hake ich nach.
"Ja." sagt sie geheimnisvoll. "Du hattest es schon oft in der Hand."
Ich nehme mir einen Moment um mich zu erinnern. Tatsächlich. Auf diesem Tisch stehen neben Kinderbildern von uns dreien auch ein weiteres. Ein rothaariger Mann ist darauf. "Ich erinnere mich." murmle ich.
"Siehst du." lacht sie. "Ach, es war längst überfällig das du es erfährst!" Scheinbar erleichtert atmet sie laut aus. "Und Aiden? Er war doch älter. Hatte er sich nie gewundert? Und das rote Haar bei uns. Dad ist schließlich blond. Genau wie Em." grüble ich laut.
"Er weiß es. Schon ziemlich lang." gibt sie schließlich leise zu.
"Aiden weiß es?" hake ich nach als sei ich begriffstutzig.
"Ja, er hat Fragen gestellt. Da habe ich es ihm gesagt. Aber das war erst als er bereits in die High School ging." 
Das ist dennoch deutlich früher als ich es erfahren habe. "Warum hast du es mir da nicht auch gleich gesagt?" will ich vorsichtig wissen.
"Du warst zu jung. Oder besser gesagt, ich fand es war noch nicht die Zeit dafür."
"Und jetzt ist es das?"
"Jetzt steckst du in einer ähnlichen Situation wie ich damals. Ich hatte gehofft dir damit helfen zu können!"
"Helfen? Wie soll mir das helfen? Willst du mir vorschlagen weiterhin mit beiden liiert zu sein?" Ich merke wie ich wütend werde. "Das hilft mir gar nicht. Ich kann ihnen das doch nicht antun."
"Charlotte bitte ..."
"Was?" fahre ich sie an.
"Ich weiß auch nicht. Vielleicht habe ich auch einfach nur dir endlich die Wahrheit sagen wollen und es erschien meinem Kopf irgendwie der richtige Zeitpunkt zu sein?"
"Am Telefon? Jetzt? Quatsch." fauche ich. "Ich bin jetzt völlig durcheinander. Danke sehr, Mom!" Ich beende wütend das Gespräch. Was für eine Scheiße! Was muss denn noch alles in meinem Leben passieren?
Kurz darauf kommt eine SMS von meiner Mutter. "Wenn du reden willst, ich bin immer für dich da."
"Pha." mache ich und pfeffere das Smatphone ans andere Ende der Couch.

Kapitel 37

Tom

 

Bei weiteren Verhören der beiden Entführer hatte man es geschafft aus einem vom ihnen, wahrscheinlich der weichere, einen Namen heraus zu kitzeln. Ihr Auftraggeber war zwar nicht Gegorovitch selbst, aber dennoch ein bekannter Name in den Polizeidatenbanken.
Da meine Berufsbezeichnung die innere Sicherheit umfasst und ein Kerl der britische Staatsbürger entführen lässt, ganz klar ein Sicherheitsrisiko darstellt, war es an mir und meinem Team ihn festzusetzen. Und da ich bereits in dem Fall involviert war, wurde mir die Ehre zuteil den Herrn auf einen netten Plausch auf's Revier in Westminster zu bringen. Gleich nachdem ich von Falkner die Informationen erhalten habe, ging ich zu Halliway und fragte ihn ob er die nächsten sechs Stunden schon was vor hätte.
"Nö. Aber sicherlich ändert sich das gleich." erwidert er und sieht abwartend zu mir auf.
"Jup. Die Kollegen haben einen Namen aus den Entführern von Miss Spencer herausgequetscht. Der ihres Auftraggebers. Und da wir bereits an dem Fall dran sind ..."
"Hat man uns gebeten diesen Herrn hops zu nehmen." beendet Halliway meinen Satz.
"Genau." grinse ich. "Also, sind Sie dabei?"
Er nickt. "Na klar. Verstärkung?"
"Kommt durch die SO7." beruhige ich ihn. Zufrieden erhebt Halliway sich und greift sich sein Jackett von der Sessellehne. Gemeinsam holen wir uns in der Waffenkammer unsere Waffen ab und schlendern hinaus auf den Parkplatz.
"Und mit wem haben wir gleich das Vergnügen?" fragt mein junger Kollege.
"Lloyd. Oswalt Lloyd. Britischer Staatsbürger. Er betreibt, ganz bodenständig einige Restaurants in London und näherer Umgebung. Vorstrafen für Falschparken, Beamtenbeleidigung und Körperverletzung. Aber nichts ernstes."
Halliway zieht die Stirn kraus. "Gastronom? Wie passt der da rein?"
"Sicherlich nur zur Tarnung." räume ich ein und schließe meinen Audi auf. Während Halliway um den Wagen herum geht, gebe ich die Informationen weiter die ich zuvor von Falkner erhalten habe. "Die Restaurants dienen zur Geldwäsche, nehme ich an."
"Aber wie passt er ins Bild? Hat er was mit Gregorovitch zu tun?"
"Bisher können wir ihm nichts derartiges nachweisen. Wolln doch mal sehen ob sich das ändern wenn er in unserer Obhut ist." erwidere ich als er neben mir sitzt. Ich starte den Motor und fahre vom Parkplatz.
Lloyd's Restaurant, in dem er sich laut Recherchen, am häufigsten aufhält ist im nördlichsten Teil von Hammersmith, fast schon in Shepherd's Bush.
Ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber sicher nicht das hier. Edel, ist das erste was mir einfällt als wir das Supreme betreten. Dank unseres zivilen Aussehens hält uns die dunkelhäutige Bedienung, die kaum, dass wir das Lokal betreten haben, auf uns zu kommt für Gäste und fragt freundlich ob wir einen Tisch wünschen. Ich zücke meine Marke und erwidere das ich den Chef zu sprechen wünsche. Ihre eben noch freundliche Mimik gefriert und verwirrt stammelt sie etwas wie "Ich gebe bescheid." Damit verschwindet sie durch eine unscheinbare Tür zu unserer rechten.
"Kann sich wohl nicht vorstellen was ihr Boss mit dem Staatsschutz zu tun haben könnte." murmelt Halliway und lässt seinen Blick schweifen.
"Hm." brumme ich zur Antwort.
Wir müssen nur kurz auf ihre Rückkehr warten, da kommt die junge Frau auch schon wieder durch die Tür. "Mister Lloyd bittet Sie noch einen Augenblick platz zu nehmen. Er wird gleich zu Ihnen kommen." Erklärt sie leise und deutet mit der Hand in den Gastraum. Ich nicke stumme und schlendere, mit Halliway im Schlepptau zu einem der nächsten Tische. Um diese Uhrzeit ist noch nicht viel los. Nur einige wenige Tische sind besetzt. Die Bedienung verabschiedet sich mit einer gemurmelten Entschuldigung noch zu tun zu haben und entfernt sich.
"Das gefällt mir nicht." zischt Halliway. "Sicher gibt er jetzt seinem Boss bescheid. Die ahnen was."
Ich nicke stumm und sehe mich um. Plötzlich überkommt auch mich das ungute Gefühl in eine Fall getappt zu sein. "Ändern können wir jetzt nichts mehr." brumme ich leise ohne meinen Kollegen anzusehen.
"Wo bleibt die SO7?" will er wissen.
Ich zucke die Schultern. "Ich nehme an, die haben draußen unbemerkt Stellung bezogen."
"Na toll! Die denken wohl die wurden dafür ausgebildet dann können sie das auch allein erledigen."
"Beruhigen Sie sich mal!" rufe ich ihn zurecht.
Halliway sieht auf seine auf der Tischplatte gefalteten Hände. Nervös knetet er seine Finger.
"Warum dauert das so lange?" brummt er nach einigen Minuten des Scheigens. Er hat recht. Mit jeder Minute die verstreicht sinkt unsere Chance Lloyd unbemerkt ohne ohne viel aufsehens mit aufs Revier zu nehmen. Ich sehe das wie Halliway, sicherlich hat er bereits um Unterstützung gebeten. Kampflos wird das hier nicht ablaufen, soviel ist mal sicher.
Ich winke der Bedienung. Als Sie an unserem Tisch angelangt ist, sage ich. "Miss, wenn Sie so freundlich wären uns den Weg zu Mister Lloyd's Büro zu beschreiben! "
Sie macht große Augen. Ehe sie etwas erwidern kann, öffnet sie die Tür zum Lokal und zwei dunkel gekleidete Männer treten ein. Statur Türsteher würde ich sagen.
Halliway neben mir versteift sich und auch ich gehe in Hab-acht-Stellung. Die beiden Neuankömmlinge sehen sich im Restaurant um. Als ihr Blick uns trifft setzen sie sich langsam in Bewegung. Die junge Frau scheint schlimmes zu ahnen und rettet sich eilig hinter der Tür zur Küche.
Wir erheben uns und stellen uns in Positur.
Halliway murmelt etwas wie "Na toll." und starrt, genau wie ich die beiden Schränke an.
Als der eine seine Hand in seine Bomberjacke schiebt, hole ich instinktiv meinen Ausweis raus. "SIS. Bitte weisen Sie sich aus!" sage ich laut und deutlich und halte ihnen meine Marke entgegen. Der eine grinst schmierig als er sie betrachtet. Der andere macht ein Gesicht als würde er voll und ganz über all dem stehen. Dennoch nennen sie uns ihre Namen. Es sei erst einmal dahingestellt ob sie echt sind.
"Was wollen Sie?" fragt Grinsebacke mit deutlich slawischen Akzent.
Ich stecke die Marke weg und stecke beide Hände in die Hosentaschen um ihm zu signalisieren, wir wollen euch nix tun. Halliway ballt die Hände zu Fäusten und starrt die Männer noch immer an. "Wir müssen Mister Lloyd ein paar Fragen stellen." erkläre ich.
"Was für Fragen?"
"Das würden wir ihn gern persönlich fragen?"
"Wir sind Mister Lloyd's Assistenten." brummt er.
Ich kann mir ein Grinsen kaum verkneifen. Assistent wäre mir als letztes eingefallen bei ihrem Auftreten. "Ach so. Na dann, können Sie uns sicher zu ihm führen. Mister Lloyd hat uns bis jetzt warten lassen." bitte ich gespielt freundlich.
"Mister Lloyd ist ein viel beschäftigter Mann." grinst er. Der andere brummt zustimmend.
"Ach ist das so. Und womit ist Mister Lloyd so beschäftigt?" hake ich nach ohne große Hoffnung zu haben, eine sinnvolle Antwort zu erhalten.
"Davon verstehen Sie nichts."
Ich ziehe die Augenbraue hoch und ziehe ein scheinbar enttäuschtes Gesicht.
"Wenn Sie eine offizielle Vorladung bringen, wird Mister Lloyd sicher gern zu Ihnen auf's Revier oder wo Sie sonst so hausen kommen." höhnt er weiter. "Ansonsten ..."
"Genau deswegen sind wir ja hier." erwidere ich lächelnd. "Wir sind die offizielle Vorladung. Wenn Mister Lloyd sich weigert uns zu begleiten, müssen wir ihn leider vorrübergehen in Gewahrsam nehmen." erkläre ich unmissverständlich. Das war der Moment in dem für gewöhnlich die Gegner in Angriffsstellung gehen. Wie auch hier ...
Beide Männer schieben zeitgleich mit ihren Händen ihre Jacken hoch, so dass wir ungehindert einen Blick auf ihre Handfeuerwaffen haschen können. "Noch Fragen?" brummt der erste grinsend.
Was die können, können wir schon lange, und das sogar mit Lizenz. Auch wir machen deutlich das wir nicht unbewaffnet in die Höhle des Löwen gekommen waren.
"Wie niedlich." höhnt der bisher schweigsamere, scheinbar auch ältere Typ. "Eine Walther."
Ich zucke die Schultern. "Ist genauso effektiv wie Ihre. Apropos. Haben Sie einen Waffenschein?"
Sein Geduldsfaden scheint bis zum bersten gespannt zu sein. In einer flüssigen Bewegung zieht er die Waffe, entsichert den Hahn und richtet sie auf mich. Sofort fliegt meine Hand zu meiner Waffe. Erschrocken, was sein Kollege hier in dem harmlosen Restaurant abzieht, greift der erste Redner nach deren Arm und drückt ihn hinunter. Er dreht sich zu ihm und zischt kaum hörbar "Spinnst du? Nicht hier!" ins Ohr. Der andere brummt etwas auf russisch und schiebt seine Makarow zurück in den Hosenbund.
Ich lasse meine Hand wieder sinken. "Also?" frage ich.
Beide wechseln einen schnellen Blick, dann antwortet der redseeligere "Kommen Sie mit!"
Ich nicke stumm und setze mich in Bewegung. Halliway und ich folgen ihm durch die Tür. Direkt dahinter befindet sich eine schmale Treppe die in das obere Stockwerk führt. Einige Stufen knarzen unter unseren Schuhen.
Am oberen Ende der Treppe ist eine dunkelbraune schlichte Holztür die von meinem Vordermann aufgestoßen wird. Wir gehen durch einen engen dunklen Gang, nur von einigen wenigen Lampen defus erleuchtet. Insgesamt drei Türen gehen von ihm ab. Zwei rechts und eine am Ende, alle ebenso schlicht wie die durch die wir den Flur betreten haben. Mein Vordermann bleibt vor der hinteren stehen und klopft höflich an. Ein gedämpftes "Herein!" ertönt und er öffnet die Tür. Anschließend tritt er beisete um uns ein zu lassen. Das Zimmer dahinter ist hell und modern eingerichtet, ganz anders wie der Rest des Hauses erahnen lässt. Hinter Halliway und mir wird die Tür geschlossen. Beide Wachmänner stellen sich mit verschränkten Armen vor der Tür in Positur.
Hinter einem modernen Schreibtisch, der hauptsächlich aus Glas besteht erhebt sich ein hell blonder Mann mittleren Alters. Sein Gesicht ziert ein Vollbart, das Haar ist gegelt. Der moderne dunkelblaue Dreiteiler und das blütenweiße Hemd machen das Bild des Metrosexuellen komplett. "Ah, die liebe Polizei." begrüßt er uns und sieht uns freundlich mit hellblau blitzenden Augen entgegen. "Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie habe warten lassen! Ich hatte noch eine Videokonferenz." fährt er fort ohne uns zu Wort kommen zu lassen.
"Mister Lloyd." setze ich an und mache einen Schritt auf den Schreibtisch zu. In einer flüssigen Bewegung zücke ich meine Marke und halte sie ihm entgegen. "Wir haben nur ein paar Fragen."
In angesicht der Umstände entscheide ich, dass es einfacher ist die Fragen ihm direkt hier zu stellen. Falls nötig können wir ihn immernoch ins Revier zitieren.
"Aber sicher doch." lächelt er zuvorkommend. Mit einer Geste bedeutet er uns doch platz zu nehmen. "Bitte setzen Sie sich doch! Ich hoffe, Sie nehmen mir es nicht krumm, wenn die beiden Herren uns Gesellschaft leisten!" Mit einem Blick an uns vorbei deutet er auf die beiden Wachmänner an der Tür. "Nur zu meiner Sicherheit."
"Ich wüsste nicht warum Sie sie brauchen sollten ..." erwidere ich vorsichtig. "... aber wenn es Ihr Wunsch ist. Wir haben nichts dagegen. Wenn Sie keine Geheimnisse vor Ihren ... Angestellten haben." grinse ich.
"Niemals. Ich bin ein moderner Arbeitgeber." lobt er sich und nimmt ebenfalls wieder platz. Jedoch ist sein Sessel deutlich kompfortabler als die unsrigen.
"Mister Lloyd, wir ermitteln in einem Fall von Geldwäsche und in Folge dieser Ermittlungen ist Ihr Name gefallen."
"Geldwäsche?" echauffiert er sich und fasst sich theadralisch an die Brust. "Ich führe ein sauberes Etablisment."
"Mister Lloyd, bitte! Sagt Ihnen der Name Maxim Gregorovitch etwas?"
Er tut verwirrt und nimmt sich ein paar Momente um zu überlegen. Schließlich antwortet er "Nein. Noch nie gehört. Sollte ich ihn kennen?"
"Das fragen wir uns auch." fahre ich fort. "Mister Gregorovitch betreibt ein Casino in West End. Klingelt es immer noch nicht?"
Er schüttelt entschuldigend den Kopf. "Tut mir leid!"
"Hm." mache ich und mustere ihn eindringlich. Ein paar feine Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn. Er lügt und die Luft wird knapp für ihn. "Wir haben einen Zeugen der aussagt, dass Sie regelmäßig Geld aus eben diesem Casino erhalten um dieses zu 'waschen'."
"Also das ist doch ..." echauffiert er sich scheinbar entrüstet.
Ich fahre fort. "Dieser Zeuge gibt außerdem zu Protokoll, dass Sie auch anderweitige Aufträge von Herrn Gregorovitch ausführen."
"Ach ist das so?" macht er.
"Delikatere Aufträge. Entführung zum Beispiel." Ich beobachte genau seine Reaktion.
Lloyd reißt die Augen auf und lehnt sich zurück. "Was?" ruft er. "Das ist doch wohl ..."
"Ja?"
"Bullshit!" schreit er. "Ich und Entführung?"  
"Das sagt der Zeuge." Ich zucke mit den Schultern und lehne mich zurück.
"Blödsinn! Niemals würde ich ... Auf keinen Fall!"
"Die Fakten sprechen gegen Sie, Mister Lloyd." lüge ich.
"Wer ist dieser Zeuge?" schreit er. Ein feiner Spuckefaden fliegt dabei über den Tisch.
Mit seiner heftigen Überreaktion hat er eigentlich schon ein Zugeständnis gegeben. Dennoch bohre ich weiter. "Das werde ich Ihnen ganz sicher nicht verraten."
"Der lügt!" mutmaßt er und schlägt mit den Handflächen auf die Tischplatte. "Der lügt! Ich würde niemals jemanden entführen."
"Ich habe ja auch nicht gesagt, dass Sie der jenige waren der aktiv geworden ist, sondern nur, dass Sie der Auftraggeber für weitere Männer waren." erkläre ich gelassen.
Er sieht mich an. Abwartend. "Und diese Männer haben behauptet ich hätte sie angeheuert?"
Ich zucke die Schultern. "Haben Sie?"
"Natürlich nicht!" schreit er ungehalten.
"Der Zeuge behauptet etwas anderes." erwidere ich lapidar.
"Wen soll ich denn entführt haben?"
"Sagt Ihnen der Name Spencer etwas?" frage ich statt einer Antwort.
Sein Auge zuckt bei der nennung des Namens. Er kennt Charly's Vater, ganz sicher. Dennoch behauptet er. "Kenn ich nicht. Noch nie gehört."
"Unser Zeuge behauptet von Ihnen angeheuert worden zu sein." setze ich dagegen.
"Dann lügt Ihr so genannter Zeuge eben!"
Ich zucke die Schultern. "Hm. Mister Lloyd, besitzen Sie ein Cottage in Wales?"
"Wales? Wieso?"
"Besitzen Sie dort eine Immobilie?" wiederhole ich meine Frage.
"Ja, das tue ich. In der Nähe von Cardiff. Aber warum wollen Sie das wissen?"
"Wann waren Sie selbst zum letzten Mal dort?" mischt sich Halliday ein.
Lloyd' s Kopf schwenkt zu ihm. Wild fragt er "Ich? Ewig her. Warum fragen Sie so'n Scheiß?"
"Wenn Sie vor kurzem da gewesen wären, wäre Ihnen sicherlich die gefangen gehaltenen Frauen aufgefallen."
"Was?" brüllt Lloyd. "Da waren Frauen? Warum?" stellt er sich unwissend.
Ich schlage mit der flachen Hand auf die Tischplatte vor mir, was ein kräftiges Zucken von Lloyd und einen Ruck in seine beiden Bodyguards hinter uns einbringt. "Mister Lloyd, Sie denken wohl Sie können uns verscheißern. In ihrem Cottage in Cardiff wurden eine ältere und eine junge Frau gefangen gehalten. Die letztere war das von Ihnen anvisierte Entführungsopfer und erstere war dort um sich um sie zu kümmern. Die beiden Aufpasser hatten genug mit sich selbst zu tun." brülle ich mal zur Abwechslung.
"Hey." kreischt Lloyd. "Was soll das? Sie kommen hier her und behaupten solchen Mist. Ich würde Leute entführen lassen und so. Wie kommen Sie darauf? Ich bin ein unbescholtener Gastronom."
Wäre ich nicht so professionell, hätte ich jetzt laut los gelacht. "Mister Lloyd, wir haben uns über Sie schlau gemacht. Ihre Kneipe hier ..." Ich mache eine Geste Richtung Fußboden und Lloyd schnaubt "Kneipe? Ich darf doch wohl bitten."
"... wirft nicht genug ab um in einer Gegend wie dieser hier länge Zeit überdauern zu können. Dennoch tut es das. Und bereits seit mehr als 12 Jahren. Wie kann das sein?" Abwartend sehe ich ihn für einen Moment an. Dann, ohne ihn die Chance einer Antwort zu geben fahre ich fort. "Ich sag Ihnen wie das geht. Sie lassen sich schmieren. Gregorovitch bezahlt Sie damit Sie für ihn die Drecksarbeit machen."
Lloyd schnappt nach Luft.
"Schon allein dafür, dass der Verdacht besteht Sie könnten mit Gregeorvitch unter einer Decke stecken könnte ich Sie vorerst mit aufs Präsidium nehmen."
In diesem Moment treten beide Gorillas zu unseren Seiten. "Sie werden niemanden mitnehmen." schnarrt der ältere mit seinem russischen Akzent.
Halliway und ich springen auf. Erstes Gesetz im Überlebenskampf, sei niemals weiter unten als dein Gegner.
"Hey." mischt Lloyd sich halbherzig ein.
Abwartend ruht meine rechte Hand auf dem Holster. "Ich darf Sie bitten sich nicht in unsere Angelegenheit einzumischen!" warne ich die Männer. 
Doch ich ernte nur ein hämisches Grinsen.
Sekundenlang starren wir uns an.
Halliway scheint es zu reichen. "Stellen Sie sich zurück an die Wand!" befiehlt er laut und deutet mit einem Kopfnicken in den hinteren Teil des Raumes.
Er wird ignoriert.
"So das reicht." beschließe ich schließlich. "Mister Lloyd, ich muss Sie bitten uns für eine Aussage und Gegenüberstellung auf das Präsidium zu begleiten!"
"Aber ich bin ein unbesch ..."
Unbescholtener Bürger hat er wohl sagen wollen, doch so weit kommt er gar nicht, da durchschneidet ein lauter Knall die Luft und Lloyd's Leblose Hülle wird mit einem Loch mitten auf der Stirn nach hinten geschleudert.
Halliway und ich, da wir nebeneinander stehen, haben keine Ausweichmöglichkeit außer über den Schreibtisch. Gleichzeitig hechten wir mit einem Sprung über die Tischplatte. Gerade noch rechtzeitig haben wir die Waffen gezogen und sind hinter dem Schreibtisch in Deckung gegangen als die nächsten Schüsse fallen. Der robuste Tisch im Kollonial Stil bietet gute Deckung. Abwechselnd brüllen wir Warnungen oder geben Schüsse in Richtung der Wachmänner ab.
"Scheiße!" flucht Halliway. "Scheiße, Scheiße, Scheiße!"
"Ja. Wir hätten ihn gleich einsacken sollen." gebe ich zu und luge um den Schreibtisch herum. Anfängerfehler. Das mir sowas passiert. Da glaubt man mal an das Gute im Menschen ...
Erst aus dieser Position fallen mir die strahlend weißen Sneaker auf die der ältere trägt. Sie wollen so gar nicht zu seinem übrigen Outfit fassen zu wollen. Ich wundere mich noch über seinen Modegeschmack als er mir eine letzte Kugel um die Ohren schießt. Sie schlägt knapp neben meinem Kopf in dem Holz des Tisches ein. Instinktiv gehe ich in Deckung.
Eine Tür klappt zu.
Vorsichtig luge ich wieder um den Tisch herum. Der Raum ist leer. In rasender Geschwindigkeit rappeln wir uns auf und hechten den Flüchtenden hinterher. Wenn wir etwas Glück haben, hat die Verstärkung die Schüsse gehört und sich aktiv geworden.
Der Flur, sowie das Restaurant sind leer. Entweder hat man das Lokal evakuiert und die Leute sind aufgeschreckt durch die Schüsse im Obergeschoss geflüchtet. Leider ist auch von den beiden russischen Killern nichts mehr zu sehen. Halliway und ich teilen uns auf. Ich laufe mit der Waffe im Anschlag zur Küche und Hinterausgang, während er den Gastraum und die Straße davor durchsucht.
Vorsichtig, aber dennoch schnell genug durchsuche ich die leere Küche. In einem großen Topf auf dem Herd blubbert eine Suppe oder ähnliches. es duftet köstlich. Das Fleisch in der Pfanne daneben wird wohl niemanden mehr schmecken. Bereits jetzt ist es schon gut durch. Ich renne weiter zu einer unscheinbaren Metalltür die, wie ich vermute direkt auf einen Hinterhof führt. Vorsichtig öffne ich sie einen Spalt breit und luge hindurch. Nichts. Kraftvoll trete ich sie auf und gehe mit der Waffe voran hindurch. Eine enge Gasse, sicher der Hinterausgang. Einige Mülltonnen stehen rechts neben der Tür. Links noch ein Container für Altpapier. Kein Mensch ist zu sehen. Da wird mit einem Mal irgendwo ein Motor gestartet. Durch das Echo in der engen Gasse ist es unmöglich genau heraus zu hören ob es von links oder rechts des Gebäudes kommt. Ich entscheide mich für links und renne los, Richtung Perres Road die ich da vorn vermute. Kaum die Straße erreicht rast ein schwarzer Landrover an mir vorbei. Am Steuer und Beifahrersitz die beiden Russen. Ich habe gerade noch genug zeit mit das Kennzeichen zu merken, als der Wagen bereits um die Ecke biegt. So schnell ich kann laufe ich um das Gebäude herum zu meinem Kollegen und der des MET.
"Sie sind entwischt." verkünde ich kaum das ich Halliway habhaft werde. In Stichpunkten berichte ich.
"Kennzeichen?"
"Ja. Aber das wird nicht viel nützen. Sicher entdeckt irgendeine Streife den Wagen heute Abend im Fluß." mutmaße ich wütend. "Scheiße!" Ich raufe mir das Haar. Das wird einen schönen Anpfiff von Falkner geben.    

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Charlotte

 

Ich musste mich abreagieren und mit Renovierungsarbeiten ging das ganz gut. Über Max Laptop bestellte ich neue Möbel für Charlotte's neues Traumzimmer. Der Traum eines Zimmer für ältere, reifere Mädchen - solche wie Charlotte eben. Zufrieden mit mir klappe ich den Computer zu und lege ihn weg. Anschließend ließ ich mir ein entspannendes Vollbad ein. Im laufe ein paar wenigen Wochen hat mein Leben eine beunruhigende Wendung genommen. Seit heute morgen lag sogar mein Elternhaus in Trümmern. Ich lasse mich tiefer in die riesigen duftenden Schaumberge sinken. Langsam entspannten sich meine angespannten Muskeln und auch meine Gedanken, die bis eben noch wirr im Kreis gekreist sind ordneten sich und beruhigten sich zunehmend. Sicherlich ist es Mom all die Jahre nicht leicht gefallen uns die Wahrheit zu verschweigen oder besser die Fassade aufrecht zu erhalten! Aber das mein Vater, also mein wirklicher, also der den ich mein ganzes Leben dafür gehalten habe nichts geahnt hat ... Oder hatte er doch, hat aber gute Miene zu bösem Spiel gemacht?
Ich weiß es nicht. Und ich werde einen Teufel tun und ihn jemals danach befragen. Aber nun ist es doch so, dass Em 'nur' unsere Halbschwester ist. So langsam wird mir auch klar, weshalb ich nie ein so inniges Verhältnis zu ihr aufbauen konnte wie ich es zu Aiden habe. Oder ist das ein Trugschluß?
Fragen über Fragen.
Fest steht, ich muss dringend mit jemanden reden.
Zum einen mit meinem treulosen Bruder, der bereits jahrelang über unsere Väter bescheid wusste und zum zweiten mit meinem Seelenverwandten - Tom.

Als Max einige Zeit später gemeinsam mit Charlotte nach Hause kommt ist das Kind enttäuscht das ihr Zimmer noch immer in dem hässlichen rosatönen erstrahlt. "Weißt du, dass geht nicht so von jetzt auf gleich." versuche ich ihr zu erklären. "Zum ersten habe ich einen Plan entworfen, den kennst du ja schon ..."
Sie nickt lustlos.
"... und heute habe ich die neuen Möbel bestellt."
Charlotte's Gesicht hellt sich auf. "Wirklich? Zeig sie mir!" fordert sie begeistert.
Und das tue ich. Das beansprucht die gesamte Zeit in der Max für uns Kaffee zubereitet und für Charlotte eine heiße Schokolade zaubert.

Nach dem essen entschuldigt sich Charlotte. Sie muss sich für ihre Ballettstunde fertig machen.
"Wenn du gleich Charly zu ihrem Tanzstudio bringst ..." beginne ich vorsichtig.
Max sieht auf. "Ja?"
"... könntest du mich dann zu Tom bringen?" vollende ich meinen Satz. Auf keinen Fall möchte ich, dass er denkt, ich würde seine Gesellschaft nicht genießen und nur zu Tom wollen. So ist es nämlich nicht.
"Zu Cray?" hakt er nach und runzelt die Stirn. "Warum?" Er steht auf und stellt unsere benutzten Tassen in den Geschirrspüler. "Der muss arbeiten." brummt er kaum hörbar.
"Am Abend?" versuche ich es vorsichtig mit einem Lachen.
"Der ist doch so eine Art James Bond oder? Die sind doch immer im Einsatz." brummt er weiter.
"Ich hab ihm schon geschrieben." gebe ich leise zu und sehe auf meine im Schoß gefalteten Hände.
"Ach."
"Hm."
Wir scheigen. Im Obergeschoss hören wir Charly hin und her laufen.
"Es ... es geht um eine Familiensache." beginne ich langsam zu erklären. "Er ... er ist ... Tommy ist schon ewig mit mir befreundet. Er kennt meine Familie. Er kennt ... mich." stammle ich.
"Tommy?" schnaubt er.
"Ach komm schon, Max!" Ich stehe auf und gehe auf ihn zu. "Es gibt keinen Grund eifersüchtig zu sein."
Er schnaubt deutlich lauter. "Keinen Grund für Eifersucht? Charlotte, hörst du dir selbst zu was du sagst?" herrscht er mich an.
Erschrocken weiche ich zurück. Einen Wutausbruch bin ich von ihm nicht gewohnt. "Max ..."
"Charlotte, du forderst zwei Männer auf um dich zu kämpfen, weil du dich nicht zwischen uns entscheiden kannst und willst mir jetzt sagen, dass es keinen Grund für Eifersucht gibt. Auch wenn du es dir vielleicht nicht vorstellen kannst, Charlotte Spencer, aber ich habe auch Gefühle." beendet er seinen Ausbruch.
"Das weiß ich doch ... So war es doch gar nicht gemeint." Ich lege ihm vorsichtig meine Hand auf den Unterarm. Er lässt sie dort liegen, sieht mich jedoch nicht an.   
"Ich ... ich brauche nur seinen Rat. Den kann nur er mir geben. Einfach darum, weil er mich schon so lange kennt. Wir sind zusammen aufgewachsen. Es ist auch ..." Ich breche ab udn sehe auf meine Fußspitzen.
"Was?" brummt er und klingt schon wieder etwas freundlicher.
"Nun ja, es kommt mir so vor ... als ... als würde mir irgendwas entgehen. Als würde man mir etwas verheimlichen. Das eine hat sich heute geklärt. Durch meine Mutter. Sie rief mich an. Wenn es okay ist, möchte ich dir später erst von diesem Anruf erzählen?" Ich sehe ihn abwartend an. Er nickt zustimmend. Sieht mich aber irgendwie durchdringend an. "Zum anderen kommt es mir so vor, als wäre ich nur ein Spielball von etwas Größerem. Ich weiß nicht so recht wie ich es beschreiben soll."
Plötzlich zieht mich Max in seine Arme. "Ich denke, ich weiß was du meinst. Du hast da nicht ganz unrecht. Aber ich kann dir noch nichts genaueres sagen. Ich würde gern, du glaubst gar nicht wie gern, aber ich möchte dich ebenfalls bitten mir etwas Bedenkzeit zu geben bis ich es dir erklären kann. Ich muss zuerst jemanden sprechen."
"O-k-a-y." ewidere ich langsam. "Wen denn?"
"Cray." gibt er kurz zurück.
Erstaunt ziehe ich die Brauen hoch. "Tom?"
Er nickt erneut. "Er und ich ... arbeiten in dieser Sache zusammen." erklärt er schwammig.
"Arbeitet zusammen?" wiederhole ich lahm. "Bin ich diese 'Sache'?"
Er zuckt die Schultern. "In gewisser weise."
"Hat es was mit meiner Entführung zu tun?" Ehe er etwas erwidern kann, beantworte ich mir die Frage selbst. "Aber natürlich hat es das. Womit auch sonst. Ich bin ja nicht ohne Grund entführt worden. Man hat meinen Vater erpresst. Warum ist mir nur nicht ganz klar. Was ist da los, Max? Was ist es was man mir verschweigt?" dringe ich ihn ihn. Doch er ist besser als ich dachte und bleibt stur."Ich muss erst mit Cray sprechen. Er wird sauer wenn ich es dir einfach so sage."
"Und davor hast du Angst?" grinse ich mutig.
"Nur so viel, ich rate dir gegenüber deinem Vater in Zukunft vorsichtig zu sein!"
Erstaunt reiße ich die Augen auf. "Mein Vater? Hat er mich ... Ist er dafür verantwortlich ...?"
"Charly, nicht!" wehrt er ab. "Ich rede mit Tom und bald schon wirst du die Wahrheit erfahren. Aber bitte bleib in der nächsten immer in Tom's oder meiner Nähe! Geh nicht allein raus. Du bist noch immer in Gefahr." warnt er eindringlich.
Ich schmiege mich an seine Brust. "Du machst mir Angst." flüstere ich in sein Hemd.
"Du bist hier sicher." raunt er und streichelt mir mit seiner großen Hand über das Haar.
"Du passt auf mich auf?" flüstere ich.
"Immer. Cray und ich. Wir sind immer für dich da."

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Kapitel 38

Tom

 

"Hey. Wie war dein Tag?" begrüßt Charly mich, kaum dass ich sie eingelassen habe.
"Durchwachsen." stöhne ich. "Hey. Nicht das ich mich nicht freuen würde, aber was willst du hier?" frage ich.
Erstaunt sieht sie auf. "Ähm ..."
"Steel meinte du hast eine Beschäftigung gefunden. Du renovierst das Zimmer seiner Tochter." erkläre ich mich schnell.
Sie löst sich von mir und geht geradewegs ins Wohnzimmer wo sie sich auf mein Sofa setzt. Ich folge ihr. Auffordernd klopft sie mit der flachen Hand neben sich auf das Polster. Ich folge, setze mich und lege meinen linken Arm hinter ihr auf die Rückenlehne. Sofort kuschelt sie sich in meine Armbeuge. "Es ist etwas passiert." beginnt sie leise.
Hellhörig geworden sehe ich sie an. "Was?"
Ist sie etwa ohne unser Wissen allein draußen herum spaziert und wurde dabei angequatscht oder schlimmeres?
"Heute Morgen rief mich meine Mutter an." beginnt sie endlich zu berichten.
"Okay. Wie geht es ihnen?" hake ich nach, denn ich ahne, dass es um ihren Vater geht. Hat er sich so über seinen Wagen aufgeregt, dass er einen Herzanfall hatte?
"Gut. Denke ich. Dad ... ähm Vater hat sich wohl sehr aufgeregt.
"Charly, was ist los?" frage ich eindringlich und drehe meinen Kopf so das ich ihr direkt ins Gesicht sehen kann.
Sie zweifelt, irgendwas nagt an ihr. Plötzlich bricht es aus ihr heraus. "Oh Tommy, ich brauche deinen Rat. Du kennst sie schließlich schon ewig. Du kennst uns." stammelt sie.
Ich verstehe kein Wort und sage ihr das auch.
Chaly atmet tief durch und beginnt ruhiger als zuvor zu berichten was ihr ihre Mutter am Telefon heute Morgen gebeitet hat.
Ich glaub, ich fall vom Glauben ab. "Und sowas sagt sie dir am Telefon?" echauffiere ich mich.
Beruhigend legt sie mir ihre kleine Hand auf den Unterarm und kuschelt sich enger an mich. "Genau das habe ich ihr auch gesagt. Sie hätte in all den Jahren keinen ungeigneteren Zeitpunkt finden können." urteilt sie.
Ich nicke.
Mit einem Mal muss sie kichern. "Doch ... doch da hätte es einen gegeben. Einen noch schlechteren Zeitpunkt meine ich."
"Echt?" brumme ich.
"Kannst du dich an die Theateraufführung in der 10. Klasse erinnern?"
"Die wo du Rapunzel warst und dem armen Prinzen den Arm gebrochen hast?" grinse ich.
Sie nickt.
"Und wie. Wer könnte sich nicht erinnern?" fahre ich lachend fort. "Das war was. Der arme Thomas, in seinen bunten Strumpfhosen, als wäre das nicht schon traurig genug klettert an deinen Haare den Turm hinauf. Irgendwo blieb er mit seiner Bundfaltenhose hängen. Du zerrst an dem Seil und reißt dabei das Bühnenbild auseinander."
Charly zieht einen Schmollmund. "Ich wollte ihm nur helfen."
"Tja, nur das du mit deinem Gehampel das Bühnenbild komplett zerstört hast und als dann der ganze Turm ..." Ich zeichne mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. "... samt Thomas in sich zusammen gekracht ist. Dein Gesicht werde ich nie vergessen, wie du da auf ihm gesessen hast." keuche ich lachend.
Sie zischt. "Toll. Danke!"
"Wie das gerumst hat." lache ich. "Niemals werde ich das vergessen."
"Wenn du dann mal fertig bist." brummt sie gespielt beleidigt. "Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ehe du in Erinnenungen geschwelgt hast, war folgendes. Ich werde nie die Schmach vergessen die ich in diesem Augenblick gespürt habe. Und das Gesicht meines Vaters. Wie er geschaut hat. So verachtend und herablassend. Als er aufgestanden und einfach den Saal verlassen hat. Das hat weh getan." Sie schweigt und sieht traurig zu Boden.
Ich streichle aufmunternd ihren Oberarm.
"Jedenfalls wäre das auch ein blöder Zeitpunkt gewesen wenn meine Mutter mir damals gesagt hätte, 'Mach dir  nix drauß Charlotte, er ist ja nicht dein richtiger Vater. Deinem leiblichen Vater hätte die Vorstellung sicher trotzdem gefallen.'." Sie schnauft. "Jedenfalls wäre der sicher nicht beschämt gegangen. Jedenfalls stelle ich es mir so vor. Sicher war er ein toller Mensch. Nett und so." mutmaßt sie.
Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll udn ziehe es vor zu schweigen. Sie muss mit jemanden reden, aber nur um den Ballast los zu werden, nicht um sich vollgequatschen zu lassen. Ich kenne sie. 
"Mom meint, er war ein lieber Mensch. Gütig, freundlich zu seinen Mitmenschen. Schade das ich ihn nicht richtig kennengelernt habe!" plaudert sie weiter.
"Aber er war da, sagst du? Zu Weihnachten und so. Er war ein Studienfreund deiner Mutter?"
Sie nickt und wischt sich schniefend mit dem Handrücken über die Augen. "Ja, er war bei jedem unserer Geburtstage da. Es stehen sogar Fotos von ihm im Haus meiner Eltern."
"Seltsam." brumme ich.
"Was?"
"Na, es ist seltsam, dass James das geduldet hat. So wie ich ihn kenne, hätte er eine Affaire deiner Mutter nicht so einfach weg gesteckt." gebe ich zu.
"Meinst du?" Charly sieht mich wieder an. "Mich hat das auch gewundert. Aber zum anderen hat er sich doch noch nie für irgendwas interessiert was zu Hause los ist."
"Ja, was es Sonntags zu essen gibt oder wer zu welcher Familienfeier eingeladen wird. Aber eine Affaire und untergeschobene Kinder. Nein, Charly, dass ist was völlig anderes."
"Wirklich? Du meinst also, er wusste es sehr wohl und ..."
"Hat es entweder tatsächlich akzeptiert, was ich mir bei dem Naturell deines Vaters wirklich nicht vorstellen kann oder er hat etwas unternommen."
"Unternommen? Was meinst du damit?"
Ich zucke die Schultern. Jetzt bloß nichts falsches sagen. Auf keinen Fall möchte ich, dass Charly denkt ich würde ihren Vater für einen Möder halten. Jedoch in anbetracht der Umstände der letzten Zeit, kann ich mir das gut vorstellen. James Spencer ist alles andere als der nette Banker und Familienvater für den alle Welt ihn hält.
"Tom!" folrdert sie mich auf. Mist! Sie hat Lunte gerochen. Sie kennt mich zu gut. "Tommy, rede! Woran denkst du?"
"Ähm ... ich kann nicht. Will sagen, ich darf mir kein Urteil bilden."
Sie holt Luft. Will was erwidern. Doch ich lasse sie nicht zu Wort kommen und rede einfach weiter. "Ich muss erst etwas klären. Nur so viel, ich kann verstehen, dass du sauer und aufgewühlt bist. Deine Mutter hat den Zeitpunkt wirklich nicht gut gewählt, aber sicher hatte sie ihre Gründe dafür es dir gerade jetzt zu beichten." schließe ich und sehe sie an.
"Aiden hat sie es doch auch schon früher gesagt." wirft sie trotzig ein. "Warum da nicht auch gleich mir?"
"Er ist älter. Vielleicht dachte sie du bist noch zu jung?"
"Aber gerade jetzt? Nach meiner Entführung, nachdem das Auto meines Vaters durch eine Bombe in die Luft geflogen ist."
Ich zucke die Schultern. "Wer weiß was sie geritten hat?"
Ich muss dringend telefonieren und ins Internet. "Magst du heute hier bleiben? Ich habe heute Nacht frei. Wir könnten was essen gehen." schlage ich vor.
"Draußen?" staunt sie mit großen Augen.
"Klar doch." lache ich und fahre mir mit der Hand durchs Haar. "Eine Restaurantküche und das Know how habe ich leider nicht im Haus."
"Sehr gern!" freut sie sich. "Es wird ja wohl nicht vor der Tür ein Auto in die Luft fliegen." grinst sie.
"Keine Angst, bei mir bist du sicher." Ich stehe auf und ziehe sie in eine Umarmung.
"Den Satz habe ich heute schon einmal gehört." nuschelt sie an mein Shirt.

Stunden später liegt Charly satt und zufrieden in meinem Bett und schläft. Endlich habe ich Zeit und die Ruhe um ein wenig nach zuforschen.
"Wolln doch mal sehen ob darüber was in H.O.L.M.E.S._2 steht. Die Abkürzung steht für Home Office Large Major Enquiry System. Eine online Datenbank für Schwerkriminalität der Polizei Großbritaniens. Jeder DI, SI, Bobby oder jeder andere Polizist Britaniens kann Daten eingeben und rauslesen. Jeder Fall wird akribisch vermerkt. Es wäre doch gelacht, wenn sich hier nichts über einen Benedict Abernathy finden ließe.
Ich tippe den Vor zu Zunamen in das Suchfeld ein und tatsächlich spuckt mir die Datenbank den Bericht eines DS Spike Madows über den Mord an einem Juristen namens Abernathy, Benedict aus. Ich klicke die File an udn beginne zu lesen. Abernathy wurde, wie von Charly's Mutter berichtet am hellichten Tag an einer roten Ampel in seinem Wagen erschossen. Laut Augenzeugenberichten näherte sich ein dunkel gekleideter Mann dem Wagen, riss die Fahrertür auf und schoss ohne Zeit zu verlieren dem Fahrer drei Kugeln ins Gesicht. In dem darauf folgenden Trubel verschwand der Angreifer sang und klanglos. Bis heute gilt der Fall als ungeklärt. Fingerabdrücke wurden keine am Türgriff gefunden, weshalb man davon ausgeht, dass der Täter Handschuhe getragen hatte. Natürlich. Wer so abgebrüht ist jemanden auf offener Straße unter so vielen Zeugen abzuknallen, der ist soviel Profi auf Nummer sicher zu gehen. Resigniert schließe ich die Seite. In der Crimeint Datenbank suche ich nach dem Namen Abernathy. Natürlich finde ich hunderte Einträge. Aber vielleicht finde ich hier einen Zusammenhang zwischen Benedict Abernathy und dem Täter. Niemand wird ohne Grund einfach so erschossen. Auch wenn es anfangs nicht so aussieht, am Ende gibt es immer einenn Zusammenhang beziehungsweise einen Grund.
Eine Stunde und etliche Abernathy's später bin ich genauso ahnungslos wie zuvor.
Ratlos gehe ich hinaus auf die Terrasse und lehne mich an das kühle Geländer. Die kalte Nachtluft tut gut. Macht den Kopf frei. Was habe ich übersehen? Wo steckt die Verbindung? Es muss eine geben. So ein Scheiß! Als hätte ich mit Spencer's Erpressung und der Entführung von Charly nicht schon genug am Hals, da halse ich mir auch noch einen ungeklärten Mord von anno dazumal auf.
Ich sehe hinauf in den tintenschwarzen wolkenverhangenen Nachthimmel. Mit einem Mal kommt mir der Gedanke, dass James sehrwohl von der Affaire zwischen seiner Frau und Abernathy gewusst haben könnte. Wenn ich bedenke, dass er cholerisch und jähzornig veranlagt ist. Und ich ihn keineswegs wie alle anderen als senilen alten Sack abtue, komme ich zu dem Entschluss das es durchaus möglich ist, dass er gehandelt hat als er von der Affaire Wind bekommen hatte. Ein gerissener alter Fuchs der er nun einmal ist, sonst wäre sein Bankhaus nicht eines der mächtigsten Großbritaniens, ist er viel zu schlau um selbst in Augenschein zu treten. Wenn er tatsächlich etwas mit dem Mord an Abernathy zu tun hat, hat er jemanden angeheuert für ihn die Drecksarbeit zu erledigen.
Ich weiß, dass sind ungeheuerliche Vorwürfe, und Charly würde ausflippen wenn sie sich bewahrheiten sollten. Doch ich kenne Spencer schon ein paar Jahre und traue ihm ein solches Verhalten eher zu als das des naiven gehörnten Ehemannes der sich zwei Bastarde unterjubeln lässt.
Dieser Abernathy muss doch noch Verwandte haben. Ich gehe zurück ins Haus und stelle mich auf eine lange Nacht am PC ein.
Meine Suche durch die verschiedensten Datenbanken ergibt am Ende ein neues Großelternpaar in Manchester, sowie eine Tante in Australien für Charly und ihren Bruder. Besagte Schwester von Abernathy war es auch die damals die Beerdigung regelte und die Ermittlungen immer wieder ankubelte. Einer kleinen Randnotiz, die irgendein ermittelnder Beamter gemacht hatte entnehme ich, dass sie eine resulute Frau ist die damals darauf pochte, dass die Ermittlungen nicht bereits nach wenigen Tagen eingestellt wurden. Immer wieder kam sie wohl auf das Präsidium und machte den DI's Dampf unterm Hintern. Auch war sie es die den Verdacht auf Spencer lenkte. Dann wusste sie also von der Affaire und den daraus entstandenen Resultaten in Menschenform. Seltsam das sie sich in all der Zeit nie bei Charlotte' s Mutter hat blicken lassen? Oder hatte sie das und die hat sie nur nicht annehmen wollen? So viele ungeklärte Fragen. Die zu beantworten habe ich mir für den nächsten Tag auf. Das und das herausfinden der Kontakdaten besagter Tante und Eltern von Abernathy.
Die Neuigkeit über die neuen Familienmitglieder für Charly werde ich mir für später aufheben.     

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Max

 

"Ich muss mit dir reden! Dringend!" meint Cray am Telefon.
"Jetzt sofort?" schaufe ich.
"Das habe ich doch gesagt." herrscht er mich an.
"Okay." gebe ich nach. "Ich muss nur eben noch schnell Charly in die Schule bringen und mein Team das bei den Spencer's Wache hält anrufen."
"Gut. Dann mach das. 10 Uhr im Luigi's ist das okay?"
Ich kenne das italienische Restaurant in West End. Typisches Cop Lokal. "Okay. Bis später dann." Ich lege auf. Was konnte jetzt schon wieder passiert sein?

Meine Neugier wird kaum das ich das Lokal betreten und mich zu Cray an den Tisch gesetzt habe befriedigt. "Endlich." stöhnt er theatralisch.
"Nun komm mal wieder runter. Ich bin super pünktlich." erwidere ich genervt. "Gehört zu meinem Berufsethos." füge ich mit einem gewissen Stolz in der Stimme hinzu. 
"Na ja, egal, hauptsache du bist jetzt da."
Da fällt mir plötzlich die Abwesenheit von Charlotte auf. "Moment mal! Wo ist Charlotte?"
"Bei ihrer Mutter." meint er knapp.
"Bei ihrer Mutter?" keuche ich. "Aber in ihrem Elternhaus ist sie doch zur Zeit alles andere als sicher." Die Tonlage meiner Stimme steigert sich ins leicht panische.
"Komm mal wieder runter!" grinst er. "Ich habe nicht gesagt das sie in der Villa ist. Ihre Eltern sind in einem Hotel untergebracht." erinnert er mich.
"Ja und? Das hat nichts zu heißen." echauffiere ich mich.
"Bin ich Anfänger?" lacht er weiter. "Ich habe natürlich Leute zu ihrem Schutz abgestellt. Ein Mann vor der Tür, zwei in der Lobby, ein Streifenwagen vor und einer am Hinterausgang des Hotels. Beruhigt dich das?"
Tom besieht sich seine Hände. "Wenn ich allerdings mit meiner Vermutung richtig liege, ist sie gerade in der Nähe ihres Vaters alles andere als sicher." flüstert er fast.
Ich habe Schwierigkeiten ihn richtig zu verstehen. Doch die Fakten konnte ich doch ganz gut heraus hören. "Moment, was?" rufe ich. "Spencer ist der Auftraggeber? Er ist der Mister X in unserem Krimi?"
Er nickt. "Wie gesagt, wenn sich meine Vermutungen bestätigen. Und noch ist es nichts weiter als das. Genau deshalb brauche ich dich ja, Steel."
"Erzähl!" fordere ich ihn auf und sehe ihn erwartungsvoll entgegen.
"Hat dir Charly erzählt was sie gestern von ihrer Mutter erfahren hat?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Ich wusste nicht das sie mit einander telefoniert haben. Aber sie war ganz schön durch den Wind. Weshalb sie schließlich auch zu dir wollte. Du warst laut ihrer Aussage der einzige der ihr helfen konnte." gebe ich zu.
"Damit konnte sie vielleicht recht haben. Aber ich beschließe nun das du eingeweiht werden musst. Charly weiß nichts von meinen Überlegungen. Sie ist völlig ahnungslos." erklärt er.
Ich tappe immer noch im Dunkeln. "Rück endlich mit der Sprache raus, Cray!" fordere ich.
"Ihre Mutter hatte den gestrigen Tag nach dem Anschlag auf den Wagen von Spencer zum Anlass genommen ihrer Tochter mitzuteilen, dass der Mann den sie ihr ganzes Leben lang für ihren Vater gehalten hat gar nicht ihr Erzeuger ist."
"Was?" entkommt es mir. "Und so etwas knallt sie ihr einfach so am Telefon an den Kopf? Was denkt sich diese Frau eigentlich?" echauffiere ich mich.
"Sie wird ihre Gründe gehabt haben, dass habe ich auch Charly schon gesagt. Vielleicht erörtere ich das später noch mit Veronica? Fakt ist jedenfalls, dass Charly nun völlig durch den Wind ist."
"Kann ich mir denken und jetzt verstehe ich natürlich weshalb sie gestern so seltsam drauf war." murmle ich.
Er nickt. "Ich habe meine Position mal genutzt und mich kundig gemacht über den Mann den Veronica ihr als ihren richtigen Vater vorgestellt hat."
Ich nicke zustimmend. Für irgendwas muss die Ausbildung als Bulle ja schließlich auch gut sein. "Und? Wo wohnt er? Was macht er so? Was ist der für ein Mensch?" will ich nacheinander wissen.
"Also wohnen, wenn man das so nennen kann tut er seit dreiundzwanßig Jahren auf dem Saint Mary's Friedhof."
"Er ist tod?" keuche ich. Das wird ja immer besser. "Scheiße!" fluche ich leise.
"Und wie. Da erfährt Charly gerade, dass ein anderer Mann ihr Vater ist als der den sie ihr ganzes Leben dafür gehalten hat und dann ist der schon seit über 20 Jahren tod." gibt er zu. "Das ist wirklich Scheiße!"
"Wie konnte es dazu kommen und warum erzählt ihre Mutter es ihr gerade jetzt?"
"Wie gesagt, dazu kann ich nichts sagen. Und wie es dazu kommen konnte ... Muss ich dir jetzt echt erklären wo die kleinen Kinder herkommen, Steel? Ich dachte, du hast schon eine Tochter?" zieht er mich auf.  
"Ha ha." brumme ich genervt.
Dann erzählt er mir was er bereits in Erfahrung bringen konnte.
"Okay. Das ist interessant!" gebe ich schließlich zu als er mit seinem Bericht geendet hat. "Dann mach das mal! Bring noch mehr in Erfahrung. Nutze mal die Polizeikontakte. Wofür wirst du schließlich von uns Steuerzahlern bezahlt." ziehe ich jetzt ihn auf.
"Ich versuche mich auch ein wenig umzuhören. Aber sicherlich erfährst du mehr als ich. Sag, wie du dir meine Hilfe vorgestellt hast, Cray! Was soll ich tun?" will ich wissen.
Er beugt sich vor und legt seine Unterarme auf den Tisch. "Du könntest dich mal Spencers Fersen heften. Du hast doch seinen Computer und seine Telefone angezapft. Das kann ich nicht tun, dafür brauche ich eine richterliche Genehmigung und die bekomme ich nur wenn ein begründeter Verdacht gegen Spencer besteht."
Ich nicke wissend.
"Grabe tiefer! Gehe weiter zurück in der Zeit! Finde heraus was er so für Mail geschrieben hat. Welche Kontakte er so pflegt, damals und heute. Vielleicht liege ich ja mit meinem Verdacht richtig und er hat tatsächlich jemanden angeheuert seinen Nebenbuhler auszuschalten?"
"Mach ich." stimme ich zu. Für gewöhnlich habe ich ein Problem damit, wenn mir jemand vorschreiben will was ich zu tun und zu lassen habe. Aber in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen.
"Und ich hänge mich an die Schwester von diesem Abernathy ran. In den Ermittlungsakten von damals hatte jemand ihren Eifer in der Täterverfolgung vermerkt. Vielleicht weiß sie ja mehr und ..."
"Wurde damals als übereifrige Krimileserin oder Empokömmling abgetan." vollende ich seinen Satz.
Tom nickt lächelnd. 
"Gut. Ich rufe sie also an. Ihre Kontaktdaten habe ich mir schon besorgt. Und wir sind uns einig?"
"In Bezug auf Charlotte?"
"Jep." Er nickt. "Sie erfährt von all dem vorerst nichts."
"Ist gut. Zuerst müssen wir uns dieser Leute und dem Zusammenhang aller Tatsachen sicher sein ehe wir sie einweihen. Einen weiteren Schock sollten wir ihr unbedingt ersparen." stimme ich zu.
Erst jetzt nehmen wir einen Schluck aus unseren Gläsern. Ich hatte gar nicht bemerkt das der Wirt uns je eines vor die Nase gestellt hatte.
"Das wäre aber ein starkes Stück, wenn Spencer hinter dem Mord stecken würde oder!" meine ich nach einigen Minuten des schweigens.
"Es könnte aber sein. Ich kenne ihn."
"Ja, das meinte Charlotte auch." brumme ich genervt.
Er zuckt die Schultern. "Tja, als du noch in Kanada Lachse gefischt hast, haben Charly und ich schon zusammen die Schulbank gedrückt." lacht er und trinkt mit einem weiteren letzten Schluck sein Glas leer.
Ich schaube abfällig. "Ich habe nie gefischt."
Mit einem weiteren Schulternzucken zeigt er mir wie egal es ihm ist was ich in Kanada getan habe und was nicht.
"Das ist ein großer Schritt jemanden umzubringen." gebe ich zu bedenken. "Auch wenn man nur der Auftraggeber für einen Mord ist."
"Du musst es ja wissen. Schonmal Erfahrung damit gemacht?" Er sieht mich forschend an.
"Ich?" echauffiere ich mich. "Nee. Aber ich habe genug Leute kennen gelernt die andere Leute umgebracht haben. Und ich stand schon ein paar gegenüber die es bei mir versucht haben."
"Tja." murmelt er. "Und dann gibt es die andere Seite die solche Leute zur Strecke bringen muss."
"So hat eben jeder sein Päckchen zu tragen."
"Fest steht jedenfalls, dass das gefährliche Leute sind in deren Kreise Spencer da rein gerutscht ist. Ob nun beabsichtigt oder nicht." meint er.
"Und er hat da seine Familie voll mit rein gezogen." stimme ich ihm zu.
"Genau. Und das geht gar nichr klar, meiner Meinung nach!"
"Meiner ebenso. Mir liegt sehr viel an dieser Frau!"
"Nicht nur dir, Steel." brummt er dunkel und sieht mich mit seinen widerlich blauen Augen an. "Sie gehört zu mir. Ich weiß das und sie weiß es im Grunde auch. Du musst dich leider nach einer anderen Stiefmutter für dein Kind umsehen!"
"Pha." schnaube ich verächtlich. "Pass auf, Cray, dass du dich nicht nach einer neuen Freundin umsehen musst am Ende."
  
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Tom

 

Aufgrund der Zeitverschiebung muss ich bis zur nächsten Nacht warten um Benedict Abernathy's Schwester anzurufen. In Canberra, wo sie lebt ist es 11 Stunden später als bei uns in London. Dank meiner Position als Detektiv war es mir möglich ohne Genehmigung von oben den Datenschutz zu umgehen um an ihre Kontaktdaten heran zu kommen.
"Harmsmiths." meldet sich eine müde klingende weibliche Stimme.
"Mrs. Harmsmiths. Mein Name ist Thomas Cray. Ich bin Sonderermittler des SIS in London." stelle ich mich förmlich vor.
"Ja und?" antwortet sie barsch.
"Ich ermittle in einem Fall in deren Verlauf ich auf den Namen Ihres Bruders gestoßen bin." beginne ich zu erklären.
"Was denn. Hat Ihr Haufen sich jetzt doch dazu entschlossen den Mörder meines Bruders zu suchen?" fällt sie mir barsch ins Wort. "Oder gibt es endlich eine Spur zu dem Täter?" jetzt klingt sie schon hoffnungsvoller.
"Also erstens, gehöre ich nicht zu dem Haufen der den Mord an Ihrem Bruder aufgeklären hat sollen. Und zweitens gibt es in der Tat Hinweise zu einem möglichen Täter."
"Wirklich? Aber das ist über zwanzig Jahre her." grübelt sie.
Ohne näher darauf einzugehen frage ich. "In den alten Ermittlungsakten habe ich gelesen, dass Sie damals einen gewissen James Spencer ins Spiel gebracht haben. Sie vermuteten das er hinter dem Mord stand?"
"Natürlich. Nur er konnte es sein. Ben war ein herzensguter Mensch. Er war aufrichtig, zu jedermann freundlich und er strotzte vor Lebensfreude. Niemand sonst hätte einen Grund gegabt ihn aus dem Weg schaffen zu lassen." beteuert sie.
"Hatte Spencer den denn?" Ich kenne die Antwort zwar schon, doch als Cop lernst du schnell dich auch mal dumm zu stellen um an Informationen ran zu kommen.
Sie schnaubt verächtlich. "Aber sicher hatte er den. Sicherlich ist Ihnen in Ihren Ermittlungen der Name Veronica Miller aufgefallen, Spencer's Ehefrau. Ben und sie hatten eine Affaire."
"Sie meinen also Eifersucht war im Spiel?" hake ich nach.
"Sicherlich. Dieser Spencer ist ein unangenehmer Mensch. Hinterhältig ist das erste Adjektiv das mir zu ihm einfällt."
"Hm." schnaufe ich. "Ihr Bruder war Jurist. Könnte nicht auch ein verärgerter Mandant der Auftraggeber für den Mord gewesen sein?"
"Nein." kommt es wie aus der Pistole geschossen. "Obwohl ... Es kann natürlich sein. Das weiß ich nicht." gibt sie etwas leiser zu.
"Nun gut, vielleicht werden das die Ermittlungen zeigen." murmle ich.
"Sie sagten doch es gäbe neue Erkenntnisse?" will sie wissen.
Ich hole tief Luft ehe ich weiter spreche. Ich hoffe ihr jetzt nichts all zu umwerfendes zu berichten. "Mrs. Harmsmiths ich muss Ihnen eine Mitteilung machen. Vielleicht erzähle ich Ihnen sogar gar nichts neues?"
"Nur weiter!" fordert sie mich auf.
"Mrs. Harmsmiths, von der Affaire Ihres Bruders mit Veronica Miller wussten Sie ja bereits." beginne ich zögerlich. Ich fühle mich unwohl. Nicht ich sollte es sein der ihr von ihren Nichten und Neffen erzählt. Sondern Veronica.
"Ja, das tue ich. Und?"
"Ähm also, aus dieser ... ähm Beziehung ist ... sind ..."
"Kinder hervor gegangen?" beendet sie mit einer Frage meinen Satz.
"Ähm ... was?"
"Ich habe es gewusst. All die Jahre. Ben war damals so glücklich kaum das er nach London zog. Da habe ich nachgehakt. Stolzer als er hätte ein werdender Vater gar nicht sein können." berichtet sie und hat dabei sicherlich ein Lächeln auf den Lippen.
Ich bin baff. "Das stimmt. Aber ... warum haben Sie sich denn nie bei Charlotte gemeldet?"
Sie schweigt einen Moment.
"Daraus schließe ich, dass Sie mit meiner Nichte in einer Beziehung stehen. Sind Sie ihr Mann?" will sie wissen.
"Ich bin ihr ... ähm Mann, ja das stimmt." gebe ich leise zu.
"Sehr schön! Verheiratet?"
"Nein, noch nicht." brumme ich. Das Gespräch driftet in eine Richtung ab die mir gar nicht gefällt.
"Wie sieht sie heute aus?" will sie plötzlich wissen.
"Ähm ... was? Wunderschön!" erwidere ich verwirrt aber stolz. "Wenn Sie sie hätten mal sehen wollen, hätten Sie sich doch mal melden können."
"Ja, ich weiß. Das ist alles aber nicht so einfach wie es den Anschein hat. Kurz vor Ben's Tod siedelte ich nach Australien aus. Mein Mann ist Biologe und wurde dort in den Kakadu - Nationalpark versetzt." erklärt sie.
"Verstehe."
"Jedenfalls sah ich ihn von da an nur noch selten. Als ich durch unsere Eltern von seinem Tod erfuhr setzte ich mich sofort in den nächsten Flieger und kam nach London. Auf der Beerdigung traf ich dann auch zum
ersten Mal auf Veronica. Eine nette Frau. Jedenfalls konnte ich verstehen was Ben an ihr gefunden hatte. Die Kinder habe ich jedoch nie zu Gesicht bekommen."
"Warum das nicht?" will ich wissen.
"Venonica's Mann, dieser James war wohl sehr eifersüchtig. Sie mussten höllisch aufpassen. Ich habe nie verstanden wie Veronica so locker mit dieser Situation umgehen hat können." 
"Inwiefern?"
"Ich an ihrer Stelle hätte den verlassen. Doch irgendwas musste er wohl haben das sie bei ihm blieb. Hat ja sogar die Kinder diesem Mann untergeschoben."
"Untergeschoben." wiederhole ich leise. "Das klingt so hinterhältig."
"Junger Mann, das war es doch auch. Ben hat es fertig gemacht, dass er nicht offiziell zu seinen Kinder stehen durfte."
"Hätte er das denn gewollt?"
"Und ob. Ich erinnere mich noch wie oft er sich bei mir ausgeheult hat deswegen." erinnert sie sich. "Es war furchtbar. In diesen Momenten konnte er sogar richtig wütend werden. Eine Eigenschaft die er sonst nie zeigte."
"Hat er jemals erwähnt dagegen etwas unternehmen zu wollen?"
"Was hätte ertun sollen? Etwa die Frau und Kinder schnappen und entführen?" lacht sie bitter.
Bei dem Stichwort entführen kommt mir die Galle hoch. "Das wohl nicht." brumme ich abwesend.
"Sehen Sie. Er musste tatenlos zusehen wie seine Kinder bei diesem Kerl aufwuchsen. Wie er sie als seine vorführte."
Das muss ihn sehr gewurmt haben. Ich habe zwar noch keine eigenen Kinder, aber ich kann mir vorstellen wie er sich gefühlt haben muss. Mein Kind würde ich sicherlich auch mit niemanden teilen wollen.
"Ich kann es mir denken."
"Haben Sie und Charlotte Kinder?" will sie plötzlich wissen.
"Nein. So weit sind wir noch nicht."
"Ach so."
Wir schweigen.
"Wir sind vom eigentlichen Thema abgekommen. Wie sind Sie jetzt eigentlich auf mich gekommen? Wie haben Sie mich gefunden?" fragt sie schließlich.
Ich erkläre ihr die abgespeckte Version der Geschehnisse der letzten Zeit. Spencer's Schulden und Charly's Entführung lasse ich aus.
"Ich verstehe." sagt sie. "Sie wissen es also."
Ich nicke. "Jep. Charly hat es ganz schön umgehauen. Berufliches Interesse ist es wohl bei mir, dass ich mir den Fall von damals noch mal angesehen habe. Und dabei bin ich eben auf diesen Zusammenhang gestoßen. Ich habe da so einen Verdacht ..."
"Was für einen Verdacht denn?"
Und ich erzähle ihr von meinen Überlegungen Benedict's Attentäter betreffend.
"Ich weiß nicht. Natürlich könnte es so sein." meint sie nachdem ich geendet habe. "Aber ich kenne mich damit nicht aus. Dafür sind Sie der Fachmann. Ich habe diesen Spencer ja nie richtig kennen gelernt. Alles was ich von ihm weiß, weiß ich nur vom Hören-Sagen." gibt sie zu.
"Sie sind ihm nie begegnet?" hake ich nach.
"Nein niemals."
"Hm." brumme ich leise. "Woher wissen Sie dann das er eifersüchtig reagiert hat?"
"Von Ben. Er hat es mir gesagt wenn sich Veronica mal wieder über ihren 'anderen' Mann bei ihm ausgeheult hat."
"Ach so."
"Ich konnte diese Frau nie verstehen warum sie diesen Mann nicht einfach verlassen hat." wiederholt sie sich.
"Wer weiß, vielleicht hatte er Qualitäten von denen wir nichts ahnen." mutmaße ich.
"Im Bett meinen Sie?" lacht sie müde auf. "Dazu kann ich auch nichts sagen. Sie sind es doch der ihn zu kennen scheint."
"Ja. Aber nicht in dieser Hinsicht. Ich kann nur sagen, dass ich immer gut mit ihm ausgekommen bin. Bis ... bis vor kurzem eben. Nun sehe ich die Sache mit anderen Augen." gebe ich zu.
"Sie wurden Ihnen geöffnet, die Augen. Jetzt sehen Sie ihn wie er wirklich ist. Ein Scheusal das über Leichen geht um seine Interessen zu wahren." geht sie hat mit James ins Urteil.
"Kann schon sein. Aber mir liegt vor allem Charly am Herzen. Ich liebe diese Frau und will sie vor weiterem Unheil beschützen!" breite ich meine Gefühle vor ihr aus.
"Weiterem Unheil? Der Tod ihres leiblichen Vaters düfte sie kaum mitbekommen haben. Sie war doch erst vier Jahre alt." hakt sie nach. "Was musste das Kind denn durchmachen?"
Ich ist gewitzter als ich dachte. Für eine Ende fünfzigerin ist sie noch gut in Schuß.
"Ähm ... ich meine diese ganze Sache ..."
"Was hat Spencer wieder angestellt?" will ich resulut wissen.
"Ähm ..."
"Er hat doch was angestellt?"
"In gewisser weise schon. Er hat ein Suchtproblem."
"Spielsucht?"
"Ja ... aber woher wissen Sie ..." stammle ich.
"Damit hatte er wohl damals schon zu kämpfen." bringt sie mein Bild von James Spencer weiter ins wanken.
"Das ist interessant!" klinke ich mich da ein. "Und das wissen Sie ebenfalls von Ihrem Bruder?"
"Ja, so ist es. Also, er hat Schulden gemacht. Nicht gerade wenige, nehme ich an."
"So könnte man es sagen." gebe ich vorsichtig zu. "Er konnte sie nicht zahlen und wurde erpresst."
"Jetzt sagen Sie mir nicht, dass man seine, ähm ... ich meine Benedict's Tochter entführt hat um das Geld zu erpressen?"
Sie ist echt gut!
"Doch genau so war es. Für Charly eine schreckliche Zeit."
"Das kann ich mir vorstellen. Lassen Sie sich doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Mann. Berichten Sie genauer!" befiehlt sie.
Schließlich werfe ich meine Bedenken über Bord und setze sie vollends ins Bild.
Zum Schluss ist sie angemessen bestürzt. "Das darf doch nicht ..." stottert sie. "Das arme Kind! Wie hat sie es verkraftet? Sie sind doch hoffentlich für sie da!"
"Selbstverständlich!" stimme ich ehrlich zu.
"Das ist gut. Passen Sie weiterhin gut auf sie auf, Mister Cray!"
"Nennen Sie mich ruhig Tom, Mrs. Harmsmiths!" bitte ich freundlich. "Das kommt mir wirklich seltsam vor wenn ich von der Tante meine Freundin gesiezt werde." gebe ich noch zu.
"Also gut. Tom." lacht sie.
"Ich bin immer für Charly da. Aber nicht nur für sie. Auch mit Aiden und Veronica habe ich guten Kontakt."
"Wundervoll!" urteilt sie erleichtert. "Das ist schön. Grüßen Sie ... ähm du ... grüße bitte Veronica ganz lieb von mir. Du darfst ihr auch gern diese Telefonnummer geben." bietet sie freundlich an.
"Ist gut. Das werde ich machen. Sie wird sich sicher freuen, wieder Kontakt zu Ihnen zu haben."
Sie schweigt.
"Ihre Eltern ..." schneide ich ein Thema an das ich bis jetzt in unserem Gespräch vermieden habe.
"Sie leben noch."
"Ich weiß. Ich Manchester."
"Genau." lacht sie. "Ich hatte vergessen, dass du Polizist bist." 
"War ich mal. Jetzt bin ich eher eine Art Agent."
"Interessant."
"Ihre Eltern. " lenke ich das Gespräch zurück in die richtige Bahn. "Wissen sie eigentlich etwas von ihren Enkeln?"
"Nein. Ben hat es ihnen damals nicht gesagt. Er fürchtete sich wohl davor ihnen die besonderen Umstände erklären zu müssen." mutmaßt sie.
"Ist ja auch schwer." murmle ich zustimmend.
"Sie sind also ahnungslos und ich würde es auch gern selbst übernehmen, wenn die Kinder es ebenfalls wünschen sie in Kenntnis zu setzen. Sie sind nicht mehr die jüngsten. Dazu kommt das mein Vater mittlerweile erste Anzeichen von Demenz zeigt."
"Verstehe. Natürlich. Ich werde in den nächsten Tagen mal mit Charly darüber reden. Ich glaube, momentan ist ihr gar nicht bewusst das sie eine Familie hat von der sie bis dato etwas geahnt hat." gebe ich zu.
"Natürlich, tu das Tom."
Wir plaudern noch ein wenig über dies und das und verbleiben in der Übereinkunft weiterhin in Kontakt zu stehen.
Bevor ich auflege, und mich die wohlverdiente Nachtruhe begebe, nimmt sie mir noch das Versprechen ab, sie über jeden Schritt in den Ermittlungen den Tod ihres Bruders betreffend zu unterrichten.
Dieses Versprechen gab ich ihr gern.

