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Seltsame Träume

Ava

 

"Ava, komm zurück! Du musst doch noch Mrs. Sanders Lockenwickler heraus nehmen." schrie Lucy mir hinterher. Doch ich machte das ich fort kam. Ich renne die staubige Hauptstraße irgendeiner Westernstadt hinunter. Nur weg hier.
"Ava." Lucy schrie mir noch immer hinter her.
Schnaufend und japsend rennt die korpulente Freundin und Mitinhaberin des Beautysalons meiner Mutter hinter mir her.
Was will sie nur? Sie weiß doch, dass ich jetzt Handarbeitunterricht habe und auf gar keinen Fall zu spät kommen darf.
"Ava. Bleib stehen! Sonst kannst du deinen Lohn für diese Woche vergessen." droht Lucy.
"Ich kann nicht. Nicht heute. Ich hab doch Häkeln bei Miss Spencer." rufe ich über die Schulter.
Da. Der Bus. Ein Bus im Wilden Westen? Egal.
Ich hechte ihm hinterher und schaffe es gerade noch rechtzeitig den langsam anrollenden Bus hinten auf die Stoßstange zu springen. Geschafft!
"Aber Ava. Das kannst du uns nicht antun! Wen interessiert schon die Schule? Die brauchst du doch gar nicht." jammert Lucy während sie sich heftig nach Luft japsens auf die Knie fallen lässt. Ihre sicherlich einst wunderschöne Hochsteckfrisur hat sich völlig aufgelöst und ähnelt nun eher einem kupferrotem Vogelnest.

 

...

 

"Doch ich. Ich brauche die Schule!" rufe ich entschlossen und öffne die Augen. Goldenes Sonnenlicht dringt durch die halb geschlossenen Fensterläden in mein Zimmer. Meine zitronengelben Wände verstärken den Eindruck eines goldenen Zimmers noch. Ein sanfter Luftstrom bewegt die lindgrünen Chiffonvorhänge. In den Prismen des kleinen Kristalllüster der von der Decke herunter hängt bricht sich hundertfach das Licht und wirft weiße tanzende Lichtflecken an die Wände. Ein bisschen wie in einer Disco.
Sofort bekomme ich gute Laune.
War das ein verrückter Traum! Ein Leben ohne Schule. Für mich unvorstellbar! Zum Glück geht's heute wieder los!

Ein Blick auf das Ziffernblatt meines Weckers bestätigt mich in der Ruhe die mich jetzt noch ausfüllt. Erst 5 Uhr. Zeit genug um zu duschen, mich anzuziehen, in Ruhe zu frühstücken und den Bus pünktlich um 7:15 nach Cambridge zu erwischen.

Ich stehe auf, schlüpfe in meine Pantoffeln, verlasse mein Zimmer und tappe über den Flur ins Badezimmer. Die leise Musik aus dem Erdgeschoss mischt sich mit dem Duft von Kaffee und frisch gebackenem Brot. Meine Mutter Lorelai scheint zur Feier des Tages extra früh aufgestanden zu sein.
Kurze Zeit später betrete ich frisch geduscht und angezogen unsere gemütliche Essküche. "Hey, Mum. Frisches Brot? Echt jetzt? Womit habe ich das verdient?" lache ich. Dabei weiß ich ganz genau, dass es bei uns beiden Tradition ist zum ersten Schultag nach den Ferien gemeinsam ausgiebig zu frühstücken.
"Na hör mal. Für dich, mein Schatz, ist mir nichts zu anstrengend." Mum dreht sich um und schrahlt mich an. "Guten Morgen, Süße."
"Morgen, Mum." Ich setze mich auf meinen Stuhl.
"Na, was steht heute an bei dir?" fragt sie mich. Genau wie jeden Tag in den letzten Wochen.
"Hm, lass mich überlegen." Grübelnd kratze ich mir am Kopf. " Ich denke, erst einmal werde ich mal bei der Schule vorbei gehen und schauen was es da so Neues gibt."
"Gute Idee!" lacht sie und setzt sich zu mir.
Gemeinsam nehmen wir unser selbstgemachtes Frühstück ein.

Später an diesem Tag sitze ich allein auf der Wiese im Innenhof unserer Schule. Es ist Mittagspause. Den Rücken an den Stamm der uralten Eiche gelehnt lese ich in meinem Krimi. Ein spannendes Buch. Doch plötzlich werde ich von aufgeregten Stimmen abgelenkt. Drei Mädchen haben sich hinter mir ebenfalls unter den Baum auf den Rasen gesetzt. "Wenn ich es euch doch sage. Er ist eine Augenweide." Die drei unterhalten sich derart laut, dass ich gezwungen bin ihr Gespräch mit an zuhören.
"Du hast es gut! Wir Normalos müssen warten bis er sich uns morgen persönlich vorstellt." ruft in gespielten Jammerton die eine. Vorsichtig lehne ich mich auf den linken Arm und spähe um den Baumstamm herum. Hab ich es doch gewusst, es sind Julia, Amy und Claire. Das nervtötende Trio meiner Klasse. Claire als Direktorintöchterchen verfügte stets als Erste über die neuesten News der Schule. Scheinbar gibt es ein neues Opfer für ihre Klatschtriaden.
Bevor sie mich des Lauschen bezichtigen können drehe ich mich zurück und widme mich wieder meinem Buch. Meine Ohren jedoch folgen jedoch weiterhin ihrem Gespräch.
"Was unterrichtet er?"
"Physik und Informatik. Außerdem..." Claire macht eine bedeutungsvolle Pause. "Wird er die in diesem Jahr neu gegründete Theatergruppe leiten." Zweistimmiges Jubeln bestätigt Claires gute Neuigkeiten. "Wirklich, Claire?"
"Wenn ich es euch doch sage."
"Klasse! Also ich weiß schon welche Fächer ich belegen werde." meint Amy.
Typisch Amy und Julia! Kennen diesen neuen Lehrer noch gar nicht und befinden ihn schon als Traumtyp. Sie verlassen sich vollkommen auf Claires Urteil und sind natürlich wie stets ihrer Meinung. Hirnlose Hühner!

Als nächstes steht Mathematik für mich auf dem Stundenplan. Langsam, die Nase weiterhin ins Buch gesteckt gehe ich ins Hauptgebäude und steige die Treppe zum ersten Stock hinauf.
Ich könnte den Weg selbst mit geschlossenen Augen bewältigen. Seit fünf Jahren besuche ich nun diese Schule. Klassisch britisch und altehrwürdig trotzt sie allem Modernen. Der IT Unterricht ist eine Erungenschaft von Direktorin Finnigan. Vor ihr haben sich die ausschließlich männlichen Direktoren erfolgreich gegen jede Art von Neuerungen gewehrt. Mrs. Finnigan besitzt im Gegensatz zu ihrer 16 jährigen Tochter Claire Güte und Freundlichkeit gegenüber ihren Mitmenschen. Claires herausstechendste Eigenschaft ist ihr Modebewusstsein.

Oben am Ende der Treppe angelangt schlage ich automatisch den Weg in den rechten Gebäudeflügel ein wo sich die Naturwissenschaftlichen Klassenräume befinden. Gerade als ich an der Tür des Physiksaals vorüber gehe schwingt diese auf und knallt mir fast vor die Stirn. Mein Buch wird mir aus der Hand geschlagen und landet mit einem lauten Knall auf dem Parkettboden. "Man. Kannst du nicht aufpassen!" rufe ich eher aus Schreck als Verärgerung laut aus.

"Oh. Entschuldigung." murmelt der Typ der nun vor mir auf dem Boden kniet und etliche lose Blätter aufsammelt die sich zu meinem Buch gesellt haben. Ich bücke mich nach meinem Buch, doch er ist schneller und reicht es mir hinauf. Dabei begegnen sich unsere Blicke und ich stelle erschrocken fest, dass es sich nicht um einen älteren Schüler sondern um einen erwachsenen Mann handelt. Wieder goldenes Sonnenlicht. Diesmal fällt es durch das gotische Fenster in den Flur und beleuchtet dramatisch sein Gesicht. Das Grün seiner Augen strahlt regelrecht. Noch nie habe ich solche Augen gesehen.
"Danke." murmle ich und nehme mein Buch entgegen.
Er hebt das letzte Blatt auf und erhebt sich. Als er nun in voller Größe vor mir steht ist es unverkennbar, dass es sich um einen Lehrer handelt. Aber welcher? Er ist mir völlig unbekannt.
Für einen Augenblick ruht sein Blick noch auf mir ehe er sich mit einen kurzen Nicken umdreht und in entgegengesetzter Richtung entfernt. Ich ertappe mich dabei wie ich seiner schlanken Gestalt nachschaue bis er auf der Treppe in die oberen Etagen verschwindet. Langsam gehe ich zum Matheraum hinüber. Mein Buch halte ich zugeklappt in der Hand.
Die folgenden 90 Minuten Mathematikunterricht nehmen mich trotz erstem Schultag ganz schön in Beschlag. Mister Spencer, unser verknöcherter Mathelehrer will wohl gleich klarstellen, dass er auch in diesem Jahr wieder vor hat, uns mit den kompliziertesten Ergüssen seines Faches zu quälen.

Zum Abschluss des Tages habe ich Kunst. Hier treffe ich wieder auf Claire und ihre Freundinnen. Zum Glück aber auch auf Mary. Meine beste Freundin seit Kindertagen.
"Hey, Süße. Da bist du ja." begrüßt sie mich.
Mit gespielter Ermattung lasse ich mich auf den Stuhl neben dem ihren fallen.
"Ganz schön viel für den ersten Tag. Aber gleich ist ja Schluss."
"Jup. Wie sieht dein Stundenplan aus?" will Mary wissen.
"Genauso wie im letzten Jahr eigentlich. Neu dazu gekommen ist nur Astronomie. Und bei dir?" antworte ich.
"Dito. Astronomie hat mich schon immer interessiert."
"Geht mir genauso. Ich freu mich drauf!"
In diesem Moment betritt Mrs. Finnigan den Kunstsaal. Unsere Direktorin gibt, neben ihrer Tätigkgit als Schulleiterin weiterhin Kunstunterricht. Kunst ist ihre Passion.
"Hallo ihr Lieben. Willkommen zurück! Ich hoffe ihr hattet einen schönen Sommer!" begrüßt sie uns und rauscht in die Mitte des Raumes. Vereinzelt kommen gemurmelte Antworten. Strahlend bleibt sie stehen und ruft "In diesem Jahr wollen wir uns zuerst einmal mit den Werken von Claude Monet beschäftigen."
Damit ist der Unterricht eröffnet.
Als alle der Aufforderung von Mrs. Finnigan nachkommen und aufstehen um sich Papier, Aquarellfarben und Pinsel aus den Regalen zu holen, bleiben Claire und ihre Freundinnen demonstrativ sitzen. Claire schnipst mit den Fingern um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter auf sich zu lenken. "Ja Claire. Was gibt es denn?" fragt diese. "Findest du deine Materialien nicht?"
"Doch. Aber ich habe eine Frage die nichts mit dem Kunstunterricht zu tun hat."
"Na dann, hat es wohl Zeit bis nach dem Unterricht oder?" Mrs. Finnigan sieht sie streng an.
"Ich denke, dass meine Frage nicht nur mich beschäftigt." meint Claire und lässt ihren Blick durch den Saal schweifen. "Es geht um den neuen Lehrer für Physik. Mister Redmayne."
"Was ist mit ihm?"
"Wann wird er uns offiziell vorgestellt?"
"Das übernimmt der Kollege selbst wenn er in den betreffenden Klassen seinen Unterricht gibt." antwortet ihre Mutter und will mit ihren Ausführungen über Monet fortfahren.
Beleidigt verschränkt Claire ihre Arme vor der Brust und starrt Löcher in die Luft. Sicher hat sie mit dieser Aktion nur erreichen wollen, mit ihrem Insiderwissen mal wieder im Mittelpunkt zu stehen. Denn seit wann werden neue Lehrkräfte hier offiziell vor allen begrüßt?
Julia und Amy haben scheinbar Mitleid mit ihrer Freundin und sammeln für sie ebenfalls die Arbeitsmaterialien ein.
"So, wo nun alle endlich..." Ein Seitenblick auf ihre Tochter. "...mit Papier und Farbe versorgt sind können wir nun endlich anfangen. Ihr dürft nun einmal ganz legal etwas eigentlich Verbotenes tun. Kopiert ein Werk des großen Meisters! Beispiele habe ich vorn an die Tafel gehangen." Sie deutet mit der Hand zu der genannten Wand. Nach anfänglichem Papiergeraschel erfüllt schnell eine konzentrierte Stille den Kunstsaal.

Lorelay

Gleich nachdem Ava das Haus verlassen hat mache auch ich mich fertig für die Arbeit. Zum frühstücken zu Walt brauche ich heute ja nicht zu gehen. Heute ist schließlich erster Schultag nach den Ferien. Es hat sich in den letzten Jahren so eingespielt, dass Ava und ich diesen besonderen Tag gemeinsam gemütlich bei uns zu Hause starten. Nur wir zwei. An fast allen anderen Tagen im Jahr frühstücken wir in Walt's Waffelhouse. Auserdem gibt's bei Walt den besten Kaffee der Stadt.

Kaum bin ich vor die Tür getreten und gehe zu meinem bordoxrotem Jaguar der in der Auffahrt parkt, da fährt ein roter Mustang langsam am Haus vorbei. "Morgen, Lorelai!" ruft der Fahrer aus dem Fenster und tippt sich an die imaginäre Hutkrempe.
"Morgen, Tom." antworte ich. "Schönen Tag dir!"
Tom lächelt und gibt Gas. Eine wohlige Wärme breitet sich in meinem Bauch aus. Ich sehe seinem Wagen hinterher bis dieser hinter der nächsten Kurve verschwunden ist. Dann steige ich in mein eigenes Auto. "Jetzt kann es ja nur ein schöner Tag werden."
Stillvergnügt grinse ich in mich hinein während ich zum Beautysalon fahre. Dieser befindet sich am Stadtrand von Cambridge. Eigentlich könnte ich Ava morgens mitnehmen, doch sie besteht darauf mit dem Bus zu fahren. Mein großes Mädchen. Ich bin so stolz auf sie! Ein braveres, anständigeres und fleißigeres 16 jährige Mädchen findet man in ganz England nicht. Schon immer war sie zielstrebig und ehrgeizig. In die Wissenschaft will sie mal gehen. Biologin werden. Ich glaube fest an sie!
Würde mich jedoch auch mal freuen, wenn sie endlich auch mal ein paar Eigenschaften von mir an den Tag legen würde! Ein Quäntchen Frechheit, eine Prise Mut und etwas Sexappeal stünden ihr sicherlich auch gut zu Gesicht. Aber was nicht ist kann ja noch werden.

 

Unerwartete Gefühle

Ava

 

Der zweiter Schultag steht an. Alles ist wie jeden Morgen. Mum und ich frühstücken bei Walt in Walt's Wafflehouse.
"Kann ich bitte noch einen Kaffee haben, Walt?" ruft Mum Richtung Theke. Da steht Walt und nickt. Er ist ein rüstiger Mittsechziger der mit Hilfe von Daisy, seiner Tochter sein eigenes Cafè, Schrägstrich Pub führt. Das tut er seit ich denken kann und laut Mum war auch sie hier schon als kleines Mädchen ab und an essen. Grandpa ist Sonntags immer mit ihr in unser schönes Little Surrey gefahren. Damit das Kind auch mal Frischluft bekommt, sagte er stets. Schade, dass Grandpa vor einigen Jahren verstorben ist. Ich hätte gern mehr Zeit mit ihm verbracht.
Walt kam an unseren Tisch und goss Mom ihre Tasse voll. "Und du, Ava. Was kann ich dir noch Gutes tun?" fragt er mich.
"Nichts. Danke, Walt."
"Brauchst du nichts für die Schule? Soll ich dir ein Lunchpaket zusammen stellen, Kind?" Er ist so fürsorglich. Schon im letzten Schuljahr hat er mir das täglich angeboten. Und wie so oft bitte ich höchstens um eine Kleinigkeit. Ich möchte ihm nicht unnötige Mühe machen.
Wie nicht anders zu erwarten verlasse ich das Cafè etwas später mit einer gut gefüllten braunen Papiertüte unter dem Arm. Den Bus nach Cambridge erwische ich gerade noch so. Auch wie immer. Mum ist noch im Cafè geblieben. Sie muss Dienstags und Donnerstags erst um 12 Uhr im Beautysalon sein. Da hat sie die Spätschicht und ist erst um Mitternacht zu Hause. Für mich bedeutet das zwei mal wöchentlich Sturmfreie Bude. Was in meinem Fall allerdings nichts her macht, da ich kaum Freunde habe und mit den wenigen die ich habe keine vernünftige Party zu feiern wäre.

Pünktlich hält der Bus unmittelbar vor dem Schulgebäude. Unmengen von Schülerinnen und Schülern, alle in der rot und marineblauen Schuluniform gekleidet ströhmen über die gekieste Auffahrt dem Haupthaus entgegen. Ich zupfe meinen roten Rock zurecht, richte meinen Krawattenknoten und schultere meinen Rucksack. Auf geht's.
Rechts neben der Auffahrt befindet sich der Lehrerparkplatz. Schüler die mit dem eigenen PKW zur Schule kommen müssen sich mit den wenigen Parkplätzen am Straßenrand begnügen.

Die Cambridge Public School ist wie der Name schon vermuten lässt eine Privatschule. Hier lernen cirka 250 Kinder und Jugendliche von 11 bis 19 Jahren in original historischen Gebäuden. Dem Campus schließen sich neben dem altehrwürdigen riesigen Hauptgebäude ein weiterer Bau aus deutlich jüngerer Zeit und noch eine brandneu gebaute Turnhalle an.
Das Hauptgebäude erinnert mit seinen gotischen Fenstern, den Säulen, Türmen und Erkern eher an ein Schloss. Aber ganz entgegen Pomp und Adel war das hier einmal ein Kloster. Davon zeugt auch der begrünte Innenhof, heutzutage allerdings ohne Klostergarten mit seinen Säulenbewährten Kreuzgang der mir am besten gefällt.
In den ersten beiden Stunden habe ich Sport bei Mister Evans. Rasch laufe ich im Nebengebäude zu meinem Spint und tausche Schulrucksack gegen Sporttasche. Kurz vor halb neun treffe ich auf meine Mitschüler vor der Turnhalle.
Nach 70 Minuten Sprint, Staffellauf und Dauerlauf gehe ich gemeinsam mit Mary zu den Duschen. Wasser und Seife haben wir jetzt echt nötig. Wo ich mich wie nach einer Wanderung durch die Wüste Gobi fühle und sicher auch so aussehe, sieht Claire wie immer wie aus dem Ei geprellt aus. Mary scheint meinen Blick richtig gedeutet zu haben. "Wie machst sie das nur? Frisch und munter wie immer. Nicht einmal ihr Mascara ist verschmiert." bemerkt sie mit unverhohlener Bewunderung in der Stimme.
"Das kann ich dir sagen. Mister Evans ist habe mir gestern beim reiten den Knöchel verstaucht. Ich kann unmöglich am Unterricht teilnehmen." äffe ich mit verstellte Stimme und gespielter Dramatik Claire nach. Mary muss sich das Lachen verkneifen als die nachgemachte Claire sich in diesem Moment zu uns umdreht.
"Aber natürlich, Miss Finnigan." fahre ich nun mit dunkel verstellter Stimme fort. "Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Miss Finnigan? Ihre nächste Chemiearbeit schreiben eventuell?"
Nun kann Mary sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Das ist ansteckend und ich falle mit ein.
So ganz abwegig ist das nicht. Unser Sportlehrer macht keinen Hehl daraus Claire zu gefallen. Allerdings ist das nicht ihr gewittmet, sondern eher ihrer Mutter, der Direktorin. Mister Evans hat ein kleines Alkoholproblem und ist damit des öfteren schon negativ aufgefallen. Er hat wohl Angst um seine gut bezahlte Anstellung als Lehrer. Nur nicht die Prinzessin verärgern. Nicht das die sonst ihrer Mutter petzt und ihn feuert.
Er kann einem fast leid tun!

Frisch geduscht, frisiert und geschminkt warten wir wenig später vor dem noch abgeschlossenen Physiksaal. Eine gespannte Unruhe macht sich unter der weiblichen Schülerschaft breit. Die Neuigkeit eines neuen, scheinbar auch gut aussehenden Lehrers hat wohl die Runde gemacht. Einen großen Teil Mitschuld daran kann man wohl Claire zuschreiben, die nun mit überlegenen Lächeln rücklings an der Wand lehnt. Kaum ist das Läuten der Schulglocke verklungen nähern sich schnelle Schritte dem Physiksaal. Ein Schlüssel klimpert. "Guten Tag." höre ich eine männliche Stimme in die Runde rufen. Meine Mitschüler umringten den Lehrer derart dicht, dass ich ihn nicht ausmachen kann. Erst als wir alle unsere Plätze im Raum eingenommen haben kann ich mir unseren neuen Physiklehrer genauer ansehen. Verblüfft und eigentlich habe ich es schon geahnt, starre ich ihn an. Es ist der selbe Mann der mir gestern die Tür vor den Kopf geschlagen hat.
Wie auf's Stichwort verzieht sich eine Schlechtwetterwolke und lässt Sonnenstrahlen durch die Fenster hinein. Wieder steht er in gleißenden Sonnenlicht das seinem braunes Haar einen leicht rötlichen Stich verleiht. Das Grün seiner Augen strahlt selbst bis zu mir in die hinterste Reihe hinauf. Oder bilde ich mir das nur ein, weil ich schon einmal von nahen in diese unglaublichen Augen blicken durfte?
"Was ist denn mit dir los, Ava?" versuche ich mich selbst zu beherrschen.
"Guten Tag. Mein Name ist Redmayne und ich werde euch zukünftig in Physik, Informatik und Theater unterrichten."
Kurz kehrt Unruhe durch vereinzelte Jubelrufe ein. Mister Redmayne hebt beschwichtigend die Hände und es herrscht wieder Ruhe. Bevor er sich mit einem Stück Kreide bewaffnet zur Tafel umdreht lässt er noch ein schüchternes Lächeln erkennen. Unauffällig werfe ich einen Blick zu meinen Mitschülerinnen. Einige sitzen mit verklärten Blick, das Kinn auf die Hände gestützt da und schmachten Mister Redmaynes Rücken an. Andere sitzen aufmerksam auf ihrem Stuhl und lassen sich nichts anmerken. Den Stift, lauernd in der Hand, warten sie auf die ersten Worte und Formeln zum abschreiben.
Überrascht stelle ich an mir selbst fest, dass ich zur ersten Gruppe gehöre. Erschrocken setze ich mich auf, schlage meinen Hefter auf und greife nach meinem Federmäppchen. Leider bemerke ich zu spät das der Reisverschluss bereits geöffnet ist und der ganze Inhalt rasselt lautstark auf den Boden. Im stillen Saal hallt das Geräusch besonders laut nach. Fast alle Köpfe drehen sich nach mir um. Zeitgleich springe ich auf um meine Habseeligkeiten aufzuheben. Ich knallte die Stifte und Liniale auf meinen Tisch was wiederum ein unangenehmes Geräusch verursacht. Ohne auf zusehen und mit knallroten Kopf eile ich meinem die Stufen zur Tafel herunter hopsenden Radiergummi nach. Blödes Teil! Warum musste ich mir auch einen Radierer in der Form einer Billiardkugel zulegen? Eine weibliche Stimme grunzt vergnügt. Sicher ist es Claire.
Da, endlich bleibt der Radierer liegen. Doch nicht lang. Er ist direkt vor Mister Redmaynes Füße gelandet und dieser hebt ihn nun auf. Beschämt hebe ich nun doch den Blick. Dieser wandert von seinen braunen Lederschuhen über seine dunkelblaue Anzughose hinauf zu seinem Hals mit der roten Krawatte und dem hellblauen Leinenhemd. Er lehnt sich locker an sein Pult und reicht mir den Radierer. Ich sehe ihm nun direkt ins Gesicht. Diese Augen. Sein Mund umspielt ein freundliches aber auch schüchternes Lächeln. Kleine Grübchen umspielen seine Mundwinkel. Über die Nase, die Wangen, ach überall ziehen sich Sommersprossen die seinem Gesicht etwas jugendliches verleihen. "Ich glaube, der gehört dir." sagt er leise und drückt mir die Billiardkugel in die Hand.
"Dankesehr." krächze ich, drehe mich um und haste zu meinem Platz zurück. In meinem Rücken brennen die Blicke der anderen.
Peinlich, peinlich!
"Was war das denn?" flüstert Mary als ich wieder am Tisch neben ihr sitze.
Verwundert zucke ich die Achseln. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. "Kein Plan." forme ich lautlos. Ich möchte auf keinen Fall noch ein weiteres mal unangenehm auffallen.

 

Lorelai

 

Nachdem ich gemütlich zu Ende gefrühstückt und mir von Walt noch zwei Stück Kuchen für heute Nachmittag hab einpacken lassen verlasse ich Walt's Wafflehouse. Bis meine Schicht im Salon beginnt habe ich noch etwas Zeit. Zeit genug also um ein bisschen zu shoppen. Gut gelaunt bringe ich als erstes den Kuchen in den Wagen und schlage dann den Weg zu Monica's Boutique zu Fuß ein. Mom gibt am Samstag anlässlich ihres 54. ten Geburtstages eine Gartenparty, da kann ich unmöglich mit einem alten Kleid aufkreuzen. Es ist nicht weit bis zur Boutique. Unmittelbar in der Nähe steht ein roter Mustang geparkt. In meinem Bauch kribbelt es. Und direkt davor steht Monica mit dem Rücken an die große Fensterscheibe ihres Ladens gedrückt. Aber sie ist nicht allein. Mir sinkt das Herz in die Hose. Es ist Tom. Er steht vor ihr, mit einer Hand am Glas abstützen mit der anderen sie fest an sich drückend und erforscht mit seiner Zunge sehr eindringlich ihre Mundhöhle.
Sie sind so beschäftigt das sie mich zunächst nicht bemerken. Doch da öffnet Tom die Augen und sein Blick trifft mich. Seine Augen leuchten vor Freude, vor Lust, ja irgendwie frech und auffordernd. Aber so sexy! Hallo! Er besitzt doch tatsächlich die Frechheit mit mir zu flirten während er eine andere küsst.
Wütend betrete ich den Laden und werfe die geöffnete Tür in die Angeln. Laut scheppert die Türglocke. Erschrocken fahren Monica und Tom auseinander. Ich beobachte wie er sich mit dem Handrücken über den Mund fährt und sich grinsend an die nicht vorhandene Hutkrempe tippt. Dann schlendert er zu seinem Wagen und steigt ein. Monica zupft ihr Kleid zurecht und ordnet hektisch ihre kunstvoll aufgetürmte Frisur. Dann betritt die Inhaberin selbst ihr Geschäft.
"Hallo Lorelai. Schön dich zu sehen! Entschuldige bitte das ich dich warten ließ!" entschuldigt sie sich.
"Na so lange musste ich ja nicht warten." beschwichtigend ich genervt.
Sie lächelt entschuldigend. "Was kann ich für dich tun."
"Meine Mom hat Geburtstag. Gartenparty. Kleid." werfe ich ihr hin. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit und ich weiß, dass Monica nichts weiter braucht als die Fakten um einem das perfekte Outfit zusammen zu stellen. Sie ist ein wahres Mode Talent!
Mit eiligen Schritten durchmisst sie ihren kleinen Laden und nimmt hier eine Hose und da ein Shirt, da eine Bluse und noch zwei Kleider aus den Regalen. "Hier. Das sollte fürs erste reichen." Sie deutet zu dem schweren goldenen Vorhang. "Probiere mal an!"
Ich tue wie mir geheißen.
"Tut mir wirklich leid wegen eben!" höre ich ihre Stimme durch den Vorhang. "Tom ist immer so fordernd."
"Ich wusste gar nicht das ihr zusammen seid."
"Ja. Seit dem letztem Stadtfest. Du weißt schon, dass zum Sommerbeginn."
In unserem Städtchen gibt es andauernd ein Fest. Sommerbeginn, Erntedank, Halloween, Weihnachten, Silvester, Winteraustreiben, Tanz in den Mai. Andauernd. Stets vom Komitee der Festplanung dem unter anderem auch Walt angehört organisiert.
"Ach wirklich." murmle ich.
"Ja. Er ist so süß, sag ich dir! Und so aufmerksam."
"Ja, das ist er wohl. Ihm entgeht keine Frau mit der er flirten kann. Selbst wenn er dabei gerade seine Zunge in einem weiblichen Hals stecken hat." denke ich wütend.
"Letztens hat er mir rote Rosen mit gebracht und wir waren aus. Im Autokino. Total romantisch! Ich war vorher noch nie in einem Autokino. Und du, Lorelai?"
Ich spare mir die Antwort.
Sie scheint das nicht zu bemerken und redet weiter. "Du glaubst gar nicht wie er unter seiner Bikerjacke aussieht. Er ist göttlich! Er ..."
Bevor Monica mich mit weiteren Einzelheiten ihrer Liebe nerven kann, reiße ich schwungvoll den Vorhang zur Seite und trete aus der Umkleidekabine. "Was sagst du?"
Sie steht mit schief geneigten Kopf da und betrachtet mich von oben bis unten. "Hm. Ich denke du probierst doch mal lieber das grüne Kleid!"
Am Ende hatte sie, wie immer, recht. Ich kaufe das grüne bodenlange Kleid dessen Farbe mein rot braunes Haar bestens zur Geltung bringt.
Theoretisch bräuchte ich nun noch neue Schuhe. Aber ich kenne mich, spätestens wenn meine Absätze das erste mal im Rasen eingesunken wären, wäre ich eh nur noch barfuß herumgelaufen. Also spare ich mir das und erscheine gleich barfuß.
Ich bin stets bereit meine Mutter ein kleines bisschen auf die Palme zu bringen. Grinsend schlendere ich zu meinem Wagen zurück um zur Arbeit zu fahren.