 

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Kapitel 39

 

Max

 

Das erste was ich tat nachdem mich Cray ind Bild gesetzt hatte war, mich mit Greenwood kurz zuschließen inwieweit er in Spencers Computeraktivitäten zurück verfolgen kann. Ich hatte von dererlei Dingen keinen blassen Schimmer. Aber wofür hat man seine Leute?
"Da es sehr wahrscheinlich ist, dass er sich in den letzten zwanzig Jahren mal einen neuen PC zugelegt hat, dürfte es äußerst unwahrscheinlich sein, dass ich noch etwas finde." gibt mir mein Technikfreak zur Antwort.
"Mist! Aber war ja klar."
"Ich bin ja schon dran beziehungsweise drin in seinem PC. Gibt es denn irgendwelche Namen die ich als Stichpunkte verwenden kann?" will er wissen.
"Ja. Abernathy, Benedict. Finde heraus ob er ihn kannte ..." Was ich ja bereits weiß das es so war. "... und ob in neuerer Konversation von ihm dieser Name auftaucht! Das würde schon viel helfen." entgene ich.
"Wird gemacht. Ich melde mich." Greenwood legt auf.

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Tom

 

"Irgendwas neues von MacAvory?" frage ich Halliway als erstes am nächsten Morgen, als ich sehe das sein Nachbarschreibtisch noch immer verwaist ist.
Der zuckt nur mit den Schultern. "Keine Ahnung." brummt er und widmet sich wieder einer Akte die vor ihm auf dem Tisch liegt.
Ich setze mich an meinen eigenen Tisch und greife zum Telefon. Wenn MacAvory sich krank gemeldet hat muss die Personalabteilung darüber bescheid wissen.
Nach dem Telefonat bin ich nur dahingehend schlauer, dass er sich nicht krank gemeldet hat und nun also unentschuldigt dem Dienst fern bleibt. Ich beschließe später noch einmal bei ihm zu Hause vorbei zu fahren. Irgendwo muss der Kerl doch stecken.
Ich sichte gerade Autokennzeichen in der Automatic number-plate recognition, oder kurz ANPR als ich durch das klingeln meines Telefones gestört werde. Genervt, weil ich so ganz sicher nie weiter komme verdrehe ich die Augen und hebe ab.
"Thomas Cray." melde ich mich.
"Cray. In mein Büro!" befiehlt Falkner kurz und knapp ehe er sofort wieder auflegt.
Sofort erhebe ich mich und mache mich auf den Weg. Wenn der Boss so kurz angebunden ist muss die Kacke ganz schön am dampfen sein.
Wenige Minuten später klopfe ich an seine Bürotür. "Was gibt' s Boss?" frage ich freundlich während ich eintrete und auf dem mir angebotenen Stuhl vor seinem Schreibtisch platz nehme.
"MacAvory ist immer noch nicht aufgetaucht? Ich erhielt gerade einen Anruf von der Personalabteilung." fragt er.
Ich schüttle den Kopd. "Nein, Sir. Ich wunderte mich auch schon."
"Wo steckt der Kerl?"
"Ich weiß es nicht, Sir. Vor ein paar Tagen war ich auch schon bei ihm zu Hause. Keine Spur."
"Hm." brummt mein Chef und kratzt sich am Kinn. Er nimmt sich ein paar Sekunden um nachzudenken. Schließlich befiehlt er. "Sie fahren jetzt gleich noch einmal zu seiner Privatadresse! Ich werde mich derweilen an seine Angehörigen wenden. Vielleicht wissen die ja etwas? Sie haben doch letztens noch mit ihm zusammen gearbeitet?"
Ich nicke. "Genau, Sir. Die undercover Aktion in dem Stripclub. Seit dem Abend ist er verschwunden." berichte ich.
"Seltsam." urteilt er leise. Dann sieht er mich forschend an. "Kann es da einen Zusammenhang geben?"  
"Das könnte sein, Sir. Ich habe mit der späteren Zeugin so gegen 22 Uhr das Lokal verlassen. MacAvory wollte noch dort bleiben um weiter zu ermitteln ..."
"Hm."
"Es könnte sein, dass man, als das Verschwinden der einen Frau bemerkt wurde auf ihn aufmerksam wurde." gebe ich grübelnd zu.
"Wie das?" will mein Gegenüber wissen.
"Man machte mir unmissverständlich klar, dass man auf die dort angestellten Damen acht geben würde. Daher auch der Aufpasser im Wagen auf dem Parkplatz vor dem Hotel."
Falkner nickt.
"Als dieser später bemerkte, dass man ihn über's Ohr gehauen hat, ist er ausgeflippt und hat in dem Hotel gewütet. Das belegen Aufnahmen der Überwachungskamera und die Aussagen des dortigen Personals."
Falkner nickt erneut und schweigt.
Also fahre ich fort ihm meine, jetzt in diesem Moment in den Sinn kommenden Vermutungen darzulegen. "Vielleicht hat der Kerl eins und eins zusammen gezählt. Er war es der MacAvory und mich zusammen das Lokal betreten sah. Er wusste das wir zusammen gehören. Als MacAvory schlussendlich noch immer in dem Stripclub war als ich bereits verschwunden war, wird man sich ihn vielleicht gekrallt haben."
"Meinen Sie?"
Ich zucke die Schultern. "Zu zutrauen wäre es diesen Typen schon. Was wenn die heraus bekommen haben was wir sind und vorhatten?" überlege ich.
"Cray, MacAvory ist ein guter Agent mit einer ebenso guten Ausbildung wie Sie sie genossen haben. Der plaudert nichts einfach so aus."
"Einfach so sicher nicht, Sir."
"Was meinen Sie?"
"Ich denke an Folter oder ähnliches. Wer weiß?"
"Ach übertreiben Sie es nicht." winkt mein Boss ab. "Vielleicht hat er dort auch einfach nur ein hübsches Mädel kennen gelernt und ist mit ihr durch gebrannt? Ist alles schon vorgekommen." mutmaßt er weiter.
"Ja im Film. Aber doch nicht MacAvory." entgegne ich. "Das kann ich mir nicht vorstellen. Außerdem passt man dort verteufelt gut auf. Wir waren ja nicht aus Spaß vor Ort, sondern weil wir den Verdacht des Menschenhandels verfolgt haben."
"Den Sie ja auch mit Hilfe der Zeugin beweisen konnten."
"Eben drum. Genau deswegen wird man weniger freundlich mit ihm umgesprungen sein, wenn tatsächlich herausgekommen ist für wen MacAvory arbeitet." Mittlerweile bin ich überzeugt von meinen Überlegungen. Ich will das Gespräch nur noch rasch beenden und sofort los legen. In Gedanken grübel ich bereits wie die Tänzerin hieß die an unserem Tisch aktiv war. Aber wenn Jasmin recht hat und jede Frau in der Bar einen Tarnnamen bekommt nützt der mir eh wenig.
"Sie scheinen ja völlig überzeugt zu sein." murmelt Falkner.
Ich nicke heftig. "Jawohl, Sir!"
"Gut." Er legt die Handflächen unter dem Kinn aneinander. Seine Denkerpose.
Ich sitze ihm abwartend gegenüber.
Schließlich sagt er. "Gut, dann gehen Sie los und ermitteln wo Ihr Kollege steckt!"
Ich stehe auf. "Ist gut, Sir."
"Ich werde, wie versprochen seine Angehörigen kontaktieren lassen um von dieser Seite etwas herauszubekommen."
"Danke, Sir."
Ich gehe zur Tür. "Ach ja, Cray, weswegen ich Sie eigentlich habe kommen lassen." pfeift er mich zurück.
Mitten im Schritt drehe ich mich um und sehe ihn an. "Ja?"
"Nebenbei fahren Sie bitte nach Twickenham."
"Twickenham, Sir?" frage ich verwundert.
"Ja. Eine Hausbootbewohnerin hat gestern am späten Abend einen grausigen Fund gemacht." erklärt er.
"Ach ja?"
"Sie fand, in einem schwarzen Plastiksack menschliche Extremitäten."
"Wieder Leichenteile?" hake ich ziemlich unprofessionell nach. "In einer Plastiktüte?"
"In einem Sack. Es handelt sich wohl um Arme und Beine zweier Menschen." erklärt er schaudernd.
"Passen sie zu den Torsos die in Southwark gefunden wurden?"
"Kann man noch nicht sagen. Die Gerichtmedizin ist noch dabei das Puzzle ..." Er hüstelt verlegen. "... zusammen zusetzen."
Betreten sehe ich auf meine Fußspitzen.
"Fahren Sie mal zu den Kollegen der Met in Riverside! Vielleicht erzählt man Ihnen da mehr?" halst er mir noch mehr Arbeit auf.
"In Ordnung. Ich werde da nach dem Mittag mal hinfahren." lenke ich ein. Dabei haben wir doch schon mehr Arbeit als helfende Hände hier bei uns.

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Charlotte
   
Ich hielt es nicht mehr länger aus. Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zutun. Ich musste immerzu an meinen Vater beziehungsweise meine Väter und an meine Mutter denken, die damals in der gleichen Situation wie ich gewesen war. Gleich nach dem Aufstehen, Tommy war unter der Dusche griff ich mir mein Handy und wählte die Nummer meines Bruders.
"Spencer." meldet er sich kaum das es zwei Mal geklingelt hat.
"Aiden. Ich bin's." melde ich mich.
"Ich weiß, deine Nummer wird angezeigt." lacht er.
"T'schuldige die frühe Stöhrung! Wie geht es Mary? Alles okay mit meiner Nichte?"
"Uns geht es prima. Was ist los, Schwesterchen? Du rufst doch sonst nicht vor dem Aufstehen an." will er wissen. Wieder ein Mann der mich gut kennt. "Ist wieder was passiert?" Er klingt alamiert.
"Nein. Keine Sorge." beschwichtige ich ihn. "Ich ... ich habe letztens mit Mom gesprochen."
"Ich auch. Das war ein schöner Schreck. Sie meinte, es war wohl eine Bombe. Ist das krass!" plaudert er.
Ich bekomme eine Gänsehaut. "Ja, es war wohl eine Bombe. Und ein Schreck? ... Ich war dabei. Es war fürchterlich!" erinnere ich mich mit schaudern.
"Das kann ich mir denken. Es stand sogar im Internet. Unter News." meint er. "Was ich mich die ganze Zeit frage, warum? Warum Dad? Was sollte er getan haben um soetwas zu verdienen? Wer will ihm was böses?"
Fragen über Fragen auf die ich keine Antwort weiß. "Ich weiß es doch auch nicht." jammere ich leise. "Seitdem es passiert ist, stelle ich mir immerzu die selben Fragen." gebe ich zu. "Es geschehen so viele Dinge, Aiden die mich verwundern."
"Was für Dinge denn?" fragt er verwundert. Das ist scheinbar noch nicht zu ihm durchgedrungen.
"Du weißt von nichts?" erwidere ich verwirrt.
"Nein. Charly, wovon sprichst du?"
"Ich wurde ... ich wurde ..."
"Ja?"
Nach einem tiefen ein- und ausatmen fahre ich fort. "Ich wurde vor einiger Zeit überfallen und in ein Cottage nach Wales verschleppt." Während ich spreche wird meine Stimme immer leiser, bis sie fast nur noch ein Flüstern ist.
"Bitte was?" hakte er vorsichtig nach. "Ich habe verstanden, dass du entführt wurdest?" Mein Bruder scheint tatsächlich gerade aus allen Wolken zu fallen.
"Du wusstest es wirklich nicht? Mom oder Dad haben es dir nicht gesagt?" Ich kann es nicht fassen. Es kann nur die eine Erklärung dafür geben, dass sie ihn oder Mary nicht beunruhigen wollten.
"Nein." haucht er. "Das ... das darf doch nicht wahr sein! Warum? Warum du?" stammelt er immer wieder. "Warum gerade du? Was solltest du getan haben ...?"
"Ich habe gar nichts getan." rechtfertige ich mich. "Ich hatte eine Autopanne und dabei geschah es. Die hatten sich als Abschleppunternehmen getarnt."
"Wurden unsere Eltern erpresst? Gab es eine Lösegeldforderung?" Jetzt höre ich den Anwalt durchscheinen.
"Ja, die gab es. Fünf Millionen."
"Was?" keucht er entsetzt. "Ich fasse es nicht. Warum?"
Schweigen.
"Hat Dad gezahlt?"
"Das musste er zunächst gar nicht. Die Regierung war schneller."
"Die Regierung? Wie das?"
Ich setze ihn ins Bild indem ich ihm erkläre wie ich befreit wurde und vor allem von wem.
"Tom Cray? Tommy? Das ist krass! Der Kerl hat was gut bei mir." lobt er ehrlich.
"Ich werd' sihm ausrichten." grinse ich. "Es kann sicher nie schaden bei einem Anwalt einen Stein im Brett zu haben." scherze ich.
"Ha ha. Und ... wie lange ... wie lange warst du dort? In Wales."
"Nur ein paar Tage. Aber es hat gereicht, dass kann ich dir sagen."
"Das denke ich mir. Du tust mir so leid! Am liebsten wäre ich jetzt bei dir." stammelt er. Nach einer kurzen pause fragt er. "Soll ich kommen? Brauchst du mich? Ich setze mich ins Auto und bin gleich bei dir."
Ich schüttle den Kopf. "Das brauchst du wirklich nicht. Um mich wird sich prima gekümmert, glaube mir. Max und Tom passen auf mich auf. Ich wohne abwechselnd bei beiden, weil es zu Hause bei mir nicht mehr sicher ist."
"Wegen der Bombe? Vermutet man das auch du erneut Opfer werden könntest?"
"Ich weiß es nicht. Aber sicherlich. Tom ist total penibel wenn es um meine Sicherheit geht. ..."
"Recht hat er." unterbricht er mich.  
"Ich werde rund um die Uhr bewacht. Es kommt mir so vor, als würde er mehr wissen als ich."
"Was sicherlich auch genau so ist." mutmaßt mein großer Bruder. "Schließlich ist er Polizist."
"Ich könnte sogar wetten, dass auch ihr überwacht werdet." warne ich ihn.
Aiden zieht scharf die Luft ein. "Davon habe ich noch nichts bemerkt."
"Na das ist doch auch der Sinn der Sache." lache ich frech. "Ihr beide liegt Tom auch sehr am Herzen. Genau wie Mom."
"Und Dad nicht?" lacht er.
"Hm. Ich weiß nicht. Er steckt da irgendwie mit drin, habe ich die Vermutung. Was mich im übrigen wieder zurück auf den Grund meines Anrufes bringt."
"Ich höre." Bilde ich mir das nur ein, oder klingt er plötzlich alamiert?
"Ich habe wie schon gesagt letztens mit Mom gesprochen. Am Telefon." Das zu erwähnen konnte ich mir nicht verkneifen.
"Hm."
"Hast du dich jemals gefragt, warum wir beide rotes Haar haben obwohl keiner unserer Eltern rothaarig ist? Und Emely hat dagegen blondes Haar." Was rede ich denn da?
Er schweigt.
"Ach mensch, Aiden. Ich weiß, dass du bescheid weißt."
"Und worüber weiß ich so genau bescheid, bitte schön?" fragt er vorsichtig.
"Der Mann den wir für unseren Vater gehalten haben ist es nicht."
So jetzt ist es raus.
"Sie hat es dir also endlich gesagt?" meint er nur als wäre das das normalste von der Welt.
"Ja, hat sie. Am Telefon."
"Das wie sie es getan hat, war weniger gut gewählt, aber das sie es dir endlich gesagt hat, macht mich froh. So lange hatte ich ein schlechtes Gewissen dir gegenüber. Immer wenn wir uns getroffen haben. Ich habe ihr immer gesagt, sie soll es dir ebenfalls erzählen." berichtet er. "Doch sie meinte immer, du wärst noch nicht so weit."
"Also jetzt bin ich es scheinbar. Warum sie es mir allerdings nach all den Ereignissen beichtet ist mir schleierhaft!" meckere ich mir den Frust von der Seele.
"Das verstehe ich auch nicht, Charly. Aber viel wichtiger ist doch die Frage, wie geht es dir damit?"
Sicherlich gespannt wartet er meine Antwort ab.
"Wie soll es mir schon gehen? Um ehrlich zu sein, war es mir immer schon suspekt warum wir so anders aussehen. Und ich konnte nie eine Beziehung zu Dad aufbauen. Es kam mir immer so vor, als würde er eine Mauer um sich errichten. Ich kam einfach nicht durch zu ihm."
"So ähnlich ging es mir auch." gibt er zu. "Der Eismann habe ich ihn heimlich immer genannt."
"Zu Em war er aber immer freundlich." werfe ich ein.
"Sie war ja auch immer sein Liebling." brummt er und man merkt wie sehr ihn das all die Jahre beschäftigt haben muss.
"Ja. Komisch." murmle ich.
"Gar nicht komisch, wo wir jetzt um die Umstände wissen."
Da hat er auch wieder recht.
"Warst du traurig?" frage ich nach ein paar Sekunden des Schweigens.
"Worüber?"
"Als du erfahren hat, dass unser richtiger Vater tod ist."
"Hm. Das war schon ein Schock. Aber da wir ihn ja nicht kannten ... Ich hatte wenigstens sieben Jahre mit ihm. Aber du ... Du warst noch so klein."
Traurig krampft sich mein Herz zusammen und in meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß. "Ich würde ihn gern besuchen." sage ich leise. Fast tonlos.
"Sein Grab?"
"Hm." schniefe ich und bemerke wie meine feuchten Augen überlaufen.
"Ich komme zu dir. Keine Widerrede!" bestimmt er schließlich wehement. "Tom oder dein Max können uns ja begleiten. Aber du solltest nicht allein zum ersten Mal sein Grab besuchen."
"Hm." schlurchze ich. Zu mehr bin ich nicht im Stande.
"Ich bespreche das mit Mary und komme zu dir nach London. Morgen?"
"Ja." schlurchze ich. "Ich danke dir!"
"Dafür sind große Brüder doch da. Wurde mir zumindest so beigebracht. Und wir haben doch nur uns." lacht er.
"Du bist toll!" lobe ich halb lachend, halb weinend.

Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe rufe ich noch meine Mutter an. Es wird Zeit mit ihr zu sprechen. Ganz in Ruhe und ausführlich. Ich denke, der Schock war es, dass ich beim unserem letzten Telefonat so heftig reagiert habe.
Sie willigt ein sich mit mir in einer halben Stund ein der Lobby ihres Hotels zu treffen. Dad war wohl in der Bank, nichts konnte ihn von seiner geliebten Arbeit abhalten. Wir wollten uns in aller Ruhe in ihrem Hotelzimmer unterhalten.
Tom fand es zwar gut das wir uns aussprechen wollten, weniger gut fand er allerdings den Umstand das wir in einem Hotel weniger sicher waren als hier bei ihm zu Hause.  Doch wie ich ihn kenne würde er schon für den nötigen Schutz sorgen.

Mutter empfing mich in der Lobby und fuhr anschließend mit mir gemeinsam mit dem Aufzug in die vierte Etage wo sich ihre Suite befand.
"Ich bin so froh, dass du reden möchtest!" beginnt sie und klingt ehrlich erleichtert. "Schön das du da bist, Charlotte!" Sie schenkt mir ein warmherziges Lächeln.
Verkrampft lächle ich zurück. "Es musste sein."
"Da hast du recht." Sie schließt die Tür auf und lässt mich voran zuerst das Zimmer betreten. Nach ihr schließt sie die Tür und legt den Schlüssel in einer Schale auf einem Tischchen ab. Anschließend nimmt sie mir gegenüber in einer Sitzgruppe platz. "Los! Wirf mir alles an den Kopf was dir durch den Kopf geht. Lass es raus!" fordert sie mich auf.
Verwirrt antworte ich. "Warum sollte ich das tun?"
"Weil es gut tut." lacht sie gequält. "Da hat sich sicher viel angestaut. Das muss raus. Wenn du es raus gelassen hast, können wir in ruhe reden. Ich werde dir jede Frage beantworten die du mir stellst." verspricht sie.
"O-k-a-y." beginne ich zögerlich. Wo fange ich nur an. "Also .. zuerst will ich dir mal sagen wie blöd ich es finde, dass du Aiden viel früher bescheid gesagt hast als mir! Dann das du nie eine Andeutung gemacht hast wenn ich mich mal wieder über Dad geärgert habe. Ich wollte ihm immer gefallen, ihm alles recht machen. Doch das konnte ich nie. Nun weiß ich auch warum. Er weiß es, oder?"
"Was? Das ihr nicht seine eigenen Kinder seid?"
Ich nicke stumm.
"Nein. Er hat in all den Jahren nie einen Verdacht geschöpft."
"Das glaubst du. Aber weißt du es denn auch ganz sicher?" hake ich nach. "Bestimmt ahnte er was. Deswegen hat er mich immer so behandelt." mutmaße ich.
"Du bist aufgebracht, dass ist verständlich. Aber dein Vater hat euch nie anders behandelt als Emely. Er war immer für euch da."
Skeptisch ziehe ich die Stirn krauß. "Mutter, du weißt, dass das nicht wahr ist."
Sie sieht betreten hinunter auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände.
Also hat sie es doch mitbekommen.
"Ich sage ja nicht das meine Kindheit schlecht war, aber sie war auch nicht schön. Es hat mir immer etwas gefehlt." gebe ich leise zu. "Ein Vater nämlich. Dad war doch immer mehr mit seiner Arbeit beschäftigt."
"Das stimmt allerdings." gibt sie leise lachend zu. "Er ist es noch."
Wir schweigen und sehen aus dem Fenster hinaus in das trübe nasse London.
"Ich habe übrigens vorhin mit Aiden telefoniert. Er ist froh, dass du es mir endlich gesagt hast." berichte ich. "Er will morgen herkommen."
"Ach wirklich." Sie sieht auf.
"Ja, ich ... ich möchte Dad besuchen."
"Aber er ist doch nur ..." Mit einem Mal leuchtet Erkenntnis in ihrem Blick auf und sie fügt hinzu. "Ach so."
"Wo ist er?"
"Dein Vater? Benedict."
Ich nicke. "Wo ... wo ist sein ... sein ..."
"Auf Saint Mary's in Kensal Green." erklärt sie.
Ich nicke obwohl ich keine Ahnung habe wo das ist. Bisher musste ich noch nie jemanden auf einem Friedhof besuchen. Meine Großeltern leben alle noch.
"Ich ... ich würde euch sehr gern begleiten!" murmelt Mom.
Erstaunt sehe sie zu ihr auf.
"Ich war lange nicht mehr dort." erklärt sie leise. "Es wird mal wieder Zeit. Und welch wunderbaren Grund als diesen könnte ich haben?"
"Mir wäre es lieber gewesen ihn lebendig anzutreffen." brumme ich bedrückt.
"Aber sicher doch, Schatz. Entschuldige bitte!" beeilt sie sich zu sagen.
"Gut, dann gehen wir morgen zusammen hin." fasse ich zusammen.
"So machen wir es." stimmt sie erleichtert ein. "Hast du sonst noch Fragen?"  
Die hatte ich und sie beantwortete sie mir geduldig und mit einer gewissen Wehmut in der Stimme.
Beim Verlassen des Hotels hatte ich ein rundum poitives Bild meines verstorbenen Vaters. Wenn ich den Aussagen meiner Mutter glauben kann, war er so etwas wie ein Heiliger. Gütig und freundlich zu jedermann, Kinderlieb, erfolgreich. Ich hätte ihn gern kennengelernt!

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Tom

 

In Twickenham werde ich in das Büro des Chief Superintendent geführt wo ein strammer älterer Herr mir von seinem Schreibtisch aus mistrauisch entgegen schaut. "Kann ich Ihnen helfen?" brummt er recht unfreundlich. Auch hier am Stadtrand ist es so, dass man andere Polizeistellen oder gar höher gestellte Institutionen nicht gern in seine Arbeit pfuschen lässt.
"Guten Tag, Sir. Mein Name ist Cray. SIS." stelle ich mich höflich vor und reiche ihm die Hand. Einen kurzen Moment sieht er sie nur misstrauisch an, bis er sie schließlich doch schüttelt. "Ich weiß wer Sie sind. Ihr Boss ... ähm Falkner war glaube ich sein Name, hat Sie mir angekündigt. Ich bin Chief Superintendent Hartmann."
"Sehr erfreut, Sir!" antworte ich höflich, trete einen Schritt zurück und verschränke die Hände hinter dem Rücken. Abwartend sehe ich auf ihn hinunter.
"Setzen Sie sich doch!" bietet er mir an.
Ich nehme platz und erkläre. "Man hat uns mitgeteilt, dass am gestrigen Abend jemand im Wasser der Themse einen Sack mit Leichenteilen gefunden hat."
Er nickt zustimmend. "Das ist korrekt. Eine gewisse Mrs. Clearwater. Hausbootbewohnerin. Sie ist eine von vielen, müssen Sie wissen."
Ich nicke und schweige.
"Sie fand den Sack im Schilf als sie eine letze Zigarette vor dem Schlafengehen geraucht hat." erklärt er weiter.
"Ich verstehe."
Hartmann, der deutsche Vorfahren haben muss sieht mich zweifelnd an. "Falkner meinte, Sie hätten in den letzten Tagen bereits mehrere Leichenteile gefunden?"
"Nicht das SIS, Sir, sondern die Met." stelle ich richtig. "Wir wurden um Unterstützung gebeten, weil es aufgrund der Umstände wie die Menschen zu tode kamen nicht ausgeschlossen werden kann, dass kriminelle ausländische Banden dafür verantwortlich sind."
"Verstehe." murmelt er. "Mafia?"
Ich nicke.
"Darf ich fragen um welche Körperteile es sich bisher gehandelt hat?"
"Zwei Torso, Sir. Der eines männlichen Weißen um die 30 Jahre und der einer jungen Frau. Ebenfalls weiß."
"Hm. Grausig!" brummt er und schüttelt sich leicht. "Und jetzt die Extrimitäten. Vielleicht dazu gehörig?"
Wir schweigen einen Moment.
"Muss man davon ausgehen das man in Zukunft häufiger auf Leichenteile im Stadtgebiet trifft? Was sagen da Ihre Ermittlungen?"
"Bisher nicht viel, Sir. Aber ich hoffe, dass wir zukünftig davon verschont bleiben!"
"Na dann, strengen Sie sich mal an und fassen den Täter der es getan hat!" grinst mein Gegenüber.
Ich erhebe mich. "Ich werd mein bestes geben, Sir. Wenn ich dann jetzt selbst einen Blick auf die ... Arme und Beine werfen oder mit Ihrem Pathologen sprechen könnte?" bitte ich freundlich.
Hartmann erhebt sich ebenfalls und schließt die beiden Knöpfe seines Dienstjackets. "Natürlich. Ich bringe Sie hin."
Gemeinsam durchqueren wir das Großraumbüro, betreten das Treppenhaus und verlassen das niedrige rote verklinkerte Gebäude. "Keine Sorge. Es sind nur wenige Minuten Laufweg." beruhigt er mich lachend.
Und tatsächlich betreten wir nur knapp zwei Minuten später durch einen Seiteneingang das Krankenhaus in deren Keller sich die hießige Pathologie befindet.
"Doktor White ist unser Pathologe." erklärt Hartmann während wir darauf warten, dass man uns die Tür zur eigentlichen Pathologie öffnet.
Ein Summen ertönt und die gläserne Milchglastür schwingt auf.
Unsere Schritten hallen laut von den kahlen weißen Wänden wider. Aus einem Raum am hinteren Ende des Ganges tritt eine junge Frau und hebt grüßend die rechte Hand. "Mister Hartmann. Sie bringen Besuch mit?" verwundert sieht sie uns entgegen.
Hartmann reicht ihr die Hand und erklärt mit einem Kopfnicken in meine Richtung. "Das ist Mister Cray. Er arbeitet für das SIS."
"Ein Agent." halb mit ver-, halb mit bewunderung mustert sie mich. "Welch Glanz in meiner Hütte. Wie kommt's?"
"Cray. Hallo!" grüße ich und reiche ihr ebenfalls die rechte Hand.
Ihr Handedruck ist erstaunlich kräftig für ihren zierlichen Körperbau. "Freut mich!" murmle ich.
"Ebenfalls. Aber warum Sie hier sind, weiß ich immer noch nicht." lacht sie. 
"In London City wurden in den letzten Tagen ebenfalls Leichenteile gefunden." beginne ich. "Die Art und Weise wie die Menschen zu tode kamen lässt uns vermuten, dass eine ausländische Gruppe des organisierten Verbrechens dafür verantwortlich ist."
"Verstehe." erwidert sie und dreht sich zum gehen um. "Dann folgen Sie mir mal!"
Wir folgen White zu einer weiteren Milchglastür. Sie drückt einen unscheinbaren Taster rechts neben der Tür und diese schwingt wie durch Zauberhand nach innen auf. Das Neonlich an der Decke springt flackernd von selbst an als wir den nackten Raum betreten. Zentriert befinden sich zwei schlichte metall Liegen. Dahinter, die gesamte Länge des Raumes umfassend steht an der einen Wand ein mannshohes Kühlregal mit mehreren verriegelbaren Türen. Es ist nicht mein erster Besuch in einer Pathologie, trotzdem zieht sich mein Magen unangenehm zusammen mit dem Wissen was gleich folgen wird. 
White tritt an das Regal und öffnet eine der unteren Türen. Zischend öffnet die sich. Schwungvoll zieht die junge Pathologin die Liege bis zum Anschlag heraus. Darauf liegt ein lose gefüllter geschlossener Leichensack. Hartmann und ich treten jeweils daneben, wobei ich mich direkt neben die Ärztin stelle. Ohne ein weiteres Wort öffnet sie den Sack und klappt die Enden auseinander, so dass wir die gefundenen Extrimitäten in Augenschein nehmen können.
"Voila. Dann schauen Sie mal!" meint sie fröhlich und tritt einen Schritt zurück um uns mehr platz zu ermöglichen. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, dass Pathologen einen so ganz anderen Umgang mit dem Tod haben.     
Hartmann und ich sehen uns in die Augen. Mit angehaltenen Atem beuge ich mich etwas hinunter. Man hatte die vier Arme und Beine jeweils getrennt voneinander auf der Liege platziert. Auf den ersten Blick konnte ich nicht erkennen welcher Arm oder welches Bein dem Mann oder der Frau zu zuordnen sind. Doch bei genauerer Betrachtung konnte ich doch Unterschiede festmachen. Die weiblichen Extrimitäten waren deutlich zierlicher. Sie muss eine schlanke junge Frau gewesen sein. Ein winziges Tattoo in Form einer Blüte befindet sich um unteren Handgelenk. Was aber gleich ins Augen springt ist die Tatsache, dass man die Fingerkuppen der Personen mit Säure oder ähnlichem unkenntlich gemacht hat. Die Identität über die Fingerabdrücke festzustellen können wir also vergessen.
"Können Sie mir was über das Alter der Toten sagen?" frage ich ohne den Blick zu heben.
"Aber sicher. Er: weiß, jung, mitte bis Ende dreißig Jahre alt, gesunder Körperbau. Sie: jünger, vermutlich knapp über 20 Jahre, noch weniger Körperfett als der Mann. Gut trainiert. Sicherlich schlank." antwortet die Ärztin. "Passt das zu Ihren bisherigen Ermittlungen?"
"Kann ich noch nicht sagen." murmle ich und betrachte mir die Schnittstellen. "Wie lange lagen sie im Wasser?"
"Da die Teile sicher verpackt in einem Plastiksack lagen, kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten. Wenn sie allerdings postmortem direkt ins Wasser getan wurden, dann so etwa seit sechsunddreißig oder 42 Stunden tod."
Ich nicke verständig. "Und womit wurden sie abgeschnitten? Haben Sie eine Ahnung?"
Sie lacht. "Tatsächlich habe ich die. Ein scharfes Beil würde ich sagen. Ich habe die Schnittstellen mit anderen Fällen verglichen. Auf historischen Aufnahmen erkannte ich eine Ähnlichkeiten mit Opfern von Enthauptungen."
"Okay." murmle ich. "Das würde zu den anderen Leichenteilen passen. Gibt es die Möglichkeit, dass Sie sich mit dem Pathologen der Met in Westminster kurzschließen und vergleichen ob die ... Teile zu ein und der selben Person gehören?" will ich wissen und sehe sie abwartend an.
"Die Personen." grinst sie. "Aber natürlich. Wenn Sie mir Ihre Nummer da lassen ..." Ein anzügliches Grinsen. "... dann melde ich mich sobald Resultate vorliegen." White strahlt mich an.
Flirtet die etwa mit mir? Hier an diesem Ort mit den Nasen über einer Leiche. Ich werde diese Leute wirklich nie verstehen.
"Gut. Danke." antworte ich knapp.
"Ihnen sind die Fingerkuppen aufgefallen?" fragt sie mit frechem Unterton.
"In der Tat." grinse ich. "Unkenntlich gemacht. Ich tippe auf Säure."
"Treffer. Flusssaäure." kontert sie.
"Flusssäure?" echot Hartmann fragend.
"Durch die Lipidlöslichkeit dieser Säure wird sie von der Haus praktisch sofort resorbiert. Verätzungen in tiefere Gewebeschichten oder sogar bis auf die Knochen sind möglich." erklärt sie ihm. "Passiert Ihnen das kann man mit einer Silbernitratlösung abhilfe schaffen. Aber hier wurden die Finger ja mit der Absicht verätzt sie unkenntlich zu machen." Sie deutet mit einem Nicken auf die Liege.
Wir haben keine weiteren Fragen und haben alles gesehen.
Ebenso schwungvoll schiebt sie die Liege wieder in das Regal zurück und schließt krachend die Tür. "So das war's. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein danke. Wenn Sie mich nur mit den Resultaten melden würden!" Gleichzeitig reiche ich ihr meine Visitenkarte. Vielleicht hat sie die Anspielung ja verstanden.
"Mache ich." strahlt sie.
Hartmann, der bisher ziemlich schweigsam gewesen war verabschiedet sich von der jungen Frau und verlässt mit mir gemeinsam den Keller. "Und, was sagen Sie? Passt das zusammen?" fragt er mich.
Ich sehe ihn von der Seite an. "Sie meinen ob die Teile zusammen passen?"
"Ich meine, ob die beiden von der selben Gruppe getötet wurden?"
"Hm. Kann schon sein. Die Art und Weise wie es getan wurde passt zu den gefundenen Torsen." erkläre ich. "Der Pathologe der Met Westminster vermutete ein Beil oder sogar ein Schwert als Tatwerkzeug."
"Ein Schwert?" wundert er sich.
"Jup. Seltsam oder? Ich meine, wer rennt denn mit einem Schwert durch London?"
"Ein Sammler?" meint er.
Ich zucke mit den Schultern. "Dafür bin ich nicht zuständig. Das macht die Met. Wir sind an den großen Fischen dran."
"Heißt das, Sie wissen schon wer dafür verantwortlich ist?" hakt Hartmann nach.
"Sagen wir es mal so, wir haben eine Ahnung."
"Und?"
"Was?" stelle ich mich dumm.
"Na, sind es die Russen oder die Yakuza?"
Oh mein Gott, nicht auch noch die Yakuza!
"Wir haben die Russen in Verdacht." gebe ich zu.
"Hm." macht er nachdenklich. "Aber denken Sie wir müssen mit weiteren Funden rechnen?"
"Na zumindest hoffe ich doch das die Köpfe noch auftauchen." erwidere ich lapidar. "Ohne Gentechnisch verwertbares Material können wir schlecht herausfinden um wen es sich bei den Leichen handelt."
"Ja, natürlich." stimmt er nachdenklich zu.
Wir verabschieden uns an meinem Audi. Hartmann kehrte zu seinem Schreibtisch und ich in mein gewohntes Territorium zurück.

 

Kapitel 40

 

Tom

 

"Ich bin in Twickenham durch. Mache heute etwas früher Feierabend." melde ich Miller die im Revier die Stellung hält am Telefon.
"Ist gut. Haben Sie sich verdient."
Ich unterlasse es darauf zu antworten und sage stattdessen. "Ich fahr nur noch schnell bei MacAvory vorbei. Irgendwo muss der Kerl doch stecken."
"Okay. Ach da kam übrigens was von Falkner."
"Ich höre."
"Seine Sekretärin hat sich mal schlau gemacht und die Nummer seiner Eltern ausfindig gemacht."
"Okay." erwidere ich abwartend. "Und? Steckt er bei ihnen?"
"Fehlanzeige. Sie leben in Birmingham. Er kommt von da." ruft sie mir in Erinnerung. "Sie haben auch schon länge Zeit nichts von ihm gehört."
"Und das beunruhigt sie nicht?" hake ich nach.
"Nö. Sie sagen, dass sei bei ihrem Sohn normal. Der meldet sich nur alle Jubeljahre einmal. Weihnachten, Geburtstage und so. Daher machen sie sich keine Sorgen."
"Hm." brumme ich nachdenklich. "Aber wo sollte er stecken? Wissen Sie ob er Probleme hatte?" Wenn ich mich richtig erinnere, haben Miller und MacAvory öfters die Pausen zusammen verbracht und sich überhaupt ganz gut verstanden.
"Nicht das ich wüsste. Anzumerken war ihm jedenfalls nichts." erwidert sie ebenso nachdenklich.
"Hatte er eine Freundin?"
"Da bin ich überfragt." gibt sie zu und zuckt garantiert gerade mit den Schultern. "Er ist nicht so der gesprächige Typ Mensch."
"Verstehe. Nun gut. Ich fahre jetzt mal zu seiner Wohnung."
"Okay. Dann einen schönen Feierabend Ihnen!" wünscht sie noch ehe sie das Gespräch beendet.

In Newington traf ich wieder einmal nur eine verlassene Wohnung an. Doch diemal beschloss ich mal bei den Nachbarn nach zufragen wann sie MacAvory zum letzten Mal gesehen hatten.
An der ersten Haustür, direkt neben der von MacAvory öffnet mir eine müde aussehende junge Frau mit einem quängelnden Kleinkind auf dem Arm.
"Guten Tag, Mam. Ich bin ein Kollege von Mister MacAvory, Ihrem Nachbarn." stelle ich mich freundlich vor.
Das Kind hört auf zu quängeln und blickt mich mit seinen großen blauen Augen an. Ich mache ihm die Freude und ziehe eine Grimasse. Der Junge lacht ein glucksendes Lachen. Seine Mutter lächelt erleichtert und sieht mich an. "Hallo."
"Mister MacAvory ist seit einigen Tagen nicht zur Arbeit erschienen."
Ihr Blick wird neugieriger. Sicher wittert sie eine Neuigkeit die sie in Form von Klatsch und Tratsch unter den Nachbarn verteilen kann. Als Mutter mit einem Kleinkind kommt man ja nicht mehr all zu häufig raus um was interessantes zu erleben. "Aha." macht sie.
"Ähm ... ja. Wir machen uns Sorgen. Er hat sich auch nicht krank gemeldet." fahre ich fort. "Sie können mir nicht zufällig sagen, wann Sie ihn das letzte Mal gehen haben?" Hoffnungsvoll sehe ich sie an.
Sie nimmt sich einen Moment um über meine Frage nachzudenken, schließlich zuckt sie die schmalen Schultern. Dem Kleinen auf ihrem Arm wird es zu langweilig, er beginnt wieder zu quängeln. Ein feiner Spuckefaden läuft aus seinem Mundwinkel. Angewidert sehe ich weg. "Nein, tut mir leid." antwortet sie. "Ich könnte Ihnen jetzt wirklich nicht sagen wann ich den zum letzten Mal gesehen habe. Ich hab ja auch keine Zeit um andauernd am Fenster zu stehen um den Nachbarn hinterher zu spionieren." Sie wirft einen Blick auf ihren Jungen. Irgendwas sagt mir, dass genau das ihr Hobby ist wenn den Kleine sein Mittagschläfchen hält.
"Schade." erwidere ich dennoch. "Wenn Ihnen doch noch etwas einfällt oder Sie jemanden in der Wohnung nebenan bemerken, würden Sie so freundlich sein und mich anrufen?" bitte ich freundlich und reiche ihr meine Visitenkarte.
Sie nimmt sie mit einer Euphorie entgegen als würde sie sie gleich in den nächsten Abfallkorb entsorgen wollen, wirft aber dennoch einen raschen Blick darauf. Sofort ändert sich ihr Gesichtsausdruck. "Sie sind ein Polizist?" fragt sie erstaunt.
"Ja ..." So was in der Art. "... Ich hatte angenommen, Sie würden wissen wo MacAvory arbeitet?" wundere ich mich laut.
"Ich hatte ja keine Ahnung." meint sie. "Der hat ja nie was erzählt. Nur 'Guten Tag' und 'Auf Wiedersehen'. Sonst nix." berichtet sie und klingt ehrlich enttäuscht.      
"Ach so?"
"Der ist eher der schweigsame Typ. Das müssten Sie doch auch mitbekommen haben."
Ich nicke zustimmend.
"Der hat auch kaum Besuch bekommen." tratscht sie weiter. Von wegen sie hat für soetwas keine Zeit. "Immer nur den einen."
"Den einen?" hake ich alamiert nach.
"Na den jungen Mann. Etwa in seinem Alter. Gutaussehender Kerl!" Für einen Moment gibt sie sich einem Tagtraum hin. Ihr Blick wird träumerisch.
Ich will lieber gar nicht wissen woran sie gerade denkt. "Jedenfalls, wenn Sie etwas bemerken ..." Ich mache mit der Hand das allgemein gültige Zeichen für telefonieren.
Sie nickt. "Mache ich." Ohne ein weiteres Wort schließt sie die Tür. Sofort ertönt lautes Kindergeschrei hinter der geschlossenen Tür. Ich wende mich ab um bei weiteren Nachbarn zu klingeln.
Am Ende bin ich nicht wirklich schlauer. Drei waren gar nicht zu Hause. Ein paar wussten gar nicht von wem ich spreche, sie hatten den Mieter aus Apartment Nummer 5 noch nie gesehen. Einer sagte mir das selbe wie die Mutter, dass MacAvory ein stiller ziemlich zurückgezogen lebender Typ ist. Nur von einem älteren Mann erfuhr ich etwas interessantes. Er gab offen zu den halben Tag auf seinem Balkon zu stehen und die Nachbarschaft auszuspionieren. 'Als Rentner hat man ja sonst nicht viel zu tun.' und ihm war schon öfter ein roter Sportwagen aufgefallen der hier nicht hingehört. Und desöfteren hat er MacAvory gemeinsam mit dem Fahrer aussteigen sehen.
"Sie haben nicht zufällig das Kennzeichen?" wage ich zu fragen.
"Wo denken Sie hin, junger Mann." echauffiert er sich. "Selbstverständlich habe ich es mir notiert. Man weiß ja nie was das für Typen sind."
Schmunzelnd notiere ich es mir in meinem Smartphone. "Danke, Mister Louis." bedanke ich mich artig und stecke das Gerät zurück in die Jackentasche.  
"Man hilft wo man kann." erwidert der Alte.
"Sie wissen nicht zufällig wann dieser Sportwagen das letzte Mal hier geparkt hat oder wann Sie Mister MacAvory zum letzten Mal gesehen haben?"
"Warten Sie!" bittet er und überlegt kurz. "Vor einer Woche in etwa war der Sportwagenbesitzer zum letzten Mal zu besuch und MacAvory ... den habe ich ... tja ... wann war das doch gleich? Mein Gedächnis ist nicht mehr das beste, wissen Sie." mahnt er.
Ich nicke wissend.
"Doch ja ... vor drei Tagen glaube ich, da muss er Spätschicht gehabt haben. Er ist später als üblich aufgebrochen."
"Woher wollen Sie wissen das er zur Arbeit gegangen ist?" will ich wissen.
"Na, er trug seine Uniform."
"Uniform?" Das ist mir neu, dass wir Uniformen tragen. Hat MacAvory einen geheimen Nebenjob?
"Na seinen Anzug. Mit Krawatte und Jacket. Stets adrett und sauber. Der typische Gentleman. Das ist ein feiner Kerl, denke ich mir immer. Genau so bin ich früher auch unterwegs gewesen. Ich habe in einer Bank gearbeitet, müssen Sie wissen. Am Schalter."
Ich nicke interessiert. Zumindest reden wir vom selben Mann. MacAvory ist immer wie aus dem Ei gepellt. Fast schon zu perfekt für einen echten Kerl. Zumindest erfüllt er das Stereotypische Bild eines Geheimagenten.
Mein Gegenüber scheint gerade etwas ähnliches zu denken. Plötzlich murmelt er. "Eigentlich zu schick um als Polizist zu arbeiten."
Mein Stichwort. Freundlich sage ich. "Tja. Ich danke Ihnen, Mister Louis. Ich muss dann mal weiter. Einen schönen Tag noch!" wünsche ich und entferne mich ehe er noch etwas sagen kann.
Unser oberstes Gebot ist unsere Identität zu wahren. Auf keinen Fall sollen die Nachbarn hier mitbekommen für wen MacAvory arbeitet.   
Während ich zu meinem Wagen schlendere erstatte ich Falkner noch schnell Bericht über das weitere Verschwundensein seines Mitarbeiters. Nachdem das erledigt ist bitte ich per SMS Gibs das Kennzeichen zu überprüfen. Resultate erwarte ich allerdings erst morgen früh. Für heute hatte ich Feierabend.

 

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Charlotte

 

>Komme morgen Vormittag. Mom weiß bescheid. Wir treffen uns bei ihr im Hotel. Bis morgen dann. Und, Schwesterchen, denke immer daran, ich hab dich lieb!<  schrieb Aiden noch am Abend.
Tom neben mir brummt etwas undeutliches im Schlaf. Er war vorhin erst spät nach Hause gekommen und dann hundemüde nach einer Dusche ins Bett gefallen. Er sah furchtbar aus! Wie lange hatte dieser Mann nicht mehr geschlafen? Sicher lange nicht. Es waren ja auch aufregende Zeiten.
Ich tippe eine schnelle Antwort. >Ist gut. Ich freue mich! Liebe Grüße an Mary und meine Nichte! Und, ich hab dich auch lieb!< und lege das Gerät zurück auf den Nachttisch. Die ganze Zeit schon versuche ich mich auf mein Buch zu konzentrieren, doch es will mir nicht recht gelingen. Viel zu viele Gedanken schwirren mir im Kopf herum. Dazu kommt, dass Tom noch gar nichts von unserem morgigen 'Ausflug' weiß. Er wird im Dreieck springen wegen der Sicherheit.
Irgendwann schlafe ich doch ein und träume wirres Zeug.

Wie ich es geahnt habe ist Tom nicht gerade begeistert von meinem Wunsch meinen Vater auf dem Friedhof zu besuchen. "Wie stellst du dir das vor, Süße?" fragt er und fährt sich genervt mit der Hand durch's Haar.
"Wie, wie ich mir das vorstelle?"
"Na wegen eurer Sicherheit."
"Tommy, ich kann mich doch nicht ewig hier verstecken. Ich muss auch mal raus und arbeiten muss ich auch bald mal wieder." erinnere ich ihn und hoffe ihm meine Situation ebenfalls klar zu machen.
"Hm." brummt er. "Das verstehe ich ja." Er steht auf und nimmt mich in seine Arme. "Ich verstehe dich, Charly. Ehrlich. Ich ... ich weiß aber auch, dass du noch immer in Gefahr schwebst."
"Warum denn? Mein Vater ... ähm ich meine James hat doch gezahlt." erwidere ich verständnislos. "Die Geschichte ist doch damit erledigt oder etwa nicht?"
"Eher nicht." murmelt er in mein Haar. Sein Griff um mich verstärkt sich noch.
"Wieso?"
"Du vergisst die Autobombe." erinnert er mich an diesen schrecklichen Abend. "Das war eine Warnung." erklärt er.
"Eine Warnung?" wiederhole ich dümmlich. "Wer sollte gewarnt werden und wovor?"
"James natürlich." meint er kurz angebunden.
"Aber wieso? Er hat doch das Lösegeld gezahlt." Ich drücke mich etwas von ihm weg um ihn ins Gesicht sehen zu können. "Damit sollte es sich doch erledigt haben."
Ich sehe in Tom's unglaublich blaue Augen. Er verschweigt mir was. Genau wie Max. "Was verschweigst du mir?" frage ich geradeheraus.
Er schluckt. "Ich ... ich möchte dich nicht beunruhigen ..." stammelt er ausweichend.
"Das bin ich eh schon. Seit einer gefühlten Ewigkeit." flüstere ich. "Meine Welt steht Kopf. Vieles geht den Bach runter und ich verstehe nicht warum." Flehend sehe ich ihn an.
Tom's Blick fixiert mich, er scheint zu überlegen. Schließlich brummt er. "Ich ... du ... du bist noch immer in Gefahr. In letzter Zeit sind einige schmutzige Geheimnisse deiner Familie ans Licht gekommen. Ich will dich aus der Schusslinie halten. Dich, Aiden, Mary, Emely und eure Mom." Er klingt ja richtig verzweifelt.
"Und meinen Vater nicht?" hake ich vorsichtig nach. Irgendwie habe ich das Gefühl das er hinter all dem steckt.
"Der braucht meinen Schutz nicht. Jedenfalls nicht den, den ein normaler Polizist einem normalen Bürger nicht auch gewähren würde." erwidert er kalt. 
Ich ziehe es vor zu schweigen. Seine Worte geben mir zu denken.
"Bist du jetzt bestürzt?" fragt er vorsichtig. "Ich wollte dir keine Angst machen." Es folgt ein sanfter Kuss auf mein Haar.
"Hast du nicht. Ist schon gut." murmle ich verwirrt. "Ich weiß auch nicht, was ich von all dem halten soll."
"Genieße nachher erst einmal die Zeit mit deiner Familie!" rät er mir. "Ich werde dir Miller schicken. Sie wird euch begleiten und sich um euren Schutz kümmern."
"Miller?"
"Eine hervorragende Agentin. Sie gehört zu meinem Team." erklärt er knapp.
"Ist dasw irklich nötig? Ihr habt doch sicher gerade genug anderes zu tun." gebe ich zu bedenken. Mir ist es unangenehm soviele Umstände zu machen.
"Keine Sorge. Ihr werdet sie gar nicht bemerken." verspricht er sanft. "Aber sonst kann ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren. Und dann mache ich Fehler. Und Fehler können in meinem Beruf ein Sterberisiko sein."
Erschrocken halte ich die Luft an. Ich muss mich wohl noch daran gewöhnen zwei Männer mit gefährlichen Jobs zu haben.
"Keine Angst." lacht er als er meinen bestürzten Gesichtsausdruck sieht. "Ich habe noch nie einen Unfall gehabt." Ich bin mir ziemlich sicher das das gelogen ist. Dennoch nicke ich zustimmend. "Okay, schick diese Miller. Hat sie auch einen Vornamen?"
Er tut so als müsse er darüber nachdenken.
"Hey, du musst doch wissen wie deine Mitarbeiter heißen." tadel ich ihn spielerisch und knuffe ihn in die Seite. "Wie sonst könntest du dich vollkommen auf sie verlassen?"
Tom wirft lachend den Kopf in den Nacken. "Ich mach doch nur Spaß. Sie heißt Ariella."
"Ariella?" echoe ich verwundert. "Wer heißt den Ariella?"
"Na sie." lacht er weiter und küsst mich stürmisch.

Nach einem kurzen Abstecher ins Bett, wo wir wirklich nur gekuschelt haben und ich ihn mit meiner Hand glücklich gemacht habe fährt er nach Vauxhall. Ich mache mich fertig und warte auf die Ankunft besagter Ariella Miller. Sie soll mich zu meiner Mom ins Hotel begleiten wo wir uns dann anschließend mit Aiden treffen.
Pünktlich zur verabredeten Zeit klingelt sie an Tom's Haustür. Durch die Umstände der letzten Zeit vorsichtig geworden öffne ich nur zögernd die Tür. "H-hallo?" frage ich leise.
Vor der Haustür steht eine blonde Schönheit. Ihr zum Französischen Zopf geflochtenes Haar geht ihr bis zum Po. Sie hat ein freundlichen Gesicht und lächelt mir jetzt offenherzig entgegen. "Hi, Miss Spencer. Ich bin Ariella, Tom's Kollegin."
Ich mag sie schon jetzt! Als sie jetzt eintritt und freundlich über Gott und die Welt plaudert, ist es fast so, als würde ich sie schon ewig kennen.
Geduldig wartet sie neben der Haustür im Flur bis ich mich mit Mantel, Schal und Mütze ausgehfertig gemacht habe. Sie selbst trägt einen dunkelblauen Hosenanzug und eine dazu gut passende weiße Bluse. Den camel farbenen Wintermantel trägt sie offen.
"Ich habe gar kein Auto hier." fällt mir sidendheiß ein.
"Kein Problem, Miss. Mister Cray hat mir seinen Wagen geliehen."
Erstaunt sehe ich von meinen Stiefeln, die ich mir gerade zubinde zu ihr auf. "Er hat Ihnen wirklich seinen geliebten Audi geliehen?" Ich kann es kaum fassen. "Dann müssen Sie ihm ja viel bedeuten!" lobe ich.
Sehe ich richtig, errötet sie gerade ein wenig?
"Ach was ..." winkt sie verlegen lächelnd ab. "Mister Cray will Ihnen sicherlich nur den gleichen Kompfort wie sonst auch zukommen lassen." mutmaßt sie weiter.
Das denke ich zwar nicht, sage aber nichts dazu und zucke nur ahnungslos mit den Schultern.
Dann bin ich fertig. Gemeinsam verlassen wir das Haus, wobei mir auffällt, dass sie sich unauffällig zu allen Seiten umsieht ob uns auch niemand beobachtet. Achtsam hält sie mir die Beifahrertür auf und wartet bis ich eingestiegen bin.
Im Wagen tippe ich eine kurze Nachricht an meine Mutter um ihr mitzuteilen das ich unterwegs bin.
Ariella lenkt den Wagen sicher und mit ordnungsgemäß gemäßigtem Tempo durch die verstopften Londoner Straßen. Vor dem Hotel dann das selbe Spiel. Ein unauffälliger Schulterblick hier, ein misstrauischer Blick auf den Jungen vom Parkservice. Sie hält sogar eine Hand auf meinem Rücken als sie neben mir her auf den Haupteingang des Hotels zu geht. Scheinbar ist dies ihr erster Sondereinsatz und sie möchte alles so gut wie möglich machen. Ich weiß wie Tom sein kann wenn er verärgert ist. Das möchte niemand freiwillig erleben.
Im Foyer blicke ich mich um. Meine Mutter sitzt wie vereinbart in der Sitzgruppe zur rechten des Eingangs. Als sie mich sieht erhebt sie sich und kommt auf uns zu. "Hallo Schatz." begrüßt sie mich und nimmt mich in den Arm.
Aus Reflex will Ariella dazwischen gehen, doch im letzten Moment erinnert sie sich und tritt respektvoll einen Schritt zurück.
"Und wer ist das?" will in diesem Moment meine Mutter wissen und sieht an mir vorbei zu unserer Aufpasserin. Ich erkläre es ihr mit ein paar wenigen Worten. Dann ist das Thema erledigt. Scheinbar hat sich meine Mutter bereits an die momentan herrschenden Umstände gewöhnt.
"Wir warten noch auf Aiden. Ich habe ihm, der Einfachheit halber ebenfalls gesagt, dass wir uns hier im Foyer treffen." erklärt Mom.
Zustimmend nicke ich und gemeinsam gehen wir zurück zu der Sitzgruppe. Ariella geht respektvoll etwas hinter uns neben einer Marmorsäule in Position. Mit verschränkten Armen steht sie regungslos da. Doch ihre Augen bewegen sich unaufhörlich durch die riesige Halle. Sicherlich ist es für sie kein Spaß in einer Räumlichkeit wie dieser hier auf jemanden aufzupassen. Ich möchte sie nicht auch noch mehr beunruhigen und wende mich von ihr ab.
"Schon seltsam das Ganze oder!" meint Mom.
"Was meinst du?" frage ich.
Die deutet mit dem Kinn auf die junge Agentin, der man ihren Beruf gerade ziemlich genau ablesen kann. "Na das."
"Du meinst der Personenschutz? Tja ..." Ich zucke mit den Schultern. "... ist eben nötig zur Zeit. Meint zumindest Tom."
"So so. Dennoch ist es gewöhnungsbedürftig." flüstert Mom.
"Da hast du recht. Wie geht's James?" versuche ich das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Mir fällt wieder einmal auf, dass ich Dad, seit dem ich von unserem nicht vorhandenen verwandtschaftlichen Verhältnis in letzter Zeit nur noch James nenne.       
"Gut. Denke ich. Um ehrlich zu sein, reden wir gerade kaum noch miteinander." gibt meine Mutter leise zu. "Er wohnt auch nicht hier."
"Warum das?" frage ich erstaunt. Ich hatte angenommen sie würden gemeinsam im Hotel wohnen.
"Er sagt die Arbeit würde es nötig machen das er zu Hause wohnt. Dabei ist das Blödsinn. Vom Hotel aus kommt er ebenso gut ins Bankhaus wie von zu Hause aus." meint sie.
"Hm. Komisch." murmle ich.
"Er ist ja auch ein komischer Mensch." urteilt sie.
Das frage ich mich auch schon eine halbe Ewigkeit, was meine Mutter an einem Mann wie ihm findet. Erst recht jetzt, wo ich weiß, dass ihr Männertyp eigentlich ein ganz anderer ist.
Wir schweigen. Plötzlich sehe ich aus dem Augenwinkel wie Ariella in Bewegung kommt. Mit einem Hechtsprung prischt sie vor und ruft "Stopp! Bewaffnete Polizei!"
Erschrocken kreischen Mom und ich auf. Auch einige andere Hotelgäste rufen erstaunt auf. Eine gewisse Panik entsteht. Ich drehe mich um um zu sehen, wen sie da warnend zum stehenbleiben aufgefordert hat. Hinter uns steht ein völlig verdattert aus der Wäsche guckender Aiden. "Ariella, dass ist mein Bruder. Aiden Spencer." kläre ich rasch auf. Aiden hebt gegenüber der Agentin ergebend die Hände. Zum Glück hat sie nicht gleich ihre Waffe gezogen! Das hätte ja erstmal einen Aufstand gegeben. Sie sieht zwischen uns Geschwistern hin und her, bis sie schließlich erleichtert ausatmet. "In Ordnung. Entschuldigen Sie bitte, Mister Spencer." entschuldigt sie sich für ihre Übereifrigkeit.
"Schon gut." murmelt der angesprochene verwirrt. Vorsichtig, den Blick nicht von ihr abwendend geht er an Ariella vorbei um uns zu begrüßen.
Den neugierig stehengebliebenen Schaulustigen scheint es nun wieder langweilig zu werden. Der Pulk löst sich auf.
"Wer ist das denn?" zischt Aiden an mein Ohr.
Laut antworte ich ihm. "Aiden, darf ich dir Ariella Miller vorstellen? Sie ist eine ..."
"Ich bin eine Kollegin von Mister Cray. Thomas Cray." stellt sie sich schnell selbst vor.
"Sehr erfreut." erwidert er und man merkt, dass es nicht so ist.
Die junge Agentin stellt sich wieder zurück auf ihren Beobachtungsposten und überlässt uns uns selbst.
"Du hast jetzt einen Wachschutz?" wundert mein Bruder sich.
"Hab ich dir doch gesagt." zische ich genervt. "Tom besteht darauf."
Er nickt. "Stimmt. Hattest du erzählt. Kommt sie jetzt auch mit?" Er deutet mit einem Kopfnicken auf Ariella.
"Gerade wegen unserem 'Ausflug' ..." Ich male mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. "... ist sie ja da."
"Verstehe. Ist irgendwie seltsam, nicht!"
"Tja." ich zucke mit den Schultern und ernte von ihm ein Stirnrunzeln.
"Wollen wir dann mal?" meldet sich mal wieder Mom zu Wort.
Einvernehmend erheben wir uns und gehen Richtung Ausgang. Sofort werden wir verfolgt. "Miss Spencer, ich muss Sie bitten mich immer voran gehen zu lassen!" bittet sie freundlich aber eindringlich.
Verwirrt bedeute ich ihr mit der Hand voran zu gehen. Sie überholt uns, geht hinaus und bedeutet uns mit erhobener Hand noch zu warten. Schnelle Seitenblicke, dann dürfen wir folgen.
Genervt rollt Mom mit den Augen.
"Wenn's hilft." murmelt Aiden kaum hörbar.
"Miss Spencer fährt mit mir. Wenn ich Sie bitten dürfte mir in Ihrem Wagen zu folgen." ordnet Ariella.
Wir wagen es nicht Widerspruch einzulegen. Brav trotten Mom und Aiden zu Aidens vor dem Hauspteingang immernoch geparkten stehenden Rover, während ich selbst wieder in dem auffällig orange farbenen Audi einsteige.