 

Kann es denn noch peinlicher werden?

Ava

 

Nach Unterrichtsende renne ich als erste aus dem Physiksaal und flüchte in die Toilette. Mary, ganz meine Serlenverwandte weiß wo sie mich finden kann. "Bist du da drin, Süße?" klopft sie leise gegen die Kabinentür. Ich drücke sie vorsichtig auf.
"Heute nicht dein Tag, was?" grinst sie.
"Jup. Wie peinlich ist das denn? Da habe ich einen tollen ersten Eindruck gemacht."
"Na ja, genau genommen hat den dein Radiergummi gehabt. Wie es da lasziv langsam die Treppe herunter gehopst ist. Und direkt vor seine Füße. Punktlandung." Marys Grinsen ist ansteckend.
Ich verlasse die Toilettenkabine und stelle mich vor den Spiegel. "Wenigstens hat sich meine Gesichtsfarbe wieder normalisiert." stelle ich fest.
"Ja. Du warst wirklich kaum noch von einer Tomate zu unterscheiden." lacht sie und erntet dafür gleich mal eine Hand voll Wasser ins Gesicht.
"Hey. Was denn?" lacht sie. Abwehrend hebt Mary die Hände. "Der Neue hat dich stark beeindruckt oder?"
Da hat sie recht. Aber erklären kann ich mir das nicht. Aber sie kann es.
"Aber da bist du nicht die einzige. Die halbe Klasse hat die Augen nicht von ihm lassen können. Und das lag sicher nicht an seinen gekonnten Ausführungen die Newtonschen Gesetze betreffend. Er hat echt was drauf.
Und Claire hat widererwartend einmal recht gehabt mit ihrer Einschätzung das er heiß ist, das muss ich zugeben."
Sie sieht mir durch den Spiegel in die Augen. Wartet meine Reaktion ab.
"Wir haben über die Newtonschen Gesetze gesprochen?"
"Jaaa." grinst Mary.
"Ich kann mich nicht erinnern." gebe ich lachend zu.
Mary boxt mir freundschaftlich gegen den Oberarm. "Du warst scheinbar mit deinen Gedanken ganz woanders. Na komm, Schluss für heute. Nichts wie raus hier!" Sie zerrt mich aus dem Raum.

 

Nachdem ich meine Bücher in den Spint geschlossen habe laufen wir ins Haupthaus hinüber. Zum Abschluss des Tages wollen wir in unserer Cafeteria einen Kaffee trinken gehen.
"Such uns mal Plätze! Heute bin ich dran mit bezahlen." rufe ich und schlendere zum Tresen.
Mary setzt sich an einen freien Tisch und hält mir einen Stuhl frei. Das ist nötig, denn um diese Zeit ist die Cafeteria proppe voll. Wir wechseln uns täglich ab mit dem bezahlen. Das machen wir beide seit einigen Jahren so. Es ist ein gemütlicher Abschluss des Schultages.
Vorsichtig bahne ich mir den Weg zwischen Stühlen, Beinen und achtlos hingeworfenen Schultaschen. Dabei balanciere ich das Tablett mit den Kaffeetassen vor mir her. Plötzlich schiebt ein Schüler seinen Stuhl nach hinten und steht schwungvoll auf. Dabei rammt er mit seiner Schulter mein Tablett. Dieses kippt und ergießt den dampfenden Inhalt der Tassen direkt über die Hose des Schuldigen. "Verdammt." keucht er. Es muss weh tun, denn der Kaffee war frisch gebrüht. Die kunstvollen Cupcakes die ich für Mary und mich gekauft hatte liegen hingeworfen auf dem Boden. Das Tablett scheppert daneben.
"Oh mein Gott!" kreische ich und schlage die Hand vor den Mund.
Der Typ reibt sich die nasse Stelle an seiner Hose. Ich verfalle in eine regelrechte Schockstarre.
"Oh mein Gott, Mister Redmayne." höre ich dumpf Marys Stimme.
Was? Mister Redmayne. Scheiße! Das darf doch wohl nicht wahr sein. Jetzt werde ich aktiv.
"Es tut mir so leid, Sir!" stammle ich.
"Schon gut." zischt er. Sicher hat er Schmerzen.
Mary hat von irgendwoher einige weiße Papierservietten organisiert und drückt diese nun auf seine Hose. Er versucht sie ihr aus der Hand zu nehmen, doch sie reibt immer weiter die heiße Flüssigkeit in den Stoff seiner Hose. Vereinzelt ist Gelächter zu hören. Ansonsten ist es merkwürdig still in dem sonst lauten Raum.
"Mary. Danke." flüstert er.
"Das reicht. Dankeschön!" zischt er zwischen zusammen gebissenen Zähnen und reißt ihr nun den nassen braunen Serviettenklumpen aus der Hand. Betröbbelt steht sie da während er sich seine Tasche greift und eilig den Saal verlässt.
Was auch immer mich dazu bewegt, ich folge ihm.
Theoretisch müsste ich mich nicht entschuldigen, es war ja seine Schuld, doch irgendwie fühle ich mich dazu verpflichtet.
"Mister Redmayne." rufe ich als ich ihm im leeren Flur hinterher laufe.
Er bleibt stehen und dreht sich zu mir um. "Ava, nimm's mir nicht übel, aber ich kann dir leider gerade nicht helfen. Ich ... ich muss kurz ... ." Er wendet sich ab.
"Aber Mister Redmayne, ich möchte doch nur Entschuldigung sagen." flüstere ich als ich vor ihm zum stehen komme.
Er dreht sich erneut um und schaut verwundert. "Warum? Gut, du hast mich mit Kaffee verbrüht, aber ich bin schließlich selbst schuld oder?"
Da hat er recht.
"Nun ja. Aber ..." stammle ich.
"Es ist schon gut, Ava." sagt er noch hebt die Hand zum Gruß und weg ist er.

Bedröppelt gehe ich zur Cafeteria zurück. Wo Mary schon mit meinem Rucksack in der Hand am Ausgang auf mich wartet.
"Wie geht's ihm? Hat er noch was gesagt?" will sie wissen.
Ich zucke die Achseln. "Nur das es nicht meine Schuld war."
"Stimmt ja auch. Ich hab's beobachtet. Er hat dir seinen Stuhl zwischen die Beine geschoben. Komm mit!"
Gemeinsam verlassen wir das Schulgebäude.
"Na ja, ein gutes hat die Sache ja. Du bist nun nicht mehr die einzige die einen peinlichen Moment mit Mister Redmayne teilt." sagt Mary und grinst mich frech von der Seite an.
"Du hast recht. Deine Aktion gerade hat ordentlich von meinem dämlichen Verhalten vorhin abgelenkt. Tja, was ihm da wohl eher in Erinnerung an seinen zweiten Arbeitstag bleibt? Die treu dämlichen Blicke einer seiner Schülerinnen oder das peinliche rumgerubbel an seiner Hose. Ebenfalls von einer Schülerin." grübel ich in gespielter Entrüstung.
"Ach du." lacht meine Freundin. "Das hat er sicher morgen schon wieder vergessen."
Lachend gehen wir weiter.
"Wollen wir noch in die Konditorei?" frage ich. Mir fehlt mein Nachmittagskaffee.
"Klar doch."

 

Aufgrund des herrlichen Wetters der letzten Tage hat unsere Lieblingskonditorei ihre Außenbestuhlung aufgestellt. Wir lassen uns auf zwei Korbstühle fallen.
Dabei stoße ich gegen den Bistrotisch. Durch die Erschütterung wackelt die schmale Blumenvase und fällt schließlich um. Zum Glück sind es Kunstblumen und dieses Missgeschick bleibt unbemerkt.
"Also heute ist echt der Wurm drin." bemerke ich trocken. "Das gibts doch nicht."
"Gibt's eben doch. Manche Tage sind eben so. Besonders wenn du glaubst das heute dein Pechtag sei, passieren dir immer mehr Missgeschicke." erklärt Mary.
Eine Bedienung tritt an unseren Tisch und bittet um die Bestellung.
"Zwei mal Tee und zwei Erdbeer Cupcakes bitte." bestelle ich. Die Bedienung nickt und verschwindet im Cafè.
"Tee hilft immer. Egal was ist. Das ist zumindest eine ungeschriebene britische Regel." lache ich.
Mary nickt.
"Er ist schon echt süß! Findest du nicht auch?" fragt sie nach kurzem Schweigen.
"Wer? Redmayne? ... Na ja." druckse ich.
"Ach gib's schon zu, Ava! Jeder hat doch deine Reaktion gesehen."
"Ach was." Ich winke ab. "Mir war es nur peinlich meine Habseeligkeiten im Raum einsammeln zu müssen. Und dann noch dieser dämliche Radierer."
"Ja ja." grinst Mary frech. "Jedenfalls hat Claire in diesem Fall recht gehabt. Mister Redmayne hat irgendwas. Er ist nicht der schönste Mann der Welt, aber doch schon sehr heiß!"
Da hat sie recht!
Die Bedienung bringt unseren Tee.
"Du hast recht! Er wird unserer eingestaubten Schule einen gewissen Sexappeal verleihen. Aber leider sind die männlichen Wesen unserer Altersgruppe nicht gerade anziehend. Und Redmayne wird für uns leider unerreichbar bleiben."
Mary hebt ihre Tasse. "Dann lass uns anstoßen! Auf die Männer! Die unerreichbaren und die, die wir nicht brauchen."
Ich hebe ebenfalls meine Teetasse. Klirrend prallen sie aneinander.
"Obwohl ... John aus unserer Parallelstufe."
"Was ist mit ihm?" frage ich und sehe sie an.
"Der ist süß! Und in unserem Alter."
"Okay. Wenn du meinst."
"Ach komm schon, Ava. Es muss doch auch irgendeinen geben der dich beeindruckt?"
Hm, den gibt's nicht.
"Wenn ich einen finde, der Literatur ebenso wie ich gut findet, der an Natur und Tieren interessiert ist, dann habe ich einen gefunden. Leider findet man so jemanden heutzutage kaum noch."
"Stimmt. So jemanden gibt's nicht. Nicht heutzutage. Wenn wir Anfang des 20. Jahrhundert leben würden ..."
Sie will mich aufziehen.
"Hey, als würde ich völlig hinter dem Mond leben." Ich tue beleidigt.
"Na ja, mal ein bißchen Spaß haben ... Mal tanzen gehen ... Das würde dir gut tun. Komm doch mal mit am Wochende!" Versucht Mary mich nicht zum ersten mal zu überreden.
"Ich geh lieber lesen."
"Stimmt. Du verkriechst dich lieber in deiner Bibliothek hinter deinen staubigen Büchern. Aber so lernst du nie jemanden kennen, Süße."
"Wer sagt denn das ich das möchte?"
"Na hör mal. Du bist ein Teenie." lacht sie und boxt mir gegen den Oberarm.
"Ach, ich brauche sowas nicht. Mein Traumtypen gibt's eh nicht." winke ich ab.
"Aber Mister Redmayne kommt dem schon nahe oder?" zwinkert sie mir zu.

 

Lorelai

 

"Du sagst bescheid wenn etwas unangenehm ist?"
"Klar." keucht Susan in die Liege. Herzhaft greife ich ihr in den Nacken und massiere ihr Fleisch wieder weich.
Susan ist Stammkundin in unserem Salon. Sie kommt regelmäßig zu uns um sich durchkneten zu lassen.
Überhaupt haben wir viele Stammkundinnen. Ja vor allem Frauen verirren sich zu uns. Was wohl daran liegt, dass sie bei uns für ein paar Stunden ihren Alltag zwischen Kinder, Haushalt, Arbeit und Partnerschaft vergessen können. Außerdem steht hier immer ein Fläschchen Champagner kalt.

 

Nachdem Susans Körper wieder seinen Wohlfühlfaktor erreicht hat geht sie rüber in den Frisiersalon zu Lucy. Bei meiner besten Freundin sind Haare aller Art und Beschaffenheit in den besten Händen.
Kennengelernt haben wir uns schon in der Primärschool. Da ist sie mir im zarten Alter von 10 wegen ihrer wilden roten Locken aufgefallen.
Heutzutage sind die Locken feuerwehrrot und stets kunstvoll gebändigt.
Obwohl wir rein optisch schon immer Grund verschieden waren hat die Chemie zwischen uns immer gepasst.
Man findet im guten alten England keine freundlichere, hilfsbereitere, kreativere junge Frau!
Na ja, von meiner Tochter mal abgesehen. Nur die Kreativität muss man bei Ava abziehen. Sie bekommt nicht einmal eine Blumenwiese auf's Papier.
Mein Handy im Regal hinter dem Tresen meldet sich. Erfreut stelle ich fest das es Max ist.
"Hey Sweetheard!" säusel ich.
"Hi Darling."
Oh diese Stimme! So tief und sexy.
"Was gibt's? Hast du nichts zu tun?" frage ich.
"Ach nicht der Rede wert. Williams lässt mich heute in Ruhe. Ich hatte Sehnsucht nach deiner Stimme."
Das muss er gerade sagen.
"Klar. Was ist wirklich?"
"Wie hört sich Kino und gemeinsames Essen für dich an?" fragt er.
"Kalorienreich."
Max lacht. "Was hältst du davon wenn ich dich um 18 Uhr vom Salon abhole und wir zusammen einen schönen Abend verbringen?"
"Dann kommst du in den Genuss meiner Werten Gesellschaft, aber was habe ich davon? Außer morgen 4 Pfund mehr auf den Rippen?"
Ich will ihn nur ärgern. Er kennt das schon.
"Wie wäre es, wenn ich dir einen gewissen Genuss verschaffen würde?"
Ich kann förmlich sehen wie er mit den Augenbrauen wackelt.
"Klingt gut. 18 Uhr also?"
"Jup. Bis dann. Ich liebe dich!" switcht er wieder in den meine-Kollegen-können-ruhig-alles-mitbekommen-Modus um.
Ebenso neutral sage ich "Ich dich auch. Bis dann." und lege auf.

"Na, da hat wohl jemand ein Date heute Abend?" fragt Lucy und wackelt ebenfalls mit der Augenbraue.
"Jup. Max will essen gehen." Ich gehe durch den Salon und sammle die Zeitschriften ein.
"Nicht nur, wie ich ihn kenne." grinst sie.
Statt einer Antwort gebe ich ihr mit einer zusammen gerollten Zeitschrift eine auf den Po. Lucy quittiert das mit einem Lachen. Ich drappiere die verschiedenen Zeitschriften im Wartebereich ordentlich auf dem Glastisch als die Türglocke eine neue Kundin ankündigt.
Mit der Begrüßungsfloskel auf den Lippen drehe ich mich um und stoße fast mit Tom Griffiths zusammen.
"Ach du Schreck!" entfährt es mir.
"Also bisher hat sich noch keine im bekleideten Zustand vor mir erschreckt." meint er trocken und sieht mich herausfordernd an.
"Das folgt immer nur wenn wir intim werden." fügt er überflüssigerweise hinzu.
"Danke. Ich hatte es auch so schon verstanden." Eilig drängle ich mich an ihm vorbei Richtung Tresen.
"Ich hatte nichts anderes von dir erwartet, Lorelai."
Was auch immer er damit sagen will.
"Was führt dich zu uns, Tom? Ein Termin für eine Ganzkörper Massage für Monica? Sie muss ja ganz verspannt sein wenn sie mehrere Stunden mit dir verbracht hat."
Ups - ganz schlecht, Lorelai! Er nutzt natürlich gleich die Stilvorlage.
"Also es ist eher so, dass sie danach immer vollkommen entspannt ist. Allenfalls etwas Muskelkater." grinst er und lehnt sich mit dem rechten Arm auf den Tresen.
Ich nicke. "Okay. Das ist schön für Monica!"
Tom nickt. "Tja warum ich wirklich hier bin. Ich will meine Haare schneiden lassen"
"Prima. Da ist Lucy deine Ansprechpartnerin." sage ich erleichtert und deute auf meine Freundin die gerade noch Mrs. Milton die grauen Haare frisiert.
"Gut, dann warte ich."
"Hättest du nicht eigentlich Dienst?" will ich neugierig wissen.
"Nö. Hab frei. Heute hat dein Max ganz allein die Freude den Laufburschen für Willians zu spielen." erklärt er nachdem er es sich im Wartebereich bequem gemacht hat.
Ich gehe wieder meiner Arbeit nach und sammle Gläser ein um sie in unserer kleinen Küche zu spülen.
Als ich wieder nach vorn in den Kundenbereich komme sitzt er noch immer da. Und er beobachtet mich. Lässt mich keinen Augenblick aus den Augen. Langsam beginne ich nervös zu werden. Was bezweckt er damit?
Ab und an werfe ich einen verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Wie er so da sitzt. In Bluejeans und mit schwarzem Polohemd. Breitbeinig, einen seiner stark tätowierten Arme locker auf der Rückenlehne des Sofas gelegt verkörpert er genau den Typ Mann den ich insgeheim schon immer anziehend fand. Der machohafte böse Junge mit dem man sicher gehen kann ein Abenteuer zu erleben. Der Typ den jedes Mädchen anziehend findet auch wenn es das niemals zugeben würde.

Ein belustigtes Lächeln umspielt seinen Mund als er bemerkt das ich ihn taxiere. Schnell sehe ich weg.
Da ertönt endlich Lucys erlösende Stimme "Tom. Ich bin dann so weit."
Langsam steht er auf und schlendert an mir vorbei. "Deine Gedanken würd ich gern lesen, Lorelai." raunt er kaum hörbar. Klopft auf den Tresen und setzt sich vor Lucy auf den Frisierstuhl.

Ich stehe stocksteif da und kann nichts weiter tun als den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken.

 

Literarische Gespräche

Ava

 

Pünktlich zur Dinnerzeit um 20 Uhr bin ich zu Hause. Es ist Dienstag, Mum hat Spätschicht und ist noch im Salon. Wie zu erwarten war herrscht im Kühlschrank gähnende Leere. Ich greife nach dem Telefon und unserer Lieferserviceliste. "Hm, was kochen wir heute?" murmle ich als ich mich auf's Sofa pflanze und die Liste durch gehe.
"Asiatisch."
Ich wähle Mister Who's Nummer und bestelle unser Abendessen. Hoffentlich ist Mum heute ebenfalls nach Asiatisch! Ansonsten hat sie Pech. Allerdings ist sie in dieser Hinsicht wirklich unkompliziert. Sie isst alles was man ihr vorsetzt. Hauptsache es hat viele Kalorien und schmeckt süß. Ihren ungesunden Ernährungsstil sieht man ihr allerdings nicht an. Sportlich attraktiv, so kann man Mum beschreiben. Und ein gutes Herz hat sie. Stets freundlich und hilfsbereit und eigentlich immer mit guter Laune. Das ist Lorelai.
Bis das Essen geliefert wird liege ich auf dem Sofa und versuche zu lesen. Dantes göttliche Komödie. Erscheint mir heute irgendwie passend.
Doch so richtig kann ich mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu sexy grünen grauen Augen ab. Ich geb's auf und pfeffere das Buch auf den Couchtisch. "Vielleicht Sturmhöhe? Heathcliff wird schon diese Gedanken vertreiben. Er ist genauso charmant wie Tom auf den Mum so abfährt." überlege ich, stehe auf um das Buch aus meinem Zimmer zu holen. Doch da klingelt es an der Haustür.
Ich öffne und davor steht der kleine Tom. Er ist Mister Who's Lieferjunge. Er lehnt lässig an der rechten Säule unseres Vordachs und schaukelt die weiße Plastiktüte hin und her. "Hi, Tom. Das ging ja schnell." grüße ich freundlich.
"Hey, Ava. Wie geht's denn so? Hier." Er stößt sich von der Säule ab und reicht mir die Tüte. Ich nehme sie entgegen, drehe mich um und bringe das Essen ins Wohnzimmer. Auf dem Rückweg greife ich nach meinem Rucksack im Flur und krame mein Portemonnaie hervor.
Der kleine Tom kennt das Prozedere schon und wartet geduldig. Schließlich sind wir wegen Mum's kochunfähigkeit Stammkunden.
"Und? Wie waren die ersten Tage in der Penne?" fragt er betont cool. Er bildet sich auf seine zwei Jahre die er älter ist einiges ein. Dabei ist dies erst der dritte Monat das er zur arbeitenden Gesellschaft zählt.
"Cool." antworte ich kurz und bündig. Ich reiche ihm das abgezählte Geld plus Trinkgeld.
Er nimmt es in die Hand und sieht mich an. "Was ich dich mal fragen wollte ..."
Oh je, jetzt kommt's.
"Was denn?"
"Wollen wir mal zusammen was trinken gehen?"
Ähm.
"Ich ... ich weiß nicht, klei ... ähm Tom. Ich bin ... ähm sehr beschäftigt." stammele ich.
"Ach komm schon! Du wirst doch wohl einen Abend mal deine Bücher Bücher sein lassen, Ava. Lass uns ins Autokino fahren."
Tom hat seit diesem Sommer den Führerschein. Und er ist noch in diesem Alter, wo man glaubt, allein mit einem Führerschein und Daddys geliehenen Auto die Mädels rum zu kriegen.
"Das klingt gut. Aber ich habe tatsächlich schon was vor."
"Aber ich habe doch noch gar kein Datum genannt." wundert er sich.
"Egal. Ich hab keine Zeit. Sorry Tom!" Und damit schließe ich freundlich aber bestimmt die Haustür.
Bevor ich mit dem Essen anfange knipse ich noch ein Foto von Mum's Portion und schicke es ihr per WhatsApp Nachricht.
"Du bist ein Engel, mein Engel!" kommt als Antwort zurück. Die Worte und ein Kuss Smily.
Dann lasse ich es mir schmecken.
Mum's Heimkehr heute Nacht bekomme ich nicht mehr mit, da träume ich bereits von grünen Augen die mich lasziv anschmachten.

Der nächste Morgen verläuft wie immer, nur das heute nach einiger Zeit graue Regenwolken den Himmel verhängen. "Pack dir nen Schirm ein, Süße!" rät Mom als wir gemeinsam das Haus verlassen. "Es sieht stark nach Regen aus."
"Schon geschehen." Grinsend gehe ich an ihr vorbei zum Auto.
Bei Walt nehmen wir unser reguläres Frühstück ein, dass aus frischen Waffeln mit Apfelmus und Puderzucker für Mum und Schinken Käse für mich besteht. Dazu brauchen wir beide um richtig wach zu werden rund zwei Kannen Kaffee. Die Kaffeeabhängigkeit und ja, ich rede tatsächlich von einer Sucht, wurde mir schon in die Wiege gelegt. Mum hat während der Schwangerschaft täglich literweise Kaffee in sich hinein geschüttet. Ich selbst trinke das wachmachende Gebräu nun schon seit ich 12 Jahre alt bin. Zum Ärger von Grandma. Sie findet diese amerikanische Sitte Kaffee zu trinken ziemt sich nicht für einen wahren Briten. Tee sollte für uns an oberster Stelle stehen.
Gerade ordert Mum Kaffee Nachschub, da öffnet sich die Tür zum Wafflehouse und Max kommt herein.
Sein Blick fällt als erstes zu unserem Stammtisch hinten rechts am Fenster und er kommt lächelnd zu uns. "Guten Morgen meine Hübsche." begrüßt er Mum und gibt ihr einen schnellen Kuss auf den Mund. "Hey Ava." grüßt er auch mich.
"Hey." ruft Mum und klingt gekünstelt verliebt.
"Morgen, Max." murmle ich und ziehe aus meinem Schulrucksack mein Buch. Sturmhöhe. Ich kenn das schon. Aber jetzt bin ich abgeschrieben.
"Walt, bringst du bitte noch eine dritte Tasse!" ordert Mum.
"Kommt sofort." kommt es vom Tresen herüber. Kurz darauf steht auch schon die Tasse und eine frische Glaskanne des duftenden Gebräus vor uns.
"Und, was gibt's Neues auf dem Revier?" will Mum wissen.
"Nichts weltbewegendes ehrlich gesagt. Ein Einbruch letzte Woche bei einem Juwelier. Noch einer in einem Antiquitätengeschäft. Aber sonst." Er zuckt die Achseln.
"Und Williams?"
Max winkt ab. "Ach der. Nervig wie immer. Lässt uns rennen und bequemt sich selbst kaum noch aus dem Büro." Chief Inspektor Benedict Williams ist Max und Toms direkter Vorgesetzter im Revier. Alle warten nur drauf, dass er endlich befördert und damit nach London versetzt wird.
Ich selbst kenne ihn kaum. Einmal war er zufällig auf einem unserer Stadtfeste. Er sieht eigentlich ganz nett aus. Aber was weiß ich schon.
"Mum, ich werd dann mal los. Will mich noch in Bio einlesen bevor der Unterricht startet." erkläre ich und stehe auf.
Lorelai sieht zu mir auf und lacht "Du und einlesen? Das hast du doch gar nicht nötig, Schatz."
Na ja, da hat sie recht, aber ich möchte hier nicht länger stören.
Grinsend küsse ich sie auf die Wange und reiche Max die Hand. Er steht sofort auf und schüttelt sie. "Ich wünsch dir nen schönen Tag, Ava!"
"Euch auch. Tschau."
Gerade als ich nach der Türklinke greife ruft Walt "Junges Fräulein, hast du nicht etwas vergessen?" Ich drehe mich um und sehe ihn mit meinem heutigen Fresspaket in der Hand wedeln. "Danke Walt. Wenn ich dich nicht hätte." lobe ich. Mum hat mich gehört und lässt ein gespielt empörtes Reuspern vernehmen.
"Ich soll dir übrigens von Mary sagen, dass deine Brownies erstklassig sind."
Walt nickt "Das hört man gern. Einen schönen Tag, Ava!"

Am schmiedeeisernen Tor unserer Schule treffe ich auf Mary.
"Hey, Ava. Bist du bereit für einen weiteren Tag Peinlichkeiten?" grüßt sie lachend.
"Na, ich hoffe doch, dass heute zur Abwechslung einmal nichts derartiges passiert!" Ich hake mich bei ihr ein und gemeinsam gehen wir die gekieste Auffahrt hinauf.
Ohne ein einziges Mal auf Mister Redmayne zu treffen überstehe ich den Schultag. So darf es gern weiter gehen!
Diszipliniert ziehe ich die Doppelstunden Biologie, Deutsch und Mathenatik durch. Wenn ich weiter so ohne Ablenkung lernen kann bin ich bald wieder die alte Ava.


Mittwoch habe ich nachmittags Fechten. Ein Sport der mich schon immer fasziniert hat. Praktischerweise bietet meine Schule diesen Sport als Wahlpflichtfach an.
Am Spint angekommen treffe ich auf Mary und Louise. Luise ist ebenfalls eine Freundin. Sie ist im Jahrgang unter Mary und mir und lag, wie sie uns geschrieben hat, die letzten Tage krank mit Sommergrippe im Bett.

Sicherlich hat Mary sie bereits mit den neuesten News in Sachen Lehrerkollegium versorgt.
"Hey, Louise. Schön, dass du wieder da bist!" begrüße und umarme ich sie.
"Danke Ava."
Um gar nicht erst das peinliche Thema Mister Redmayne aufkommen zu lassen frage ich "Nimmst du heute schon wieder am Fechten teil?"
"Nein, noch nicht. Nächste Woche aber sicher." Sie deutet auf Mary die schräg hinter ihr steht. "Mary und ich wollen schonmal einen Kaffee trinken gehen."
"Ist doch in Ordnung für dich?" wirft Mary dazwischen.
"Klar ist es das." antworte ich, obwohl ich jetzt schon weiß, wenn Louise noch nichts von unserem neuen Lehrer und den Peinlichkeiten von gestern weiß, nach dem Kaffee weiß sie es ganz sicher.
"Okay. Wir sehen uns später noch?"
Ich schüttelte den Kopf. "Heute nicht. Ich muss nochmal in ..." Weiter komme ich nicht. Beide unterbrechen mich indem sie "... in die Bibliothek." rufen.
Lachend umarmen wir uns zum Abschied und ich schlender mit Sporttasche und Rucksack zur Sporthalle. Heute hatte ich nicht vor noch einmal ins Hauptgebäude zum Spint zurück zu kehren.

Als ich den Kreuzgang trete höre ich Mrs. Finnigans Stimme. Ich sehe sie am entgegengesetzten Ende an einer der Säulen lehnen und telefonierten. Etwas in mir zwingt mich stehen zu bleiben.
Es ist der perfekten Akustik des Kreuzgangs geschuldet das ich jedes Wort ihres Telefonats mitbekomme.
Ich weiß, lauschen gehört sich nicht, aber die Neugier siegt.
"... Überlegen Sie es sich, Tristan! Das ist doch eine tolle Chance für Sie. ... Ja natürlich. ... Ja das auch. Aber ... Tristan, Fakt ist, Mister Rosenbaum wird nicht zurück kehren. ... Ja natürlich werden Sie das. ... Ja? Das freut mich! ... Ja überlegen Sie es sich. Geben Sie mir bis Freitag bescheid! Danke Ihnen. Auf Wiederhören." Sie legt auf und verschwindet durch die nächste Tür im Gebäude.
Was war das gerade? Mister Rosenbaum. Unser Astronomielehrer und zudem noch mein Klassenlehrer soll nicht wieder kommen? Nun ja, er ist schon steinalt und so. Aber er ist nett.
Hat er gekündigt, geht er in den Ruhestand oder ist er gar Tod? Und wer ist Tristan und wie kann er Mrs. Finnigan helfen?
In meinem Kopf schwirren die Gedanken. Fechten hätte ich völlig vergessen wenn nicht in diesem Moment Eddie mir von hinten auf die Schulter getippt und mich so in die Gegenwart zurück gebracht hätte. Ich zucke zusammen und keuche erschrocken auf.
"Na, inspiriert dich unser schöner alter Kasten zu einem literarischen Gegenstück?" lacht er. "Also mich erinnert die Schule immer an Thornfield Hall. Fehlt nur noch die Geisteskranke Berta die als Gespenst über die Flure spukt."
"Mensch Eddie, du hast mich erschreckt." schimpfe ich. "Und es ist überhaupt nicht wie Thornfield. Ich finde eher es ähnelt Pemberley!"
Eddie ist mein Fechtpartner daher haben wir den selben Weg. Lachend schlendern wir zur Turnhalle.
"Typisch Mädchen! Verklärte Romantikerin. "Oh Mister Darcy. Ich wäre entzückt wenn Sie mich auf den Ball begleiten, mich gleich danach heiraten und mich anschließend in die schönsten und teuersten Kleider stecken würden!" säuselt er mit hoher verstellter Stimme.
Ich wuschel ihm durch die schwarzen kurzen Haare. Ich weiß er hasst das, weil ich damit seine frisierbemühungen zunichte mache. "Nicht jede ist so. Ich zum Beispiel finde auch Heathcliff anziehend."
"Ja klar, Ava. Vielleicht den Schauspieler der ihn im Film spielt. Aber sonst. Heathcliff passt ja so gar nicht zu Ava MacAdams." meint er.
"Du findest also ich sei ein braves Mädchen das stets hübsch angezogen, wohlerzogen und so gar nicht unanständig ist?" will ich wissen.
"Jup. Ava MacAdams ist so gar nicht Catherine Earnshaw, sondern eher Jane Bennet."
Ich weiß was er meint. Er ist ja nicht der einzige mit dieser Meinung. Aber wenigstens kann man sich mit Eddie über Literatur unterhalten. Das kann man bei weitem nicht mit jedem Teenager heutzutage. Leider!