 

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Max

 

"Daddy, wo ist Charlotte?" will meine kleine Charlotte beim Frühstück vor der Schule wissen.
"Sie hatte etwas mit ihrer Mutter zu besprechen und hat heute und gestern dort geschlafen." kläre ich sie auf.
"Ich vermisse sie!"
Ich auch, denke ich, doch lau sage ich. "Sie kommt ja wieder."
"Wann?"
"Bald."
"Wann?" beharrt sie.
"Charly, bald, sage ich doch. Hab etwas Geduld!"
"Geduld? Ich hab aber keine." gibt sie offen zu.
"Du willst ja nur, dass dein Zimmer fertig wird." ziehe ich sie auf.
"Auch." ertappt lacht sie. "Aber ich vermisse sie auch so. Hier und in der Schule." murmelt sie.
"Du willst mir weiß machen das du deine Lehrerin vermisst?" lache ich und sehe sie zweifelnd an.
Irre ich mich oder errötet mein Töchterchen gerade leicht?
"Doch natürlich ..." beginnt sie vorsichtig. "Aber mehr vermisse ich sie hier zu Hause. Und das nicht nur weil sie mein Zimmer neu macht." Ich lacht strahlend. "Ich hab sie lieb!"
"Ehrlich?" hake ich neugierig nach. Gespannt warte ich auf ihre Antwort.
Charly nickt ernsthaft. "Ich hab sie lieb. Fast so wie Mommy."
Erstaunt schlucke ich erstmal ehe ich antworte. "Wirklich?"
"Ja doch, Daddy." lacht sie wieder.
Ich hänge schweigend meinen Gedanken nach solange sie ihre Frühstückskornflakes löffelt.
Plötzlich fragt sie. "Wollt ihr heiraten?"
Die Frage kam so überraschend und gerade heraus, dass ich mich an meiner eigenen Spucke verschlucke.
"Daddy?" fragt sie verwundert.
"Schon gut." huste ich. "Nein, bisher haben wir nichts derartiges geplant. Das geht ja auch gar nicht. Daddy und Mommy sind ja schon miteinander verheiratet." erkläre ich ihr.
"Ja klar." schnaubt sie. "Ihr seid getrennt, lasst euch scheiden."
"Was?" frage ich verwundert. "Wie kommst du darauf?"
Ihr Gesicht spiegelt blankes Entsetzen wider. Entsetzen darüber wie einfältig ihr Vater nur sein kann, anzunehmen sie hätte nichts von den Problemen ihrer Eltern mitbekommen. "Daddy, ..." beginnt sie ganz langsam, ganz so als würde sie mit einem Begriffsstutzigen reden. "... Mommy hat einen neuen Mann gefunden. Sie ist sogar zu ihm gezogen. Und du bist allein. Früher hast du traurig ausgeschaut, doch seit du Miss Spencer kennst bist du wieder fröhlich."
Ich nicke zustimmend. "Du hast recht!" Ich atme tief durch. "Was habe ich doch für eine schlaue Tochter!" lobe ich ehrlich lachend.
"Das sagst du am besten gleich Miss Spencer weiter! Sie ist es schließlich die mir meine Noten gibt." lacht sie und zwinkert fröhlich.
Lachend nehme ich meine kluge Tochter in den Arm.
"Ich würd' mich jedenfalls freuen!" urteilt sie als ich sie wieder frei gegeben habe.
"Echt? Du würdest dich freuen, wenn ich Charlotte heiraten würde?"
"Na klar."
Erleichtert strahle ich sie an. Am liebsten würde ich sie gleich nochmal umarmen. Doch das wäre zuviel des Guten. Am Ende denkt sie noch ich wäre verrückt geworden.  

 

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Charlotte

 

Der Weg von Marylebone nach Kensal Green war nicht weit, dennoch standen wir insgesamt gute zwanzig Minuten im Stau. Ariella parkte in der Harrow Road auf dem Besucherparkplatz. Aiden direkt neben ihr auf einer weiteren freien Parkfläche. Gemeinsam spazieren wir über das ausladende Gelände des Friedhofes. Mutter hakte sich bei mir unter und lächelt mir aufmunternd zu. Aiden geht direkt neben uns. Schweigend, wie wir alle. Suchend werfe ich einen Blick über meine Schulter um nach Ariella zu sehen. Sie macht sich tatsächlich, wie von Tom versprochen fast unsichtbar, geht in respektvollem Abstand ein paar Meter hinter uns. "Hier ist auch Freddy Mercury begraben." unterbricht Aiden die Stille. Ich sehe ihn an. "Hab ich irgendwo gelesen." fügt er erklärend hinzu und zuckt mit den Schultern.
Ich nicke zustimmend und ziehe den Kopf ein. Es ist arschkalt heute. Der Himmel, grau und Wolkenverhangen lässt keinen Sonnenstrahl hindurch. Und irgendwie riecht es nach Schnee. Hoffentlich beginnt es nicht zu regnen!
"Wir sind gleich da." murmelt Mom nach weiteren Schweigeminuten. "An der Kapelle vorbei und dann der zweite Weg rechts rein." erklärt sie uns den Weg.
Ich nicke stumm. In meinem Hals bildet sich ein Kloß, der es mir unmöglich macht jetzt zu sprechen. Gleich werde ich meinen richtigen Vater kennen lernen. Oder zumindest fast kennen lernen. Ich bin aufgeregt. Mom scheint das zu spüren und drückt sanft meinen Arm. "Alles gut?" murmelt sie fragend.
"Ja ja, schon gut." tue ich es ab. "Ich ... ich bin nur aufgeregt." gebe ich zu. "Blöd, ich weiß. Aber ..."
"Ich verstehe schon." lächelt sie lieb.

Je näher wir dem Grab kommen, desto zappeliger werde ich. Aiden scheint bereits schon einmal hier gewesen zu sein. Ich finde es ja ziemlich unübersichtlich. Überall stehen einzelne Grabsteine oder Kreuze herum, doch Aiden steuert zielstrebig auf eine Grabstätte zu. Mutter und ich folgen ihm. Nebeneinander stehen wir schließlich vor einem grauen, schon leicht mit Moos bedecktem rechteckigen Stein. Mit goldenen, in den Stein getriebenen Lettern steht dort geschrieben: 'Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir ungefragt weggehen und Abschied nehmen müssen. * Benedict Edward Abernathy * geb. 8. Dez. 1964 ~ gest. 12.10.1996'
Mit feuchten Augen lese ich die Zeilen wieder und wieder. So lange bis Mom leise fragt. "Ist alles in Ordnung, Schatz?"
Ich nicke und blinzel. Das hätte ich lieber lassen sollen, denn jetzt laufen mir heiße Tränen über die Wangen.
"Oh Schatz. Ich weiß, es ist furchtbar." raunt Mom und nimmt mich liebevoll in den Arm. Aiden schlingt seine langen Arme um uns beide. So stehen wir ein paar Minuten schweigend da und genießen die Wärme und die Kraft die wir uns gegenseitig geben.
Langsam löse ich mich aus der Umarmung und wende mich erneut dem Grabstein zu. "Hier bist du also all die Jahre gewesen." murmle ich fast tonlos. Meine Tränen tropfen auf die kalte, harte Erde. Ich folge ihnen mit meinem Blick und besehe mir die trotz der winterlichen Temperaturen leuchtend blau blühenden kleinen Blütenköpfe der Grabbepflanzung.
"Schön!" murmle ich leise. "Mochte er die?" frage ich an Mutter gewandt.
Sie zuckt die Schultern. "Ich weiß es nicht. Um die Grabgestaltung kümmert sich sicherlich die Friedhofsverwaltung."
"Du nicht?" frage ich verwundert.
Sie schüttelt leicht beschämt den Kopf.
"Wann warst du denn das letzte Mal hier?" will ich weiter wissen.
"Vor einem Monat etwa. Ich komme einmal im Monat her."
"Ich war auch schon einmal hier." gibt Aiden zu und bestätigt damit meine Vermutung. "Ich war neugierig."
"Verstehe." murmle ich und sehe wieder hinunter auf das Grab. Wie die blauen Blumen heißen weiß ich nicht, aber ich erkenne den Efeu der sich um die blauen Blüten herum grün golden ergießt. Vorsichtig, als hätte ich Angst bei etwas verbotenem erwischt zu werden lege ich meine rechte Hand auf die obere Kante des schwarzen Steins. Wie zu erwarten ist er kalt und rau. Nur die Vorderseite hatte man glatt poliert. Er sieht hochwertig aus und man merkt, dass es dem Auftraggebers wichtig war das er schön wird.
"Ich hätte dich so gern kennen gelernt!" spreche ich in Gedanken zu meinem Vater die tief unter meinen Füßen in der harten Erde liegt. "Ich habe gehört was du für ein toller Mensch gewesen bist. Es ist so traurig, dass du so früh gehen musstest!" 
Ich lasse den Blick schweifen und sehe mich um. Einige bereits restlos kahle Bäume stehen vereinzelt herum. Weit entfernt in einem anderen Gang erkenne ich eine weitere Person. Eine alte Frau mit Gießkanne. Von irgendwoherher höre ich die typischen Schreie der Krähen. Es hört sich fast wie ein Streitgespräch an. Ich verspreche ihm noch zukünftig regelmäßig zu besuch zu kommen und trete auf den Weg zurück neben Aiden der schweigend, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen da steht und den Stein anstarrt. Mom tritt statt meiner nun an den Stein heran und beginnt flüsternd mit ihm zu sprechen. Auch sie legt ihre Hand auf den Stein. "Hallo Ben." höre ich. "Heute habe ich Besuch mitgebracht." Sie atmet tief durch. Ich weiß, ich sollte nicht lauschen, doch ich kann nicht anders. "Sie hätten dich so gern kennen gelernt. Sie hätten dich gebraucht, weißt du. Aber es ist eben wie es ist. Es hat nicht sollen sein." Wieder atmet sie tief ein und aus. Ihr Atem dringt als weißer Dampf aus ihrem Mund. "Von nun an gibt es keine Geheimnisse mehr, dass verspreche ich dir! Ich weiß, ich weiß, ich hätte schon längst ehrlich sein sollen. Vielleicht wärst du dann noch ..." Sie bricht ab und schlurchzt. "Doch ich war zu feige." Ihr zarter Körper wird von heftigen Schlurchzern geschüttelt. Schnell gehen wir zu ihr und nehmen sie beide in den Arm. "Mom ..."
Mit rot verweinten Augen sieht sie mich an. "Ich ... ich hätte ehrlich sein sollen. Nein müssen. Euch und ihm ..." Sie deutet mit der Hand auf das Grab unter uns. "... zu liebe. Doch ich war feige. Ich ... ich war egoistisch. Das ist die Strafe für meine Sünde." Sie bricht ab, weint heftig.
"Mom, nicht doch. Dich trifft doch keine Schuld." beschwichtigt Aiden sie und reibt mit seiner Hand ihren Rücken.
"Doch, nur mich allein trifft Schuld. Wäre ich ehrlich gewesen ... dann ... dann ..."
"Dann wäre es auch nicht anders gekommen. Das ist traurig, aber wahr." kontert er entschlossen. "Du warst es schließlich nicht der ihn getötet hat."
Sie schüttelt heftig den Kopf. Ein paar ihrer blonden Locken haben sie aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst und hängen ihr nun wirr im Gesicht.
"Ach Mom ..." murmle ich lahm, weil mir nichts besseres einfällt.
"Es tut mir so leid für euch. Ihr habt nie euren richtigen Vater kennenlernen können. Und er wäre ein so viel besserer Vater gewesen."
"Ich habe ihn kennengelernt und er war wirklich so wie du immer gesagt hast. Einfach toll." lächelt Aiden. "Nun unsere Charly hier ..."
Mitleidige Blicke treffen mich.
Ehe ich etwas antworten kann durchschneidet eine Stimme die Stille. "Entschuldigen Sie ..." Erschrocken wenden wir unsere Köpfe in die Richtung aus der die Stimme kommt. Ein Mann mittleren Alters steht hinter uns uns sieht freundlich zu uns herüber. "Entschuldigung, ich wollte sie nicht erschrecken." entschuldigt er sich. "Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht ..."
"Stopp." meldet sich da Ariella's Stimme barsch. "Treten Sie bitte ein paar Schritte zurück, Sir!" befiehlt sie.
Erschrockend wirbelt der Mann herum und sieht die junge Frau im Businessanzug hinter sich aufmerksam an. "Ich wollte nur ..." beginnt er.
"Treten Sie bitte ein paar Schritte zurück, Sir!" wiederholt sie sich und lässt nun ihre rechte Hand deutlich über ihrem Waffenholster schweben.
Ergebend die Hände hoch haltent tritt er zurück. "Ich wollte die Herrschaften nur nach den schönen blauen Blumen befragen." nuschelt er mit osteuropäischen Akzent.
Verwirrt drängen wir uns aneinander und warten der Dinge die da folgen werden.
Ariella muss den renitenten Herrn noch zwei weitere Male auffordern sich zu entfernen, bis er schließlich und endlich die Biege macht und sich quer über die Gräber stolpernd entfernt.
"Ist alles in Ordnung?" will sie von uns wissen. Wir nicken zustimmend.
Anschließend verabschieden wir uns und gehen auf dem selben Weg den wir gekommen sind zurück zum Parkplatz. 
"Was war das gerade?" frage ich Ariella als wir uns ein paar Schritte von den anderen entfernt haben.
"Eventuell ein vereitelter Anschlag." murmelt sie leise.
"A-anschlag?" stottere ich. "Warum? Warum hier? Warum wir?" stammle ich.
Ariella bedeutet mir mit dem an den Mund gelegten Zeigefinger noch zu schweigen. Sie würde es mir später erklären.
Mom und Aiden scheinen den Vorfall bereits wieder vergessen zu haben, sie unterhalten sich leise über Mary und die Schwangerschaft.       
Mir geht der Vorfall nicht so schnell wieder aus dem Kopf. Ob das wirklich ein Anschlag werden sollte und wenn ja, wem galt er? Oder war der Mann doch nur an der hießigen Friedhofsflora interessiert?

 

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Kapitel 41

 

Tom

 

"Was Neues von der Kennzeichenabfrage?" frage ich Gibs am Telefon.
"Jup." erwidert er salopp. "Der Wagen gehört einem gewissen Brain Lewis. Wohnhaft in West Hampstead, Narciccus Road." berichtet er. "Du hast gleich alles in deinem Emailpostfach."
"Und? In welcher Beziehung steht er mit MacAvory?"frage ich ungeduldig.
"Sorry. Soweit bin ich noch nicht." entschuldigt er sich barsch.
"Schon gut. Ich setz die Met darauf an. Wir haben ja wirklich anderes zu tun."
"Eben." brummt Gibs und legt auf.

Mein nächster Weg führt mich zu Falkner um ihn auf den neuesten Stand bezüglich MacAvory zu bringen. Den Computerausdruck nehme ich mit.
"Ein Mann?" ruft er verwundert und betrachtet abschätzend das Foto auf dem Ausdruck. "Warum erhält MacAvory regelmäßig Besuch von einem Mann?"
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. "Also ... entweder ist das sein bester Freund aus Jugendtagen oder ... "
"Etwa sein Freund Freund?" fragt er noch eine Spur verwunderter. "Das kann doch nicht sein."
Ich zucke die Schultern. "Warum nicht?"
"Haben Sie denn noch nie etwas dererlei bei ihm bemerkt?"
"So genau kannte ich ihn gar nicht." gebe ich zu. "Er gehört wohl nicht zu der gesprächigen Sorte Mensch." berichte ich.
"Hm."
"Wir sind nie zusammen was trinken gegangen oder ähnliches wobei ich hätte etwas bemerken können."
"Sie waren doch mit ihm zusammen in dieser Bar?" erinnert sich mein Chef.
"Das stimmt." nicke ich und überlege. "Da war er normal. Ich würde sagen, er hatte schon Interesse an den dortigen Damen." sage ich schließlich. 
"Hm. Vielleicht Bi?" mutmaßt er.
Ich zucke wieder mit den Schultern.
"Nun gut, ich werde jemanden schicken um diesen Mister Lewis nach MacAvory's Abbleiben zu befragen." verkündet mein Boss. "Sie kümmern sich bitte vorrangig um Gregorovitch. Das war ja eine schöne Pleite da in Hammersmith."
Ich nicke und sehe betreten auf meine Fußspitzen.
"Das hätte nicht passieren dürfen. Sie allein, Cray tragen dafür die Verantwortung." mahnt er.
"Ich weiß, Sir. Ich werde die volle Verantwortung übernehmen." antworte ich ergeben.
"Schön schön." brummt er. "Haben wir schon eine Spur zu den Tätern? Konnten Sie deren Verbleib ermitteln?"
"Leider nein. Halliway und ich haben sofort eine Täterbeschreibung abgegeben. Beide Männer wurden sofort zur Fahndung ausgeschrieben. Bisher ohne Erfolg." berichte ich von unseren nicht vorhandenen Ermittlungsergebnissen.
"Nicht gut, Cray. Suchen Sie weiter!"
"Jawohl, Sir!" erwidere ich zackig.
"Und Mister Spencer ... Gibt es da schon Erfolge? Wer war der Bombenleger?"
"Wir vermuten das es eine Drohung gewesen ist."
"Eine Drohung?"
"Ja. Er wurde um weitere fünf Millionen erpresst. Die Zeit läuft ab." Ich werfe einen unauffälligen Blick auf den Wandkalender hinter Falkners Schreibtisch. "Genau gestern lief die Frist ab."
"Tatsächlich? Hat Spencer gezahlt?"
"Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht, Sir." gebe ich zu.
"Dann finden Sie es raus! Sofort! Und das heißt auch, dass wir uns heute oder in den nächsten Tagen auf weitere Bomben oder ähnliches in Spencer's Umfeld gefasst machen muüssen?" zischt er. "Bringen Sie den Mann in Sicherheit!"
Ich nicke zustimmend.
"Dann los! Sie sind entlassen!" verabschiedet er mich aus seinem Büro.
Ich grüße und verlasse den Raum.

Als ich an Parson's Schreibtisch vorbei komme, bitte ich ihn bei der Met anzufragen, ob man jemanden zu Brain Lewis Adresse schicken könne. Er verspricht sich sofort darum zu kümmern.
Dann setze ich mich an meinen eigenen Schreibtisch und rufe Max Steel über mein Smartphone an.
"Bitte sag mir, dass du was in Spencer's PC gefunden hast!" stöhne ich gleich nach der Begrüßung.
"Mein Mann ist dran. Aber aufgrund der Zeitspanne ist es unwahrscheinlich das er was finden wird was den Mord an Abernathy angeht." erwidert er.
"Mist!" fluche ich. "War ja klar. Bist du aber an ihm dran?"
"Ja doch." kommt es genervt zurück.
"Die Frist ist abgelaufen." erinnere ich auch ihn. Falls er es wie ich vergessen haben sollte.
"Ich weiß." brummt er. "Gestern."
"Hat dein Mann oder du festgestellt ob er das Geld besorgt hat? Gibt es einen Treffpunkt für die Geldübergabe?" frage ich.
"Hm. Bisher nichts. Es ist wohl ungewöhnlich still auf seinem privat PC."
"Okay. Und auf dem in der Bank?"
"Da kommen wir nicht rein."
"Nicht? Scheiße! Aber gut, darüber wird schon nicht unsaubere Wäsche waschen." mutmaße ich. "Stehen deine Leute noch bei Emely und Aiden?"
Das Hotel hatte ich ja zwischenzeitig selbst übernommen. Dort stehen rund um die Uhr Polizeikräfte in zivil.
"Ja." erwidert er genervt. "Obwohl ich glaube, wenn sich unser Verdacht bestätigt und er selbst mit drin hängt nur Aiden und Charlotte in Gefahr sind. Seine leiblichen Tochter oder seiner Frau wird er schon nichts antuen lassen."
"Er vielleicht nicht. Aber die denen er das Geld schuldet." überlege ich laut.
"Hm. Ich denke aber nicht, dass es soweit kommt!"
"Charly sieht das sicher anders."
"Hm."
"Bleib dran. ich muss jetzt arbeiten. Wenn was ist, ruf an!" Er verspricht es und ich lege auf.
Persons sieht das ich das Telefonat beendet habe und ruft über die Tische hinweg, dass die Met jemanden zu Lewis schickt. Er gibt mir bescheid.
Ich deute mit dem erhobenen Daumen meinen Dank aus.
Anschließend rufe ich über das Festnetztelefon in der Rechtsmedizin an um die endgültigen Ergebnisse in Erfahrung zu bringen.
Robinson höchst selbst ist am Apparat und erklärt, dass man bereits die frisch aufgefundenen Teile zu ihm ins Institut verfrachtet hat und sie bereits in Augenschein nehmen konnte.
"Und? Ihr Ergebnis?"
"Die Extrimitäten passen tatsächlich zu den Oberkörpern. Am Alter der Toten hat sich nichts geändert. Allenfalls hat er in deren Blut eine geringe Menge eines Betäubungsmittels feststellen können.
"Gut. Das lässt ja hoffen, dass sie nicht mitbekommen haben wie sie zerteilt wurden." murmle ich bedrückt.  
"Selbst wenn es nicht so wäre, hätten sie es wohl kaum mitbekommen. Bereits beim ersten Schnitt wären die Schmerzen derart stark gewesen, dass sie in Ohnmacht gefallen wären." erklärt der Pathologe. "Aber ethischer ist es so wie sie es wohl getan haben, das haben Sie recht, Mister Cray." stimmt er zu.
"Sie meinen also die haben die Menschenwürde geachtet?" frage ich verächtlich.
"Sicher nicht. Sonst hätten sie sie anständig begraben und nicht ihre Körperteile wild im Stadtgebiet verteilt." urteilt der Mediziner.
"Besser wäre es gewesen, sie hätten sie erst gar nicht umgebracht." brumme ich.
"Hm."
"Haben Sie verwertbare DNA Spuren gefunden?"
"Sie meinen ob ich ihnen sagen kann wer die Leute sind?"
"Ja."
"Das, mein Lieber, müssen Sie schon selbst ermitteln. Aber ja, ich habe tatsächlich ein winziges Schamhaar am Körper der Frau gefunden. Oben am Oberschenkel." So genau muss ich das eigentlich gar nicht wissen. "Und?"
"Die Laborergebnisse stehen noch aus. Das geht nicht so schnell wie es uns das Fernsehen immer weis machen will." lacht er.
"Schicken Sie sie mir dann bitte auch!" bitte ich freundlich.
"Natürlich."
"Können Sie mir sonst noch was sagen?"
"Nun, bei dem Mann stellte ich ein Herzvitum fest. Eine Herzfehlbildung." erklärt er mir, dem Laien.
"Okay." Abwartend schweige ich und gebe ihm Zeit seine medizinischen Ausführungen zu Ende zu bringen.
"Die Krankheit war ziemlich fortgeschritten. In einem medizinisch-technisch gut aufgestelltem Land wie dem unsrigen stellt eine solche Krankheit kein größeres Risiko dar. Mit Medikamenten kann man damit ein gutes langes Leben führen." erklärt er weiter. "Dennoch musst man aufpassen. Erhöhter Blutdruck könnte zu einer Überfunktion und damit zum Tod führen."
"Das heißt, er könnte durch den Stress dem man ihm gemacht hat bereits an einem Herzanfall gestorben sein?" hake ich nach.
"Korrekt."
"Hm. Okay. Und die Frau? Gibt es irgendwas woran man ihre Identitäten festmachen könnte?"
"Nein, bis auf das Haar. Allerdings ..." Der Mediziner schweigt kurz. "... Am linken Handgelenk der Frau befindet sich ein kleines Tattoo. Es stellt eine weiße Rose dar. Wenn Ihnen das irgendwie weiter hilft?" endet er seinen Bericht.
"Nicht wirklich. Es gibt nicht unbedingt eine Onlinedatenbank in der Tattoos von Otto-Normal-Bürgern verzeichnet sind." murmle ich.
"Das, mein Lieber, ist nicht mein Problem. Wenn Sie weiter nichts haben. Da wartet noch ein Suizid auf mich."
"Natürlich." murmle ich. "Ich danke Ihnen und warte dann auf das Laborergebnis." 
"Ist gut. Auf bald." Er legt auf.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass Miller bereits überfällig ist. Wo steckt dir nur? Das kann doch nicht so lange dauern auf dem Friedhof. Gerade als ich sie auf ihrem Handy anrufen will betritt sie das Großraumbüro.
Ich winke sie direkt zu mir.
"Sorry, Cray, aber ich brauche jetzt erstmal einen Kaffee." wehrt sie meine Fragen im Ansatz ab.
"Was ist los? Ist was passiert?" frage ich alamiert.
Die blonde Schönheit schüttelt den Kopf, so dass ihr langer Zopf um ihren Kopf peitscht. "Nein. Keine Panik! Ich brauch einfach nur eine Pause."
"Gut. Dann komm! Wir gehen runter in die Cafeteria. Ich geb dir den Kaffee aus."
"Klasse!" Ihr Miene hellt sich auf. "Und gibt's auch noch einen Dounat dazu?" fragt sie frech.
"Wenn alles glatt gegangen ist, gibt's den als Sonderbonus oben drauf." lache ich und lege meine Hand auf ihren Rücken. So schiebe ich sie aus dem Büro.

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Max

 

Da ich gerade nichts besseres zu tun habe, Spencer sitzt in seiner Bank und arbeitet, sichte ich die aktuellen Meldungen im Polizeiticker. Nichts außergewöhnliches. Mehrere Verkehrsunfälle, ein misslungener Handtaschendiebstahl, eine Frau die vor dem Kensigton Palast lautstark ihre Liebe zu Prinz William verkündet hat. Und der oligatorische Lebensmüde der sich vor die Tube geworfen hat. Ganz normaler Londoner Irrsinn eben. Doch eine Meldung springt mir förmlich ins Auge. 'Hinrichtung in Bethnal Green'. "Wo sind wir denn? Im wilden Westen?" denke ich. Dennoch, neugierig geworden lese ich die kurze Nachricht. 'Am gestrigen Donnerstag Abend um 21 Uhr 30 etwa betrat ein mit einer Skimaske maskierter Mann die Bethnal Green Tavern. Ohne Vorwarnung und ohne ein Wort zu sprechen schoss er einem anderen Gast aus kurzer Distanz eine Kugel zwischen die Augen. Das Opfer war auf der Stelle tot. Anschließend verschwand der Angreifer wie er gekommen ist, durch den Haupteingang. Augenzeugen beschreiben den Täter in etwa 180 cm groß und von stämmiger Statur. Seine Augen als extrem blau mit stechendem Blick. Gekleidet war er mit einer dunkler Jeanshose, einem schwarzen Rollkragenpullover, sowie einer ebenfalls schwarzen Bomberjacke. Auffällig war der breite pelzbesetzte Rand der Kaputze und seine weißen Sneakers der Marke Adidas. Zeugen beschreiben den Tathergang als regelrechte Hinrichtung.'
Grübelnd lehne ich mich in meinem Stuhl zurück. Irgendwie habe ich das Gefühl etwas zu übersehen. Aber was nur?
Da holt mich das klingeln meines Handys aus den Grübeleien zurück. Greenwood wird mir auf dem Display angekündigt.
"Ja, Greenwood, was gibt's?" frage ich als ich das Gespräch angenommen habe.
"Hey, Boss. Es gibt Neuigkeiten bei Spencer."
Hellhörig geworden antworte ich. "Ich höre. Schieß los!"
"Er hat eine Mail bekommen. Gerad eben. Man fordert ihn auf heute Abend um 22 Uhr zum Personaleingang seiner Bank zu kommen. Dort solle er das geforderte Geld in einer unauffälligen Reisetasche einer Kontaktperson übergeben." berichtet mir mein Techniksachverständiger.
"Interessant." murmle ich. "Hat er geantwortet?"
Greenwood schnauft verächtlich. "Und ob. Geschimpft hat er. In schriftlicher Form natürlich. Hat sich mächtig darüber aufgeregt was ihm da zumutet. Und was das Ganze soll. Bla bla bla."
Ich verdrehe die Augen. "Alles nur gespielt, vermute ich." gebe ich meine ehrliche Meinung preis.
"Denke ich auch. Da ist was faul im Staate Dänemark." erwidert er.
Ich nicke. "Aber schlussendlich hat er keine Wahl oder? Er wird heute Nacht dort sein?" 
"Denke ich auch." nuschelt er. Sicher trinkt er gerade was aus seiner obligatorischen RedBull Dose.
"Dann werde ich als Mäuschen mal mit von der Partie sein." murmle ich. "Bin doch mal gespannt, wer da schlussendlich heute Abend aufkreuzt."
"Sicher nur ein kleiner Fisch." mutmaßt Greenwood.
"Ja sicher. Aber der widerum wird uns unfreiwillig zu seinem Boss führen."
"Hm."
"Zweifel?" frage ich.
"Weiß nicht. Die werden doch damit rechnen, dass Spencer die Polizei eingeschaltet hat." vermutet er.
"Da hast du recht. Deshalb muss ich extrem vorsichtig sein. Und der wird bestimmt nicht direkt zu Gregorovitch nach Hause spazieren."
"Sicher nicht." stimmt er mir zu. "Nimm auf jeden Fall Verstärkung mit! Ich hätte Zeit." mahnt und bietet er an.
"Du?" frage ich verwundert. "Kannst du dich denn überhaupt mal für ein paar Stunden von deinen Computern losreißen?" lache ich.
"Pha." schnaubt er. "Ich werd's dir beweisen. Holst du mich zu Hause ab?"
Ich stimme zu und lege auf.
Anschließend schreibe ich Cray, dass Charly heute Nacht erneut bei ihm übernachten muss, da ich verhindert bin. Als nächstes muss sich einen Babysitter für die kleine Charly organisieren. Das Los das jeder Alleinerziehender kennt. Ich rufe unsere Nachbarin, eine hilfsbereite ältere Dame die schon öfter nach Charly gesehen hat, wenn wir aus waren oder ich länger arbeiten musste. Doch leider hat Mrs. Gardener sich beim Fensterputzen den Knöchel verstaucht. Ich frage sie wie sie das denn angestellt hat und sie berichtet mir wie die Leiter auf der sie stand um auch das obere Ende des Fensters putzen zu können weggerutscht und sie von der fünften Sprosse gefallen war. Der Arzt in der Notaufnahme verordnete ihr nicht nur einen stabilisierenden Verband, sondern auch strikte Ruhe für den betroffenen Fuß. Sie konnte mir also leider nicht helfen.
Als auch meine zweite Option, eine Babysittern aus der Agentur wegbrach, blieb mir nur noch Charlotte zu fragen. Liebend gern sagte sie zu heute Nacht auf Charly aufzupassen. Sie würde das Kind einfach nachher mit zu Tom nehmen wenn er sie abholt. Morgen ist ja schließlich Samstag und damit Schulfrei, berichtet sie. Ob Cray damit auch so einverstanden ist wage ich zu bezweifeln. In anbetracht der Tatsache, dass ich gar keine andere Wahl habe, stimme ich schließlich ihrem Vorschlag zu.
Viel wichtiger ist für mich jedoch was sie sonst noch gesagt hatte. Sie liebt mich zwar, Cray aber ebenso. Sie kann sich noch immer nicht entscheiden. Wie lange soll es denn noch dauern? Wieviel Zeit braucht sie denn noch? Ich musste sie an ihr Versprechen, sich bis Weihnachten für einen von uns zu entscheiden erinnern.
Na gut, es war auch ein bißchen viel in letzter Zeit, vielleicht konnte sie sich deshalb bisher noch nicht entscheiden?

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Charlotte

 

Nachdem Ariella uns nach unserem Ausflug zum Friedhof wohlbehalten wieder im Hotel meiner Mutter abgesetzt hatte war sie wieder auf's Revier verschwunden. Im Auto berichtete sie mir von ihrer Beobachtung, dass der Mann auf dem Friedhof nicht nur einen osteuropäischen Akzent hatte, und damit hervorragend in das Täterprofil der gesuchten Verbrecher die meinem Vater (!) ans Leder wollen hinein passt, sondern auch ein Messer in seinem hinteren Hosenbund stecken hatte. Mir war dieses gar nicht aufgefallen. Aber ich bin ja auch nicht geschult in diesen Dingen. Ariella wollte Aufsehen und Panik vermeiden und hatte es daher unterlassen den Mann sofort anzugreifen. Sie meinte, wir hätten in der letzten Zeit schon genug durch gemacht. Allerdings hatte sie heimlich mit der Kamera in ihrem Smartphone ein paar Fotos von dem Mann gemacht und diese gleich an Kollegen weiter geleitet. Wenn er jemals Erkennungsdienstlich behandelt worden war, findet er sich in den einschlägigen Datenbanken, erklärt sie. "Und so können wir ihn finden und zur rede stellen." fügt sie hinzu. Erleichtert das niuchts passiert ist lehne ich mich in dem tiefen Ledersitz zurück.
"Alles wird gut! Irgendwann ist alles vorbei und Sie können wieder ein ruhiges Leben führen." versucht sie mich mit einem Seitenblick auf mich aufzumuntern.
Ich schnaube ungläubig. "Schön wärs." murmle ich.
Nur ich weiß, wenn dieses Chaos durch gestanden ist, habe ich da noch ein Problem mit zwei Männern zu lösen. Bis Weihnachten, habe ich gesagt entscheide ich mich für einen von beiden. In dem ganzen Trubel ist diese Sache ein wenig unter gegangen. Vorhin, als ich das Geburtsdatum meines Vaters auf dem Grabstein gelesen habe, ist mir siedendheiß klar geworden, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist. Normalerweise springen einen gefühlt ab Mitte September die Schokoweihnachtsmänner in den Geschäften und etwas später die weihnachtliche Dekoration in den Straßen ins Auge. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Ich habe gar keinen Blick dafür.
"Bedrückt Sie was?" will Ariella mitfühlend wissen.
Ich schüttel den Kopf und schlucke tapfer den Kloß in meinm Hals herunter. "War nur alles ein bißchen viel heute." lüge ich. 
"Ach so." nuschelt sie, die Zunge zwischen die Lippen gepresst. Eine Baustelle und der daraus resultierende Stau beanspruchte gerade ihre volle Aufmerksamkeit.
Ich wollte sie nicht stören und sehe aus dem Fenster. Passend zu meiner Laune begann es in diesem Moment zu regnen. Wenigstens hatte Petrus Mitleid und hat damit gewartet bis wir vom Friedhof runter sind.

Im Hotel gehen Mom, Aiden und ich als erstes ins Hotel eigene Restaurant. Es war mittlerweile Mittagszeit und unsere Mägen knurrten gehörig. Aiden hatte bis auf einen Kaffee und ein belegtes Brötchen vor seinem Aufbruch in Dover heute Morgens nichts mehr zu sich genommen.
Mom und auch ich entschieden uns für Huhn und Aiden für ein männliches Steak. Da Mary Vegetarierin ist bekommt er zu Hause nicht oft die Chance auf Fleisch.
"War seltsam vorhin oder?" flüstert er mir ins Ohr.
Ich nicke. "Aber trotzdem schön irgendwie." Ich sehe geradeaus ins Nirgendwo. "Schön zu wissen wo er ist. Das es ihn wirklich gegeben hat."
"Schöner wäre es dennoch wenn er uns nicht von irgendso einem Fanatiker genommen worden wäre." urteilt er.
"Du meinst es war ein Fanatiker?" hake ich ungläubig nach.
"Das meinte seine Schwester, unsere Tante damals." berichtet er.
"Woher weißt du das?"
"Als Mom es mir damald gesagt hat, war ich auch erst einmal geschockt. Doch irgendwann begann ich neugierig zu werden. Ich wollte wissen wer der Mann war der mein leiblicher Vater sein soll. Ich begann nach zuforschen, im Internet und ich Archiven von Zeitungen. Sichtete alte Zeitungsausschnitte und ließ mir in meiner Funktion als Jurist die alten Ermittlungsakten zeigen. Abernathy war ein Name in Juristenkreisen hier in London. Ich fand außerdem heraus, dass er eine Schwester hat. Auch das ihre Eltern noch leben." berichtet er ausführlich. "In Manchester. Wir haben neue Familienmitglieder dazu bekommen, Charly."
Gespannt und fassungslos höre ich zu. "F-familienangehörige? Großeltern? E-eine Tante?" stammle ich.
"Ja." lacht er.
Mom, die bißher nur schweigend zugehört hat mischt sich nun doch ein und sagt. "Ich habe Carol kennen gelernt. Damals. Wir haben uns ganz gut verstanden." berichtet sie. "Leider brach mit Benedict's Tod der Kontakt ab." Sie sieht betreten auf ihre auf der Tischplatte gefalteten Hände.
"Jetzt wäre es auch schwierig sich regelmäßig zu treffen." meint Aiden. "Sie ist mit ihrem Mann vor vielen Jahren nach Australien ausgewandert."
"Wirklich?" fragt Mom neugierig.
Er nickt. "Ja. Der ist Geologe oder war es Biologe? Irgendsowas. Und arbeitet dort in einem Nationalpark."
"Interessant." murmelt sie.
"Und wir haben Großeltern?" will ich wissen.
"Ja." Er wendet sich wieder mir zu. "In Manchester. Sie leben noch."
"Hast du je jemanden von ihnen kontaktiert?" will ich wissen.
Er schüttelt den Kopf. "Ich wusste ja nicht einmal ob sie überhaupt von unserer Existenz wissen."
"Carol wusste es. Sie wird es ihnen sicher erzählt haben." mutmaßt Mom.
"Wir haben Großeltern." wiederhole ich andächtig murmelnd.
"Die hatten wir bisher auch schon." lacht mein älterer Bruder.
"Ja." stimme ich ebenfalls lachend ein. "Aber jetzt haben wir neue. Das bedeutet mehr Geschenke an Weihnachten."
Gemeinsam prusten wir los.
"Und die Geburtstagsgeschenke erst." lacht Aiden. Sein Gesicht ist vor lauter Lachen schon ganz rot.
"Na hört mal, wie alt seid ihr?" ruft Mom uns zur Ordnung.
"Wir machen doch nur Spaß!" lache ich. "Aber es ist toll zu wissen, dass es da draußen Menschen gibt die mit mir verwandt sind! Je größer die Familie umso besser!" urteile ich glücklich.

Etwas später, wir sind bereits beim Dessert meldet sich mein Handy in meiner Handtasche die ich an die Stuhllehne gehangen habe.
Max.
Erfreut seine Stimme zu hören nehme ich das Gespräch entgegen. "Hi, Schatz."
Mom zieht erstaunt die Augenbraue hoch.
"Darling, ich habe ein Problem. Ich muss unser Treffen für heute Abend absagen. Leider." beeilt er sich anzufügen. 
"Okay." sage ich langsam. "Schade! Musst du arbeiten? Irgendeine Berühmtheit die deinen Schutz benötigt?" hake ich grinsend nach.
"So ähnlich." gibt er zerknirscht zurück. "Aber mein eigentliches Problem ist ..."
"Ja?"
"Eigentlich kann ja immer meine Nachbarin einspringen ... Aber das geht heute nicht ... Ich werde wohl die ganze Nacht unterwegs sein ..."
"Nun sag' schon!" fordere ich ihn auf.
Max atmet tief durch. "Ich habe niemanden der auf Charly aufpasst."
"Na das macht doch sonst Tom für dich wenn du verhindert bist." ziehe ich ihn auf.
"Ha ha, sehr witzig." brummt er beleidigt.
"Ich sehe das Problem nicht." gebe ich zu.
"Na ich brau ..."
"Ich nehme sie natürlich." verkünde ich fröhlich.
"Du?" fragt er ungläubig.
"Na klar." lache ich. Schnell führe ich meine Überlegung weiter aus. "Da ich nicht annehme, dass du uns unbewacht allein in deinem Haus lässt, nehme ich sie mit zu Tommy."
"Und du meinst der macht das mit. Charly ist ein Kind, Charlotte." erwidert er überdeutlich als wäre ich begriffsstutzig.
"Ja, ich weiß. Und Tom ist kein Kinderfresser. Ich pass schon gut auf deine Tochter auf, Max!" verspreche ich hoch und heilig.
"Das wage ich zwar zu bezweifeln, aber da ich keine andere Wahl habe, muss es ja so gehen. Ich rufe sie an und sage es ihr. Die wird sich freuen." murmelt er.
"Wirklich?"
"Und wie. Du glaubst gar nicht wie sehr sie dich mag!" eröffnet er mir.
"Wirklich?" wiederhole ich ungläubig. "Ich bin doch ihre Lehrerin."
"Aber du bist auch die Lebensgefährtin ihres Vaters." erinnert er mich. "Sie hätte ürgigens auch nichts dagegen wenn wir heiraten würden." Sein verschmitztes Grinsen kann ich förmlich vor mir sehen. Mir hat es die Sprache verschlagen.
"Charlotte?" sagt er leise.
"Was?"
"Oh gut, du bist noch da. Ich hatte schon befürchtung du wärst in Ohnmacht gefallen." lacht er.
Tatsächlich stehe ich kurz davor. "N-nein." sage ich mit zittriger Stimme. Niemals hätte ich gedacht das sie mich so sehr mag. "Sie ... sie möchte das ich ihre St-stiefmama werde?" stammle ich verwirrt.
Max lacht. "Ja, das würdest du zwangsläufig werden wenn wir heiraten."
Ich schlucke.
"O-k-a-y. Krass! Das hätte ich nie gedacht." gebe ich leise zu.
"Da siehst du mal was du für einen Einfluss auf deine Mitmenschen hast." lacht er weiter. "Jeder mag dich, Charlotte. Und ich ganz besonders!"
Sofort bildet sich ein Kloß in meinem Hals. "Ich ... ich liebe dich, Max!" Ehe ich begreife was ich da gerade gesagt habe, haben die Worte schon meine Lippen passiert.
"Wirklich?" flüstert er fast. "Heißt das ..."
Schnell beeile ich das Ganze klar zu stellen. "Das ... das ist mir so raus gerutscht. Aber es ist die volle Wahrheit! Ich liebe dich, Max. Aber ..."
"Ich wusste, dass da wieder ein 'Aber' kommt." brummt er genervt.
"Ja. Ich liebe ebenso wie dich auch Tom. Entschuldige." Das letzte Wort kommt nur noch geflüstert über meine Lippen.
"Hm. Aber langsam musst du dich entscheiden, Charlotte! Es ist bald Weihnachten." erinnert er mich. Er hatte es also nicht vergessen.
"Ich weiß. Das werde ich auch." verspreche ich leise.
"Gut, wir reden später darüber." meint er. Sicher muss er weiter arbeiten. "Ich muss wieder an die Arbeit." bestätigt er meinen Verdacht.
"Okay. Das machen wir. Sag Charly sie soll ihre Übernachtungssachen packen, ich hole sie später von zu Hause ab."
"Sag ich ihr. Ich liebe dich, Charlotte!" verabschiedet er sich und beendet das Gespräch.
Das ich ihn ebenfalls liebe weiß er ja bereits. 

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Kapitel 42

 

Tom

 

Wie konnte ich nur zu dieser Aktion 'Ja' sagen? Jetzt sitze ich hier zwischen den beiden auf meinem Sofa und muss mir 'Küss den Frosch' ansehen. Genervt verdrehe ich die Augen als die Prinzessin schon wieder zum singen ansetzt. Warum wird in Disney Filmen nur so verdammt viel gesungen? Das hält doch kein normaler Mensch aus.
Ich lenke mich ab, indem ich die beiden Charly's betrachte. Bis auf die Haarfarbe ist bei den beiden nicht nur der Name gleich. Auch vom Wesen her ähneln sie sich scheinbar. Macht die eine einen Scherz, lacht die andere herzhaft. Ist im Film eine scheinbar lustige Stelle, kichern sie gleichzeitig los. Kess sind sie ebenfalls alle beide. Ganz die Tochter ihres Vaters fragte sie frech kaum das wir bei mir zu Hause angekommen waren wo denn das Gästezimmer sei. Auf der Couch zu schlafen wäre nicht zumutbar, da man stets auf eine gute Matratze achten müssen damit der Schlaf auch erholsam ist. Sprachlos habe ich sie angestarrt, eine Zurechtweisung wegen der Aufmüpfigkeit schon auf den Lippen, als Charly, die große, mir sanft die Hand auf den Arm gelegt und mich besänftigend angelächelt hat. "Sie hat noch nicht oft woanders übernachtet." entschuldigt sie sich für den verwöhnten Rotzlöffel.

"Hast du Hunger?" reißt Charly's Stimme mich aus meinen Grübeleien.
"Ja habe ich." antworten Charlotte und ich gleichzeitig. Als ich den Kopf hebe und sie ansehe, erkenne ich, dass sie gar nicht mich gemeint hat. Na toll ich bin schon abgeschrieben!
"Ich hab heute seit dem Mittagessen auch nichts mehr gegessen." sage ich nachdrücklich.
Charly sieht mich an und grinst. "Ach ist das so? Na dann bestell ich besser mal schnell was bei Italiener oder?"
Ich nicke beleidigt.
"Hey ..." Sie berührt über Charlottes Kopf hinweg meine Wange und streichelt sie. Da hebt das Kind ihre Arme und drängelt sich zwischen Sofalehne und ihrem Arm.
"Nicht böse sein." formen Charly's Lippen tonlos.
Ich runzel die Stirn und brumme etwas unverständliches.
"Bestellen Sie jetzt bitte was!" bittet das Kind und reißt ihre Augen auf. Ihr Mund zum Schmollmund verzogen erinnert sie mich einmal mehr an ihren bescheuerten Vater.
"Natürlich, Charly." erwidert meine Charly zuckersüß und steht auf um in der Küche die telefonische Bestellung vorzunehmen.
Das Kind und ich bleiben allein zurück. Wir beide und die singende Prinzessin Tiana und ihr dämlicher Froschprinz Naveen.
Charlotte starrt auf den Bildschirm, dennoch fragt sie plötzlich. "Sie mögen sie auch sehr gern oder?"
"Wer? Wen?" stammle ich weil ich keinen Schimmer habe von wem sie spricht.
Sie dreht ihren blonden Lockenkopf zu mir herum und sieht auffordernd zu mir hinauf. "Lieben Sie sie?" Ihr Kopf zuckt Richtung Küche wo Charly hin verschwunden ist.
"Charly? J-a." antworte ich langsam. "Warum fragst du sowas?"
"Weil mein Daddy ebenfalls total in Miss Spencer verknallt ist."
"Verknallt?" wiederhole ich dümmlich. Diesen Ausdruck habe ich ja schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gehört.
"Ja. Er benimmt sich genauso wie Mommy sich benimmt, wenn sie bei ihrem neuen Freund ist. Sie ist verknallt." berichtet die Kleine.
Grinsend bestätige ich. "Ja, du hast recht, ich bin total in Charlotte 'verknallt'."
"Schon lange? Mein Daddy meinte Sie seien schon lange befreundet."
Ich nicke erstaunt. "Ja, schon sehr lange. Wir sind zusammen seit wir 16 Jahre alt sind." biege ich die Wahrheit etwas zurecht.
"Wirklich?" Sie reißt erstaunt die Augen auf. "Aber warum hat sich mein Daddy denn dann auch in Miss Spencer verknallt?" wundert sie sich mit ihrer kindlichen Naivität.
"Na, dass passiert eben." Ich zucke die Schultern.
"Wirklich?" Sie sieht zu dem Fernseher. "Ich glaube, dann möchte ich niemals erwachsen werden!" urteilt sie vehement.
Ich beuge mich etwas vor um mir ihr auf einer Höhe zu sein. "Warum nicht?" will ich wissen.
"Na weil es sich total kompliziert anhört das verliebt sein." meint sie.
"Inwiefern?"
"Daddy und Mommy waren verliebt, sie heirateten, bekamen mich und irgendwann verliebte Mommy sich in einen anderen Mann. Der ist jünger als Daddy. Er sieht aus wie ein großes Kind. Mommy sagt, sie liebt ihn eben. Daddy war einige Zeit traurig. Er arbeitet viel. Ich glaube deswegen hat Mommy sich auch in einen anderen verliebt! Doch jetzt hat Daddy Miss Spencer gefunden und sich verliebt. Doch die ist schon in Sie verliebt. Das ist doch kompliziert! So was will ich nicht. Andauernd wird man nur enttäuscht und ist traurig." 
"Oh, das solltest du dir lieber nicht wünschen! Natürlich ist es auch mal traurig. Das gehört dazu. Aber sich zu verlieben ist etwas vollkommen schönes. Ich verstehe deinen Daddy. Schließlich habe ich mich ja auch in Charlotte verliebt, oder verknallt wie du es nennst." Ich grinse sie an und knuffe sie leicht in die Seite. "... Aber er wird eine andere finden. Eine die dir ebenso gut gefällt wie Charlotte. Und hey ..." Ich stupse sie erneut an. "... ihr könnt doch Freunde bleiben."
"Sie ist meine KLassenlehrerin." brummt sie.
"Na das ist doch prima!" urteile ich grinsend. "Sich mit der Lehrerin gut zu stellen kann nie schaden." Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu.
"Meinen Sie?"
Ich nicke ernsthaft.
"Okay. Dann glaube ich Ihnen mal." murmelt sie zögerlich.
"Das kannst du ruhig. Denn weißt du was, ich bin ein Polizist. Wir sagen immer die Wahrheit." Das ich damit erneut die Wahrheit herausfordere weiß ich sehr wohl.
Sie lächelt.
"Ach, und sag ruhig 'du' zu mir." biete ich ihr an und reiche ihr die rechte Hand. "Ich bin Tom."
"Was soll ich machen?" fragt sie und starrt ratlos meine Hand an.
"Einschlagen natürlich." lache ich und greife mir ihre kleine Hand um sie zu schütteln. "Also ich bin Tom. Darf ich Sie nun ebenfalls beim Vornamen nennen, Madame?"
Sie kichert hinter vorgehaltener Hand und nickt.

 

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Max

 

Ehe ich mich auf den Weg mache um Greenwood von seinem Zuhause abzuholen telefoniere ich noch mit meiner Tochter. Sie musste schließlich instruiert werden.
"Darling, ich kann heute Nacht leider nicht Zuhause sein. Ich ..."
"Du musst mal wieder arbeiten oder Daddy?" vollendet sie meinen Satz.
"Wie gut du mich doch kennst." lobe ich lächelnd.
"Ich kenne dich nicht gut, ich weiß nur eben, dass du viel arbeitest, Daddy. Soll wieder die Gardener von nebenan auf mich aufpassen?" brummt sie genervt.
"Nein und das wird dir gefallen, Schatz, Charlotte hat versprochen auf dich aufzupassen." verkünde ich mit der selben Euphorie wie ein Zirkusdirektor der seine beste Nummer ankündigt.
"Was? Wirklich?" freut sich mein Töchterchen. "Das ist ja toll! Kommt sie her?"
"Ja um dich abzuholen. Dann fahrt ihr zu Thomas Cray."
"Und wer ist das?" fragt sie misstrauisch.
"Ähm ... ein Freund von Charlotte. Ihr werdet bei ihm im Haus übernachten."
"Warum?"
"Na weil ihr nicht allein zu Hause bleiben könnt." sage ich strigt.
"Warum nicht?" hakt sie erneut nach.
"Darum nicht."
"Warum nicht, Daddy? Ich will nicht zu einem Fremden!" 
"Cray ist ja nicht fremd." murmle ich.
"Für mich schon." urteilt sie stur.
"Dann lernst du ihn kennen."
Ich will aber nicht!" Mit ihrem kindlichen Dickkopf bleibt sie stur. Wie soll ich sie nur überreden? Da fällt mir ein, ich könnte sie zu meiner Komplitzin machen.
"Charly, sag mal, möchtest du gern meine Assistentin sein?" köder ich sie freundlich.
"Au ja!" freut sie sie hoch motiviert. "Was soll ich machen? Soll ich heute mit zu dir auf Arbeit kommen?"
Ich schüttle den Kopf und kneife mir in die Nasenwurzel. "Nein, nein. Blödsinn! Nein, ich brauche dich undercover."
"Was bedeutet das?" will sie verwirrt wissen.
"Das bedeutet du musst spionieren."
"Aha. Wie bei Spy Kids?" fragt sie eifrig.
"Na ja, so ähnlich." gebe ich vorsichtig zu. "Du musst für mich aufpassen das die beiden sich nicht näher kommen!"
"Wer? Miss Spencer und dieser Thomas?"
"Ja." stimme ich zu. "Pass auf was sie so machen! Und Charly, ..."
"Ja Daddy?"
"Normalerweise musst du j aimmer brav sein, dass weißt du ja? ..."
Ich warte ab bis sie mir selbstverständlich zugestimmt hat ehe ich fort fahre. "... Aber heute Nacht darfst du dich mal daneben benehmen. Du darfst mal frech sein. Und wenn dir etwas herunter fällt ist das auch nicht schlimm." stachel ich sie auf. Plötzlich bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Sie scheinbar auch, denn sie fragt zögerlich. "Auch Miss Spencer gegenüber? Ich mag sie doch so gern, Daddy! NIcht das sie mich danach nicht mehr mag."
Da hat sie recht. Was bin ich für ein schlechter Mensch das ich ein Kind anstachel böse zu sein. "Ach vergiss es, Charly!" bitte ich schnell. "Das war eine ganz blöde Idee." gebe ich leise zu. "Tut mir leid!"
"Ich dachte du magst sie auch?" fragt sie vorsichtig.
"Das tue ich auch!" stimme ich ernsthaft zu.
"Warum willst du dann das sie sich ärgert?"
"Das ist ein kluge Frage."
"Daddy, ich bin ja auch ein kluges Mädchen." sagt sie selbstbewusst. "Sagt Miss Spencer auch immer." lacht sie.
"Und damit hat sie auch vollkommen recht!"

Greenwood's Haus in Summerstown lag inmitten einer ruhigen Wohnanlage, in der sich völlig identische Häuser aneinanderreihen wie Perlen an einer Kette. Mit 30 kmH schlich ich durch das Wohngebiet und versuche Greenwood's Haus auszumachen. Als ich zum dritten Mal durch die gleiche Straße fuhr, reichte es mir und ich rief ihn an.
"Mensch, Boss. Barnfield sagte ich doch." seufzt er. "Aber gut. Ich komme dir entgegen. Bis gleich." Er legte auf und ich versuchte erneut die richtige Straße zu finden. Tatsächlich fand ich sie schließlich doch noch, doch da trat auch schon mein treuer Begleiter des heutigen Abends aus der Haustür eines rot verputzten Häuschens. Ich hupte um auf mich aufmerksam zu machen.
Brain durchquert den Vorgarten, als die Haustür erneut aufgeht und zwei kleine Kinder in Schlafanzügen herausgestürzt kamen. "Daddy. Warte!" schrien sie.
Ihr Vater drehte sich um und ging um sie besser in die Arme nehmen zu können in die Hocke. "Kommt her, ihr Mäuse!" ruft er und knuddelt sie.
Eine brünette Frau erscheint im Hauseingang. Lächelnd lehnt sie sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen und sieht ihren Männern zu. 
Die beiden Jungen geben ihrem Vater noch jeweils einen Kuss auf die Wange und flitzen zurück zu ihrer Mutter.
Greenwood kehrt ebenfalls zu ihr zurück und küsst sie leidenschaftlich zum Abschied. Den Rucksack der ihm bei der stürmischen Verabschiedung seiner Kinder von den Schultern gerutscht war, hebt er ihm vorbeigehen auf und wirft ihn sich lässig über die linke Schulter.
Als er dann endlich bei mir im Auto sitzt sage ich verwundert. "Ich wusste gar nicht das du verheiratet bist."
"Bin ich auch nicht." gibt er leichthin zurück.
"Aber ..." Ich deute mit der Hand Richtung Haus, wo die Tür jetzt fest geschlossen ist und keine Kinder oder Frauen mehr zu sehen sind.
"Muss man denn gleich verheiratet sein wenn man Kinder hat und mit einer Frau zusammen lebt?" grinst er. "Nancy und ich sind seit 8 Jahren zusammen."
"Nancy also. Und die Jungs?"
"Phillip und Jacob. Sie sind fünf." erklärt er stolz lächelnd.
"Klasse! Ich wusste weder von der Frau etwas noch von den Kids." gebe ich zerknirscht zu.
"Tja, Boss, du weißt so einiges nicht." lacht er und boxt mir leicht gegen den Oberarm. "Können wir noch schnell wo ran fahren?"
"Klar. Wo denn?"
"Gleich hier um die Ecke ist 'Yaya Cakes'." erklärt er. "Wegzehrung." sagt er noch als würde das den Grund zum Stopp erklären.
"Was wärst du nur ohne deine Süßigkeiten." lache ich und setze den Blinker.
Brain erklärt mir den Weg zu der Bäckerei und als das erledigt ist und wir mit zwei Großpackungen Doughnuts gut für die nächtliche Aktion gewapnet sind fahren wir nach Canary Wharf. Nobel, direkt am Sir John McDougall Gardens liegt die Privatbank der Spencers.  Um den Personaleingang gut im Blick zu haben parke ich am Straßenrand in der Mellish Street. Ich stelle den Motor ab und es wird still im Wagen.
"21:06." verkündet Brain. "Wir müssen uns also noch ein wenig die Zeit vertreiben."
"Ja. Tja, das Los eines Privatdetektives." murmle ich.
"Nur das wir keine Privatdetektive sind." brummt er.
"Heute Abend schon." zische ich und starre konzentriert auf die unscheinbare Metalltür schräg gegenüber. Die Straßenlaternen beleuchten die Szenerie nur sporadisch und bieten somit perfekte Bedingungen für ein diskretes Treffen.
Wir schweigen uns aus. Nur ab und an höre ich in der Dunkelheit Brain in einen Doughnut beißen.
Bei jedem Fahrzeug das vorbei fährt versuche ich den Fahrer oder die Fahrerin zu erkennen, was bei den Lichtverhältnissen alles andere als leicht war, doch keines der Autos hielt an. Ein Blick auf die Uhr an der Mittelkonsole zeigt mir das bereits 42 Minuten vergangen waren. 21:48 jetzt müsste eigentlich mal was passieren. Und genau in diesem Moment stupst Greenwood mich an und flüstert völlig unnötigerweise. "Da." Sein ausgestreckter Zeigefinger deutet auf die Cheval Street wo sich in Schrittgeschwindigkeit ein dunkler Wagen dem Gebäude nähert. Erfreut, dass sich endlich mal was tun beobachte ich die Szene. Meine Augen fokossieren den Fahrer des höchstwahrscheinlich schwarzen Chevrolet Capvita. Er oder sie stellt den Motor ab und bleibt wie wir es bereits seit fast einer Stunde selbst auch tun in seinem Fahrzeug sitzen. Greenwood kramt von irgendwoher ein Nachtsichtgerät hervor und hält es sich vor das rechte Auge.
"Wo hast du das denn jetzt her?" frage ich verblüfft.
"Na was glaubst du wohl war in dem Rucksack?" zischt er zwischen zusammen gebissenen Zähnen. "Es ist ein Kerl. Ob jung oder alt kann ich nicht sagen." verkündet er.
"Darf ich selbst auch mal sehen?" bitte ich freundlich.
Doch er zischt. "Jetzt nicht. Es passiert was." sagt er aufgeregt.
Hastig drehe ich den Kopf Richtung der Metalltür. Tatsächlich, sie stand jetzt offen.
"Spencer. Glaube ich zumindest." murmelt Brain. "Er sieht so anders aus. Trägt nicht wie üblich Anzug."
Ohne Nachtsichtgerät kann ich kaum was erkennen. Dennoch entdecke auch ich jetzt Charlotte's Vater. Dunkel gekleidet, jedoch, wie Greenwood sagt nicht im Anzug sondern scheinbar in Jeans und Wintermantel. "So salopp habe ich den noch nie gesehen." murmle ich verwundert.
"Egal." zischt mein Kollege und berichtet weiter. "Er hat eine Tasche in der Hand."
In diesem Moment ist wohl auch der Kerl in dem Chevrolet auf ihn aufmerksam geworden und gibt kurz Lichthupe. Zielstrebig geht Spencer, die Tasche sich unter den Arm klemmend auf den Wagen am Straßenrand zu. Um zu ihm zu gelangen muss er die Straße überqueren und ist damit für einen Moment im Lichtkegel einer Straßenlaterne.
Vorsichtig sieht er sich um ehe er die Fahrbahn betritt.
"Fünf Mille hat er da ganz sicher nicht drin." mutmaßt Brain.
Ich stimme ihm zu.
"Was machst du da, Spencer?" überlege ich laut. 
Der hat inzwischen den Wagen erreicht und steigt ohne ein Wort mit dem Fahrer zu wechseln an der Beifahrerseite ein. Kurz erhellt sich das Innere. Der Fremde Fahrer ist blond, schon etwas älter, vermute ich. Er trägt dunkle Kleidung. Spencer's heller Camelmantel ist deutlich erkennbar im Innern.
"Was machen sie?" frage ich Brain.
"Spencer reicht ihm gerade die Tasche. ... Der Kerl guckt rein. ... Er sagt etwas zu ihm. ..."
"Lippenlesen gehört nicht zufällig zu deinen zahllosen Qualitäten?" frage ich nicht ganz ernst gemeint.
"Leider nicht." zischt er.
Schweigend beobachten wir was weiter geschieht.
Greenwood berichtet. "Sie reden. Unterhalten sich. Der eine grinst und ... nickt. ... Spencer schüttelt ihm die Hand und ..."
Steigt wieder aus.
"Was, dass war's schon?" wundere ich mich.
Spencer schließt leise die Autotür und geht, als wäre nichts gewesen zurück zu der Tür seiner Bank.
Sprachlos starre ich die hinter im ins Schloss gefallene Tür an. Der Chevrolet startet den Motor, biegt ab und rollt langsam an uns vorbei in die Nacht.  
"Das war's scheinbar." urteilt Brain. "Seltsam. Da habe ich mir irgendwie mehr versprochen."
Ich mir auch. Und dafür habe ich meine Nacht mit Charlotte sausen lassen und sie stattdessen dem Angeber überlassen.

 

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Kapitel 43

Charlotte

 

Wie ich Charly versprochen hatte gingen wir Samstag Vormittag in den London Zoo. Vorher instruierte ich nur noch Mom und Aiden uns dort zu treffen. Ein wenig frische Luft wird den beiden gut tun. Sie waren einverstanden und so fuhren wir zu dritt, denn Tom ließ es sich seltsamerweise nicht nehmen uns zu begleiten in Tom's Audi zum Zoo im Regent's Park. Am Parkplatz des Zoo's am Outer Cirkle trafen wir Aiden und Mom die dort bereits auf uns warteten.
Gemeinsam gingen wir hinüber zum Haupteingang wo Aiden sich bereit erklärte sich anzustellen um die Eintrittskarten zu kaufen. Zum ersten Mal seitdem ich Charlotte auch privat kenne benimmt sie sich wie ein normales Kind. Aufgeregt hüpft sie herum und wenn man sie zur Ruhe auffordert, dauert es nicht lange bis sie erneut zappelig wird.
"Warum bist du denn so aufgeregt?" frage ich lächelnd.
"Ich freu mich eben so!" verkündet sie und dreht sich mit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst.
"Wir machen doch nur einen Ausflug."
"Ja eben." lacht sie.
Entschuldigend hebe ich in Richtung der anwesenden Erwachsenen die Arme. "Sie ist aufgeregt." erkläre ich lächelnd.
"Das ist schon in Ordnung." erwidert Mom freundlich und streichelt ihr Wange. "Nettes Kind! So lebhaft. Zu wem gehört sie?" fragt sie mich leise.
"Zu Max." erkläre ich ebenso leise. "Sie ist seine Tochter."
"Er ist Alleinerziehender Vater?" kommt es verwundert zurück. "Ist das bei diesem Beruf nicht eher ungüstig?"
"Hm. Deswegen sucht er ja eine Frau." zische ich.
"Und diese Frau solltest am besten du sein?" fragt sie lächelnd.
Ich zucke die Schultern.
Charlotte, die unser Gespräch trotz ihrer Aufregung mitbekommen hat antwortet statt meiner. "Daddy ist in Miss Spencer verknallt." Sie sieht Tom an der sich etwas hinter uns hält. "Aber Miss Spencer ist schon in Tom verliebt. Stimmt's, Tom?" lacht sie. 
Der angesprochene hebt den Kopf und sieht uns an. Scheinbar hatte er nichts gehört und macht nun ein verständnisloses Gesicht als wir ihn nun alle abwartend ansehen. Das sieht so ulkig aus, dass ich nicht anders kann und laut los lache. "Entschuldige, Tom." entschuldige ich mich sobald ich wieder Luft bekomme. "Und, stimmt's?"
"Was denn?" fragt er und tritt neben mich.
"Na das du in Miss Spencer verknallt bist." lacht die Kleine.
Mom und Aiden sehen ihn ebenfalls an, jedoch mit völlig unterschiedlichen Gesichtsausdrücken. Mom abwartend mit einem verschmitzt wissenden Lächeln und Aiden mitleidig. 
Und ich? Ich entdecke eine neue Gefühlsregung an Tommy. Peinlich berührt sein. Nervös fährt er sich mit der Hand durch das kurze Haar. "Ähm ... ich ... "
Charlotte steht mit in die Hüften gestämmten Händen vor ihm und sieht zu ihm auf.
"Ähm ... ja. Ja, ich liebe sie!" gibt er schließlich zögernd leise zu.
"Und das hast du ihr auch schon einmal gesagt?" treibt es Mom auf die Spitze.
Nun bin ich peinlich berührt, da ich das sehrwohl bereits weiß und auch schon einen Antrag von ihm bekommen habe.
In diesem Moment erwähnt das auch Tom. Alle Augen drehen sich zu mir. Kann sich bitte einfach die Erde auftun und mich verschlucken! Doch nichts geschieht. 
"Sie kennt meine Gefühle zwar bereits ..." beginnt Tom leise. "Doch ich sag' es ihr gern noch einmal."
Oh nein! Nein, nein, nein!
Mom klatscht erfreut in die Hände und schmiegt sich an Aiden der locker einen Arm um sie legt.
Nervös blicke ich mich nach einem Fluchtweg um. Links Reptilien, rechts Tiger, beide natürlich in Gehegen und um mich rum lauernde Homo Sapiens, darunter ein Liebeskranker. Tom tritt vor mich und sieht mir tief in die Augen. Ich schlucke.
Er wird doch nicht ... Nicht hier vor allen Leuten ...
Da beugt er das Knie und geht vor mir herunter, nicht aber ohne den Blick in meine Augen zu lösen.
Charlotte kreischt vergnügt auf. Mom schlurchzt. Sie schlurchzt tatsächlich. Diese Schlange! Hey, großer Bruder, jetzt wäre der richtige Moment der jüngeren Schwester zu helfen! Doch auch er steht nur da und grinst blöde.
"Charlotte Elisabeth Spencer ..." beginnt Tom von unten.
"Ja?" sage ich eine Spur zu laut.
"Willst du ..."
Nein, nein, nein!
"... mich ..."
Das darf doch wohl nicht wahr sein!
"... heiraten?" beendet er schließlich den Satz aller Sätze.
"Juhu!" jubelt Charlotte etwas zu früh. Schließlich habe ich ihm noch keine Antwort gegeben. Schon gar nicht ein 'Ja'.
"Ähm ... Ich ... ich weiß nicht was ich sagen soll?" gestehe ich leise und beuge mich etwas zu ihm herunter.
Plötzlich zieht er, noch immer auf Knien, aus seiner Jackentasche eine kleine mit dunkelblauem Samt bezogene Schachtel.
Oh warte! Hat er das geplant oder läuft er schon die ganze Zeit mit einem Ring in der Tasche herum?
"Wie wäre es mit 'Ja'." schlägt er lächelnd vor. Jedoch ist sein Lächeln ein wenig gequält. Er ist nervös. 
Ich sehe von seinen strahlend blauen Augen weiter hinunter zu der Schachtel. Er öffnet sie und zum Vorschein kommt der wunderschönste Verlobungsring den die Welt je gesehen hat. Ein zarter goldener Reif. Zwei ineinander verschlungene Efeuranken die einen kleinen Diamanten einfasst halten.
Meine Hand fliegt an meine Brust. Ich muss mich stark zusammen reißen um nicht laut aufzuschlurchzen. Mein Körper bebt. Als ich mich jetzt weiter zu ihm herunter beuge und ihn zur Antwort auf den Mund küsse.
Um uns herum ertönt Klatschen. Scheinbar hatten wir inzwischen noch mehr Zuschauer. Wir unterbrechen unseren Kuss selbst dann nicht als wir uns aufrichten und eng umschlungen zum stehen kommen.
"Und was sagst du?" flüstert Tom an meinem Mund.
"Ja." flüstere ich ebenso zurück und unterstreiche das Gesagte mit einem ehrlichen Blick in seine unglaublichen Augen.
Er scheint sein Glück nicht fassen zu können, und fragt. "Wirklich?"
Ich nicke heftig. "Ja, Thomas Edward Cray, ich will dich heiraten." rufe ich laut und werfe lachend meinen Kopf in den Nacken.
Applaus brandet auf. 
Glücklich hebt Tom mich hoch und wirbelt mich im Kreis herum.
Plötzlich scheint ihm aufzufallen, dass er etwas vergessen hat. Er setzt mich ab, klappt die Schachtel wieder auf und steckt mir den Ring an den Finger der linken Hand.
Über die Tragweite dieser Entscheidung wurde ich mir erst später bewusst. 

"Oh, Schatz, ich freue mich ja so für euch!" haucht Mom als wir uns zum beglückwünschen an sie wenden. So verschwörerisch wie Mom Tom jetzt anschaut habe ich das Gefühl, Spielball eines geheimen Planes zwischen den beiden geworden zu sein.
"Und ich mich erst freue!" lacht Aiden. "Endlich schippert mein Schwesterchen auch in den Hafen der Ehe ein!"
"Ha ha." brumme ich genervt.
"Das war toll!" freut sich auch Charlotte und strahlt.
Ob sich ihr Vater über diese Neuigkeit ebenso freuen wird wage ich zu bezweifeln.
Also jetzt auch sie in Richtung Tom feixend den Daumen hoch streckt, bin ich mir ganz sicher, dass das alles ein abgekartertes Spiel war.

Als wir endlich weiter gehen und sich die erste Aufregung etwas gelegt hat, zische ich zu Tom. "Das hast du dir ja prima ausgedacht!"
Er lächelt mich entwappnend an. "Ja nicht wahr?"
Entsetzt knuffe ich ihn in die Seite. "Du hast das tatsächlich geplan?"
"Jup. Einer musste es doch tun, sonst wäre das doch noch ewig so weiter gegangen." mutmaßt er und seine Miene wird ernst. "Du hättest es nie über's Herz gebracht ihm den Laufpass zu geben."
Mist!
"Ähm ..." mache ich lahm.
Er stupst mir mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze. "Siehst du. Ich kenn dich gut, Charlotte Spencer."
Da hat er recht.
"Aber ich sage es ihm." bitte ich leise.
"Das dürfte sich bereits erledigt haben." vermutet er und deutet mit der Hand auf die kleine Charlotte die vor uns geht. Ich folge seinem Blick und sehe, dass sie ihr Smartphone in der Hand hält und einen Videoanruf mit ihrem Vater führt.
Mist, mist, mist!
Hastig schubse ich Tom beiseite damit Max uns nicht hinter seiner Tochter entdecken kann. Doch es war zu spät. "Tom, mein Daddy will dich sprechen." verkündet Charlotte und hält ihm ihr pinkes Handy hin.
"Ich ruf später zurück." brummt Tom ausweichend.
Da ertönt Max Stimme wütend aus dem Gerät. "Du wirst jetzt sofort dran gehen, Cray!"
Charlotte drückt es ihm gegen den Bauch und nimmt mich bei der Hand. "Gehen wir jetzt zu den Pinguinen, Miss Spencer?" fragt sie fröhlich und sieht bittend zu mir auf.
Wer könnte diesem netten Kind schon etwas abschlagen? Also schlagen wir den Weg Richtung Pinguin Beach ein.

 

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Tom

 

"Das hast du dir ja toll ausgedacht!" brüllt Steel durch das Gerät in meiner Hand. "Kannst du mir mal verraten was das war?"
"Also für gewöhnlich nennt man das einen Antrag machen." versuche ich es mit einem Scherz.
Doch der kommt gar nicht gut an bei ihm. Wütend schreit er. "Und den Ring hattest du rein zufällig in der Tasche oder was?"
"Jup. Ich schlepp immer ein zwei Verlobungsringe mit mir rum. Man weiß ja nie wen man so trifft."
"Halt's Maul!" herrscht er mich an. Ich seh es ihm mal nach. Das war wirklich eine linke Nummer von mir.
"Weißt du eigentlich wie scheiße das war?" fragt er.
"Was denn?" stelle ich mich blöd.
"Ich liebe diese Frau!" schreit er laut.
"Jo, ich weiß. Ich liebe sie eben auch. Sorry Kumpel, aber ich war schneller." grinse ich frech.
"Ich bin ganz sicher nicht dein Kumpel." zischt er zwischen zusammen gebissenen Zähnen und fährt sich mit der Hand durch's Haar. Fast sieht er schon verzweifelt aus.
"Hey, komm schon. Sieh's sportlich. Ich hab eben gewonnen." versuche ich es freundlich.
"Das wollen wir doch mal sehen." brummt er düster.
"Sie hat ziemlich deutlich ja geschrien." kläre ich ihn mit einem gewissen Stolz in der Stimme auf. "Die rund zwanzig Zeugen können dir das gern bestätigen."
Er wird blass, jedenfalls sieht es auf dem undeutlichen Video so aus. Sprachlos scheint er auch zu werden.
Schließlich fragt er nur. "Wie geht's jetzt weiter?"
"Na ja also, heiraten wird sie mich. Aber ihr könnt gern weiterhin 'befreundet' sein. Schließlich ist sie ja auch die Lehrerin deiner Tochter. Ein klasse Mädchen übrigens!" lobe ich grinsend.
Er fährt sich erneut mit der Hand durch's Haar. "Scheiße! Stimmt ja. Das hatte ich ganz vergessen. Pass mir ja gut auf meine Tochter auf!"
"Klar. Bei mir ist sie doch in den besten Händen." verkünde ich. Wenn der wüsste, wie sehr seine Tochter und ich uns schon angefreundet haben.
"Und wegen Charlotte ..." Ich bin mir sicher, jetzt spricht er von der Großen. "... Gut. Ich habe verloren. Vorerst. Verlobungen können gelöst werden." mahnt er.
Ich nicke zustimmend. Aber ganz sicher löst kein Mädchen eine Verlobung mit mir.
"Cray, so schnell gebe ich nicht auf." droht er.
"Mach was du nicht lassen kannst. Wie gesagt, ihr könnt meinetwegen befreundet bleiben. Mehr aber nicht." Unterschwelliges Drohen kann ich auch.
"Wir werden sehen." zischt er und bricht das Gespräch ab.

Lachend reiche ich Charlotte ihr Gerät. Sie steckt es lächelnd in ihre rote Umhängetasche zurück. "War Daddy sauer?"
"Was denkst du?" stelle ich geheimnisvoll die Gegenfrage.
"Bestimmt." erwidert sie und grinst.
Das Kinder schon so hinterhältig sein können ... Die Kleine gefällt mir!

"Was grinst du denn so?" fragt Charly als ich neben sie trete und meine Finger mit den ihren verschränke.
"Ich hab gute Laune." biege ich die Wahrheit etwas zurecht. "Ist doch auch ein klasse Tag."
Skeptisch zieht sie die Stirn krauss.
"Na sieh doch mal! Der Himmel. Strahlend blau. Es ist Arschkalt. Sicher gibts bald Schnee und Weihnachten steht vor der Tür." schwärme ich ein bißchen übertrieben für meine Verhältnisse. Kein Wunder das sie mir das nicht abkauft. "Willst du mich verarschen?" fragt sie halb im Scherz. "So bist du doch gar nicht. Du wirkst als würdest du dich diebisch über irgendwas freuen."
Unschuldig hebe ich die Schultern.
"Hat das zufällig was mit deinem Telefonat mit Max zu tun?" hakt sie neugierig nach.
"Hm." brumme ich unschuldig. "Vielleicht." Das Grinsen was sich jetzt auf meinem Gesicht ausbreitet verrät mich vollends.
"Tom Cray, du warst doch hoffentlich freundlich!" mahnt sie.
"Was denkst du?" frage ich listig.
"Du warst herablassend und unfreundlich." mutmaßt sie ganz richtig.
"Ähm ..."
"Tom!" sagt sie ganz die strenge Lehrerin.
"Anwesend." erwidere ich daher im Scherz.
"Hör auf mich zu verarschen!" zischt sie wütend. "Ich mag Max und ich möchte nicht das ihm weh getan wird!"
"Tja, mein Schatz ..." Ich nehme sie in die Arme. "... deine Bedenken kommen zu spät. Er war nicht gerade glücklich über deine Entscheidung. Aber hey, so ist es nun jetzt eben. Du sagtest, du willst dich bis Weihnachten entscheiden und das hast du jetzt eben." erkläre ich leichthin.
Betroffen sieht sie auf ihre Fußspitzen.
Vorsichtig hebe ich ihr Kinn mit einer Hand an, so dass ich ihr in die Augen sehen kann. "Darling, mit deiner Entscheidung hast du heute einen deiner Männer zu dem glücklichsten der ganzen Welt gemacht. Und der andere ..." Ich küsse sie intensiv. "... der andere wird es auch überleben."
"Meinst du?" fragt sie leise. "Ich bin mir da nicht so sicher." zweifelt sie.
"Ihr könnt doch Freunde bleiben." schlage ich auch ihr vor.
"Freunde? Das klappt nicht." mutmaßt sie.
"Warum nicht?" Das verstehe ich nicht. "Ich mag seine Tochter!" gebe ich fröhlich zu. "Die kleine Charly ist cool!" 
Charly sieht zu ihrer Namensvetterin die sich an der Scheibe des Pinguingeheges die Nase platt drückt. "Ja, sie ist ein tolles Mädchen!" schwärmt sie.
"Du bist ein tolles Mädchen. Sie ist ein guter Kumpel!" stelle ich klar und sehe ebenfalls zu dem Kind.
"Kumpel?"
"Jup. Wir verstehen uns super." gebe ich zu.
Erstaunt sieht Charly mich von der Seite an. "Ich dachte immer du magst keine Kinder?"
"Mag ich auch nicht. Aber manche schon."
Verwirrt schüttelt sie den Kopf.
"Genau so eines will ich auch!" murmle ich fast tonlos und hoffe, sie hat mich nicht gehört. Hat sie aber doch. Erstaunt dreht sie wieder den Kopf zu mir und fragt. "Was hast du gerade gesagt?"
"Was?" stelle ich mich stur.
"Du willst Kinder?"
"Ja. Irgendwann." weiche ich aus.
"Wirklich? Das hätte ich nie gedacht." gibt sie zu.
"Warum nicht?"
"Na weil Kinder so gar nicht in deinen Lebensstil hinein passen."
"Der kann sich ja ändern." Ich zucke die Schultern.
Sie schweigt.

 

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Kapitel 44

 

Tom

 

Am Montag Morgen empfing mich ein PostIt mit der Mitteilung das ich in Gibs Bürowabe erwartet werde.
Sofort machte ich mich auf den Weg.
"Guten Morgen." rufe ich freudig. "Was gibt's denn?"
"Hey, so gute Laune heute?" stellt er die Gegenfrage.
"Ja. Habe auch allen Grund zu feiern."
"Hab ich was verpasst?" fragt er verwundert und trinkt einen Schluck Kaffee.
"Ich hab' am Samstag Charlotte um ihre Hand angehalten." verkünde ich stolz.
Gibs zieht die Augenbrauen hoch. "Ich nehme an sie hat 'Ja' gesagt."
"Na was glaubst du wohl." lache ich und frage wieder ernster. "Und jetzt raus mit der Sprache! Warum sollte ich her kommen?"
"Ach ja. Hast du in letzter Zeit mal einen Blick in den Polizeiticker der Met geworfen?"
"Nö. Sollte ich?" erwidere ich Achselzuckend.
"Kommt drauf an, denn wenn du es getan hättest, hättest du von der Hinrichtung in East End gelesen." meint er geheimnisvoll.
"Hinrichtung?" rufe ich laut aus. "Zeig mal her!" Ich war mir sicher, dass er den betreffenden Polizeibericht längst gesichert hat.
Sofort klickt er eine Datei an und auf dem Bildschirm seines PC's erscheinen der offizielle Polizeibericht und davor eine kurze Meldung wie in einer Onlinezeitung.
Neugierig beuge ich mich herunter um besser lesen zu können.
'Hinrichtung in Bethnal Green'. lese ich da. 'Am gestrigen Donnerstag Abend um 21 Uhr 30 etwa betrat ein mit einer Skimaske maskierter Mann die Bethnal Green Tavern. Ohne Vorwarnung und ohne ein Wort zu sprechen schoss er einem anderen Gast aus kurzer Distanz eine Kugel zwischen die Augen. Das Opfer war auf der Stelle tot. Anschließend verschwand der Angreifer wie er gekommen ist, durch den Haupteingang. Augenzeugen beschreiben den Täter in etwa 180 cm groß und von stämmiger Statur. Seine Augen als extrem blau mit stechendem Blick. Gekleidet war er mit einer dunkler Jeanshose, einem schwarzen Rollkragenpullover, sowie einer ebenfalls schwarzen Bomberjacke. Auffällig war der breite pelzbesetzte Rand der Kaputze und seine weißen Sneakers der Marke Adidas. Zeugen beschreiben den Tathergang als regelrechte Hinrichtung.'
"Krass!" murmle ich. Doch als langjähriger Polizist in einer Stadt wie dieser schockt mich eigentlich gar nichts mehr so richtig.
"Ja das ist es." stimmt Gibs zu und nimmt einen weiteren Schluck aus seiner Tasse.
Anschließend nehme ich mir den offiziellen Holmes 2 Bericht über den Vorfall vor. Der DC vor Ort der den Fall bearbeitet hatte notierte, 'Das Opfer war Gast der Bethnal Green Tavern, als, laut Augenzeugenbericht gegen 21 Uhr dreißig ein weiterer Mann den Pub betrat, direkt auf das künftige Opfer zuging, eine Handfeuerwaffe aus seinem Hosenbund zog und ohne Vorwarnung eine Kugel abfeuerte. Das Opfer ging getroffen zu Boden und war auf der Stelle tod. Der Täter verließ ohne zu sprechen das Lokal wieder durch den Eingang und fuhr mit einem am Straßenrand bereitstehenden schwarzen Geländewagen in Richtung Mile End Park.' Dem Bericht angehangen waren noch der Autopsiebericht, die Personalienbeschreibung des Opfers , sowie ein Phantombild des Täters. Doch das interessierte mich eher sekundär. Primär wollte ich nur eines wissen, warum meinte Gibs, dass mich diese Sache interessieren könnte?
"O-k-a-y." murmle ich. "Interessant. Aber warum zeigst du mir das?"
"Ich hab mir im Gegensatz zu dir mal die Personalien des Opfers angesehen." Er deutet mit einer Lakritzstange auf den Bildschirm.
Ich folge seinem Fingerzeig und öffne die Datei.
"Boris Orlow." murmle ich. "Sagt mir nix." Doch dann betrachte ich das Foto das der Akte angehangen ist. Es muss in der Gerichtsmedizin aufgenommen worden sein. Das Gesicht, obwohl nun leichenblass und mit einem dunklen Fleck mitten auf der Stirn kommt mir wage bekannt vor.
"Na, klingelts?" nuschelt Gibs mit vollem Mund.
"Der kommt mir bekannt vor. Ich kann ihn aber nicht zuordnen." gebe ich zerknirscht zu. "Haben wir noch andere Hinweise die mir eventuell auf die Sprünge helfen können?"
"Er war Türsteher im 'Hank Mansion and Gentleman's Club'. Ein Stripclub in Soho." leiert er die Informationen herunter.
"In Soho?"
Er nickt.
Ich grübel und sehe mir das Gesicht noch einmal an. Na klar ... Das ist doch ...
"Klar, ich kenn den. Das ist der Türsteher der MacAvory und mich in Empfang genommen und durchsucht hat." Ich hole Luft. "Er war es auch der später der Zeugin Jasmin und mir gefolgt war ..."
"Der auf dem Parkplatz gewartet hat um später sein Täubchen wieder einzusacken. Dann aber, als er begriffen hat, dass ihr abgehauen seid durchgedreht und Amok gelaufen ist." vollendet Gibs meine Erinnerungen und macht dabei eine spulende Geste mit der Hand.
Ich nicke zustimmend. "Er ist das?" Ich beuge mich wieder herunter und klickte die Akte an um sie auszudrucken. Als das Foto schließlich in meiner Hand liegt und ich es mir ganz genau ansehen kann, brandet in mir eine Welle der Erinnerung auf. "Klar, das ist er. Aber warum wurde er umgebracht? Und vor allem - warum auf diese Weise?" überlege ich laut.
"In Anbetracht der Tatsache, dass es eine Hinrichtung war, muss es etwas ernstes, tiefgreifendes sein. Er ist wohl irgendjemanden gehörig auf den Schlips getreten."
"Ja genau das denke ich auch! Er hat etwas angestellt. Vielleicht seinen Chef verärgert?"
Beide wissen wir von wir da reden. Gregorovitch.
"Und der scheint keinen Spaß zu verstehen." murmle ich mehr zu mir selbst.
Gibs nickt mit vollem Mund. "Hat diese Zeugin, diese ..." Er tippt auf seiner Tastatur herum bis er gefunden hat wonach er suchte. "... Jasmin. Diese Jasmin hat das auch gesagt. Also das Gregorovitch keinen Spaß versteht. Sobald man einen Fehler macht, etwas falsches sagt oder schon nur die falsche Frage stellt landet man auf dem Abstellgleis."
"Ja, entweder da oder im Kühlhaus." brumme ich.
Nachdenklich danke ich meinem Kollegen für die Infos und schicke mich an seine Wabe zu verlassen, als er mir hinterher ruft. "Gratulation übrigens!"
"Hä?"
"Na zur Verlobung, man." lacht er und schließt die Anwendungen auf seinem Bildschirm.

 

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Charlotte

 

Als unerwartet und ereignisreich kann dieses vergangene Wochenende getrost bezeichnet werden. Zuerst babysitte ich die Tochter meines Freundes und Tom entdeckt plötzlich seine Liebe zu Kindern. Mit einem Mal sind die beiden wie ein Herz und eine Seele und ich stehe da wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen.
Dann der Zoobesuch am Samstag. Von nun an werde ich immer wenn ich am Tigergehege vorbei komme an Tom's Kniefall denken. Der Antrag, so überraschend, so geplant, so hinterhältig. Doch ich habe 'Ja' gesagt und nun bin ich verlobt. Wir haben noch gar keine Zeit gehabt darüber zu sprechen.
An den Reaktionen der beteidigten Personen konnte ich sehen, dass das alles eingefädelt war. Dieses Grinsen, dieses Abklatschen. Tom muss erst Mom und schließlich auch Charlotte überredet haben ihm zu 'helfen'. Und ich? Völlig überrumpelt habe ich zugesagt ohne an den armen Max zu denken.
Der war stink sauer als ich gestern Charlotte mit Tom gemeinsam zu ihm nach Hause brachte. Tom blieb wohlweislich im Wagen udn verabschiedete sich gleich dort von seiner neuen kleinen Freundin. Ich musste all meinen Mut zusammen nehmen um auszusteigen und mit Charlotte gemeinsam zur Haustür zu gehen. Als Max schließlich in der geöffneten Haustür vor mir stand und mich wortlos anstarrte, war es Charlotte die mich schließlich 'rettete.'
"Stell dir vor, Daddy. Miss Spencer und Tom haben sich verlobt!" jubelt sie und hüpft ihrem Vater ohne Vorwarnung in die Arme.
"Ich weiß, schon vergessen, du hast angerufen." brummt er halb unfreundlich, besinnt sich dann jedoch darauf wen er da vor sich hat und spricht freundlichen weiter. "Das ist toll!" Er sieht mich an. "Gratulation, Charlotte!" Er schenkt mir ein freundlichen Lächeln von dem ich mir sicher bin, dass es ihn sehr viel Kraft kosten muss.
"Danke." flüstere ich und merke wie ich rot werde. "Es tut mir leid!" füge ich fast tonlos hinzu.
Er zuckt traurig mit den Schultern.
"Es war ein toller Tag, Daddy." ruft in diesem Moment Charlotte. "Wir waren im Zoo und dann noch was essen. Miss Spencer's Mommy und ihre Geschwister waren auch dabei." berichtet sie aufgeregt und hüpft dabei im Flur auf und ab.
"So kenne ich sie ja gar nicht." bemerkt Max verwundert. "Sie ist so ... so ... wie ..."
"Wie ein Kind?" vollende ich lachend seinen Satz. "Das könnte am Zuckerschock von all den Süßigkeiten liegen die meine Schwester gemeinsam mit ihr verdrückt hat." erkläre ich weiterhin lachend.
Emely war später noch zu uns gestoßen. Sie fand, für einen Zoobesuch sei sie zu alt. Für einen ausgedehnten Shoppingtripp im Süßwarenladen oder Spielwarengeschäft jedoch nicht. Denn dort sind Charlotte und sie hin verschwunden kaum das sie ihre Teller leer gegessen haben. Das erkläre ich nun einem erstaunten Max. "Daher auch dies hier." Ich reiche ihm die Tüte die er nun verwirrt entgegen nimmt und einen Blick hinein wirft. Sie war Randvoll mit Süßigkeiten, jedenfalls dem was davon noch übrig ist und ein paar Spielsachen. "Was für große Mädchen." füge ich grinsend als Erklärung hinzu.
"O-k-a-y." meint er gedehnt. "Verstehe. Was wird denn jetzt aus der Renovierung?"
Ich sehe ihn an. Charlotte hält inne und starrt mich ebenfalls abwartende an.
"Was soll damit sein?" frage ich verwundert.   
"Na ... jetzt ..." stammelt er.
"Ich mach weiter. Ist doch klar." verkümde ich und Charlotte springt begeistert in die Luft.
"Jippi!" jubelt sie.
Lächelnd sehe ich dem Mädchen zu. Ihre Lebensfreude ist wirklich ansteckend.
"Übrigens ist Emely echt nett, Daddy!" verkündet sie nun ihrem Vater. "Ich möchte, dass sie uns mal besuchen kommt!"
"Ähm ..." macht Max und fährt sich mit der Hand durch's Haar.
"Ich hab ihre Telefonnummer." sagt sie.
Das überrascht nun auch mich. Bisher hat Em auch nie eine besondere Affinität an Kindern gezeigt. Meißstens reagierte sie entnervt wenn in ihrer Nähe ein Baby geweint hat. Doch dieses spezielle Kind scheint eine gewisse Gabe zu besitzen. Wie die kleine Cindy Lou mit dem Grinch.
"Charlotte, jetzt reicht es aber! Du kannst doch nicht ..."
"Warum nicht?" ruft sie, verschränkt die Arme vor der Brust und schiebt trotzig die Unterlippe vor. Herausfordernd sieht sie zu ihrem Vater auf. "Ich mag sie eben und du brauchst doch jetzt eine neue Freundin in die du dich verknallen kannst. Jetzt wo Miss Spencer und Tom verlobt sind." erklärt sie nüchtern.
Uns verschlägt es die Sprache. Wie alt ist dieses Kind gleich noch?
"Charlotte, das geht dich gar nichts an."
"Doch!" ruft sie und stampft sogar mit dem rechten Fuß auf.
"Ich denke, ich geh dann jetzt mal." murmle ich und trete den Rückzug an. "Bis Montag, Charlotte." rufe und winke ich.
"Montag? Was ist am Montag?" will Max wissen.
"Na Schule, Dad." erklärt sie jetzt wieder fröhlich.
"Du ... du willst wieder arbeiten?" fragt er entsetzt in meine Richtung.
"Ja." gebe ich zerknirscht zurück. "Mir fällt die Decke auf den Kopf. Immer nur zu Hause rum zu sitzen."
"Aber ... aber ... zu gefährlich ... was sagt Cray dazu?" stammelt er verwirrt.
"Das entscheide ich. Ich bin schon erwachsen, Max. Tom und du, ihr scheint das öfters zu vergessen." mutmaße ich.
"Charlotte, es ist zu gefährlich." mahnt er eindringlich und nimmt meine Händ ein seine.
"Und warum?" hake ich nach mit der Hoffnung endlich mehr aus ihm herauskitzeln zu können.
"Weil ... du ... weil ... weil London eine gefährliche Stadt ist." endet er lahm und sieht hinunter auf seine Fußspitzen.
"Ich bin hier aufgewachsen." lache ich leise. "Um mich aufzuhalten, musst du dir schon mehr einfallen lassen! Zum Beispiel ... die Wahrheit." flüstere ich und sehe in seine schönen braunen Augen.
Charlotte scheint es zu langweilig geworden zu sein und sie war verschwunden.
"Ich weiß. Es ist nur ... ich weiß etwas ... du bist noch immer in Gefahr."
"Nur ich oder auch die Menschen in meiner Nähe?" frage ich vorsichtig.
Er schüttelt den Kopf. "Wir vermuten, nur du."
Ich zucke die Schultern. "Na dann ist doch alles klar. In der Schule geschieht mir nichts. Und du könntest, wenn du da Zeit hast mich direkt nach dem Unterricht gemeinsam mit Charlotte abholen! Dann könnte ich das Zimmer streichen."
Max sieht mich an und schweigt. Er scheint zu überlegen, die Gefahren und meine Wünsche gegeneinander abzuwägen. Schließlich sagt er. "In Ordnung. Aber sprich das auch mit Cray ab! Und sei Vorsichtig!" Ich verspreche es ihm und dann wird es wirklich Zeit für den Abschied. Tom im Auto friert sicher schon fest. "Ich werde dann jetzt mal los." beginne ich leise. "Auf bald, Max." flüstere ich und stelle mich auf Zehenspitzen um ihm auf die Wange zu küssen. In diesem Moment beugt er sich etwas herab und dreht den Kopf so, dass meine Lippen direkt auf seine treffen. Ob beabsichtigt oder nicht, ich kann es nicht sagen. Dieser letzte Kuss ist leidenschaftlich und intensiv. Förmlich spüre ich all die Gefühle die er in den Kuss legt. Heiße Tränen rinnen mir über die Wangen und sammeln sich an meinen Mundwinkeln. Der salzige Geschmack mischt sich mit dem Geschmack von Wein den er vorher getrunken haben muss. Seine Arme umschlingen mich und drücken meinen Körper nah an den seinen. Ich habe keine Ahnung wie lange wir so dagestanden haben, aber das kurze Tröten einer Autohupe reißt uns aus unserer Lethargie. 
"Leb wohl." raunt er als er mich schließlich wieder frei gibt.   
"Nicht leb wohl. Wir bleiben Freunde - darauf bestehe ich!" Ich versuche ihn mit einem ehrlichen Lächeln die Sache leichter zu machen.
Er nickt und schweigt.

"Das ist nicht dein Ernst!" ruft Tom laut als ich ihm am Sonntag Abend verkünde das ich ab morgen wieder arbeiten gehen will.
"Warum denn nicht?" frage ich unschuldig. Dieses Thema hatte ich gestern erst mit Max durchgekaut und so langsam war ich es leid.
Und genau wie er bringt jetzt Tom die selben Argumente vor um mich umzustimmen lieber noch länger zu Hause zu bleiben.
Doch mir reichts! Ich musste hier raus! Leider bringt eine Zimmerrenovierung auch nicht die gewünschte Ablenkung.
"Tom, ich brauche Ablenkung." verkünde ich eindringlich. "Wenn ich hier tagtäglich allein rumsitze, komme ich nur ins Grübeln. 'Warum ich?', 'Warum meine Familie?'. Ich kann das nicht mehr! Es macht mich fertig!" jammere ich und werfe theatralisch die Arme in die Luft. "Mittlerweile habe ich sogar kaum noch neue Bücher die ich lesen könnte." 
"Ich besorg' dir neue."
"Du weißt worauf ich hinaus will.", rufe ich ihn zurecht.
"Ich versteh dich ja. Tue ich wirklich." erwidert er mit einem Mal und nimmt mich liebevoll in die Arme. "Aber ich sorge mich eben um dich! Kannst du das nicht verstehen?" fragt er und küsst mich auf die Nasenspitze.
"Natürlich verstehe ich dich, Schatz." lenke ich beschwichtigend ein.
"Gut. Dann bleibst du also zu Hause." beschließt er einfach so und lächelt erleichtert.
Das war wohl der sprichwörtliche Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte. Ich tickte aus. "Jetzt reichts mir aber! Thomas Cray, gewöhn' dich lieber schnell daran wenn du mich heiraten willst! Ich bin eine unabhängige, starke Frau!" Kämpferisch funkel ich ihn an. "Ich bestimme selbst was ich tue, wann ich es tue und wie ich es tue!"
Hatte jetzt ein Tisch in greifbarer Nähe gestanden, so hatte ich zur Bekräftigung mit der Faust darauf geschlafen.
Erstaunt zieht er die Brauen hoch. Ergebend hebt er die Hände. "Schon gut. Entschuldige, Darling!"
"Und?" hake ich nach und sehe ihn herausfordernd an.
"Ich hab aber Bauchschmerzen dabei." gesteht er leise.
"Solange ihr mir nicht reinen Wein einschenkt, Max und du und mir endlich sagt was für Gefahren mir drohen, so lange höre ich nicht mehr auf euch." stelle ich klar und verschränke die Arme vor der Brust.
"Das kann ich nicht."
"Warum nicht?"
"Weil wir noch keine handfesten Beweise haben. Nur einen Verdacht." gibt er zu.
"Welchen Verdacht? Gegen wen? Meinen Vater ... äh ... ich meine James?" will ich wissen.
Er schweigt, weicht aber auch meinem Blick aus und da weiß ich es. Ich habe Recht.
"Es ist James." sage ich fassungslos und muss mich setzen und lasse mich an der Wand hinunter gleiten. "Er steckt hinter all dem?"
Tom schweigt weiter.
"Tom!" zische ich. "Sieh' mich an!" herrsche ich ihn an.
Er senkt den Kopf und dreht ihn in meine Richtung.
"Habe ich recht? James steckt hinter all dem."
Er nickt zögerlich.
Scheiße! Das wir ja immer besser. Meine Familie geht sprichwörtlich den Bach runter.
"Was hat er getan?"
"Spielschulden, deine Entführung, Lösegeldforderung, Autobombe, vielleicht noch schlimmeres?" zählt er leise die Vergehen auf.
Fassungslos starre ich ihn an.
"James hat mich entführen lassen, willst du das mit deinen Anspielungen sagen? Wollte er von Mom das Geld erpressen um damit ... damit weg ... durch zubrennen?" stammle ich und raufe mir verzweifelt die Haare.
"Siehst du wie dich das aufregt, Schatz. Deshalb solltest du es nicht erfahren." erklärt er, zieht mich vom Boden hoch und nimmt mich wieder in seine Arme. Liebevoll streicht er mir über das Haar.
"Wann wolltet ihr es mir sagen?" will ich wissen.
Er schweigt. Also wahrscheinlich nie.
"Tom, du sagst mir jetzt alles was du weißt!" fordere ich schniefend.
Er scheint einen Moment darüber nachdenken zu müssen. Schließlich sagt er. "Ich erzähl' dir aber nur so viel wie du wissen musst, um dich, bis es vorbei ist, von deinem Vater fern zu halten."
"Der wohnt auf dem Friedhof." brumme ich.
"Du weißt wen ich meine." kontert er mit einem Augenrollen.
Und dann berichtet er, wie Max und er gemeinsam seit meiner Entführung vor einigen Wochen ermitteln und herauszufinden versuchen wer hinter all dem steckt. Er berichtet außerdem, dass Max schon vor einiger Zeit die Telefone und den privaten PC meines Vaters angezapft hat und sie so herausbekommen konnten, dass es eine weiter Lösegeldforderung gegeben hat. James hat ein Suchtproblem. Seit seiner Jugend ist dieses wohl schon bekannt. In einem Londoner Casino, dass einem vom MI6 überwachten russischen Oligarchen gehört machte er Spielschulden. Um diese wieder einzufordern und meinen Vater unter Druck zu setzen entführte man mich und tat mir an was man mir eben angetan hatte. James zahlte. Doch vor einigen Tagen bekam er eine erneute Zahlungsaufforderung. Mit irgendwas, Max und er gehen davon aus, dass es sich bei der zweiten Zahlungsaufforderung um einen Trittbrettfahrer handelt. Mit irgendwas, aber sie wissen noch nicht mit was genau, wird er scheinbar erpresst. Am letzten Freitag dann zahlte mein Vater den weiteren Betrag von 5 Millionen.
Meine Augen werden immer größer je mehr Tom berichtet. "Aber ihn nehmt an das an der Sache was faul ist?" hake ich noch einmal nach, weil ich das Gefühl habe nicht mehr ganz mitzukommen.
Er nickt. "Jup. Erstens kamen beide Männer eher wie Geschäftspartner als wie Erpresser und Erpresster rüber und zweitens ..." Er hält Daumen und Zeigefinger in die Höhe. "... konnten sich unmöglich in der kleinen Aktentasche fünf Millionen Pfund befinden." erklärt er. "Dazu wäre schon eine kleine Reisetasche nötig gewesen."
Ich nicke. "Das stimmt wohl. Aber wer war der Mann? Konntet ihr das raus finden?"
Tom zuckt die Schultern. "Wir sind dran. Die Kennzeichenabfrage hat nichts gebracht. Der schwarze Chevrolet fährt mit geklauten Kennzeichen durch London. Das ist ein beliebter Trick unter Ganoven. Bevor man ein Ding drehen will klaut man von irgendeinem Fahrzeug die Kennzeichen und bringt sie an dem eignen an."
"Verstehe. Und schwarze SUV's fahren ja wirklich einige herum." murmle ich.
"Stell und ich vermuten, dass es auch ein abgekartertes Spiel von James sein könnte."
Hellhörig geworden sehe ich ihm in die Augen. "Was sagst du da?" keuche ich.
Er zuckt die Schultern. "Steel ist deinem Vater an dem Abend noch gefolgt. Bis nach Knightsbridge."
"Ja und?"
"Er ging dort in das Haus einer gewissen Morgan Young. ... Und er blieb die ganze Nacht dort." schließt er und meint wohl damit sei alles geklärt.
"Ja und? Wer ist diese Young?"
"Charly, na wer wird sie wohl sein?" grinst er udn sieht mich herausfordernd an.
"Nein." echauffiere ich mich. "Nein, dass würde er meiner Mom nie antun. Sie ... sie führen doch eine ... "
"Eine Ehe. Na und?" vollendet er meinen gestammelten Satz. "Das hat gar nichts zu heißen."
"Aber ..."
"Nichts aber. Charly, sieh's ein! Dein Vater hat eine Geliebte und nach Recherchen von Steel zufolge, bereits seit mehr als drei Jahren." klärt Tom mich auf.
"Wirklich?"
Er nickt ernsthaft. "Wir nehmen deshalb an, dass die zweite Geldforderung von deinem Vater ausging. Vielleicht will er sich mit dem Geld absetzen? Irgendwo weit weg von allem. Vor allem der Justiz. Und vor allem mit Miss Young an seiner Seite." mutmaßt er.
Mir blieb vor allem das Wort 'Justiz' hängen. "Warum sagst du Justiz?" will ich wissen.
"Ähm ..."
"Tom!"
"Na ja, es besteht begründeter Verdacht das ... das er was ... ach man, Charly. Bitte zwing mich nicht das auszusprechen ehe wir keine Beweise haben!" jammert er und fährt sich mit der Hand durch's Haar.
"Wovon redest du?"
"Charly, wenn ich dir das jetzt sage, dann wirst du ihn von nun an mit anderen Augen sehen."
"Das tue ich eh schon. Glaube mir!" entgegne ich.
"Es wird aber alles ändern." beginnt er zögerlich.
"Tja." mache ich nur und werfe schnippisch die Haare zurück.
"Wir ... Steel und ich haben den Verdacht ... und deine Tante auch ..."
"Moment ..." unterbreche ich ihn mit erhobener Hand. "Wer?"
"Deine oder nein, eure Tante. Die Schwester von Benedict Abernathy."
"Ich habe eine Tante?" frage ich erstaunt. Natürlich hätte das sein können, dass ist mir klar. Aber es jetzt zu hören, erstaunt mich jetzt doch.
"Ja, hast du. Sie lebt in Australien." erklärt er und ist scheinbar froh, dass der Themawechsel vom eigentlichen Gesprächsinhalt ablenkt. Aber nicht mit mir. "Gut, davon später mehr. Du wolltest mir gerade von eurem Verdacht erzählen."  
"Ähm ja, jedenfalls sind wir der Meinung das der Mord an deinem leiblichen Vater damals keine Zufallstat war. Sondern geplant und in Auftrag gegeben wurde von ..."
"Von James etwa?" keuche ich und fasse mir an die Brust. "Du willst ernsthaft behaupten er hätte meinen Vater, seinen Rivalen umbringen lassen? Wieso?"
"Eifersucht. Rache." zählt Tom auf.
"Eifersucht. Rache." wiederhole ich flüsternd. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Fassungslos breche ich zusammen. Tom fängt mich auf ehe ich auf den Boden sacke kann und trägt mich ins Bett im Schlafzimmer. Er setzt sich neben mich auf die Bettkante und streicht mir liebevoll eine Locke aus der Stirn. "Das war zu viel auf einmal. Es regt dich zu sehr auf. Ich hätte damit warten sollen. ... Einen besseren Zeitpunkt finden." geißelt er sich selbst udn sieht mich ängstlich an. "Es ... es tut mir leid!" flüstert er und küsst mich auf die Stirn.
"Nein ... nein ..." widerspreche ich kraftlos. "Das war okay. Irgendwann musste ich es ja erfahren."
"Aber nicht so. Nicht von mir."
"Von wem dann wenn nicht von dir?"
"Hm. Stimmt auch wieder." grinst er leicht. "Wie gehts dir jetzt?"  
"Wie soll es mir schon gehen?" lächle ich. "Beschissen."
Er nickt.
"Mein Vater ... mein vermeintlicher Vater hat nicht nur meinen richtigen Vater auf dem gewissen, nein, er kollaboriert mit der Unterwelt um sich ein angenehmeres Leben mit einer anderen, die nicht meine Mutter ist zu finanzieren."
"Ja. Das ist hart." stimmt er mir zu.
"Hart? Das ist das abgefuckteste was ich je gehört habe. Wie in einem Krimi. Nur das ich darin die Hauptrolle spiele gefällt mir nicht!" Ich zwinge mich zu einem schwachen Grinsen.
"Du hast recht. Aber welche Rolle spiele ich dann?"
Ich sehe ihm in seine unglaublichen blauen Augen und überlege. "Na den des strahlenden Ritters in glänzender Rüstung der die Hauptdarstellerin aus der ganzen Misere befreit natürlich." lache ich und ziehe ihn zu mir herunter.
Seine Lippen sind warm und weich als sie sich jetzt auf meine pressen. Und es fühlt sich so gut an! So gut, nach all dem Mist den ich gerade erfahren habe.

 

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Tom

 

Ich musste raus. Raus aus dem Büro, raus aus dem Revier. Einfach mal allein sein um nachzudenken. Das waren neue Erkenntnisse die mich wirklich beunruhigten. Ich lief immer weiter bis ich den Vaxhall Park erreichte. Das Wetter war beschissen. Es war nass und arschkalt, dennoch setzte ich mich auf einer der Bänke unter einem der kahlen Bäume. Ich kann nicht sagen wie lange ich schlußendlich so da gesessen udn gegrübelt habe, aber am Ende gaben die Puzzleteilchen einen Sinn. Der tote Türsteher, die Leichenteile in der Stadt, MacAvory's Verschwinden. Dieser Orlow ist, nachdem er begriffen hatte, dass unter seiner Aufsicht eines der Mädchen abhanden gekommen ist durchgedreht. Er erinnerte sich das ich nicht allein in den Club gekommen war, fuhr zurück und stellte den sicherlich völlig verdutzten MacAvory zur Rede. Ich will mir gar nicht ausmalen was dieser vor seinem Tod alles hat durchmachen müssen. Aber er muss es sein der da zerstückelt in der Kühlhalle der Gerichtsmedizin liegt. Aber wie passt die Frauenleiche da mit rein? Jedenfalls erfährt Gregorovitch davon, und er kriegt irgendwie spitz das MacAvory ein Bulle war. Das passt so gar nicht zu seinem makellosen Führungszeugnis. Polizistenmord - das hinterlässt einen hässlichen Fleck auf der weißen Weste. Er lässt den Trottel der es versaut hat umlegen. Problem erkannt - Problem gelöst.
Ich stehe auf. Meine Glieder sind steifgefroren und brauchen einen Moment um wieder in Gang zu kommen. Um vollständig aufzutauen gehe ich hinüber zu der Bäckerei und kaufe mir einen Kaffee. Dieser wärmte nicht nur meine Hand, sondern auch mein Innerstes. So gestärkt führt mein nächster Weg mich direkt in die Chefetage im SIS Gebäude.
Falkner's Sekretärin zieht erstaunt die fein gezupften Augenbrauen hoch als ich eindringlich Einlass in das Büro ihres Chef's verlange. "Mister Falkner ist gerade in einer wichtigen Videokonferenz." versucht sie einen neuen Anlauf mich abzuwimmeln.
"Ich denke, bei dem was ich ihm zu sagen habe, verschiebt er sein Videotelefonat gern." mutmaße ich eindringlich während ich mich mit beiden Handflächen vor ihr auf dem Schreibtisch abstütze und sie anstarre.
"Mister Cray, ich bitte Sie zurück zu treten!" zischt sie.
Ich rühre mich nicht vom Fleck.
"Mister Cray, bitte! Sie machen mir Angst!" gibt sie deutlich kleinlauter zu.
Erstaunt ziehe ich mich zurück, bleibe jedoch mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihrem Schreibtisch stehen. "Was ist nun? Mister Falkner hatte ausdrücklich darauf bestanden über jeden Schritt unserer Ermittlungen sofort unterrichtet zu werden." erkläre ich und deute mit einem Kopfnicken zur Tür hinter der Falkner's Büro war. 
"Ja aber ... Sie könnten doch auch eine Mail ..." stammelt sie verunsichert.
Ich ziehe nur die Augenbrauen hoch.
Das wirkt. Sie steht auf und geht zur Tür. "Na schön. Ich werde sehen was ich für Sie tun kann." sagt sie geziert. Ebenso leise klopft sie an das Holz der Tür. Als ein gebrummtes 'Herein!' ertönt schlüpft sie durch den Türspalt. Kurz darauf öffnet sich die Tür erneut und sie bittet mich einzutreten. "Mister Falkner hat jetzt Zeit für Sie." verkündet sie.
Oh, welch eine Überraschung!
Wütend funkel ich sie an als ich etwas zu nah an ihr vorbei ins Büro gehe. Erschrocken zuckt sie zurück.
"Cray!" ruft Falkner mich zurecht.
Ich salutiere halbherzig vor meinem Chef und nehme anschließend auf dem mir angebotenen Stuhl vor dem Schreibtisch platz.
"Was gibt es, dass Sie derart stürmisch in mein Büro platzen und meine Sekräterin bedrohen?"
"Bedrohen? Ich?" echauffiere ich mich mit gespielter theatralik.
Er winkt ab. "Ach ist schon gut. Miss Walters meint, es gibt neue Erkenntnisse?" fragt er.
Ich nicke. "Jawohl, Sir." Und ich deklamiere ausführlich über die Erkenntnisse und versuche ihn von meinen Überlegungungen die ich daraus gezogen habe zu überzeugen.
Nachdenklich kratzt sich mein Boss am Kinn. Dann fragt er. "Und Sie meinen tatsächlich bei dem Toten handelt sich um unseren MacAvory?"
"Ja, Sir. Ich möchte gern, um dies abschließend zu klären einen DNA Abgleich vornehmen lassen! Dazu bräuchte ich jedoch einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung um verwertbares DNA Material zu sammeln." erkläre ich.
Er nickt zustimmend. "Gut, ich kümmere mich darum. Den Richter zu überzeugen dürfte nicht all zu schwer sein, schließlich ist unser Kollege seit nunmehr als 5 Tagen verschwunden und das es sich bei den Leichenteilen um ihn handeln könnte ist leider sehr wahrscheinlich." erklärt er.
Ich presse die Lippen zusammen. Ich habe MacAvory zwar nie richtig kennengelernt, er war viel zu schüchtern dazu, jedoch war er ein Mitglied meines Teams, und damit trifft sein eventueller Tod uns alle sehr! In einem Team steht man für einander ein und hilft sich. Und da ist noch ein Gefühl das seit zirka einer Stunde an mir nagt und mich fertig macht - ich bin Schuld. Bin Schuld an seinem Tod. Hätte ich ihn vorgewarnt an diesem Abend, hätte er sich vielleicht in Sicherheit bringen und somit noch leben können.
"Cray, Sie bedrückt doch noch was?" hakt der Deputy Chief Constable mir gegenüber. Scheinbar ist sein Auge noch gut geschult und er bemerkt noch immer wenn jemand etwas verbergen will. So was hat man nach vielen Jahren im Dienst für die Krone ganz gut raus.
"Ach da ist nur ..." beginne ich zögerlich.   
"Nur weiter!" sagt er freundlich und sieht mich auffordernd an.
Ich atme tief durch und fahre fort. "Also, es ist nur folgendes, Sir. Ich mache mir Gedanken, wenn es tatsächlich MacAvory ist den wir da gefunden haben, dass ich an seinem Tod Schuld bin."
"Warum das? Wie kommen Sie darauf?"
"Wir waren gemeinsam an diesem Abend undercover im Einsatz. Ich setzte mich ab um die Zeugin zu vernehmen. Und das Ende vom Lied kennen Sie ja. Ich kehrte also nicht in den Club zurück. Hätte ich ihn gewarnt, oder zumindest mitgeteilt, dass der Einsatz erfolgreich abgebrochen wurde. Aber nichts von all dem tat ich."
"Warum nicht?"
Ich zucke die Schultern. "Ich ... ich weiß es nicht, Sir. Ich habe es vergessen." gebe ich leise zu und sehe beschämt zu Boden.
Er holt tief Luft. "Das hätte nicht passieren dürfen." mahnt er. "Allerdings sind Ihre Befürchtungen unnötig."
Ich sehe auf.
Er fährt fort ehe ich etwas erwidern kann. "Man hat Ihrem Kollegen bescheid gegeben. Nicht nur Sie, Cray waren an diesem Abend verkabelt, auch MacAvory war es. Über Funk wurde ihm der Abbruch mitgeteilt."
Gibs dieser Arsch hatte mir das nie erzählt! Allerdings, warum sollte er auch?
"Wirklich?" frage ich erleichtert.
Falkner nickt. "Selbstverständlich. Cray, Sie waren zwar an diesem Abend der Einsatzleiter, aber noch bin ich es, der schlußendlich diese Abteilung führt." Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. Etwas ganz seltenes bei ihm.
Erleichtert atme ich auf. "Dann bin ich etwas beruhigt."

Als nächstes musste ich, ob es mir nun passte oder nicht, mich mit Steel kurzschließen ob sich zwischenzeitig was bei Spencer getan hat. Schließlich war die Frist die man ihm gesetzt hatte verstrichen. Zurück in meinem eigenen Büro ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und wähle seine Nummer. 
"Was willst du, Verräter?" knurrt er statt einer Begrüßung als er das Gespräch angenommen hat.
"Hey, Steel. Ich wollte dich was fragen ..." beginne ich, doch er lässt mich nicht ausreden.
"Hast du nicht schon genug gefragt?"
"Ha ha." brumme ich. "Sehr witzig! Ich muss mit dir reden!"
"Pha." macht er und schweigt.
Ich nehme das als Aufforderung mein Anliegen vorzutragen. "Gibt's was neues bei Spencer? Die Frist für die Lösegeldübergabe ist doch um, oder?"
"Hm." macht er nur.
"Wie alt bist du?" zische ich. "Ist es vielleicht möglich, dass wir uns wie Erwachsene unterhalten?" 
"Das sagt ja der richtige. Wie ein Erwachsener willst du behandelt werden. Vielleicht hättest du dich dann auch mal wie ein ehreswerter Mann verhalten sollen." wirft er mir vor.
Ich zucke die Schultern. "Tja, was soll ich sagen? Man findet einen Partner, lebt zusammen, versteht sich gut und manchmal kommt es dann zum Heiratsantrag. Genau das hab ich getan. Erwachsene machen das nämlich so." palaver ich.  
"Jetzt muss ich aber noch mehr lachen."
"Dann tu das! Und danach erzählst du mir dann was es Neues bei Spencer gibt!" befehle ich mich um Freundlichkeit bemüht.
Steel holt tief Luft ehe er zu erzählen beginnt. "Ja, die Übergabefrist ist abgelaufen. Ja, es gab einen Übergabeort." Gelangweilter kann man sich kaum anhören.
"Wirklich?" hake ich neugierig nach.
"Ja, am Freitag. 22 Uhr an seiner Bank."
"In der Bank?" wundere ich mich.
"Ja, dass hab ich doch gesagt. Hörst du schlecht?" zischt er.
"Du hättest bescheid sagen sollen! Die Met hätte den Ort überwachen lassen können. Vielleicht wären wir so an Gregorovitch ran gekommen?" mutmaße ich entnervt. Was glaubt er eigentlich wer er ist? Superman? Allein gegen alle. Ich verstehe ja, dass er sein minderwertiges Wesen durch Aktionen wie diese aufpolieren versucht. Aber das er damit polizeiliche Ermittlungen behindert geht nicht klar. Das sage ich ihm.
Empört erwidert er. "Wenn es so wichtig wäre zu wissen was Spencer tut, dann sollte die Polizei ihn vielleicht überwachen lassen!" schlägt er mit hämischen Unterton vor. "Ach ja, dafür bräuchte man dann ja triftige Beweise gegen ihn. Und wenn ich mich recht erinnere, habt ihr Bullen die nicht." Er holt Luft. "Tja, und da kommen wir dann doch wieder auf den kleinen Personenschützer zurück, der es richten soll was die Staatsmacht nicht kann." Seine Stimme trieft vor Ironie.
"Ist schon gut." versuche ich ihn zu beschwichtigen. "Du hast ja recht. Ich brauche dich und deine Fähigkeiten um weiter zu kommen."
"Hm." brummt er.
"Charly's Familie ist eventuell in Gefahr. Es liegt an uns das aufzuklären. Denn scheinbar sind wir beide die Einzigen die dieses Rätel es lösen können."
"Na du hast ja Vertrauen in deine Kollegen." höhnt er.
"Erstens, sind die ermittelnden Beamten der Met nicht meine Kollegen. und zweites, sind wir beide mittlerweile bestens involviert und informiert. Viel besser als jeder Beamte der sich erst nach der Autobombe mit dem Fall beschäftigt hat.
"Da muss ich dir recht geben!" stimmt er mir zu.
"Siehst du, jetzt unterhalten wir uns wie Erwachsene." lache ich. "Es tut mir ja leid, wie das mit Charly gelaufen ist! Wirklich. Aber so ist es nun mal. Und seien wir doch mal ehrlich, du hättest doch genausogut dir etwas in der Art einfallen lassen können." erinnere ich ihn.
Er schweigt. Sicherlich schlägt er gerade, bestürzt über seine eigenen Dummheit den Kopf gegen die Wand.
"Steel?" frage ich vorsichtig.
"Hm." brummt er abwesend.
"Und? Ich nehme doch an, dass du die Lösegeldübergabe beobachtet hast!"
"Natürlich."
"Und?" hake ich nach. Meine Geduld wird hier gerade ziemlich auf die Probe gestellt.
Er ist bockig wie ein kleines Kind. Man muss ihm jedes Wort aus der Nase ziehen.
"Du hast nicht viel verpasst. Spencer bekam eine Mail in der er aufgefordert wurde um 22 Uhr am Hintereingang seiner Bank aufzukreuzen. Natürlich mit dem Geld."
"Fünf Millionen?"
"Ja, Wir warteten schräg gegenüber und behielten den Personaleingang im Auge. Pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt kreuzte er auf und ging zu einem kurz vorher angekommenen schwarzen Chevrolet."
"Ein schwarzer Chevrolet?" frage ich neugierig. Genau wie bei Lloyd's Restaurant und der Hinrichtung in Bethnal Green.
"Ja doch." zischt er genervt. "Er stieg ein und sie unterhielten sich eine kleine Weile."
"Und das Geld?"  
"Na was denkst du wohl? Das gab er ihm." erwidert er in einem Ton als würde er mit einem Kleinkind sprechen.
"Das Ganze? 5 Millionen? Das war doch sicher eine größere Tasche?" frage ich.
"Nö. Das war seltsam. Es gab dem unbekannten nur eine normale Aktentasche."
"Seltsam." wiederhole ich.
"Na ja, dass dachte ich auch erst, aber wenn wman mal annimmt er hat es nur in großen Scheinen gegeben oder in Schecks." mutmaßt Steel.
"Schecks? Welcher Gangster akzeptierte denn Schecks?" wundere ich mich. "Nein, da ist was faul! Wie reagierte der Kerl als er ihm die Tasche gab? Was taten die beiden sonst noch?" frage ich weiter.
"Er grinste. ..."
"Moment, wie konntest du das sehen? Um 22 Uhr ist es stockdunkel." unterbreche ich ihn verwundert. Die Möglichkeit ein Nachtsichtgerät einzusetzen hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Dennoch überraschte er mich jetzt als er mir genau dies erklärte.
"Okay. Klasse, dass du daran gedacht hast!" lobe ich ehrlich.  
"Du denkst wirklich ich bin beschränkt, oder?" zischt er beleidigt. "Ich habe, sicherlich genau wie du eine hervorragende Ausbildung genossen. Zudem war ich bei der Fremdenlegion und ..."
"Ja, drei Jahre. Das zählt fast nicht." unterbreche ich ihn erneut.
"Du hast dich über mich schlau gemacht?" Höre ich da Bewunderung in seiner Stimme?
"Brauchte ich nicht. Das steht alles in der Akte die wir über dich führen. Du bist dem MI5 und MI6 ja bereits schon mehrfach in die Quere gekommen." erkläre ich abfällig.
"Ach so." erwidert er lachend. "Und ich dachte schon, du wolltest deine Kokurrenz abchecken."
"Hab ich nicht nötig - wie du gemerkt haben dürftest." Diesen Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen. Das braucht einer wie Steel von Zeit zu Zeit mal.
Er schweigt erneut.
"Zurück zum Thema!" befehle ich. "Dieser Kerl war also zufrieden mit der kleinen Tasche voll Geld?"
"Wir wissen nicht ob sich tatsächlich Geld in der Tasche befunden hat." stellt er klar.
"Stimmt, du hast recht. Aber wenn sich keines darin befand, warum war der andere dann glücklich darüber?" grübel ich und überlege. "Du hast doch sicher Fotos gemacht? Oder sogar ein Bild von dem anderen?" vermute ich. Zu recht wie sicher herausstellt.
"Maile ich dir gleich. Wollte ich schon längst getan haben ..." beichtet er. "Doch mir kam was dazwischen."
"Okay, mach das." erwidere ich ohne auf seine Anspielung einzugehen.
"Schon geschehen." meint er und in meinem Handy macht es 'pling'.
"Hab sie danke! Schaue ich mir gleich an. Ist dir dieser Kerl bekannt vorgekommen?" frage ich ihn ohne viel Hoffnung auf eine positive Antwort zu haben.
"Du überschätzt meine Fähigkeiten. Der mit dem Zugang zum Police National Computer Datenbank bist du." brummt er.
Ich nicke. "Gut." lasse ich das mal dahingestellt. "Ist auf dem Bildmaterial ein verwertbares Bild dabei?"
Er weiß was genau ich meine und antwortet. "Ich denke schon, dass eines dabei ist das du verwenden kannst."   
Das macht ja Hoffnung.
"Okay, super!" lobe ich seine Fähigkeiten zum fotografieren. "Erzähl weiter!"
"Tja, viel gab's dann nicht mehr. Die ganze Aktion war nach etwa drei Minuten vorbei. Spencer stieg aus und ging zurück ins seine Bank. Der Chevrolet fuhr weg."
"Wie haben sie sich verabschiedet?"
"Hä?"
"Na, per Handschlag oder ein paar Worte gewechselt oder wie? Wie war ihre Körperhaltung? Das sagt viel über das Verhältnis zwischen den beiden aus." erkläre ich fachmännisch.
"Ach so." brummt er wieder und fährt fort. "Also gestritten haben sie nicht. Sie schienen sich tatsächlich recht gut zu verstehen."
"Tatsächlich?" wundere ich mich ehrlich. "Seltsam!"
"Das fand ich auch. Sie wirkten eher wie alte Freunde."
Das wurde ja immer seltsamer. Was führst du im Schilde, Spencer?
"Was tat Spencer dann?"
"Sagte ich doch schon. Er ging in die Bank zurück."
"Ich weiß. Ich nehme aber an, dass du an ihm dran geblieben bist. Schließlich hattest du in dieser Nacht sonst keine Verpflichtung mehr." lache ich.
"Und schon reißt er das Kartenhaus wieder ein." zischt er und meint damit scheinbar die zerbrechliche gute Stimmung zwischen uns. "Natürlich bin ich dran geblieben. Ich positionierte mich am Haupteingang. Er betritt schließlich das Gebäude auch immer dort. Mein zweiter Mann bewachte weiter vom Wagen aus den Seiteneingang. Spencer blieb noch etwa zwanzig Minuten in der Bank. Keinen Schimmer was er da so lange um die Zeit dort trieb?" berichtet er. "Dann kam er durch den Haupteingang raus, ging zu einem dunkelgrünen Jaguar, den hat er sich am Tag zuvor neu gekauft."
Erstaunt ziehe ich die Brauen hoch. "Interessant. Dafür hat er auch noch das Geld gehabt?"
"Scheint so." tut er es ab. "Jedenfalls fuhr er dann Richtung Limehouse davon."
"Und?"
"Wir sind natürlich hinterher. Greenwood hatte ich bescheid gegeben kaum das Spencer vor die Tür trat. Wir verfolgten ihn durch die City of London bis Westminster. In Nightsbridge am Montepelier Square parkte er und ging in eines der dortigen Häuser." Er bricht ab. Schon wieder wenn's spannend wird.
"Noble Gegend." werfe ich ein.
"Hm." macht er nur. Kein Wunder, mit teuren Wohngegenden kennt er sich ja aus.
"Und wer wohnt da? Mensch, Steel, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen." fluche ich als er nicht weiter berichtet.
"Eine gewisse Miss Morgan Young." Er machts spannend.
"Aha und wer ist Miss Young?" Genervt fahre ich mir mit der Hand durch's Haar.
"Das habe ich mich auch gefragt. Besonders nachdem er dort die ganze restliche Nacht verbracht hat." Förmlich kann ich sein Grinsen vor mir sehen.
"Miss Young ist Flugbegleiterin und gelegenheits Model."
"Und?"
"Was und? Sie ist höchstwahrscheinlich seine Geliebte, man."
"Ist das sicher?"
"Na neben dem Bett gestanden wenn sie es getrieben haben habe ich nicht, Cray. Also wirklich. Bist du blöd?" echauffiert er sich. Zu recht wie ich finde. Ich bin heute wirklich nicht auf der Höhe.
"Okay. Ja klar. Er hat also eine Affaire. Kannst du herausdfinden wie lange das schon so geht?"
"Da wir Personenschützer so etwas wie Wochenende eh nicht kennen haben wir uns gleich nochmal seinen PC vorgenommen und explizit nach dem Namen Morgan Young gesucht. Mit dem Ergebnis, dass sie sich seit definitiv seit mehr als drei Jahren kennen. Denn seit dieser Zeit existiert ein reger Mail- und SMSverkehr zwischen den beiden. Falls davor schon was war konnten wir nicht raus finden, da er sich damals einen neuen PC zugelegt hat. Aber bei all den Geschäftsreisen die Spencer quer über den Erdball führen, kannten sie sich sicherlich schon früher." mutmaßt er. "Ein Schäferstündchen im Flughafenhotel, eine Woche Entspannung zu zweit im Luxusspa oder romantische Ferien in einer schweizer Berghütte. Wäre alles möglich. Spencer war schon überall. Auffällig oft führen seine Reisen ihn in die Schweiz."
Ich bin immer mehr erschüttert über die Abgründe die sich hinter der perfekten Fassade der heilen Familie Spencer auftun.
"Das ist doch schon was. Gut gemacht!" lobe ich.
"Oh danke! Danke vielmals! Dein Lob bedeutet mir unendlich viel!" nimmt er mich auf die Schippe.
Ich rolle mit den Augen. "Ich habe das Ernst gemeint. Damit kann ich arbeiten." erwidere ich genervt. "Gemeinsam werden wir diese Scheiße aufdecken!"
"Wenn du das sagst." murmelt er. "Ich muss dann jetzt auch mal wieder. Jag' die Fotos durch deine Datenbanken. Du kannst auch mal was tun." Damit legt er auf ehe ich noch etwas erwidern kann.
Als würde ich nur rumsitzen und Däumchen drehen.

 

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Kapitel 45

 

Tom

 

Mittlerweile hatte ich so viele Fragen, dass es unumlänglich wurde mal mit Veronica zu sprechen.
Ich musste herausbekommen, ob sie auch damals James in Verdacht hatte Abernathy umgebracht zu haben. Ich verabredete mich mit ihr für den Abend. Wir wollten uns in ihrem Hotel treffen. Auf meine Bitte James gegenüber unser Treffen nicht zu erwähnen, überraschte sie mich als sie sagte, dass der schon längst nicht mehr im Hotel wohnt. Die Frage weshalb das so ist, hob ich mir für den Abend auf.
Charlotte gegenüber sagte ich ebenfalls nichts.

Am Montag Morgen im Revier führte mich mein erster Weg zu Gibs Bürowabe. Doch die war noch verlassen. Also ging ich zu meinem eigenen Büro und begann die Bilder die Max mir von seiner nächtlichen Überwachungsaktion geschickt hatte zu sichten und das Gesicht des Fahrers des Chevrolet mit denen in unserer Datenbank abzugleichen. Wie zu erwarten war ohne Erfolg. Ohne ein Bildbearbeitungsprogramm das sie schärfer macht und sie vergrößert kam ich hier nicht weiter. Also musste ich auf Gibs warten. Ich rief auf seinem Diensttelefon an. Nach kurzem klingeln nahm er ab und keuchte einen atemlosen Gruß in den Hörer. "Guten Morgen, Schlafmütze." ziehe ich ihn auf.
"Pha, von wegen Schlafmütze." keucht er. "An Schlaf war heute Nacht nicht zu denken, sag ich dir."
Ich schweige und höre weiter zu.
"Bei mir war heute Nacht was los."
"Erzähl!" fordere ich ihn auf und lasse mit dem Zeigefinger einen Bleistift auf der Tischplatte im Kreis drehen.
"Mein Cookie, ein selten dämlicher Tollpatsch von einer deutschen Dogge bekam mitten in der Nacht einen Rappel und fing an meine Katze zu jagen. Durch die Wohnung."
"Du hast nen Hund und ne Katze?" hake ich verwundert nach.
"Na und? Du hast ne Freundin." kontert er schnippisch.
"Verlobte." Soviel Zeit muss sein.
"Wie auch immer. Jedenfalls jagen die beiden sich quer durch die Wohnung. Als mein frei stehender Kühlschrank umkippte und ich durch das Scheppern aufgewacht bin war schon alles zu spät." berichtet er genervt.
"Wieso?" zeige ich Interesse. 
"Na weil die Wohnung schon vollends verwüstet war." echauffiert er sich. Ich höre das Zischen das entteht wenn eine Getränkedose geöffnet wird. Gibs nimmt einen Schluck. "Und der Hammer war, dass die Nachbarn mitten in der Nacht an meine Haustür hämmerten um sich über den Lärm zu beschweren."
"Oh man." stöhne ich mitfühlend. "Da hast du ja was durch. Das Aufräumen muss ja ewig gedauert haben."
"Praktisch bis eben gerade." stimmt er mir zu. "Ich hätte den Köter auf den Mond schießen können! Aber ich kann ihm nie lange böse sein." fügt er sanft hinzu.
Ich hätte die Viecher wahrscheinlich vor der Arbeit direkt im Tierheim abgegeben. Aber ich bin auch ein anderer Typ Mensch.
"Weißt du was aber seltsam war?" meint Gibs zögerlich.
"Was?"
"So was haben sie noch nie getan."
"Tja, irgendwann ist immer das erste Mal." Ich zucke mit den Schultern.
"Nein, nein. Sie sind zusammen aufgewachsen. So was haben sie wirklich noch nie getan." beharrt er.
"Na, wahrscheinlich wollten sie nur spielen." versuche ich das Gesprächsthema zu beenden.
"Um zwei Uhr Nachts? Cray, die schlafen auch nachts."
Ich bin mir sicher mal gelesen zu haben, dass Katzen nachts durchaus aktiv sind. Auf die Jagt gehen und so. Doch ich sage ihm das nicht. "Seltsam." meine ich nur.
"Auf jeden Fall!" stimmt er mir zu. "Beim Aufräumen habe ich dann auch noch was seltsames gefunden." gibt er zu.
"Und was?" So langsam langweilte mich das Thema.
"Eine Tüte vom Fleischer. Sie lag neben meiner Terrassentür Wohnzimmer."
"Na und? Da wird sie bei der Verfolgungsjagt halt hingekommen sein. Sie haben doch sicherlich auch den Mülleimer umgeworfen?"
"Ja, dass haben sie."
"Na siehst du." lache ich zufrieden diesen Fall zumindest schnell gelöst zu haben. Höchste Zeit sich endlich um die richtigen Fälle zu kümmern. "Du Gibs, ich bräuchte deine fachmännische Hilfe." beginne ich.
Doch erscheint noch immer mit seinem Fleischereitütenfall beschäftigt zu sein und murmelt. "Ich kann mich gar nicht erinnern dort eingekauft zu haben."
"Gibs!" rufe ich um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. "Ich brauche deine Hilfe."
Er atmet tief durch. "Ähm ... ja ... was gibt's?" fragt er schließlich.
Ich erkläre es ihm und schicke ihm zeitgleich die betreffenden Bilder per Mail rüber. "Wenn du das als erstes machen könntest wäre das super!" bitte ich freundlich. "Dann kann ich dem Kerl gleich an den Karren pissen."
"Ich versuchs." sprach's und legte auf.