"Das, mein Lieber ist deine alleinige Meinung. Aber es ehrt mich, dass Ihnen meine Vorzüge aufgefallen sind." lache ich und will ihm erneut durch die Haare strubbeln. Da hält er mit einer schnellen Bewegung meine erhobene Hand fest und dreht sie mir auf den Rücken. Dadurch bin ich gezwungen sehr nah an ihn zu rücken. Er sieht zu mir hinunter, blickt mir in die Augen und flüstert "Die sind mir schon lange aufgefallen."
Ich schlucke, halte aber dem Blick stand. Mir ist noch nie aufgefallen das das Blau seiner Augen von bernsteinfarbenen Sprenkeln durchsetzt ist.
Und dann ist der Moment vorbei. Er lässt meinen Arm los und macht einen Schritt zur Seite. "Kommst du! Wir brauchen sonst gar nicht mehr hin zu gehen." grinst er.
Ich setze mich in Bewegung und versuche mit ihm Schritt zu halten. Eddie ist deutlich größer als ich. Noch immer verwirrt schaut ich ihn einmal von der Seite an. Was meinte er gerade?
Da scheint er meinen Blick zu bemerken und sieht mich ebenfalls an. Unsere Blicke treffen sich erneut. Seine Augen strahlen. "Alles gut?"
Ich nicke und strahle zurück.

Was ist nur mit dir los, Ava MacAdams? Du benimmst dich ja wie ein homongesteuerter Teenager.

 

Verbotene Träume

Ava

 

Am Freitag hätten wir zum ersten mal Astronomie, doch als ich am Morgen als erstes im Foyer der Schule auf den Vertretungsplan schaue, lese ich das Astronomie bis auf weiteres ausfällt, da Mister Rosenbaum ab sofort nicht mehr an unserer Schule unterrichtet.
Mary, wieder einmal mehr auf Zack als ich, hat diese Neuigkeit bereits der Schulwebsite entnommen. Es gibt da eine Chatgruppe der Schülerschaft, zu deren regem Austausch Mary einen großen Teil beiträgt. Für mich ist das nichts. Ich bekomme auch so einiges mit. Alleine schon durch Claire.
"Schade, ich hatte mich schon so gefreut!" sage ich traurig und gehe gemeinsam mit Mary zu unseren Spinten.
"Für mich ist das ja nix. Zu langweilig." winkt sie ab.
"Langweilig? Du spinnst ja!" lache ich. "Ich habe mich da seit Jahren drauf gefreut. Und jetzt sowas. Stand im Internet auch warum Mister Rosenbaum nicht mehr kommt?"
"Gesundheitliche Gründe stand da. Aber er hätte sich eh im November in den Ruhestand verabschiedet. Nun geht er eben etwas früher."
"Ach so."
"Man munkelt jetzt übrigens das die Finnigan ihren Plan die Schule von ihrem angestaubten Image zu befreien noch einen jungen Lehrer einstellt." Mary zwinkert mir zu.
"Munkelt man das oder hofft man das?" lache ich.
"Beides sicherlich."
Die Tür des Physiksaals steht bereits offen, so dass wir uns direkt an unsere Plätze setzen können. Mister Redmayne steht bereits an der Tafel und schreibt komplizierte Formeln an.
Ich ertappe mich dabei ihn zu beobachten. Wie sich der Stoff seiner Ärmel über seine Oberarme spannt. Seine schlanke hochgewachsene Figur. Sein braunes kurzes Haar das er sich mit Gel leicht verstrubbelt gestylt hat. In der Wahl seines Outfits hat er es wieder einmal geschafft unglaublich attraktiv zu wirken. Die weiße Stoffhose, das hellblaue Polohemd und die braunen Lederschuhe stehen ihm sehr gut.
Mit meiner Meinung scheine ich nicht allein zu stehen. Gerade betreten Claire, Julia und Amy den Raum. Claire erblickt Redmayne und boxt Julia gegen den Oberarm. Sie deutet auf unseren Lehrer. Mit offenen Mündern starren sie ihn an und schleichen zu ihren Plätzen. Dabei achtet Claire nicht darauf wo sie hin tritt und stößt gegen ein Regal mit Glaskolben und mechanischen Material wie Waagen und Gewichten.
Ein lautes klimpern und scheppern lässt alle Köpfe zu einer hochroten Claire herumfahren. Für einen Augenblick steht sie wie erstarrt da, dann kommt Bewegung in Claire, sie reißt ihre beiden Freundinnen an den Armen in die nächst beste Bankreihe.
Mister Redmayne hatte zunächst gar nichts von alldem mitbekommen. Er schrieb in Seelenruhe weiter. Doch das Scheppern lässt ihn sich nun doch umdrehen. Mit einem Blick erfasst er die Situation und wendet sich mit einem amüsierten Grinsen ab. Dabei streift sein Blick auch die hinteren Bankreihen und damit mich. Es ist nur ein Bruchteil einer Sekunde, aber mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, dass er mich ansieht. Sein Blick trifft mich direkt ins Herz. Sofort setzt das Kribbeln in meinem Bauch wieder ein.
Wie paralysiert starre ich nun wieder auf seine Kehrseite und bekomme gar nicht mit, dass Mary neben mir etwas sagt.
"Ava. ... Hallo. Erde an Ava." dringt ihre Stimme dumpf zu mir durch.
Ich schüttelte den Kopf um die seltsamen Gedanken zu verscheuchen. "Was?"
"Wie was? Sag mal, er scheint dich ja echt zu beeindrucken, was! Da ist die beste Freundin natürlich abgeschrieben." Gespielt beleidigt dreht sie sich Richtung Fenster und sieht hinaus.
"Ach Quatsch. Du bist und bleibst an erster Stelle." lache ich und zwicken sie freundschaftlich in die Seite. Mary kichert schrill auf, was diesmal ihr Blicke unserer Mitschüler einbringt. Schnell schaue ich zu Mister Redmayne ob auch er sich wieder umdreht, doch er steht mit dem Gesicht zur Tafel und lässt die Hand mit der Kreide locker herunter hängen.
"Wenigstens war Claire diesmal dran sich lächerlich zu machen." flüstert meine beste Freundin mir ins Ohr. "Es ist echt krass wie euch dieser Typ aus der Fassung bringt."
"Ach Quatsch. Das tut er doch gar nicht." winke ich ab.
"Oh doch, meine Liebe. Das tut er."
Eine Antwort bleibt mir erspart, da in diesem Moment die Schulglocke ertönt.
Während des Unterrichts schenkt mir Mister Redmayne keine großartige Beachtung. Wenn ich mich melde und er mich dran nimmt, wandert sein Blick über die Köpfe seiner Schüler. Weicht er meinem Blick aus?

Kaum ist der Unterricht beendet stopft Mary ihren Hefter und ihre Stifte in die Tasche und fragt "Mittagessen in der Cafeteria?"
Ich nicke und packe ebenfalls ein. Als ich hinter Mary her die Stufen im Raum zur Tür hinunter steige werfe ich einen letzten Blick zum Lehrerpult. Genau in diesem Moment sieht er von seinen Aufzeichnungen auf und schaut mich an. Schnell zuckt sein Blick wieder weg. Fahrig fährt er sich mit der Hand durch die Haare und zerstört damit seine Frisur was mich belustigt grinsen lässt.
Gemeinsam verlasse ich mit meiner Freundin den Physiksaal.

 

Am Abend liege ich im Dunkeln auf meinem
Bett und kann keine Ruhe finden.
Was ist nur mit mir los? Noch vor ein paar Wochen waren mir Jungs völlig egal. Und jetzt sehe ich sie überall. Und dann auch noch Mister Redmayne. Ich wundere mich über mich selbst. Die Reaktion die mein Körper zeigt sobald er in der Nähe ist. Das Kribbeln in meinem Bauch. Meine Gedanken driften stets zu ihm ab, Gedanken die in solcher Form gar nicht in meinem Kopf existieren sollten.
Sobald ich meine Augen schließe fantasiert mein Hirn verschiedene Szenarien in denen stets Mister Redmayne und ich die Hauptrolle spielen. Meistens geht es darum das er mich im leeren Physiksaal oder im Schulflur an die Wand drückt und mit mir verbotene Dinge tut.
Irgendwann knipse ich meine Nachttischlampe wieder an und greife nach meinem Buch. Zu Schlaf werde ich in dieser Nacht eh nicht mehr kommen, da kann ich genau so gut auch lesen.

 

Die Gartenparty und der Tag danach

Lorelai

 

Da heute Mutters großer Tag war starten wir unseren Tag etwas anders als gewohnt. Frühstück liefert uns heute Daisy mal frei Haus. Wenn wir uns erst im Wafflehouse festsetzen kommen wir gar nicht aus den Puschen.
Nur das wochenendliche ausschlafen lassen wir uns nicht nehmen und stehen erst um 11 Uhr auf.

Während ich Ava ihre kupferroten langen Haare auf Wickler drehe futtert sie ihre Waffeln.
"Hab ich dir schon das neue Kleid gezeigt was ich extra für heute gekauft habe?" frage ich sie.
"Nö." gibt sie mit vollem Mund zur Antwort. "Ist es schön?" Sie pustet ein paar Krümel über den Tisch.
"Und wie. Ein Traum!"
"Monicas Entwurf?"
"Dann muss es ja toll aussehen." grinst Ava zu mir hoch.
"So, fertig." Jubel ich.
"Fein. Ich auch. Dann setz du dich jetzt mal hin und frühstücke! Ich geh mich anziehen." sagt Ava und ich schon zum Flur hinaus gerauscht.
Die Waffeln sind derweilen kalt geworden, das ändert aber nicht daran, dass es die besten der Welt sind. Walt hat mitgedacht und mir den Apfelmus in einer extra Plastikbox mitgeschickt.

Um 14 Uhr sind wir soweit fertig. Da klingelt es. "Das wird Max sein." mutmaße ich und laufe zur Tür.
Davor steht tatsächlich Max im dunkelblauen Dreiteiler. Er sieht verboten sexy aus! Bevor er etwas sagen kann greife ich nach seiner Krawatte und ziehe ihn zu mir heran. Stürmisch suchen sich unsere Lippen. Max linke Hand gräbt sich in mein Haar die andere drückt mich an ihn. Der Kuss dauert eine gefühlte Ewigkeit.
"Wow. Du siehst echt heiß aus!" lobe ich als ich wieder zu Atem komme.
"Danke. Du aber auch, Darling!"
Hhmrm. Hinter uns räuspert sich Ava. Max löst sich von mir um sie zu begrüßen. "Doppelt Wow! Was hast du denn mit deinem Gesicht gemacht? Du siehst echt toll aus!" Max ist ja richtig begeistert.
"Das nennt man Makeup." werfe ich ein. "Ich durfte mich austoben." Abwehrend hebe ich die Hände. "Avas ausdrücklicher Wunsch."
"Ich hatte einfach mal Lust darauf." flüstert sie und sieht schüchtern zu Boden.
"Du siehst spitze aus!" meint er anerkennend. "Da muss ich ja aufpassen das ich heute Abend auch mit meinen zwei Ladys wieder nach Hause fahre. Nicht das ihr mir weggeschnappt werdet." fügt er lachend hinzu.
Ich zwicke ihn in den Oberarm und bedeute ihm endlich mit den Komplimenten aufzuhören. Sonst versinkt Ava noch vor Scham im Boden.
Zu dritt verlassen wir das Haus.
Max steuert sofort auf seinen Wagen zu, doch ich halte ihn am Arm fest.
"Ne ne, mein Lieber. Wir können unmöglich bei meiner Mom mit einem BMW vorfahren. Außerdem ist mein Wagen um einiges bequemer."
Ich gehe zum Jaguar. Ava kennt mich und steht bereits abwartend an der hinteren Wagentür.
"Bevor ich mich schlagen lassen." lenkt er ein und geht zur Beifahrerseite.
Kaum sitzen wir und ich starte den Motor, kreischt Ava hysterisch auf. "Stopp! Das Geschenk."
"Was ist damit?" Ich drehe mich zu ihr nach hinten. "Darum wolltest du dich doch kümmern."
Statt einer Antwort stürzt sie Hals über Kopf aus dem Wagen und rennt zur Haustür. Sprachlos verfolge ich sie mit meinen Blicken. Vor der Tür bemerkt sie das sie ihre Handtasche mit dem Hausschlüssel im Auto hat liegen lassen. Sie hetzt zurück, krallt sich die Tasche und rennt zurück.
"Was ..." setzt Max an.
Fragend schauen wir uns an.
"Ich erkenne meine Tochter nicht mehr wieder." flüster ich.
Ava hatte es mittlerweile geschafft die Tür aufzuschließen und ist im Haus verschwunden. Kurz darauf sitzt sie wieder im Fond des Wagens. Neben sich das goldene Paket. Max und ich starren sie stumm an.
"Is was? Wollten wir nicht fahren?" meint sie trocken und deutet mit einem Kopfnicken auf das Amaturenbrett.
Immer noch schweigend drehe ich mich mit einem vielsagenden Blick in Max Richtung um und starte den Motor.

 

Ava

 

Irgendwann bin ich dann doch noch einmal eingeschlafen.
Die Nachttischlampe brennt noch immer, das Buch liegt aufgeschlagen auf dem Teppich. Mein Mund ist ausgetrocknet weil ich mit offenen Mund geschlafen habe.
Ein Blick auf die Digitalanzeige meines Weckers sagt mir, dass es höchste Zeit zum Aufstehen ist. Heute ist Samstag und noch dazu Grandmas Geburtstag. Ihr 54.. Was für ein Grund zum feiern.
Im Badezimmer betrachte ich während des Zähneputzens mein Gesicht. Meine hellblauen Augen schauen mich müde im Spiegel an. Mein helles kupferrotes Haar hängt schlapp herab. Könnte ein Mann wie Mister Redmayne mich jemals attraktiv finden?
Ich kneife mir mit beiden Händen in die Wangen, ziehe mein Lid nach oben.
Nein, ganz bestimmt nicht.
Da erfüllt mich mit einem mal ein Drang mich zu verändern. Ich kann gar nicht beschreiben was genau ich verändern möchte. Aber ich muss das ja auch gar nicht wissen. Dafür habe ich ja die Fachfrau im Haus.
"Mum." rufe ich laut aus dem Badezimmer.
"Mum, könntest du mir einen Gefallen tun?" frage ich ohne einen Gruß als ich Moms Schlafzimmer betrete.
"Guten Morgen erstmal mein Schatz." Gähnend schiebt sie sich ihre pinke Schlafmaske in die Stirn. "Und na klar, dass mache ich. Wenn ich kann. Was soll ich tun?"
Ich setze mich zu ihr auf die Bettkante. "Haben wir heute morgen noch Zeit mich etwas zurecht zu machen?"
Mom zieht sich die Maske ganz vom Kopf. "Aber sicher." Voller Elan krabbelt sie aus dem riesigen Kingsizebett und springt auf. "Ich weiß da schon was. Wir betonen deine wunderschönen Augen. Eisblauer Lidschatten, was sagst du? Wir machen dir Locken, einverstanden?Weist du schon was du anziehen willst?" feuert sie ihre Fragen ab.
"Ähm. Ich dachte an das fliederfarbene bodenlange Kleid das Grandma mir zu Weihnachten geschenkt hat."
"Super! Komm mit!" eilig greift sie nach meinem Handgelenk und zieht mich hinunter in die Küche.
"Ich bereite alles vor und du kümmerst dich ums Frühstück!" ruft sie.
"Okay." antworte ich und greife schon zum Telefon.
Heute muss Walt uns wohl zu Hause beliefern. Ich tippe die Nummer ein und warte auf das Klingeln.
"Walt's Wafflehouse. Daisy Walters am Apparat." meldet sich Daisys Stimme.
"Guten Morgen, Daisy. Ihr müsst uns den Tag retten! Könntet ihr uns unser Frühstück heute ausnahmsweise mal nach Hause liefern?" falle ich mit der Tür ins Haus.
"Morgen Ava. Klar. Ich mache das. Hier ist gerade nicht so viel los. Alles wie üblich?" Daisy ist freundlich wie immer.
"Jup. Alles so wie immer. Ich danke dir!"
Ich lege auf.
In der Küche hat Mum schon ganze Arbeit geleistet. Auf dem großen Esstisch liegen Kämme, Bürsten, irgendwelche Sprühflaschen, ein Fön, Klammen und Klämmerchen und Lockenwickler.
"Setz dich!" befiehlt sie.

 

Lorelai

 

Während der Fahrt, die wir aufgrund der freien Autobahn bereits in 60 Minuten schaffen, schaut Ava schweigend aus dem Fenster. Max zuckt die Schultern.
Mum hatte ganze Arbeit geleistet. Das Schmiedeeiserne Tor und die gekieste Auffahrt sind mit goldenen Luftballons geschmückt. Die grünen Buchsbäume rechts und links der Eingangstür sind zudem noch mit goldenen Girlanden eingewickelt.
Auf unser Klopfen reagiert Mom prompt, ganz als ob sie schon hinter der Tür gelauert hat.
"Da seit ihr ja endlich!" begrüßt sie uns.
Beim eintreten meine ich "Mom es hieß 15 Uhr. Wir sind also pünktlich."
Ich umarme sie leicht und hauche ihr Küsschen an die Wangen. "Happy Birthday, Mum."
"Danke Kind." meint sie großzügig.
"Auch von mir, Grace. Alles Gute! Sie sehen fantastisch aus!" Galant wie immer gratuliert Max meiner Mutter.
Als letztes gratuliert Ava ihrer Großmutter und überreicht anschließend unser gemeinsames Geschenk.
"Danke mein Liebes." Sie zieht Ava in eine Umarmung.
Mum scheint sich wirklich zu freuen. Mal sehen was sie zu ihrer neuen Küchenmaschine sagt? Ein Gerät, dass ihr in Zukunft das Kochen deutlich erleichtern wird. Dieses Geschenk erschien uns passend für eine alleinstehende Lady mit gehobenem Anspruch ohne Küchenpersonal.
"Folgt mir in den Garten!" Sie geht voran zur Terrasse von wo eine Freitreppe hinunter in den riesigen Parkähnlichen Garten führt.
Auf der Terrasse fange ich mir einen schiefen Blick von meiner Mutter ein, als ich mich an Max Arm festhaltend stehen bleibe und mir die High Heels ausziehe.
"Was tust du denn da?" fragt sie pikiert. "Na wonach sieht es denn aus, Mom? Ich ziehe mir die Schuhe aus. Ich möchte ungern deinen teuren gepflegten Rasen perforieren." Innerlich klopfe ich mir für diese Schlagfertige Antwort auf die Schulter. Mit stolz erhobenen Hauptes schreite ich barfuß am Arm meines Mannes die Treppe hinab. Gefolgt von einer etwas verärgerten Gastgeberin und meiner hübschen Tochter.
Die Heels lasse ich neben dem Fuß der Treppe einfach ins Gras fallen.
"Komm, ich brauch jetzt was zu trinken!" sage ich zu Max und ziege ihn weiter zur provisorisch aufgebauten Bar.
"Martini bitte. Zweimal." bestelle ich.
Mit je einem Glas in der Hand mischen wir uns unter die Gäste.
Mom hat uns schon vergessen und steht im Gespräch versunken mit einem weißhaarigen Mann mit altmodischen Backenbart und einer betagten Lady zusammen.
Ava sitzt unter einem weißen Zelt auf einem der weißen Gartenstühle und betrachtet die Gäste. Ihr muss furchtbar langweilig sein.
Gerade will ich mal zu ihr rüber gehen, als Mom nach mir ruft.
Ich lasse Max mit einem schnellen Kuss stehen und schlender zu ihr hinüber.
"Was gibt's Mom?"
"Ich möchte dir jemanden vorstellen, Lorelai. Komm mit!"
Ich folge ihr zu einem brünetten Herren ihres Alters. Stattlich sieht er aus. Die graumelierten Schläfen unterstreichen diesen Eindruck noch.
"Dies ist Mister Redmayne, Lorelai."
Ich befürchte einen Kuppelversuch und stecke meine Mutter schon gedanklich in die Nervenheilanstalt. Sie kann doch unmöglich glauben das ich an diesem Tattergreis der locker mein Vater sein könnte interessiert wäre. Zumal ich mit Max hier bin. Der heißesten Typen der Stadt.
"Ähm. Guten Tag, Mister Redmayne." Grüße ich freundlich aber verwirrt.
"Guten Tag, meine Liebe." Er scheint freundlich zu sein.
"Du kennst Mister Redmayne nicht. ..."
Ganz genau Mum.
"Aber es wäre doch nett wenn du gleich noch seinen Sohn kennenlernen würdest."
Also doch ein Kuppelversuch. Hallo, Sanitäter, hierher! Meine Mum ist übergeschnappt.
Ich mache ein fragende Gesicht.
"Ich muss wohl erklären." lenkt sie ein.
Ja, ich bitte darum.
"Mister Redmaynes Sohn Tristan ist der Physik- und zukünftige Klassenlehrer deiner Tochter, Lorelai."
"Ach ist das so. Interessant." sagte ich mit gespielten Interesse.
"Er kommt später auch noch. Noch hat er wohl ein Turnier. Oder Frank?" Sie wendet sich an Redmayne Senior. Dieser nickt. "Tennis."
Ich nicke mit zusammen gepressten Lippen und wippe auf den Fußballen auf und ab.
"Herje, Lorelai. Stehe still!" herrscht Mutter mich an.

 

Ava

 

Von meinem geschützten Punkt aus beobachte ich das Geschehen. Grandma hat mal wieder alle Register gezogen und stellt ihre gute finanzielle Lage offen zur Schau. Aber ich kann es ihr nicht übel nehmen. Grandma verkehrt in der so genannten feineren Gesellschaft, da muss man zeigen was man hat.
Gerade unterhält sie sich mit einem älteren Ehepaar deren männlicher Part mit seinem aristokratischen Backenbart locker als Earl oder Lord durchgehen könnte.
Als eine Bedienung vorbei kommt stehe ich auf und bitte um ein Glas Orangensaft von ihrem Tablett. Mit einem freundlichen Lächeln reicht sie es mir und geht weiter. Das Personal gehört zum Catering und wurde extra für diesen Tag eingestellt.
Mit dem langstieligen Glas in der Hand schlendere ich zwischen den Buchshecken in den hinteren Teil des Gartens. Hier hinten treffe ich auf keine Gäste. Die Party spielt vorn beim Haus. Am Karpfenteich in der uralten Linde hat mein Großvater mir als ich klein war eine Brettschaukel aufgehangen. Sie hängt noch immer und schaukelt sacht im Wind.
Vorsichtig um mein Kleid nicht zu beschmutzen setze ich mich auf das Brett. Hoffentlich ist es nicht morsch! Es scheint mich auszuhalten. Doch zu schaukeln wage ich nicht mehr. Nicht das ich noch eine Flugstunde in den Teich nehme.
Mit dem Blick auf die Wasseroberfläche in der sich der blaue Himmel und die Uferbepflanzung spiegelt lasse ich meine Gedanken schweifen.

Ich weiß nicht wie lange ich so dagesessen bin als ich mit einem mal "Wunderschön hier!" neben mir höre.
Erschrocken fahre ich herum. Diese ruckartige Bewegung war wohl zu viel für die alte Schaukel und das eine Seil reißt. Mit einem dumpfen plumps schlage ich auf dem Rasen auf. "Scheiße!" fluche ich ganz undamenhaft.
Da wird mir eine Hand gereicht um mir auf zu helfen. Ich greife danach und sehe jetzt erst wer mich da so erschreckt hat. "Oh mein Gott!" entfährt es mir.
Ja oh mein Gott! Was tut er denn hier?
"Nicht ganz. Tristan Redmayne."
Ich merke wie mir das Blut in die Wangen schießt. Schüchtern sehe ich zu ihm auf. Sein Lächeln erreicht seine Augen. Da merke ich, dass er noch immer meine Hand in seiner hält. Wie vor Schlag getroffen ziehe ich sie zurück. Da verzieht sich sein Mund zu einem frechen Grinsen.
"Es tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe!" entschuldigt er sich.
"Als nächstes entschuldigen Sie sich wohl noch für das reißen der uralten Hanfseile der Schaukel." murmle ich und wage es ihn ebenfalls anzulächeln.
"Man muss es ja nicht gleich übertreiben." lacht er. "Aber es ist schon bezeichnend das dir immer ein Missgeschick passiert wenn wir aufeinander treffen."
"Ach ist das so?" versuche ich es herunter zu spielen.
"Begleitest du mich um den Teich oder möchtest du dich nach dem Sturz lieber setzen?" er deutet mit dem Kopf auf das Wasser.
"Ach das war doch gar nichts. Kommen Sie!" Ich gehe los. Nichts will ich mehr als diese peinliche Situation zu überspielen.
Mister Redmayne folgt mir. Nebeneinander schreiten wir durch den Garten Schrägstrich Park meiner Familie. Fast komme ich mir vor wie Elisabeth Bennet die mit Mister Darcy auf Pemberley spazieren geht. Fehlt nur noch das es anfängt zu regnen und er mir einen Antrag macht.
"Hach wäre das schön!" träume ich.
"Ava." höre ich seine wunderbare Stimme.
"Ja." hauche ich und drehe mich zu ihm. In diesem Moment bleibt er stehen, so dass ich gegen ihn pralle. "Oh."
Schockiert sehe ich das meine Hände auf seiner Brust liegen. Unter dem Stoff kann ich seine Muskeln fühlen. Ich will schon die Hände weg ziehen, als er sie mit seinen festhält. Genau dort wo sie liegen. Er sieht mir tief in die Augen als suche er dort nach einer Antwort auf eine ungestellte Frage. Er schluckt.
In meinem Bauch beginnt es wieder zu kribbeln. Mein Hals kratzt wie Schmirgelpapier.
"Ava. Ich habe dich gefragt warum du in Physik immer so unkonzentriert bist? Mein Vorgänger hat mir berichtet, dass du Klassenbeste bist. Was ist also los?" Sein Blick wandert zwischen meinen Augen hin und her.
Ich schweige weiterhin.
Da scheint ihm aufzufallen dass er sich in seiner Position etwas zu nah bei mir aufhält und fährt zurück.
Unschlüssig wie ich mich jetzt verhalten soll stehe ich da und schaue zu Boden. Mister Redmayne fährt sich nervös durch die Haare. "Entschuldige, Ava! I-ich w-weiß nicht was da in mich gefahren ist."
"Schon gut." murmle ich und gehe weiter. Er folgt mir.
"Nein das ist nicht. Ich habe mich ungesetzlich verhalten. Bitte entschuldige!"
Das reicht. Ich bleibe stehen und sehe zu ihm auf. "Es ist nichts passiert wofür Sie sich entschuldigen müssen, Mister Redmayne. Alles ist gut. Okay?" Er weiß ja nicht, dass ich es ganz und gar nicht als unangenehm empfand.
Diesmal nickt er stumm.
Im strahlenden Sonnenlicht, inmitten dieser herrlichen Natur und so nervös wie er gerade vor mir steht wirkt er eher wie ein Teenager als wie ein erwachsener Mann. Er sieht sowieso jünger aus als er sein muss. Wie alt ist er wohl? 30, 35? Es ist ein Jammer das er mein Lehrer ist.
Verwirrt schüttele ich den Kopf, drehe mich um und laufe weiter. "Was denkst du dir dabei, Ava?" rufe ich mich selbst zur Reson.
Er scheint es dabei zu belassen. Er folgt mir nicht. Wenig später bleibe ich nochmal stehen und blicke zurück. Mister Redmayne ist schon auf dem Weg zurück zur Party.
Jetzt weiß ich aber noch immer nicht warum er verdammt nochmal überhaupt auf der Geburtstagsparty meiner Großmutter auftaucht und was er damit meinte demnächst mein Klassenlehrer zu sein.

 

Lorelai

 

Mittlerweile war ich entlassen und habe mich wieder zu meinem Freund gesetzt. Max hatte mit Ava den Platz getauscht. Nun saß er unter dem Zelt und Ava war verschwunden. Übelnehmen konnte man es ihr nicht. Eine Party mit lauter Menschen ab 40 aufwärts ist für einen Teenie eine besondere Herausforderung.
"Hallo Schatz." begrüße ich ihn und setzte mich auf seinen Schoß. "Wo ist Ava?"
"Ich habe absolut keine Ahnung." gibt er zu. "Ich habe dich beim kratzbuckeln beobachtet und plötzlich war sie weg."
"Von wegen kratzbuckeln." spielerisch zwicke ich ihm in die Seite. "Ich wurde dem altehrwürdigen Vater von Ava's neuem Klassenlehrer vorgestellt. Sicher erhofft sich meine Mutter, wenn ich nur hübsch freundlich zum Herrn Lehrer bin irgendwelche Vorteile für Ava."
"Die hat sie doch gar nicht nötig. Und das wird ihr neuer Lehrer, sollte er sie noch nicht persönlich kennengelernt haben auch bald mitschneiden." meint Max und hat damit verdammt nochmal recht.