Ich nahm mir als nächstes das Kennzeichen des Chevrolt vor, doch wie ich bereits befürchtet habe, war dieses als gestohlen gemeldet. Es gehörte eigentlich einer 56 jährigen Frau aus Stratford. Ihr hatte man beide Kennzeichen ihres roten Mini Cooper vor wenigen Tagen in der Parkgarage eines Einkaufszentrums entwendet. Sie konnte ich als Fahrerin und Komplizin von Spencer getrost ausschließen. Eine Sackgasse also.
Da klingelt das Diensttelefon auf meinem Schreibtisch.
Ich nehme den Hörer ab und in Erwartung schon Ergebnisse von Gibs zu erhalten sage ich. "Du bist ja schneller als die Feuerwehr."
"Ach wirklich? Und ich dachte wir sind hier beim SIS?" kommt es amüsiert mit Falkners Stimme aus dem Hörer.
"Oh ... Sir. Entschuldigen Sie bitte." rechtfertige ich mich erschrocken. "Ich hatte angenommen es sei Gibs."
"Ich habe sehr wohl bemerkt, dass Sie nicht mich erhofft haben zu hören." lacht mein Boss. "Leider muss ich Ihre gute Laune etwas dämpfen, Cray." fährt er nun deutlich ernster fort.
"Was gibt es, Sir?"
"Einen Kopf, Cray. Einen Kopf."
Ich schlucke. "Passend zu den Leichteilen, Sir?"
"Gerade das möchte ich auch wissen. Fahren Sie nach Kensal Green! Zum Friedhof." instruiert er mich. "Ein gewisser Sergeant Wilmanowski erwartet Sie dort. Er wird Ihnen alles erklären."
Ich nicke. "In Ordnung, Sir. Ich werde mich gleich auf den Weg machen."
"Gut. Und Cray, nehmen Sie Halliway mit! Der Junge kann noch was lernen." befiehlt Falkner.
Auch das bejae ich und lege auf.
Anschließend gehe ich zu dem jungen Kollegen und berichte ihm von seinem Glück mit mir gemeinsam heute Vormittag einen Ausflug auf den Friedhof machen zu dürfen. Als Bonus bekommen wir auch ein paar Leichenteile zu sehen.
"Was, noch mehr?" keucht er.
"Na na, Halliway, dass Puzzle ist doch ohne Kopf nicht komplett." rüge ich ihn lachend.
"Also wie Sie das so auf die leichte Schulter nehmen können werde ich wohl nie begreifen." stöhnt er und erhebt sich um sich seine Jacke über zuziehen.
Ich tue es ihm gleich. Beim hinausgehen statte ich noch schnell Gibs einen Besuch ab und informiere ihn von meiner Abwesenheit. Wenn was ist, kann er mich auf dem Handy erreichen.

Gemeinsam fahren wir nach Kensal Green und steuern direkt den Kensal Green Cemetery an. Auf dem Besucherparkplatz an der Harrow Road stelle ich meinen Wagen ab und steige aus. Halliway folgt mir hinüber zu einer rundlichen Constable. Um sich warm zu halten verlagert sie unaufhörlich ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, reibt sich die behandschuhten Hände und haucht in die hohle Hand. Als wir näher kommen nimmt sie Haltung an und bittet uns freundlich aber bestimmt zurück zu bleiben. "Es tut mir leid! Aber heute ist der Friedhof für Besucher geschlossen." verkündet sie außerdem.
Wir zücken unsere Marken und erklären was wir hier wollen. "Das ist DSI Halliway und mein Name ist Cray, Mam. Wir sind von der SIS und wurden um Unterstützung gebeten. Wir sollen hier einen Sergeant Wilmanowski treffen."
"Ah ja klar." Erkenntniss erhellt ihr Gesicht. "Wenn Sie sich bitte in diese Liste eintragen würden!" bittet sie freundlich und reicht uns aus einer Kladde neben sich auf dem Boden ein Blatt Papier. Die Tatort Anwesenheitsliste. "Ich melde derweilen das Sie angekommen sind." Sie tritt zwei Schritte zur Seite und spricht in ihr Funkgerät.
Als alles erledigt ist, hebt sie für uns das Flatterband an und lässt uns passieren. "Sergeant Wilmanowski erwartet Sie dort hinten." meint sie und deutet mit der Hand auf ein entfernetes Hinweisschild neben dem ein Mann mittleren Alters steht. Auch ihm scheint das kalte Dezemberwetter in die Knochen zu fahren, denn auch er versucht sich mit Bewegung warm zu halten. Als wir näher kommen hebt er die Hand um auf sich aufmerksam zu machen. "Cray? Sind Sie Cray vom SIS?" fragt er freundlich. Sein dichter Schnautzbart wippt bei jedem Wort. Solch einen Bart habe ich ewig nicht mehr gesehen. Bisher hatte ich auch angenommen, dass diese Art von Gesichtsbehaarung mit den Schlaghosen in den 80er aufgestorben sei.
"Die sind wir. Sergeant Wilmanowski?" grüße ich ebenso freundlich. "Was haben Sie für uns?"
"Einen Kopf, Sir."
"Das wusste ich bereits. Gibt es sonst noch irgendwelche Hinweise oder ... Körperteile."
"Körperteile?" keucht er entsetzt. Von den anderen Leichenteilfunden hatte er wohl noch nichts gehört.
"Ich frage, weil in der letzten Zeit überall im Stadtgebiet Londons Leichenteile auftauchen. Die eines Mannes und einer Frau." erkläre ich ausführlich. "Bisher fehlen nur noch die Köpfe der Toten."
"Ah verstehe." Er nickt. "Dann kommen Sie mal mit. Der Gerichtsmediziner ist bereits vor Ort."
Wir biegen rechts ab und gehen ziemlich weit in das ausladende Friedhofsgelände hinein. Schweigend folgen wir zunächst dem Hauptweg, bis Wilmanowski schließlich nach links abbiegt und über den braunen Rasen entlang querfeldein läuft. Es geht an uralten teilweise schiefstehenden Grabmälern und Steinkreuzen vorbei. Scheinbar sind hier nur Leute begraben die es im Leben zu etwas gebracht haben. Solch eine pompöse Grabstätte ist sicher nicht ganz billig. Der Sergeant geht zielstrebig auf eine kleine weiß getünchte Gruft  zu. Sie sieht aus wie ein Griechischer Tempel im Miniformat. Vier bis zum Dach reichende Säulen bewähren den Eingang, den einst eine schwere steinerne Platte verschlossen hatte. Doch nun lag sie eingeschlagen und zerbröckelt überall auf dem Boden im Innern, den zwei Stufen bis zum Eingang und auf der braunen Erde davor herum. Bei näher kommen erkenne ich das braun, rot karierte abgewetzte Jacket von Doktor Robinson. Er steht im Innern der Gruft neben einem stattlichen Sarkophag und beugt sich darüber. Man hatte zwei Scheinwerfer links und rechts aufgestellt um das, durch den Eingang spärlich einfallende Tageslicht zu unterstützen.
Ich wende mich an Wilmanowski. "Wie wurde der Kopf denn gefunden?"
"In der letzten Zeit gab es wiederholt Fälle von Vandalismus." beginnt dieser zu berichten. "Aufgebrochene Särge oder Grabmäler. Beschmierungen oder sogar schlimmeres. Eine Schande ist das!" Da stimme ich ihm zu, allerdings sage ich nichts und brumme nur zustimmend.
"Einer der Friedhofsgärtner hat am Morgen seine Runde gedreht und hat sie ... ähm ... ihn gefunden." Er deutet mit der Hand auf das Grabmal.
"Hier?"
"Ja genau. Vandalen hatten die Steinplatte im Eingang zerstört ..."
"Das heißt, diese massive steinerne Platte war vorher intakt?" frage ich ungläubig. Es bedarf eines enormen Kraftaufwandes solch eine Steinplatte zu zertrümmern.
"Na sicher. Oder denken Sie man lässt Gräber offen stehen?" höhnt er abfällig.
Ich überhöre das.
"Jedenfalls war sie kaputt. Der Mann kam näher um sich die ganze Bescherung anzusehen und entdeckte den Kopf im Sarg."
"Im Sarg? Wurde der etwa auch geschändet?"
"Hm. Die olle Leiche liegt zumindest noch drin. So viel Respekt hatten sie dann doch."
"Und man hat den Kopf einfach mit da rein gelegt?" hake ich ungläubig nach.
"Scheinbar." brummt Wilmanowski.
"Wer liegt hier eigentlich begraben?" will ich als letztes wissen.
"Irgendein Industrieller." entgegnet er.
Ich nicke und gebiete ihm voran zu gehen.   
Dem Sergeant folgend betraten wir auch noch den Innenraum. Der mit dem riesigen steinernen Sarkophag bereits gut ausgefüllte kleine Raum war nun sprichwörtlich zum bersten gefüllt. 
Robinson dreht sich um und Wiedererkennen hellt seine Miene auf. "Ah Mister ... Cray. Richtig?" fragt er freundlich.
Ich nicke und reiche ihm die Hand. Der Mediziner sieht darauf hinunter und lacht kopfschüttelnd. "Ich denke, dass sollten wir auf später verschieben."
Rot werdend nicke ich und murmle eine Entschuldigung. Es wäre tatsächlich eklig ihm jetzt die Hand zu schütteln. Das mir so etwas passieren konnte? Stattdessen sage ich. "Genau. Cray vom SIS. Das ist mein Kollege Halliway. Sie haben wieder was für uns?" Ich deute mit einem Kopfnicken Richtung Sarg hinter ihm. "Passt er zu den anderen Teilen?"
Der Arzt nickt auch Halliway freundlich zu ehe er sich umdreht und sich erneut dem Kopf zuwendet. "Vielleicht. Mehr kann ich erst sagen wenn ich ihn im Institut näher unter die Lupe genommen habe. Was ich aber mit Gewissheit sagen kann ist folgendes ..." Ich trete neben ihn. Halliway bleibt hinter mir an der Wand stehen. An der gegenüberliegenden Wand entdecke ich den angelehnt dastehenden Sargdeckel. Ob randalierende Jugendliche oder der Mörder ihn so abgestellt haben kann niemand sagen. Der Doktor beugt sich wieder über den Sargrand und winkt mich noch näher zu sich heran. "Männlicher Weißer. vom Alter würde ich ihn auf Mitte Ende dreißig schätzen. Näheres kann ich Ihnen erst nach einem Zahnabgleich sagen." Plötzlich vom einem mulmigen Gefühl erfasst schaudere ich. Was wenn es sich hier um den Kopf unseres vermissten Kollegen handelt? Was wenn er es ist der zerstückelt und in alle Winde verstreut aufgefunden wird? Mit angehaltenem Atem wage ich einen vorsichtigen Blick über den Rand. Ich ertappe mich dabei die Augen geschlossen zu haben. Langsam öffne ich sie und atme erleichtet auf. Es ist nicht MacAvory. Ein fremdes Gesicht blickt aus toten leeren Augen an. Man hatte den Kopf, ob nun achtlos oder beabsichtigt genauso hingelegt, dass er direkt neben dem skeletierten Schädel an die Decke starrt. Schwarze Flecken überziehen fast die gesamte Gesichtspartie. Die Lippen sind zurück gezogen. Es sieht aus als würde der Tote die Zähne blecken. An der Schnittstelle konnte man gut die Wirbel erkennen. Einige Maden taten sich bereits genüsslich an seinem verfaulten Fleisch.
"Wie lange ist er schon tod?" flüstere ich.    
"Wenn man davon ausgeht, dass der Kopf erst in den letzten Tagen hier in der kalten Gruft abgelegt und zuvor in einem gekühlten Raum aufbewart wurde, kann man aufgrund des Verwesungsprozesses sagen, dass der Mann bereits seit ein einhalb bis zwei Wochen tod ist. Ebenfalls wie bei den anderen Teilen wurde der Kopf mit einer scharfen Klinge abgetrennt, weshalb ich persönlich den Verdacht hege, dass er zu den anderen Teilen passt."
Ich nicke zustimmend. "In Ordnung. Dann fehlt uns ja nur noch sein weibliches Pendant."
Alle vier verlassen wir das Grabmal. "Ich lasse Ihnen meinen Bericht zukommen." meint der Mediziner und streift sich mit einem klatschenden Geräusch die Gummihandschuhe ab.
"Danke, Doktor." murmle ich.
"Auf bald." verkündet er fröhlich, nimmt seine Tasche und verschwindet querfeldein zwischen den Gräbern.
"Und was meinen Sie?" mischt sich Wilmanowski ein.
"Ob der Kopf zu unseren anderen Leichenteilen passt?" stelle ich die Gegenfrage.
"Ja."
"Es sieht so aus. Allerdings fehlt uns dann noch, wie gesagt der der Frau."
Wilanowski schaudert. "Grauenvoll! Wer macht so etwas?"
Ich zucke die Schultern.
"Meinen Sie dieser ist ebenfalls hier irgendwo versteckt?"
Wieder zucke ich die Schultern. "Der Einfachheit halber würde ich schon sagen 'ja'. Die Extrimitäten beider Personen waren auch zusammen gefunden worden. Die Oberkörper allerdings nicht. Da durften wir von Southwark nach Dockland's fahren."
"Was ja auch nicht gerade weit entfernt ist." kontert er.
"Sie haben recht. Es wäre also möglich, dass wir den zweiten Kopf auf diesem Gelände hier finden. Könnten Sie das veranlassen?"
"Selbstverständlich!" brummt er und tritt beiseite um Befehle in sein Funkgerät zu brüllen.
Ich drehe mich zu Halliway. "Alles in Ordnung?" frage ich besorgt.
Er nickt zögerlich. "Ist nur immer wieder komisch." gibt er leise zu. "Eigentlich bin ich ja Agent geworden um nicht andauernd Leichen sehen zu müssen wie bei der gewöhnlichen Polizei. Agenten sollen den Tod schließlich vermeiden." erklärt er mit einem schiefen Lächeln.
Ich grinse frech. "Tja, wie Sie sehen kommen auch wir manchmal um die normale Polizeiarbeit nicht herum."
Zwei schwarz gekleidete Männer des Bestattungsinstituts betreten nun das Grabmal. Einen schlichten Metallsarg neben sich tragend. Sie werden den Kopf anschließend zur Untersuchung in die Gerichtsmedizin bringen. Hoffentlich können die Kollegen der Met die Angehörigen der Toten finden, damit die ihren Bruder, Mann oder Sohn ehrenvoll zu Grabe tragen können! Ein Ende als Gulasch ist schon schlimm genug. Da fällt mir ein, Falkner gleich die Nachricht zukommen zu lassen, dass es sich bei diesem Toten nicht um unseren vermissten Mitarbeiter der SIS handelt. Ich rufe ihn an und erkläre es ihm. Auch er scheint teilweise erleichtert zu sein, obwohl dieser Umstand keineswegs eine Garantie dafür ist das MacAvory noch am leben ist.
Da Halliway ziemlich blass um die Nase und es zudem mittlerweile Mittagszeit ist, gehen wir in einem direkt neben dem Haupteingang des Friedhofes gelegenen Thailändischen Imbiss etwas essen. Nahrung wird ihm gut tun. Wir bestellen Massaman Curry für mich und Phat Thai für ihn. Ein allseits bekanntes Gericht, weil die thailändische Küche für ihn noch Neuland war. Als wir nun also unsere Reisbandnudeln in uns schaufelten und uns dabei über belangloses unterhalten klingelte mein Handy. Wilmanowski, dem ich meine Handynummer gegeben habe falls seine Männer tatsächlich etwas finden sollten. Und tatsächlich verkündete er, kaum das ich abgenommen habe das einer seiner Leute in einem freistehenden Sarkophag den Kopf einer blonden Frau gefunden hatte. Wir ließen Essen Essen sein und machten uns eilig auf den Weg zurück auf den Friedhof.
"Gut das wir noch in der Nähe waren!" meint Halliway.  
"Ja, als wäre es Intuition gewesen." murmle ich zur Antwort.
Wieder das selbe Spiel bei der Constable am Eingang. Wilmanowski empfängt uns wieder an dem Schild und führt uns diesmal ungefähr in die selbe Richtung wie vorhin. "Ein frei stehender Sarkophag wie sie hier haufenweise rum stehen." wiederholt er. "Auch der wurde durch Vandalismus zerstört."
"Wirklich zerstört?" hakt Halliway nach.
"Nein ..." ruft Wilmanowski über seine Schulter. "... nur teilweise."
Als wir gleich darauf davor stehen erklärt es sich von selbst. Man hatte den einstigen grauen Marmor mit bunter Farbe vollständig beschmiert. Mit einem Vorschlaghammer oder einem ähnlich kräfteverstärkendem Werkzeug hatte man die schwere Deckplatte sowie eine der Seiten teilweise zertrümmert. Eine knöcherne Hand liegt neben dem Sarg. Sie musste herausgefallen sein. Angewidert wendet Halliway den Blick ab. Ich dagegen trete näher und schiele in das dunkle Innere. Durch die mutwillig herbei geführte Öffnung im Deckel dringt Tageslicht ins Innere. Knochen eines seit jahrhunderten alten Toten staken in die Dunkelheit. Doch da erblicke ich etwas helles. Blondes Haar und das Gesicht einer jungen Frau starren mich an. Erschrocken zucke ich zurück.
"Wie ist der da rein gekommen?" frage ich halblaut.
"Da! Der Deckel ist bewegt worden." verkündet Wilmanowski seine Entdeckung.
Ich besehe mir die Kante. Tatsächlich. Deutlich zeigen sich Abriebspuren am Rand. Das Moos das den Sarg an manchen Stellen überwuchert ist durch die Reibung an diesen Stellen weggeschabt worden. Unterhalb des Sarges liegen einige steinerne Krümel. "Und gestern oder so war der Sarg noch nicht beschädigt?" frage ich.
"Da müsste ich jemanden vom Friedhof fragen." brummt der Sergeant und entfernt sich.
Ich untersuche den Sarg weiter. Fußspuren darf man um diese Jahreszeit kaum erwarten. Der Boden ist hart gefroren. Geregnet hat es in den letzten Tagen ebenfalls nicht, so dass auch Spuren im Matsch ausbleiben.
Robinson nähert sich keuchend. "Also für meine alten Knochen ist das ja nichts hier mehrmals täglich über Gräber zu klettern."
"Na na, Doktor, das hält fit." scherze ich und reiche ihm die Hand. Jetzt kann er ohne Gefahr einschlagen. Mit würdevoll hoch gezogenen Augenbrauen erwidert er. "Junger Mann, Sie wissen ja gar nicht was ich jeden Tag zu tun habe."
Ich kann es mir langsam denken. Und lächel ihn entschuldigend an.
Zunächst besieht sich der Mediziner den Sarg von allen Seiten, ehe er sich die schwere Grabplatte entfernen lässt um den Kopf in Augenschein nehmen zu können. Drei Männer sind nötig um sie zu entfernen. Das gibt mir zu bedenken. An Halliway gewandt sage ich. "Wenn drei Männer nötig sind das Ding zu verschieben, wie soll es dann einer in einer Nacht- und Nebelaktion geschafft haben?" 
"Wer sagt denn das es nur einer war?" kontert mein junger Kollege.
"Tja, niemand natürlich. Aber meinen Sie die sind zu dritt hier herum gestiefelt?"
"Das macht Sinn, finde ich. Schließlich mussten sie doch auch den anderen Kopf verstecken."
"Sie meinen also beide Köpfe wurden am selben Tag hier abgelegt?"
"Natürlich." erwidert er selbstsicher.
"Hm."
"Dem kann ich zustimmen." meldet sich Robinson. "Auch dieser Schädel ist seit ein bis zwei Wochen von seinem Körper getrennt. Junge Frau, ich schätze sie auf Anfang höchstens Mitte zwanzig, schlank. Allerdings lässt sich das im jetzigen Zustand kaum noch feststellen, da das Fettgewebe sich bereits fast vollständig zersetzt hat."
Ich nicke und brumme etwas unverständliches.
"Scharfe Schnittstelle. Beil, Schwert oder ähnliches."
Wilmanowski keucht entsetzt auf.
"Okay, alles beim alten also." entegne ich.
"So ist es." Der Arzt erhebt sich. "Bis später dann. Ich empfehle mich. Und hoffentlich nicht bis nachher." scherzt er ehe er seine Instrumente zurück in die lederne Arzttasche packt und davon geht.
"Das ist ja grausig!" urteilt Wilmanowski.
"In der tat!" stimme ich zu.
Nachdem der Doktor fertig war, war der Weg frei für die Arbeit der Spusi. Halliway und ich beobachten wie an den verschiedenen Stellen kleine Nummernschildchen aufgestellt und anschließend der Bereich vom Tatortfotografen fotografiert wird. Trotz dessen man kaum Hoffnung auf Fuß- oder Fingerabdrücke haben kann wird dennoch danach gesucht. Wilmanowski nähert sich und stellt uns einen gewissen Reginald Brown,  einer der hießigen Friedhofsgärtnern vor. Die Arbeit an der frischen Luft macht es schwierig sein Alter genau zu schätzen. Er ist nicht mehr ganz jung, jedoch auch noch nicht kurz vor der Rente, schätze ich. Ich reiche dem Mann die Hand und sage. "Cray. Guten Tag. Ich habe ein paar Fragen. Wie oft drehen Sie hier Ihre Runden um zu sehen ob alles in Ordnung ist?"  
Der Blick des Mannes kann sich kaum auf mich konzentrieren, immer wieder schweift er nach links ab.
"Mister Brown." rufe ich ihn zur Ordnung.
"Ja. Seit dem es mit den Vandalismus angefangen hat gehen wir öfters über das Gelände. Es ist sehr groß und weitläufig, wissen Sie." beginnt er mit schnarrender Stimme.
Ich nicke. "Das haben wir auch bemerkt." murmle ich und sehe ihn auffordernd an weiter zu sprechen.
"Jedenfalls machen wir das nicht so gern. Aber die Verwaltung besteht darauf, wissen Sie. Die Leute zahlen viel für einen Platz hier, da soll es auch sicher sein."
Der Mann hört sich an, als würde er über Wohnhäuser in einer privaten Wohnanlage sprechen.
"Wir teilen uns auf. Norden, Süden, Osten und Westen."
"Die Himmelsrichtungen sind mir bekannt, dankesehr!" brumme ich.
Verwirrt sieht er mich an. Schweigt einen Moment ehe er fort fährt. "Jedenfalls bin ich vorgestern erst hier lang gekommen. Da war alles noch okay."
"Es gab keine Schmierereien?" hake ich nach.
"Nee. Das wär' mir auch aufgefallen, meinen Sie nicht?"
"Da haben Sie recht. Ist Ihnen sonst irgendwas aufgefallen?" Ich hoffe auf die Reibespuren am Sargdeckel. Doch er schüttelt den Kopf.
"Um wieviel Uhr sind Sie hier entlang gekommen?" frage ich.
"Am Nachmittag. So gegen 16 Uhr."
"Na dann war es ja bereits dämmrig. Kein Wunder das Sie nichts gesehen haben."
Kämpferisch blinzelt er mich an und entgegnet. "Ich hab ne' Taschenlampe dabei."
Ich nicke und presse die Lippen zusammen.
"Ist Ihnen eventuell an dem Grabmal da hinten ..." Halliway deutet mit der Hand wage in eine Richtung. "... etwas aufgefallen? Wann ist dort der Vandalismus zum ersten Mal aufgetreten?"
Brown sieht jetzt zu ihm auf. "Keine Ahnung. Da war ich schon lang nicht mehr."
"Sie wissen aber worüber wir reden?" hakt Halliway nach.
"Jo. Da wo Sie vorhin den anderen Kopp gefunden haben." entgegnet er.  
"Korrekt. Ob Sie vielleicht Ihre Kollegen danach fragen könnten?" fragt mein Kollege freundlich.
"Klar kann ich." 
Halliway lächelt dankbar.

"Dann sind sie entweder vor den Vandalen hier gewesen oder sie haben die Leichenteile extra in die Gräber gelegt die zerstört waren. Damit wir sie schneller finden." mutmaße ich als Brown verschwunden war um seine Kollegen zu befragen.
"Sie meinen, die wollten, dass die Köpfe gefunden werden?" fragt Halliway interessiert.
Ich nicke. "Ja. Sonst hätten die doch nicht so öffentlich wirksam und theatralisch die Leichen zerteilt und in der ganzen Stadt verteilt. Wenn das keine Narzisten sind, weiß ich auch nicht!" mutmaße ich.
Er nickt zustimmend. "Da könnten Sie tatsächlich recht haben. In der Uni hatte ich von solchen Fällen gehört."
Erstaunt sehe ich ihn an. "Sie waren in der College?"
"Ja, natürlich." Er zuckt mit den Schultern. "Nicht jeder von uns kommt über den herkommlichen Dienstweg der Polizei in die SIS." entgegnet er.
Beschämt nicke ich. Ich, der sich von einem simplen Constable hart hoch gearbeitet hat zu dem was ich jetzt bin. Das Andere einen anderen Weg eingeschlagen haben könnten bis sie als Agent berufen werden, ist mir ehrlich gesagt nie in den Sinn gekommen.   
"Interessant. Was haben Sie studiert?"
"Forensische Psychologie."
Ich glaub', ich bekomme Schnappatmung. Damit war Halliway um einiges besser bestellt als ich schnöder Bulle.
"Wirklich?" hake ich fassungslos nach. "Warum sind Sie dann bei uns?"
Halliway lacht. "Na weil Falkner fand, dass das Team noch einen psychologischen Forensiker gebrauchen kann."
Ich stimme in sein Lachen ein. "Und da haben Sie sich die ganze Zeit zurück gehalten? Los, raus mit der Sprache ... was für ein Typ Mensch ist unser Täter?"
Halliway grinst. "So einfach ist das nicht. Da spielen viele Faktoren eine Rolle." beginnt er zögerlich.
Gemeinsam setzen wir uns in Bewegung. Unterwegs erklärt er mir worauf es bei der psychologischen Forensik genau ankommt.
Am Haupteingang werden wir vom weiblichen Constable zur Friedhofsverwaltung gebeten. Dort berichtete uns Brown und sein Kollege das die Vandalismusfälle seit vier Monaten in regelmäßigen Abständen, meißt in den Freitag- und Samstagnächten auftreten. Farbschmierereien, umgestürzte Kreuze und Statuen, wildes urinieren in geöffnete Särge oder Gruften, eingeschlagene Sargdeckel und wie jetzt eben auch aufgebrochene steinerne Eingänge. Tote die da nicht hingehören seien aber noch nie vorgekommen versicherte man uns.
Als ich den Friedhofsmitarbeiter direkt nach der Gruft mit dem Schädel des Mannes darin befrage erklärt er, dass die Gruft bereits vor einigen Wochen zerstört wurde. Man hatte die Schäden protokolliert und es damit auf sich beruhen lassen. Ob die Angehörigen des 1867 verstorbenen etwas rapieren oder es so belassen wollen muss sich noch herausstellen. Sie leben wohl in Amerika und sind daher schwer zu erreichen.
Im Fall des Sarges mit dem Frauenkopf verhält es sich anders. Dieser beinhaltet die menschlichen Überreste einer 1783 verstorbenen Gattin eines Komponisten. Nach Auskunft der Verwaltung gibt es keine Verwanten mehr. Man hatte den vorher optisch ansprechenden Sarkophag stehen lassen, so etwas macht sich immer gut bei Touristen oder im Reiseführer. Doch nun wird er wohl entfernt. Auf Halliway's Frage was denn dann mit den Knochen passiert, antwortet man ihm, die werden eingeäschert und anonym auf einer Wiese bestattet.
Ich schlucke. Kein schönes Ende für die Gute.
Kein bißchen schlauer, aber mit vielen neuen Fragen und zwei menschlichen Köpfen im Schlepptau verließen wir am frühen Nachmittag den Kensal Green Cemetery.

 

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Kapitel 46

 

Charlotte

 

"Willkommen zurück, Miss Spencer!" rufen die Kinder geschlossen im Chor.
Gerührt lasse ich den Blick über 'meine' Klasse schweifen.
"Vielen lieben Dank, Kinder!" rufe ich zur Antwort. "Habt ihr mich vermisst?"
Mit einer Handbewegung bedeute ich ihnen sich zu setzen.
"Na ja, wir hatten Vertretung mit Mister Brown. Also, ja, wir haben Sie vermisst." erklärt Neil mit wissendem Blick.
Ich lächle entschuldigend.
Mister Brown ist Geschichtslehrer. Und wie sein Fach bisweilen trocken sein kann, ist er es auch. Aber nicht nur ab und zu, sondern ständig. Sicherlich waren die letzten Wochen für die Kinder nicht gerade aufregend.
"Oh, dass tut mir leid!" bekunde ich mein Mitgefühl. "Dann wollen wir das mal schnell ändern!"
Ich erkläre den gespannt lauschenden Kindern wie ich mit ihnen meine Rückkehr an meinem Arbeitsplatz feiern wolle. Ein aufgeregtes Raunen erfüllt den Raum als ich geendet habe. Einige springen sofort auf um zur Tür zu laufen. Stuhlbeine schrabben laut über das Parkett. Lachend ermahne ich die Kinder etwas ruhiger zu sein, da in den übrigen Räumen der Unterricht im vollen Gange sei und gesittet hinaus in den Flur zu gehen um sich in der Garderobe ihre Mäntel anzuziehen.
Bei Max oder Tom wäre mein Vorschlag, hätte ich Ihnen diesen unterbreitet gar nicht gut angekommen, doch die Kinder sind begeistert. Gemeinsam nehmen wir anschließend Kurs auf den winzigen Weihnachtsmarkt in unmittelbarer Nähe der Schule. Genau in dieser Woche fand einer in der Elizabeth Street statt.
Inmitten weihnachtlich geschmückter Buden und einem herrlichen Duft nach gebrannten Mandeln und Zuckerwatte liegt sie vor uns, die Eislaufbahn. Eine weiße hüfthohe Bretterwand umzäunt die Eisfläche. Verheißungsvoll glitzernd liegt dahinter das von Rillen durchzogen Eis und verspricht wunderbare Freuden. Trotz der frühen Stunde tummeln sich bereits vereinzelte Pärchen auf dem Eis. Als sie sehen, dass ich mit einer Horde Kindern anrücke nehmen sie von selbst Reiß aus um woanders weiter zu turteln. Die Idee ist gar nicht schlecht! Ich nehme mir vor am kommenden Wochenende mit Tom Eislaufen zu gehen. Na der wird sich freuen.
Während ich mich beim Schlittschuhverleih um die Schuhe für die Kinder und mich kümmere gehen sie auf Erkundungstour in der unmittelbaren Nähe.
"Bleibt bitte in der Nähe, Kinder!" rufe ich ihnen nach und wende mich gleich wieder um, da mir ein Kind am Mantelärmel zupft. "Was ist denn, Neil?" frage ich.
"Diese Schlittschuhe passen nicht, Miss Spencer." jammert er und hält zwei weiße, an den Schnürsenkeln zusammengebundene Schlittschuhe in die Höhe.
"Kein Problem." beschwichtige ich mit einem freundlichen Lächeln. "Dann tauschen wir sie um. Weißt du welche Größe du brauchst?"
Er schüttelt den Kopf und zieht laut die Nase hoch.
Ich bücke mich herunter und hebe seinen rechten Fuß etwas an. "Dachte ich es mir doch. Größe 33. Kein Wunder, dass dir diese Schlittschuhe nicht passen. Die sind ja viel zu klein. Was du brauchst, sind Schlittschuhe für mutige kleine Eispiraten." lache ich.
"Sie irren sich, Miss. Ich bin zwar ein mutiger Pirat, aber nicht klein." echauffiert er sich.
Lächelnd wuschel ich mit einer Hand über seine dunkelblaue Bommelmütze. "Da hast du vollkommen recht! Wie konnte ich das nur übersehen."
Heftig nickend wendet er sich ab und geht zu seinen Freunden hinüber. Sicherlich um mit ihnen ihre Schuhgrößen zu vergleichen. Ich sehe mich nach den Kindern die sich in Richtung Buden verzogen haben um. Sie stehen noch immer davor und begutachten die bunt bemalten Holzfiguren. 'Deutsche Handarbeit' steht auf einem Schild unter dem Dach der Bude. Einige meiner Schüler haben mittlerweile ihre Schuhe gegen passende Schlittschuhe getauscht und straksen vorsichtig auf die Bande zu. Da ich mich nicht zerreißen kann eile ich rasch hinüber zu den abtrünnigen um sie zurück zu holen. Die Augen nur auf die Kinder gerichtet achte ich nicht auf umherstehende Personen. Da prallt mit einem Mal ein Mann in einer dunkelblauen Daunenjacke gegen mich. Der Aufprall ist derart heftig, dass ich ins Straucheln gerate und Probleme habe nicht Bekanntschaft mit dem Asphalt zu machen. Erschrocken japse ich auf als mir der Hauch einer Erinnerung durch den Kopf fährt. Der Mann, sollte er ebenso überrascht sein, lässt sich nichts anmerken und brummt nur etwas, was sich wie "Pass auf, Mädchen!" anhört. Da er keine Anstalten macht sich zu entschuldigen, sehe ich nicht ein den Anfang zu machen. Mit in die Hüfte gestützten Händen und trotzig vorgeschobenen Kinn baue ich mich vor ihm auf. Unsere Blicke treffen sich und als mich sein Blick trifft kriecht mir ein kalter Schauder das Rückgrat hinauf. Diese Augen, blau und eiskalt scheinen mich mit ihrem Blick erdolchen zu wollen.
Etwas aus dem Konzept gebracht stammle ich "Sie hätten s - sich w - wenigstens entschuldigen können, Sir."
Der Fremde Rüpel schnaubt nur verächtlich und zischt kaum hörbar, aber doch laut genug um mir einen erneuten Schauder einzubringen "Pass du lieber auf dich und deine Lieben auf!"
Was konnte er damit meinen?
"W - was?"
Doch statt einer Antwort dreht er sich etwas zur Seite und schiebt sich an mir vorbei Richtung Eislaufbahn.
Verwirrt und auch wenn ich es mir nicht gern eingestehe etwas verängstigt blicke ich seinem breiten Rücken hinterher wie er in der Menschenmasse eintaucht und verschwindet.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee diesen Alleingang zu wagen. Ich habe die Kinder in Gefahr gebracht. Wenn ihnen etwas zustößt würde ich mir das nie verzeihen. Ehe mein Hirn etwas dagegen tun kann, hat sich meine Hand schon verselbstständigt.
Mit zitternden Fingern halte ich mir mein eiskaltes Smartphone an das linke Ohr.

 

Max

 

"Was hast du?" frage ich fassungslos.
Ja spinnt sie total?
"Wo bist du?"
"I - ich b - bin in der Elizabeth Street." stammelt Charlotte. Sie scheint ja wirklich stark verängstigt zu sein. Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich jetzt sage 'Selbst schuld!'?
"O-k-a-y." erwidere ich gedehnt. "Und wo ist der Mann?"
"Weg."
"Weg?"
"Ja." kreischt sie mir ins Ohr. "Max ... es tut mir ja leid ..."
"Was? Das du mich belogen hast oder das du die Kinder und dich in Gefahr gebracht hast?" stichele ich.
Charlotte schnieft.
Weint sie?
"Entschuldige ..." beginne ich schon etwas sanfter. "... ich wollte dich nicht anmeckern." entschuldige ich mich. "Aber ... , dass das keine Glanzleistung von dir war, ist dir klar oder?"
Sie schweigt. Vielleicht nickt sie ja gerade.
Ich nehme mir einen kurzen Moment zum überlegen. Wen könnte ich zu ihrem Schutz abstellen? Joyce und Michael waren mit der Beschattung von Spencer Senior beschäftigt und ich habe mit meinem neuen Klienten alle Hände voll zu tun. Andauernd ändert Mrs. Ich-bin-die-schönste-Frau-der-Welt ihre Meinung. Im einen Moment möchte sie in einer Ausstellung, dann steht ihr der Sinn doch eher nach einem ausgedehnten Spa Aufenthalt. Nachher gedenkt Madame noch auf eine Geburtstagsfeier zu gehen. Bereits seit zwei Stunden sitze ich mir nun schon den Hintern in meinem Wagen platt und warte auf sie.
"Charlotte, ich kann hier leider jetzt nicht weg." sage ich, weil ich ja irgendwas sagen muss.
"Hm."
"Kann Cray nicht ...?"
"Nein. Der hat Dienst." unterbricht sie mich leise. "Dann werde ich eben mit den Kindern zurück gehen ..." fährt sie zögernd fort.
"Ja, das wird das beste sein. Auf dem Schulgelände seit ihr wenigstens sicher." denke ich.
"... Sie werden jedoch ziemlich enttäuscht sein. Besonders Charlotte ..."
Und da hatte sie mich.
Seufzend fahre ich nir mit der Hand durch das Haar. "Ach mensch, Charlotte." jammere ich. "Was soll ich denn machen? Aber gut ..."
"Ja?" Sie klingt hoffnungsvoll.
"Ich kümmere mich darum. Lauft nur weiter! Es ist gleich jemand da."
"Oh wirklich?" freut sich sich. Ihre Stimme klingt mit einem Mal wie ausgewechselt. Strahlend und fröhlich.
"Ja, wirklich. Du musst dir keine Sorgen mehr machen."
"Danke, Max. Tausend Dank!" freut sich sich. Hätte sie jetzt vor mir gestanden wäre sie mir sicherlich um den Hals gefallen.
"Ja ja, schon gut." brumme ich abwesend. In Gedanken ging ich bereits meine Kontakte durch. Es musste doch einen Personenschützer geben der für einen gewissen Obolus schnell einspringen könnte.
"Du bist ein Schatz!" verkündete sie und verabschiedet sich.
Kaum dass das Gespräch beendet ist scrolle ich durch mein Telefonbuch im Smartphone. Smiths? Nein, der hält sich zur Zeit in Ägypten auf. Bauers? Was macht der eigentlich? Ich hab ihn ewig nicht gesehen. Rasch wähle ich seine Nummer. Es klingelt und als abgenommen wird verkündet mir nach der Begrüßung eine weibliche Stimme, seine Frau, dass es den Personenschützer Michael Bauers nicht mehr gibt. Er hätte das Privileg gehabt sie zu heiraten, aber nur wenn er verspricht mit seinem lebensgefährlichen Job Schluss zu machen. Da er verheiratet ist, gehe ich davon aus, dass er nicht mehr zur Verfügung steht. Ich gratuliere nachträglich, wünsche alles Gute und lege auf.
Also weiter.
Goldstein? Der arbeitet jetzt zwar nur noch sekundär im Bereich des Personenschutz, aber Ausbildung ist Ausbildung. Ja, der wäre perfekt. Verbissen und aufmerksam wie ein Terrier. In meinem Verzeichnis steht nur seine Büronummer.
Nach dem zweiten Klingeln wird abgenommen.
"Detektei Goldstein." meldet eine junge weibliche Stimme. "Bernstein am Apparat. Wie können wir Ihnen helfen?"
Bernstein und Goldstein. Wie passend.
"Guten Tag. Steel mein Name." beginne ich.
"Max Steel? Von Steel Securities?" fragt Miss Bernstein sofort.
"Ähm ... ja." stammle ich überrumpelt.
"Das ist ja ein Ding." ruft sie erfreut. "Das Sie mal hier anrufen ..."
Was sie dachte was passiert wenn ich mal bei Goldstein anrufe lässt sie offen. "Wie können wir Ihnen behilflich sein, Sir?" fragt sie stattdessen. Wahrscheinlich war sie sich soeben ihrer Stellung bewusst geworden. Dieses Jungmädchen-Fan Getue passt nicht so ganz zu einer seriösen Detektei.
"Ich benötige die Dienste von Mister Goldstein." erkläre ich unnötigerweise. Denn warum sonst sollte man bei einer solchen Firma anrufen?
Ein leises Quieken war zu hören. "Selbstverständlich." riss sie sich wieder zusammen. "Wann, Sir?"
"Sofort."
Miss Bernstein hüstelt. "Nun ja ... das ist ... sehr kurzfristig."
"Das weiß ich, Miss. Es ist normalerweise auch nicht meine Art ..."
"Das weiß ich.", unterbrach sie mich, "Ein Mann wie Sie hat normalerweise auch keine Hilfe nötig.", schmeichelt sie mir.
Wenn sie wüsste.
"Da muss ich Ihnen widersprechen, Miss. Ich bin nichts ohne mein Team. Doch nun verhält es sich leider so, dass mein Team voll ausgelastet ist und ich soeben einen wirklich dringenden Fall herein bekommen habe."
"Nun ja ... ich weiß nicht ob Mister Goldstein ..."
"Mir ist bewusst das er sehr beschäftigt ist." Ich betonte das beschäftigt um ihr zu schmeicheln.
Es verfehlte seine Wirkung nicht. Sie hüstelte erneut. "Na ja ..." begann sie zögernd. "Eigentlich wollte Mister Goldstein nicht gestört werden ..."
Ich warte schweigend ab.
"Na gut. Sie haben mich überredet.", lacht sie künstlich.
Ich hatte nichts dergleichen getan. Dennoch schweige ich weiter.
"Einen Moment bitte, ich will mal sehen ob er Zeit für Sie hat.", flötet sie galant.
"Das ist sehr freundlich. Vielen Dank, Miss Bernstein!", gebe ich ebenso freundlich zurück.
Ich schöpfe frischen Mut während ich warte das mein Berufskollege an den Apparat kommt.
"Steel, ...", meldet sich plötzlich eine heisere männliche Stimme die ich einwandfrei meinem alten Kollegen und Kameraden zuordnen kann. "Womit habe ich diese Ehre verdient?"
"Goldstein. Wunderbar dich zu hören!" beginne ich freundlich. "Wie geht's denn so? Was macht Marie?"
Mein Gegenüber schnaubt verächtlich. "Ach die. Sicherlich lässt sie sich gerade auf einer karibischen Insel von meinem sauer verdienten Geld den Bauch braun brennen."
"Oh." entfährt es mir.
"Ach schon gut. Ich bin eigentlich recht froh dieses Flittchen los zu sein." lacht Goldstein. "Mein Bernstein sagt du hast einen Auftrag für mich? Einen der lieber gestern als morgen erledigt werden sollte."
Ich nicke und muss bei seiner Beschreibung seiner Sekretärin lächeln. "Ja. Mein Team und ich sind zur Zeit voll ausgelastet. Aber gerade kam noch etwas dringendes rein." beginne ich ihm mein Problem zu schildern.
"Bin ganz ohr." meint er.
"Meine Freundin ..."
"Freundin ... so so." lacht Goldstein.
Ich fahre mir mit der Hand durch das Haar. "Ähm ja. Charlotte ... meine Freundin also ist gerade mit ihrer Schulklasse beim Schlittschuhlaufen."
"Hm."
"Ich muss dazu sagen, dass Charlotte in letzter Zeit Opfer einer Entführung, einer Autobombe und mehrerer Schicksalsschläge ist."
"Oh ha. Und da geht sie leichtsinnig in die Öffentlichkeit? Und nimmt auch noch Kinder mit." echauffiert er sich nicht ganz unbegründet wie ich finde. "Ist sie lebensmüde?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Nur übermäßig gutherzig." gebe ich genervt zurück. "Ich bin auch nicht gerade begeistert, dass kann ich dir sagen. Aber was will man machen? Sie hat eben ihren eigenen Kopf. Typisch Frau!" urteile ich mit einem gespielten Lachen.
"Wem sagst du das." stimmt mein alter Freund in mein Lachen ein. "Mein Bernstein ist genau so. Immer mit dem Kopf voran. Mutig und wild wie eine Raubkatze."
So langsam verhärtete sich bei mir der Verdacht, dass Bernstein und Goldstein mehr als nur Kollegen waren.
"Aber Spaß beiseite. Ich weiß nicht recht wie ich dir helfen kann? Ich bin Detektiv, kein Personenschützer."
"Du bist genau der Mann den ich brauche! Du hast ein geschultes Auge, eine hervorragende Ausbildung, ...", zähle ich auf. Doch Goldstein unterbricht, "Ja, ja. Du kannst aufhören mir zu schmeicheln. Sonst werde ich mich eingebildet.", lacht er.
"Okay.", lache ich.
Goldstein fährt munter fort, "Normalerweise sind wir sehr beschäftigt, aber du hast Glück, gerade steht nichts dringendes an. Was soll ich für dich tun?" fragt er wieder ernster.
Ich räuspere mich und erkläre was ich mir vorstelle. Als ich geendet habe meint Jim. "Okay. Die Eislaufbahn in der Elizabeth Street sagtest du?"
"Genau."
"Wir fahren hin und werden auf deine beiden Charlottes aufpassen. Wir werden sie nicht aus den Augen lassen bis alle Kinder und deine Freundin sicher abgeholt wurden beziehungsweise zu Hause angekommen sind." versprach mein Kollege.
Erleichtert atme ich aus. "Ich danke dir! Euch." beeile ich mich richtig zu stellen, denn scheinbar sind Gold, und Bernstein ein Team.
"Kein Problem, Kumpel. Und ich danke dir schonmal für die Begleichung meiner Rechnung!" lacht er.
Mir verschlägt er kurz die Sprache, doch gleich darauf habe ich sie wiedergefunden und erwidere. "Das ist doch selbstverständlich. Kein Problem. Ich verlass mich auf euch."
"Bei uns ist Ihr Leben in den besten Händen." scherzt er und verabschiedet sich.
Erleichtert lehne ich meinen Kopf an die Kopfstütze und schließe die Augen.

 

Tom

 

Noch immer geht mir das Gespräch mit Veronica gestern Abend nicht aus dem Kopf. Aufschlussreich war es und erschütternd zugleich. In der Familie Spencer tun sich Abgründe auf. Ich kenne James und Veronica nun schon so viele Jahre. Niemals hätte ich gedacht, dass ihre Ehe reine Fassade war. All die öffentlich bei den Familienfesten ausgetauschten Zärtlichkeiten, die Urlaube der Familie Spencer - alles nur gespielt. Stets galt es nach außen hin den Schein zu wahren.
Und die Kinder - ahnungslos. Oder hatten sie etwas geahnt, sich aber nur nie etwas anmerken lassen? Ich nahm mir vor Charlotte danach zu befragen. Rein Interessehalber.
"Aber war das nicht äußerst anstrengend?" wollte ich von Charlottes Mutter wissen. "All die Jahre die treue und liebende Ehefrau spielen. Gute Miene zum bösen Spiel machen."
Veronica zuckte die Schultern. "Ach weißt du, Tommy. Das klingt jetzt vielleicht abgedroschen, aber ich habe mich daran gewöhnt. Nach Ben's Tod war es einfach. Mit ihm ist auch in mir etwas gestorben." meinte sie.
Ich habe sie wohl mit großen Augen angesehen, denn sie erklärte. "Er war meine große Liebe. Schon immer gab es nur ihn. James akzeptiere ihn als Nebenbuhler. Guck nicht so skeptisch!" Seufzte sie.
"Entschuldige, aber als Mann kann ich ein solches Verhalten überhaupt nicht verstehen." erklärte ich ihr vorsichtig.
"Das kann ich mir denken. Du bist aufbrausend. Besitzergreifend. ..."
Ich wollte mich schon verteidigen als sie fortfuhr. "Aber du hast ein gutes Herz und wenn du jemanden liebst, dann tust du das voll und ganz und aufrichtig."
Ich nicke. Selbst jetzt noch, obwohl ich mir ihre Worte nur revue passieren lasse.
"James ist ein ganz anderer Mensch. Für ihn zählt nur das Äußere. Prestigé. Verstehst du?"
Ich sagte das ich ihr folgen könne.
"Gefühle sind ihm völlig fremd. Obwohl ..." Bei diesen Worten sah sie plötzlich durch mich hindurch. "... Zorn und Wut kennt er wohl doch. Und Rache." murmelte sie kaum hörbar.
Da konnte ich ihr nur zustimmen. Doch ich ließ sie erzählen.
"Irgendwann, es war kurz Aiden's Geburt sagte er zu mir, dass er genau wüsste was ich getan hätte. Aber weil sein Vater gerade dabei war ihn in die Bankgeschäfte einzuarbeiten und ihm das Bankhaus zu überschreiben, meinte er müsse unbedingt der Schein gewahrt bleiben. Er würde mitspielen und nichts unternehmen ..."
"Unternehmen?"
Veronica zuckte die Schultern und sah mich mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an. "Er meinte, wenn so etwas nie wieder vor käme könne er darüber hinweg sehen."
Ich schnaubte.
"Ja. Er sprach stets von seinem Kind nur als würde über einen Fehlkauf im Autohaus reden. Mir machte das nicht viel aus, denn ich hatte ja noch Benedict. Wir unternehmen viel zu dritt. Er war ein guter Vater für den Jungen."
Ich nickte. "Und James hat es so hingenommen? Auch das ihr noch so viel Zeit zusammen verbracht habt?" hake ich zweifelnd nach. "Schließlich musste doch der Schein gewahrt bleiben. Was wenn man euch gesehen hätte, Veronica?"
Sie zuckte die Schultern. "Wahrscheinlich hat meine Enttäuschung über James und mein Glück mit Ben mich leichtsinnig gemacht? Schließlich war es ja seine eigene Schuld. Hätte er mich besser behandelt, hätte ich mich ja nicht in die Arme eines anderen Mannes geflüchtet." erklärte sie lapidar.
Ich könnte das nicht so einfach hinnehmen. Ich würde toben vor Wut. Aber ich wäre auch nicht so blöd meine Frau zu vergraulen.
"Hm." machte ich nur, weil ich mir kein Urteil über sie erlauben wollte.
"Jedenfalls war dann irgendwann Charlotte da."
"Und James?" wollte ich neugierig wissen.
"Ja er ..." fuhr sie fort und sah auf ihre im Schoß gefalteten Hände. So langsam näherten wir uns dem Showdown. Benedict's Tod.
"James tobte vor Wut. Soviel zum Thema er hat keine Gefühle." Sie wagte ein vorsichtiges Lächeln. "Bei einem Streit damals dachte ich sogar er tut mir oder den Kindern was an."
"Wieso?"
"Na ja, er stiefelte im Wohnzimmer auf und ab ... Ich werde diesen Abend niemals vergessen. ... Vor dem Kamin blieb er stehen. Wie er das Kaminbesteck angesehen hat. Tommy, ich sage dir, ich dachte jetzt läuft er mit dem Schürhaken Amok."
Ich musste bei ihren offenen Worten schlucken. "Aber er tat nichts dergleichen? Er hatte beide Kinder, obwohl sie nicht seine waren schlussendlich doch als seine angenommen oder?"
Sie nickte. "Ja. Aber wieder nur um den Schein zu wahren. Seine Eltern, auf deren Meinung er ja stets große Stücke hält und die Öffentlichkeit - niemand sollte etwas erfahren. Doch hinter den Kulissen ... Er verachtete mich wegen meiner Untreue. Seit damals schlafen wir in getrennten Schlafzimmern. Das ist nicht so abwegig. Viele Paare tun das." erklärte sie.
Mir erscheint das doch sehr ungewöhnlich - aber gut.
"Die Kinder ließ er es spüren, dass sie nicht von ihm waren. Er konnte nie das richtige Maß an Herzlichkeit aufbringen. Aber dafür hatten wir ja Benedict. Er war ganz hingerissen von seiner Tochter. Du glaubst gar nicht was er ihr alles gekauft hat. Kleider in Größen in denen sie erst in einigen Jahren hineinwachsen würde. Aber er kaufte sie, weil er sie so niedlich und passend für seine Prinzessin fand." Veronica lächelte bei diesen Worten.
"Wie verhielt sich James?"
Sie überlegte einen Moment. "Ich habe viel darüber nachgedacht. James veränderte sich. Er wurde noch abweisender, verschwiegener, verschlossener. Von einem Tag auf den nächsten begann er nachts auszugehen. Er ging und kam erst am nächsten Abend wieder heim."
"Wo war er dann?"
Sie zuckte die Schultern. "Ich weiß es nicht. Irgendwann dachte ich vielleicht hat er sich jetzt auch eine Affäre zugelegt. Ich hoffte es sogar. So wären wir alle glücklich."
Insgeheim stimmte ich ihr zu. Aber vielleicht begann er auch nur damals schon mit seinen kriminellen Machenschaften?
"Jedenfalls erfuhr ich es nie. Ich hütete mich aber auch davor ihn nach seinem Fernbleiben zu befragen. Schließlich hatte auch ich meine Geheimnisse." erklärte ich ergeben.
"Eines Tages dann, die Kinder und ich machten uns gerade ausgehfertig. Wir hatten uns für den Tag mit Benedict im Zoo verabredete, als das Telefon klingelte und Carol anrief." fuhr sie fort.
In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Nun würde sie zu der Ermordung kommen.
"Sie erzählte mir, dass Ben am Morgen in seinem Wagen erschossen wurde. Für mich brach eine Welt zusammen. Aiden verstand die Welt nicht mehr. Er konnte nicht begreifen warum Mommy mitten auf dem Wohnzimmerboden zusammengebrochen war. Ich weiß es noch als wäre es gestern gewesen. Sein ängstlich, verzweifelter Gesichtsausdruck. Mit einem mal schien er begriffen zu haben, dass etwas schlimmes passiert war. Er nahm seine kleine Schwester bei der Hand und führte sie hinauf in ihr Zimmer. Kurz darauf kam er zurück und rief den Notruf an."
"Wirklich?" fragte ich erstaunt. "Wie alt war er da? Sieben?"
Veronica nickte und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. "Ja. Er war schon so ein großer Junge. Ganz souverän erklärte er am Telefon was mit seiner Mutter geschehen war. Dann half er mir auf das Sofa und beschäftigte sich bis zum eintreffen des Rettungswagens mit Charlotte."
"Wirklich ... fantastisch!" urteilte ich fasziniert.
"Oh ja, das war er. Mein großer Junge. Das hat er von Ben. Dieses durchdachte und geradlinige." erwiderte sie nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme.
"Wo war James?"
"Ach der war mal wieder verschwunden. Den ganzen Tag. Der Arzt wollte mich mit in ein Krankenhaus nehmen, doch ich weigerte mich. Was sollte denn dann aus den Kindern werden?"
"Hätte Carol nicht aufpassen können?" fragte ich.
"Nein." lachte sie. "Die lebte doch damals noch in Manchester."
"Ach so." betrübt sah ich auf meine Hände.
"Der Arzt verabreichte mir schließlich eine Beruhigungsspritze und bat Nachbarn ein Auge auf die Kinder zu haben."
Ich nickte. Im Grunde interessierte es mich nur sekundär wo damals die Kinder untergebracht waren. Was mich interessierte war, ob sie damals schon den Verdacht hatte, James könne etwas mit dem Mord zu tun haben. Genau dies fragte ich nun auch.
"Na ja. Er hätte ja allen Grund gehabt ..." gab sie zögernd zurück.
"Moment mal. Für Mord gibt es nie einen Grund." widersprach ich wehement.
"Da hast du Recht, Junge." stimmte sie mir rasch zu. "Natürlich nicht. Natürlich." murmelte sie abwesend.
"Veronica, gab es damals vielleicht irgendwelche Anzeichen das James etwas mit der Ermordung Abernathy's zu tun gehabt haben könne?" wollte ich wissen.
Sie überlegte. "Wie gesagt ... " begann sie schließlich. "... ich habe seit damals oft darüber nachgedacht. Tatsächlich hat er sich nie etwas anmerken lassen."
"Gar nichts?" hake ich eindringlich nach. "Versuche dich zu erinnern!"
Sie tat es. Schließlich schüttelte sie den Kopf so das sich einige ihrer blonden Strähnen aus ihrer Frisur lösten. "Wirklich nicht, Tommy. Er kam einen Tag später heim als wäre nichts geschehen. Er wunderte sich warum ich so traurig bin. Als Aiden ihm erklärte, dass jemand den Mommy sehr gern hatte gestorben sei, meinte er nur 'Ach so. Ja, dass ist schlimm. Aber so ist das Leben. Merke dir eins, mein Junge.'meinte er zu dem Kind. 'Das Leben ist immer lebensgefährlich.' Stell dir das mal vor! Damit speiste er seinen Sohn ab."
"Furchtbar!" stimmte ich ihr zu, dachte aber bei mir, den Spruch musste ich mir merken.
"Aiden, der von seinem Vater nichts anderes erwartet zu haben scheint, nahm es locker hin und ließ ihn in Ruhe. Das war es auch was James mit mir tat. Er ging sogar so weit, dass er verreiste."
"Was?" hake ich neugierig geworden nach.
"Ja. Zwei Wochen verschwand er. Karibik vielleicht? Er packte schweigend seine Sachen, bestellte sich ein Taxi und verabschiedete sich mit einem Kuss auf der Stirn zumindest von mir."
Ich muss wohl ziemlich bedröppelt geschaut haben, denn Veronica lachte und meinte nur, sie sei ja nichts anderes gewohnt gewesen und es hätte sie nicht weiter gestört. So hatte sie zumindest Zeit und Ruhe um zu trauern. Und sie konnten ungestört und ohne sich eine Ausrede ausdenken zu müssen der Beerdigung beiwohnen. Die Kinder waren anwesend. Sogar Charlotte. Doch sie musste dieses Erlebnis später verdrängt haben, denn sie hatte nie davon gesprochen.
"Aber hattest du denn einen Verdacht, dass James in den Mordanschlag verwickelt war? Das er in irgendeiner weise dahinter stecken könnte?" wollte ich noch wissen.
"Vorstellen konnte ich es mir. Wo er auch so kalt auf die Nachricht reagiert hatte. Und sicherlich hatte er davon in der Zeitung gelesen oder so?"
Ich nickte zustimmend.
"Ging das danach so weiter, dass er für einige Tage einfach so verschwunden ist?"
"Ja. Er tat es sogar noch öfter."
Wenn die Ehe dermaßen den Bach herunter gegangen ist, wunderte es mich doch sehr wie da noch Emely entstehen hat können.
Sie schien meine Gedanken erraten zu haben, denn sie meinte mit einem Mal. "Eines Abends hatten wir einen Streit. Es war Weihnachten und wir waren allein. James hatte es nicht für nötig gehalten mit uns zu feiern. Aus mir sprach die Enttäuschung als ich ihn nachdem er am 26. Dezember Abends nach Hause kam wütend zur Rede stellte. Er regte sich schrecklich auf. Schrie herum und tobte und wieder hatte ich Angst das er Amok laufen könnte."
Aufmerksam lauschte ich ihren Schilderungen der damaligen Erlebnisse.
"Doch statt nach dem Schürhaken griff er nach mir. Ich versuchte auszuweichen, dabei erwischte er nur mein Haar und zerrte mich hinüber zu dem Sofa. ..."
Sie brauchte gar nicht weiter zu sprechen. Ich wusste auch so was dann geschehen war. Auch ihr schien die Erinnerung die Kehle zuzuschnüren. Schnell brachte ich ihr ein Glas Wasser. Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, meinte sie kurz und knapp. "Jedenfalls war knappe neun Monate darauf Emely da."
"Und wie ... wie reagierte James auf sie?" fragte ich vorsichtig und leise.
"Oh ... ganz anders. Er liebte sie. Abgöttisch sogar. Es gab nichts was Emely nicht bekam. Jeden Wunsch erfüllte er ihr. Was zur Folge hatte, dass sie immer verwöhnter wurde und sich ihre Geschwister gegen sie abkapselten. Sie bildeten zwei Parteien. Und für mich war es besonders schwer, denn ich liebte ja jedes meiner Kinder gleich viel." Sie seufzte.
"Verstehe. Natürlich." murmelte ich.
"Entschuldige bitte die persönliche Frage, Veronica! Mir steht es eigentlich nicht zu. ..." druckste ich herum.
"Was denn? Nur raus damit!" Aufmunternd sah sie mich an.
"Warum hast du das all die Jahre mitgemacht? Warum bist du nicht gegangen? Nach Charlotte."
Sie seufzte und überlegte einen Moment. "Wie soll ich dir das nur erklären?"
Ich wusste es auch nicht, also wartete ich einfach schweigend ab was sie mir erzählen würde.
Nach einiger Zeit meinte sie. "Im Grunde ist es wie bei euch dreien."
"Bei uns?" fragte ich erstaunt.
"Ja. Bei Charlotte, Max Steel und dir, Tommy." erklärte sie lächelnd. "Mir ging es damals in etwa so wie Charlotte heute. Ich konnte mich anfangs nicht entscheiden. James mag ein Tyrann sein, ein Ekel, aber er hat auch irgendwas. Ich war mir lange uneins. Konnte mich nicht entscheiden ... und irgendwann ... war es einfach zu spät zu gehen. Erst recht nach Ben's Tod. Wo sollte ich hin? Mittellos mit zwei kleinen Kindern?" gestand sie mir und eine Träne kullerte ihre Wange herab.
Ich brauchte einen Moment um das zu verarbeiten. So richtig konnte ich sie nicht verstehen. Es war mir unverständlich wie ein Mensch sich über einen solch großen Zeitraum einer solchen Qual aussetzen konnte. Hatte sie denn nie an ihre Kinder gedacht. "Aber du hättest ihn doch verlassen können. Sicher hätte es Leute gegeben die dir oder euch geholfen hätten." überlegte ich laut.
"Ja sicherlich. Aber mir fehlte der Mut." gab sie zerknirscht zu. "Und als Emely dann da war, war an eine Trennung gar nicht mehr zu denken. Er hätte mich niemals gehen lassen. Das hat er auch oft genug betont."
"Hat er das?"
Sie nickt.
"Hm."
Ich fand immer noch das es Mittel und Wege gegeben hätte. So steigerte sich das Ganze in die Situation die wir ja kennen.
"Und der Rest ist Geschichte." murmle ich leise.
"Das ist richtig." stimmt sie mir zu, steht auf und geht zum Fenster. Lange weilt ihr Blick auf das abendlich leuchtende London.
Irgendwann drehte sie sich um und meinte. "Jedenfalls, kann ich dir nicht mit Bestimmtheit sagen, dass James etwas mit dem Mord damals zu tun hatte. Aber mit den Dingen die in der letzten Zeit geschehen sind ... "
"Ja?"
"... da könnte ich es mir durchaus vorstellen. Ich hab da so ein Bauchgefühl."

 

Kapitel 47

 

Charlotte

 

Wenn Max sein Versprechen wahr gemacht hat und jemand zu unserem Schutz anwesend war, so habe ich es nicht mitbekommen. Obwohl ich mich immer wieder dabei ertappte meinen Blick unauffällig über den Platz schweifen zu lassen. Doch der unfreundlich Kerl in der dunkelblauen Jacke tauchte nicht mehr auf. Sicherlich sehe ich schon Gespenster.
Fröhlich liefen die Kinder und ich Runde um Runde auf dem glitzernden Eis, bis ich zur Mittagszeit der gesamten Klasse Crêpes mit Schokoladensoße spendierte.
Falls mich bis da hin nicht alle Kinder in ihr Herz geschlossen haben, so war es hinterher ganz gewiss der Fall.

Pünktlich zum Schulschluss waren wir zurück im Klassenraum. Unser Verschwinden war scheinbar unbemerkt geblieben. Da der Ausflug von mir spontan ins Leben gerufen wurde, blieb am Morgen keine Zeit bei der Schulleitung eine Genehmigung einzuholen. Ich hoffe einfach mal das die Aktion für mich keine disziplinarischen Nachteile nach sich ziehen wird.
Es läutet zum Unterrichtsende und ich verabschiede mich gut gelaunt von meiner Klasse. "Macht's gut, Kinder. Bis morgen. Da wird dann aber wieder Unterricht gemacht." verkünde ich abschließend.
Sofort regt sich halbherziger Protest. "Och nö!", "Muss das sein?".
Lachend erwidere ich. "Aber sicher doch. Macht euch noch einen schönen Tag!"
Und damit waren sie entlassen.
Kaum dass das letzte Kind gegangen und der Raum leer war griff auch ich nach meiner Tasche und machte mich daran das Gebäude Richtung Parkplatz zu verlassen.
Ein kalter Windstoß fuhr mir unter den Mantel und ließ mich erschaudern als ich über den gekiesten Schulhof schlenderte. Mein offenes Haar wurde verwirbelt und wehte mir ins Gesicht. "Ist das kalt geworden. Von wegen Klimaerwärmung." murmle ich zu mir selbst und schlinge meine Arme um den Oberkörper. In diesem Moment höre ich einen mir wohlbekannten laut röhrenden Motor auf der Straße. Grinsend drehe ich mich um und sehe Tom's orangefarbener Audi am Straßenrand anhalten.
Verwundert gehe ich zu ihm. Hatten wir abgemacht das er mich heute abholt? Wozu war ich denn dann mit dem eigenen Auto zur Schule gefahren?
"Was tust du denn hier?" frage ich durch das heruntergelassene Fenster auf der Fahrerseite.
"Na dich abholen." grinst er. "Steig ein!"
"Aber mein Wagen ..." Ich deute mit dem Daumen hinter mich vage in Richtung Lehrerparkplatz.
"Kann jemand anderes holen." Sein Blick schweift nach vorn durch die Windschutzscheibe. "Im Grunde genommen brauchst du ihn doch in der nächsten Zeit gar nicht, da kann er hier auch sicher stehen bleiben." meint er kurz darauf.
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. Er würde seinen Wagen ganz sicher nicht für unbestimmte Zeit auf einem öffentlichen Parkplatz stehen lassen.
"Aber ..." tue ich noch einen halbherzigen Versuch.
"Steig endlich ein! Wenn's dich beruhigt hole ich ihn später." schlägt er vor und verdreht die Augen.
Grinsend gehe ich von vorn um den Audi herum und steige bei der Beifahrerseite ein. "Ich weiß, du magst mein Auto nicht ..." sage ich während ich die Tür zu ziehe.
"Nee. Ganz sicher nicht." unterbricht er mich. "Ich weiß wirklich nicht, weshalb du solch eine winzige Schüssel fährst."
"... Aber ich mag es." fahre ich fort. "Es ist mein erstes von meinem eigenen Geld finanziertes Auto. Da bin ich stolz drauf." versuche ich es ihm zu erklären.
Doch ich ernte nur ein weiteres Augenrollen.
Tom dreht den Zündschlüssel im Schloss und mit einem Fauchen springt der Motor an. Mit einem Kickstart schert er auf die Fahrbahn aus.
"He, langsam! Wir sind doch nicht auf der Rennstrecke." rufe ich ihn zur Vernunft.
Tom lacht und setzt den Blinker.

Nach einiger Zeit, wir sind schon fast in Hampstead, bemerkt er mit einem erneuten Blick in die Rückspiegel "Wir werden verfolgt."
"Was?" keuche Ich und sehe mich hektisch um. "Ich kann nichts entdecken," urteile ich.
"Natürlich nicht." lacht er gepresst. "Ich aber. Weil ich weiß worauf ich achten muss." erklärt er weiter.
Ich drehe mich um und beobachte die Fahrzeuge hinter uns. Für mich sieht alles normal aus. Der ganz normale Londoner Verkehrswahnsinn. "Welcher ist es denn?" frage ich neugierig.
"Silberner Audi." zischt er und sieht sich um.
Ich versuche den betreffenden Wagen ausfindig zu machen, doch es sind einfach zu viele silberne Autos.
"Das ist ein Profi." brummt Tom. "Er ist gut. Doch nicht gut genug für mich." lacht er und wendet den Wagen mit einer so raschen Wendung als sich die Chance dazu bietet, dass ich mit dem Kopf gegen das Fenster knallte. "Au!" schimpfte ich.
Etwas zu spät kommt seine Warnung. "Festhalten!"
"Ha ha." brumme ich und reibe mir meinen Kopf. " Etwas zu spät."
"Sorry, Süße! Aber die Chance musste ich nutzen. Sonst würden wir gleich im schönsten Berufsverkehrstau feststecken." erklärt er. Sein Blick trifft meinen und er erklärt. "Ich kann nicht riskieren, dass auch du in einem Wagen erschossen wirst."
Das war heftig und deutlich zu viel für mein angeknackstes Selbstvertrauen. "W - Was?" keuche ich entsetzt.
Erschrocken weiten sich seine Augen. "Oh sorry, das wollte ich nicht. ... Ich ... ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es gefährlich ist, wenn man schon verfolgt wird auch noch in einem Stau festzustecken." erklärt er stammelnd und wirft mir immer wieder flehende Blicke zu. Er muss ja schließlich auch noch auf den Verkehr achten als wir jetzt mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Straßen rasen.
" Ist ... ist schon gut. " murmle ich bedröbbelt und sehe auf meine im Schoß gefalteten Hände. Niedergeschlagen bemerke ich, dass sie zittern.
"Entschuldige, Süße! Wirklich. Ich mach's wieder gut." verspricht er und drückt meine Hand.