Ich war nur mal kurz für keine Mädchen als ich schon histerisch von meiner Mutter am Fuß der Treppe erwartet werde. "Wo wars du denn, Lorelai? Ich suche dich seit Stunden."
Ich verdrehe die Augen. "Ich war gerade mal fünf Minuten weg, Mum."
"Wie auch immer. Mister Redmayne Junior ist eingetroffen und du musst ihn noch kennenlernen."
"Ach muss ich das?" murmle ich als ich hinter ihr her über den Rasen stapfe. Immer noch barfuß. Hilfesuchend sehe ich zu Max hinüber. Er vesteht und kommt auf uns zu.
Mutter führt mich zurück zu Mister Redmaynes attraktiven Vater. Max stellt sich neben mich und legt eine Hand um meine Taile. Ein junger Mann, rein optisch ist er jünger als ich steht nun neben ihm. In seiner beigen Anzughose, dem offenen fliederfarbenen Seidenhemd und den weißen Schuhen steht er an Attraktivität seinem Vater in nichts nach. Sein Jacket hat er sich über die Schulter geworfen. Sein rotbraunes Haar trägt er leicht verstrubbelt.
Rundum ein wirklich ansprechendes Exemplar Mann! Ich hoffe, dass man mir diese Gedanken nicht ansehen kann.
Ich komme meiner Mutter zuvor die uns sicherlich gleich formvollendet vorstellen wollte.
"Sie müssen Mister Redmayne Junior sein." sage ich und strecke ihm meine Hand hin. Er ergreift und schüttelt sie. "Genau. Tristan Redmayne. Angenehm!"
Oh man, was für eine Stimme. Sie vollendet das Bild eines typisch britischen Gentleman.
"Sie müssen Mrs. MacAdams sein." Er wendet sich an Max. "Und Sie sind Ava's Dad? Mister MacAdams."
"Maxwell Cooper. Hallo." Die Männer schütteln die Hände.
"Oh Sie sind gar nicht ... ."
"Nein ist er nicht." werfe ich dazwischen. "Ava's Dad ist im Irak gefallen."
Es folgt ein betretenes Schweigen.
"Das ist schon lange her." sage ich schließlich, denn ich bin die traurigen Mienen leid die die Leute bei diesem Thema ziehen.
"Ja. Also. Jedenfalls fand ich es ganz interessant euch gegenseitig vorzustellen." meint Mom.
"Ähm ja, dass finde ich auch."
Ava's Lehrer scheint nicht ganz zu wissen wie er damit umgehen soll. Hoffentlich behandelt er Ava jetzt nicht wie ein rohes Ei. Das mag sie gar nicht. Für sie ist ihr Dad nur ein Mann auf einem Foto. Sie war noch viel zu klein als er für immer ging.
"Haben Sie Ava bereits kennengelernt?" möchte ich wissen.
"In der Tat. Ein nettes, attrak... ähm strebsames Mädchen." stammelt er.
Redmayne Senior sieht seinen Sohn verwundert von der Seite an.
"Sehr schön." sage ich.
Es folgt weiteres peinliches Schweigen in dem mir auffällt, dass Redmayne Juniors Hemd farblich perfekt zu Ava's heutigem Kleid passt.
"Nun, ich werde mir mal etwas zu trinken holen. Es hat mich gefreut, Mrs. MacAdams, Mister Cooper."
Er schlendert zur Bar hinüber.
Redmayne Senior verabschiedet sich ebenfalls.
"Ein netter Bursche! Nur etwas schüchtern. Hoffentlich wird er von den Teenies nicht fertig gemacht!" urteilt Max.
"Ich denke darum muss der sich keine Gedanken machen. Ganz im Gegenteil." murmle ich.

 

Ava

 

Während ich die Runde um den Teich vollende und langsam zur Party zurück kehre überlege ich was das vorhin war und vor allem wie ich mich in Zukunft Mister Redmayne gegenüber verhalten soll. Besonders wenn er wirklich mein zukünftiger Klassenlehrer wird. Wie soll ich den Schulalltag überstehen wenn ich mich bei seinem Anblick jedes mal in einen hirnlosen hormongesteuerten Teenager verwandel? Wie soll ich meine Note in Physik halten? Wie soll ich es fertig bringen, dass er mich nicht mehr in meinen Träumen besucht?
Als ich am Haus ankomme habe ich noch immer keine Antworten gefunden. Ich bleibe stehen und halte nach Mum oder Max Ausschau. Dann entdecke ich sie. Mum steht, noch immer barfuß neben Max. Grandma und ein älterer Herr vei ihnen. Und noch jemand. Auch wenn er mir gerade den Rücken zugekehrt, ich würde ihn unter hundert Männern erkennen. Peinlich darum bemüht nicht entdeckt zu werden will ich an ihnen vorbei ins Haus verschwinden. Mein Plan ist schnell gefasst. Ich verschanzen mich in Grandpa's Bibliothek und warte dort bis die Party vorbei ist. Sicherlich finde ich jemanden, der mir etwas vom Buffett dort hinbringen kann.

Gerade als ich hinter der Bar an der riesigen Kirschlorbeerhecke vorbei husche löst sich ihre kleine Versammlung auf und Mister Redmayne dreht sich um. Er kommt direkt auf die Bar und damit auch auf mich zu.
Statt nun wie eine Geheimagentin mit einem Sprung im Gebüsch zu verschwinden, bleibe ich stocksteif stehen. Unfähig mich zu bewegen.
Was soll ich sagen? Ich bin eben keine Geheimagentin. Ich bin nur Ava MacAdams, 16 jährige hormongesteuerte Lesetatte.
Da hat er mich schon entdeckt. Ich stehe hier ja auch in meinem fliederfarbenen Kleid vor der hellgrünen Hecke wie auf dem Präsentierteller. Schon merke ich wie das Blut mir in die Wangen steigt.
"Ava. Schön das ich dich nochmal sehe!"
Ich nicke.
"Möchtest du was trinken?" Er deutet mit dem Kinn auf die Bar neben mir.
"Ja gern." flüstere ich.
"Schön siehst du heute übrigens aus!" meint er als wir die zwei Schritte nebeneinander zur Bar gehen.
"Danke." murmle ich.
Er bestellt bei dem Barkeeper einen Orangensaft für mich und ein ein Glas Champus für sich selbst.
"Lass uns ein paar Schritte zusammen gehen." schlägt er vor und nimmt mich sacht am Ellbogen.
So führt er mich in die Tiefen des Parks zurück Richtung Teich.
"Fragst du dich eigentlich gar nicht was ich hier zu suchen habe?"
Das ist eine der vielen Fragen die ich habe.
"Warum sind Sie hier, Mister Redmayne?" traue ich mich nach der direkten Einladung zu fragen.
"Mein Vater. Er steht da hinten neben der Dame in Kanariengelb."
Ich folge seinem Blick und entdecke einen brünetten älteren Mann und einen Dame im beißend gelben Twinset.
"Mein Vater scheint ein bekannter deiner Großmutter zu sein. Ich habe den Eindruck sie ist eine sehr kontaktfreudige und resolute Dame."
Diese kompakte Beschreibung meiner Grandma bringt mich zum Kichern.
"Das klingt schön!" murmelt er und sieht zu mir hinunter.
Ich schlucke. "I-ich b-bin ein fröhlicher Mensch."
"Das solltest du wirklich öfters machen!" Beinahe liebevoll sieht er mich an.
Darauf weis ich nun wirklich nichts zu antworten.
Hat er denn gar keine Angst das man uns beobachten könnte?
"Ich wollte dir noch die Neuigkeit erzählen." beginnt er.
Da unterbreche ich ihn. "Falls Sie damit meinen, dass Sie mein neuer Klassenlehrer sind. Dann weiß ich das schon."
"Du hast es vorhin also doch mitbekommen?"
Ich nicke. "Jup."
"Und was sagst du dazu?" Sein Blick hält noch immer meinem stand.
"I-ich finde es toll!"
"Da bin ich erleichtert! Es ist doch alles noch sehr neu für mich."
Ich nicke verständnisvoll.
Eine Weile laufen wir schweigend weiter. Ich weiß nicht recht was ich sagen soll und auch er scheint irgendwas auf dem Herzen zu haben.
Schließlich sagt er und ich merke, dass es ihm schwer fällt, "Ava ich glaube ich muss da mal etwas klar stellen."
Jetzt kommt's.
"Ich habe bemerkt das ... das du ... dich in meiner Gegenwart unwohl fühlst."
Damit hat er Unrecht. Genau umgekehrt ist es.
"Ich möchte nicht Schuld sein das du dich nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren kannst. Ich kann dich ja verstehen. Ich war auch mal 16."
Der Kloß in meinem Hals wird mit jedem Wort aus seinem Mund größer.
"Aber du musst dir das aus dem Kopf schlagen! Ich finde ... also du bist wirklich sehr ... sehr attraktiv, Ava! ... Ich muss mich ... Ich muss an mich denken. Ich möchte auf keinen Fall meine Stelle verlieren!"
Ich weiß was er versucht mir zu sagen. Ich soll ihn mir aus dem Kopf schlagen. Soll, nein darf nicht an eine romantische Beziehung mit ihm denken.
Meine Augen beginnen zu brennen, mein Blick verschwimmt.
Mister Redmayne bleibt stehen und sieht mich an. "Oh Ava. Weine doch nicht! Du ... wir ... dürfen nicht. Es ist ungesetzlich."
Ich weiß nicht warum aber einem Instinkt folgend schlinge ich beide Arme um seine Hüfte und schmiege meine tränennasse Wange an seine Brust. Sanft streichelt er mir über das Haar. "Oh Ava." raunt er.
Ich weiß nicht wie lange wir so dastehen aber unentwegt hält und streichelt er mich.
Langsam normalisiert sich meine Atmung wieder. Ich ziehe mich zurück und wische mir mit dem Handrücken über die Nase. Sicher sehe ich furchtbar aus!
"Damit geht's besser." lacht er und reicht mir sein Einstecktuch.
Dankbar nehme ich es entgegen und trockne mir die Tränen. Plötzlich bemerke ich den großen nassen Fleck auf seiner Brust wo sich Nässe mit Makeup vermischt hat. Peinlich berührt murmle ich "Entschuldigung. Ich habe Ihr Hemd ruiniert!"
Er winkt ab. "Ach Quatsch. Aber sag doch bitte nicht immerzu Mister Redmayne und Sie zu mir!"
Verständnislos sehe ich ihn an.
"Da unsere Familien scheinbar bekannt miteinander sind kann ich dir guten Gewissens das Du anbieten." Er hält mir die rechte Hand hin.
Sprachlos schlage ich ein.
"Tristan."
"Ava." grinse ich.
Wir gehen weiter. Schließlich meint er lachend.
"Das Anwesen ist ja echt riesig! Wer seid ihr? Rockefeller."
Ich stimme in das Lachen mit ein. Das tut deutlich besser als diese Anspannung. "Na ja, nicht ganz. Mein Großvater hat gut mit seiner Fabrik für Leder und Tuchwaren verdient. Grandma hat sich nicht erst seit seinem Tod ausruhen können. Ich glaube, sie hat nicht mal einen Beruf.
Sie lebt ganz gut von Grandpas Millionen. Ist aber nicht so versnobt wie man meinen könnte. Zumindest hat sie keine Angestellten. Wenn man von der Haushaltshilfe und dem Gärtner absieht."
"Ach ja? Und du und deine Mom müsst in einer windschiefen Kaschemme hausen." Er grinst mich frech von der Seite an.
"Ha ha ha." mache ich und boxe ihm gegen den Oberarm. Erschrocken, als ich bemerke was ich getan habe fahre ich einen Schritt zurück. Doch er nickt nur lächelnd. "Du wolltest mir erklären wie du so lebst."
"Ähm richtig. Mom und und ich müssen natürlich nicht irgendwo hausen. Unser Häuschen daheim ist zwar deutlich kleiner als Grandmas hier, aber viel gemütlicher. Nur auf die hiesige Bibliothek bin ich neidisch. Grandpa sammelte Bücher. Dieser Raum ist mir in diesem Schloss hier..." Ich deute mit dem Kopf Richtung Haus und zeichne Gänsefüsschen in die Luft. "... der liebste. Ich liebe es zu lesen!"
"Das ist mir auch schon aufgefallen." wieder grinst er frech. "Ich hab dich gesehen. In der Schule. Im Innenhof."
Beobachtet er mich?
"Ja richtig. Sie sind die wahre Freunde. Stehen einem stets treu zur Seite. Enttäuschen dich nicht und du kannst stets ein Abendteuer mit ihnen erleben." lamitiere ich.
Nun hat sein Blick von Belustigung zu Skepsis gewechselt.
"Du bist wirklich ein ganz besonderer Mensch, Ava!" murmelt er und sieht zu Boden.
Ich überspiele die Situation indem ich weiter rede. "Mom hatte sich ihr Erbanteil nach Grandpas Tod auszahlen lassen und hat mit dem Geld, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Lucy einen Schönheitssalon in Cambridge eröffnet. Den leitet sie nun. Mom weigert sich aber weiteres Geld von Grandma anzunehmen. Wir leben von ihrem Einkommen. Sie will eben allen beweisen, dass sie es allein schafft. Auch wenn sie mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren wurde.
Ich werde meinen Erbteil wohl für mein Studium nutzen."
Er nickt stumm.
Ohne gefragt zu werden erzähle ich "Ich möchte Biologie in Cambridge studieren. Das ist es was mich neben der Literatur noch interessiert. Die Natur."
Keine Reaktion.
Abwesend geht er neben mir her. Den Teich haben wir mittlerweile halb umrundet.
Diese Stille nach meinen Ausführungen bringt mich schon wieder zum straucheln.
Mit einem mal bricht er das Schweigen. "Meinst du, wir bekommen das hin?"
"Was? Das ich nicht für dich schwärmen darf? Das ich dich mir aus dem Kopf schlagen soll. Dich ignorieren wenn wir uns in der Schule begegnen?" Ich merke, dass das Kribbeln in meinem Bauch sich verändert.
"Das wiederum wäre kontraproduktiv. Du willst ja schließlich eine gute Note von mir am Ende des Schuljahres erhalten." lacht er.
Da muss ich ihm recht geben. "Stimmt. Das dürfte ein Problem werden." Düster blicke ich zu Boden.
"Ava, wir dürfen das wirklich nicht tun! Du musst aufhören mich so direkt anzuhimmeln!"
Jetzt bin ich doch ein wenig wütend.
"Warum nur ich? Auch Sie ... äh Du siehst mir hinterher. Meinst du ich bemerke das nicht?" fauche ich.
Abwehrend aber lächelnd hebt er die Hände. "Du hast recht. Auch ich muss mich zusammennehmen. Also meinst du, wir kriegen das hin?"
Da muss ich kurz drüber nachdenken. Schließlich sage ich zaghaft "Ich werd es versuchen. Aber für seine Gefühle kann keiner was."
Er nickt.

 

Lorelai

 

Mutters Party endete am Abend mit einem Feuerwerk meine Nacht mit fantastischen Sex.
Max übernachtete heute bei uns.
Doch als ich am Morgen Nähe suchend mit geschlossenen Augen die Bettseite neben mir abtaste greife ich ins Leere. Max ist nicht mehr da. Sofort bin ich hellwach. Das weckt keine schönen Erinnerungen in mir.
Ich stehe auf, gehe zum Fenster hinüber und stoße die altmodischen Fensterläden auf. Es scheint ein herrlicher Tag zu werden. Die Vögel zwitschern, die Sonne schickt warme Sonnenstrahlen zu uns herunter und das alles unter einem strahlend blauen Himmel. Besänftigt drehe ich mich weg, greife nach meinem seidenen Morgenmantel und während ich ihn mir überziehend die Stufen ins Erdgeschoss hinunter steige grinse ich immer mehr.
Glücklich betrete ich die Küche in der es bereits wunderbar nach Toast, Würstchen und frischem Kaffee duftet. Mein Max steht mit offenem Hemd am Herd und brät Spiegeleier. "Guten Morgen du sexy Typ." raune ich ihm ins Ohr während ich mich von hinten ihn umarmend an ihn schmiege.
Er dreht den Oberkörper und küsst mich zum Gruß.
"Bist du schon lange auf?" frage ich.
"Na ja wie man es nimmt. Ich bin bereits den weiten Weg zum Bäcker gelaufen, dann zurück logischerweise, habe geduscht und dich eine gefühlte Ewigkeit im Schlaf beobachtet. Süß übrigens wie du so am Daumen lutschst." Er will mich aufziehen. Lachend kneife ich ihm in die Seite. Dann lasse ich mich auf den nächst besten Stuhl am Tisch fallen.
"Na hoffentlich warst du da nicht so angezogen." ich deute auf seine nackte Brust. "Sonst klingelt mein Handy nachher Sturm und alle Frauen der Stadt wollen wieder wissen wie meine Nacht war.
"Wieder?" er stutzt.
"Natürlich. Das ist so ein Frauending hier im Städtchen. Hat eine einen abgeschleppt wird das bis ins kleinste Detail von der weiblichen Bevölkerung von Little Surrey erörtert." meine ich trocken.
Nun ist es an ihm dumm aus der Wäsche zu schauen. Aber nur kurz, dann entlarvt er meinen Schwindel. Was wohl auch daran liegt, dass ich mir kaum aufgrund seines Gesichtausdrucks das Lachen verkneifen kann.
Lachend zieht er mich vom Stuhl hoch, zieht mich in seine muskulösen Arme und bringt mich mit einem epischen Kuss zum Schweigen.
Mhrm. Macht es mit einem mal hinter uns. Wir fahren auseinander. "Lasst euch von mir nicht stören. Ich will hier nur kurz frühstücken." sagt meine Tochter in genau dem selben trockenen Tonfall wie ich eben. Grinsend wie ein verliebter Teenager setze ich mich Ava gegenüber an den Tisch. Verschwörerisch zwinkerte ich ihr zu. Sie grinst.
"Eine schöne Nacht gehabt?" formt sie lautlos.
Ich nicke und betrachte Max Kehrseite.
Er steht am Herd und verteilt Spiegelei auf die Teller.

 

Ava

 

Den ganzen Sonntagvormittag sitze ich über Tristans Worte grübelnd in meinem Zimmer. Tristan - es ist seltsam ihn jetzt so zu nennen.
Vielleicht sollte ich es auch lassen. Wie sonst sollte ich es fertig bringen und mich von ihm distanzieren?
Und noch etwas Neues tat ich heute. Nach dem Mittagessen schnappe ich mir Mum's Laptop, gehe damit in den Garten hinterm Haus und setze mich auf die Gartencouch im Schatten unseres Apfelbaums. Nervös klappe ich das Gerät auf.
"Reiß dich zusammen, Ava! Du tust nichts Verbotenes. Du willst dich doch nur im Schul-Chat anmelden."
Gesagt getan. Nachdem ich mich durch den Registriervorgang gequält habe sitze ich nun vor der Startseite des Chats und weiß nicht so recht was ich hier eigentlich will. Es gibt verschiedene Chaträume. Einen den Unterricht,- einer für News und Aktivitäten der Schule betreffend und ein allgemeiner wir-ziehen-schamlos-über-alles-und-jeden-her-Chatroom.

Ich wähle zuerst den der Schulnews. Ein neues Fenster in den offiziellen Schulfarben öffnet sich.
Der letzte Eintrag stammt von einer gewissen Rose1. Sie informiert darüber, dass unsere Astronomielehrkraft Mister Rosenbaum uns für immer verlässt. Der Tweet ist so akkurat geschrieben, dass es sich bei Rose1 um unsere Schulleiterin Mrs. Finnigan handeln muss.
Dann folgt ein Eintrag von Maria8, die sich als Mitglied des Festkomitees der Schule outet. Es werden noch fleißige Helfer für die Ausgestaltung des Herbstfest gesucht.
Der Theater Workshop ist noch in der Gründungsphase und würde sich um Mitglieder freuen, meint Edward35.
Der nächste Eintrag war dann wieder von unserer Rektorin. Da kündigt sie das erscheinen einer neuen männlichen Lehrkraft an.
Na wer kann das wohl sein.
Ich verlasse diesen Raum, bin mutig und klicke auf der Startseite den allgemeinen Chatroom an.
Sofort bemerke ich mehr Aktivität. Kaum habe ich den obersten Eintrag gelesen, rutscht er auch schon weiter nach unten um einem neuen Platz zu machen. "Hier ist ja was los." murmle ich und schaue auf die kleine Uhrzeitanzeige rechts oben auf dem Bildschirm. 13:34. Hardcore Langschläfer scheint es nicht so viele zu geben.
Ich beginne zu lesen.
"Ihr ahnt nicht wen ich gerade beim Joggen getroffen habe. Mrs. Miller." schrieb Laila42. "Ihr pink gelber Jogginganzug (!) waberte nur so um ihre füllige Gestalt herum. Aber Glückwunsch zu so viel Enthusiasmus abnehmen zu wollen! Weiter so Mrs. Miller!"
Sicher hätte Laila42 gern ausgiebiger über unsere Hauswirtschaftslehrerin hergezogen, doch wegen der Chatregeln musste sie ihrer Nachricht etwas positives, etwas neutrales anfügen.
"Habt ihr schon James neues Sportoutfit gesehen, Mädels? Heiß oder?" schrieb Claire2.
Oh mein Gott!
Ich rolle Abwärts. "Wenn hier nur solche Nachrichten drin stehen kann ich gleich wieder verschwinden." denke ich.
Da lese ich Redmayne.
"Gerade in der Mensa: Ava MacAdams gießt Mister Redmayne ihren Kaffee über die Hose."
Wenn man es so liest verdreht es völlig die Tatsachen.
"Was?", Lilli22
"Warum? Der Ärmste!" ereifert sich Susan78.
"Ach er ist nicht arm." kontert Ben27. "Ihre Freundin Mary Kinski holt ihm gerade vor der gesamten Cafeteria einen runter."
"Wtf. WAS?" , wieder Susan78.
"Der Glückliche." kommentiert ein anderer. Joshua134.
"Die spinnen ja alle völlig!" rufe ich.
Dann war das Thema schon wieder vergessen, weil Claire2 alle coolen Leute zu einer Poolparty bei sich zu Hause einlud.
Es war ja klar, dass die Hälfte der Schülerschaft ankündigte zu kommen.
Irgendjemand aus dem Physikkurs muss hier auch aktiv sein. Ein gewisser Eric15 berichtete von Claire Finnigans Zusammenstoß mit dem Physikregal. Wo sogar seiner Beschreibung nach der halbe Inhalt dessen auf den Boden prasselt.
Moment. Heißt Amys Freund nicht Eric? Aber der ist doch gar nicht im Physikkurs. Sollte etwa Amy ...?
Dann meckert noch jemand über die hässlichen Strümpfe von Mathelehrer Spencer.
Und dann war der Tag wo Tristan das erste mal in der Schule auftaucht.
"Schon den Neuen gesehen?"
"Hat schon jemand einen Blick auf unseren neuen Physiklehrer werfen können?"
Fragen über Fragen. Sicherlich alle angefixt von Claire. Und sie ist es auch die antwortet.
"Selbstverständlich ich. Er hat sich persönlich vorgestellt. Bei uns zu Hause." ätzt Claire2.
"Er hat den Vertrag auf unserer Terrasse unterschrieben. Danach hat er noch unseren Garten bewundert."
"Du glückliche!" schrieb Julia5.
Ich rolle mit den Augen. Das ist sicher Claires Julia.
Ich rolle wieder hoch.
Wie Mary gesagt hat wurde hier bereits früher als die offizielle Mitteilung an Schwarzen Brett der Schule besprochen, dass Mister Rosenbaum uns verlässt. Warum er sich früher in den Ruhestand verabschiedet wird hier ebenfalls ausreichend diskutiert.
"Meine Mom arbeitet im Addenbrooks Hospital in Cambridge. Sie hat ihn in der Rettungsstelle gesehen. Oberschenkelbruch. Kompliziert."
Ein anderer schrieb "Meine Mom arbeitet ebenfalls da. Er hatte einen Herzinfakt und bekam 4 Stents."
Ja ja. Man darf hier wohl nicht alles glauben.
Dann gab noch Claire2 ihren Senf dazu. War ja klar.
"Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, (ein zwinkernder Smily) dass er gerade seinen zweiten Frühling erlebt. Einfach so gekündigt hat und nun mit seiner Flamme die französische Küste mit einem Caravan entlang fährt."
"Glauben kann ich das nicht. Aber zu wünschen wäre es ihm. Wo er sein halbes Leben in diesen altehrwürdigen Mauern verbracht hat." murmle ich.
Dann springt mir ein weiterer Tweet ins Auge.
"Ich habe ganz heiße News für euch. Aber noch ist es nicht offiziell. Also nicht weiter sagen! (Zwinkernder Smily). " schrieb Claire2 gestern Abend.
"Ja?" Amy11.
"Machs nicht so spannend, Claire!", Thomas115.
Sie macht es aber auch spannend. Erst eine Stunde nach ihrem ersten Tweet schrieb Claire "Da Mister Rosenbaum nun ja auch als Klassenlehrer der 10. Jahrgangsstufe wegfällt übernimmt ab sofort Mister Redmayne diese Aufgabe."
"Ach Claire, dass ist doch ein ganz alter Hut." rufe ich und freue mich, dass ich mal etwas früher weiß als Miss Oberschlau.
Gleich darauf haben sich ausschließlich weibliche Chatteilnehmerinnen ausgiebig darüber gefreut. Den Jungs scheint es egal zu sein.
Zumal wir ja eh nicht immerzu auf ihn treffen werden. Mister Rosenbaum haben wir ja auch nur in seinem Unterricht (er war auch Lehrer für Handwerken) oder zur Klassenfahrt zu Gesicht bekommen.
Ich lasse mich mit dem Rücken in die Polster fallen und blicke träumerisch zum blauen Himmel auf.
"Die Klassenfahrt. Stimmt ja, es gibt ja noch die Klassenfahrt."
Einige Zeit liege ich verklärt in den Himmel schauend da und träume von all den schönen Dingen die Tristan und ich während der Reise tun könnten wenn, ja wenn wir nicht die wären die wir nun einmal sind.
"Verdammt!" rufe ich laut. Eine Amsel die im Apfelbaum über mir gesessen hatte fliegt erschrocken davon.
Es kribbelt mich in den Fingern selbst einen Eintrag zu verfassen. Ich möchte allen gern mitteilen, dass ich schon Stunden früher über diese News informiert war. Und das aus erster Hand.
Doch die Tatsache das man nicht anonym schreiben kann hemmt mich. Die Website ist so konstruiert, dass man mit seinem eigenen Namen unterzeichnet. Ganz automatisch. Bei der Anmeldung wurde aus meinem Namen sogleich ein Nickname erstellt. Ich bin Ava164.
So soll, nehme ich an dem Cybermobbing gleich ein Riegel vorgeschoben werden. Finde ich gut!
Leuten wie Claire Finnigan scheint das ja nicht zu stören wenn andere ihre Ergüsse lesen. Und sei es noch so ein Blödsinn. Ich bin da anders. Ich möchte meine Würde gern behalten.

 

 

Das Dunkelrestaurant

Ava

 

In der kommenden Woche bekomme ich scheinbar Tristan ausschließlich im Unterricht zu sehen. Und natürlich bekomme ich auch nicht die Möglichkeit ihn beim Vornamen zu nennen.
Im Physikunterricht behandelt er mich betont wie jede x-beliebige andere Schülerin. Wenn ich um Wortmeldung bitte erteilt er sie mir. Wobei er darauf bedacht ist mir nicht direkt in die Augen zu sehen.
Wir laufen uns auch nicht etwa auf den Schulfluren oder der Cafeteria über den Weg.
Er macht sich rar.
Ein wenig enttäuscht gehe ich am Mittwoch nach meinem Fechtkurs zu der Busstation.
"Was hast du denn erwartet, du dumme Gans? Er hat doch gesagt, dass er es nicht riskieren kann sich mit dir einzulassen." maßregel ich mich selbst.
Bei der Haltestelle angelangt setze ich mich auf die Bank und ziehe mein Buch aus dem Rucksack. Miss Marples - Das krumme Haus. Ein bisschen rätseln lenkt mich vielleicht ab.
Ach nein, eigentlich ist es Blödsinn. Da ich erstens, dass Buch schonmal gelesen habe und zweitens, Miss Marples Geschichten stets so geschrieben sind, dass man bis zum Schluss nicht selbstständig auf die Lösung kommt.
Dennoch lese ich. Oder tue vielmehr so als ob. Ein Schutzmechanismus den ich mir angeeignet habe um mich von der Umwelt abzuschirmen. Einen lesenden Menschen unterbricht man nicht.
Ich versuche mich zu konzentrieren doch es misslingt mir.
Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Tristan ab, als mir plötzlich jemand von hinten die Augen zuhält. Erschrocken zucke ich zusammen. "Hey." kreische ich.
"Na, wer bin ich?" Diese Stimme kenne ich doch.
"Eddie." rufe ich. Er öffnet meine Augen und schwingt sich über die Lehne auf den Sitz neben mir. "Hi Leseratte." grüßt er lachend.
Seltsamerweise stört es mich gar nicht unterbrochen worden zu sein. Vielleicht weil es Eddie ist.
"Na du. Lange nicht gesehen?" frage ich und stopfe mein Buch in den Rucksack zurück.
"Jup." lacht er weiter.
"Was hast du heut noch vor, Ava?"
"Nichts weiter."
"Na das muss ja nicht so bleiben."Eddie zwinkert mir zu. "Lust auf Eis?"
"Bin ich 6.?" gebe ich mit gespielter Entrüstung zurück.
"Ich hoffe nicht." Er hebt die Augenbraue. Als ich darauf nicht eingehe, fährt er fort "Wie wärs dann mit Kaffee?"
"Das klingt schon besser."
"Super. Dann komm!" Er steht auf und hält mir seine Hand hin.
Ich ergreife sie und lasse mich von ihm hochziehen.
"Zur Konditorei an der Ecke?"
Ich nicke "Gern!"
An der Konditorei angekommen setzen wir uns, wie auch schon Mary und ich vor einer Woche draußen an einen Tisch.
Da das Wetter heute so unbeständig ist sind wir hier die einzigen Gäste.
"Ich hoffe ich habe dich jetzt nicht von deinen Büchern abgehalten!"
"Sie werden es überleben." murmle ich.
Die Bedienung erscheint. Nach einen skeptischen Blick gen Himmel tritt sie an unseren Tisch und bittet um die Bestellung.
Eddie und ich bestellen gleichzeitig Kaffee und Brownies. Diese Übereinstimmung und gleichzeitiger Vortrag lässt uns beide auflachen. Die junge Frau verdreht die Augen und verschwindet wieder im Haus.
Eddies Lachen erreicht seine Augen.
Wieder fällt mir seine besondere Augenfarbe auf. Eisblau mit Bernsteinsprenkel.
Dennoch meint er nur Sekunden später "Weißt du das du wunderschöne Augen hast, Ava!"
Ich schlucke. Dabei habe ich das doch gerade über ihn gedacht.
"Quatsch." winke ich ab.
Da nimmt plötzlich meine Hände in seine zieht sie über dem Tisch etwas zu sich heran, so dass ich näher an seinem Gesicht bin und sieht mir tief in die Augen. Unwillkührl halte ich den Atem an.
"Deine Augen sind von so besonderem blau. Wahnsinn!"
"Eisblau nennt man das." hauche ich.
"So so. Weißt du das alles an dir wunderschön ist!" Sein Blick wandert von meinen Augen hinab zu meinem Mund, streift mein Haar und geht noch tiefer.
"Diese Haare, diese Augen ..." murmelt er.
Seine Zunge fährt die schön geschwungenen Konturen seiner Lippen nach.
Er wird mich doch nicht ...
Eddie hält inne, scheint nachzudenken.
Mit einem mal lehnt er sich zurück und verschränkt die Arme.
"Schade das du dich immer hinter den Büchern versteckst!"
"Ähm ... Was?" Verdattert blicke ich ihn an. Wieso hat er diesen Moment kaputt gemacht?
"Du bist wunderschön, Ava! Warum nutzt du das nicht? Du könntest jeden Typen der Schule haben.
"Ich ... ähm ... ich warte auf den Richtigen." stammeln ich.
Eddie schnaubt "Ja klar."
"Doch so ist es." stelle ich deutlich klar. "Ich führe keine Liste mit wie vielten Jungs ich schon aus war, wie das so manch anderes Mädel tut."
"Das sagt mir schon, dass du noch gar nicht a-u-s warst. Hattest du noch nie ein Date?"
Warum fragt er mich mit einem mal so viele private Dinge? Was geht ihn das an.
Langsam merke ich wie Wut in mir aufsteigt.
"Was willst du von mir Eddie? Ist das ein ziemlich schlechter Versuch mich um ein Date zu bitten?" keife ich.
Ehe er antworten kann tritt die Bedienung mit einem vollen Tablett zu uns an den Tisch
Als sie wieder weg ist hat Eddie die Bedenkzeit genutzt und sagt tatsächlich "Ja ... ja ich möchte dich um ein Date bitten."
"Warum so, Eddie. Ich kenne dich doch. Du hättest das besser hinbekommen." Ich greife nach meiner Tasse und trinke einen Schluck des heißen dunklen Gebräus. So lecker wie bei Walt ist der Kaffee hier zwar nicht, aber dennoch trinkbar.
Er fährt sich mit der Hand durchs schwarze Haar. "Du hast recht. Aber in deiner Nähe werde ich immer nervös." versucht er sich zu erklären.
Ich nicke gönnerhaft.
"Und?" meint er schließlich nachdem er vom Brownie abgebissen hat.
"Ich gebe dir morgen darauf eine Antwort. Okay? Seltsame Fragestellunge, seltsame Antwort. Das hast du jetzt davon." lache ich
"Okay. Das sehe ich ein." lacht auch er wieder.
Gemeinsam essen und unterhalten wir uns noch bis mit einem mal eine Windböe Regen zur Erde peitscht und wir ins Innere des Cafès rennen müssen.

Am Abend im Bett komme ich nach einiger Zeit des gegenseitigen Abwägens von Tristan und Eddie zu dem Entschluss, dass eine Liebe mit Eddie auf deutlich fruchtbaren Boden fällt. Der Grundstein dazu ist ja nun gelegt. Morgen werde ich Eddie eine Zusage geben.


Lorelai

 

Max steht an seinem schwarzen Porsche gelehnt vor der Tür des Salons.
"Wie immer pünktlich." lobe ich bevor ich ihn zur Begrüßung küsse.
"Na hör mal! Ich bin doch ein Gentleman."
Wir steigen ein und er gibt Gas.
"Nun sag schon, wo geht's hin?" drängle ich. Den ganzen Tag schon hat er mich zappeln lassen. Nur das es was neues ist was ich noch nie ausprobiert habe, meint er.
Oh er weiß gar nicht was ich schon alles ausprobiert habe.
"Keine Chance. Lass dich einfach mal überraschen." Grinsend sieht er mich von der Seite an. "Glaub mir, ich weiß wie schwer dir das fällt."
"Ja genau. Ich hasse Überaschungen. Ich warne dich! Gefällt es mir nicht, dann siehst du mich eventuell heute zum letzten Mal, Mister." lache ich und kneife ihn in die Seite.
"Das glaube ich weniger." meint er nur.

Wir verlassen Cambridge nicht und halten kurze Zeit später vor einem Restaurant. Aber was für einem.
"Dunkelrestaurant. Echt jetzt?" Erschrocken sehe ich an meinem weißen kurzen Leinenkleid hinunter. Flecken würde ich aus dem sicher nur mehr raus bekommen.
"Keine Sorgen. Sicher haben sie da drin für dich einen Ganzkörperoverall. Komm!" Er reicht mir seine Hand und gemeinsam betreten wir das Restaurant.
In einer Art Vorraum werden wir von einem Kellner in schwarzer Livree empfangen. "Herzlich Willkommen im Dark Surprice!"
"Cooper. Ich hatte reserviert." meint Max.
Der Kellner nickt verständig. "Waren Sie schon einmal in einem Dunkelrestaurant?"
Wir schütteln kollektiv die Köpfe.
"Nun. In dem Raum den wir gleich betreten herrscht völligen Finsternis. Unser Personal ist sehbehindert und kennt sich in den Räumlichleiten bestens aus. Sie müssen also keine verschütteten Rotweingläser oder Soße auf ihrem Kleid befürchten." Er sieht mich freundlich lächelnd an. "Dennoch haben Sie hier die Möglichkeit sich einen Overall über Ihre Kleidung zu ziehen um diese vor Flecken zu schützen. Wohlgemerkt um von Ihnen herbei geführte Flecken." Er lässt ein leises Lachen hören. Sicherlich erinnert er sich gerade an die Hitliste der beklekertsten Kunden hier im Restaurant.
"Ich bin mutig und verzichte." ruft Max und es fehlt nur noch, dass er sich vor Stolz die Hand aufs Herz legt.
"Ich bin es nicht. Ich hätte gern einen solchen Overall." bitte ich.
Der Kellner nickt und geht zu einem Regal an der Wand.
"Ja es wäre sehr schade um das Kleid! Du siehst so gut aus darin!" raunt Max an meinem Hals. Er knabbert sanft an meinem Ohrläppchen und haucht mir einen Kuss auf den Hals.
"Beherrsch dich mal bitte!" lache ich und schiebe ihn von mir.
"Ich versuchs." Formen seine Lippen lautlos. Der Kellner ist zurück und reicht mir einen weißen Plastikoverall. Sexy ist anders. Aber gleich kann mich eh keiner mehr sehen.
Ich steige also in das knisternde Ganzkörperkondom, lasse jedoch die Kaputze ab und greife nach Max ausgestreckter Hand um mit ihm gemeinsam dem Kellner folgend in den Speiseraum zu gehen.
Völlige Dunkelheit umfängt uns.
"Guten Abend. Willkommen im Dark Surprice." werden wir erneut begrüßt. Jemand steht neben der Tür. "Ich bin Jerome und werde mich heute Abend um Sie kümmern."
"Guten Abend. Dankeschön." murmeln wir kollektiv.
Jerome geleitet uns zu unserem Tisch. Ich stöckel vorsichtig mich mit der einen Hand in Max Unterarm krallen und mit der anderen herum tastend vorwärts. Am Tisch angekommen berührt Jerome vorsichtig meinen Ellbogen und dreht mich zu einem Stuhl. Als ich die Sitzfläche in meinen Kniekehlen spüren setze ich mich langsam hin. Meine Handtasche stelle ich auf den Boden neben mir ab.
"Na sitzt du schon?" fragt Max. "Klar. Und hast auch du schon den richtigen Stuhl gefunden oder sitzt du am Tisch nebenan?" stichel ich und greife jedoch zeitgleich nach seiner Hand auf der Tischplatte vor mir. Max hat das gleiche vor. Tastent finden sich schließlich unsere Hände. Zum Glück hat man hier auf Tischschmuck verzichtet. Der wäre nur herunter gefallen.
Da man sich bisher ausschließlich auf sich selbst konzentriert hat habe ich nun Gelegenheit mich um zuhören.
Anhand der Geräusche bemerkt man, dass wir nicht die einzigen Gäste sind. Stimmengemurmel, Besteckgeklapper und Lachen dringt rund um uns her an meine Ohren.
"Alles in Ordnung?" fragt da ganz in meiner Nähe Max.
Ich nickt. Merke aber gleich wie dämlich das ist und antworte "Klar. Es ist toll!"
Das ist es tatsächlich! Es ist aufregend mal so zu speisen. Gerade muss ich daran denken was meine Mutter wohl zu all dem hier sagen würde. Ich muss grinsen.
Da hören wir Jerome neben uns fragen was wir trinken wollen.
"Champagner bitte." ordert Max.
"Sehr wohl." Jerome entfernt sich.
"Gibt's was zu feiern?" will ich wissen.
"Gibt es das nicht immer?"
"Na ja."
"Für mich schon. Ich bin dankbar für jeden Tag den du an meiner Seite bist."
Ich schlucke. Hach, dieser Mann!
Ich versuche ihn über den Tisch hinweg zu küssen was nur mäßig gelingt.
Von irgendwoher hört man einen Korken knallen.
Kurz darauf steht Jerome wieder an unserem Tisch. Gläser Klirren. Er stellt eines vor mich und klopft mit etwas noch einmal dagegen damit ich höre wo es steht. Ich höre das Kristall klirren. Dann gießt er ein.
Anschliesend stellt er Max sein Glas hin.
"Wissen Sie schon was Sie essen möchten? Ich könnte Ihnen unser heutiges Drei-Gänge-Menü empfehlen!"
"Ja in Ordnung. Und können Sie uns sagen was wäre?" will Max wissen.
"Gern. Als Vorspeise gäbe es Feines von der Gelbschwanzmakrele mit Soja, Mango und Passionsfrucht. Als Zwischengang reichen wir eine Curry-Zitronengras-Suppe und anschließend Medaillons vom Kalbsfilet in Limonensauce. Als Dessert Flüssiger Schokoladenkuchen mit feinem von der Mango." schließt Jerome.
"Spätestens beim Schokoladenkuchen hatten Sie mich. Ich nehme es." werfe ich ein.
"Mich ebenso. Das nehmen wir. Danke Jerome!" bestellt Max ganz der vollendete Gentleman.
Lecker klingt es ja! Hoffentlich landet nicht all zu viel des guten Essens auf meiner Plastikbekleidung!
"Lass uns anstoßen, Lorelai!"
Ich taste nach meinem Glas, finde es und nippe vorsichtig daran. Prickelnd tanzen die kleinen Bläschen auf meiner Zunge.
"Ich liebe dich." meint Max plötzlich.
"Ähm. Ich dich auch." antworte ich etwas überrumpelt. Wir haben uns bisher noch nicht all zu häufig mit gegenseitigen Ich-liebe-dich-Bekundungen beschenkt. Beide sind wir der Auffasdung das man heutzutage diese Worte all zu schnell austauscht.
Obwohl. Wir sind nun fast drei Jahre zusammen. Oder sind es schon drei? Hektisch versuche ich in meinem Hirn nachzurechnen. Scheiße! Haben wir Jahrestag und ich blöde Kuh hab's vergessen? Ich glaube ja.
"Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?" will er wissen. Ungeduldig schwingt in seiner Stimme mit.
Eilig um Zeit zu überbrücken nehme ich noch einen Schluck. Etwas rutscht in meinen Hals. Ich verschlucke mich fast daran. Keuchend würge ich den Gegenstand hervor und spucke ihn auf meine Handfläche.
"Das gibt's doch nicht. Da war was in meinem Glas. Hat dieser blinde Trottel ..."
Max zieht die Luft scharf ein.
Da leuchtet mir plötzlich etwas ein. Mit der anderen Hand befühlte ich den Gegenstand genauer. Es ist ...
"Ein Ring. Da war ein Ring ..."
Max unterbricht mich. "Lorelai MacAdams, meine Seelenpartnerin, mein Leben. Wir sind nun schon eine gefühlte Ewigkeit zusammen. Und ich genieße jede Minute an deiner Seite. Liebe es wie du aussiehst wenn du schläfst, wie du dich bewegst. Ich liebe deinen Humor, deinen Charm. Und ja, ich liebe es sogar für dich zu kochen weil du das selbst nicht tust!"
Gut das er nicht sehen kann wie rot ich werde.
"Lorelai ich möchte dich hier und heute fragen, ob du mir die Ehre erweisen würdest und einwilligst meine Frau zu werden?"
Er hat's getan. Er hat tatsächlich um meine Hand angehalten.
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter. Meine Handflächen werden feucht, doch er hält sie weiterhin fest in seinen Händen.
"Ich ... ich ..." stammle ich.
Reis dich zusammen, Lorelai!
"J-ja ich will."
Plötzlich brandet Applaus auf. Alles und jeder hier schien eingeweiht und nun auf meine Antwort gewartet zu haben.
Max schafft es aufzustehen, um den Tisch herum zu gehen, mir den Ring aus der Hand zu nehmen und geht nun vor mir auf die Knie. Vorsichtig, die Finger der linken Hand abzählend schiebt er mir den Ring auf den richtigen Finger. Sanft hebt er meine Hand an seinen Mund und haucht mir einen Kuss darauf. Dann nimmt er meine zweite Hand steht auf und zieht mich mit hinauf. Glücklich schließt er mich in eine Umarmung und einen leidenschaftlichen Kuss.
Was tue ich da? Ich habe tatsächlich eingewilligt Max Cooper zu heiraten. Und es fühlt sich gut an!

Nachdem Max wieder mir gegenüber Platz genommen hat bringt Jerome den ersten Gang. Der salzige Fisch in fruchtiger Soße ist mal was ganz anderes. Aber außerordentlich lecker!
"Hast du nicht damit gerechnet?" will Max schließlich wissen.
"Ich hatte keine Ahnung. Aber es ist schön!" antworte ich und merke wie ich verliebt in die Richtung blicke in der er sitzt.
Kaum sind die unsere Teller leer kommt Jerom und räumt sie ab.
"Und wieviel ist auf dem Kleid gelandet?"
"Das mein Lieber bleibt mein Geheimnis." tue ich geheimnisvoll und versuche nicht über das Stückchen Fisch nach zu denken das vorhin auf meinem Schoß gelandet ist.
"So so." lacht er.
Jetzt lacht er noch. Aber sicher hat er ebenfalls den ein oder anderen Fleck abbekommen.
Jerom serviert uns noch eine Suppe die für meinen gewöhnlichen Gaumen etwas gewöhnungsbedürftig schmeckt. Dafür haut es der Hauptgang raus. Das Fleisch schmeckt phantastisch!
Kaum ist Jerom mit den leeren Teller verschwunden, nimmt Max meine Hände in seine und raunt. "Willst du noch auf das Dessert warten oder wollen wir zu mir fahren und uns gegenseitig vernaschen?"
"Ähm. Zweitens, Süßer." Ich schenke ihm einen Kuss wobei ich mehrere Anläufe brauche um seinen Mund zu finden.
"Okay. Dann rufe ich mal Jerome." flüstert er. "Jerome." Letzteres galt laut ausgesprochen unserem Kellner.
Kurz darauf werden wir wieder in den Vorraum geführt wo ich als erstes, um mir Peinlichkeiten zu ersparen, in einer Ecke mich meines Plastikoverals entledige. Ich knülle ihn zusammen und stopfe ihn in einen Mülleimer.
Als ich wieder neben Max trete grinst er mich an. "Na alle Spuren beseitigt?"
"Du bist der Fachmann. Du musst es ja wissen." grinse ich und betrachte ihn. Er hat dieses Abenteuer tatsächlich ohne einen Fleck abzubekommen überstanden.
Max hat mittlerweile gezahlt und nimmt mich in den Arm. "Lass uns gehen. Ich kann es kaum erwarten!"
Ich nicke. Freundlich verabschieden wir uns von Jerom und verlassen das Lokal. Dann fällt mir ein das ich endlich mal einen Blick auf meinen Verlobungsring werfen könnte. Ich halte meine Hand mit spreizen Fingern vor mich und betrachte den Ring. Ein matt silberner schmaler Ring mit mittelgroßem Diamanten. "Wunderschön!" hauche ich. "Max, der ist ja wunderschön!" Ich bleibe vor ihm stehen und sehe zu ihm auf. "Ich liebe dich, Max Cooper!"
"Ich liebe dich, Lorelai!" raunt er und küsst mich leidenschaftlich.
Gemeinsam fahren wir zu Max Wohnung in Cambridge wo der Abend so romantisch weitergeht wie er begonnen hat.

 

Von Traumprinzen und Rettern in der Not

 

Lorelai

 

Als ich am nächsten Morgen erwachte schien die Sonne bereits hell ins Zimmer. Warum verdammt habe ich vergessen die Fensterläden zu schließen?
Ein paar Augenblicke brauchte ich um mich zu orientieren. Ein paar Augenblicke ebenfalls um zu registrieren, dass es bereits 11 Uhr war und ich zu spät zur Arbeit kommen würde.
Es ist spät geworden gestern. Spät und feucht fröhlich. Nicht nur im Restaurant hatte Max für Champagner gesorgt, sondern auch zu Hause standen zwei Flaschen auf Eis.
Max weiß wie er mich verwöhnen kann. Mein Max. Ich betrachte den schlafenden wunderschönen Mann neben mir. Wie ihm eine Strähne des sonst akkurat frisieren Haar in die Stirn gefallen ist. Wie seine wunderschön geschwungenen Lippen leicht geöffnet und seine geschlossenen Lider hin und her zucken. Sicher träumt er.
"Reiß dich zusammen, Lorelai! Wenn du ihn noch länger anstarrst kommst du auf jeden Fall zu spät zur Arbeit." schimpfe ich mich selbst.
Max schien meine Blicke zu spüren und regt sich. Gerade als ich meine Beine über den Rand des Bettes schwinge greift er nach meinem Handgelenk und hält mich fest. "Stopp! Sie bleiben schön hier." raunt er ins Kissen.
Ich beuge mich zu ihm hinunter und küsse ihn auf die Stirn.
"Nicht weggehen!" fleht er. "Komm zurück ins Bett!"
"Ich muss. Und du musst auch. Oder hast du heute frei?"
"In der Tat das habe ich. Na gut, du darfst gehen. Aber nur, wenn du mir versprichst heute Abend wieder zu kommen."
"Ich muss mich ab und zu auch mal zu Hause blicken lassen, Max. Ich habe eine Tochter."
"Ja, eine Tochter die schon richtig groß ist und prima selbst klar kommt." erinnert et mich.
Er hat ja recht. Aber ich möchte Ava ungern so lang allein lassen. Genau das sage ich ihm auch. Er akzeptiert es.
"Außerdem muss ich ihr doch erzählen das sie bald wieder einen Daddy hat." lache ich.
Max hebt den Kopf und sieht mich skeptisch an. "Ich denke nicht, dass ich ein Vater für Ava sein könnte. Ich glaube die Zeiten wo sie einen Vater gebraucht hat sind vorbei."
"Hm. Da könntest du recht haben. Aber sie muss es erfahren. Und ... mir ist wichtig was sie dazu sagt."
"Du meinst, du brauchst das Einverständnis deiner Tochter um mich heiraten zu können?"
"Natürlich! Ava und Lorelai - das ist ein Team. So war es schon immer. Und nun soll das Team erweitert werden. Klar das da alle Teammitglieder ihre Stimme abgeben sollten."
"Aber seit einigen Jahren gibt es mich doch schon in deinem, in eurem Leben. Das zählt doch hoffentlich!" meint er. Mittlerweile hat er sich aufgesetzt. Seine muskulöse Brust hebt und senkt sich beim sprechen. Fasziniert starre ich auf seine Muskeln.
Ist dieser Mann seit letzter Nacht noch attraktiver geworden?
"Natürlich zählt das. Ava mag dich und sie wird schon nichts dagegen haben das wir unsere Beziehung amtlich machen." erkläre ich mit fester Überzeugung.
"Aber ich möchte es ihr allein sagen. Heute Abend. Beim Mädelsabend." erkläre ich noch. Doch plötzlich fällt mir ein, dass das heute ja gar nicht geht da ich Spätschicht habe und bis Mitternacht im Salon stehe. Mist!
Ich erkläre es Max. Er hatte auch nicht daran gedacht.
"Egal dann eben Morgen Abend." winke ich ab. "Ist ja nur aufgeschoben."
"Stimmt. Dann also heute wieder bei mir?" grinst er.
Ich nicke und küsse ihn ein letztes mal ehe ich im Bad verschwinde.

Im Salon werde ich schon sehnsüchtig von Lucy erwartet. "Wo warst du denn? Mrs. Adam sitzt seit 45 Minuten hinten und wartet auf ihre Ganzkörpermassage."
"Sorry Süße! Ich erkläre es dir später. Nach Mrs. Adam." rufe ich und hechte an ihr vorbei in die hinteren Räume des Salons. Dort wartet tatsächlich eine leicht angesäuerte Mrs. Adam.
Doch nach Mrs. Adam kam ich nicht dazu Lucy die neuesten Nachrichten zu unterbreiten, zwei weiteren Kundinnen kamen dazwischen.
Doch kurz vor Lucys Feierabend konnte ich es ihr endlich sagen und sie flippte aus. "Was? Ehrlich? Der Ring war im Glas und du hättest ihn beinahe verschluckt?"
"Ja, wenn ich es dir doch sage."
"Und was sagt Ava?"
"Sie weiß es noch nicht. Ich habe ja bei Max übernachtet. Und auch heute kann ich es ihr nicht sagen. Morgen dann aber."
Da fällt mir ein. Ich muss ihr unbedingt eine Nachricht schicken.
Lucy nickt. "Sie wird es toll finden, da bin ich mir sicher!"
"Hoffentlich! Manchmal habe ich den Eindruck sie mag Max nicht sonderlich."
"Ach Quatsch! Unsere Ava doch nicht. Sie liebt die Menschen und jeder mag sie." meint Lucy und wirft sich an die Brust.
Grinsend verabschiede ich meine beste Freundin in ihren wohlverdienten Feierabend.

 

Ava


Mum schien diese Nacht bei Max übernachtet zu haben. Jedenfalls war niemand in der Küche als ich am Morgen herunter kam.
Ein Blick auf meinem Handy bestätigte meine Vermutung. Eine Nachricht von Mum: Der Abend zieht sich. Ich übernachte bei Max. Morgen gibt's ne große Überraschung. Bis morgen, Süße. Ich liebe dich!
Bevor ich duschen gehe setze ich Kaffee auf und toaste mir zwei Scheiben Brot.
Während ich mich vom heißen Wasser berieseln lasse überlege ich wie ich auf eine coole Art und Weise Eddie eine Zusage geben könnte.
Ich frühstücke heute allein zu Hause, da ich einige Zeit für die Auswahl des passenden Makeups benötige.
"Ich muss cool aussehen. Und auch ein wenig sexy." denke ich.
Einige Zeit später stehe ich in biederer Schuluniform aber mit einem verführerischen Makeup an der Bushaltestelle. "Hoffentlich gefalle ich Eddie so!" denke ich.

Zwischen den Unterichtsstunden versuche ich Eddie irgendwo zu sehen. Vergeblich. Und da heute Donnerstag und damit kein Fechten ist stehen die Chancen schlecht ihn am Nachmittag auf dem Campus über den Weg zu laufen. Außerdem fällt mir ein, dass ich keine Ahnung von seinem Stundenplan habe. Vielleicht hat er ja schon längst Schluss wenn mein Unterricht um 15:45 beendet ist?
Na toll. Alles umsonst.
"Sag mal suchst du irgendwen?" fragt Mary schließlich als wir zu unseren Spinden gehen um neue Schulbücher zu holen.
"Nö. Wieso?"
"Weil du dich den ganzen Tag schon auf den Fluren um schaust. Du steckst den Hals wie ein Huhn."
Das war nicht besonders freundlich, aber stimmt wohl.
"Sorry. Ja, du hast recht. Gestern war ich mit Eddie einen Kaffee trinken und da hat er mich nach einem Date gefragt. Ich wollte ihm heute eine Antwort geben." erkläre ich.
"Eddie Trueman? Aus deinem Fechtkurs? Der ist einen Jahrgang über uns oder?"
Ich nicke. "Was hat das damit zu tun?"
"Weiß nicht. Es ist nur, wieso interessiert er sich plötzlich für dich?"
"Na hör mal. Was soll das denn heißen?" empöhre ich mich. "Bin ich zu hässlich für ihn oder was?"
"Quatsch. Aber bisher hat er dich doch nie beachtet oder?"
"Doch als Freundin." meine ich.
"Woher kommt sein Sinneswandel?"
"Weil ich bemerkt habe, was für ein hübsches Mädchen unsere Ava ist." mischt sich plötzlich Eddie's Stimme ein. Erschrocken zucken wir zusammen. "Spinnst du!"
Eddie stellt sich mir in den Weg und sieht mich herausfordernd an. "Und was ist jetzt? Hast du dich entschieden?"
"Ja, dass habe ich tatsächlich."
Mary lehnt sich grinsend unser Schauspiel interessiert verfolgenden an die Wand.
"U-n-d?" fragt er gedehnt, verschränkt die Arme vor der Brust und grinst.
"Ich geh mit dir aus."
"Na also. Die eiserne Jungfrau hat Erbarmen mit mir." ruft er theatralisch und reißt die Arme in die Luft.
"Still!" zische ich. "Und von wegen, eiserne Jungfrau."
"Ich lasse mich gern von dir vom Gegenteil überzeugen." Sein Grinsen wird noch frecher.
Mit gespielter Entrüstung boxe ich ihm gegen den Oberarm.
Mary klatscht kurz in die Hände. "Wenn das jetzt geklärt wäre. Ava und ich hätten dann jetzt noch Unterricht."
"Stimmt genau." Eilig flitze ich zu meinem Spind und hole das Physikbuch hervor.
"Hier." meint Eddie und hält mir einen abgerissenen Zettel hin. Darauf steht eine Telefonnummer. "Meine Nummer. Ruf mich an wenn du keinen Unterricht mehr hast!"
Ich nicke stecke den Zettel in die Tasche meines Rockes und folge Mary die bereits weiter gelaufen war.
Ein paar Minuten zu spät erreichen wir den Physiksaal.
Tristan, mich weiterhin ignorierend winkt uns durch als wir mit einer Entschuldigung auf den Lippen den Raum betreten. Stumm setzen wir uns auf unsere Plätze. Ein Seitenblick auf das spöttische Grinsen auf Claires Gesicht reicht schon um meine Gute Laune verfliegen zu lassen.
Tristan schien heute ebenfalls keine gute Laune zu haben.
Ganz entgegen seiner Art der letzten Tage schenkt er mir heute zu viel Beachtung. Immer wieder nimmt er mich dran und immer wieder muss ich ihm die Antwort schuldig bleiben. Was ihn wiederum veranlasst ungläubig den Kopf zu schütteln.
Was sollte das?
Kaum hat Tristan die Stunde beendet stopfe ich eilig meinen Hefter und die Stifte in den Rucksack. Ich greife ihn mir und laufe die Stufen hinunter zur Tür.
Leider übersehe ich das Bein das Claire mir stellt und stolpere darüber. Wie ein Kleinkind falle ich direkt vor Tristan der gerade etwas in das Regal zurück stellt auf die Knie.
Böse werfe ich einen Blick über die Schulter zu Claire die natürlich vollkommen unschuldig tut. Mich sogar noch auslacht. Tristan hält mir seine Hand zum aufhelfen hin. Ich schlage sie aus. Rappel ich mich wütend auf, greife nach meinem Rucksack und renne aus dem Raum. Mary die hilflos daneben gestanden hatte folgt mir.
So eine Blamage!
Erst Stunden später, zu Hause als ich meine Kleidung wechsle fällt mir auf, dass der Zettel mit Eddie's Telefonnummer weg ist.