 

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Ich ziehe die Tür zum Schankraum auf. Das Glas ist von der Kälte beschlagen. Sofort kommt mir eine Woge warmer abgestandener Luft entgegen in der sich die Gerüche von Bier und Schweiß vermischt. Ekelhaft!
Angewidert verziehe ich das Gesicht. Hinter mir schließt sich von selbst die Tür. Kaum das ich ein paar Schritte in den Raum getan habe, drehen sich mir die Köpfe hin. Bilde ich es mir nur ein, oder verstummen sogar einige Gespräche? Ja, jemanden wie mich würde man in solch einem Establishment nicht erwarten. Doch solche Blicke bin ich gewohnt und habe gelernt sie gekonnt zu ignorieren. Ich bin mir meines Auftretens durchaus bewusst.
Suchend sehe ich mich im deffusen Licht des Raumes um. Ganz hinten, in einer dunklen Ecke entdecke ich was ich gesucht habe und gehe zielstrebig darauf zu.
Als er mich bemerkt schnellt der große Kerl von seinem Stuhl hoch. Fehlte nur noch das er salutiert.
"Und?" frage ich ohne mich mit einer Begrüßung aufzuhalten.
Verwirrt sieht er mich an, doch plötzlich breitet sich ein Lächeln auf seinem derben Gesicht aus. "Alles klar, Boss. Ich habe ihr eben gehörigen Schrecken eingejagd." berichtet er mir stolz und nimmt wieder platz.
Ich werfe einen Blick auf den Stuhl neben mir und überlege ob ich es wohl wagen könne mich gefahrlos darauf zu setzen. Wer weiß wer hier schon alles sein Bier verschüttet hat oder gar schlimmeres?
Schlussendlich setze ich mich doch.
"Gut." lobe ich. "Hatte sie Angst?"
"Das will ich meinen." antwortet er stolz.
"Gescbiet ihr recht. Was ist sie auch so blöd und geht sofort wieder zur Arbeit." zische ich mehr zu mir selbst. "Die soll sich nur nicht all zu sicher fühlen."
Zustimmend nickt mein Gegenüber.
"Morgen wird sie ja wieder zu der Schule gehen ..." beginne ich, doch er unterbricht mich. "Ja schon, aber in dem Schulgebäude kann ich nix machen. Ich kann ja schlecht dort hinein spazieren und ihr auf der Toilette auflauern."
"Aber wer sagt denn, dass Sie in das Gebäude müssen?"
"Muss ich nicht?"
Ich schüttle den Kopf über so viel Kreativitätslosigkeit. "Seien Sie doch kreativ! Sie muss doch schließlich auch zu ihrem Arbeitsplatz hinkommen oder fährt doch auch wieder von dort nach Hause." schlage ich mit einem kalten Lächeln vor.
"Außer sie wird wieder aufgeholt und weiterhin bewacht." gibt er träge zurück.
Sofort erlischt das Lächeln. "Wie abgeholt und bewacht?" Ich hatte angenommen, sie würden sich so sicher fühlen und diesen Wachschutz langsam mal aufgeben. Aber da hatte ich mich wohl in diesem Steel getauscht.
Sofort erlange ich meine Selbstsicherheit zurück. "Nun gut. Das ist ein Punkt den wir eben mit einrechnen müssen."
Er nickt.
"Irgendwann wird sie schon mal allein draußen unterwegs sein." überlege ich laut. "Dann heißt es schnell sein und spontan handeln. Sie muss sich dermaßen ängstigen, dass sie wünschte sie wäre nie geboren worden."
Wäre sowieso das beste gewesen.
Der große Mann bekommt große Augen. "Was soll denn das heißen? Soll ich sie etwa... umbringen?"
"Wenn es nicht anders geht." murmle ich und bin mir nicht sicher ob er mich in der Kakephobie des Schankraums überhaupt hat verstehen können. Will ich das wirklich?
Soll sie sterben?
Ich nehme mir einen Augenblick um über dieses Problem nachzudenken und komme zu dem Entschluss, dass sie es für ihre Vergehen durchaus verdient hat zu sterben. "Ja." sage ich daher laut und deutlich.
Erschrocken reißt mein Gegenüber die Augen noch ein wenig mehr auf. "A - Aber d - das kostet extra." sammelt er.
Ich verschränkt die Finger ineinander und lege meine Hände unter mein Kinn. Auffordernd sehe ich ihn über den Tisch hinweg an. "Wieviel?"

 

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"Hey Goldstein." grüße ich nachdem ich das Gespräch angenommen habe. "Ist alles glatt gelaufen?" Mit einem Blick auf meine Armbanduhr überprüfe ich, dass es bereits später Nachmittag ist und Charlotte mittlerweile sicher zu Hause angekommen sein muss.
"Hi Steel. Alles bestens." antwortet er selbstbewusst.
"Freut mich! Gute Arbeit!"
"Danke, dein Lob bedeutet mir viel." Ich überhöre den Sarkasmus in seiner Stimme und frage lieber. "Gab es besondere Vorkommnisse? Schwierigkeiten?"
"Wie man's nimmt."
Hellhörig geworden erstarre ich. "Und was?"
"Na ja, auf dem Weihnachtsmarkt drückte sich tatsächlich ein Kerl auf den deine Beschreibung passt herum. Er lauerte an einer Fressbude und starrte immer wieder auffällig zu deiner Süßen hinüber."
"O-k-a-y. Hat er noch einen Versuch unternommen sich ihr zu nähern?"
"Nein. Und wenn, dann wären wir ja da gewesen." erwidert Goldstein. "Der Kerl folgte ihr und den Kindern sogar bis zur Schule wo sie arbeitet."
"Wirklich? Zu fuß? Was tat er dann?"
"Ja, zu fuß. Na er ging in großem Abstand hinter ihnen und lungerte anschließend neben dem Schultor hinter einem Baum herum." berichtet er.
Ich fahre mir nervös mit der Hand durch das Haar. Wenn ich dran denke wie knapp es heute gewesen war. Ich nehme mir vor, Charlotte nachher anzurufen und sie umzustimmen. Sie musste doch einsehen, dass zur Arbeit gehen für sie im Moment keine so gute Idee ist.
"Dein Liebling ist ganz schön begehrt, was?" fragt Goldstein in meine Gedanken hinein.
"Was?" brumme ich abwesend.
"Na, nicht nur das sie offen bedroht wird wie du sagst, sie wird auch noch von verschiedenen Parteien beobachtet. Wer hat eigentlich alles Interesse an ihr?"
"Von wem wurde sie denn noch beobachtet?" frage ich hellhörig geworden nach.
"So'n Kerl im orangenen Audi TT. Er fuhr vor kaum das sie aus dem Schulgebäude getreten ist."
Erleichtert atme ich aus. "Der ist sauber."
"Okay. Das erklärt weshalb sie zu dem in den Wagen gestiegen ist." lacht er.
"J-a." sage ich gedehnt. "Der Typ ist vom SIS. Er ist ... ein Freund von ihr."
"Ach so. Ist der SIS involviert?" fragt Goldstein verwundert." Sag mal, wer ist deine rothaarige Schönheit? Die Tochter eines Diplomaten?"
"Ähm ... ja ... irgendwie schon und nein, sie ist kein Diplomatentöchterchen." kläre ich ihn auf. Ich seufze. Um seine Neugier zu stillen musste ich ihm wohl oder übel ein paar Brocken hinwerfen. Sonst würde er sich sicherlich selbst auf die Suche begeben. "Sie ist die Tochter eines Londoner Privatbankiers. Ihr Vater ist in eine üble Sache verwickelt. Es geht um Spielschulden und Erpressung. ..."
"Ah verstehe Der Vater hat Schulden gemacht und die Leute versuchen über die Tochter an ihr Geld zu kommen?" unterbricht er mich.
"Die haben es nicht nur versucht. Sie hatten Erfolg. Daher auch die Entführung." murmle ich.
"Oh ha. Und warum ist sie dann noch immer in Gefahr? Du sagst doch sie hatten Erfolg. Der Vater hat gezahlt."
"Ja hat er auch." entgegne ich genervt. "Doch nun haben wir den Verdacht, dass er sein eigenes Ding durchzieht. Warum nicht ein Stück vom Kuchen abzweigen und die Schuld anderen in die Schuhe schieben?" lasse ich ihn an unserem Verdacht teilhaben.
"Oh ha." macht Goldstein erneut. "Der eigene Vater lässt seine Tochter bedrohen? Er fingiert eine weitere Bedrohung um zum Schein weiteres Geld zu erpressen. Als Bankier kommt er da sicher leicht dran."
Aus Goldstein spricht der clevere Detektiv. In nur wenigen Augenblicken erfasst er die Komplexität dieser ganzen Sache.
"Was für ein Arsch!" urteilt er schlussendlich.
"Na ja, bisher sind das nur Verdachtsmomente. Wir haben zwar Indizien ..."
"Kann ich mich dran hängen?" meint mein Kollege plötzlich.
"W - Was?"
"Na kann ich mitmachen? Detektei Goldstein würde gern mithelfen. Das klingt spannend."
"Ähm ... na ja, ich weiß nicht ob es Cray gefallen würde."
"Cray?"
"Der SIS Mann." erkläre ich.
"Und was geht den das an? Schließlich handelt es sich doch um deine Freundin."
"Na ja, um genau zu sein ... ist sie seine Verlobte." gebe ich zerknirscht zu.
"Verlobte? Aber ich dachte ..."
"Das ist eine lange Geschichte und schwierig zu erklären."
"Dann musst du sie mir bei Gelegenheit mal erzählen! Aber es kann doch wirklich nicht schaden wenn vier Augen mehr einen Blick auf die Sache werfen."
Da hatte er auch wieder recht.
"Gut. Ich bin einverstanden. Aber ich muss mit mit Cray absprechen."
"Klar."
"Ich kann auch nicht sagen wie lange wir noch brauchen werden um den Kerl hops zu nehmen. Daher müssen wir über die Bezahlung reden."
"Sag ich ja, wir müssen uns mal auf ein Bierchen treffen und in aller Ruhe reden." Goldstein wirkt sehr zuversichtlich das wir uns einigen können.
Ich bin mir nicht sicher, denn ich weiß, dass sein Honorar dem meinen ähnlich ist. Dennoch antworte ich nach kurzem Zögern. "Ist gut. Wann und wo?"

 

Tom

 

"Deine Mutter hat übrigens ebenfalls den Verdacht, dass dein Vater ... ähm ich meine ..."
"Ich weiß schon was du meinst." unterbricht sie mich und sieht von ihrem Teller auf.
"Ähm ja. Sie kann sich jedenfalls vorstellen, dass James etwas mit dem Mord an Benedict Abernathy zu tun hat." berichte ich ihr von meinem Gespräch mit ihrer Mutter am Abend zuvor. Ich war erst spät nach Hause gekommen, so dass gestern keine Zeit mehr war ihr von dem Gespräch zu erzählen.
"Hat sie das gesagt?" will Charly wissen und sieht mich aufmerksam an.
"Na ja, sie hat da so ein Bauchgefühl." gebe ich zu.
Sie taucht ihre Gabel in die Spaghetti Carbonara, dreht sie und schiebt sich anschließend die gefüllte Gabel in den Mund. Fasziniert beobachte ich sie. Sehe auf ihre vollen Lippen.
"Is' was?" fragt sie mit vollem Mund.
Rasch reiße ich mich von ihrem Anblick los und kümmere mich um meine eigenen Spaghetti.
"Was hat sie noch gesagt?" will sie nach kurzem genussvollen Schweigen wissen. Ihre Hand greift nach dem Glas Weißwein.
"Sie hat mir erzählt wie das damals so war, wie alles so gekommen ist." drukse ich herum. "Auch das Benedict Abernathy euch ein guter Vater war." Vielleicht tröstet sie das ein wenig in dieser aufwühlenden Zeit?
Charly nickt gedankenverloren. "Ich kann mich an nichts mehr erinnern." murmelt sie.
"Na ja, du warst ja auch noch sehr jung."
"Vier als er starb."
Ich nicke stumm. "Hm."
Wir schweigen einen Augenblick.
"Hat sie sonst noch was gesagt was euch weiterhelfen kann James zu überführen?" fragt sie schließlich.
"Na ja, nicht unbedingt. Die Informationen helfen mir eher eure Familie und dich zu verstehen. Aber nicht ein Verbrechen aufzuklären." gebe ich leise zu.
"Wie meinst du das?" Ihr Blick trifft mich.
Unangenehm berührt schlucke ich den Kloß in meinem Hals herunter. "Ich kann dich jetzt besser verstehen. Das du keinen richtigen Draht zu deinem V ... zu James hast aufbauen können. Dein Verhalten in der Jugend. Und warum du bist wie du bist."
"Wie darf ich das verstehen?" hakt sie mit gefurchter Stirn nach.
"Du scheinst diesem Abernathy sehr ähnlich zu sein. Deine Freundlichkeit, deine offene Art und Weise, deine Fähigkeit mit Menschen umzugehen." versuche ich mich zu erklären. "Er war wohl auch so. Als Anwalt wohl einsame Spitze."
Sie nickt. Ihr Blick geht abwesend ins Leere.
"Veronica erzählte mir auch von dem Tag als es passierte."
"Es?" murmelt sie ohne mich anzusehen.
"Als Benedict Abernathy ermordet wurde. Deine Tante teilte es deiner Mutter am Telefon mit. Sie hatte mit euch auf ihn gewartet. Ihr wolltet wohl in den Zoo. Als sie es erfuhr brach für sie wohl eine Welt zusammen. Und nicht nur das ..."
"Was?"
"Na sie selbst brach auch zusammen. Aiden hat sich ganz fabelhaft um euch gekümmert. Er war damals schon weiter als andere in seinem Alter. Er rief einen Notarzt für eure Mutter und lenkte dich von ihrem Kummer ab."
"Wirklich?" Ein erfuhrchtsvolles Glänzen hatte ihre Augen erfasst. "Das hat er getan? Ich kann mich nicht erinnern."
"Ihr wart sogar bei der Beerdigung dabei." fahre ich fort.
"Auch daran erinnere ich mich nicht. Ich war, meines wissens noch nie bei einer Beerdigung." murmelt sie verwundert.
Ich zucke mit den Schultern. "Du wirst es verdrängt haben." mutmaße ich.
"Wahrscheinlich. Das Unterbewusstsein ist faszinierend."
"Hm." brumme ich weil ich nicht recht weiß was ich dazu sagen soll.
"Was hat James getan? Wo war er?"
"Der ... der kam einen Tag später nach Hause und bemerkte, als Aiden ihm erklärte was vorgefallen war lapidar, dass das Leben immer lebensgefährlich sei." berichte ich.
"Erich Kästner." murmelt sie fast tonlos.
"Was ist?"
"Das hat Erich Kästner gesagt." erklärt sie abwesend. "Er hat wirklich nichts weiter dazu gesagt?"
"Ich glaube mich zu erinnern, dass Kästner vieles zu sagen gehabt hat." versuche ich mit einem Scherz die Stimmung zu retten.
Charlotte rollt mit den Augen. "Nicht Kästner. James. Wo war er denn? Du sagtest, er kam erst am nächsten Tag nach Hause. War er auf Geschäftsreise oder was?"
Ich kann mir ein ungläubiges Schnauben nicht verdrücken. "Geschäftsreise? Nee, der hatte es sich damals schon zur Gewohnheit gemacht einfach so tagelang zu verschwinden. Veronica wusste nie wo er war, mit wem er da war und wann er wieder kommt." setzte ich sie ins Bild.
"Arme Mom." urteilt sie.
"Na ja, sie hätte ja gehen können." urteile ich stattdessen in Gedanken.
"Aber wie reagierte James auf die Nachricht das sein Kontrahent gestorben war?" fragt sie neugierig.
"Da sprichst du genau den Punkt an den Veronica ebenfalls stutzig werden lies." beginne ich.
Aufmerksam stützt Charly ihr Kinn in die Hände und sieht mich über den Esstisch hinweg an. "Wirklich?"
Ich nicke. "Ja, sein Verhalten, er war wohl recht abgeklärt gab ihr Anlass zu glauben, er könne etwas mit dem Mord zu tun haben. Von diesem Tag an verhielt er sich auch anders ihr gegenüber. Nicht viel. Nur ein Hauch. Irgendwas hatte sich verändert, sagt deine Mom."
"Klar, der unliebsame Nebenbuhler war endlich aus dem Weg." stimmt sie zu. Sie nimmt einen erneuten Schluck aus ihrem Glas und ich nehme das essen wieder auf.
Mit einem Mal fragt Charly. "Weißt du was ich mich schon ewig frage?"
"Nein. Was denn?" hake ich kauend nach.
"Die Ehe meiner Eltern ... ähm ... na du weißt schon was ich meine. Man, es ist noch immer seltsam meinen Vater nicht als solchen zu bezeichnen."
Ich nicke.
"Jedenfalls war die Ehe doch wohl eine Farce."
"Hm."
"Wie konnte da drei Jahre später noch Emely entstehen?"
Ich verschlucke mich an meinem Bier und muss husten. "Ähm ... das ... das fragst du vielleicht Veronica. Irgendwann mal." schlage ich hustend vor.
Charlys Stirn ist schon wieder gefurcht. Skeptisch, wohl wissend das es da ein weiteres Geheimnis gibt, betrachtet sie mich. "O-k-a-y." sagt sie schließlich. "Werde ich."
Sicher denkt sie, dass es mir peinlich wäre mit ihr über das Sexleben ihrer Eltern zu sprechen.
"Komisch ist es jedenfalls." brummt sie und trinkt mit einem weiteren Schluck ihr Glas leer.
Ich zucke die Schultern und murmle."Ja, seltsam."

 

Kapitel 48

 

Charlotte

 

"Und, hast du es dir überlegt?"
"Was?"
"Ob du unbedingt weiterhin zur Arbeit gehen musst." antwortet er.
"Also, in Anbetracht der Tatsache, dass ich meinen Lebensunterhalt bestreiten muss und einen gültigen Arbeitsvertrag habe, kann ich dir nur antworten: ja, muss ich." antworte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Mir ist durchaus bewusst, dass diese Sicht der Dinge Tom so gar nicht behagt. Aber mir fällt zu Hause die Decke auf den Kopf. Und der Tag gestern hatte, bis auf die Schrecksekunde mir wirklich gut getan.
"Ha ha." brummt er und sieht mich eindringlich an. "Ich find's nicht gut, Charly. Hast du vergessen das du gestern verfolgt wurdest?"
Von dem Zusammentreffen mit Mister Unbekannt auf dem Weihnachtsmarkt habe ich ihm lieber gar nicht erst erzählt.
Ich winke ab. "Ach das. Nein, habe ich nicht, aber ..."
Tom brummt abfällig. "Ganz offensichtlich bist du noch immer in Gefahr."
Genervt verdrehe ich die Augen. "... Aber in der Schule bin ich doch in Sicherheit. Keiner wird es wagen mir etwas inmitten einer Grundschule anzutun."
Tom sieht aus als wäre er da anderer Meinung.
Langsam erhebe ich mich aus meinem Sessel. "Ich wäre auch zu einem Kompromiss bereit." versuche ich ihn mit lasziver Stimme zu ködern.
Hellhörig geworden sieht er zu mir auf. "Ach wirklich? Was schlägst du vor?"
"Du darfst mich jeden Tag zur Arbeit chauffieren und mich auch wieder abholen." Mit einem gewinnenden Lächeln setze ich mich auf seinen Schoss.
"Also wäre alles so wie es bisher auch schon ist." grinst er, streicht mir das Haar in den Nacken und haucht mir einen Kuss auf das Schlüsselbein.
"Ähm ... ganz recht." lache ich fröhlich. "Ach komm schon, Tom!"
Jetzt rollt er mit den Augen. "Ach, Charly ... Ich weiß nicht. ..."
Mit einem intensiven Kuss versuche ich ihn umzustimmen.
Ehe ich so richtig in die Offensive gehen kann klingelt sein Handy auf dem Tisch vor uns.
Ein enttäuschtes Brummen kommt aus seiner Kehle. Ergeben lächelnd lehne ich mich zurück und mache ihm den Weg frei um an das nervtötend lärmende Gerät zu gelangen.
Mit einem gezielten Griff greift er es sich und brummt "Cray." hinein als er es sich ans Ohr hält. "Was gibt's?"
Schweigend lauschen wir dem Anrufer. So wie er innerhalb eines Bruchteils von Sekunden Haltung annimmt, scheint der Anrufer sein Chef zu sein.
"Okay. ... Verstehe."
Er fährt sich mit der Hand durch das dunkle Haar. Irgendwas stimmt nicht. Wieder was mit meiner Familie? Ängstlich beobachte ich jede seiner Regungen.
Tom nickt mit leerem Blick. "Wo genau? ... Verstehe. Ja, ich werde mich sofort auf den Weg ..."
Sanft schiebt er mich von seinem Schoss und zeigt mir ein entschuldigendes Lächeln. Ich komme auf die Füße und schlinge die Arme um meine Mitte. Irgendwie ist mir plötzlich kalt.
"Ich bin unterwegs." sagt er ins Handy und legt auf. "Ich muss los. richtet er nun seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. "Sofort."
"Ist was passiert?" frage ich überflüssigerweise, denn es ist ja offensichtlich das etwas geschehen ist.
Tom nickt und murmelt ein knappes "Ja." Mehr war aus ihm nicht heraus zu bekommen.
Ängstlich trabe ich hinter ihm her als er jetzt ins Badezimmer verschwindet. "Und w - was?"
"Das ... ähm ... ist beruflich." antwortet er ausweichend.
"Tom, muss ich mir Sorgen machen?" frage ich nun deutlich vorsichtiger. Sicher ist es etwas was direkt oder indirekt mit mir und meiner Familie zu tun hat. Warum sonst würde er sich so bedeckt halten?
"Du?" fragt er verständnislos und verharrt mit der Zahnbürste im Mund. Durch den Spiegel treffen sich unsere Blicke.
Als er mein ängstliches Gesicht sieht dreht er sich um und zieht mich an sich. "Süße, du musst dir überhaupt keine Sorgen machen! Es hat nichts mit dir zu tun." verspricht er nuschelnd.
"Wirklich?"
Er lässt mich los, dreht sich um und spuckt die Zahncreme ins Waschbecken. Nachdem er seinen Mund ausgespült hat zieht er mich erneut in seine Arme.
"Charly, beruhige dich! Es ist rein beruflich. Und diesmal hat es ausnahmsweise mal nichts mit deiner Familie zu tun."
Er versucht zu scherzen um mich aufzuheitern. Ich lächle gequält. "Ha ha."
"Es geht um einen Kollegen der seit einiger Zeit verschwunden ist, du kannst also ganz beruhigt sein."
"Ein verschwundener Kollege?" frage ich verwundert.
Tom küsst mich schnell auf die Stirn und löst sich von mir. "Ja. Aber mehr kann ich dir nicht sagen. Und jetzt ... muss ich los."
Eilig laufe ich ihm hinterher in den Flur wo er bereits dabei ist sich die Schuhe anzuziehen.
"Und was wird aus unserer Abmachung?" frage ich lächelnd an den Türrahmen zur Küche gelehnt.
Er hält inne. "Abmachung?"
"Na, mich zur Arbeit zu fahren." helfe ich seinem Gedächtnis auf die Sprünge.
"Ach ja ... scheiße!" entfährt es ihm. Langsam richtet er sich auf und fährt sich wieder mit der Hand durch das Haar. Dabei verstrubbelt es sich sexy. Sofort verselbstständigen sich meine Gedanken. Am liebsten würde ich ihn jetzt auf das Sofa schubsen, mich auf seinen Schoß setzen, mit der Hand sein Haar greifen und von seinem Hals abwärts eine Kussspur hinterlassen. ...
"Ich muss echt los. ... Will als erstes am Tatort sein." murmelt er. "Wenn du dich beeilst setz ich dich noch vorher bei der Schule ab." sagt er nun etwas lauter an mich gewandt.
Das ist mein Startsignal. Eilig laufe ich ins Wohnzimmer um meine Siebensachen zu holen.

 

Tom

 

Von Charlys Schule bis zum Einsatzort brauche ich dann doch 50 Minuten. Natürlich kam mir der typische Londoner Berufsverkehr in die Quere. Da nutzte leider auch das mobile Blaulicht nichts, dass ich unerlaubterweise aus mein Autodach gepappt hatte. Wenn Falkner davon erfuhr würde ich mir sicher was anhören dürfen.
In Newham führt mich mein Weg direkt runter ans Ufer der Themse. Mein Ziel war schon von weitem an den blau gelben Flatterband deutlich zu erkennen. Drei Fahrzeuge der Met waren vor Ort und einige Bobbys hatten ihre liebe Mühe Schaulustige abzuwimmeln.
Ich parke neben einem der Polizeiwagen und steige aus. An meinem Blaulicht erkennt der Constable das ich zum Team gehöre und grüßt mit einem knappen Nicken. Als ich ihm meinen Dienstausweis entgegenhalte kommt sogar noch ein halbwegs freundliches "Guten Morgen, Chief Inspector." hinzu.
"Morgen." antworte ich knapp. "Saukalt heute." Eine Bemerkung über das Wetter vermittelt den Mitmenschen eine gewisse Nähe und Anteilnahme. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot. Uns allen frieren bei diesem Wetter die Eier ab.
"Wem sagen Sie das." brummt er und reicht mir die Tatortliste in die ich mich mit klammen Fingern eintrage. Nachdem das geschehen ist hält er mir das Flatterband hoch damit ich hinunter durch schlüpfen kann. "Ihre Kollegen sind bereits da." verkündet er und deutet mit einem Kopfnicken wage in eine Richtung.
Mist! Scheiß Verkehr.
"Okay. Wo genau?" frage ich.
Der Constable dreht sich um und deutet nun mit der Hand nach links zu einer großen Lagerhalle.
Ich nicke ihm dankend zu und mache mich auf den Weg.
Vor dem Eingang der Halle steht ein bebrillter Kerl mit Schlips und hellem Wintermantel über dem dunkelblauen Anzug. Als er bemerkt das ich direkt auf ihn zu komme, tritt er ein Schritt vor und hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen. "Hastings mein Name. Ich nehme an Sie sind der Einsatzleiter?"
Ich ergreife seine Hand und schüttel sie kurz. "Hier schon. Cray, SIS. Und Sie sind vom von der PLA nehme ich an?"
"Korrekt." stimmt er zu. "Ihre Kollegen sind bereits drin." Hastings deutet mit dem Daumen auf die Halle hinter sich.
Da ich noch nicht genau weiß um was es sich handelt was hier gefunden wurde frage ich allgemein "Wann wurde es entdeckt?"
"Heute Morgen. Ein paar Arbeiter wollten die Fässer zum Abtransport fertig machen. Da fiel einem wohl auf, dass mit einem der Fässer etwas nicht stimmte."
Interessiert hake ich nach "Ach so. Was genau hat den Mann so verwundert?"
"Nun ja, da war zuerst einmal der Gestank. Normalerweise sind die Fässer fest verschlossen um das arbeiten für die Arbeiter ein wenig angenehmer zu machen. Nicht das die Leute hier nicht an einiges gewöhnt wären." grinst er.
Da dämmert es mir, dass ich keine Ahnung habe was genau in dieser Lagerhalle gelagert wird. Daher frage ich "Helfen Sie mir, wem gehört diese Halle?"
Hastings stutzt und grinst. "Nun ja, der John Knight ABP."
"Sagt mir nix." gebe ich zu.
"Tierkörper werden hier gelagert und verwertet."
Das erklärt seine Andeutungen. Innerlich mache ich mich auf einen unangenehmen Anblick gefasst. Ich mag Tiere ja, aber lebendig und nicht starr und vergammelt.
"Okay, verstehe. Der Arbeiter hat also das Fass geöffnet und ..."
"Das fragen Sie ihn vielleicht selbst! Er muss hier irgendwo sitzen. Einer der Met Beamten hat ihn sich gleich gekrallt." erklärt mein Gegenüber.
"Na klar." murmle ich. "Dann gehen wir jetzt vielleicht mal hinein."
Sofort wehrt Hastings mit den Händen ab und erwidert. "Auf mich müssen Sie verzichten. Ich bin nur hier, weil das Gelände von der Port of London Authority verwaltet wird. Die Halle selbst gehört jedoch nicht zu meinem Tätigkeitsfeld."
Er will sich drücken. Mir soll's recht sein. Ich finde meine Leute auch so. Immer der Nase nach.
"Verstehe." murmle ich verständig und wende mich zum gehen. "Danke für Ihre Hilfe, Mister Hastings! Falls wir noch Fragen haben sollten ..."
"Haben die Kollegen der Met meine Kontaktdaten." fährt er mir über das Wort.
Scheinbar will er nur schnell weg.
"Ist gut. Auf wiedersehen." Damit betrete ich die riesige Halle durch einen Vorhang aus dicken halb durchsichtigen Plastikstreifen.
Ich muss gestehen, dass ich es mir schlimmer vorgestellt habe. Ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber es ist überraschend anders. Der Boden und auch die Hälfte der Wände sind hell gefliest. Fast wie in einem Schlachthof. Jedenfalls stelle ich es mir so vor.
Schon von weitem entdecke ich Halliway und einen Beamten der Met die sich gerade über ein größeres Metallfass beugen. Neben ihnen steht Miller und sieht den Männern mit grimmigen Gesicht zu. Als ich näher komme ist es die junge blonde Kollegin die mich als erstes bemerkt. Sofort erhellt sich ihre Miene. Mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßt sie mich. "Morgen, Tom."
"Hey Ariella." grüße ich freundlich zurück. "Was haben wir?"
Mit einem angewiderten Blick deutet sie neben sich auf Halliway, der mit einem Stock in dem Fass herum stochert. "Frag ihn!"
"Morgen Peter. Und, schon was interessantes gefunden?" wende ich mich nun an Halliway. "Morgen." grüße ich auch den Met Beamten. Dieser brummt eine undeutliche Begrüßung und tritt einen Schritt zurück wo er mit vor der Brust verschränkten Armen stehen bleibt. Scheinbar ist er der Meinung das SIS kann sich ab jetzt um den Müll kümmern. 
"Guten Morgen, Tom." grüßt Peter und richtet sich auf. Auf einen Handschlag verzichten wir in Anbetracht der üblen Gerüche die dem Fass entsteigen. "Ja, in der Tat. Würden wir uns sonst hier draußen die Ärsche abfrieren?" grinst mein Kollege.
"Das stimmt auch wieder." grinse ich. "MacAvory?" frage ich wieder ernster.
Peter und Ariella sehen gleichzeitig betreten auf das Fass hinunter. Ich folge ihrem Blick und entdecke, jetzt wo sich niemand über die Öffnung beugt Fetzen von Kleidung und verbrannte Papierreste gemischt mit pelzigen Tierkadavern. Die Jacke, oder was von dieser noch übrig ist erinnert mich zwar an etwas, aber das der Fund nun unbedingt mit MacAvory zusammenhängt kann ich nicht erkennen.
"Was ist das?" frage ich und deute auf das Papier.
"Sieht aus wie Kleidung, eine Jacke wahrscheinlich und das Papier sieht aus wie Schnipsel aus Rabattkarten, Fotos oder so was." erklärt Halliway. "Wir wollten auf dich warten ehe wir es heraus holen. Die Spusi ist jedoch soweit erstmal mit dem Fass fertig."
Ich nicke. "Okay. Dann mal raus mit dem Inhalt!"
Abwartend sehen wir drei uns an. Keiner will den schwarzen Peter ziehen und mit der Hand die Beweisstücke heraus holen. Aber eines muss es tun. Da ich diesen Einsatz leite und Miller eine Frau ist, fällt das Los wohl auf unseren Peter. Seufzend wendet er sich dem schwarzen Fass zu, greift den Stock fester und beginnt zunächst mit dessen Hilfe die Jacke heraus zu fischen. Kaum das in dem blutigen Haufen herum gestochert wird verstärkt sich auch der Gestank. Ariella presst sich hastig die Hand vor Nase und Mund und wendet sich würgend ab.
Ich selbst, durch meine langjährige Erfahrung auf Londons Straßen habe einen robusteren Magen und starre stumm über Halliways Rücken. Der Polizist mir gegenüber tritt noch einen Schritt zurück.
Tatsächlich bekommt Peter es hin und angelt den Jackenfetzen aus dem Fass. Vorsichtig, als könne er Spuren verunreinigen legt er ihn auf dem Boden vor uns ab. Ein gut mitdenkender Spusibeamter hatte bereits eine Folie ausgebreitet.
Neugierig beuge ich mich über den Fetzen. Dem Geruch nach musste er eine ganze Weile mit den Kadavern in dem Fass gesteckt haben. Aber das kann auch täuschen. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Jacke. Mit der Fußspitze und mit Halliways Stock nehme ich sie näher in Augenschein.
"Gehörte einem Mann würde ich sagen." meint Ariella die nun doch näher gekommen war.
"Hm." brumme ich abwesend, denn die Jacke kommt mir tatsächlich äußerst bekannt vor. Sollte es sich hierbei wirklich um die Habseligkeiten unseres vermissten Kollegen handelt?
"Hast du was? Ist dir was aufgefallen?" hakt meine aufmerksame Kollegin nach. Ihr entgeht wirklich nichts.
"Ich weiß nicht." murmle ich. "Lass uns sehen was wir noch finden."
Ich drehe mich wieder zu Peter der inzwischen eine lederne Brieftasche geborgen hat. "Schwarzes Leder. Eine Herrenbrieftasche." verkündet er das offensichtliche. "Mal sehen ob wir herausbekommen wem die gehört hat?"
Ich habe Probleme den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken. Ich weiß ganz genau wem sie gehört hat. Ich kenne sie und zwei Gegenstände die ich zuordnen kann können kein Zufall sein.
"Was ist das?" ruft in diesem Moment Miller. Sie war mutig an das Fass getreten um selbst einen genauen Blick hinein zu werfen.
Wir gehen zu ihr. Ganz am Rand, unter einem toten Kaninchen oder was davon noch übrig war lugt ein uns allen wohlbekannter Ausweis hervor. Ein Dienstausweis des SIS.
Wir sehen uns an und denken in diesem Moment sicherlich das selbe.
"Abwarten." meint Halliway und stochert mit dem Stock erneut in dem Abfall herum. Doch außer ein paar dunklen ledernen Herrenschuhen die ihren Glanz verloren haben und einer Jeans kann er nichts mehr zu tage fördern was uns das Gegenteil beweisen würde, dass es sich bei den Sachen um die Habseligkeiten des SIS Agents James MacAvory handelt.
"Scheiße!" Ich kann mir den Fluch nicht verkneifen. "So eine verdammte Scheiße!" brülle ich.
Miller legt mir ihre kleine Hand auf den Unterarm. "Hey, das hat doch noch gar nichts zu heißen. Vielleicht ist er ja noch am Leben?"
Mit zweifelnd hoch gezogener Augenbraue sehe ich sie an.
"Na ja, die Hoffnung stirbt doch bekanntlich zuletzt." zitiert sie Pandora.
"So lange ich lebe, hoffe ich." brumme ich das Gegenstück zu dem Sprichwort. "Doch ehrlich gesagt habe ich wenig Hoffnung. Sieh dir das doch mal an!"
Sie tut es. "Hm." macht sie leise.
"Ich denke wir haben den Verbleib von MacAvory aufgeklärt." mutmaße ich.
"Denkst du er wurde hier? ..." Sie lässt ihrer Blick durch die riesige Halle schweifen.
"Ja."
"Oh." Betreten sieht sie auf ihre Fußspitzen. Aber nur einen Moment, dann sagt sie laut: "Also gut, dann sollten wir Mannschaften zusammenstellen und systematisch die Fässer durchkämmen."
Angefixt von ihrem Enthusiasmus klatsche ich in die Hände und rufe dem Beamten zu: "Meine Kollegin hat recht. Können Sie uns Männer zur Verfügung stellen?"
Der angesprochene nickt verständig und beginnt sofort in das Funkgerät an seiner Schulter zu sprechen.

Zwei Stunden und gefühlte hundert Fässer gefüllt mit stinkenden Tierkadavern später haben wir noch immer keine Anzeichen für den Verbleib von MacAvory gefunden.
"Und nun?" fragte Halliway mutlos.
"Es gibt einen Ort wo wir noch nicht nachgesehen haben. ..." Mein Blick geht zu dem Trockner.
"Nein." keucht Halliway. "Glaubst du? ..."
Ich belasse es bei einem bedeutungsvollen Blick und einem Schulterzucken. Anschließend gehe ich zu den Arbeitern, die sich bereits für die Suchaktion zu uns gesellt hatten. 
Nach einer kurzen Erklärung nimmt sich einer der Arbeiter unserem kleinen Haufen an und führt uns zu einem Kontrollraum im hinteren Teil der Halle.
"Von hier aus wird die Anlage gesteuert." erklärt der Mann mit breitem Cockney Akzent.
"Erklären Sie mir wie Sie hier die Tiere ver - verarbeiten!" bitte ich stockend.
"Klar." grinst dieser. "Also wir betreiben hier das so genannte Pressverfahren. Das bedeutet, dass wir die Viecher wenn sie hier ankommen zu Fleischbrei verarbeiten. Anschließend wird dieser in der kontinuierlich arbeitenden Trocknungsanlage auf den erforderlichen Trocknungsgrad herunter getrocknet. Der getrocknete Fleischbrei wird dann mittels ebenfalls kontinuierlich arbeitenden Pressen entfettet."
"Klingt ja sehr ... theoretisch." murmle ich angewidert.
"Tja, ist ja auch eine stupide Arbeit." gibt er lapidar zu.
"Und wie lange machen Sie das schon?" will nun Ariella wissen.
"Dreißig Jahre etwa."
Sie zieht die Stirn kraus. "Da stumpft man wohl ganz schön ab oder?"
"Na ich sag's mal so, wenn ich jedes Mal wenn ich nen totes Viech seh'nen Würgereitz bekäme, hätt' ich mir den falschen Beruf ausgesucht. Man gewöhnt sich an alles, Miss. Aber Frauen findet man in unserer Branche auch eher selten." Er schenkt ihr ein gewinnendes Lächeln.
"Woran das wohl liegt?" murmelt sie und sieht auf ihre Füße.
Wir waren an dem Raum angelangt. Der Mann, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte betritt den Raum und drückt an einem riesigen Schaltpult auf einen orangenen Knopf.
"Man gewöhnt sich an alles." ruft er von innen. "So, das hätten wir." Er deutet mit dem Kopf zu einer großen Fensterscheibe hinter dem Pult. Dahinter, links von da wo wir gerade standen öffnet sich an einem riesigen metallenen Kasten einen Spalt breit eine Tür.
"Das ist der Trockner." erklärt der Arbeiter und schiebt sich an uns vorbei. "Sie haben es ja nicht anders gewollt. Ich warne Sie, es bleiben immer einige Kadaver zurück."
Auf das schlimmste gefasst treten wir näher um einen Blick in das Innere des Trockners werfen zu können.
"Ein Königreich für eine Taschenlampe." murmelt Ariella.
"Euer Wunsch ist mir Befehl, my lady." grinse ich und halte mein Smartphone mit eingeschalteter Taschenlampenfunktion in die Höhe.
"Oh, wie aufmerksam." witzelt sie grinsend und wendet den Blick ab. Sofort gefriert ihr das Lächeln. Was da im Lichtkegel meiner Handytaschenlampe liegt, ist keineswegs ein Rind-, oder Hundekadaver.
"Oh scheiße!" entfährt jetzt Peter ein Fluch.
Plötzlich hören wir hinter uns ein Würgen. Der namenlose Arbeiter mit dem Magen aus Stahl ist wohl doch nicht so abgebrüht wie er uns glauben schenken wollte. Hastig rennt er davon. Ich nehme an er will schnell mal die Fische im Hafenbecken füttern.
"Damit hätten wir das Verschwinden von James geklärt." bringt Peter es auf den Punkt. "Ich ruf Falkner und die Gerichtsmedizin an." fährt er fort und geht ab.
Ich werfe einen Blick zu meiner Kollegin. Doch diese winkt entsetzt ab. "No way, Tom. Ich lass dir gern den Vortritt."
Widerwillig trete ich näher an den Leichnam heran. Mit zitternder Hand halte ich das Handy so, dass das Licht den Körper oder was davon noch übrig ist beleuchtet. Die Bakterien hatten ihr möglichstes getan, der Verwesungsprozess war schon stark vorangeschritten. Die Haut des Toten Mannes, dass es sich um einen Mann handelt konnte man gerade noch erkennen, war eingefallen und von Maden besiedelt. Sie krochen aus den verschiedensten Öffnungen. Mittlerweile waren sogar dort welche, wo bei einem Lebenden es äußerst ungesund wäre Öffnungen zu haben. Vom Schädel löste sich bereits das Fleisch und ein Büschel dunkles Haar wirkte samt Haut wie zurückgeklappt, ganz so als hätte man vor, den Mann am offenen Schädel zu operieren. Angewidert wende ich mich ab. So ein Ende wünscht man nicht mal seinem Feind und schon gar nicht einem Kollegen.

Nach der Leichenschau hatte ich ebenfalls das dringende Bedürfnis frische Luft zu schnappen. Draußen vor der Halle treffe ich wieder auf den Arbeiter. Seine vorherige rosige Gesichtsfarbe war einem wächsernen grün gewichen.
"Na, alles klar bei Ihnen?" erkundige ich mich freundlich.
"Hmpf." bringt er nur hervor. Scheinbar weckt allein die Erinnerung an das gesehene in ihm wieder einen Würgereiz. Lautstark übergibt er sich erneut. Diesmal direkt neben den Eingang der Halle. Betreten sehen wir ihm dabei mehr oder weniger zu.
"T'schuldigung." murmelt er peinlich berührt und wischt sich mit dem Handrücken den Mund.
"Benötigen Sie ärztliche Hilfe?" fragt Arielle freundlich und legt ihm die Hand auf den Rücken. "Gleich müsste der Rettungswagen hier sein."
Heftig schüttelt er den Kopf. Scheinbar ist für ihn ein Rettungswagen und ein damit verbundener Arzt die Spitze der Peinlichkeit. Das wäre mehr als sein angeknackstes Ego heute vertragen könnte. "Das ... das ist sehr freundlich, aber n - nicht nötig." stammelt er und wendet den Blick von der mitleidig blickenden blonden Schönheit ab. 
Seine Pein lenkt mich von meiner eigenen Übelkeit ab. Kaum das wieder frische kalte Luft durch meine Lunge strömt geht es mir viel besser.
Ich gehe zu einem der anderen Arbeiter der Tierkörperverwertungs Firma hinüber. Die Kollegen der Met haben sie wohlweislich noch nicht gehen lassen, falls noch jemand Fragen hat. So wie jetzt. Ich hätte da die eine oder andere Frage die mir unter den Nägeln brennt. 
Ein älterer Mann mit langem grauem Haar das er zu einem Pferdeschwanz gebunden hat ist scheint mir geeignet. Sicherlich kann er mir weiter helfen. Bekleidet ist er, ebenso wie seine Kollegen, mit gelber Gummilatzhose und schwarzen klobigen Gummistiefeln. Seine schwarze Winterjacke trägt er offen. "Guten Morgen, Sir. Cray, mein Name." stelle ich mich freundlich vor. "Vielen Dank nochmal, dass Sie vorhin so freundlich waren uns bei der Suche zu helfen!"
"Kein Problem." grunzt er und zieht schniefend die Nase hoch.
"Unsere Suche was schlussendlich erfolgreich ... Wie Sie ja sicherlich bereits mitbekommen haben. ..." Ich deute mit dem Daumen auf seinen Kollegen hinter mir.
Der Alte lacht schallend. "Und ob. War wohl kein so schöner Anblick, wie?"
"Ähm ... nein." gebe ich zu.
Warum belustigt ihn das so?
"Dachte ich mir. So wie Johnson gerannt ist." Wieder lacht er und wird diesmal sogar von seinen beiden Kollegen unterstützt.
Gerade will ich fragen was sie denn so belustigt, da liefert er selbst mir die Antwort. "Geschieht dem Kerl recht! Führt sich auf als sei er der Chef."
"Wer? Johnson?" hake ich nach und sehe sie abwechselnd an.
"Na und ob. Stolziert hier immer rum und tut so als wäre er sonst wer. Dämlicher Fatzke!" urteilt er hart über seinen jüngeren Kollegen.
"Hat er denn Grund dazu?" frage ich.
Der Alte winkt ab. "Ach, i wo. Der doch nicht. Klar, er wurde befördert, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht ..."
"Er ist der Leiter dieser ... Firma?"
"Nur der Abteilungsleiter. Alles Vetternwirtschaft." Mein Gegenüber spuckt aus.
"Vetternwirtschaft? Ist er der Sohn vom Chef?" grinse ich.
"Nee. Aber sein Neffe." antwortet mir einer der anderen Männer. "Der Boss selbst hat keine Kinder die den Laden mal übernehmen könnten. Da ist sein Neffe nur allzu gern eingesprungen."
"Verstehe." murmle ich. "Aber wir schweifen ab. Ich möchte wissen, warum die Leiche nicht eher entdeckt wurde?" fahre ich lauter fort.
"Na wir gucken nicht jeden Tag da rein." echauffiert der Kerl sich als hätte ich ihn auf einen Missstand in ihrem Betrieb aufmerksam gemacht.
"Nicht? Okay. Wann tun Sie es dann?"
"Eigentlich nur wenn etwas sich verklemmt hat. Ein Rinderschenkel oder so. Oder ein Gaul mit seinen Hufen. Bei den großen Viechern passiert das manchmal." erklärt er mir.
"Verstehe. Und in letzter Zeit ist so etwas nicht vorgekommen? Sagen wir in den letzten drei Wochen."
"Nee. Aber das ist ja klar."
"Warum?" frage ich verständnislos.
"Die letzten vier Wochen war hier alles verrammelt." meldet sich jetzt mal wieder der Alte zu Wort.
"Verrammelt?"
"Schweinepest." Er zuckt mit den Schultern. "Oder zumindest der Verdacht darauf."
Angeekelt verziehe ich den Mund.
"Keine Angst! Hat sich letzten Endes nicht bewahrheitet." beruhigt er mich sofort als er meine Mimik sieht.
"Dann ist ja gut. Für Sie." murmle ich.
"Wie man's nimmt. Geld haben wir in der Zeit nicht verdient. Und die Arbeit hier ist auch nicht die schönste." brummt der dritte im Bunde.
Am liebsten hätte ich ihm gesagt: "Dann such' dir doch ne andere Arbeit", doch das steht mir nicht zu. Außerdem will ich hier kein persönliches Gespräch führen, sondern Fakten sammeln. 
"Also war vier Wochen lang niemand hier?"
Kollektives Nicken.
"Verstehen. Wer hat alles Schlüssel zu der Halle?"
"Unser Großmaul da ..." Er deutet wage hinter mich. "Der Boss natürlich und die Fahrer die die Reste abholen oder Frischfleisch bringen."
Der redet ja gerade so als würde es sich hier um einen Schlachthof handeln.
"Okay."
Langsam wurde es Zeit mit dem Boss des Ladens zu reden. Wo steckt der eigentlich? Mittlerweile müsste sich die Nachricht, dass in seiner Firma Polizei herum läuft doch bis zu ihm durchgesprochen haben.
"Für weitere Fragen wende ich mich an Ihren Chef. Nur noch eines, es gibt doch sicherlich Überwachungskameras oder?"
Kollektives Kopfschütteln.
Verständnislos starre ich die drei an. "Was? Keine Kameras?"
"Nö. Was gibt's hier schon zu holen?" stellt der mittlere die Gegenfrage.
Darauf weiß ich auch keine Antwort. Ich verabschiede mich und gehe zu meinem Team zurück. Mittlerweile war der Mercedes von Doktor Robinson da. Er stand direkt neben meinem Audi. Doch vom Arzt selbst war nichts zu sehen. Suchend gehe ich zurück in die Halle. Wie zu erwarten war kniete Robinson bereits neben der hell von zwei Scheinwerfern erleuchteten Leiche. Man hatte sie aus Platzgründen vor den Trockner getragen. Routiniert untersuchte der alte Herr die leblose Hülle. Anders konnte man ihn kaum mehr bezeichnen.
"Ah, Cray. Schön Sie zu sehen." grüßt er mich von unten herauf. "Interessant was Sie hier für mich haben. Hat man auch nicht alle Tage. Eine getrocknete Leiche." scherzt er.
Wahrscheinlich war es nötig in seinem Beruf den Humor nicht zu verlieren.
"Hab ich mir nicht ausgesucht." murmle ich. "Aber gesucht haben wir schon lange nach ihm."
"Ach tatsächlich?" brummt er und klappt mit einem Stift oder so die Haut des Brustkorbs zur Seite. "Interessant. Seit guten zwei Wochen tot. Wenn nicht sogar länger."
"Hat er die ganze Zeit hier gelegen oder wurde er erst vor kurzem hier abgelegt?" frage ich vorsichtig.
"Das, mein Lieber müssen Sie schon selbst herausfinden. Aber vom medizinischen Standpunkt aus spricht alles dafür, dass er seit seinem Tod hier lag. Das ist ein Trockner, habe ich mir sagen lassen."
"Das stimmt. Das ist eine Tierkörperverwertungsanstalt." setze ich ihn ins Bild.
"Interessant. Jedenfalls war das Gerät nicht in Betrieb seit er hier gelegen hat."
"Das wusste ich schon. Der Betrieb hatte die letzten vier Wochen geschlossen."
"Geschlossen?"
"Ja. Seuchenverdacht. Stellte sich aber wohl als Finte heraus."
"Na dann war es ja das beste Versteck! Sicherlich hoffte man, dass die Leiche nie gefunden wird. Wenn man den Trockner in Betrieb genommen hätte ohne vorher in die Öffnung zu schauen, wäre von dem Herrn nicht mehr viel übrig geblieben was man identifizieren hätte können." erklärt der Arzt.
Ich nicke zustimmend. "Stimmt. Aber dann hatte doch einer gepatzt. Das Fass in dem man die Habseligkeiten des Toten versteckt hatte, wurde nicht richtig verschlossen. Der Gestank hatte die Arbeiter stutzig gemacht."
"Verstehe. Tja, das perfekte Verbrechen gibt es eben nicht." schmunzelt Robinson.
"Wir sind ihm auf der Spur. Können Sie schon was zu dem Toten sagen?"
"Außer das er männlich, weiß und noch recht jung und bereits seit zwei bis drei Wochen tot ist nichts. Alles weitere, sowie seine Identität im besten Fall wie gewohnt später."
"Die Identität ist zu 90 Prozent bereits geklärt, befürchte ich."
"Das ist interessant. Und mit wem haben wir hier das Vergnügen?" lacht er und lässt seinen Blick über den geschundenen Körper wandern.
Ich schlucke schwer ehe ich antworte: "Um MI 6 Agent James MacAvory."

 

Kapitel 49

 

Charlotte

 

Die Beerdigung von Tom's Kollegen war für nächste Woche Samstag angesetzt. Tom ließ sich zwar nichts anmerken, sagt immer er kannte ihn kaum, aber dennoch schien dessen Tod in ihm zu arbeiten.
"Es ist einfach diese Ernüchterung.", erklärte er mir heute morgen, als ich ihn auf seine angeschlagene Stimmung angesprochen habe. "Klar hat man nach ihm gesucht. Aber solange man sucht hat man noch Hoffnung. Die Hoffnung ihn doch noch gesund und munter aufzufinden."
Ich nicke verständig.
"Doch jetzt ..." Er schweigt und sieht in seinen Kaffeebecher.
"... Jetzt ist alle Hoffnung verloren.", vollende ich seinen Satz.
"Hm. Und ich mache mir Gedanken."
"Worüber?"
"Wir hatten Dienst an dem Abend als er verschwand. Undercover in einem ... Club."
Ich nicke stumm.
"Ich bin mit einer Zeugin später abgehauen."
Was ist er? "Abgehauen?", frage ich verständnislos.
"Ja, es ... es war ein Stripclub."
"Aha.", entfährt es mir und ich klinge, obwohl ich es nicht will enttäuscht.
"Keine Sorge, es war nur eine Zeugin.", beruhigt er mich lächelnd und stupst mir mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze. "Ich gehör nur dir.", verspricht er weiter.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln.
"Jedenfalls bin ich gegangen und ließ ihn zurück.", fährt er betreten fort.
"Er hätte doch sicherlich mitgehen können?"
Tom schüttelt den Kopf. "Er wollte weiter ermitteln. Warum auch immer. Ende vom Lied jedenfalls war, dass er seit dem Abend nicht mehr gesehen wurde.", schließt er.
"Hm. Verstehe. Seltsam."
"So seltsam ist das nicht. Mittlerweile wissen wir ja, in welches Wespennest wir da gestochen haben. Es war sau gefährlich und ich ... ich hab ihn im Stich gelassen."
So sehe ich das zwar nicht, dennoch streichel ich ihm tröstend mit der Hand über den Rücken. "Er hatte die Wahl. Dein Kollege wurde doch sicher nicht gefesselt oder so?" Der Gedanke was Männern in solchen Clubs so alles geboten wird lässt mich erschaudern.
"Nee, als ich wegging war er jedenfalls wohl auf. Eine Tänzerin war bei ihm."
"Hm." Gedankenverloren streiche ich ihm mit der Hand durch das Haar.
"Erst dachte ich ...", gibt er zu, "... das er mit eben dieser Tänzern durchgebrannt ist." Verlegen, auf eine solch abwegige Idee zu kommen lächelt er schüchtern.
"Ist das so abwegig?", frage ich achselzuckend, "Ist doch alles bereits vorgekommen. Mann verliebt sich in Prostituierte. Will sie aus einem Vaterkomplex heraus aus ihrer Hölle befreien und bekommt es schlussendlich mit ihrem Zuhälter zu tun. Am Ende findet man beide erschossen in einem Fluss.", zitiere ich die schlimmsten Klischees aus Filmen.
Tom sieht mich an. "Wir finden gerade im gesamten Stadtgebiet Leichenteile. Die eines Mannes und einer Frau.", erklärt er. "Bisher dachten wir, inoffiziell natürlich, dass es sich bei dem Mann um MacAvory handelt."
"Na diese These kann ja nun widerlegt werden.", meine ich lapidar.
"Hm, stimmt.", brummt er.
"Und was aus der Frau in dem Club geworden ist habt ihr ja sicherlich schon längst recherchiert.", mutmaße ich.
"Das ist Sache der Met. Da müsste ich wirklich mal in Holmes nachschauen."
"Holmes? Sherlock?", grinse ich.
Lächelnd sieht er mich an, "Das wär' schön. Dann würde dieser verflixte Fall sicher in Null-Komma-Nix gelöst. So tappen wir noch völlig im Dunkeln. Nur eines ist sicher ... da waren echte Profis am Werk."
"O-k-a-y.", sage ich gedehnt, "Schöner Mist!"
"Das kannst du laut sagen."
"Na ja, zumindest wird die Witwe deines Kollegen zufrieden sein. Jetzt kann sie trauern und abschließen.", versuche ich ihm Trost zu spenden.
"Es gibt nur einen Freund.", murmelt Tom.
"Oh.", entfährt es mir, "Ach so."

1 1/2 Wochen später

 

Max

 

"Daddy, du musst schon ein wenig aufmerksamer sein!", schimpft Charly.
Ehrlich gesagt hatte ich längst die Nase voll davon auf dem winzigen Stuhl in ihrem Zimmer zu sitzen und mir ihr Puppentheaterspiel anzusehen.
"Hast du überhaupt aufgepasst?", fragt mein Töchterchen vorwurfsvoll und stemmt ihre kleinen Fäuste in die Hüften.
"Klar.", lüge ich.
Hatte ich nicht. Wie hieß das Stück gleich noch? Irgendwas mit einem kleinen Mädchen und einem Krokodil? Ich weiß es nicht.
"Oh Daddy, wo bist du nur wieder mit deinem Kopf?"
"Nur bei dir, Darling!", schmeichel ich und schenke ihr ein gewinnendes Lächeln.
Charly macht ein skeptisches Gesicht und mustert mich schweigend. Schließlich sagt sie, "Dann spielst du jetzt den Prinzen!"
"Was?", keuche ich, "Das kann ich nicht. Ich bin kein Prinz."
"Mensch, Daddy, du sollst ja auch nur einen spielen.", lacht sie und hält mir die Stoffpuppe hin.
Zögerlich greife ich danach und mustere sie zweifelnd.
"Du schaffst das schon!", spricht sie mir Mut zu. "Los geht's!"
Eifrig nimmt sie hinter dem großen hölzernen Rahmen die als Puppentheater dienst Aufstellung.
Zögerlich, denn die lange Position in der unbequemen Haltung zollt an meinen alten Knochen ihren Tribut, komme ich auf die Beine. Aufgeregt fröhlich sieht mein Töchterchen zu mir auf.
"Setz dich hier hin!", befiehlt sie und deutet mit ihrer kleinen Hand auf ein rosa geblümtes Sitzkissen neben ihr auf dem Boden.
Ich lasse mich fallen, stecke mir schaufend, als würde es mich eine enorme Anstrengung kosten, die Handpuppe über die rechte Hand und hebe den Arm in Positur. "Gut so?", frage ich mit Blick auf die Regisseurin.
"Klasse! Und jetzt tust du so als ob du von rechts kommst und dann siehst du die Prinzessin.", weiht sie mich in das Drehbuch ein. "Die ist traurig, weil ihre Krone in ein Loch gefallen ist."
"Ein Loch?", echoe ich verständnislos.
Sie zieht eine Schippe. "Ja, ein Loch. Die Krone ist jedenfalls futsch. Und die Prinzessin weint höllisch doll."
Grinsend verkneife ich mir ein Lachen. "Okay.", schnaube ich, "Und was dann?"
"Der Prinz springt in das Loch und holt sie ihr zurück natürlich.", erklärt sie und bedenkt mich mit einem Blick, als würde sie an dem Verstand ihres Vaters zweifeln. Es ist doch wohl logisch das der Prinz der Prinzessin hilft.
"Gut. Und wenn er das getan hat ...", frage ich und werde prompt von ihr unterbrochen, "So weit sind wir noch nicht. Erstmal muss der Prinz zeigen ob er auch mutig genug ist. In dem Loch ist nämlich ein Krokodil."
"Ach was.", brumme ich genervt. Das wird ja immer besser.
Meine Tochter braucht dringend wieder eine Mutter die mit ihr solch alberne Spiele spielt.
Ehe ich mich in das Abenteuer stürzen kann, wird der Prinz gerettet. Mein Handy klingelt. Mit einem entschuldigenden Lächeln hieve ich mich hoch und eile in den Flur. Auf dem Display prangt Charlottes Portrait, dass langsam durch den Vibrationsalarm des Telefons im Kreis gedreht wird. Ehe es herunterfallen kann greife ich danach und nehme das Gespräch entgegen.
"Du bist meine Rettung.", begrüße ich sie, "Du hast soeben einen Prinzen davor bewahrt in ein tiefes Loch zu steigen."
Selbstverständlich versteht Charlotte kein Wort. "Was hab' ich?"
"Erklär' ich dir später. Warum rufst du an? Ist was passiert?", lenke ich grinsend ab.
"Nein, es ist nichts passiert.", erklärt sie, "Ich wollte dich nur fragen, ob du heute Lust hast dich mit mir zu treffen?"
"Treffen? Heute? Ähm ... ich bin allein mit Charly."
"Das bist du doch immer.", lacht sie fröhlich.
Getroffen starre ich auf das gerahmte Foto von Charly im Badeanzug auf dem Tischchen vor mir. Das habe ich selbst geschossen. Im letzten Urlaub. Als wir noch eine Familie waren.
Charly schien nicht mitbekommen zu haben wie sehr sie mich mit ihrem Satz getroffen hat, sie plaudert fröhlich weiter, "Tom ist heute nicht zu Hause und ich wollte bummeln gehen."
"Bummeln? Und das musst du ausgerechnet heute machen? Geh' doch morgen, mit ihm zusammen.", brumme ich niedergeschlagen.
"Das geht nicht.", widerspricht sie sofort, "Ich möchte ihn überraschen."
"Gibt's was zu feiern?", brumme ich. Langsam nervt mich dieses Gespräch. Ich bin wohl nur noch der Lückenbüßer wenn Cray keine Zeit für sie hat.
"Nein, zu feiern nicht gerade. Ich möchte ihn aufmuntern. Heute ist die Beerdigung seines Kollegen. Er ist natürlich da und ich dachte, wenn er nach Hause kommt freut er sich sicher über ein schönes Abendessen."
"Hm."
"Und genau dafür muss ich einkaufen. Ich dachte an Covent Garden Market.", erklärt sie und schweigt abwartend.
Also soll ich den Bodyguard spielen. Zumindest hat sie mich angerufen. Sie ist sich der Gefahr in der sie schwebt bewusst.
"Und, was ist, hast du Lust mich heute zu begleiten?", hakt sie nach, weil ich noch immer nichts gesagt habe.
Eigentlich nicht. Zumal ich auch noch meine Tochter mitschleppen muss. Doch lehne ich ab, wird sie allein und ungeschützt losgehen. Also bleibt mir nur ...
"Ja ... ja na klar, ich komme mit. Aber ich habe Charly dabei." stimme ich schließlich genervt stöhnend zu.
"Das ist doch kein Problem. Wir kommen doch super miteinander aus.", jubelt sie. "Treffen wir uns dort?"
"Ja. Gib uns dreißig Minuten."
"Klar doch. Wir treffen uns an der kleinen Bühne. Okay?", ruft sie fröhlich.
"Ist gut. Bis gleich.", willige ich ein und lege auf.

 

Charlotte

 

Wie versprochen warte ich auf die beiden an der winzigen Bühne im Covent Garden Market. Ein Violinen Duo spielte gerade "We wish you a merry christmas". Einige Passanten waren stehen geblieben und sangen enthusiastisch mit. In dem aufgeklappten Violinenkoffer auf dem Boden vor dem Pärchen liegen bereits einige silberne Münzen und kleinere Scheine. Ich lege noch eine fünf Pfund Note dazu.
Kaum das die letzten Takte des Liedes verklungen waren tippt mir jemand auf die Schulter. Erschrocken wirbel ich herum und hätte vor Schreck beinahe Max eine Ohrfeige gegeben.
"Himmel! Erschreck mich doch nicht so!", keuche ich.
Max steht mit einem grimmigen Gesichtsausdruck und seiner fröhlich strahlenden Tochter an der Hand vor mir. "Da sind wir.", brummt er.
Oh ha, er war noch immer beleidigt.
Als erzieherische Maßnahme wende ich mich zunächst an Charlotte, "Hallo, mein Schatz. Wie geht es dir?"
"Supi.", ruft sie fröhlich. "Und, was machen wir jetzt?", will sie weiter wissen.
"Einkaufen, Kuchen essen und wer weiß was sonst noch.", gebe ich ebenso fröhlich zurück.
"Klasse!", jubelt sie, reißt sich von der Hand ihres Vaters los und beginnt im Kreis um uns herum zu hüpfen. Passend dazu spielen die Musiker jetzt "Jingle Bells".
Entschuldigend lächelnd richte ich mich auf und sehe Max an "Sorry." formen meine Lippen lautlos.
Er zuckt die Schultern. "Und, wohin als erstes? Was schwebt der Köchin vor dem Herrn zu kredenzen?", ätzt er.
Irgendwie scheint er echt angefressen zu sein. Ich beschließe darüber hinweg zu sehen und antworte betont freundlich, "Ich hatte mir Büffelmozzarella mit Papaya-Parma-Salat als Vorspeise und Muscheln im Weißweinsud überlegt."
Er schnaubt abfällig und rollt mit den Augen.
Als hätte ich es nicht bemerkt fahre ich fort, "Der Gemüsehändler ist unser erstes Ziel, dann in die Molkerei und die Muscheln als letztes würde ich sagen. Und, damit Charly auch auf ihre Kosten kommt, noch zur Bäckerei." Lächelnd sehe ich zu dem Kind herunter. "Oh ja, Kuchen essen.", ruft sie.
"Okay.", brummt ihr Vater und setzt sich in Bewegung.
Bei Janssen's Obststand standen derart viele Kunden, dass man meinen könnte halb London würde unter Vitaminmangel leiden. "Phu.", schaube ich lautstark, "Mit solch einem Andrang habe ich nicht gerechnet."
"Was erwartest du? Es ist Vorweihnachtszeit.", brummt Max als würde dass das Verhalten der Leute erklären.
"Wollen wir doch erstmal woanders hin?"
"Meinst du denn nachher sieht's hier besser aus?", stellt er mit skeptischen Blick die Gegenfrage.
"Nö.", grinse ich, "Also gut. Warten wir."

 

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"Ich hasse diese Stadt!", fluche ich lautstark. "Jeden Tag das selbe Theater."
Heftig drücke ich auf die Hupe, wie immer ohne Erfolg. Die Straße vor mir war verstopft und blieb es auch.
Gerade als ich mein Fenster runter lassen will und dem dämlichen Taxifahrer vor mir ein paar Takte erzählen will, klingelt mein Smartphone in der Halterung am Armaturenbrett.
"Ja.", fauche ich.
Über die Freisprecheinrichtung kommt kaum das ich den Anruf entgegen genommen habe, "Wir haben ein Problem." Die Stimme des Kerls klingt eigentümlich verzerrt. Und wegen der Hintergrundgeräusche kann ich ihn kaum verstehen.
"Okay. Und welches genau.", rufe ich.
"Was?"
"Was haben Sie für Probleme?", schreie ich.
"Sie ist nicht allein." teilt er mir mit.
Genervt verdrehe ich die Augen. "Na und? Wo liegt das Problem?"
"Wie stellen Sie sich das vor? Soll ich sie mitten auf dem Markt abstechen oder was?", echauffiert er sich zischend, "Ich dachte, Sie wollten es unauffällig?"
"Ja doch.", stöhne ich, "Also gut. Ich komme Ihnen zur Hilfe. Wo genau sind Sie?"
"Also ..."