Lorelai

 

Es ist soweit. Freitagabend. Ava weiß bescheid und war einverstanden den Abend mit ihrer Mutter zu verbringen.
Als ich nach Hause komme duftet es bereits nach den wunderbaren Düften des Orients. Ava hatte indisch bestellt. Mein Lieblingsessen. Ich liebe meine wunderbare, schöne, kluge Tochter!
"Hey Mom." ruft sie zur Begrüßung aus der Küche als ich im Flur meine Handtasche an die Garderobe hänge.
"Hey wunderbarste aller Töchter."rufe ich zurück und gehe zu ihr in die Küche.
"Was machst du?"
"Zuerst einmal habe ich gekocht." Strahlend hält sie mir die viereckige Aluminiumschale unter die Nase aus der es so köstlich duftet. "Und zweitens bereite ich noch ein paar Snakes zu."
Die Mikrowelle gibt ihr helles Pling zum besten. Ava holt eine geblähte Papiertüte heraus und schüttet das Popkorn in eine Schüssel. Nun mischen sich die Düfte vom süßen Popkorn mit den indischen Gewürzen.
"Ich hoffe du hast an die Filme gedacht!" meint sie.
"Klaro. Sind in meiner Tasche." antworte ich und hole aus der Voratskammer zwei Flaschen Cola. Wenn schon Kalorien, dann schon richtig.

Diese gemütlichen Filmabende machen wir schon seit Ewigkeiten. Stets ausschließlich zu zweit, mit viel Essen und Knabberkram, mit schönen alten Filmen (ausschließlich auf DVD und nicht als Stream) und nur mit guter Laune. Das ist so ein Mutter-Tochter-Ding zwischen uns.

Ich lege Bodyguard ein und lümmel mich mit meinem Essen und einer Gabel bewaffnet zu Ava auf das Sofa. Sie startet den Film. Heute haben wir uns für 'Bodyguard', 'Pretty Woman' und 'Notting Hill' entschieden. Die neueren Klassiker. Das dürfte für diesen Abend reichten.
Nachdem das warme Essen vertilgt und Whitney Houston so langsam anfängt zahm gegenüber ihrem Bodyguard zu werden halte ich es vor Aufregung nicht mehr aus.
"Ava ich muss dir was sagen." platze ich heraus.
Sie sieht mich abwartend an.
Ich schweige.
"Dauert es länger? Soll ich den Film stoppen?" fragt sie und greift zur Fernbedienung.
Ich nicke wieder. "Ja, bitte!"
Sie drückt die Taste und das Bild friert ein.
"Ava ich muss dir was sagen." beginne ich erneut.
"Das sagtest du schon, Mom. Alles in Ordnung?" Sie schaut besorgt.
"Ja klar. Wie könnte es auch nicht." Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
"Max und ich waren letztens aus. Am Mittwoch du weißt schon."
"Wo du bei ihm übernachtet hast. Was ist passiert?"
"Er ... er hat ... Max und ich."
Ava sieht mich forschend an. Dann lacht sie.
Verwundert frage ich. "Was ... was ist l-los?"
"Er hat dich gefragt ob du ihn heiraten möchtest oder?"
Ich kann nur staunend nicken. Hat meine Tochter Talente von denen ich nichts weiß? Kann sie Gedanken lesen?
"Das war doch abzusehen, Mom. Ihr seid schon ewig zusammen. Und Max ist so ein Romantiker. Wie hat er es gemacht?"
Aufgeregt kuschelt sie sich in die Lehne des Sofas und sieht mir neugierig entgegen.
Und dann berichte ich von seinem Heiratsantrag in völliger Dunkelheit und meinem Fast-Ersticken am Ring.
Ava lacht und anschließend sagt sie. "Ich gratuliere dir, Mom! Ich gratuliere euch beiden! Das ist toll! Und ich freue mich für euch!"
"Und du bist auch wirklich nicht böse oder so?"
"Warum sollte ich? Ich mag Max. Er ist freundlich, hilfsbereit und ein guter Polizist. Ein guter Mann, wie man so sagt."
"Wer sagt das? Steht das so in deinen Büchern?" lache ich. "Aber du hast recht. Max ist toll! Ich liebe ihn und freue mich darauf mein restliches Leben mit ihm zu verbringen! Aber bist du auch wirklich damit einverstanden, Schatz? Es wird sich ja einiges ändern."
Daran hatte sie wohl noch nicht gedacht. Wann auch.
Abwesend sieht sie auf ihre Finger die nervös an ihren Fingernägeln zupfen.
"Wir müssen überlegen wo wir in Zukunft wohnen möchten." beginne ich vorsichtig. "In Cambridge oder hier."
"Max kann dich hier mit einziehen. Platz ist genug hier. Ich weiß zwar nicht wie er in Cambridge wohnt aber ..." Sie bricht ab.
Natürlich möchte sie ihr gewohntes Umfeld nicht verlieren. Und wenn ich mir vorstelle morgens ohne Walt's Waffeln auskommen zu müssen wird mir schlecht. Ich will hier nicht weg!
"Ich werde Max überreden hier mit ein zu ziehen." sage ich entschlossen. "Es wird so gemacht oder er kann diese Ehe vergessen!"
"Da wird er sicher nicht lange drüber nachdenken müssen." meint Ava und diese Erkenntnis bringt uns beide zum Lachen.

 

Ava

 

Am Samstag Nachmittag wollten Eddie und ich uns nun zum ersten mal treffen.
Zum Glück hatte ich ihn gestern noch auf dem Schulflur getroffen. Nach der Beichte das ich seine Nummer verschlampt habe (er hatte schon gedacht das in mir die eiserne Jungfrau wieder die Oberhand bekommen hätte - Eddie's Worte) und wir erneut und diesmal direkt unsere Nummern ausgetauscht haben, hat es nun endlich geklappt mit dem Verabreden.
Heute Nachmittag also. Und wer weiß, vielleicht würde ja auch noch ein schöner Abend daraus werden?

15 Uhr vor dem Museum of Cambridge, hatte in seiner Nachricht gestanden. Nun ist es schon 15:23 und ich steh noch immer allein hier rum.
Vielleicht gehört Unpünktlichkeit ja zu einer von vielen schlechten Eigenschaften die Eddie aus machen? Was weiß ich denn schon von ihm? Nichts.
Da legen sich mit einem mal Hände über meine Augen. Erschrocken kreische ich auf.
"Hey, beruhige dich! Ich bin's doch nur." raunt Eddie an mein Ohr.
Mit geschickten Händen dreht er mich zu sich um und drückt mich an sich. Das geht so schnell das ich, völlig überrumpelt alles geschehen lasse.
"Ich hab gewartet." flüstere ich und versuche meiner Stimme einen strengen Ton zu geben.
"Ich kann dir versichern, dass es sich lohnt auf mich zu warten." flüstert er zurück und beugt sich zu mir runter. Seine Lippen sind jetzt ganz nah bei meinen.
Das geht mir etwas zu schnell. Hastig trete ich ein paar Schritte zurück und pralle sogleich gegen jemanden hinter mir. "Können Sie nicht aufpa ..." ruft eine erregte männliche Stimme hinter mir.
Ich wirble herum und stehe vor Tristan der mich scheinbar ebenfalls erkannt hat und erstarrt ist.
"Tristan." entfleucht es mir.
"Was?" meint Eddie der neben mich getreten ist. "Mister Redmayne. Es tut uns leid! Wir haben rum gealbert und dabei ..."
Tristan zieht sein Jackett zurecht und sieht abwechselnd zwischen Eddie und mir hin und her. "Schon gut. Passt beim nächsten mal auf! Ihr seid nicht allein auf dieser Welt." Damit dreht er sich um und geht davon.
Schweigend sege ich ihm nach und komme nicht umhin einen leichten Stich im Herz zu fühlen. Irgendwie komme ich mir so vor als würde ich ihn betrügen. Dabei ist und darf ja niemals etwas zwischen uns sein.
"Komm Prinzessin lass uns gehen!" holt Eddie mich in die Gegenwart zurück.
Er greift nach meiner Hand und gemeinsam spazieren wir die Northampton Street hinunter Richtung St. John's College. Hier gibt es Grün im Überfluss. Gerade jetzt im Sommer. Saftige grüne Wiesen, viele Bäume die Schatten spenden, den Cam River und natürlich wahre Prachtbauten von denen wir hier in Cambridge zwar einige haben. Aber nicht alle sind so schön wie das John's College.

Nachdem wir in einem gemütlichen kleinen Bistro etwas zu Abend gegessen haben (Eddie hat mich eingeladen) beschließen wir noch ins Kino zu gehen.
Also fahren wir mit dem Bus zum Kino in Eddie's Wohnortnähe.
Auch hier bezahlt er den Eintritt.
Er kann also doch ein Gentleman sein wenn er will.
Der Film beginnt in 15 Minuten. Zeit genug also um sich noch mit den obligatorischen Kinomenü auszustatten. Diesmal bestehe ich darauf etwas zu zahlen.
Ich kaufe zwei Sprite und süßes Popkorn und kehre zu Eddie zurück. Vorsichtig nimmt er mir seine Portion aus der Hand und wir steigen die Stufen zu den Kinosälen hinauf.
Unsere Plätze liegen in der letzten Reihe. Ob er das mit Absicht getan hat um ungestört und ohne andere zu stören mit mir knutschen kann? Dann hat er sich aber geschnitten.
Der Saal füllt sich und kurz darauf wird es dunkel.
Eddie's Hand ruht auf seinem Oberschenkel doch kurz nach Beginn des Films wandert sie in meine Richtung. Ich tue so als würde ich es nicht bemerken. Er soll nur nicht glauben das ich eine verkniffene alte Jungfer bin.
Da, jetzt liegt sie auf meinem nackten Oberschenkel.
Warum zum Teufel musste ich heute ein Minikleid anziehen? Das muss ja auf ihn wie eine Eintrittskarte wirken.
Dennoch schiebe ich sie nicht weg.
Der Film, eine romantische Komödie (wohl ein Zugeständnis an mich - die Auswahl hätte sonst nur noch auf einen Thriller oder einen Aktionfilm fallen können) zieht sich hin und Eddie's Fingerspitzen tasten sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts Richtung meiner Mitte. Das reicht jetzt!
Energisch greife ich sie und schiebe sie von meinem Bein hinunter.
Er beugt sich zu mir und flüstert. "Ich dachte du möchtest heute auch etwas Spaß haben?"
"Was? Hier?" zische ich zurück.
"Stell dich doch nicht so an. Uns sieht doch keiner. Auserdem ist doch nichts dabei. Nur nen bisschen fummeln." redet er sich raus.
Mir wird das alles zu bunt. Energisch stehe ich auf, griff nach meiner Tasche und der Jacke und lasse ihn sitzen.
Mir im vollen Kino nach zurufen wagt er sich wohl nicht. Und mir hinterher gelaufen kommt er ebenfalls nicht. Obwohl ich einige Minuten fröstelnd vor dem Kino stehe und überlege was ich jetzt tue.
Ich komme zum Entschluss das es am besten ist nach Hause zu fahren.
Ich mache mich auf den Weg zur nächsten Busstation. Dort angekommen bemerke ich das in diesem abgelegenen Teil von Cambridge der letzte Bus des Tages, besonders an einem Samstag bereits weg ist.
"Scheiße!" fluche ich. Ich friere immer mehr.
21: 54. Was jetzt? Mir bleibt wohl nur Mom anzurufen und sie bitten mich abholen zu kommen. Wie ein Kleinkind. "Die kleine Ava möchte aus dem Spieleparadies abgeholt werden!" denke ich mürrisch.
Mit klammen Fingern ziehe ich mein kaltes Handy aus der Handtasche. Es rutscht mir aus der Hand und landet mit einem lauten Knall auf dem Plaster. Erschrocken bückte ich mich danach und besehe mir die Bescherung. Das Display hat einen dicken Sprung. "Scheiße!" entfährt es mir erneut.
Zum Glück funktioniert es noch. Ich wähle Mum's Nummer. Es klingelt und schließlich geht nur die Mailbox ran.
"Das darf doch nicht wahr sein!" Dennoch lasse ich ihr eine Nachricht da.
Alleine mit dem Ziel in Bewegung und damit warm zu bleiben laufe ich los. Dieser Teil der Stadt ist mir vollkommen fremd. Ich kenne mich null aus und kann mich nicht orientieren. Beinahe fange ich an zu heulen.
Ich bin, glaube ich schon eine Stunde gelaufen da fährt langsam ein schwarzer Wagen am Straßenrand neben mir her. Ich bekomme es mit der Angst zu tun und lege einen Zahn zu. Dunkelheit, fremde Umgebung, schwarzer Wagen - GEFAHR.
Da höre ich mit einem mal eine bekannte Stimme. "Ava? Du bist es ja wirklich. Was tust du hier so allein?"
Es ist Tristan der nun durch das herunter gelassene Fenster mit mir spricht.
Ich war noch nie so glücklich ihn zu sehen!
"Ich ... ich ... mir ist so kalt." bibbere ich. Ruckartig hält er an und steigt aus. Sofort reicht er mir vom Rücksitz sein Jackett. Dankbar ziehe ich es über. "Komm!" Er geht zur Beifahrertür und öffnet sie mir. Ich folge ihm und steige in sein Auto. Die beigen Ledersitze duften noch ganz neu. Vorsichtig nimmt er den Gurt und schnallt mich an. Dabei kommen sich unsere Gesichter gefährlich nahe. Ich scheine jedoch eher verfrohren als sexy auszusehen und der Moment ist vorbei.
Tristan steigt wieder ein und fragt "Was ist passiert, Ava? Wo ist Eddie?"
"Vermutlich noch immer im Kino." gebe ich frostig zurück.
Tristan zieht eine Augenbraue nach oben. "Dann hast du ihn sitzen lassen?"
Ihm scheint etwas einzufallen. "Er hat doch nicht ... er hat dich doch nicht?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Er wollte ... Aber ich wollte nicht. Nicht so ... da." erkläre ich etwas peinlich berührt mich ausgerechnet vor ihm so zu öffnen.
"Verstehe." er nickt."Wo willst du jetzt hin?"
"Am liebsten nach Hause. Doch der letzte Bus ist schon weg. Und meine Mom erreiche ich nicht. Dazu ist mir gerade noch mein Handy kaputt gegangen." Ich kann mich gerade noch zusammen reißen um nicht los zu jammern.
"Dann ist es ja gut das ich dich gefunden habe! Ich fahre dich heim."
"Aber das ist dich zu weit. Sie ... ähm du wolltest doch sicher ... es ist schon so spät." stammle ich.
Nichts ist mir unangenehmer als andere mit meinen Problemen zu belästigen.
"Keine Widerrede! Höre wenigstens einmal auf deinen Lehrer! Ich fahre dich." bestimmt er mit Semi strenger Stimme.
Ich nicke glücklich und lehne meinen Kopf an die Lehne zurück.
Dieser Abend verlief so ganz anders als gedacht.
Tristan steuert den Wagen schweigend durch das nächtliche Cambrigde, über dunkle Landstraßen bis hin zu unserem gemütlichen Little Surrey. Dort angekommen dirigierte ich ihn durch die wenigen Straßen unseres Örtchens bis wir schließlich vor unserem Haus zum stehen kommen.
"Hier wohne ich." sage ich völlig überflüssigerweise.
Tristan nickt stumm.
"Tja. Danke fürs retten, Mister ... ähm Tristan."
Peinlich!
"Gern geschehen. Ich konnte ja nicht zulassen das ein junges Mädchen nachts allein in den Straßen der Stadt unterwegs ist. Zumal du scheinbar deutlich kleinere Ortschaften gewohnt bist. Auserdem hat es mir gefallen mal der Retter in der Not zu sein." lacht er.
Ich strahle ihn an. "Vielen Dank noch einmal!"
Ich öffne die Tür und steige aus. Tristan folgt mir und begleitet mich den geplasterten Vorgartenweg bis zu unserer Haustür. Das Haus liegt im Dunkeln. Sicher ist Mum bereits im Bett. Da unsere Schlafzimmerfenster zum Garten raus gehen kann man vor dem Haus nicht erkennen ob noch Licht brennt.
"Tja dann ... dann." beginne ich. Ich weiß nicht so recht was ich sagen soll.
Da übernimmt er das reden und sagt. "Gib mir mal dein Handy!"
Verblüfft ziehe ich es aus der Tasche und reiche ihm das lädierten Gerät.
Er nimmt es entgegen und beginnt darauf herum zu tippen. Anschliesend reicht er es mir mit den Worten "Jetzt hast du meine Nummer. Falls du mal wieder einen Retter in der Not brauchst." zurück.
Noch verblüffter als eben stecke ich es wieder ein. "Danke." murmle ich.
Ich ziehe den Hausschlüssel hervor und stecke ihn ins Türschloss. Bevor ich im Haus verschwinde flüstere ich noch einmal "Danke dir, Tristan."
Aus einem inneren Instinkt heraus mache ich einen Schritt auf ihn zu und gebe meinem völlig überrumpelten Lehrer einen Kuss auf die Wange. Sekunden später schließe ich die Tür und lehne mich heftig atmend mit dem Rücken dagegen.
Ava MacAdams was hast du getan? Da bemerke ich das ich noch immer sein Jackett trage. Ich greife in das Revers, versenke meine Nase in dem weichen Stoff. Sauge seinen Duft ein. Tristan.
Eine gefühlte Ewigkeit stehe ich so da.
Dann steige ich vorsichtig um Mom nicht zu wecken die Stufen zum Obergeschoss hinauf. Im Bad wische ich mir das Makeup aus den Gesicht und putze mir die Zähne.
Schon im Bett liegend fällt mir mein Handy wieder ein. Ich stehe wieder auf und hole es aus der Tasche.
Eilig scrolle ich zum T in meinem Telefonbuch. Nichts. Ich suche weiter. Schließlich finde ich einen Eintrag nur mit dem Buchstaben X. Der ist neu. Ich tippe darauf und es erscheint eine Handynummer. Seine Handynummer.
Verträumt lächelnd gehe ich wieder ins Bett.
Kurz darauf lösche ich das Licht.
Im Dunkeln kommt mir ein ziemlich peinlicher Gedanke. Ich stehe erneut auf, gehe zielstrebig auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch zu und klaube sein Jackett von der Lehne.
Ich lege mich hin nehme den Stoff in die Arme und vergraben mein Gesicht hinein. Mit Tristan's Duft in der Nase kann ich doch noch einschlafen.

 

Lorelai

 

Das Haus liegt vollkommen dunkel vor uns. Natürlich tut es das. Es ist schließlich 3 Uhr nachts und Ava wird schlafen.
Ich krame den Hausschlüssel aus meiner Tasche und stecke ihn ins Schloss. Allein dieses Geräusch wirkt in dieser absoluten Stille laut.
"Leise! Komm!" zische ich über die Schulter und betrete das Haus.
Max folgt mir. "Ich denke nicht, dass das nötig ist."
"Ich will nur Ava nicht wecken." rechtfertige ich mein lächerliches dem Alkohol entsprungenes Verhalten.
Ich gehe weiter. Unterwegs lasse ich meine Handtasche einfach auf den Boden plumpsen und streife mir nach und nach die Schuhe von den Füßen.
"Lorelai, es ist doch wirklich nicht nötig das wir uns wie Einbrecher durch ..." Max fällt mit einem dumpfen Poltern die Stufen hinauf.
Er war im Dunkeln über meine achtlos am Fußende der Treppe hingeworfenen High Heels gestolpert.
"Still!" zische ich erneut und reiche ihm meine Hand. Er rappelt sich auf und ergreift sie. Gemeinsam gehen wir nun so leise wie möglich die Treppe ins Obergeschoss hinauf.
Es bleibt still im Haus.
Oben nimmt er mich in den Arm und flüstert "Ich denke wirklich nicht, dass es Ava sonderlich schockieren wird wenn sie erfährt, dass ihre Mom und ihr zukünftiger Stiefvater aus gehen. Auch das wir Sex haben kann sie sich sicher denken."
Er hat ja recht. Ich weiß auch nicht wieso ich mich so kindisch verhalte.
"Du hast recht." lenke ich ein. "Aber ich will trotzdem noch kurz nach ihr sehen. Geh schonmal ins Bad!" flüstere ich zurück und deute mit dem Kinn Richtung Badezimmer.
"Gut. Und außerdem denke ich, ist es völlig legal Licht in einem von uns bewohnten Haus abzuschalten." meint er weiterhin flüsternd und drückt auf den Schalter
Ich grinse und gebe ihm einen schnellen Kuss. Dann trennen sich kurz unsere Wege. Ich gehe im Flur nach links zu Ava's Zimmer. Leise öffne ich die Tür. Sie quietscht immer etwas, doch heute gelingt es mir sie lautlos zu öffnen. Ava liegt schlafend in ihrem Bett. Ihr rot blondes Haar fällt wie ein Vorhang halb über ihr Gesicht. Ihre Augenlider flattern. Sie sieht so friedlich aus.
Irgendeinen dunklen Stoff hält sie halb im Arm halb liegt sie mit dem Kopf darauf. Sieht aus wie ein Shirt. Warum tut sie das? Nun ja, ich wüsste warum ich das täte, wenn das Shirt von einem Jungen wäre der mir gefällt und der es mir geliehen hätte. Sein Duft. Das habe ich auch getan als ich so alt war wie sie.
Aber Ava? Seit wann hat sie einen Freund? Sie hat nie etwas erzählt und ich habe nichts mitbekommen. Ich zügel meine Neugier und hebe mir die Befragung für morgen auf. Leise schließe ich die Tür.

 

Ava


Den Sonntag nutze ich um mich Schultechnisch mal wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Durch meine andauernden Tagträume habe ich ganz schön viel Stoff kaum verinnerlichen können. Das hole ich nun im Schatten unseres Apfelbaumes nach. Die Vögel zwitschern in den Zweigen der grün belaubten Bäume. Der Bach hinter unserem Garten gurgelt leise vor sich hin. Irgendwo bellt ein Hund.
Eine herrliche Idille. Ich liebe dieses Dorf mit all seinen Facetten! Um kein Geld der Welt würde ich das alles aufgeben und in die Stadt ziehen!

Aber das steht ja nun nicht mehr im Raum. Mum hat mit Max geredet und heute morgen beim gemeinsamen Frühstück, dass eigentlich der Uhrzeit wegen bereits als Mittagessen gelten konnte, haben sie mir ihren Entschluss unterbreitet.
Max zieht hier mit ein. Der Platz wird schon reichen. Sie arbeiten ja eh viel und sind daher aus dem Haus. Nur wo Max ganze Möbel und Sachen hin sollen wissen sie noch nicht.

Mit Bio, Deutsch und Mathe bin ich fertig. Jetzt nur noch Physik nachholen. Doch gerade dabei kann ich mich kaum konzentrieren. Dazu kommt, dass meine Aufzeichnungen unvollständig sind. Überall hat jemand statt des Themas Herzchen ins Heft gekritzelt. Das war dann wohl ich.
Da kommt Mum durch den Garten auf mich zu.
"Na Süße." sagt sie beim näher kommen, gibt mir einen Kuss auf den Scheitel und lässt sich neben mich auf das Gartensofa fallen. "Max kocht jetzt das Mittagessen."
"Du meinst wohl das Abendessen."
"Na wie auch immer." Sie winkt ab. Als sie einen Seitenblick auf mein Hefter wirft knalle ich diesen schnell zu. Fehlte noch, dass sie die Herzchen sieht.
Dann sagt sie. "Ich denke wir müssen reden." Ihre Stimme hat mit einem mal einen strengen Tonfall angenommen.
Mist! Ahnt sie etwa etwas von Tristan?
Ich merke wie mir das Blut in die Wangen schießt.
"Wieso? Worüber denn?" frage ich unschuldig.
"Du weißt genau worüber." Ihr Blick durchbohrt mich.
Sie weiß es. Scheiße!
"Mum, ich ... er ... es ist wirklich nie etwas passiert." stammle ich.
Da beginnt sie zu lachen. Schallend zu lachen.
"Ach Süße. Wusste ich es doch. Du bist verknallt."
Ich muss ein ziemlich dümmliches Gesicht machen, denn sie lacht noch mehr.
"Ich erkläre es dir mal. Gestern Nacht war ich noch in deinem Zimmer."
Oh oh. Sie hat mich mit dem Jackett gesehen.
"Du hast geschlafen und dabei mit einen Shirt oder so gekuschelt. So süß! Das ist von ihm oder?"
Ich kann nur stumm nicken. Und noch röter werden falls das überhaupt möglich ist.
"Ich hab das auch getan. Als ich so alt war wie du." fügt sie eilig hinzu. "Aber ein wenig sauer bin ich schon das du es mir nicht erzählt hast! Ich dachte wir haben keine Geheimnisse voreinander?"
Oh wenn du wüsstest, Mum.
"Ach weißt du, Mum. Das ist noch so frisch." winde ich mich.
"Na ja das gehört wohl dazu. Ich habe meiner Mutter auch nicht alles erzählt. Oh bei weitem nicht alles. Die wäre ja hinten über gefallen." Jetzt lacht sie wieder.
"Aber wir." sie sieht mich an. "Mir kannst du alles erzählen. Und nun Tochter, wünsche ich sofort zu erfahren wer sich da außer deiner Mutter in dein Herz geschlichen hat! Erzähl doch endlich!" drängelt sie und rüttelt an meinem Arm.
Ich lasse meine Schulunterlagen ins Gras fallen und lehne mich zurück. Sie tut es mir nach.
Den Blick in den schrahlend blauen Himmel gerichtet erzähle ich. "Er heißt Tri ... äh Eddie. Er heißt Eddie."
"Aha. Schön! Es freut mich, dass du endlich auch mal die Liebe in realer Form entdeckt hast und nicht nur auf Papier!" Glücklich schließt sie mich in ihre Arme. "Erzähl weiter!"
"Erzählen? Was denn?" keuche ich.
"Na alles. Ich will alles wissen! Wie er aussieht. Was er so macht. Woher ihr euch kennt. Alles eben." lacht sie und lehnt sich wieder zurück.
Und da gebe ich ihr eine zutreffende Beschreibung von Eddie Trueman dem Typen mit dem ich gestern tatsächlich aus war und den ich so schnell nicht mehr treffen möchte.
Mit keiner Silbe erwähne ich meine wahre Liebe. Dieses große Gegeimnis, Mom muss auch eines bleiben.
Kaum sitzen wir später gemeinsam am Tisch und wollen zu Abend essen, als Mum's Handy den Eingang einer Mail ankündigt.
Sie, ganz das Opfer der heutigen Technik springt auf und greift sich das Gerät.
"Eine Mail von deinem Lehrer, Ava."
Ich horche auf.
"Er schreibt er sei dein neuer Klassenlehrer. Es ist eine Einladung zum Elternabend. Übernächste Woche."
"Ach ja." tue ich gelangweilt. Meine Ohren sind dennoch gespitzt.
"Sicher möchte er sich uns Eltern persönlich vorstellen. Es ist dich dieser neue Lehrer den wir bei Mum's Party getroffen haben oder?" fragt sie in die Runde.
"Ja genau. Dieser den du so attraktiv fandest." wirft Max ein und zieht sie zu sich auf den Schoß.
"Ah ... ich erinnere mich." kichert sie. "Der heiße junge Bursche."
Legt sie es drauf an Max eifersüchtig zu machen?
Mum steht auf und er gibt ihr einen Klaps auf den Po.
"Hey Mister!" kreischt sie lachend und geht zum Herd hinüber um uns Bratkartoffeln auf die Teller zu schaufeln.
"Du hast recht Mum, er ist mein neuer Klassenlehrer. Er heißt Tristan Redmayne und ja einige Schülerinnen finden ihn durchaus attraktiv."
"Ha siehst du's Max!" Sie klatscht in die Hände. "Hab ich doch gesagt der wird einigen Mädchen den Kopf verdrehen."
Wenn sie wüsste.
"Können wir jetzt das Thena wechseln?" ruft Max genervt. "Wenn sich die Gesprächsthemen in diesem Haus immer nur um Männer drehen, überlege ich es mur noch mal mit der Heirat und dem zusammen ziehen." jammert er theatralisch.
"Das ist das Stichwort. Danke Max!" sagt Mum und setzt sich zu uns. "Wir haben uns was bezüglich der Wohnsituation überlegt."
"Ich höre." Unverwandt sehe ich sie an.
"Max zieht mit einem Teil seines Krempels bei uns ein. Aber er behält weiterhin seine Wohnung in Cambrigde."
"Okay. Und warum?"
"Weil es einfach praktisch ist. So haben wir einen Rückzugsort falls wir uns doch mal auf die Nerven gehen." Sie sieht kichernd zu Max. "Das gilt natürlich auch für sich, Schatz." Und schon sieht sie wieder zu mir.
"Für mich? Wieso?" frage ich verwundert.
"Du bekommst auch einen Schlüssel zu der Wohnung."
"Aha."
"Wir müssen mal zusammen hinfahren damit du weißt wo die Wohnung ist." erklärt nun Max weiter.
Ich drehe mich zu ihm. "Du kannst mir auch einfach die Adresse geben. Ich bin im Stande Karten zu lesen, Max."
"Natürlich bist du das." stimmt er zu.
"Na gut. Ich schreibe sie dir auf."
"Aber ist es nicht eine weitere finanzielle Belastung die Wohnung zu behalten? Ich meine, Paare ziehen doch irgendwann zusammen um sich die doppelten Mietkosten zu sparen." erkläre ich verwundert.
Klar Max kommt aus gutem Hause ...
"Ach Schatz. Die Wohnung ist doch Eigentum." lacht Mum über meine Naivität Max Lequidation betreffend.
Er nickt.
"Na dann scheint das wohl tatsächlich eine gute Lösung zu sein!" stimme ich fröhlich zu. "Dann habt ihr auch eine Wohnung in der Nähe eurer Arbeitsstätten. Wenn ihr Spätdienst habt oder was dazwischen kommt.
"So wie bei mir letzte Nacht."denke ich.
"Und müsst nicht nachts noch nach Little Surrey zurück fahren." füge ich laut hinzu.
"Das ist meine kluge Tochter." meint Mum stolz und drückt meine Hand.