 

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Eine gefühlte Ewigkeit später verlassen wir, erleichtert dem Gedränge entrinnen zu können den Gemüsestand und schlendern Richtung Bäckerei. Charlotte hatte die ganze Zeit so brav gewartet, dass sie nun auf ihre Belohnung nicht auch noch warten sollte.
Mit der Rolltreppe machen wir uns auf den Weg ins Untergeschoss zu 'Cupcake Stories'.
"Lecker!", ruft Charlotte und stürmt, kaum das die Rolltreppe im Boden versinkt los in Richtung Konditorei.
"Hey, warte!", ruft Max laut hinter ihr her. Natürlich umsonst. Sofort stürmt er hinter ihr her. Ich kann ihn verstehen. Ich würde auch Panik kriegen, wenn mein Kind in einem solchen Tohuwabohu untertauchen würde. Rasch folge ich den beiden in Richtung der weißen mit künstlichen Tannengirlanden und Weihnachtssternen dekorierten Bogenfenstern. Ich achte so darauf Max nicht aus den Augen zu verlieren, dass ich sensibel wie ein Pflug, mich durch die Menschenmasse kämpfe. Wie nicht anders zu erwarten war pralle ich sogleich mit der Schulter mit einer blonden Frau zusammen. "Hey, was soll das? Hast du keine Augen im Kopf?", brüllt diese mich an.
Entschuldigend murmle ich etwas und sehe ihr ins Gesicht. Was für ein Zufall, Emely.
"Was tust du denn hier?", fragen wir beide wie aus einem Mund.
Lachend umarmen wir uns.
"Max, sieh doch mal wer hier ist!", rufe ich Max hinterher der jetzt, mit Charlotte an der Hand wieder in der Tür des Cafés auftaucht. Kaum das sie sie erkannt hat stürmt Charlotte auf ihre neue Freundin zu. Zögernd folgt ihr Vater ihr.
"Hallo Emely!", ruft die Kleine erfreut.
"Hey. Wen haben wir denn da? Du bist ja auch hier.", freut sich Em. Liebevoll geht sie in die Hocke und umarmt sie zur Begrüßung.
"Wir sind mit Miss Spencer hier.", erklärt sie unnötigerweise, "Wir kaufen ein." Auch diese Tatsache erklärt sich von selbst in anbetracht der Umgebung.
"Ach so.", erwidert Em freundlich. Sie richtet sich wieder auf um Max ebenfalls zu begrüßen. Allerdings nicht mit einer Umarmung, wie bei Charlotte. Er scheint über die Begegnung nicht unerfreut zu sein. Lächelnd erwidert er die Begrüßung.
"Was habt ihr vor?", fragt Emely nun mich.
"Also gerade wollten wir etwas naschen gehen.", erkläre ich und deute mit einem Kopfnicken auf die Konditorei.
"Wahnsinn! Da komme ich gerade her.", freut sie sich.
"Aha. Warst du bummeln?", frage ich betont freundlich. Was ist nur in sie gefahren? Emely ist doch sonst nicht so euphorisch mich zu sehen. Oder sollte es an Max Anwesenheit liegen? Grinsend lasse ich meinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
"Soll ich euch begleiten?", fragt sie gerade und sieht ihn statt meiner an.
"Oh ja!", jubelt Charlotte von unten, "Das wäre toll!" Sofort greift sie nach Emelys Hand und versucht sie zum Eingang zu zerren.
Max scheint diesem Vorschlag ganz und gar nicht abgeneigt zu sein. Er lächelt peinlich berührt.
Ich werde scheinbar gar nicht mehr gefragt. Aber mir ist es recht. Jetzt, wo Max sich keine Hoffnung mehr auf mich machen kann, würde ich mich freuen, wenn er in Emely eine neue Romanze finden würde.

Wenig später sitzen wir an einem der süßen rechteckigen Tischchen. Eine Bedienung fragt nach unseren Wünschen. Als sie wieder verschwunden ist nehmen wir unsere Unterhaltung wieder auf. Ich war gerade dabei Emely von meinen neuesten Schulprojekten zu erzählen. Scheinbar interessiert hört sie mir zu, obwohl solche Themen sie früher nicht die Bohne interessiert haben.
Charly wirft immer wieder einen Kommentar ein, was Em widerum zum lachen bringt. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich.
"Und was habt ihr sonst heute noch vor?", fragt Emely nachdem einen kurzen Moment Schweigen geherrscht hat.
"Also ich will nachher ...", "Nichts.", sagen Max und ich gleichzeitig.
Mit vor Erstaunen hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an.
"Habt ihr Lust auf eine Tour ins Natural History Museum?", schlägt meine Schwester allen Ernstes vor.
"Au ja!", schreit Charly und fängt sich damit pikierte Blicke vom Nachbartisch ein, "Dinos."
Max lacht und fährt sich mit der Hand durch das kurze blonde Haar. Emely beobachtet ihn fasziniert.
Grinsend bemerke ich, dass ich heute leider keine Zeit dafür habe. "Ich will für Tom kochen."
Emely sieht mich entrüstet an und meint, "Das kannst du auch noch später machen."
Seit wann lasse ich mir von ihr meinen Tagesablauf diktieren?
"Nein.", sage ich bestimmt. "Er ist noch bei einer Beerdigung. Ich schaffe das sonst nicht rechtzeitig bis er zurück ist. Es soll ja eine Überraschung sein."
Sie zuckt lässig die Schultern, "Musst du ja wissen ob du dein Leben von einem Mann diktieren lassen willst."
Das muss sie gerade sagen.
Genervt runzel ich die Stirn.
"Oh, Miss Spencer, bitte bitte!", bettelt Charly.
"Ich könnt doch auch allein. ...", versuche ich einen weiteren Versuch mich zu drücken.
"Ich bin nur heute noch in der Stadt.", fährt mir Emely über den Mund, "Ich verreise morgen."
"Ach so?", hake ich neugierig nach, "Bald ist doch Weihnachten."
"Ja, in zwei Wochen. Und bis dahin brauche ich noch Entspannung. Diesen Stress stehe ich sonst nicht durch.", setzt sie mich mit gespielter Theatralik in Kenntnis.
"Studentin müsste man sein.", murmle ich.
"Tja, wer kann, der kann.", lacht sie und sieht nacheinander Charly und Max an.
Ich nehme mir noch einen Moment zum überlegen und sage schließlich zu dem Museumsausflug zu.
Die Bedienung bringt unsere Bestellung und dann hört man an unserem Tisch erstmal nur noch genussvolles Schweigen. Außer Emely, die, da sie bereits vorher hier geschlemmt hat jetzt nur noch eine heiße Schokolade trinkt.

"Bevor es los geht müsste ich noch schnell verschwinden.", erkläre ich ausweichend und deute wage mit dem Kopf in Richtung Kundentoiletten.
"Ist gut. Ich übernehme derweilen die Bezahlung.", verkündet Max großzügig.
"Danke.", murmle ich und erhebe mich.
Im hinteren Bereich des Cafés treffe ich auf eine kurze Warteschlange. "Selbst hier.", stöhne ich leise.
Während ich warte sehe ich mir die Leute an. Den wenigsten ist die Vorfreude auf Weihnachten anzusehen. Die meisten wirken gehetzt und ausgelaugt. Ein Kerl mit hochrotem Kopf und dick wattierter Winterjacke maschiert an der Schlange der Frauen vorbei und verschwindet auf der Herrentoilette. "Typisch, bei denen ist es wieder mal leer.", denke ich genervt.
Kurz darauf öffnet sich die Tür erneut und ein anderer Mann tritt in den Gang hinaus. Sofort durchzuckt mich ein Gefühl des Wiedererkennens. Aber woher sollte ich den Typen kennen?
Immer noch grübelnd komme ich etwas später zurück zu den anderen, die warten bereits mit angezogenen Mänteln auf meine Rückkehr warten.
"War wohl voll da drin, was?", fragt Emely grinsend.
Ich nicke stumm.
Max hält mir, ganz der vollendete Gentleman die Jacke hin und hilft mir sie anzuziehen. Ob er das auch bei Emely getan hat?
"Danke. Auch dass du die Rechnung beglichen hast!", flüstere ich.
"Gern.", lächelt er.
Mit Charlotte an der Hand verlässt er uns voran die Konditorei.

 

Tom

 

Ariella und Peter treffe ich auf dem Besucherparkplatz des Friedhofs. Dieser war bereits gut besucht. Überall standen geparkte Wagen und dunkel gekleidete Menschen herum. Nicht alle gehören selbstverständlich zur Trauergesellschaft MacAvory.
"Hallo Tom.", grüßt Ariella.
Peter belässt es bei einem Nicken.
Ich grüße beide zurück und gemeinsam gehen wir durch das imposante Eingangstor aus Sandstein. Immer den anderen Trauergästen nach. Der dunkle Asphaltweg glänzt vor Feuchtigkeit. Den ganzen Morgen schon nieselt es den berühmten Englischen Nieselregen. "Blödes Wetter um zu sterben.", murmelt unsere Kollegin.
Entsetzt sieht Peter sie an, "Es ist ja nicht so, als hätte James es sich so ausgesucht.", ätzt er.
Peinlich berührt blickt sie auf ihre Füße hinunter. "Stimmt. Natürlich nicht.", murmelt sie.
Ich lege ihr tröstend eine Hand auf den Rücken. In ihrem dunklen Kostüm sieht sie ziemlich scharf aus.
"Oh gott, was denk' ich denn da?", stelle ich entsetzt fest.
Unser Ziel führt uns direkt auf die Kapelle zu. Die dunklen Grabsteine und die kahlen Bäume links und rechts wirken seltsam einschüchternd. Vor dem gotischen Portal der Kirche stehen bereits viele Leute. Bunte Regenschirme bilden einen angenehmen Kontrast zu den dunklen Kleidern und der trüben Stimmung. Falkner hat und drei entdeckt, entschuldigt sich bei seinem Gesprächspartner und kommt direkt auf uns zu. In seiner Ausgehuniform behängt mit dem typischen Lametta wirkt er aus unsereins eindrucksvoll. Sofort nehmen wir Haltung an.
"Guten Morgen.", grüßt unser Boss betreten.
"Guten Morgen, Sir.", grüßen wir zurück.
"Ein Mistwetter wie es im Buche steht.", verurteilt er das Wetter, weil irgendwas muss man ja sagen.
Wir nicken stumm.
Mittlerweile wurde das Portal von innen geöffnet und die ersten Gäste flüchten vor dem Nieselregen ins Innere. Geschlossen folgen wir ihnen.
Jeder sucht sich einen freien Platz, wobei Falkner als einer der höher gestellten Beamten weiter vorn in der zweiten Reihe platz nimmt. Vor ihm sitzen nur noch die Angehörigen von MacAvory.
Von hinten kann ich einen jungen Mann erkennen der, scheinbar von seiner Trauer überwältigt Mühe hat auf der Kirchenbank sitzen zu bleiben. Neben ihm, ihm tröstend einen Arm um die Schulter gelegt sitzt eine Dame die ich für die Mutter des Toten halte. Den Ehemann dazu kann ich nirgends entdecken. Vorn am Altar werkelt inzwischen der Priester herum. In der Mitte, von weißen Lilien umrahmt steht eine goldene Urne sowie ein gerahmte Foto unseres Kollegen in Uniform.
"Darf ich mich setzen?"
Erschrocken zucke ich aus meinen Gedanken auf. Vor mir, im Gang steht der mir bekannte Gerichtsmediziner Robinson im dunklen Ausgehanzug. Ein freundlicher Farbklecks bildet seine rote Krawatte.
Erstaunt murmle ich, "Aber sicher doch."
Sofort rutschen Peter, Ariella und ich ein wenig weiter um dem Arzt platz zu machen.
"Ich hätte nicht erwartet Sie hier zu sehen.", gebe ich verwundert zu.
"Ich war es der den jungen Mann sein letztes Geleit gegeben habe.", erklärt er ausweichend.
"Verstehe.", murmle ich verständig.
"Dazu war er Polizeibeamter. Daher hielt ich es für meine Pflicht heute hier zu erscheinen.", erklärt er feierlich.
In diesem Moment wird die Tür hinter uns geschlossen und Musik setzt ein. Während des Gespräches habe ich gar nicht mitbekommen, dass mittlerweile alle Trauergäste ihre Plätze eingenommen haben. Die vordere Bank war voll besetzt. Auch MacAvory's Vater saß inzwischen neben seiner Frau, vorn ganz nah bei seinem Sohn.
Ein Organist spielt 'I dreamed a dream'. Als alle sich geschlossen erheben, stehe auch ich auf. Der Gottesdienst beginnt.

"Und mit den Gedanken und Erinnerungen an James werden wir ihn nun gemeinsam zu seiner letzten Ruhestätte begleiten. ", beendet der Priester feierlich die Beerdigung als solches.
Die Orgel beginnt die ersten Takte von 'Memory' zu spielen. Alle erheben sich und sehen betreten und mit teilweise feuchten Augen zu wie die Urne von James MacAvory von einem Kirchendiener mit feierlicher Miene durch das Kirchenschiff hinaus getragen wird.
Erst nachdem die meisten die Kapelle verlassen haben, erheben auch wir vier uns und folgen dem Tross. Die Klänge der Orgel begleiten uns noch eine Weile weiter. Ansonsten herrscht eine gespenstische Stille. Als wäre die Welt stehen geblieben, nur diese Gruppe hätte die Erlaubnis weiter zu existieren.
Ariella, die auch jetzt wieder neben mir geht schnieft verdächtig. Klar, sie ist eine Frau und damit nah am Wasser gebaut. Zuvorkommend reicht Doktor Robinson ihr ein Stofftaschentuch, dass sie mit einem dankbaren Lächeln annimmt. "Danke.", schnieft sie, "Erinnerungen, die sind es doch die uns von ihm bleiben oder?"
"Natürlich.", stimme ich leise zu und streichle ihre Schulter.
"Wer könnte ihn vergessen?"
Ich sicherlich schon, denn all zu viel hatte ich mit dem Kollegen MacAvory nicht zu tun. Doch Miller, die mit ihm die Ausbildung durch gestanden hat, hat da ganz andere Erinnerungen.
Der Weg ist nicht weit. Der Geistliche und der Kirchendiener stehen neben einem frisch ausgehobenen Grab. Die dampfende dunkle Erde liegt in einem Haufen etwas abseits. Pietätvoll hat man ihn mit einer grünen Plane abgedeckt.
Die Priester wartet bis sich alle um das Grab versammelt haben, wobei darauf geachtet wird den Angehörigen genug Freiraum für ihre Trauer zu lassen. Ehe er mit einem abschließenden Gebet James sterbliche Reste der Erde übergibt, spricht der Lebensgefährte von James ein paar persönliche Worte. Es ist das erste Mal, dass ich ihn heute etwas sagen höre und so schnell werde ich seine Worte auch nicht vergessen, "Ohne dich leben zu müssen, ist schwer - ohne deine ewige Liebe weiterzumachen dagegen unmöglich." Er wendet sich erschüttert von seinen eigenen Worten und dem Erlebten ab und schnäuzt sich geräuschvoll in ein Taschentuch. Eine ältere Dame, sicher seine Mutter, nimmt ihn tröstend in den Arm.
James Mutter lässt einen erstickenden Laut vernehmen und bricht gestützt von ihrem Mann am Grab ihres einzigen Kindes zusammen. Ich kann kaum noch hinsehen. Mein Magen krampft sich unangenehm zusammen. Richtiggehend übel ist mir. Miller schnieft und auch Halliway wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Ich werde ganz sicher nicht vor den Augen aller hier anfangen zu heulen.
Ehe ich mich blamiere folge ich Robinson hinüber zu der Familie um ihnen meine Beileidsbekundung auszudrücken. Anschließend warte ich bis auch meine Kollegen dies erledigt haben.
Würdevoll ziehen wir uns zurück und verlassen damit den City of London Cemetery um James MacAvory seinem neuen Zuhause zu überlassen.

 

Charlotte

 

Und gerade als ich im Saal der Säugetiere vor dem ausgestopften Modell des Nilpferdes stehe, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Plötzlich weiß ich wieder woher mir der Kerl vorhin im Café bekannt vorkam.
Eilig sehe ich mich nach Max um. Er steht, zur Abwechslung mal nicht direkt neben Em vor einem Diorama das den Lebensraum der Steinböcke darstellt. Mit schnellen Schritten gehe ich zu ihm und raune, "Es ist was passiert."
Erstaunt sieht er auf mich herunter, "Was ist?"
"Ich bin vorhin einem Kerl begegnet ..."
"Ja und ich einer Tussi. Und?", herrscht er mich an.
Erstaunt ziehe ich die Augenbraue hoch. "Ich mach' keine Witze. Vorhin im Café bin ich bei den Toiletten einem Kerl begegnet. Zuerst konnte ich sein Gesicht nicht einordnen, doch jetzt ..."
"Jetzt ist es dir wieder eingefallen?", hakt er nun deutlich interessierter nach. "Hat er etwas mit deiner Entführung zu tun?"
Der Mann ist ein Schnellmerker.
Ich nicke heftig. "Ja genau. Er war der Abschleppwagenfahrer der mich damals ... damals in den Hinterhalt geführt hat. Der mich abgeschleppt hat.", versuche ich stammelnd meine Erinnerung zu beschreiben.
Max scheint zu verstehen und nickt. "Verstehe. Hat er dich erkannt?"
Ich schüttle leicht den Kopf. "Ich denke nicht. Oder zumindest hat er sich nichts anmerken lassen."
"Okay."
In diesem Moment, ehe er noch etwas sagen kann tritt Emely hinter uns und sagt, "Scheint ja äußerst interessant zu sein. So intensiv wie ihr euch darüber unterhaltet."
Ich drehe mich um und frage verständnislos, "Was?"
Sie deutet mit dem Kinn auf das Diorama, "Das Leben der Steinböcke."
Erleichtert seufze ich aus. Ich kann mir auch nicht erklären weshalb ich froh bin, dass meine Schwester nichts von unserer Unterhaltung mitbekommen hat. Irgendwie möchte ich sie nicht ins Vertrauen ziehen.
"Ja, äußerst interessant.", springe ich daher gern auf diesen Zug auf. "Oder wusstest du, dass die Alpensteinböcke sogar bis in einer Höhe von 3500 m leben können?", fordere ich sie heraus.
Emely zieht eine beleidigte Schnute und schweigt.
Um mich dieser unangenehmen Situation zu entziehen behaupte ich wieder auf die Toilette zu müssen.
"Wir warten auf dich beim T-Rex.", erklärt Max. Er weiß ganz genau, dass ich einige Zeit benötigen werde um zurück zu kehren. Die Toiletten befinden sich in diesem Museum tief unten im Keller.
Um dorthin zu gelangen muss ich zunächst einmal den gesamten Säugetiersaal durchqueren und im Treppenhaus ganz nach unten steigen.
"Ist gut. Bis gleich.", rufe ich über die Schulter und gehe davon.
"Tschau.", ruft Emely.

Untypischerweise ist die Toilette hier kaum frequentiert. Nur eine weitere Dame besucht die Örtlichkeit neben mir. Während ich in der Kabine bin höre ich sie die Toilette verlassen.
Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe ziehe ich die schwere Tür zum Treppenhaus auf und gehe hindurch. Es ist dunkel. Erst als ich einen Schritt hinaus in den Gang getan habe, springt das grelle Neonlicht an und erhellt flackernd das Treppenhaus.
Schnellen Schrittes steige ich die Stufen hinauf. Mit einem mal habe ich das Gefühl nicht allein zu sein. Natürlich nicht. Schließlich ist hellichter Tag und das Museum gut besucht. Doch irgendwas, eine Präsenz oder ein Gefühl lässt mich eine Gänsehaut bekommen. Eine Tür klappt zu. Aufgeschreckt durch den leisen Knall zucke ich zusammen und erstarre für einen Moment.
Noch eiliger als vorher laufe ich die Treppe hinauf.
Schritte. Von unten. Hinter mir.
Mein Herz hämmert, der Atem geht stoßweise. Wo ist Max wenn man ihn braucht? Ach ja, der ist heute ja abgelenkt von meinem Schwesterherz.
In meiner Eile stolpere ich über die letzte Stufe und falle auf die Knie. "Mist!", fluche ich leise.
"Miss Steel.", ruft in diesem Moment Charlotte's zarte Kleinmädchenstimme einen Treppenabsatz über mir. Ich, krampfhaft am eisernen Treppengeländer festhaltend habe mich gerade erst aufgerappelt, als sie auch schon lächelnd vor mir steht. "Ich muss auch mal auf die Toilette. Daddy meint, Sie könnten vielleicht nochmal mit mir hingehen?", eröffnet sie mir.
Klar, er selbst kann seine Tochter nicht auf die Damentoilette begleiten.
Aufmerksam lausche ich nach den Schritten, doch jetzt sind keine mehr zu hören. Ist jemand an mir vorbei gekommen? Nein, ich denke nicht.
"Ähm ... aber klar doch. Komm, Süße!", stammle ich und reiche ihr meine Hand. Mit meiner Namensvetterin an meiner Seite fühle ich mich schon viel mutiger. Gemeinsam steigen wir die Stufen wieder hinunter.
Wieder höre ich eine Tür klappen.
Meines Wissens sind hier unten nur die Besuchertoiletten. Doch sicherlich könnten auch andere Türen abgehen, die ich bisher immer nur übersehen habe, weil sie mich nicht interessiert haben.
Kein Mensch ist zu sehen. "Bist du ganz allein den ganzen Weg hier her gegangen?", staune ich.
"Klar doch.", erwidert sie selbstbewusst.
Jetzt staune ich noch mehr. Ich denke, das hätte ich mich nicht getraut in ihrem Alter.
Einige Minuten später sind wir zurück im Säugetiersaal.
"Na, alles gut gegangen?", fragt Max und streicht seiner Tochter sanft mit der Hand über das blondgelockte Haar.
"Sicher.", murmle ich. "Wo ist denn Emely?"
"Die musste plötzlich los.", meint er und rennt schon wieder Charly hinterher die zu dem Diplodocus Skelett gelaufen ist.
Eilig folge ich ihnen. "Wie, sie musste los? Und sie hat es nicht mal für nötig gehalten sich von mir zu verabschieden?", echauffiere ich mich.
Max bleibt stehen und sieht mich an. "Sie hat gesagt, dass du dich mächtig aufregen wirst.", lacht er, "Sie hat scheinbar Spaß daran sich dein verärgertes Gesicht vorzustellen."
Ja, das klingt nach meiner kleinen Schwester. Ein Ekel wie es im Buche steht. Schon immer war sie fies zu mir.
"Sie hat mir sogar aufgetragen, ihr zu schreiben und ihr dein Gesichtsausdruck zu beschreiben.", erklärt er mir ihren perfiden Plan.
Wütend schnaube ich laut und verschränke meine Arme vor der Brust.
Max zieht mich in eine Umarmung, "Ach komm, sei nicht böse!" Er haucht mir einen Kuss auf den Scheitel. "Spaß beiseite. Tatsächlich war es so, dass sie los musste um ihre Koffer zu packen. Du erinnerst dich, sie fliegt morgen in den Urlaub."
Verwundert beuge ich mich zurück. Die erste Version klingt eher nach meiner Schwester. Aber gut. Dann stört sie jetzt wenigstens nicht mehr.
"Na gut. Dann ist es eben so. Ehrlich gesagt bin ich von ihr kein gutes Benehmen gewohnt."
"Echt nicht?", wundert er sich, "Bei deinem Elternhaus? Ich erinnere mich an stenge Regeln, das eingemeißelte Familienmotto im Wohnzimmerkamin und einen Vater die wirkt als würde er in seinem Arbeitszimmer keine Akten, sondern Peitsche und eine eiserne Jungfrau verstecken.", scherzt er theatralisch.
"Ha ha ha. Ja, sehr lustig." Spielerisch schlage ich nach seinem Oberarm. "Komm lieber mit deine Tochter suchen! Nicht das sie noch vom Diplodocus gefressen wird."
"Das hätte selbst vor 150 Millionen Jahren nicht geschehen können.", lacht er, lässt sich aber von mir mit ziehen, "Der war Pflanzenfresser."

 

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Das war ein anstrengender Tag. Jeden Tag das selbe. Immer muss ich mich mit Idioten herum schlagen. Im Gehen ziehe ich mir meinen Mantel über und schlinge meinen Schal fest um den Hals. Durch die hohen Glastüren im Erdgeschoss sehe ich, dass es bereits dunkel geworden ist. Eilig haste ich aus dem Gebäude. Zum Glück steht mein Wagen nicht weit entfernt. Mittlerweile war es empfindlich kalt geworden. Eisiger Wind peitscht mir ins Gesicht. Der feine Sprühregen machte es nicht angenehmer. Sonne und Wärme, das wär's jetzt. Aber zuerst muss ich hier noch was erledigen.
Kaum sitze ich im Wagen ziehe ich mein Smartphone aus der Tasche.
Mit ein paar klicks wähle ich seine Nummer.
"Und?", frage ich neugierig, kaum das er dran ist, "Berichten Sie!"
"Nix und."
"Was soll das heißen, haben Sie es versaut?"
"Ich?"
"Na wer denn sonst, Sie Trottel?", schreie ich. "Woran hat's gelegen? Sie hatten Sie doch fast dachte ich."
"Ja, die Betonung liegt auf fast. Ich stand schon hinter ihr, als ein Kind kam und sie ablenkte.", versucht er sein Versagen zu erklären.
"Ein Kind? Was hatte das Kind dort zu suchen? Es hat Sie aber nicht beobachtet oder?" Ein weiterer Zeuge wäre ungüstig.
"Nee."
"Gut.", erleichtert atme ich aus. "Und wie gedenken Sie nun vorzugehen? Ich kann Ihnen nicht versprechen, sie Ihnen noch ein weiteres mal auf dem Präsentierteller präsentieren zu können."
Verzweifelt über seine Unfähigkeit fahre ich mir durch die Haare. Wieder einmal blieb alles an mir hängen.
"Alles wäre viel leichter, wenn sie nicht rund um die Uhr bewacht werden würde.", meint er.
"Bewacht?", echoe ich verständnislos.
"Der Cray bei dem sie wohnt, ist ein verdammter Agent des MI 6."
Das ist mir neu. "Etwa Tom Cray?", frage ich fassungslos. "Sie wohnt bei ihm?"
Er schnaubt. Sicher zweifelt er jetzt an meinem Hörvermögen. "Ja, sag ich doch. Ich kenn den Kerl. Beinahe hätte ich den mal aufs Korn genommen. Als Dank hat er mir eine hübsche kleine Narbe als Andenken da gelassen."
Keine Ahnung wovon der Kerl schwafelt.
"Tom kenne ich. Mit dem war sie schon damals zusammen.", setze ich ihn ins Bild. "Neu ist mir nur, dass sie zusammen wohnen."
"Hm.", brummt er nur.
Schweigen auf beiden Seiten der Leitung während ich krampfhaft darüber nachdenke wie man Charlotte Spencer erfolgreich aus dem Leben befördern kann.
"Ich melde mich wieder.", sage ich und lege auf.

 

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Kapitel 50

 

Charlotte

 

"Ich muss los, Schatz.", ruft Tom aus dem Treppenhaus.
Eilig laufe ich die Stufen hinunter um ihm einen Abschiedskuss zu geben. Eigentlich passte es mir gar nicht, dass er heute, an einem Sonntag arbeiten musste. Aber der Mord an seinem Kollegen war noch immer unaufgeklärt und der Chef macht wohl Druck.
"Ich vermiss' dich jetzt schon!", maule ich und schiebe die Unterlippe vor. Versuchen konnte ich es ja.
"Ich weiß.", brummt er, nimmt mein Kinn in die Hand und hebt es sanft an, damit er mich auf den Mund küssen kann. "Ich dich auch. Aber es muss sein." Grinsend zieht er den Kopf etwas zurück und sieht mich an. "Aber ab nächster Woche gehöre ich ganz dir. Da hab ich Urlaub."
Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. "Stimmt ja.", freue ich mich ehrlich. Sogleich folgt die Ernüchterung. Weihnachten steht vor der Tür. Ich habe noch kein einziges Geschenk besorgt. Mist!
"Na siehst du.", raunt er und küsst mich erneut. "Dann gehöre ich nur dir und du kannst mit mir tun und lassen was du willst.", raunt er lächelnd an meinem Mund.
Die Vorfreude übermannt mich jetzt schon. "Da freu' ich mich drauf! Und ich verspreche dir, mir etwas ganz besonderes einfallen zu lassen."
Immer noch grinsend zieht er sich zurück. "Okay."

Nachdem er gegangen ist überlege ich was ich heute tun könnte um mir die Zeit zu vertreiben. Schließlich beschließe ich das Haus ein wenig auf Fordermann zu bringen. Das habe ich seit ich wieder arbeiten gehen schließen lassen. Und jetzt, wo in diesem Haus eine Frau lebt, finde ich, sollte man es dem Haus auch ansehen. Das bringt mich auf den Gedanken, dass wir vielleicht auch offiziell zusammenziehen sollten, jetzt wo wir verlobt sind. Und ist in diesem Falle dieses Haus dann groß genug für uns? Schließlich wünsche ich mir Kinder. Wie steht Tom eigentlich zu diesem Thema? Damit und mit weiteren daraus resultierenden Fragen beschäftige ich mich die nächsten zwei Stunden etwa. Danach ist das Haus sauber und ich habe einen Fragekatalog erstellt den ich nächste Woche mit Tom durchgehen will.
Am Kühlschrank gieße ich mir ein Glas Orangensaft ein, als mein Handy irgendwo im Haus klingelt. Hastig, denn der nervtötende Klingelton drängt zur Eile suche ich danach. Ich finde es schließlich auf dem Bett im Schlafzimmer.
"Emely?", murmle ich als ich sehe, dass das Konterfei meiner Schwester auf dem Display erscheint. "Schon wieder?" Sonst meldet sie sich doch auch nur zu besonderen Anlässen.
"Hallo Emely.", grüße ich nachdem ich auf den grünen Hörer getippt habe.
"Hallo Schwesterherz.", kommt es freundlich zurück. Schwesterherz?
"Was gibt's? Ich dachte, du liegst gerade an irgendeinem karibischen Strand und lässt dir die Sonne auf den Bauch scheinen?", erwidere ich nüchtern.
"Schön wär's.", jammert sie.
Voll ins Schwarze getroffen. Ihre Reise musste ausfallen und jetzt heult sie mir die Ohren voll, weil ihre restlichen Freundinnen es sicherlich doch geschafft haben zu verreisen und sie ein offenes Ohr braucht um ihren Frust los zu werden.
"Wegen des Schneesturms letzte Nacht konnte kein Flieger starten.", erklärt sie, "Der Urlaub wurde also gecancelt. Und jetzt dachte ich, weil ja bald Weihnachten ist ..."
"Ja?"
"Na ja, ich hab noch kein Geschenk für die Eltern. Aber ich hab'eine Idee.", beeilt sie sich klar zu stellen.
"O-k-a-y.", sage ich gedehnt. Ich weiß nicht recht weshalb sie mich da anruft. Das hatte sie noch nie getan. "Und was habe ich damit zu tun?"
"Ich dachte an was ... was großes. Wir müssten alle drei zusammenlegen.", erklärt sie, "Aiden, du und ich."
"Verstehe. An was dachtest du denn? Eine Reise?"
"N-nein. Das würde ich dir gern persönlich erklären. Habe auch Material was ich dir zeigen will."
"Okay.", stimme ich zu. "Du kannst herkommen!"
"Nein." Kommt es sofort zurück. "Lass uns lieber im Canary Wharf treffen!", schlägt sie stattdessen vor.
Im Shopping Center?
"Hm.", brumme ich nachdenklich. Ich hatte meinen beiden Männer versprochen nicht unbegleitet aus dem Haus zu gehen.
"Ach komm schon, Charlotte!", bettelt sie, "Tom wird dich doch mal ein paar Stunden entbehren können."
"Der muss arbeiten."
"Umso besser. Dann hast du doch Zeit.", lacht sie vergnügt.
"Ich könnte ja Max bitten uns zu begleiten.", überlege ich. "Ist gut. Ich komme hin.", stimme ich schließlich zu. "Wann?"
"Prima! Sagen wir in einer Stunde?", schlägt Emely vor.
Das dürfte reichen um ihn zu überreden.
"Okay. Bis später. Ich ruf dich an wenn ich angekommen bin." Damit lege ich auf.
Sofort wähle ich Max Nummer. Er nimmt bei dem dritten Klingeln ab. "Charlotte, hallo."
"Hi Max. Ich habe ein Anliegen.", beginne ich zögerlich.
"Hm.", brummt er. Ihm schwant wohl böses.
Ich habe nicht vor ihm von meinem Treffen mit Emely zu erzählen. Das kann ja dann eine schöne Überraschung sein. Besonders für Charlotte. Sie ist ja regelrecht vernarrt in meine Schwester.
"Ich wollte dich fragen, ob du schon alle Weihnachtsgeschenke beisammen hast?", flunkere ich.
"Was?", kommt es kurz angebunden zurück.
"Na, hast du schon alle Geschenke eingekauft?", wiederhole ich meine Frage. "Ich nämlich nicht und da wollte ich dich fragen, ob wir nicht zusammen einkaufen gehen wollen?", schließe ich.
Er schweigt.
"Max? Hast du gehört?"
"Sicher.", brummt er wieder. "Und nein."
"Na dann passt es doch super. Ich könnte auch Charly ablenken wenn du im Auftrag von Santa etwas erledigen musst.", lache ich über meine Kryptische Andeutung.
"Das geht nicht.", sagt er ohne auf meinen Witz einzugehen.
"Aber ...", beginne ich betroffen.
"Ich hab' heut schon eine Verabredung. Tut mir leid. Frag doch Cray!"
"Der arbeitet."
"Ach so. Na dann musst du deine Einkäufe wohl verschieben.", schlägt er vor. Etwas freundlicher fährt er fort, "Auf ein oder zwei Tage kommt es jetzt doch auch nicht mehr an."
Da hat er auch wieder recht, wenn das nicht nur eine Ausrede von mir gewesen wäre.
Dennoch antworte ich mit gespielter Fröhlichkeit um meine Enttäuschung zu überdecken, "Da hast du natürlich recht. Okay. Dann wünsche ich dir einen schönen Tag! Bis bald." Und ich lege auf.
Was soll ich jetzt bloß machen? Da fragt mich meine Schwester einmal ob wir zusammen etwas unternehmen wollen und ich soll sie enttäuschen? Aber Tom habe ich auch ein Versprechen gegeben. Während ich noch über meine Zwickmühle nachdenke beginne ich mich ausgehfertig zu machen.
Und damit steht meine Entscheidung fest. Ich treffe mich mit Emely im Einkaufszentrum. Schließlich bin ich nicht allein. Und in Begleitung wird man mir schon nichts antuen.

 

Max

 

Ich hatte wirklich keine Lust heute schon wieder ihr Babysitter zu sein. Wie gut es da gepasst hat, dass ich mich vorhin bereits verabredet habe. Unser erstes Date. Ein Blinddate. Ich werde noch zum Schwerenöter. Natalia habe ich über Tinder gefunden. Eine klasse Frau! Rassiger Typ, blonde lange Haare und stahlblaue Augen. Damit passt sie perfekt in mein Beuteschema.
Zum Glück ist Mrs. Stubs wieder so nett auf Charly aufzupassen. Sein Kind will man beim ersten Date ganz sicher nicht mitschleppen.

Nachdem ich Charly zufrieden, denn ein Ausflug ins Sea Life stand ihr bevor bei der Nachbarin abgegeben habe zog ich mich um und machte mich fertig. Um 14 Uhr wollten Natalia und ich uns an der südlichen Seite der Millennium Bridge treffen.
Ich parke meinen Wagen auf dem Besucherparkplatz am Tate Modern, steige aus und schlendere, warm eingepackt hinüber zur Brücke.

 

Charlotte

 

Ich fahre zu Carnary Wharf und suche inmitten der Bank,- und Geschäftshäuserfluchten nach einem Parkplatz. Allzu schwierig sollte es sich bei der Größe meines Autos nicht gestalten. Dachte ich zumindest. Doch selbst nach einer viertelstunde habe ich noch immer keinen gefunden. Über die Freisprechanlage rufe ich Emely an. Doch es klingelt nur und sie nimmt nicht ab. Vielleicht hört sie im Trubel des Einkaufszentrums ihr Handy nicht?
Schließlich entscheide ich mich dafür in der Tiefgarage der Spencer Bank zu parken und die paar Meilen zum Center rüber zu laufen. Ein schwarzer SUV kommt mir auf der anderen Fahrbahn entgegen. Ich lasse ihn passieren und will rechts in die Tiefgarage fahren, als der SUV mit einem Mal abbremst und ich ihn mit meinem Kotflügel streife. So schnell habe ich nicht reagieren und das Lenkrad noch umreißen können.
"Scheiße!", fluche ich laut.
Da ist der Fahrer auch schon ausgestiegen um sich den Schaden anzusehen. Genervt deutet er zuerst auf die Schramme und dann auf mich. Mit dem Zeigefinger macht er eine eindeutige Geste das ich aussteigen und zu ihm kommen solle. Ich folge und höre mir zunächst geduldig sein Gemeckere an. Gerade als ich ihn fragen will warum er so plötzlich abgebremst hat ertönt ein Hupkonzert der es uns nicht möglich macht uns in ruhe über das weitere Vorgehen zu unterhalten. Mit gestikulieren bedeuten wir uns gegenseitig, dass wir in die Garage fahren um dies dort in Ruhe zu besprechen.
Verärgert steige ich wieder in meinen Mini, schlage scharf das Lenkrad ein und fahre als erstes in die Tiefgarage. Der SUV folgt mir und parkt direkt rechts neben mir in die nächst beste Parklücke.
Ich öffne die Tür, steige aus und will sagen, "Es tut mir leid.", da wird mir von hinten etwas vor den Mund gedrückt. Ich schmecke Stoff und rieche einen unangenehmen Geruch.
"Was? ...", kann ich noch keuchen ehe mir in sekundenschnelle die Sinne schwinden. Das letzte was ich sehe, als ich den Kopf nach dem Angreifer drehe ist der Mann den ich als Abschleppwagenfahrer kenne.

 

Max

 

Schon viertel nach zwei und keine junge Frau die so wie die auf dem Tinder Foto aussieht zu sehen. Das wundert mich aber auch nicht. In dieser Stadt. Bei diesem Verkehr. Trotz des der Winterzeit ist die Stadt mit Touristen überbevölkert. Die wollen wohl alle nochmal herkommen ehe der Brexit vollzogen wird.
Fröstelnd schlinge ich die Arme um meine Mitte und lehne mich an das eiskalte Metall Geländer der Brücke. Tief unter mir kriecht das braune Wasser dahin. Ein Ausflugsdampfer nähert sich. Sogar zu dieser Jahreszeit zieht es die Leute auf's Wasser.
Mein Handy meldet sich in meiner Hosentasche. Es ist Goldstein. Sicher mit seinem täglichen Bericht. Etwas früh. Normalerweise telefonieren wir Abends um die Ereignisse des Tages abzusprechen. Auch in den letzten Tagen war ihm und seiner Freundin / Detektivkollegin ein Mann aufgefallen der Charly nachstellt. Aber außer das sie beobachtet wird war nichts nennenswertes geschehen.
"Hey, ist es denn schon Abend?", frage ich daher als erstes als ich das Gespräch entgegen nehme.
"Nee, natürlich nicht.", lacht Goldstein, "Aber ich wollte dir mitteilen, dass wir an ihr dran sind. Du brauchst nicht besorgt zu sein."
"Besorgt?", frage ich verwundert, "Warum sollte ich?"
"Miss Spencer ist vor einer halben Stunde losgefahren Richtung Innenstadt."
Ich kann nicht glauben was ich da höre. Sie hatte uns doch versprochen nicht ohne Schutz raus zu gehen.
"Sie ist was?", hake ich daher ungläubig nach.
Langsam, als hätte er den Verdacht mein Hirn sei eingefroren, wiederholt er laut und deutlich, "Charlotte Spencer hat vor 30 Minuten das Haus verlassen und fährt Richtung Innenstaddt." Im Hintergrund höre ich wie eine weibliche Stimme ruft, "Jetzt fährt sie Richtung Bankenviertel."
"Canary Wharf?", frage ich ungläubig. "Das ist ja ganz in der Nähe.", füge ich in Gedanken hinzu.
"Ja genau.", bestätigt Goldstein. "Keine Angst. Wir sind an ihr dran. Ich wollte dir nur sagen, dass sie es mit euern Regeln nicht all zu ernst nimmt."
"Sie hatte mich vorhin angerufen und gefragt ob ich mit ihr shoppen gehe. Ich konnte nicht.", setze ich ihn ins Bild was ihn wohl jetzt erwarten wird.
Wie erwartet ruft er entsetzt, "Shoppen? Etwa in einem Center?"
"Ich befürchte es.", gebe ich kleinlaut hinzu. Charlottes Verhalten ist mir derart peinlich, dass ich sie am liebsten sofort suchen und zur Rede stellen möchte.
Nach kurzem Schweigen meint Goldstein, "Okay. Dann ist es eben so. Ich leg jetzt auf. Wenn's was neues gibt, melde ich mich bei dir."
Damit war unser Gespräch beendet. Ich wütend stopfe ich mein Smartphone zurück in die Hosentasche. Ein schweifender Blick sagt mir, dass während meines Telefonats keine hübsche Blondine sich genähert hat. Ich lehne mich wieder an das Geländer und starre hinunter in die Themse als würde mir der Fluss das leichtsinnige Verhalten von Charlotte erklären.
Als ich mit einem Mal angesprochen werde, zucke ich erschrocken zusammen. "Max?", fragt eine junge weibliche Stimme.
Ich wende mich um und vor mir steht Emely. Charlottes Schwester. Na toll. Obwohl sich meine Freude in Grenzen hält begrüße ich sie um Freundlichkeit bemüht, "Oh hallo, Emely."
"Das ist ja ein Zufall.", bemerkt sie erfreut das Offensichtliche.
"Hm."
"Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?", fragt sie mit verwundert hochgezogenen Augenbrauen.
"Ja.", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Noch immer bin ich so sauer, dass ich meine Gefühle kaum zügeln kann. Jedoch überwiegt die Sorge um Charlotte die Wut auf sie.
"Darf ich fragen was?", flüstert sie fast.

Ich kann ihr wohl kaum meine Wut auf ihre Schwester erklären, daher lüge ich, "Ich war verabredet und wurde versetzt. Typisch Blind Date eben.", füge ich mit einem Schulterzucken hinzu.
Da wirft sie lachend den Kopf in den Nacken und ruft, "Dann geht es dir wie mir. Auch ich war für 14 Uhr verabredet und wurde scheinbar versetzt."
"Wieso glaubst du das? Es ist doch erst 14:35 Uhr.", murmle ich mit einem Blick auf meine Armbanduhr.
Skeptisch zieht sie die Stirn kraus, "Also ich habe die Erfahrung gemacht, wenn dein Date nach dreißig Minuten noch immer nicht da ist, kommt er auch nicht mehr."
"Und du meinst das kann man auch auf Frauen münzen?", hake ich lächelnd nach.
Emely nickt heftig. "Ja klar."
"Aber Frauen kommen doch gerne mal zu spät.", stelle ich fest, "Wenn ich da an meine Frau denke."
Verwundert hält sie inne und sieht mich an. Ihr blondes langes Haar weht in der leichten Brise die gerade über uns hinweg fegt. "Frau?", fragt sie.
"Ähm ja, ich bin verheiratet. Noch. ..."
"Ach so." Kommt es mir nur so vor oder ist sie wirklich erleichtert?
"Sie hat mich verlassen. Und mich und Charlotte sitzen lassen.", erkläre ich es genauer.
"Verstehe.", murmelt sie. "Und jetzt wolltest du einen neuen Anlauf starten?"
"Nein. ... Ja.", stammle ich. "Also nicht mit ihr. Sie ist es nicht die mich hier heute versetzt hat. Ich hab'da jemanden kennengelernt."
Emely grinst. "Was hältst du davon, wenn wir zwei uns zusammentun und etwas essen gehen? Dabei kannst du mir von ihr berichten.", schlägt sie mit einem aufmunternden Lächeln vor.
Ich sehe mich nocheinmal in alle Richtungen um. Keine weitere Blondine zu sehen auf die Natalia's Beschreibung passen könnte.
Schließlich sage ich zu. Sie war besser als gar keine Begleitung zu haben. Und vielleicht konnte ich ja zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und über sie noch etwas über die Machenschaften von James Spencer herausbekommen?
Fröhlich lachend hakt sie sich bei mir ein und zieht mich plaudernd mit sich Richtung Brückenmitte.

 

Tom

 

"Cray.", höre ich Falkners Stimme durch den Hörer des Telefons.
Gerade noch habe ich an dem Abschlussbericht von der Sache mit dem getöteten Iranischen Botschaftsmitarbeiter gesessen, als das schrille Läuten des Apparats auf meinem Schreibtisch mich aufschrecken lässt.
"Ja, Sir. Was gibt es?", antworte ich mit dem gemessenen Anstand.
"Ein gewissen Chief Inspector Jacobson hat mich vor wenigen Minuten angerufen. Er hat den Fall der moldawischen Kronzeugin bearbeitet. Die Frau war zunächst in eine Klinik gebracht worden und war bisher nicht vernehmungsfähig.", berichtet er.
Ich erinnere mich an Jasmin. Die junge Bedienung aus dem Stripclub. Unsere, von mir gesicherten Kronzeugin gegen Gregorovitch.
"Was hat er gesagt? Gibt's erste Erkenntnisse?", frage ich neugierig.
"Die gibt es in der Tat."
Ich spitze die Ohren.
"Miss Amariei hat die Polizei in der ersten Vernehmung bereits ein gutes Stück weiter gebracht.", erzählt er, "Sie nannte Namen, Verstecke in den die Frauen gefangen gehalten werden bis sie auf die verschiedenen Etablisments aufgeteilt werden und weiteres."
"Das klingt gut. Können die Kollegen das alles bearbeiten oder brauchen sie Hilfe? Ich mein' wenn Sie extra angerufen werden, Sir.", frage ich.
"Gut mitgedacht, Cray. Ja, man möchte tatsächlich, dass wir uns weiterhin der Sache annehmen. Es geht um Internationale Verstrickungen. Damit geht es hauptsächlich uns was an."
"Verstanden."
"Nehmen Sie sich ein zwei Kollegen mit und holen Sie uns Oleksander Iwanow und Mykyta Wolkow hier her!"
"Verstanden, Sir. Wo finde ich die Herren?", hake ich nach.
"Da wo Sie sich bereits gut auskennen dürften, entweder im Casino unseres Freundes Gregorovitch oder in diesem Nacktclub."
Ich schlucke schwer. "Ist gut. Wir machen uns gleich auf den Weg."
"Cray,", stoppt er mich, "Da in der Vergangenheit bereits einige Munition verschossen wurde, rate ich Ihnen in diesem Fall sich dementsprechend auszurüsten!"
Grinsend erwidere ich, "Das hätten wir bei diesen Adressen sowieso getan."
"Ich sehe, wir verstehen uns." Damit legt mein Boss auf.
Ich verschiebe den Berichtsabschluss auf später, stehe auf, greif emir meine Jacke und gehe los meine Kollegen aus ihrer Mittagspause zu holen.

Eineinhalb Stunden später sind wir mit zwei Einsatzfahrzeugen zu den verschiedenen Einsatzorten unterwegs.
Ich fahre mit Miller, Taylor und Parsons zu dem Stripclub. Halliway, Jones und Campbell nehmen sich das Casino vor. Unauffälligkeit ist das Ziel. Aber bei diesen Leuten weiß man nie. Daher tragen wir auch alle unter unserer Alltagskleidung ballistische Schutzwesten. Untereinander und mit Gibson in der Zentrale sind wir verkabelt. Bis auf die Funkprobe ist es still im Wagen, kaum jemand sagt während der Fahrt ein Wort. Alle sind angespannt. Das ist wieder einer dieser Momente, wo der Arbeitstag dein letzter sein kann. Mit den Russen ist nicht zu spaßen. 

Vor dem Club angekommen fahren wir zunächst einmal langsam um das Objekt herum. Von der linken Seite grenzt ein weiteres Gebäude an das Eckhaus mit dem Club. Daneben und darum herum befindet sich der für diese Adresse recht große Kundenparkplatz. Sicherlich war die Adresse früher einmal ein Einzelhandelsgeschäft.
Um diese Uhrzeit war dieser natürlich noch leer. Wir parken als wären wir Kunden, steigen aus und schlendern geschlossen zur Eingangstür. Diesmal steht kein breitschultriger Türsteher davor der uns filzen will.
Ungehindert ziehe ich die unscheinbare Eisentür auf und gehe hindurch. Meine Kollegen folgen mir, darauf achtend, dass Miller hinter mir in der Mitte geht. Sie als Frau hat, trotz unseres besonderen Berufesstandes in unserem Team einen besonderen Stand.
Ein übellaunig aussehender Barkeeper kommt gestikulierend auf uns zu. "Wir haben geschlossen. Könn' se nich' lesen?", herrscht er uns an und versucht uns mit scheuchenden Handbewegungen hinauszuscheuchen. Von sowas lassen wir uns nicht beeindrucken. Synchron zücken wir unsere Ausweise und stellen uns vor. "Tag auch.", grüße ich, "Wir suchen einen gewissen Mister Iwanow sowie einen Mister Wolkow. Wo finden wir die?"
Doch der Mann ist noch ganz geflasht von der Tatsache das gleich vier Agenten in seinem Schuppen stehen. "MI 6?", stammelt er verblüfft.
"Ja genau. Wo können wir Iwanow und Wolkow finden? Wir haben Befehl sie mitzunehmen.", erkläre ich noch ruhig.
"Sind die verhaftet oder so?"
Langsam geht mir der Kerl auf die Nerven! Tut der so blöde oder ist er es tatsächlich?
Beherrscht widerhole ich meine Frage ohne auf seine einzugehen.
"Hier sind die nich'.", erklärt er endlich.
"In Ordnung. Und wo halten sich die besagten Herren für gewöhnlich zu dieser Tageszeit auf?", frage ich weiter. Normalerweise schlafen Leute die nachts arbeiten tagsüber. Und für gewöhnlich tun sie dies in ihren eigenen vier Wänden.
Er zuckt die Schultern.
Ariella neben mir schien nun auch der Kragen zu platzen. Mit einem Mal tritt sie derart schnell auf den Mann zu, dass keiner mehr etwas dagegen tun kann. Pfeilschnell greift sie mit der Hand nach deren Kragen und zerrt seinen Kopf nahe dem ihren. "Jetzt hör mal zu, Freundchen. Wir sind hier und stellen dir ein paar verdammt einfache Fragen. Du Clown kannst es auf die leichte Art und Weise haben oder auf die Harte, Aber ich warne dich! Du willst es nicht mit mir zu tun bekommen wenn ich sauer werde.", zischt sie ihn an. Erstaunt starre ich meine Kollegin an. Parsons reißt ebenfalls die Augen auf. Niemand hatte geahnt was für eine Amazone in ihr steckt.
"Hey hey, is' ja gut.", bettelt der Schleimscheißer.
"Gut.", sie lockert ihren Griff etwas, "Dann gibst du uns jetzt endlich vernünftige Antworten auf unsere vernünftigen Fragen?"
"Ja doch.", stöhnt er.
Ariella lässt ihn los, baut sich aber breitbeinig mit in die Hüften gestemmte Hände vor ihm auf. Abwartend sehen wir ihn an.
"Die s-sind mal hier und mal da.", beginnt er stammelnd, "Um diese Zeit a-aber eher nicht."
"Schon klar. Und wo finden wir sie nun?", werfe ich ungeduldig ein.
Der Barkeeper oder was auch immer er hier für ein Amt bekleidet starrt mich stumm an.
Arielle zischt und er spricht schnell weiter. "Versuchen Sie's mal ..." Er scheint kurz überlegen zu müssen in welche Irre er uns schicken sollte." Schließlich setzt er neu an, "Versuchen Sie es in der alten Fabrik in Southwark."
Wieder einmal Southwark. Gregorovitch scheint eine besondere Affinität zu dem Hafen zu haben.
"Wo genau?", fragt Miller.
Der Typ sagt es uns und ich kann mir nicht helfen, aber es kommt mir so vor als wäre er erleichtert. Fragt sich nur warum? Entweder weil er uns in die völlig falsche Richtung lenkt oder weil er so, wenn wir sie hops nehmen unliebsame Kollegen los werden kann.
"Na geht doch.", sage ich und bedenke ihn mit einem falschen Grinsen. "Und weil Sie ein so angenehmer Zeitgenosse sind, dürfen Sie uns nun begleiten."
Erschrocken zuckt er zusammen und ruft entrüstet, "Was? Warum denn das?"
"Sie waren so freundlich uns zu verraten wo wir Ihre Kollegen finden ..."
"Das sind nicht meine Kollegen.", echauffiert er sich entrüstet. Dacht ich es mir doch - unliebsame Kollegen.
"Wie auch immer.", ich winke lässig ab, "Jedenfalls sind Sie sicher jetzt auch noch so freundlich uns den Weg zu erklären."
"Ich? Äh ... nö." Er nimmt eine Abwehrhaltung an.
Doch wir lassen nicht lange bitten. Wir sagen etwas und es wird getan was wir sagen. So sind wir es gewohnt und so wird es auch hier ablaufen.
Mit gekonntem Griff dreht Parsons ihm den Arm auf den Rücken und ehe der Kerl es sich versieht sind seine beiden Hände hinter dem Rücken mit Kabelbinder fixiert.
Wir verabschiedenen uns bei dem leeren Club. Am Abend würde es hier wieder völlig anders aussehen. Das bringt mich auf den Gedanken: Wo sind eigentlich all die Frauen tagsüber? Ob ihnen Ruhe und Schlaf gegönnt wird oder müssen sie dann im Casino schuften?
In meine Gedanken hinein brüllt unser Freund, "Ihr Schweine! Ich hab nix getan. Ihr könnt mich doch nicht einfach so mitnehmen."
Er windet sich unter Persons Griff, doch der ist solche Allüren gewohnt und greift ihn nur noch fester.
"Was wird denn aus dem Club? Die Tür kann doch nich'so einfach offen bleiben. Das wird Greg ..." Weiter kommt er nicht, da zerplatzt sein Kopf mit einem Mal in eine blutige Masse und die leblose Hülle hängt schlaff an Persons Arm.
Sofort ducken wir uns hinter mögliche Verstecke und sondieren die Umgebung. Nicht das es davon viele gäbe auf dem leeren Parkplatz. Besonders wenn der Schütze auf einem Dach sitzt. Weitere Schüsse fallen. Automatisch, schon beim abrollen und in Deckung gehen haben wir unsere Waffen gezogen.
"Es fallen Schüsse.", brülle ich in mein Mikrofon.
"Was ist los?", kommt es erschrocken von Gibs.
"Wir werden beschossen. Ein Toter.", erstatte ich Bericht.
"Ein Toter?"
"Kein Beamter, der Zeuge."
"Okay. Verstärkung aus PSC und PC sind angefordert.", meldet Gibs.
Ich lasse das unkommentiert und sehe mich um.
Der namenlose Barkeeper bleibt offen auf dem Parkplatz liegen. Ich suche hinter unserem Dienstwagen Deckung und versuche den Schützen ausfindig zu machen. Als ich etwas aus der Hocke hoch komme um im Seitenspiegel des Wagens die oberen Häuserkanten abzusuchen trifft ein Schuss genau den Spiegel in den ich sehe. Scheiße! Das ist ernst. Ich sitze auf dem Präsentierteller.
Im gehockten Gang krieche ich so schnell wie möglich um das Auto herum. "Ein Glück das wir heute nicht mit meinem Wagen fahren konnten!", denke ich, da trifft eine Schussalve die Motorhaube und durchlöchert sie.
"Fuck!", entfleucht es mir. Nach den Kollegen zu rufen ist nicht nur unprofessionell, sondern auch in unserer Branche nicht üblich. Agenten sind es gewohnt allein zu agieren.
Ich sehe keine weiteren Leichen, daher gehe ich davon aus, dass meine Kollegen irgendwo Deckung bezogen haben. Mit der Fotofunktion in meinem Handy suche ich auf dem Boden hinter der Motorhaube gekauert die umliegenden Häuser ab. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Flachbau in dem einmal eine Videothek untergebracht war. Nun scheint das Gebäude verlassen. Die Schaufenster sind von unzähligen Plakaten zugekleistert. Auf dem winzigen Display des Handys kann ich kaum was erkennen, doch an der Dachkante ist eine schnelle Bewegung zu sehen. Etwas blitzt in dem einen Sonnenstrahl der gerade auf unsere gefährlich schöne Stadt scheint auf. Gelobt sei die Sonne! Ich beobachte ihn weiter. Das kann ein schönes Katz und Maus Spiel werden. Wir sitzen hier fest und er muss nur warten bis wir aus der Deckung kommen um uns abzuknallen. Jedoch dürften die Schüsse die umliegenden Geschäftsinhaber aufgeschreckt haben und mittlerweile müssten Streifenwagen der Met auf dem Weg hierher sein. So oft kommt es, Gott lob, ja nicht vor das auf offener Straße Schüsse fallen. Bleibt also abzuwarten. In diesem Moment klingelt mein Handy. Als Antwort trifft ein Schuss den Asphalt neben dem Wagen. Erschrocken zucke ich zurück und nehme das Gespräch entgegen.
"Geht's dir gut?", fragt Ariella.
"Klar doch. Und bei euch?", entgegne ich lässig.
"Persons ist über und über voll Blut. Aber ist nicht seines.", beeilt sie sich anzumerken. "Wir sind um die Ecke rum in einem Hauseingang. Da stand die Tür auf.", erklärt sie, "Ich bin durch's Haus und habe die Anwohner gebeten in ihren Wohnungen zu bleiben."
"Sehr gut. Wo bleibt die Verstärkung?", murmle ich.
Wie auf Bestellung meldet Gibs über Funk, "PSC ist unterwegs. Protection Command hält sich bereit."
"Sehr gut. Danke!", kommentiere ich und lehne den Hinterkopf gegen die Stoßstange.

 

Kapitel 51

 

Charlotte

 

Als ich wieder zu mir komme sitze ich auf einen Stuhl gefesselt inmitten einer leeren Halle. Hilfesuchend sehe ich mich um. Irgendwie habe ich Probleme klar sehen zu können. Sicher eine Nachwirkungen der Betäubung. Irgendwo nehme ich eine Bewegung wahr. Ein Rascheln. Ich versuche mich an dem Geräusch zu orientieren und drehe den Kopf in die Richtung von der ich annehme das es von da kommt. Doch ich kann nichts erkennen. Mittlerweile sehe ich klarer und nehme meine Umgebung näher in Augenschein. Ich scheine in einer verlassen Fabrik zu sein. Einige ur-alt aussehende Maschinen oder was davon noch übrig ist stehen in regelmäßigen Abständen und einer Reihe. Am Kopf der riesigen Halle befindet sich eine Empore zu der man über eine zum Teil eingefallene Treppe gelangt. Darunter steht eine altertümliche Dampfmaschine. Scheinbar ist dies alles ein Relikt der industriellen Revolution. Und scheinbar auch seit damals ist hier alles verlassen, denn über allem liegt eine zentimeterdicke Staubschicht. Und mittendrin ich. Was soll ich hier? Und noch viel wichtiger warum schon wieder ich?
In diesem Moment höre ich das Geräusch einer schweren Tür die über den Boden schrammt.
"Hallo?", rufe ich, "Was wollen Sie von mir?"
Ich erhalte keine Antwort, stattdessen tritt ein mir wohlbekannter Mann in mein Sichtfeld. Wiedererkennen brandet in mir auf. Dies hier war der Mann vom Weihnachtsmarkt. Und es ist auch der Abschleppwagenfahrer. Beide Männer sind ein und dieselbe Person. Entsetzt über diese Erkenntnis und darüber ihn in dieser Situation wieder zu sehen, hole ich keuchend Luft. Sofort beginnt mein schwacher Körper verräterisch zu zittern.
"Na, erkennst du mich wieder?", lacht er und bleibt mit vor der Brust verschränkten Armen vor mir stehen.
Ich nicke. "Sie ... sie Schwein!", schreie ich mit zitternder Stimme, weil ich doch irgendwas sagen muss. "W-was wollen Sie von mir?"
"Das weißt du immer noch nicht?", höhnt er verächtlich.
"M-mein Vater. Ich meine James. Schickt er Sie?", stammle ich.
Er guckt verdutzt. Ja, jetzt habe ich ihn durchschaut.
"Lassen Sie mich gehen. Wenn mein Vater sich mit seiner Freundin absetzen will, soll er es doch tun. Hier vermisst ihn sicher niemand.", rufe ich.
Er hört mir schweigend zu.
"Er hat doch gewiss genug Geld beiseite geschafft. Soll er doch abhauen."
Ich betrachte ihn wie er da steht und mir schweigend zuhört. "Hey, warum sagen Sie nichts?", keife ich, "Ist er hier? Hört er zu?" Meiner Stimme schwingt ein hysterischer Unterton mit. 
Schweigen. Seine Mundwinkel umspielt ein Hauch von einem Lächeln.
"Sie schweigen, also ist es so. Er ist hier.", erwidere ich und hole tief Luft. So laut ich kann schreie ich, "Komm raus James! Sofort! Hab' wenigstens den Arsch in der Hose dich zu zeigen! Sag' mir gefälligst warum du mir das immer wieder antust!"
"So, das reicht jetzt.", murmelt der Kerl und tritt einen Schritt vor. Als sein Handrücken auf meine Schläfe trifft gehen bei mir erneut die Lichter aus.

 

Max

 

Mitten beim essen klingelt Emelys Handy. Mit einem entschuldigenden Lächeln erhebt sie sich und geht damit Richtung Toiletten davon. Ich beobachte wie sie das Gespräch entgegen nimmt und scheinbar gespannt dem Anrufer lauscht.
Ein Glück das sie mal abgelenkt ist! Wie können Schwestern nur so unterschiedlich sein? Ach ja, sie sind ja nur Halbgeschwister. Bei unseren letzten Zusammentreffen war Emely nicht so anstrengend. Ja geradezu nervig ist sie heute. Manchmal kommt es mir so vor als hätte sie Gefallen an mir gefunden. No way, nicht mit mir. Emely ist mit ihrer oberflächlichen Art und der Arroganz die sich an den Tag legt gar nicht mein Fall. Das Frauenmodell habe ich mit Beverly ad acta gelegt.
Ich wende meinen Blick ab und sehe lieber den Schneeflocken draußen vor dem Fenster zu. Die Straße und die Gehwege waren bereits von einer weißen Puderschicht überzogen. Gerade als ich überlege wie ich mich unauffällig aus der Affäre ziehen kann, kommt Emely zurück an unseren Tisch. "Da bin ich wieder.", flötet sie fröhlich.
"War wohl ein positiver Anruf?", bemerke ich trocken.
"Ja. Wieso?", fragt sie verblüfft als würde sie vermuten, dass ich des Gedankenlesens mächtig bin.
"Du strahlst plötzlich so. Keine Spur mehr von der Enttäuschung wegen vorhin."
"Klar, ich habe doch dich getroffen.", flirtet sie und legt mir ihre Hand auf den Unterarm.
Dezent entziehe ich sie ihr. "Hm."
"Aber das Telefonat war auch erfreulich.", gibt sie schließlich zu.
"Ich ..."
"Ich ...", beginnen wir beide gleichzeitig. Die abstruse Situation lässt uns beide lachen. Ich bin Gentleman, "Du zuerst!", fordere ich sie auf.
"Okay.", lächelt sie schüchtern, "Ich wollte sagen, dass ich jetzt los müsste. Es war aber ein sehr schöner Nachmittag!", fügt sie eilig und begleitet von einem zuckersüßen Lächeln hinzu.
"Ja, ich ... ich muss auch los.", erwidere ich verwirrt. "Ich fand es auch ... schön." Den letzten Satz konnte sie kaum noch gehört haben, so schnell sprang sie auf und zog sich ihren roten Wintermantel über.
"Das müssen wir unbedingt mal wiederholen.", befindet sie und schlingt sich einen weißen Schal mit feinen goldenen Streifen um den Hals.
"Ja, das müssen wir wohl." murmle ich.
Entweder hat war das nur eine freundliche Phrase oder sie hat wirklich vor mich wieder zu treffen. Mir ist es egal. Ich jedenfalls verspüre kein großes Bedürfnis noch einmal mit ihr etwas zu unternehmen. Sie ist mir unheimlich. Ganz wie der Vater.
Wir umarmen uns freundschaftlich zum Abschied und gehen dann in verschiedene Richtungen davon. In diesem Moment klingelt auch mein Handy. Wieder Goldstein. Ich nehme an, "Was gibt's?"
"Du musst sofort herkommen! Deine Süße ist verschwunden."
Entsetzt bleibe ich wie eingefroren stehen. "Was war das?"
"Sie ist weg. Entführt."
"Was?", stammle ich.
"Hör zu! Es muss schnell gehen.", unterbricht Goldstein mich. "Wir sind an ihnen dran."
"Ihnen? Wer hat sie?", keuche ich und spüre wie Wut in mir hoch lodert.
"Siehst du gleich. Aber zuerst musst du ihren Typen, diesen SIS Futzi anrufen. Der soll mit Verstärkung anrücken. Oder ist dir die Met lieber? Danach komm' her!"
"Okay. Ja, ich ruf ihn an. Wo bist du?", stammle ich.
Wenn Goldstein vorhatte mir zu beschreiben wo er sich befand, wurde seine Aufmerksamkeit von etwas abgelenkt. "Da kommt noch jemand."
"Jemand?", wiederhole ich verwirrt.
"Eine Frau. Komm am besten her!" Er nennt mir eine Adresse. Zum Glück verfüge ich über ein hervorragendes Gedächtnis und kann sie mir aus dem Stehgreif merken.
"Ist gut. Bin nicht weit weg. Bis gleich.", rufe ich und renne los.

 

Tom

 

Mittlerweile hatte es wieder einmal angefangen zu schneien. Dieser Tag wurde immer besser und besser.
Genervt wiederhole ich zum gefühlt hundertsten Mal meine Sicht der Dinge die vorgefallen waren. Der Constable der meine Aussage aufnahm schien neu zu sein. Immer wieder fragte er etwas und lies mich mich wiederholen. Mein Handy klingelt schon wieder. Zuerst Falkner der wissen wollte was da schief gelaufen war und jetzt auch noch Steel. Was will der denn jetzt? Genervt nehme ich das Gespräch entgegen und verscheuche mit einer eindeutigen Handbewegung den Constable der gerade meine Aussage zu Protokoll nahm. "Moment.", formen meine Lippen lautlos. Lauter sage ich, "Steel. Es passt mir gerade gar nicht. ..."
Er unterbricht mich fast sofort und keucht ins Telefon, "Es wird dir schon passen wenn du hörst um wen es geht." Rennt der gerade?
"Ach ja?", frage ich gelangweilt.
"Charlotte ist verschwunden."
Sofort bin ich hellwach. Meine Sinne sind geschärft und praktisch sofort geht jede Faser meines Körpers in Hab-Acht-Stellung. "Was hast du gesagt?"
"Wahrscheinlich wurde sie entführt. ... Wieder einmal."
"Was?", schreie ich. Die Beamten um mich herum starren entsetzt zu mir herüber.
"Erzähl mir alles!", befehle ich und er tut es.
Nachdem Steel geendet hat bin ich im Bilde und praktisch schon auf dem Weg nach Southwark. "Ich bin gleich da. Die PSC bringe ich mit.", berichte ich und lege auf.
"Parsons, Miller, Taylor, ich muss los. Wichtige Angelegenheit.", instruiere ich mein Team.
"Wieso was ist los?", fragt Ariella.
"Du willst uns mit der Sache hier allein lassen?" Entsetzt lässt Parsons den Blick über das Schlachtfeld schweifen.
"Sorry. Ich muss. Meine Frau wurde entführt.", versuche ich sie mit den harten Fakten von meinem Abgang zu überzeugen.
"Was?", kommt es fast geschlossen zurück. "Wann?", fragt Ariella.
Ich sehe sie an. "Vor ein paar Minuten."
"Woher weißt du es?"
"Ich ... ich habe meine Leute."
"Leute?" Misstrauisch mustert mich ihr Blick. Ist diese Frau ein Lügendetektor?
"Ich habe, seit dem sie zum ersten Mal entführt wurde jemanden auf sie angesetzt. Sie bewachen lassen. Aber das ist jetzt egal. Ich muss los. Und ich muss ..."
"Du brauchst vor allem Verstärkung. Wir kommen mit.", verkündet sie standhaft.
Ich sehe es ihr an, sie wird sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Und auch die anderen scheinen sich entschieden zu haben.
"Okay. Aber dann los!", rufe ich und renne zu einem der Fahrzeuge des PSC bei dem zum Glück der Schlüssel steckt. Ohne vorher um Erlaubnis zu bitten steigen wir ein und rasen davon.

 

Charlotte

 

Ich sitze auf einer Lichtung mitten im Wald. Der Mond scheint mir hell ins Gesicht. Hinter mir huscht etwas durch das Unterholz.
"Hey.", will ich rufen, doch aus meinem Mund kommen nur erstickte Laute.
"Charly.", ruft da plötzlich jemand neben mir.
Erschrocken drehe ich den Kopf. Tom. Mein Schatz. Mein Retter. "Tommy.", flüstere ich oder besser gesagt hauche ich.
"Charlotte. Komm schon!" Seiner Stimme schwingt ein weiblicher Unterton mit.
"Ach Tommy. Ich liebe dich.", denke ich.
"Wach auf! Komm schon!" Seine Stimme klingt jetzt deutlich weiblicher.
"Ja, endlich. Komm, wach auf!"
Ich blinzel. Träume ich? "Wo ... wo bin ich?", flüstere ich und halte mir den Kopf. Ich kann meine Hand bewegen. Ich war doch eben noch gefesselt.
"Da bist du ja wieder.", flüstert jemand neben mir.
Ich wende den Kopf und sehe Emely. Meine Schwester. Wie kommt sie denn in meinen Traum? Oder träume ich gar nicht mehr?
"W-wo b-bin ich?", wiederhole ich stammelnd.
"Keine Zeit für Erklärungen.", herrscht sie mich leise an. "Komm auf die Beine! Wir müssen hier verschwinden."
Was? Wieso? Wo sind wir denn hier? Ich sehe mich um. Au, diese Kopfschmerzen!
Um mich herum stehen noch immer alte Maschinen. Überall liegt Dreck und Staub. Die Fabrikhalle.
"Hast du dich nun eingekriegt?", flüstert Emely und zerrt mich vom Stuhl hoch. Mir ist schwindlig. Ich taumel. Rücklings lasse ich mich erneut auf den Stuhl fallen. "Nein, komm endlich! Ich weiß nicht wie lange er noch schläft.", drängt Emely.
"Wer schläft? Was?", frage ich verwundert. Ich verstehe gar nichts mehr. Stimmt ja, da war doch noch der miese Kerl. "Wo ... wo ist der Mann?", frage ich und sehe mich um. Etwas entfernt liegt er. Langgestreckt mit dem Gesicht auf dem staubigen Boden. Ein blutiges Rinnsal läuft aus seinem Hinterkopf am linken Ohr entlang und vermischt sich mit Dreck in einer kleinen Lache auf dem Boden.
"Wie hast du? ...", beginne ich, doch Emely unterbricht mich rüde, "Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen hier weg. Ehe die anderen kommen."
Die anderen? Der Mann sieht mir auch nicht so aus, als würde der nochmal aufstehen. Wie hat meine zierliche Schwester es geschafft einen solchen Riesen nieder zu strecken? Aber im Moment ist mir alles egal. Hauptsache ich komme hier weg.
"Okay.", murmle ich und stehe auf. "Wohin?"
"Dort entlang." Sie deutet mit der rechten Hand in die Richtung eines hölzernen Tores in der Außenwand, mit der linken stützt sie mich unter der Achsel. Gemeinsam rennen wir dem Tor zu. Irgendwo höre ich ein Geräusch.
Emely schien es ebenfalls gehört zu haben. "Sie kommen. Los schneller!"
Am Tor zerrt Emely an dem rostigen Türgriff bis sie es schließlich schafft die Tür so weit aufzuschieben, dass wir uns hindurch zwängen können. Draußen wirbeln uns sofort Schneeflocken ins Gesicht. Emelys roter Mantel ist fast sofort weiß gepudert. Wir befinden uns an einer Kaimauer, am Ufer der Themse. Gerade ist Ebbe und das Wasser kaum zu sehen. Dazu kam, dass wir durch das Schneegestöber selbst auch fast nichts sahen.
"Scheißwetter!", fluche ich leise.
"Nicht unbedingt. So können wir uns vor unseren Verfolgern verstecken.", entgegnet sie.
"Wer sind denn unsere Verfolger?", frage ich und massiere mir mit Zeige,- und Mittelfinger die Schläfe. Oh diese Kopfschmerzen.
"Ähm .. was ... ich weiß es nicht.", gibt sie zu.
"Du weißt es nicht?" Verwundert sehe ich sie an. Selbst ihr Gesicht war im Schnee nur verschwommen zu erkennen.
Gehetzt blickt sie sich um. Schließlich sagt sie, "Komm da entlang.", und zieht mich mit sich mit zu einer schmalen Treppe die hinunter auf den schlammigen Boden der Themse führt.
Etwas weiter entfernt, bei Flut ins Wasser ragend erkenne ich die Überreste eines Landungsstegs. Genau dorthin zieht Emely mich jetzt. Kaum das wir den schlammigen Untergrund erreicht haben saugen sich meine Schuhe am Untergrund fest. "Weißt du eigentlich wann die Flut zurück kommt?", keuche ich angestrengt, denn das laufen unter solchen Bedingungen und mit höllischen Kopfschmerzen ist kein Zuckerschlecken.
"Worüber du dir Gedanken machst.", ärgert sie sich. Ihre Stimme wird vom Wind davongetragen.
"Na ja ...", schreie ich gegen den Wind an, "... wenn das Wasser zurück kommt, sind wir hier unten keinesfalls in Sicherheit."
"Ach halt die Klappe, Charly!", fährt sie mir über den Mund. Als sie mein entsetztes Gesicht sieht fügt sie rasch hinzu, "Du lenkst sonst die Aufmerksamkeit unserer Verfolger auf uns. Dann hat alles Verstecken keinen Sinn."
Da hat sie auch wieder recht. Schweigend stapfe ich hinter ihr her, dem Steg entgegen. Unter den morschen Holzplanken lehne ich mich gegen einen der Pfosten und versuche durch regelmäßiges Atmen mich ein wenig zu beruhigen.
Mit einem Mal kann ich Emely nicht mehr sehen. Wo ist sie hin?
"Em?", rufe ich zögerlich. Der Schneefall wird, wenn das überhaupt möglich ist noch stärker. Mittlerweile kann man kaum noch die eigene Hand vor Augen sehen.
Da spüre ich eine Regung neben mir.
"Was machst du da?", frage ich.
Mit einem Mal wird mir etwas über den Kopf geworfen und bleibt auf meinen Schultern um meinen Hals herum liegen. Es geht so schnell, dass ich zu spät reagiere. Mit den Händen greife ich nach dem Gegenstand um meinen Hals, doch da wird mir von einem Moment auf den anderen der Boden unter den Füßen weggezogen. Meine Füße baumeln ein Stück weit in der Luft und nur noch der Gegenstand um meinem Hals hält mich fest. Ein fürchterlicher Gedanke sagt mir, dass dies meine Hinrichtung ist. Mit den Fußspitzen versuche ich Halt zu bekommen, doch das Rucken an dem Seil sagt mir, dass ich noch immer hinauf gezogen werde. Mein Herz rast, es scheint fast schon zu zerspringen. Das Seil quetscht meinen Kehlkopf. Ich habe das Gefühl zu ersticken. Quälend langsam zieht sie das Seil mit jedem Millimeter das ich hochgezogen werde noch enger um meinem Hals zusammen. Schmerzhaft schneidet sich der raue kalte Stoff in meine Haut. "H ... fe.", keuche ich mit meinen letzten Sauerstoffreserven.
"Na, wie fühlst du dich?", fragt in diesem Moment eine weibliche Stimme durch den Sturm. Sehen kann ich niemanden. Meine einziger Lebenszweck ist es noch am Leben zu bleiben. Mit aller mir noch zur Verfügung stehende Kraft klammere ich mich mit klammen Fingern an dem Seil fest. Trotz meiner Bemühungen bleibt es dabei, dass es mich langsam aber sicher stranguliert.
Auch die Frau scheint es zu bemerken und sagt, "Du kannst ja gerne noch versuchen ein paar Minuten durchzuhalten. Dann erfährst du wenigstens warum du sterben musstest."
Sie tritt vor.

 

Max

 

"Da drin.", sagt Goldstein und deutet mit dem Daumen auf die alte Konservenfabrik. Das Gebäude steht seit anno dazumal leer. Wird nur ab und an, wegen seines Charms für Werbeaufnahmen oder Filmdrehs gebucht. Warum es nicht abgerissen wird, wo Bauland doch solche Mangelware ist in unserer Stadt ist mir schleierhaft.
"Wie lange schon?", frage ich und sehe zu dem Gebäude hinüber.
Niemand zu sehen. Von außen macht es nicht den anschein als hielte sich darin jemand versteckt. Aber das ist ja auch der Sinn der Sache.
"Seit über einer Stunde schon.", klärt mich Miss Bernstein auf, die gekauert hinter der Backsteinmauer hockt und durch die Gitterstäbe des Zaunes darüber ebenfalls zu dem Gebäude späht.
"Genau. Kurz bevor du gekommen bist, vor etwas 20 Minuten kam eine Frau.", führt Goldstein weiter aus.
"Eine Frau?", echoe ich.
"Ja, so ein Exemplar in etwa.", lacht mein Freund und deutet auf seine Mitarbeiterin.
Die angesprochene dreht sich zu ihm um und streckt ihm ganz undamenhaft die Zunge heraus. "Ha ha ha.", kommentiert sie.
"Wir haben jetzt keine Zeit für Späße.", rufe ich die beiden zur Ordnung.
Goldstein schüttelt den Kopf und sagt, "Du hast natürlich recht. Entschuldige!"
"Was macht die Frau da drin?", überlege ich laut ohne eine tatsächliche Antwort zu erwarten. "Ich geh rüber.", verkünde ich nachdem ich mir drei Sekunden genommen habe um mir einen ausgefeilten und gut überlegten Plan zurechtzulegen.
"Wir kommen mit.", beschließt Goldstein.
Ich sehe zuerst zu ihm, dann zu Bernstein. "Sie bleibt hier. Es könnte gefährlich werden." Ich hoffe, diese Erklärung reicht um sie zum bleiben zu überreden.
Doch ich habe mich zu früh gefreut. "Nichts da. Ich komme mit!", sagt sie und macht dabei ein Gesicht das keinen Widerspruch duldet.
Ich sehe ihren Chef an. Dieser zuckt nur die Achseln und meint, "Abschluss mit Auszeichnung auf der Polizeischule."
Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen hoch. "Und da arbeiten Sie als Privatdetektivin?"
Sie grinst, "Wo die Liebe hinfällt.", und wirft Jim einen Handkuss zu. Genervt verdrehe ich die Augen.
Im Hintergrund höre ich ein Auto mit quietschenden Bremsen halten. Das muss Cray sein. Jedenfalls hoffe ich es, denn ich kann jetzt nicht länger warten. "Gut, dann los!", bestimme ich und laufe in geduckter Haltung Richtung verlassene Konservenfabrik.

 

Tom

 

Mit quietschenden Reifen komme ich am vereinbarten Treffpunkt zum stehen. Wir steigen aus und lassen den Wagen einfach da stehen wo er eben steht, mitten auf der Straße. Das Schneetreiben wird immer stärker. Wenn das so weiter schneit liegt ganz London morgen früh unter dreißig Zentimeter Schnee. Garantiert.
"Da vorn ist die Fabrik. Meine Kontaktperson wartet dort auf uns.", erkläre ich beim laufen meinem Team. Doch als wir an der Backsteinmauer die das Gelände mehr oder weniger umgibt wartet dort niemand mehr. Irgendwas muss passierts ein, dass Steel sich genötigt sah einzuschreiten. Suchend sehe ich mich nach allen Seiten um. Niemand zu sehen.
"Da!", ruft mit einem Mal Ariella und deutet mit dem Zeigefinger auf eine dunkelblaue Jacke die sich soeben durch das angelehnte Eingangstor der Fabrik schiebt. Eilig folge ich der Person und bedeute mit Handzeichen meinen Leuten mit zu folgen.
Kaum das wir die ehemalige Produktionshalle betreten sehen wir jedoch niemanden mehr. Allein einige Fußabdrücke auf dem staubigen Boden sagen uns, dass hier vor kurzem jemand entlang gegangen ist. Sehr schnell sogar. So verwischt wie sie sind.
Vorsichtig folgen wir ihnen. Wir befinden uns in einer Art Vorhalle. Ein paar hölzerne Spinde oder das was davon übrig ist stehen noch an den Wänden und zeugen davon, dass hier einmal Arbeiter ihre persönlichen Dinge verwahrt haben.
"Da!", Parsons deutet auf die Fußabdrücke die durch eine eingetretene Tür führen.
Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand daneben und spähe durch die Türöffnung.
Eine riesige Halle. In vorderster Front steht eine riesige Dampfmaschine. Sie muss damals die Maschinen an den einzelnen Arbeitsplätzen angetrieben haben. Das breite Gummiband hängt von Alter und Witterung porös geworden schlapp über dem Schwungrad. Der grüne Anstrich war noch immer gut zu erkennen. Ich steige über die hölzernen Reste der Tür und gehe zunächst hinter dem Schwungrad in Deckung. Über mir befindet sich eine weitere Etage. Durch Löcher im Boden kann ich hindurch sehen und entdecke ein paar hölzerne Tische und umgestürzte Stühle. Weiter oben, an der Hallendecke prangt ein Loch durch das leise und schwerelos Schneeflocken in die Halle schweben.Der Himmel hatte sich eine grau Nuance dunkler gefärbt seit wir hier drin sind.
"Kannst du was sehen?"; fragt Parsons hinter meiner rechten Schulter.
Ich schüttle stumm den Kopf.
"Da vorn!", ruft Ariella leise von der anderen Seite der Dampfmaschine wo sie und Taylor in Deckung gegangen waren. Unsere Kollegin deutet mit dem Zeigefinger auf eine am Boden liegende Gestalt weiter hinten in der Halle. Ich gehe zu ihr und folge mit den Augen ihrem Fingerzeig. Tatsächlich liegt eine Person etwas entfernt auf dem Boden. Sie regt sich nicht. Eilig, und ohne auf meinen Befehl abzuwarten, läuft Miller mit der Waffe in der Hand zu ihr um nach Vitalzeichen zu suchen. Wir bleiben abwartend am Rand neben einer Dampfmaschine stehen und geben ihr Feuerschutz. Sie huscht Deckung suchend rechts an den ehemaligen Abfüllmaschinen vorrüber und erreicht schließlich den Mann. Kaum hat sie an dessen Hals nach dem Puls getestet, als uns ihr nach unten gedrehter Daumen angibt, dass der Mann tot ist. Rasch winkt sie uns zu sich. Vorsichtig, immernoch nach allen Seiten nach Angreifern ausschau haltend laufen wir zu ihr.
"Der Kerl ist tot.", erklärt sie überflüssigerweise.
Jetzt leuchtet es mir auch ein. Bei diesem Blutverlust war es kein Wunder.
Von irgendwoher weht Wind in die Halle. Ich sehe mich um. Rechts steht ein hölzernes Schiebetor etwas offen. Lange kann sie noch nicht offen stehen. Nur eine dünne Schneeschicht liegt im Bereich der Öffnung. Ich bedeutet meinem Team mir zu folgen. Im Einsatz schweigen wir und verständigen uns, wenn möglich per mit Handzeichen. Frische Fußspuren von mindestens zwei Leuten sind zu erkennen. Wir folgen ihnen. In den paar Minuten die wir in der Halle sind hat sich der Schneesturm hier draußen noch verstärkt. Man sieht kaum noch die Hand vor Augen.
"Scheiß Wetter!", fluche ich leise.
Ein Rascheln von links hinter uns lässt uns geschlossen herumfahren und die Waffen heben.
"Nicht schießen!", bittet eine weibliche Stimme. "Polizei.", erklärt sie weiter.
Was, so schnell? Ich mache einen Schritt auf sie zu. Eine rothaarige junge Frau in dunkelblauer Daunenjacke steht an die Hauswand gedrückt da und sieht mich herausfordernd an. "Sind Sie Mister Cray?", fragt sie forsch.
"Wer will das wissen?", zische ich.
"Bernstein. Ich bin beauftragt worden hier auf Sie zu warten und Sie zu instruieren.", presst sie zwischen Zähneklappern hervor. Scheinbar steht sie hier schon eine kleine Weile und steht kurz vor dem Erfrierungstod.
"Dann instruieren Sie mal!", befehle ich und funkel sie böse an. Sie muss zu Steel gehören.
Miss Bernstein deutet mit der blau gefrorenen linken Hand in Richtung Ufer.
Ich bedanke mich mit einem knappen Nicken und lasse sie stehen. Hinter mir höre ich wie Ariella ist den Rat gibt sich in der Halle aufzuwärmen.
Ich laufe, gegen den Schnee ankämpfend in die angegebene Richtung. Der eisige Wind brennt in den Augen. Am liebsten möchte ich sie schließen um meine Augen zu schützen, doch ich brauche alle meine Sinne. Suchend sehe ich mich immer wieder um ob ich irgendeine Spur eines anderen Menschen, im besten Fall von Charly entdecken kann.
Da fällt ein Schuss. Sofort kommt Bewegung in mich.

 

Max

 

Suchend sehe ich mich nach allen Seiten um. Keine Menschenseele zu sehen. Goldstein und seine Freundin folgen mir. Ohne meine Umgebung vollkommen wahrzunehmen haste ich durch die Vorhalle. Zwei schmale Türen zweigen von diesem Raum ab. Die linke führt sicherlich zu einer Art Pförtnerloge. Ein schneller Blick durch die mittlerweile zerstörte Tür bestätigt meinen Verdacht.Dann die andere. Goldstein war, als er sah, dass ich zu der linken gehe durch die rechte Tür gelaufen. Ich folge ihm in eine Werkshalle. Mit einem Mal stehen wir vor einem Ungetüm von Dampfmaschine. Traurig steht sie da und zeugt von der einstigen Glanzzeit des Dampfzeitalters. "Schau mal!", höre ich Jim von der anderen Seite der Maschine. Spinnt der hier so rum zu brüllen.
Ich laufe zu ihm, meine Walther im Anschlag. Man weiß ja nie.
Neben meinem Freund, mit dem Gesicht Richtung Boden liegt ein Mann und rührt sich nicht.
"Mausetot.", urteilt er.
Ich nicke stumm. Ändern kann man eh nix dran.
"Weiter!", sage ich stattdessen, "Wir müssen sie finden. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl.", lasse ich sie an meinen Befürchtungen teilhaben.
"Okay.", zischt Jim, hebt seine eigene Waffe und sucht weiter jeden Winkel der Halle ab.
Jane geht zu einer Treppe die sich zu unserer linken befindet. Vorsichtig erklimmt sie das unsichere Gerüst.
Zweifelnd sehe ich ihr zu. Gerade als ich rufe, "Vorsicht! Da oben ist niemand.", bricht ihr Fuß auf einer der Stufen durch das morsche Holz und klemmt fest. Ein spitzer Schrei kommt aus ihrer Kehle.
Jim läuft zu ihr um sie aus der misslichen Lage zu befreien. Ich kann mich mit ihnen nicht aufhalten und eile weiter. Ein hölzernes Schiebetor steht etwas offen. Da es nirgends weitere Verstecke gibt müssen sie dort durchgegangen sein. Ich renne zu der Wand, lehne mich mit dem Rücken dagegen und spähe zur Öffnung hinaus. Und ich sehe nichts als eine weiße Wand. Der Schnee wirbelt in dichten Flocken durch die Luft. Ein eiskalter Wind peitscht mir entgegen als ich mich nun vorsichtig nach Draußen schiebe. Plötzlich ist Jim hinter mir und erklärt, "Jane bleibt hier und wartet auf die Nachhut."
Ich nicke und suche schweigend die Umgebung ab. In unmittelbarer Nähe erkenne ich gerade noch so den Kai. Das Ufer der Themse. Vorsichtig, um nicht hinab zu stürzen trete ich an den Rand. Es ist Ebbe und ich entdecke eine ausgetretene alte Steintreppe, die hinunter ans Wasser führt.
Vorsichtig um auf den glitschigen, von Algen bewachsenen Stufen nicht auszurutschen steigen wir hinab.
"So eine Scheiße!", flucht Goldstein und sieht auf seine edlen Lederschuhe hinunter denen der Schlamm sicherlich nicht gut tut.
Das war allerdings etwas worauf ich jetzt keine Rücksicht nehmen konnte. Zur Not würde ich ihm ein paar neue kaufen.
Der eine missmutig, der andere auf's höchste angespannt stapfen wir durch den Schlick. "Noch ungefähr eine Stunde dann kommt die Flut.", teilt Jim mir mit. Gut das wenigstens einer die Gezeiten im Blick hat.
Die waren etwas was ich mir einfach nie merken konnte, egal wie lange ich schon in London lebe.
Etwas weiter, inmitten des Schneetreibens kann ich einen alten Steg ausmachen. "Dort.", deute ich darauf.
Jim stimmt zu und folgt mir.
Eine Bewegung zwischen den Pfählen lässt mich erstarren. Hastig suche ich mich nach einem Versteck um. Eine weitere Treppe. Ich eile dorthin und entsteige unter schmatzenden Geräuschen dem Schlamm. Auf der fünften Stufe etwa hocke ich mich hin und spähe über den Rand. Durch das Schneetreiben konnte ich gerade so einen roten Farbtupfer ausmachen. Einen sich bewegenden Farbtupfer. Ich bedeute Jim schweigend auch mal einen Blick darauf zu werfen. Dieser missversteht mich jedoch, eilt die Stufen hinauf und verschwindet aus meinem Blickfeld.
Ärgerlich stoße ich einen leisen Fluch aus und mache mich daran zurück in den Schlamm zu steigen. Wenn ich wissen will was da vor sich geht, muss ich näher ran. Langsam schiebe ich mich näher an den Steg heran.
Eine weibliche Stimme plaudert in vergnügtem Tonfall mit einer zweiten Person. Diese war durch einen dicken Pfosten verdeckt. Wer ist das und wo ist Charlotte?
Ich schleiche noch etwas näher. Hinter einem Pfosten, etwa drei Meter von der Person in der roten Jacke entfernt bezog ich Posten. Ich lege meine Hände auf das nasse Holz. Es riecht verfault und fischig. Von der Witterung langsam zersetzt ist er nur noch der Schatten dessen was er mal gewesen war. Vorsichtig luge ich um das Holz herum. Sofort stockt mir der Atem. An einem Seil an einem Querbalken aufgehangen baumelt, verzweifelt mit den Füßen nach Halt suchend meine Charlotte.
Und in einem roten Mantel mit weißem Schal um den Hals umrundet sie Emely und plaudert locker, als würde es hier nicht um Leben und Tod gehen irgendwas von Kindheitstraumata.
Ohne groß nachzudenken trete ich um den Pfosten herum auf sie zu. "Em ..."
In diesem Moment trifft mich etwas hart am Hinterkopf und ich falle vorwärts in den Schlick.

 

Charlotte

 

Ich kann nicht fassen was sich hier gerade abspielt. Es war nicht James. Die ganze Zeit war es meine eigene Schwester.
"Du glaubst gar nicht wie froh ich bin, dass ich dir endlich mal die Meinung sagen kann!", sagt sie. "All die Jahre. Immer dieser Konkurrenzdruck."
Wovon redet sie da?
Ich kann mich damit nicht befassen. Habe anderes zu tun.
"Aiden und du. Euch gab es nur im Doppelpack. Man war das zum kotzen!"
Ich keuche. Irgendwie muss es doch möglich sein Halt zu finden. Verzweifelt klammere ich mich mit den Händen an dem Seil fest. Ich versuche es oberhalb meines Halses zu greifen zu bekommen. Ohne Erfolg. Meine Füße strampeln in der Luft herum.
"Einfach mal miteinander abhängen.", kichert Emely, "Das hätte ich mir mal gewünscht. Aber nicht mit meinen feinen Herrschaften von Geschwistern.", ätzt sie.
"Kannst du dir vorstellen wie das ist, wenn man immer nur das fünfte Rad am Wagen ist?", höre ich sie fragen.
Sie erwartet hoffentlich keine Antwort, denn ich benötige meine letzten Sauerstoffreserven um am Leben zu bleiben.
"Dad wusste, dass ihr Bastarde seid und hat euch dennoch als seine Kinder großgezogen. Und wie dankt ihr es ihm?"
Ich bin mir keiner Schuld bewusst.
"Ihr egoistischen, verzogenen Bastarde. Aiden ist auch noch dran. Aber dich, Charlotte wollte ich mir zuerst vornehmen."
Ich keuche. Mein Kehlkohl fühlt sich inzwischen schon völlig zerquetscht an. Es dauert nicht mehr lange, dass habe ich im Gefühl.
Hilfe! Warum hilft mir denn keiner?
"Willst du wissen warum ich dich so hasse, Charlotte? Warum ich deinen Tod will.", stellt sie die nächste Frage die ich unmöglich beantworten kann.
"Du weißt es sicher gar nicht mehr. Damals. Johnny Trueman.", versucht sie wohl meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. "Du hast ihm schöne Augen gemacht. Obwohl du wusstest, dass ich ihn mochte."
Wer verdammt war Johnny Trueman?
In meinem Blick ploppen schwarze Flecken auf. Meine Sicht verschwimmt.
"Du hast für ihn die Beine breit gemacht."
Was? Was sind B-beine? Ach ja, die Dinger die gerade nutzlos unten an mir dran baumeln.
"Klar, jetzt schweigst du." Ihr hysterisches Lachen fährt mir durch Mark und Bein. "Du brauchst es gar nicht erst abzustreiten. Er hat es mir selbst gesagt."
Ich schließe die Augen. Heiße Tränen benetzen meine Wangen und gefrieren sogleich in der eisigen Kälte. Und der einzige Gedanke der noch in meinem Kopf ist, der einzige an den ich denken kann ist - Ich will nicht sterben!
"Er hat mir gesagt, dass ich ihm viel zu verklemmt bin. Und zu hässlich. Kannst du das glauben?", schreit sie, "Ich und hässlich. Ausgerechnet ich?"
Sterben. Will nicht! Nein!
"An diesem Tag habe ich Rache geschworen.", verkündet sie.
Nein!
"Em ...", höre ich eine andere Stimme, ganz weit weg und abgehackt.
"Was zum ...", schreit Emely.
"Alles gut. Ich hab ihn." Eine Frauenstimme.
Ein Mann antwortet mit einem "Hände hoch!"
"Was?", Ein wütender Schrei von Emely. "Wer ist da?"
"Treten Sie zurück!", ruft der Mann.
Meine Lider werden schwer. Die Luft ist aufgebraucht.
Es ist ...
"Zurück!", eine geschriene Warnung.
... vorbei ....
Dann ein Schuss.
Ich reiße mit letzter Kraft die Augen auf.
Emely liegt vor mir auf dem Boden. Ihr roter Mantel bildet einen krassen Kontrast zu dem weißen Schnee. Inmitten ihrer Stirn klafft ein dunkles Loch.
Ich schließe erneut die Augen. Kraftlos. Müde.
Es ist vorbei ...

 

Tom

 

So schnell wir können rennen wir durch den Schlamm in die Richtung aus der wir vermuten der Schuss gekommen war.
Ein alter Landungssteg, darunter zwei Personen die sich langsam bewegen. Beim näher kommen stolpere ich über ein am Boden liegendes Hindernis. Mein Blick streift einen dunklen Sack oder ähnliches. Sofort richte ich die Augen wieder auf die Personen vor mir und gehe langsam weiter. Jedoch Taylor schien da mehr zu sehen. Er kniet sich hin und ruft mit einem Mal "Verletzte Person". Er ruft es sehr leise, dennoch habe ich Sorge das wir entdeckt werden könnten. Doch der Mann, der da mit gezückter Waffe unter dem alten Steg steht beachtet uns gar nicht. Als ich so nahe herangetreten bin, dass ich ihn deutlich vor mir sehe, erkenne ich auch warum. Mit der einen Hand zielt er mit einer Waffe auf eine Blondine die ihm in etwa 5 Meter Abstand gegenüber steht. Bis auf eine spitze Zunge mit der sie unablässig russische Schimpfworte auf ihn niederregnen lässt und dabei wild mit den Händen herumfuchtelt, schien sie nicht bewaffnet zu sein. Die Konzentration des Mannes wurde aber auch noch von etwas anderem beansprucht. Mit seinem linken Arm umklammert hielt er etwas in die Höhe was von oben herab aufgehangen war. Eine weitere Frau liegt zwischen ihnen auf dem Boden.
"Scheiße!", flucht Miller und läuft an mir vorbei. "SIS, nehmen Sie die Waffe runter!"
"Nee. junge Frau. Ich bin der Gute.", antwortet der Fremde. "Helfen Sie mir!", schreit er und klingt ehrlich verzweifelt.
Ariella geht nicht darauf ein. Sie ruft, "Nehmen Sie die Hände hoch! Und weg mit der Waffe!"
Ich trete von hinten an ihn heran, da erkenne ich erst was er da so krampfhaft versucht in die Höhe zu heben. Es ist eine leblose Person die am Hals aufgehangen von einem Querbalken baumelt.
Mein Blick streift das Gesicht der Person. "Charly.", keuche ich entsetzt. Mit einem Satz bin ich neben dem Typen und greife mir ihre kalten schlaffen Beine. Mit aller Kraft hebe ich sie mir auf die Schultern und stemme sie so in die Höhe.
"Cray, ...", beginnt Parsons, erfasst mit einem Blick die Situation und rennt zurück. Kurz darauf ruft er von oben, "Das Seil ist zu stramm. Es sitzt fest. Ich kann es nicht lösen. Achtung, ich schieße!", warnt er und gleich darauf, schließlich kommt es auf Sekunden an, knallen mir zwei Schüsse um die Ohren. Das Klingeln das es mir fast unmöglich macht zu hören ignorierend knie ich mich mit dem vollen Gewicht meiner leblosen Freundin auf den Boden. Vorsichtig lege ich sie ab. Verzweifelt mache ich mich sofort daran nach ihrem Puls zu tasten. Nichts.
Ich lege mein Ohr an ihren Mund. Kein Atem.
"Scheiße!", fluche ich verzeifelt, "Scheiße, scheiße, scheiße!"
Ich reiße ihre Jacke ein Stück weit oben auf und beginne mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. "Tom?", höre ich Ariella hinter mir. "Taylor läuft zurück den Arzt holen.", teilt sie mir mit. "Soll ich übernehmen?"
Stumm schüttel ich den Kopf. Ohne unterlass massiere ich weiter das tote Herz meiner geliebten Frau.

 

Kapitel 52

 

Tom

 

In meiner Lethargie bekomme ich das was sich um mich herum abspielt kaum noch mit. Mit einem Mal war alles voller Menschen die Kreuz und quer hinter uns und vor uns herumlaufen. Nur ich bleibe sitzen - neben ihr - bei ihr. "Ich lass' dich nicht allein.", flüstere ich in ihr Gesicht und streiche mit meinen kalten Händen ihre eiskalten Wangen.
Sie reagiert nicht.
Natürlich nicht.
Ein letzter Kuss, auf ihre leblosen Lippen gepresst.
"Tom.", höre ich von weit her jemanden meinen Namen rufen. "Geh' zurück!"
Was? Weg von meiner Frau? Nehmt sie mir nicht weg!
Ich presse den Mund zusammen und schüttle heftig mit dem Kopf. Tränen rinnen mir über die Wangen. Diesmal schäme ich mich ihrer nicht.
Da werde ich von zwei starken Armen unter den Achseln gepackt und in die Höhe gezerrt.
Wild um mich schlagend wehre ich mich, doch ich bin nicht in Stimmung zu kämpfen. Ich will nur bei ihr sein, ich meine bei ihr bleiben! "Nein! Lasst mich! Ich muss bei ihr bleiben.", schreit mein Körper von ganz allein.
Meine Kollegin tritt vor mich, fixiert mit ihren Händen mein Gesicht, so dass ich gezwungen bin sie anzusehen und ruft, "Sie braucht einen Arzt."
Ich schüttle den Kopf. "Zu spät.", flüstere ich.
Hinter ihrem Rücken sehe ich wie zwei Sanitäter Charly auf eine Barre heben und eilig mit ihr davon laufen.
Geschriene Warnungen teilen allen mit, dass die Flut kommt.
"Das Wasser kommt zurück.", schreit Ariella mich an. "Kapierst du das?"
Verwundert sehe ich sie an.
"Wir müssen alle hier weg. Komm!" Sie gibt den beiden Männern die mich noch immer mit eisernen Griff fixieren ein Zeichen und wir setzen uns in Bewegung. Ich versuche erst gar nicht zu fliehen. Mein Hirn sagt mir, dass es wirklich besser wäre das Ufer zu erreichen ehe das Wasser voll da ist.
Weiter vorn entdecke ich die Sanitäter mit Charly. Ein weiterer Mann in neongelber Jacke geht neben ihnen her.
Ich stolpere an einem am Boden sitzenden Mann vorbei. Mit einem Seitenblick erkenne ich ihn. Steel. Ich reiße mich los und kralle mich an seinem Rever fest. Erschrocken schreit er mich an. "Hey, was soll das?"
"Lassen Sie sofort den Mann los!", befiehlt ein weiterer Sanitäter in strengem Tonfall der mir gar nicht aufgefallen war.
Ich befolge den Befehl und lasse meine Hände sinken. Sofort werde ich wieder hochgerissen und davon geschleift.
"Cray.", ruft Steel mir hinterher. "Wo ist Charlotte?"
Scheinbar hatte man es ihm noch nicht gesagt. Es geht ihn auch gar nichts an. Sie war meine Frau.

 

Ariella

 

Man hatte um vor Wind und Wetter wenigstens etwas geschützt zu sein für's erste Quartier in der alten Fabrik bezogen. Die Erstversorgung der Verletzten musste so schnell wie möglich durchgeführt werden. Jedoch ging das nicht im Flussbett der Themse. Die Flut kam und wir wären alle in kürzester Zeit abgesoffen.
In der Werkshalle gleich neben dem Eingang, man hatte keine Zeit mehr verlieren dürfen hocken die Sanitäter neben dem Notarzt auf dem Boden und Taten ihr Bestes um Crays Freundin zurück zuholen. Ihr Oberkörper war nackt und der Arzt rief gerade die Warnung aus "Zurück!"
Ein heftiger Stromstoß ließ den Körper der jungen Frau sich kurz aufbäumen. Sie knallte zurück auf den Boden. Ein weiteres Mal.
Keine Reaktion.
Tom sitzt daneben, das Gesicht in den Händen Vergraben. Die Verzweiflung ist ihm deutlich anzusehen. Ein weitere Typ der mir wage bekannt vorkommt setzt sich neben ihn. Tom lässt die Hände sinken, sieht erst ihn und dann wieder die Leiche seiner Freundin an. Der andere starrt stumm auf den Boden.
Ich wende den Blick ab und lasse ihn schweifen.
Kollegen der Met und unsere eigenen Leute laufen kreuz und quer in der Halle herum. Robinson, dieser freundliche Gerichtsmediziner kam soeben vom Vorraum her in die Halle spaziert. Zielstrebig geht er auf seine 'Patienten' zu. Die tote Frau aus dem Flussbett hatte man neben dem noch immer mit dem Gesicht zum Boden gedrehten toten Mann gelegt. Der Arzt geht um beide herum und besieht sie sich zunächst von fern. Anschließend öffnet er seine Braune Tasche, holt etwas heraus das wie eine Pinzette und eine Stablampe aussieht und kniet sich neben die weibliche Leiche. Auch nach dem Tod gilt wohl 'Ladys first'.
Ein weiterer Ruf "Zurück!" lässt mich noch einmal zu dem Notarzt sehen. Wieder wird Charlotte Spencers leblose Hülle in die Höhe geworfen.
Tom schüttelt verzweifelt den Kopf.
"Ariella?", werde ich gerufen. Ich drehe mich um und gehe zu Michael, der mittlerweile ebenfalls eingetroffen war.
"Kannst du dich um sie hier kümmern?", fragt er freundlich und reicht mir die rothaarige weiter die uns vorhin halb erfroren den Weg gewiesen hatte.
"Klar doch.", erwidere ich, "Kommen Sie! Wurden Sie schon medizinisch versorgt?", beginne ich das Gespräch.
Sie schüttelt und den Kopf und sagt, "Nicht nötig. Mir fehlt nichts."
"Gut. Dann kommen Sie! Wir gehen ein Stück, dann bleiben wir in Bewegung und uns wird nicht kalt." Ich hoffe Ihr mit meiner lockeren freundlichen Art die Scheu zu nehmen damit sie kooperiert.
"Wie heißen Sie?", frage ich.
"Bernstein. Jane Bernstein."
"Wow!", entfährt es mir, "Ein toller Name!"
"Danke." Sie strahlt. "Ihrer ist aber auch schön. Ariella, nicht?"
Ich nicke. "Was hatten Sie hier zu suchen, Jane?"
"Jim und ich waren an Charlotte Spencer dran. Mister Steel ... Max Steel hat uns beauftragt auf sie acht zu geben.", erklärt die junge Frau zitternd.
Scheinbar hatten die Ereignisse sie sehr aufgewühlt.
"War sie denn in Gefahr? Und wer ist Mister Steel?", frage ich.
Jane deutet mit ausgestreckten Zeigefinger auf den Kerl neben Tom.
"Ah, verstehe.", murmle ich, "Aber wer sind Sie?"
"Wir sind von der Privatdetektei Goldstein.", erklärt sie ernsthaft.
"Verstehe.", murmle ich. Privatdetektive, war ja klar. Ein verworrener Fall. Ein MI 6 Agent, ein Privatdetektiv und ein Bodyguard - hier wurde wirklich alles an Schutz aufgefahren und dennoch war es umsonst.
Mit einem leichten Kopfschütteln fokussiere ich meine Gedanken wieder auf Miss Bernstein. "Miss Spencer war also wirklich in Gefahr?", wiederhole ich mich.
"Ja, sie schwebte täglich in Gefahr. Sie wurde schon einmal entführt. Und heute geschah es wieder."
"Charlotte Spencer?"
Sie nickt.
Stimmt, Tom hatte sowas angedeutet.
"Warum?", frage ich weiter.
Sie zuckt die Schultern. "Da kann Ihnen Max sicherlich mehr Auskunft geben.", mutmaßt sie.
"Okay." Ich lasse kurz meinen Blick schweifen zu besagtem Mann schweifen. Gibson hat erzählt, dass auch er an dieser Charlotte interessiert war. Oder sie an ihm. Aber sie ist doch Crays Freundin.
Nun sitzen sie beide da und sprechen miteinander. Die Frage wer dessen Aussage aufnimmt hatte sich damit wohl geklärt. Ich wende mich wieder Jane zu.
"Haben Sie die Entführung beobachtet?"
Sie nickt erneut. "Ja."
"Wer hat Miss Spencer hierher gebracht?"
Sie deutet auf die Leichen.
Verwundert ziehe ich die Stirn kraus. "Beide oder nur der Mann?"
"Der Mann. Aber sie schien hinter all dem zu stecken.", erklärt sie fachmännisch und macht eine ausholende Handbewegung. "Sie war es die alle Fäden in der Hand hielt."
"Ernsthaft?"
Jane Bernstein nickt heftig. "Ich hatte so ein Gefühl."
"Ein Gefühl?", hake ich skeptisch nach.
"Wenn Sie wollen können Sie es auch 'Instinkt' oder 'den richtigen Riecher haben' nennen. Jedenfalls kam mir die ganze Sache irgendwie so vor, als würde ein Frau dahinter stecken. Es schrie alles förmlich nach Rache. Und nur Frauen empfinden so leidenschaftlich. Morden auch aus Leidenschaft. Das tun Männer nicht. Die sind straight. Nur auf Brutalität aus."
Irgendwie leuchtet mir ihr Standpunkt ein. Ich frage nach ihren Indizien und höre anschließend schweigend ihren Ausführungen zu.
"Wir haben beobachtet wie man Miss Spencer versucht hat zu vergiften, sie eine Treppe herunter zu stürzen und wie sie betäubt und entführt wurde. Bevor wir mit unseren Ermittlungen begonnen haben wurde sie ebenfalls entführt und dabei vergewaltigt. Im Auftrag des Bosses der Entführer angeblich." und ist nur knapp
"Wie haben Sie es geschafft die Anschläge auf sie zu verhindern ohne den Angreifer gleich festzusetzen?"
Sie zuckt die Schultern und macht eine ergebende Geste. "Das war gar nicht nötig. Sie scheint einen aufmerksamen Schutzengel zu haben. Jedes Mal wurde sie entweder abgelenkt und duckte sich oder sie verschüttete das Getränk mit dem Gift oder sie war in Begleitung. Dieser Cray, ihr Freund passt gut auf sie auf."
Ich nicke zustimmend.
"Das alles ereignete sich übrigens in den letzten eineinhalb Wochen. Solang ermitteln wir nämlich erst. Aber von Max haben wir erfahren, dass Miss Spencer auch schon in der Vergangenheit Opfer einer Entführung war?"
"Das trifft zu. Auch damals holte Tom Cray sie da raus.", setze ich sie ins Bild. "Und weil sie damals wegen der Spielschulden ihres Vaters entführt wurde hatten wir stets angenommen, dass alles weitere damit zusammen hing."
Jane presst unschlüssig die Lippen aufeinander.
"Ich habe das Gefühl, dass wir die ganze Zeit in die falsche Richtung ermittelt haben.", murmle ich nachdenklich. "Entschuldigen Sie mich bitte, Miss Bernstein. Bitte halten Sie sich in der nächsten Zeit zu unserer Verfügung. Wir kommen sicherlich noch einmal auf Sie zu.", verabschiede ich mich rasch.
Sie nickt.
Eilig laufe ich zu Tom hinüber. Es gab ein paar Fragen die dringend geklärt werden mussten.

 

Tom

 

Die verdammten Tränen tropfen durch meine Finger hindurch auf den dreckigen Boden.
"Hey.", murmelt Max und lässt sich neben mir nieder.
Stumm sehe ich ihn an. In seinem Blick liegt so viel Trauer, dass ich es kaum ertrage. Mutlos senke ich wieder den Blick.
Die Sanitäter wechseln sie mit den Wiederbelebungsmaßnahmen ab. Leise unterhalten sie sich mit dem Arzt unterhalten in ihrer Fachsprache. Ich kann nur Wortfetzen verstehen.
"250.", befiehlt der Arzt. Der eine Sani stellt etwas an dem Defibrillator ein.
"Zurück!", warnt der Notarzt laut und presst die Elektroden auf Charlys nackte Brust. Durch den Stromschlag wird ihr schlaffer Körper in die Höhe geworfen.
"Warten!"
"Nichts.", bemerkt der Sani mit Blick auf die Anzeige.
"Weiter!", befiehlt der Arzt und in derselben Sekunde presst der eine seine Hand auf Charlys Brust. Abwechselnd mit dem anderen versucht er sie wiederzubeleben. Ich habe mittlerweile keine große Hoffnung mehr. Zu viel Zeit ist verstrichen.
Verzweifelt schüttel ich den Kopf. Da spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Max versucht mir Kraft zu geben. Obwohl ich den Kerl nicht ausstehen kann, lasse ich ihn gewähren. Gerade sitzen wir im selben Boot. Beide haben wir unseren geliebten Menschen verloren.
Doch so hoffnungslos wie ich schienen die Mediziner nicht zu sein. Unermüdlich verrichten sie ihre Arbeit.

"Tom.", fragt eine weibliche Stimme hinter mir. Auch sie legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich hebe den Kopf und sehe zu ihr auf. Ariella steht hinter mir und sieht mitfühlend auf mich herunter. Max hebt ebenfalls den Kopf. Er sieht wie ein kleiner Junge aus, der zu seiner Mutter aufsieht.
"Was?", presse ich hervor.
"Es tut mir unendlich leid dich jetzt zu stören, aber ich brauche dich kurz.", entschuldigt sie sich leise. Ihr Blick schweift kurz zu Charlys Leiche.
"Zurück!", warnt der Arzt vor mir erneut.
"Moment."
Alles wartet gespannt.
"Nichts."
Die kurzzeitig aufgebaute Anspannung verfliegt.
"Ariella, ich ... ich kann jetzt n-nicht.", stammle ich leise, "Wende dich an Halliway!"
"Zurück!"
Das charakteristische Geräusch des Defibrillators ertönt. Unfähig noch einmal dabei zuzusehen, wende ich den Blick ab.
"Warten!"
"Da.", keucht ein anderer. Ich hebe den Kopf. Der Sani der die Anzeige im Blick hat deutet auf den Ausschlag. Tatsächlich, ein orangener Bogen ist darauf zu sehen. Und noch einer.
"Weiter!", befiehlt der Arzt und beginnt nun selbst nochmal mit der Herzdruckmassage.
Hoffnung keimt in mir auf. Max neben mir regt sich. Auch er lässt Charly nicht aus den Augen.
"Oh Tom.", keucht Ariella und drückt leicht meine Schulter. "Sieh nur!"
Und ich sehe es.
Ein erhobener Ausschlag nach dem nächsten erscheint in regelmäßigem Abstand auf der Anzeige.
"Charly.", rufen Max und ich gleichzeitig.
"Genug. 10 ml Propafenon.", ruft der Arzt.
Ich will nach Charlys Hand greifen, "Charly!", doch er sieht mich strafend an. "Bleiben Sie zurück und lassen Sie uns unsere Arbeit machen!", befiehlt er nun mir zur Abwechslung etwas.
Erschrocken ziehe ich die Hand zurück. Max legt mir einen Arm um die Schulter. Alles wird gut, schien er sagen zu wollen.
"Sie ist stabil.", verkündet der Notarzt und gleich darauf, "Sauerstoff. Zugang legen!"
"Sauerstoff? Warum denn? Atmet sie nicht allein?", rufe ich verzweifelt und verwirrt.
"Man.", herrscht er mich an, "Lassen Sie uns in Ruhe!"
Da kommt Bewegung in Max. "Ein bisschen Respekt, man, dass ist seine Frau."
Mit hochgezogener Augenbraue sieht der Mediziner erst ihn und dann mich an und nickt verständig.
Mehr durfte man wohl nicht erwarten.

Um meine steifen Glieder zu lockern, stehe ich auf und beginne von einem Bein auf das andere zu treten.
Plötzlich steht Robinson neben mir. "Na, alles in Ordnung? Hat der Kollege gut gearbeitet?", fragt er freundlich. Sicher hatte er mitbekommen, dass die Chancen gut standen das Charlotte überlebt, sonst hätte er nicht so fröhlich geklungen.
"I-ich d-denke schon.", stammle ich verwirrt.
Er sieht mich an und erwidert tröstend, "Na na, mein junger Freund. Es wird schon alles gut werden!" Auch er legt mir tröstend die Hand auf die Schulter.
Gebe ich hier eine solch jämmerliche Figur ab, dass jeder das Bedürfnis hat mich trösten zu müssen? Mein Ruf ist ruiniert. Scheißegal! Hauptsache ich habe Charly wieder!
"Ich werde dann mal los.", sagt Robinson in meine Gedanken hinein, "Meinen Bericht erhalten Sie per Mail. Ich nehme an Sie haben in den nächsten Tagen anderes zu tun."
Ich sehe ihn an. "Was?"
"Na, der Obduktionsbericht.", lacht er und deutet mit dem Daumen hinter sich in Richtung der Leichen. Ach ja, da war ja noch was.
Verständig nicke ich und verabschiede mich von ihm.
"Mister!", rufen da zwei Stimmen gleichzeitig. "Tom."
Ich drehe den Kopf und bemerke, dass Max und der Arzt mich anstarren. "Sie ist wieder da.", formen Steels Lippen tonlos.

 

Charlotte

 

Emely. Ein Loch prangt mitten auf ihrer Stirn. Ihre blauen Augen wirken irgendwie trüb und teilnahmslos. Fast wie eine Leiche. Dennoch spricht sie.
Unermüdlich wirft sie mir Gemeinheiten an den Kopf.
Ich habe ihr Kaninchen der Köchin als ein Wildkaninchen verkauft.
Ich habe sie die Treppe hinunter gestoßen und sie hat sich daraufhin das Bein gebrochen.
Ich habe mit einem Mann geschlafen den sie gern hatte, der daraufhin sie nicht mehr wollte.
Ich habe ihre Süßigkeiten gestohlen und sie gemeinsam mit Aiden aufgegessen.
Ich habe ihr Kleider aus dem Kleiderschrank gestohlen und nie wieder zurück gegeben.
Ich und Aiden waren gemein zu ihr. Immer. Ohne Ausnahme.
Unsere Eltern lieben mich viel mehr als sie.
Ich habe genug, will mir das nicht mehr anhören. Außerdem denke ich, dass es Lügen sind. Ich weiß gar nichts von all den Dingen.
Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, drehe ich mich um und lasse sie stehen. Sie kommt mir nicht nach. Als ich ein paar Schritte gegangen bin drehe ich mich doch noch einmal um. Jetzt liegt sie stumm mit dem Rücken auf dem Boden.
Sie sieht aus wie tot.

Ich gehe weiter.
Wo bin ich hier?
Wer bin ich überhaupt?
Mit einem Mal zwickt es in meiner Brust. Ich greife mir ans Herz. Es tut nicht weh.
Ich gehe weiter. Irgendwo muss doch ein Ausgang sein?
Wieder sticht es in meinem Herzen.
Was soll das?
Keuchend hole ich Luft.
"Charly!"
Erschrocken sehe ich mich um. Nein, Emely ist es nicht. Sie liegt noch immer weit entfernt tot auf der Erde.
"Charly."
Wieder dieser Schmerz.
Ich sinke auf die Knie. Etwas breitet sich von meinem Herzen aus in meinem Körper aus. Es es warm, nein heiß. Es brennt. Keuchend versuche ich durch tiefes einatmen es weg zumachen.
"Oh Gott, Charly!" Eine Stimme. Sie kommt mir bekannt vor.
"Sie ist stabil."
Was ist los?
Sauerstoff! Zugang legen!"
Was?
Ehe mir etwas passiert mache ich lieber die Augen auf.

 

Epilog

 

Charlotte

 

Tom und ich sind gerade erst aus Devon zurückgekommen und waren nun auf dem Weg zu meiner Mom nach Mayfair. Es war ein herrlicher und für diese Jahreszeit ungewöhnlich milder Januartag. Daher hatten wir ausgemacht uns zu einem Spaziergang im Hyde Park zu treffen.
Ein Monat war vergangen, in dem sehr viel geschehen war. Nach den Vorkommnissen kurz vor Weihnachten hatte Tom spontan Urlaub eingereicht. Hatte unsere Koffer gepackt und war mit mir raus aus der Stadt auf's Land gefahren.
Ganz in der Nähe von Aiden und Mary mietete er ein kleines Cottage. Sein Bestreben war, mich von allem weg zubringen.
Weit weg von der Brutalität und den Morden.
Weg von der Tatsache, dass mein Vater und meine eigene Schwester zu meiner größten Gefahr geworden waren.
Er wollte mich einfach in Sicherheit wissen.
Niemand hatte etwas gegen unsere Pläne zu verreisen einzuwenden. Jeder verstand, dass Tom seine gerade erst wiedergewonnene große Liebe beschützt wissen wollte.
Wer hätte es ihm auch verübeln sollen?
In Devon haben wir schließlich dann auch Weihnachten gefeiert. Mom kam für zwei Tage und gemeinsam feierten wir ganz still gemeinsam mit Aiden und Mary. Anfangs war ich noch geschwächt von dem Angriff, doch in der gesunden Meeresluft und der Ruhe besserte sich das rasch.
Tom erfüllte mir jeden Wunsch und versprach bei einem romantischen Candle Light Dinner noch einmal dies mit Freuden auch bis an unser Lebensende zu tun. Spontan beschlossen wir im ganz kleinen Kreis am Silvestertag zu heiraten. Dieses chaotische Jahr sollte einen guten Abschluss finden und das neue Jahr sollte noch besser werden. Nur meine Mom, Tom's Eltern, Aiden, Mary und meine Freundin Franzi, die auch meine Trauzeugin war, waren eingeladen. Aiden übernahm für Tom die Rolle des Trauzeugen.
Es war intim, es war romantisch und einfach wunderschön!

"Hallo, mein Schatz!", grüßt Mom und zieht mich in eine Umarmung. "Tom.", bedenkt sie auch ihn mit einer Umarmung als wir sie am Parkeingang treffen.
"Hattet ihr eine gute Reise?"
"Natürlich. Wie geht es dir?", antworte ich freundlich.
"Langsam wird es wieder."
Ich kann mir vorstellen, dass ihr Leben seit den Ereignissen der letzten Zeit und James Verhaftung sich stark verändert hat. Nun ist sie das Familienoberhaupt. James im Gefängnis hatte sie über ihren Anwalt die Scheidungsunterlagen zustellen lassen. Er fiel wohl aus allen Wolken. Da sie seit fast 30 Jahren verheiratet waren und in dieser Zeit einiges an Geld gemeinsam erwirtschaftet hatten, gehörte ihr von dieser nicht unerheblichen Summe ein guter Anteil. Sie verkaufte ihren Anteil an der Bank und eröffnete von dem Geld in der Villa in Mayfair eine Galerie. Mit ihren dort ausgestellten Kunstwerken schien sie mitten ins Herz der londoner Kunstszene zu treffen. Ihre Galerie wurde zu einem vollen Erfolg.

Selbst Granny war froh über diesen Schritt. Sie fand schon immer, dass James nicht ganz koscher war. Ihrer Tochter würde es nun viel besser gehen. Dies gestand sie mir, als ich sie in Florida anrief um ihr von unserer Hochzeit berichtete.

Max blieb ein guter Freund. Von mir und Tom.
Seine Ex Beverly besann sich irgendwann ihrer Tochter und zeigte wieder Interesse an ihr. Gut für das Kind, dass eine Mutter dringend nötig hatte.
Nur das Herz des Vaters blieb leer. Bei einem Treffen aller am Tag X beteiligter Personen änderte sich das jedoch.
Ariella, bis dato Single stolperte förmlich in sein Herz. Nun ja, in seine Arme, aber von da ist es ja nicht mehr weit bis zum Herzen.
Mal sehen wann von diesen beiden ebenfalls eine Einladung kommt?

 

Tom

 

Emely musste bereits seit frühester Kindheit eine psychische Störung gehabt haben. Und obwohl James alles dafür tat, dass sich seine Tochter neben ihren älteren Geschwistern nicht benachteiligt fühlte, kam es genauso. Sie bildete sich ein stets ein das fünfte Rad am Wagen zu sein. Sah nicht das Gute das ihr zugetragen wurde. Bemerkte nicht, dass sie stets das beste vom Besten bekam. In ihrem Wahn sah sie sogar Dinge die nicht existent waren.
In einem persönlichen Gespräch mit Doktor Robinson erklärte er mir seine Sicht der Dinge. Es könnte sein, dass sie eine dissoziative Störung hatte. Aber genau kann es freilich niemand mehr sagen. Veronica und anderen Familienmitgliedern war nie etwas derartiges aufgefallen.

Die Ermittlungen gegen James gingen gut voran. Infolge dessen konnte man ihm geschäftliche Kontakte mit dem organisierten Verbrechen nachweisen. Der Richter unterschrieb nur allzu gern den Haftbefehl. Auf der Suche nach ihm statteten zwei Met Beamte Miss Morgan Young, seiner Geliebten einen Besuch ab. Dabei entdeckten sie fertig gepacktes Reisegepäck. Die Flugtickets, ausgestellt für das fiktive Ehepaar Anderson und datiert auf den nächsten Samstag lagen griffbereit auf dem Esstisch und überzeugten die Beamten, dass Fluchtgefahr bestand. Als man Morgan schließlich zum Verhör mit auf's Revier nahm, begriff sie erst das volle Ausmaß der Geschichte und musste einsehen, dass die Romanze mit James vorbei war. Sie tobte wie eine Wildkatze und beteuerte, dass sie von alledem nichts gewusst hatte. Dies glaubte man ihr sogar und ließ sie schließlich mit der Auflage einer Geldstrafe wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wieder laufen.

James, dem die Verhaftung seiner Freundin nicht entgangen war hielt sich bedeckt und tauchte unter. Sein Ehrgefühl, Vaterliebe oder was auch immer es war was ihn heimlich an der Beerdigung seiner Tochter hatte beiwohnen lassen wurde ihm schlussendlich zum Verhängnis. Die Polizei, nicht so blöd wie sie in Kriminalromanen gern dargestellt wird vermutete soetwas schon und hielt sich bereit. Kaum hatte der Priester die letzten Worte am offenen Grab gesprochen, traten zwei dunkel gekleidete Agenten des SIS näher und nahmen James diskret fest. Seitdem sitzt er in Vauxhall und mimt den Ahnungslosen. Noch hatte man ihm nicht gesagt, dass sein Kumpel Gregorovitch ausgespielt hatte. Sobald er das erfährt wird er sicherlich zwitschern wie ein Vögelchen.

Die blonde Schönheit die sich so inbrünstig für Emely eingesetzt hat und nach deren Tot diesem Goldstein mit jeder erdenklichen Art russischer Flüche bedacht hat, war Gregorovitchs Tochter Natalia. Eine nette Person die stets bereit ist einer Freundin in Not zu helfen. Selbst wenn das bedeutet, ihr einen von Daddys Auftragskillern an die Seite zu stellen, damit dieser für die Freundin deren Schwester aus dem Weg räumt.
Eine verfahrene Kiste.
Emely hatte sich dermaßen in ihren Hass gegen ihre Geschwister hineingesteigert, dass sie keinen anderen Ausweg sah als diese von dieser Erde zu tilgen. Natalia beschrieb ganz anschaulich Emelys Innerstes. Beide Frauen hatten sich bei einer Party der Modeschule kennengelernt. Sie waren sich auf anhieb sympathisch und freundeten sich an.
"Emely sei die liebenswerteste Person gewesen die ihr je begegnet war", sagte Miss Gregorovitch. Kein Wunder, wenn man kaltblütige Killer und Frauenverachtende Sklavenhändler gewohnt war.
Als man sie fragte wer von den beiden denn den Mann in der Fabrik getötet hat, antwortete sie nach kurzer Überlegung, "Emely hat ihm mit einem Ziegelstein auf den Kopf geschlagen. ".
Gregorovitch setzte seine besten Anwälte an um seine Tochter frei zu bekommen. Mit Erfolg, denn außer der Körperverletzung an Max Steel und das sie einen Kontakt mit dem Killer für Emely hergestellt hat, hatte sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ihrem Vater, der sich stets in Sicherheit wog, konnten wir aber kräftig an den Karren pissen. Mit der Hilfe von Kronzeugin Jasmin Amarei und weiteren befreiten Frauen aus dem Etablissements Gregorovitchs konnte man ihm alles nachweisen was ihm vorgeworfen wurde.
Sein Fluchtversuch per Flugzeug wurde kurz vor Brighton gestoppt. Zum Glück. Ein paar Meilen weiter und er wäre nicht mehr im britischen Zuständigkeitsbereich gewesen. Begleitet von zwei Eurofightern der Royal Air Force kam er wohlbehalten in Heathrow an und wurde dort freundlich von den Kollegen des SIS empfangen.
Nach umfangreichen Vernehmungen machte er schließlich einige Geständnisse. Allerdings war nichts großes dabei. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Angesprochen auf die Entführung von Charlotte Spencer stellte er sich ahnungslos. Auch von einer 5 Millionen Pfund Erpressung von deren Vater wusste er angeblich nichts. Der Name James Spencer jedoch war ihm geläufig - als gern gesehener Gast in seinem Londoner Casino. Mehr aber auch nicht.
Na ja, was soll ich sagen? Die Kollegen bleiben dran.

Als Max Bilder der Lösegeldübergabe gesichtet wurden, stellte man fest, dass der Mann in dem schwarzen SUV derselbe ist, der steifgefroren in der Leichenhalle liegt. Angesprochen auf eben diesen Mann und Fotos des Toten ließen James gesprächig werden. Er bestätigte, dass es sich um denselben Kerl handelt der ihm das Geld abgenommen hatte.
Als James Rechtsanwalt ihm dann noch von Gregorovitchs Inhaftierung berichtete, sah er ein, dass er ausgespielt hatte und wurde redseliger. Er erklärte, dass es stets dieser Mann war der ihn kontaktierte. Er war der Mittler zwischen den Entführern und ihm. Nach dem Namen hatte er nie gefragt und so blieb der Tote vorerst ein Unbekannter.
Nun blieb nur noch die Frage offen, wer denn dann Charlotte hatte entführen lassen und das Geld eingesteckt hat?
Alle die etwas dazu sagen konnten waren entweder tot oder sitzen bereits in Haft.
Es war Jane Bernstein die mit ihrer Vermutung Ariella gegenüber, dass eine Frau hinter allem stecken könne, die den Stein ins Rollen brachte. Natalia Gregorovitch. Sie lebte noch und steckte vielleicht tiefer in der Sache drin als bisher vermutet. Aus der Vergangenheit klug geworden, wurde gleich eine Hundertschaft Met Beamten ausgesandt um sie ein weiteres Mal zu einem Verhör abzuholen.
Sie fanden nur noch eine leere Villa vor. Das Ehepaar Natalia Gregorovitch und David Johnson hatten sich abgesetzt.
Nach einer weltweiten Fahndung über Interpol griff man sie schließlich drei Wochen später in Santiago de Cuba auf. Mit allen Ehren geleitete man sie zurück in ihr Heimatland in dem sie gleich vor Gericht gestellt wurden.
Während der Verhandlung erklärte Miss Gregorovitch, dass es Emely Spencer war die auf sie zukommen war und um deren Hilfe bat. Ihr war sehr wohl klar wer Natalias Vater sei. Natalia, der Miss Spencer sehr sympathisch war freundete sich mit ihr an und gemeinsam schmiedeten sie Pläne. Natalia stellte den Kontakt zu Oswalt Lloyd her. Dieser engagierte, da er sich selbst nicht die Hände schmutzig machen wollte einen gewissen Emil Steinman Charlotte Spencer zu entführen und in sein Cottage in Wales zu bringen.
Das eigentliche Ziel sei es gewesen Charly in einem Sarg zurück nach London zu schaffen. Dieser Plan wurde jedoch wie wir ja wissen von mir durchkreuzt. Nicht müde ihren teuflischen Plan durchzuziehen, erpressten die Frauen gemeinsam mit Emil Steinman James Spencer weiterhin und um ihre Forderungen zu untermauern bastelte Steinman eine hübsche kleine Autobombe. James, der ja dachte er würde aufgrund seiner Spielschulden von Gregorovitch erpresst zahlte brav den vollen Betrag von 5 Millionen.
Als Charlotte diesen Anschlag jedoch auch überlebte und fortan ständig unter Bewachung stand, mussten sie sich was neues überlegen. Und so kam was kommen musste.

Blieb nur noch der Mord an Agent MacAvory sowie der zerstückelten Leichen aufzuklären. Bei letzteren konnten die Met Beamten einen Erfolg verbuchen.
Sie fanden über Zeugenaussagen heraus, dass die Stripperin Nancy Danylenko bei ihrer Tätigkeit einen gewissen Pietro Raynolds kennen und lieben gelernt hatte. Gemeinsam planten sie ihre Fluch. Dummerweise fand diese genau an dem Abend statt als MacAvory und ich dort ermittelten.
Durch mein Verschwinden, oder besser gesagt das der Zeugin Amarei waren die Hintermänner aufgeschreckt. Sie schwärmen aus, suchten, fanden und töteten die flüchtigen. Der Türsteher Orlow hatte aufgrund seines Fehlers Angst vor Konsequenzen und rächte sich an meiner statt an dem Mann der mein Freund zu sein schien. Wie das geendet hatte wissen wir ja nun.
Für den zweiten Fehler ließ Gregorovitch ihn von Steinman hinrichten.
Öffentlich.
Als Warnung an alle die zukünftig aufmucken sollten.
Das war der Anfang vom Ende der Geschichte des russischen Mafiaboss in England.

 

Charlotte

 

Kaum das wir zuhause waren flattert uns eine Einladung für eine andere Hochzeit ins Haus.
"Aus Bernstein wird Goldstein.", murmelt Tom als er über meine Schulter hinweg die Karte liest.
"Sollen wir da echt hingehen?"
Ich drehe mich empört zu ihm um und erwidere, "Aber sicher! Ich verdanke diesem Mann mein Leben."
"Das stimmt auch wieder.", stimmt er mir zu. "Wir sind ihm auf ewig zu Dank verpflichtet. Da ertrage ich sogar einen Tag solch schnulzigen Kram wie Brautkleider, Blumen, Tanz, Reden und das reichhaltige Essen."
"Ich merk' schon, du freust dich drauf.", ziehe ich ihn lachend auf und bringe mich schnell vor seiner süßen Rache in Sicherheit.
"Aber sicher, Mrs Cray."
"Was gibt es auch schöneres, als dem Menschen den man über alles liebt das Versprechen zu geben für immer mit ihm zusammen zu bleiben?"
Ich lasse mich von ihm einfangen und in eine Umarmung ziehen. Ehrfürchtig sehe ich zu ihm auf und aus einem Impuls heraus flüstere ich,
"Bisher war mein Leben ganz okay. Alle Menschen um mich herum waren okay. Freunde, Familie. Aber du, Tom du bist so viel mehr! Nichts kann jemals ändern was ich für dich empfinde!"
Seine blauen Augen beginnen zu glänzen. Sein Gesicht nähert sich meinem bis sich seine wunderbaren vollen Lippen auf meine senken.

 

Ende

 

Impressum

Texte: Andrea Hinze
Cover: Canva
Lektorat: Andrea Hinze
Korrektorat: Andrea Hinze
Satz: Andrea Hinze
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2020

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