Nach dem Essen lasse ich die beiden Turteltauben mal allein und gehe eine Runde spazieren. Irgendwie ist mir gerade danach. Es ist so ein schöner lauer Sommerabend.
"Ich bin dann mal weg. Bis nachher." rufe ich an der Haustür laut ins Haus hinein.
Da ich beschließe am Bach entlang aus dem Dorf hinaus zu spazieren, durchquere ich unseren Garten bis zum hinteren Ende. Da wo der Bach an unserem Grundstück vorrüber fließt. Er ist nicht tief. Also ziehe ich meine Sandalen aus und wate bis ans andere Ufer durch ihn hindurch. Drüben angekommen ziehe ich die Schuhe wieder an und mache mich auf den Weg.
In der glitzernden Wasseroberfläche spiegelt sich die Abendsonne. Die Weiden die in regelmäßigen Abständen an seinem Ufer stehen tauchen ihre Zweige ins Wasser. Ein Entenpäärchen watschelt von mir aufgeschreckt durchs hohe Gras zum Wasser hinunter.
Hinter mir auf der anderen Seite sind nur noch die Raps- und Weizenfelder der Bauern der Umgebung.
"Ava Schätzchen. Hallo!" unterbricht da plötzlich eine Stimme die Idille. Ich drehe mich suchend um und entdecke auf der Häuserseite des Baches Bunty Windemere. Bunty kenne ich schon mein ganzes Leben lang. Sie hat oft auf mich aufgepasst als ich klein war und Mum mitten in der Ausbildung war.
"Guten Abend, Bunty!" rufe und winke ich. "Wie geht es dir?"
"Super." Sie zieht ihren Corgi an der Leine zurück. "Alles gut. Und bei euch?"
"Auch gut. Bei Mum gibt es Neuigkeiten. Aber die wird sie dir demnächst sicher selbst erzählen."
"Da bin ich aber gespannt." antwortet sie lachend.
"Ich muss weiter, Bunty. Möchte ein bisschen den Kopf frei kriegen." entschuldige ich mich.
"Ist wirklich alles in Ordnung, Schatz?"
Die gute alte Bunty hat Lunte gerochen. Sie weiß wann es ihren Schützlingen nicht gut geht.
Ich winke ab. "Klar doch. Gerade nur ein bisschen viel Stress in der Schule." lüge ich.
"So so. Na dann, einen schönen Abend dir. Und Ava, pass auf dich auf!"
"Mache ich. Tschüß Bunty!" Ich gehe weiter. Nach ein paar Schritten drehe ich mich noch einmal um, doch Bunty ist verschwunden.

Bald habe ich das Dorfende erreicht und gehe in den Wald. Hier gibt es einen Jägerhochsitz. Da will ich hin.
Als ich diesen erklommen und ausreichend die schöne Aussicht auf Wald und Wiesen genossen habe ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche. Ich scrolle durch die Namen bis ich das X erreicht habe. "Tu ich es oder tu ich es nicht?" flüstere ich.
Den ganzen Weg über gabe ich das Für und Wider abgewogen. Bis jetzt ohne zufriedenstellendes Ergebnis.
Er sagte ja, wir dürfen es nicht tun. Es ist illegal. Aber dürfen und wollen sind zwei unterschiedliche paar Schuhe.
Und vielleicht besteht die Kunst ja nur darin nicht erwischt zu werden?
Wir müssen eben aufpassen. Das wird nicht leicht, aber es ist machbar.
Aber will Tristan das überhaupt? Bin ich es wert?
Und dann tue ich etwas völlig dämliches, wofür ich vor ein paar Wochen noch jeden verurteilt hätte, ich steige die Stufen des Hochsitzes herunter und gehe auf die Suche nach einer Blume.
"Ava MacAdams nun bist du wirklich ganz tief gesunken." murmle ich.
Da sehe ich in einiger Entfernung ein paar gelbe Tupfen im Gras und laufe darauf zu. Butterblumen.
Ich pflücke eine Blüte und gehe mit ihr zurück zum Hochsitz.
Auf dem weg zupfen ich Blatt für Blatt ab und gehe dabei in Gedanken den Text durch. "Ich wage es. Ich lass es sein. Ich wage es. Ich lass es sein. ..."
Das letzte Blütenblatt und ich stehe bei "Ich wage es.".
"Na gut. Das Schicksal hat entschieden." Ich greife wieder nach meinem Handy und scrolle erneut zu X.
Ich tippe eine Nachricht: Hallo Tristan. Ich wollte mich noch einmal für gestern Abend bedanken! Du warst der Retter in der Not. Grüße, Ava.
"Nein das geht ja gar nicht." rüge ich mich. "Er weiß doch schon längst das er mein Retter war."
Gedankenverloren starre ich in die Natur.
Ich hab's: "Hallo Tristan. Willst du dein Jackett wieder haben? Dann hole es dir!"
Nein, dass geht ja gar nicht.
Oh man. Das kann doch nicht so schwer sein.
Ich suche weiter nach dem passenden Text. Das ich ihm schreiben muss hat ja das Schicksal für mich entschieden.
Gedankenverloren tippe ich einfach irgendwas. "Hallo Tristan. Ich bin es, Ava. Du hast gestern dein Jackett bei mir vergessen. Aber ich möchte es dir eigentlich noch nicht zurück geben, da es so herrlich nach dir duftet und ich mich dadurch dir ganz nah fühle. Liebe Grüße."
Ohne großartig darüber nach zu denken tippe ich auf Absenden.
Mist! Was tu ich denn da?
Zu spät die Nachricht ist raus. Und SMS Nachrichten kann ich nicht auf fremden Handys löschen.
Oh je, was wird er jetzt über mich denken?
Aufgeregt schiebe ich mein Handy in die Hosentasche zurück und klettere zur Erde hinunter.
Ich muss laufen. Laufen lenkt ab. Also laufe ich. Renne fast.
Bald schon stehe ich vor der Little Surrey's Liebes-Linde. Ein 220 Jahre alter Baum der die Jahrhunderte hier im britischen Norden unbeschadet überstanden hat. Nach Luft schnappend stütze ich mich an den Baum. Genau in diesem Moment kündigt das Handy in meiner Hose die Ankunft einer Nachricht an. Ich hole es hervor, habe aber Angst was das Display mir gleich anzeigt. Ich entsperre es und schaue auf das Gerät hinunter. Eine Nachricht von Tristan.
Ohje. Ist es bezeichnend das ich gerade jetzt unter der Liebes-Linde stehe?
Während mein Smarphone die Nachricht öffnet lasse ich mich am Stamm herunter rutschen. Erst als ich im Gras sitze beginne ich zu lesen.
"Hallo Ava. Wenn du es behältst kann ich zukünftig nur noch beige Hosen tragen, da ich nur dieses eine dunkelblaue Jackett besitze. Aber wenn du einverstanden bist, tauschen wir. Ich hätte da ein Shirt anzubieten. Gruß, Tristan."
Mein Herz klopft wie verrückt. Er scheint mir die freche Nachricht nicht übel zu nehmen. Ganz im Gegenteil würde ich sogar sagen.
Der Damm ist gebrochen. Ich schöpfe Mut und tippe: "Einverstanden. Wann und wo?"
Kurz darauf kommt eine Antwort von ihm. "Morgen nach dem Unterricht. 16 Uhr. Ich fahre dich nach Hause."
"Einverstanden. Ich warte auf dich auf dem Parkplatz." tippe ich.
"Verstanden. Bis morgen."
Das wars, mehr kommt nicht von seiner Seite.
Braucht es ja auch nicht.
Er bekommt sein Jackett zurück und ich schwebe im 7. Himmel vor Glück.

Den morgigen Schultag überstehe ich mit hängen und würgen. Immerzu musste ich an den Nachmittag denken. Tristan's Jackett liegt sorgsam zusammen gefaltet in meinem Rucksack. Meine nächtlichen Kuschelattacken hat es eher mäßig überstanden. Es ist völlig zerknittert und bedarf nun einer Vollreinigung. Hoffentlich schaut er vorher in den Taschen nach! Ich habe in einer einen kleinen Gruß von mir dagelassen. Pünktlich um 16 Uhr stehe ich im Schatten eines Baumes am Rand des Lehrerparkplatzes und behalte Tristans schwarzen Mercedes im Auge.
Da kommt er. Begleitet von Jacob Darwin meinem Biologielehrer. Die Männer verabschieden sich und gehen zu ihren Wagen. Als Tristan seinen Autoschlüssel ins Schloss steckt komme ich auf ihn zu. "Hallo." rufe ich schüchtern.
Er dreht sich um und lächelt. Mit einem Kopfnicken bedeutet er mir einzusteigen.
Kaum sitzen wir fragt er im Agententonfall "Hast du es dabei?"
Ich nicke und muss aufgrund seines pseudo ernstem Gesichtsausdrucks lachen. "Hier ist es. Und ich muss mich entschuldigen, dass es so aussieht wie es aussieht. Ich ... ich habe ..."
"Schon okay." grinst er und nimmt mir das Kleidungsstück ab. Er wirft es achtlos nach hinten auf den Rücksitz. Anschliesend fährt er langsam an und lenkt den Wagen vom Parkplatz herunter.
Ich sitze da und weiß nicht was ich sagen soll. Im Schreiben bin ich besser. Mutiger.
"Wollen wir noch zusammen einen Kaffee trinken? Oder ein Eis essen was bei diesen Temperaturen wohl angebrachter wäre." meint er Minuten später.
Ich freue mich über sein Engament und antworte "Gern. Eis essen hört sich gut an!"
"Gut. Dann fahren wir ..." Wo wir hinfahren lässt er offen.
Ich lasse mich überraschen.

Kurze Zeit später sitzen wir in einem süßen kleinen Eiscafe in einem Cambridger Vorort.
"Hast du keine Angst das uns jemand sehen könnte?" will ich wissen.
"Ava, wir sind hier am Arsch der Welt. Wer sollte uns hier überraschen? Außerdem tun wir doch nichts verbotenes." antwortet er und zuckt die Achseln.
"Da hast du recht. Und schließlich sind unsere Familien miteinander bekannt." lache ich.
Ich versuche so sexy wie möglich mein Eis zu lecken.
Mist! Ich hätte doch ein Eis im Becher bestellen sollen. Oder gleich nur einen Kaffee so wie er.
Irgendwann habe ich genug Mut gesammelt und finde nun ist der Moment gekommen um ihn nach seinem Teil der Abmachung zu fragen.
"Hast du das Shirt auch dabei?"
"Nun ja, hier habe ich es gerade nicht dabei. Aber im Auto."
Erleichtert atme ich auf.
"Ich habe es extra für dich in der letzten Nacht getragen." Er zwinkert mir zu.
Ahnt er etwa das ich mit seinem Jackett nachts gekuschelt habe?
Ohje. Peinlich!
"Ähm danke." nuschel ich.
"Ich möchte aber etwas klarstellen."
Ich schlucke.
"Ava, ich verstehe dich. Ich finde dich auch sehr anziehen. Aber es kann nichts aus uns werden. Die Gründe kennst du ja.
Ich will aber nicht herzlos sein und deshalb bekommst du das Shirt von mir. Träumen darf man schließlich. Das ist nicht illegal. Falls dich jemand danach fragt, kannst du ja behaupten es sei von jemand anderem." schlägt er vor und ahnt gar nicht, dass ich das bereits getan habe.
Ich nicke stumm. Mein Mut hat mich verlassen. Der und die Zuversicht was eine Beziehung mit ihm angeht.
Fast schon krampfhaft hält er sich an seiner Kaffeetasse fest und trinkt als koste es sein Leben.
Als sein Kaffee schließlich ausgetrunken ist gehen wir zurück zu seinem Wagen.

Während der Fahrt nach Little Surrey hängen wir beide unseren Gedanken nach.
Heute bleibt er vor meiner Haustür im Wagen sitzen. Er macht keine Anstalten aus zusteigen.
Ich drehe mich zu ihm, er sich zu mir. Für einige Sekunden sehen wir uns tief in die Augen. Diese grünen Augen. Diese Grübchen. Die Sommersprossen. Der sinnliche Mund. Ich starre seine vollen Lippen an. Ich kann nicht anders. Wie magnetisch angezogen kommen sich unsere Gesichter immer näher bis unsere Lippen schließlich nur noch Millimeter von einander entfernt sind. Ich lege den Kopf leicht schräg, schließe die Augen.
Gleich geschieht es.
Doch da zieht er sich zurück. Atmet tief durch und fährt sich verzweifelt durchs Haar. "Mist!" flucht er. "Ava wir dürfen das wirklich nicht tun."
Traurig lehne ich mich zurück und starre durch die Windschutzscheibe.
"Nicht traurig sein."
Er streichelt meine Wange. Ich sehe ihn an. Ihm scheint es auch schwer zu fallen.
"Lass es uns dabei belassen. Du bekommst mein Shirt, besuchst mich in deinen Träumen und vielleicht komme ich dich ja auch besuchen."
Jetzt muss ich doch lächeln.
"Hier." Er greift nach hinten, holt vom Rücksitz eine Plastiktüte und reicht sie mir. "Bitte."
"Danke." hauche ich und kämpfe gegen die Tränen an.
"Nun gehst du am besten rein." Er nickt in Richtung Haus. "Nicht das wir noch auffallen."
Ich folge und steige aus. Bevor ich die Tür zuschlage beuge ich mich noch einmal hinunter. "Wir sehen uns. In unseren Träumen sooft wir wollen und in der Schule wenn wir es müssen."
Er nickt verständig.
Dann schließe ich die Tür und gehe zum Haus. Hinter mir höre ich das Auto wegfahren.

 

Heiße Sommertage

 Lorelai

 

"Hast du gehört was der gerade gesagt hat?" rufe ich aus der Küche in den Garten. 
"Nö." kommt es zurück.
Ich gehe zu Max in den Garten und berichte was der Meterologe gerade im Fernsehen gesagt hatte. "Eine Hitzewelle überrollt England in den nächsten Tagen. Heißem Wind aus der Sahara haben wir das zu verdanken."
"Na vielen Dank auch! Und ich muss jeden Tag in dieser blöden Uniform rum laufen." stöhnt Ava vom Gartensofa aus.
"Ändern können wir eh nix dran. Also regt euch ab." beschwichtigt Max dem es wohl nie zu heiß wird. Er steht nämlich am Grill und brät unser Abendbrot. 
"Also ich bin dafür das wir uns einen Pool anschaffen!" beschließe ich.
"Ja cool, Mum!" 
"Weil es einmal heiß wird?" wirft er skeptisch ein. "Ich denke nicht."
"Hey. Warum denn nicht. Ich verspreche dir auch jeden Abend nackt mit dir in den Pool zu hopsen." lasziv wackel ich mit den Augenbrauen. 
"Hallo Leute! Kind hört mit." kommt es vom Garten. 
"Ach du bist alt genug." winke ich ab.
"Das vielleicht aber ich möchte gar nicht wissen was ihr so treibt wenn ich nicht anwesend bin." schmollt sie.
Ich werfe ihr einen Handkuss zu. 

 

Ava

 

Da heute Nachmittag wieder Fechten ist werde ich unweigerlich auf Eddie treffen. 
Eigentlich wollte ich ihm noch ein paar Takte zu seinem Verhalten am Samstag erzählen, doch nun ist Tristan dazwischen gekommen. Meine Gedanken kreisen nur um ihn.
So fällt es mir leichter Eddie freundlich zu begrüßen als wir uns auf dem Weg zur Turnhalle auf dem Campus treffen.
"Hey Eddie."
Er winkt, kommt näher und sagt. "Hallo Ava. Du ich wollte dir noch sagen, es tut mir leid wegen Samstag! Ich hab mich echt Scheiße verhalten!" 
"Schon okay." winke ich ab und schultere meine Sporttasche neu. "Woll’n wir?"
"Jup."
Gemeinsam spazieren wir zur Turnhalle hinüber. 
"Echt cool das du so damit umgehst! Da habe ich dich wohl falsch eingeschätzt." 
"Du wiederholst dich." meine ich nur.
"Du bist doch eine coole Sau!" lacht Eddie.
"Das habe ich jetzt mal überhört." schnaufe ich und boxe ihm gegen den Oberarm. 
Beim Fechten selbst lasse ich ihn dann doch spüren das ich den Samstag nicht vergessen habe. Aber er nimmt es locker.
"Noch auf ein Kaffee in die Cafeteria oder das kleine Cafè von letztens?" fragt Eddie und wischt sich den Schweiß mit einem Handtuch aus dem Gesicht. Bei dieser Affenhitze ist Sport treiben eine noch Schweißtreibendere Angelegenheit als sonst. Gemeinsam gehen wir in Richtung Umkleidekabinen. 
"Hm. Ich hab eigentlich vor gehabt in die Bibliothek zu gehen." murmle ich.
"Ach komm schon! Ich hab was gut zu machen." bettelt er und grinst.
"Okay. Einen Kaffee." stimme ich lächelnd zu.
Frisch geduscht trete ich mit meiner Sporttasche vor die Halle um auf Eddie zu warten. Wie immer braucht er länger als ich. 
Gerade als er endlich neben mir aus dem Gebäude tritt entdecke ich ein paar Meter von uns entfernt Tristan. Er ist in Begleitung unseres Biolehrers. Er redet angeregt auf Tristan ein. So bekommt Mister Darwin nicht mit, dass sein Gesprächspartner abgelenkt ist und nur noch Augen für das junge Päärchen hat. 
Ich blicke ihm entgegen, bemerke dass sein Blick sich verdunkelt als Eddie einen Arm um mich legt und mich über den Kiesweg zum Schultor führt. Die beiden Männer folgen uns in gewissem Abstand. Vorsichtig drehe ich mich noch einmal um und erschrecke als ich merke, dass sich sein Blick in mich bohrt. Oder ist es eher Eddie dem diese düsteren Blicke gelten?
Eddie bekommt von alledem nichts mit. Er plaudert über unser Duell gerade und dem bald anstehenden Wettbewerb von dem uns Mrs. Luther gerade berichtet hat. 
Auf Höhe des Lehrerparkplatzes drehen die Lehrer ab.
Eddie und ich spazieren zu dem kleinen Straßencafè am Ende der Straße und nehmen platz. 
"Was möchtest du trinken? Ich lade dich ein." meint er gönnerhaft.
"Einen Cappuccino bitte."
Eddie steht auf und geht in das kleine Lokal hinein um direkt bei der Kellnerin zu bestellen. Da fährt der schwarze Mercedes mit röhrendem Motor am Cafè vorbei. 
Hat Tristan mich gesehen? Ist er irgendwie sauer? Er hat keinen Grund dafür. Schließlich hat er mich doch abgewiesen.

 

Lorelai

 

Ich habe noch etwas Zeit bis ich im Salon sein muss. Daher beschließe ich heute ein wenig bummeln zu gehen. Bei diesen tropischen Temperaturen wäre es angebracht sich ein paar weitere luftige Kleider zu kaufen. 
Frau findet immer einen Grund um einkaufen zu gehen. 
Ich spaziere gerade die Brighton Street herunter als ich Tom an einer Wand gelehnt stehen sehe. 
"Ob Max dann auch in der Nähe ist?" freue ich mich. 
Ich gehe auf ihn zu und wie jedes mal wenn ich auf Tom treffe breitet sich ein komisches Gefühl in meinem Bauch aus. Ehe ich grüßen kann hat er mich schon gesehen, stößt sich von der Wand ab und kommt auf mich zu. "Hey Lorelai." raunt er als er vor mir steht.
"Hi Tom. Was machst du hier?"
"Einbruch beim Juwellier." Er deutet mit dem Daumen hinter sich. "Willams ist drin."
"Ist Max auch hier?" will ich wissen.
"Nö. Der hat woanders zu tun."
Ich sehe ihm in die Augen.
Großer Fehler, Lorelai!
Mit einem Mal fühle ich nur noch Leere in meinem Kopf. Kann keinen klaren Gedanken fassen.
"Aha. U-und d-du bist hier." 
Was rede ich denn da?
"Jup." Er grinst schamlos. "Siehst du doch. Oder glaubst du es nicht? Darfst gern mal anfassen."
Ehe ich mich versehe hat er meine Hand genommen und drückt sich diese gegen die Brust. 
Anstatt sie weg zu ziehen und ihm stattdessen eine zu kleben lasse ich sie da liegen wo sie liegt. Ich starre auf meine Hand. Spüre seinen Herzschlag. Wie er ganz im Gegensatz zu mir ruhig weiter atmet. Sauge seinen männlichen Duft ein. 
Ich kann nicht sagen wie lange wir so dagestanden haben aber mit einem Mal hören wir Williams dunkle Stimme hinter uns. Dieser Mann verkörpert ganz Britannien in seiner Stimme. Jeder Vokal korrekt artikuliert. Die Klangfarbe so männlich und doch sanft. Wahnsinn!
"Wenn Sie dann fertig wären. Wir haben noch zu tun."
Hektisch fahren Tom und ich auseinander. Für einen Bruchteil einer Sekunde treffen sich noch einmal unsere Blicke. Da ist irgendwas zwischen uns passiert.
"Bis später, Lorelai." meint er noch. Wie er meinen Namen sagt. Verwirrt blicke ich den beiden Männern hinterher die sie zu einem dunkelblauen BMW gehen und schließlich damit wegfahren. 
"Was war das gerade?" wundere ich mich. "Was macht dieser Mann mit mir, dass ich mich in seiner Gegenwart stets wie ein hirnloser Zombie aufführe?" 
Das einkaufen gehen verschiebe ich auf ein anderes mal. 

 

Ava

 

"Für die nächsten 17 Wochen werden wir Gastschüler aus Frankreich bei uns haben. Ich bitte euch den Schülerinnen und Schülern gegenüber freundlich und hilfsbereit aufzutreten!" sagt Tristan. 
Die ganze Klasse ist versammelt als er uns in seiner Funktion als unser Klassenlehrer von dem anstehenden Schüleraustausch in Kenntnis setzt. 
"Die Austauschschüler werden die Jahrgänge 10 bis 12 besuchen. In diesen Jahrgängen haben sich unter unseren Familien bereits genügend Wohnmöglichkeiten für die Italiener gefunden." erklärt er weiter. "Wenn ihr Fragen habt oder es Probleme gibt, wendet euch bitte an Mrs. Finch, Mister Darwin oder an mich. Wir sind die betreffenden Klassenlehrer und somit eure Ansprechpartner."
Ich höre nur mit halbem Ohr zu. Es ist Donnerstag Nachmittag und einfach viel zu heiß. Aber Mary und Luise sind hellauf begeistert. "Ich hoffe es sind ein paar schnuckelige Französische Jungs dabei." meint Luise.
"Ganz sicher. Ich denke die Hälfte der Austauschschüler werden männlichen Geschlechts sein." brumme ich genervt.
Mary sieht mich tadeln an. "Ava kann da nicht mitreden. Sie hat ja kein Interesse an Jungs. Nicht so wie wir." Sie und Luise fallen in leisen Gekicher.
"Könnten sich die drei Damen in der letzten Reihe eventuell noch etwas konzentrieren?" ruft Tristan von vorn. 
Beschämt schauen Mary und Luise mit gefalteten Händen zur Tischplatte. Ich kann mir bei ihrem unschuldigen Nonnengebärden ein Lachen nicht verkneifen. 
"Ava, vielleicht lässt du uns alle teilhaben was dich so belustigt!" Das galt mir. Trotzig schaue ich ihn direkt an. Er hebt die Augenbraue und schüttelt leicht den Kopf. 
Meine Güte ist er empfindlich! Sicherlich wegen der Hitze. Da liegen bei allen die Nerven blank.

Sportunterricht ist zur Zeit wahrlich keine Freude. Claire und ihre Vasallen versuchen ihren Joker des Direktorintöchterchen bei Mister Evans aus zuspielen. Und haben Erfolg. 
Claire dieses Miststück!
Jetzt sitzen die drei in ihren Schuluniformen auf den Tribünen am Rand und spielen mit ihren Handys rum. Hoffentlich machen sie keine Videos wie wir anderen uns hier abrackern. Zuzumuten wäre es ihnen ja. 
Mister Evans ist unerbitterlich. In Hochsprung und zum Ende noch ein hübscher Dauerlauf besteht sein heutiges Folterprogramm. 
"Der spinnt doch." zischt Mary als wir zusammen eine kleine Trinkpause machen.
"Na, macht ihr schon schlapp?" ruft Claire und lacht sich mit Julia gleich auch noch schlapp. 
"Dämliche Kuh!" 
"Ach lass sie doch! Wir bleiben entgegen denen wenigstens fit." versuche ich das positive in der Situation zu sehen. 
"Fit vielleicht. Aber sieh uns doch an!" jammert meine Freundin und deutet an sich herunter. 
Genau in diesem Moment ruft Claire "Bitte recht freundlich!" Und man hört das Geräusch eines auslösenden Blitzes. Sie hat tatsächlich ein Foto gemacht. 
Ja spinnt denn die!
"Claire das löscht du sofort wieder!" kreischt Mary. Bei ihr scheinen gerade alle Sicherungen durch zu brennen. Sie stürzt auf Claire zu und ehe ich reagieren kann hat sie sich schon in Claires blonde Korkenzieherlocken verkrallt. 
"Mary." rufe ich. 
"Hilfe!" schreit Claire und 
"Halt’s Maul, du Schlange!" keift Mary. 
Sie reißt an Claires Haare und diese wiederum versucht Marys Gesicht zu zerkratzen. Ich ziehe an Marys Arm um sie von der Ziege weg zu ziehen. Julia indes meint ihrer Freundin besser zu helfen indem sie "Mister Evans!" schreit.
Der kommt auch gleich angelaufen. Natürlich. Seine Lieblingsschülerin ist ja gerade in Gefahr. 
"Auseinander!" befiehlt er. "Miss Kinski runter von Miss Finnigan!" 
Mary reagiert nicht. Sie lässt Flüche und Fäuste sprechen.
Claire, mittlerweile wimmernd am Boden liegend spielt das unschuldige Opfer.
"Lass ... sie ... los!" ruft Evans eindringlich in Marys Gesicht. 
Ich glaube gleich knallt er ihr eine.
Ich ziehe ein letztes mal an ihrem Arm, da lässt sie so plötzlich los das ich nach hinten stolpere und meinen Ellbogen in Mister Evans Auge parke.
Der schreit auf und hält sich das betreffende Auge. "MacAdams, das reicht." 
Erschrocken schlage ich die Hände vor den Mund. Das habe ich nicht gewollt. "Das ... das war ein U-unfall." stottere ich. Doch ich stoße damit bei ihm auf taube Ohren. Mein Sportlehrer ist so wütend das er mich am Arm packt und über den Sportplatz Richtung Hauptgebäude zerrt. 
"Mister Evans. Es tut mir leid! Aber das war ein Unfall. Ich wollte doch nur helfen." jammere ich.
"Das kannst du gleich wiederholen." zischt er wütend. 
"Wiederholen? Wo denn?" 
"Nicht nur brutal. Auch noch blöd." denkt er hoffentlich nur laut. 
Empöhrt starre ich auf seinen Rücken. Ich bin die beste Schülerin meines Jahrgangs. 
"Du wartest hier! Verstanden?" motzt er und lässt mich vor dem Lehrerzimmer im Gang stehen. 
Ich nicke stumm. Vor Wut den Mund zusammen gepresst.
Kurz darauf kommt Evans zurück, Tristan im Schlepptau der mich verwundert ansieht. 
Zu dritt gehen wir zum Büro von Mrs. Finnigan. 
Als wir ihr Vorzimmer betreten habe ich das Gefühl eine Verurteilte auf dem Weg zum Schafott zu sein. Jetzt ist es amtlich. Ava MacAdams ist eine Unruhestifterin. Ich muss zur Direktorin. Was wird Mum dazu sagen?
Evans klopft heftig an und schubst mich vor sich durch die geöffnete Tür. 
"Mrs. Finnigan, ich bringe Ihnen hier ..." beginnt er.
Sie vollendet den Satz "Miss MacAdams? Was hat das zu bedeuten, Evans?" 
"Diese ..." Er sieht mich mit seinem blauen und seinem normalen Auge hasserfüllt an. "Schülerin hat mich wie Sie sehen können ohne Grund angegriffen."
"Ohne Grund? Es war ein Unfall." schreie ich. 
Schon ist Tristan hinter mir und legt mir beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
"Sehen Sie wie die sich aufführt?"
"Mister Evans. Ava ist eine unserer besten Schülerinnen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen ..."
Da wird sie von Evans der mich scheinbar überhaupt nicht leiden kann unterbrochen. "Sie hat gemeinsam mit Miss Kinski Ihre Tochter tätlich angegriffen. Ich wollte Claire retten und da ..." Er deutet auf sein blaues Auge. "Hat sie mir eine verpasst."
Hinter mir höre ich ein leises Prusten.
"Mister Evans wenn meine Tochter involviert war bin ich mir nicht sicher wer da genau angefangen hat und wer nicht. Ich würde jetzt gern mal Ava zu dieser Sache anhören." Sie sieht mir freundlich entgegen. Dadurch und mit Tristans Hand auf meiner Schulter fühle mich ermutigt die Angelegenheit offen darzulegen. 
Ich erzähle von Claires vielfältigen Möglichkeiten sich Mister Evans gefügig zu machen. Er holt empört nach Luft und ballt die Fäuste. Fast habe ich den Eindruck er stürzt sich gleich auf mich. Tristan scheint genau so zu denken und stellt sich schützend zwischen uns. 
"Und heute hat sie es eben übertrieben. Erst drückt sie sich vor dem Unterricht und dann macht sie sich noch über uns lustig die wir da verschwitzt und unansehnlich uns in der Hitze abrackern. Als sie Mary und mich schließlich noch fotografiert hat und wer weiß was mit diesem Foto anstellen will, da sind bei Mary eben die Sicherungen durch geknallt. Ich wollte sie abhalten, aber Mary kann wirklich starrköpfig sein. Ich habe es nicht geschafft. Mister Evans im übrigen ebenfalls nicht. Irgendwann hat Mary plötzlich von Claire abgelassen und ich bin nach hinten getaumelt. Dabei habe ich aus Versehen Mister Evans getroffen." schließe ich meinen Bericht und schaue unschuldig zu Boden.
"In Ordnung. Das hört sich für mich eher nach der Wahrheit an. Es tut mir leid, Evans. Sie können jetzt gehen!" sagt Mrs. Finnigan ruhig an ihn gewandt. 
"Aber diese kleine Schlange lügt doch. Die lügt um gut da zu stehen. Mrs. Finnigan, glauben Sie mir doch!" faucht er.
"Ich denke es ist besser Sie gehen jetzt." schaltet sich endlich auch mal Tristan ein. 
"Was willst du denn jetzt, Schönling?": faucht Evans und macht einen Schritt auf Tristan zu. Breitbeinig mit verschränkten Armen bleibt der größere Evans vor ihm stehen. 
"Evans ich denke auch es ist besser für Sie wenn Sie jetzt gehen." meldet sich seine Vorgesetzte zu Wort. 
Er besinnt sich endlich und räumt das Feld. Nicht ohne Tristan noch anzufauchen. "Vielleicht kann der feine Herr Kollege mal dafür sorgen, dass seine Schüler in der Spur laufen!" 
Scheppernd fällt die Tür hinter ihm ins Schloss.
"Ja ja, die Hitze macht uns allen zu schaffen. Den einen mehr, den anderen weniger." murmelt Rose Finnigan. Lauter sagt sie "Es tut mir leid, Ava! Ich glaube dir. Am besten gehst du jetzt mit deinem Lehrer mit. Findet eine Lösung die Sache aus der Welt zu schaffen!"
Ich nicke.
"Ist gut Rose." sagt Tristan neben mir. "Komm!" Er schiebt mich sanft aus dem Büro.
"Ich werde mit Mary und Claire reden. Schließlich waren die es doch die da aneinander geraten sind oder. Aber du musst dich offiziell bei Evans entschuldigen. Sonst wird er, wie ich ihn kenne deine Mutter einweihen." Tristan geht neben mir her ohne mich anzusehen. 
"Okay." antworte ich leise. 
Er nickt. "Dann wäre ja alles geklärt. Ich hab noch zu tun. Bis dann, Ava." Und weg ist er.
Sprachlos schaue ich seinen Rücken nach bis er um die Ecke verschwunden ist. 
"Da bist du ja, Süße." Mary springt auf und kommt auf mich zu gelaufen. Sie ist mittlerweile umgezogen und wartet auf mich vor der Sporthalle. 
"Ja. Vielen Dank übrigens. Was ist nur in dich gefahren?" zische ich und gehe an ihr vorbei ins Gebäude. Ich will nur noch aus den Sportklamotten raus und mich duschen. 
Schlimm genug das Tristan mich in diesem Zustand gesehen hat.
Mary folgt mir. "Es tut mir leid! Ich weiß auch nicht was da mit mir los war. Aber als die blöde Ziege dann auch noch anfing zu fotografieren ... da ist mir einfach die Sicherung durch gebrannt." rechtfertigt sie sich. 
"Ich kann dich ja verstehen. Claire hat dringend mal eine Abreibung gebraucht!" Als Zeichen des Verständnisses lächle ich sie an. Schon strahlt sie wieder. 
"Ein paar Haare hab ich ihr raus gerissen." 
"Hab ich gesehen. Und ich hab dem Evans ein blaues Auge gehauen." Stolz lachen wir über unsere Taten. 
"Und wir kommen zu dem Entschluss ..." beginne ich. 
"... beide haben es verdient" schließen wir beide gleichzeitig. Lachend steige ich unter die Dusche.

Kurz darauf spazieren wir zum Haupthaus. In der Cafeteria wartet unser täglicher Tagesabschlusskaffee auf uns. 
"Und was hat die Finnigan gesagt?" fragt Mary als wir beide an einem Tisch sitzen.
"Sie hat, als sie gehört hat das Claire mit von der Partie war, dass Ganze in die Harmlose Ecke geschoben. Sie hat dem Evans nen ganz schönen Dämpfer verpasst." Frech grinsend blicke ich mich in den riesigen Saal um.
"Cool! Na hoffentlich war ihm das ne Lehre!" meint sie.
"Oh ich denke schon. Ich habe ihr bei dieser Gelegenheit berichtet wie Claire sich im Sportunterricht benimmt und Evans sich ihr gegenüber stets einsichtig zeigt."
"Ups. Das wird ihm ja gefallen haben." lacht Mary und hält sich die Hand vor den Mund.
"Nein hat es nicht. Als er anfing mich zu beschimpfen hat unsere Direktorin ihn aus dem Büro geschmissen. Tristan hatte sogar Angst das er mich schlägt. Er hat sich als Schutzschild zwischen uns gestellt."
"Tristan?" Sie sieht mich verblüfft an. 
Ups. 
"Ähm ich meine Mister Redmayne. Er war als unser Klassenlehrer mit von der Partie." erkläre ich schnell. 
"Ja klar. Aber wieso nennst du ihn beim Vornamen?"
"Ähm ... hab ich dir nicht erzählt das er bei Grandmas Party war und uns da bekannt gemacht wurde?" tue ich unbeteiligt.
"Nö hast du nicht." Mary sieht mich mit einer Mischung aus Neugierde und Unverständnis an.
"Is aber so."
"O-k-a-y und seit dem sagt ihr Du zueinander?" Sie lässt nicht locker.
"Ähm ja." gebe ich zu. "Aber nur wenn wir uns privat treffen." füge ich rasch hinzu.
"Und das kommt wie häufig vor?" Ihr Grinsen erinnert mich irgendwie an den Grinch. Sie will mich aushorchen. Ahnt wohl das da mehr hinter steckt. 
"Na kaum kommt das vor. Können wir dann jetzt mal das Thema wechseln!" tue ich genervt.
"Okay. Schüleraustausch. Bist du auch so gespannt auf die heißen Franzosen?" Da ist sie wieder, die alte Mary.
"Nö, nicht sonderlich."
"Echt nicht?" Sie sieht mich an als hätte ich den Verstand verloren. 
"Vielleicht ist da ja ein süßer Typ dabei der es schafft dein Herz zu erweichen? Wäre das nichts?"
Nö, das wäre nichts für mich! Aber das binde ich ihr jetzt nicht auf die Nase.

 

Lorelai

 

"Und was hast du heute noch vor?" fragt Ava beim gemeinsamen Frühstück. 
"Ersteinmal mehr Kaffee ordern." antworte ich. Lauter rufe ich "Walt, können wir bitte noch eine zweite Kanne Kaffee bekommen?"
Walt deutet mit dem Daumen nach oben an das er verstanden hat.
"Ich geh heute mal zum Frisör. Hab Lust auf was neues." lache ich.
Ava verleiert die Augen. "Ach ja wirklich? Und danach?"
"Wieso fragst du so? Das machst du doch sonst nicht. Was hast du vor?" will ich wissen.
"Nix. Nur so." Sie rührt gedankenverloren in ihrem Kaffee.
"Homeparty, Freund zu besuch? Ich kann ja bei Max schlafen. Wenn ich dir zu Hause im Weg bin." lache ich und amüsiere mich an ihrem entsetzten Gesichtsausdruck. 
"Nichts von alle dem. Mary und ich wollen einen ruhigen Mädelsabend machen. Filme gucken, quatschen, Mädelskram machen." erklärt Ava.
"Und da störe ich? Ich bin auch ein Mädchen." entrüstet klopfe ich mir auf die Brust. 
"Mum." 
"Schon gut. Ich werde das Feld räumen." stimme ich zu.
"Dankesehr Mutter." grinst sie frech.
Lachend schlage ich ihr gegen die Hand. 

Am späten Nachmittag verlasse ich fröhlich den Salon und laufe fast in Tom hinein. "Hopsala." rufe ich erschrocken.
Er lacht. "Kein Mensch sagt heute noch Hopsala. Du bist echt scharf!"
"Du hast mich erschreckt! Was willst du hier, Tom?" keife ich. 
Lieber gleich auf Distanz gehen bevor ich mich wieder in ein hirnloses Wesen verwandel. 
"Darf man in seiner Heimatstadt nicht mal kurz in der Sonne verweilen?"
"Hier an der Hauswand, mitten in einer Hauptstraße?" skeptisch stehe ich ihm mit verschränkten Armen entgegen. 
"Ich sonne mich wo und wann ich will."
Doch dann scheint ihm seine eigene Geschichte selbst zu blöd zu sein. "Hast du jetzt was vor?"
"Wieso? Hast du nicht vielleicht was vor? Mit Monica eventuell?" will ich schnippisch wissen.
"Nö. Hab Monica den Laufpass gegeben." Er läuft los. 
Und ich dumme Kuh gehe ihm hinterher. Sicher war das sein Bestreben. 
"Du hast mit ihr Schluss gemacht? Wieso? Monica ist eine tolle Frau!" trete ich für meine Lieblingsdesignerin ein. 
"Vielleicht siehst du das so. Liege mal mit ihr im Bett ..." Er schüttelt sich.
Darauf weiß ich nichts zu antworten.
"Außerdem wurde es mal Zeit für was Neues." fährt er fort.
"Aha."
"Ich hab da auch schon wen im Auge."
"A-h-a." Stelle ich mich blöd. Er meint doch nicht etwa - mich.
"Falls du da auf mich anspielst. Da muss ich dich leider enttäuschen. Max und ich sind ..."
"Ich weiß schon. Verlobt. Er gibt pausenlos damit an wie er dort den Antrag gemacht hat." Tom verdreht die Augen. "Also ich fand den ja ziemlich fade. Ich hätte es besser gemacht!" 
"Ach hättest du das ja?" jetzt will ich es wissen. Steckt etwa in dem harten Tom ein verkappter Romantiker? 
"Ja hätte ich. Ich wäre mit dir irgendwo hin gefahren wo es schön ist."
"Zum Beispiel?" frage ich dazwischen.
"Zum London Eye zum Beispiel. Ich hätte eine Kapsel gemietet und dir über dem nächtlichen London auf Knien den Antrag gemacht."
Ich muss schlucken. Das hätte mir auch besser gefallen!
"Oder raus auf’s Land in ein kleines Bed and Breakfast. Leise Musik, ein Bett, rote Rosenblätter, Champagner, ein schöner Diamantring. Du und ich."
Mir wird es zu viel. 
"Ja ja ja, und du meinst das hätte mir besser gefallen?" will ich wissen, halte ihn am Oberarm fest und drehe ihn zu mir um. Herausfordernd schaue ich ihn an. 
"Ja das hätte es. Und weißt du woher ich das weiß?" grinst er.
Ich zucke die Schultern.
"Weil ich dich kenne, Lorelai." Tom sieht mir tief in die Augen.
Unwillkürlich halte ich den Atem an.
"Ich kenne dich schon eine Ewigkeit. Ich weiß genau wie du tickst." flüstert er kaum hörbar. 
Ich verstehe jedoch jedes Wort und jedes Wort jagt mir einen Schauer über den Rücken. 
"Ach ist das so ja?" stöhne ich.
"Jup." Seine vollen Lippen formen diese Buchstaben. Der sinnliche Mund bleibt etwas geöffnet. Ein spöttisches Grinsen umspielt seine Mundwinkel. 
Und ich? Ich kann ihn nur anstarren.
Tom weiß glaube ich, genau wie er auf mich wirkt. Leider!
Um die Szene zu überspielen reiße ich mich zusammen und presse zwischen den Zähnen hindurch "Ja ja ja, du bist der größte Romantiker!" 
Sein Grinsen wird nur noch breiter.
"Ich will ja nur, dass du weißt da ist noch jemand anderes wenn dich der Langweiler mal ankotzt." 
Was denkt der eigentlich wer er ist?
Empört lasse ich ihn stehen und gehe zum Salon und zu meinem Wagen zurück. 
"Hey. Wir wollten doch was trinken gehen?" ruft er mir hinterher. 
"Ach wollten wir das?" rufe ich über die Schulter. "Aber danke der Nachfrage. Nein." 
Schon ist er bei mir. "Ach komm schon, Lorelai. Nur ein Drink."
Ich bleibe hart. 
Bevor ich meinen Jaguar erreiche ist er schneller und stellt sich auf die Fahrerseite. Ich kann nicht die Tür öffnen.
"Geh zur Seite!" fauche ich.
Er bleibt ungerührt stehen. 
"Bitte. Geh zur Seite!"
Nix.
"Ein Drink." Er sieht mir tief in die Augen. Mich anzufassen traut er sich nicht. "Bitte, Lorelai."
Das er mal bitte sagt. Wow!
Sein Blick lässt mich weich werden. "Okay. Ein Drink. Irgendwo hier in der Nähe." stimme ich schließlich zu. 
"Geil!" freut er sich. "Folge mir!"
Damit dreht er sich weg und geht zu seinem Mustang der weiter vorn in der Straße parkt.
Ich steige in mein Auto und warte bis er los gefahren ist. Wie bei einer Verfolgungsjagd fahre ich ihm hinterher. 

Tom führt mich zu einem kleinen Pup in einem Cambridger Vorort. Sicher hat er Angst in Cambrigde Max über den Weg zu laufen. 
Wir setzen uns in der schummrigen Gaststube an eines der Fenster. 
Per Handzeichen bestellt Tom beim Barkeeper zwei Bier. 
Genau darauf hatte ich jetzt Lust. Krass! Er kennt mich wirklich.
"Wie geht’s dir eigentlich sonst so?" beginnt er ein Gespräch. 
"Wie jetzt. Interessiert dich das wirklich?" Ich bin verwundert.
"Natürlich!" 
"Gut. Mir ... uns geht’s gut. Ava ist jetzt 11 Jahrgangsstufe." 
"Ich weiß. Sie ist toll." 
"Oh ja. Sie ist die Beste!" schwärme ich. 
Er nickt zustimmend.
"Wie läuft der Laden?"
"Gut. Er läuft gut."
"Schön! Freut mich! Und deiner Mum? Geht’s der auch gut?"
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das er nervös ist und mir deshalb all die seltsamen Fragen stellt. 
"Sie hat sich gut raus gemacht. Nach dem Tief wegen Dads Tod. Gibt Partys und so."
"Ich verstehe. Cool!"
Der Wirt bringt das Bier. Wir beide gleichzeitig greifen zum Glas und nehmen einen Schluck. 
Nach kurzen Schweigen fragt er doch noch "Und du bist dir wirklich sicher mit Cooper?" 
"Tom." Ich schenke ihm ein Lächeln.
"Wir kennen uns doch schon so lang. Wieso hast du mich nie gefragt?" Leiser füge ich hinzu "Wenn du mich magst."
"Dich mögen?" Er schnaubt. "Ich bin verknallt in dich, Lorelai. Schon ewig."
"Vielleicht wäre es gut gewesen mir das auch mal zu zeigen!"
"Jup. Tja, nun ist es zu spät." Er spielt mit einem seiner vielen Armbänder. 
"Jup. Nun ist es zu spät." stimme ich zu.
"Schade!" füge ich in Gedanken hinzu.

 

Ava

 

Der Sommer zeigte sich noch einmal von seiner besten Seite und jeder versuchte auf seine Art mit der Hitze fertig zu werden.
Die bevorzugte Frisur der Mädchen war nun der Dutt der genug Frischluft auf den Nacken zuließ. Wir Mädels sehen aus wie eine Kompanie Ballerinen. An der Kleidung konnte man leider nicht viel ändern. Es herrscht schließlich Uniformpflicht. Doch im sitzen wanderte der eine oder andere Rock deutlich nach oben. Sicher zur Freude des Jungen der in diesem Fall neben einem Mädchen die Schulbank drückt.

Alle ließen nun ihre Krawatten weg. Schulordnung hin, Schulordnung her. Die Lehrer ließen es geschehen, denn auch bei ihnen ging es dieser Tage etwas legerer zu. Die weiblichen Lehrkräfte trugen nun fast ausschließlich luftige Kleider und die Herren lockerten ihre Krawatten oder ließen sie ganz weg.
Erfreut stellte ich am Freitag fest, dass Tristan sogar noch einen Schritt weiter ging.
Wir warteten vor dem Physiksaal auf unseren Lehrer und damit die Öffnung des Raumes. Obwohl es in den dunklen Fluren mit ihren dicken Wänden kühler war als in den Räumen mit ihren hohen Fenstern wurde der Unterricht natürlich trotzdem dort gegeben.
Tristan kam kurz vor Unterrichtsbeginn. Er hetzte an uns vorbei. Dabei streifte sein Arm den meinen. Wie ein Blitz durchzuckte es mich. Sein Blick traf meinen. Ich sog den Duft seines Aftershaves ein. Er riecht so wahnsinnig gut! War mir das schon einmal aufgefallen? Ich weiß es nicht.
"Hallo " ruft er in die Runde, doch mir kam es vor als würde er mich persönlich begrüßen. "Dann wollen wir mal."

Nachdem ich neben Mary Platz genommen und meine Materialien ausgepackt hatte, nam ich mir Zeit um Tristan zu beobachten.
Auch er hatte auf Krawatte verzichtet, er ging sogar so weit die letzten Knöpfe seines Hemdes offen zu lassen. Dadurch hatte man freie Sicht auf seinen muskulösen Brustansatz. Wie magisch angezogen starre ich ihn an. Meine Phantasie verselbstständigt sich und ich träume wie ich vor ihm auf dem Pult sitzend, ihn zwischen meinen gespreizten Schenkeln und ihm langsam Knopf für Knopf seines Hendes entledige. Wie sein Mund forschend meinen Hals hinab gleitet. Seine Hände sich verselbstständigen ...
"Ava ... Ava ..." Ich werde unsanft in die Seite gekniffen.
Kopfschüttelnd erwache ich aus meinem Tagtraum. Vor mir steht Tristan und sieht mich herausfordernd an. Es ist still in der Klasse, nur gelegentliches Gekicher ist zu hören.
"Nun, Ava. Willst du uns an deinen Gedanken teilhaben lassen?" fragt er mich unverwandt in die Augen blickend.
Lieber nicht!
"Also deine Klassenkameraden schreiben gerade einen Test. Wenn du deine Überlegungen eventuell auch auf Papier bringen könntest! Ich lese sie mir durch - versprochen." meint er noch ehe er sich umdreht. Ich starre ihn wortlos hinterher.
Vorn an der Tafel angekommen sieht er noch einmal zu mir hoch und zwinkert mir zu. Oder habe ich das mir nur eingebildet?
"Los jetzt!" zischt Mary neben mir nachdem ich weitere Sekunden verstreichen lasse.
Was ist nur los mit mir? Ich hatte meinem Herz doch befohlen Tristan zu vergessen und sich stattdessen an Eddie zu hängen.

Den Physiktest durchstehe ich mit Hängen und Würgen. Nach Unterrichtsschluss, meine Klassenkameraden haben größtenteils alle bereits den Raum verlassen ruft Tristan "Miss MacAdams, auf ein Wort!"
Ich erstarre. Miss MacAdams. Warum so förmlich? Stumm nicke ich, packe meinen Hefter und die Stifte in den Rucksack und steige mit diesen in der Hand die Stufen hinunter. Tristan wischt in Seelenruhe noch die Tafel ab und wäscht sich anschließend die Hände.
Kaum sind die letzten Schüler verschwunden, geht er zur Tür um sie zu schließen.
"Ava." sagt er mit dem Gesicht zu der schweren Eichentür.
"Ähm ... ja."
"Ava, ich ... ich ..." stammelt er.
Dann dreht er sich mit einem Ruck um. Mit wenigen Schritten ist er bei mir, nimmt mich in den Arm dreht mich zur Tafel und drückt mich mit dem Rücken dagegen. Mir entgleitet vor Schreck der Rucksack. Sein Blick ist wild als er mir tief in die Augen sieht. Ich schlucke. Gleich passiert etwas. Ich freue mich darauf, doch es macht mir auch Angst.
Tristan beißt sich auf die Lippen. Er kämpft mit sich. Ich will das es geschieht und setze einen herausfordernden Blick auf. Sein Atem geht stoßweise.
Ich lächel ihn an. "Trau dich!" spornt mich mein Unterbewusstsein an. "Jetzt oder nie."
Als wäre es ein Automatismus greifen meine Hände nach ihm. Ziehen ihn an Hüfte und Nacken näher zu mir heran. Meine Lider schließen sich, den Kopf leicht geneigt.
Seiner Kehle entfährt ein Knurren. Und dann geschieht es. Seine Lippen berühren die meinigen. Es fühlt sich an als würden Millionen Schmetterlinge in meinem Magen flattern, die Lippen Stromstöße austauschen, das Herz rast. Er küsst zuerst vorsichtig. Doch ich greife in sein Haar ziehe ihn noch näher an mich. Halte ihn, halte mich fest.
Sein Kuss verstärkt sich. Die Zunge dringt in meinen Mund ein.
Mein erster Kuss - mein erster Zungenkuss.
Wir küssen uns eine gefühlte Ewigkeit. Alle Angst man könnte uns erwischen ist wie weg geblasen. Alles ist egal.
Dann zieht er sich etwas zurück, hält mich aber immer noch in seinen starken Armen. Er sieht mir tief in die Augen. "Oh man. Ich hätte nie gedacht ..."
Ich schüttel den Kopf. "Ich auch nicht."
"Wir sollten das nicht tun. Ich könnte ... Wenn das raus kommt ... Aber ich konnte nicht länger. Du bist ... so wunderschön! Deine Augen ... dieser Blick ..." stammelt er.
Er ist so süß wie er da vor mir steht und mir seine Gefühle gesteht!
Ich weiß nicht was ich antworten soll.
Er scheint genug gesagt zu haben, hebt mich mit einem mal hoch und trägt mich zu seinem Tisch. Nicht zum ersten mal kommt mir der Gedanke ob er Gedanken lesen kann.
Ich sitze vor ihm, die Beine gespreizt und er dazwischen. Und wie in meinem Tagtraum vorhin küsst er meinen Hals. Sanft knabbert er an meinem Ohrläppchen. Ich weiß nicht wohin mit meinen Händen. Doch dann weiß mein Hirn wohl was zu tun ist. Meine Hände betasten seinen Oberkörper, fühlen die Muskeln darunter. Langsam, Knopf für Knopf öffne ich sein Hemd, ziehe es ihm über die Schultern bis er mit nacktem Oberkörper vor mir steht. Ich beiße mir auf die Lippen und ziehe die Luft ein. Er ist so schön!
Er beobachtet mich. "Oh man. Tu das nicht, Ava!" droht er dunkel.
"Was?" frage ich verwirrt und bemerke, dass das das erste ist was ich seit einigen Minuten gesagt habe.
"Das mit deinem Mund. Es macht mich wahnsinnig. Weist du, das du, dass auch während des Unterrichts ständig machst? Wie soll man sich da noch auf den Stoff konzentrieren? Du bist wahnsinnig sexy! Und das weißt du auch!"
"Ich tu doch gar nichts." sage ich und wiederhole das mit den Lippen gleich nochmal. Nur um zu sehen was es bei ihm auslöst.
Gleich sind seine Lippen wieder auf meinen. Sein Kuss wird immer leidenschaftlicher. Er scheint sich vollkommen zu verlieren. Seine eine Hand streichelt meinen inneren Oberschenkel hinauf. Bis ich sie instinktiv festhalte.
Er hält inne und sieht mich an. "Was?"
"Tristan. Echt jetzt? Hier?" frage ich leise.
Er scheint zu sich zu kommen. "Du hast recht. Zu schnell. Und vor allem nicht hier." Er weicht zurück und sieht mich an.
Überlegt er ob er überhaupt weiter gehen sollte? Ob ich dieses Risiko überhaupt wert bin?
Scheinbar schon. Sofort ist er wieder bei mir, küsst mich und raunt mir dazwischen zu. "Ich ... will dich! ... Lass uns ... bei mir ... heute ... Abend ... treffen."
Dann wendet er sich erneut ab, hebt sein Hemd vom Boden auf und beginnt es sich wieder an zuziehen. Belustigt sehe ich ihm dabei zu. Seine Frisur ist gänzlich ruiniert. Seine Lippen etwas voller als sonst. Schweiß lässt seinen Oberkörper glänzen. Ich kann meinen Blick nicht von ihn abwenden.
Als er angezogen ist versucht er mit den Händen sein Haar zu ordnen was ihm nur mäßig gelingt. Ich grinse.
"Komm!" sagt er leise und hält mir seine Hand hin als er mit allem fertig ist. Ich rutsche vom Tisch und ergreife sie.
Hand in Hand verlassen wir gemeinsam den Raum. Die Tür war zum Glück abgeschlossen. Er schließt wieder ab und wir gehen Richtung Eingangsportal. Mit einem mal fällt uns auf, dass wir noch immer unsere Hände halten. Hastig lassen wir los, sehen uns an und müssen lachen. Keine Sekunde zu früh. Da biegen Claire, Julia und Amy um die Ecke. Zu dritt wie immer.
"Also ich hoffe, Sie konzentrieren sich in Zukunft mehr im Unterricht und haben aus Ihrer Strafe heute gelernt!" sagt er etwas zu laut in gespielt strengem Ton.
Ich nicke demütig. "Ja, Mister Redmayne. Es tut mir leid!"
Claire wirft mir einen abschätzend hochmütigen Blick zu. Amy und Julia tuscheln miteinander. Kaum sind sie ein paar Meter weiter kichern sie los.
Tristan und ich müssen ebenfalls lachen über unser gelungenes Schauspiel.
Gemeinsam aber nicht mehr Hand in Hand verlassen wir das Schulgebäude.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwas lässt mich an seiner Seite bleiben und er lässt es geschehen. Ich begleite ihm zum Parkplatz wo sein schwarzer Mercedes steht.
"Steig ein!" sagt er nur und ich gehorche.
"Ich fahre dich nach Hause." Er startet den Wagen. Ich schnalle mich an und nicke.
"Außerdem haben wir dann Zeit zum reden." fügt er hinzu.
Nach einiger Zeit die wir beide zum Nachdenken nutzen bricht er das Schweigen. "Es muss uns beiden klar sein, dass es illegal ist. Wenn wir erwischt werden bekommen wir großen Ärger. Aber ... ."
"Aber wo die Liebe hinfällt." beende ich mit Blick aus dem Fenster leise seinen Satz.
Ich weis das er mich ansieht, spüre seinen Blick auf mir.
"Du bist verliebt, Ava. Von Liebe können wir aber nicht sprechen."
Ein Stich in mein Herz.
"Aber es geht mir genauso. Ich liebe deine Art, deinen Humor, deine Augen, die Haare. Alles zusammen."
Ich wende den Kopf und sehe ihn an.
Den Blick abwechselnd auf Straße und mich gerichtet erzählt er weiter. "Dein Anblick lässt mich Gedanken denken, die ich nicht denken darf. Ich will dich fühlen, schmecken, bei dir sein! Ich glaube hätte ich dem heute nicht nachgegeben wäre ich verrückt geworden."
Diese Erkenntnis von ihm lässt mich grinsen.
"Ehrlich wahr. Ich bin in dich verknallt, Ava. So wie als wäre ich ein Teenager." lacht er.
Ich stimme in sein Lachen mit ein. "Ich auch. Seit der ersten Minute finde ich mich ebenfalls prima!"
Er braucht eine Sekunde um den Scherz zu begreifen.
"Hey, ich schütte dir hier kein Herz aus und du machst dich über mich lustig."
Er tut beleidigt.
Ich lege ihm meine rechte Hand auf den Oberschenkel. Er zuckt kurz zusammen. "Ich war auch vom ersten Moment an von dir fasziniert. Ehrlich! Der Gedanke an dich hat mich nicht nur eine Nacht wach im Bett liegen lassen." erkläre ich ernst. "Du bist der erste Jung ... Mann bei dem ich so empfinde." gestehe ich.
"Du hattest noch nie ... du warst noch nicht ..." stammelt er.
Ich schüttle vor Scham stumm den Kopf.
"Hey, dass muss dir nicht peinlich sein! Aber es dramatisiert die Sache."
"Wieso?"
"Weil eine Frau ihren ersten Freund niemals vergisst. Sie wird immer an ihn erinnert werden. Jedes mal wenn sie ... . Ich weiß nicht ob ich derjenige sein sollte." grübelt er und schaut stirnrunzelnd auf die Fahrbahn.
Ich sehe ihn schon entschwinden. Ihn - uns.
"Ich ... ich bin nicht so." stammle ich. "Außerdem, wer sagt denn das ich nicht mein Leben lang an dich erinnert werden möchte? Vielleicht ist es das ja was ich will!" Mein Blick verschleiert. "Wer sagt denn das ich jemals einen anderen Mann haben möchte." füge ich in Gedanken hinzu.
Tristan sieht mich an. "Es wird andere geben. Glaub mir."
Schon wieder hat er meine Gedanken gelesen.
In Little Surrey angekommen habe ich meinen Entschluss gefasst. Ich will ihn nicht vergessen. Niemals. Ich will Nägel mit Köpfen machen. Jetzt und hier. Und außerdem hat Mum heute Spätschicht.

 

Lorelai

 

Schon beim aufwachen heute morgen habe ich es bemerkt. Dieses Ziehen im Mund. Gekonnt habe ich es ignoriert während ich mit Ava bei Walt gefrühstückt, anschließend zu Hause etwas aufgeräumt und schließlich im Salon verkrampftes Fleisch wieder weich massiert habe. Doch mein verkniffener Gesichtsausdruck und die schlechte Laune die ich sonst nie an den Tag lege haben Lucy irgendwann gereicht. "Gibst du jetzt mal endlich zu, dass du Zahnschmerzen hast!" ruft sie streng.
"Und wenn schon. Die Arbeit nimmt darauf keine Rücksicht. Sie muss erledigt werden." Ich schaue in das aufgeschlagene Auftragsbuch auf dem Empfangstresen. "Ich habe heute noch ein Makeup und zwei Kopfmassagen." lese ich ab.
"Ja aber weißt du was du heute außerdem noch hast? Zahnschmerzen." kneift sie. "Geh zum Arzt! Ich mach das schon und deine Massagetermine vertröste ich auf morgen oder besser gleich noch auf übermorgen."
"Bist du sicher?"
"Süße, wir führen diesen Laden jetzt seit über sieben Jahren zusammen und du bist wie oft krank gewesen? Ein mal? Die Kunden sind treu, sie mögen uns. Die verstehen das. Gesundheit geht vor." reklamiert sie und wedelt dabei mit ihrer Schere herum.
"Auf jeden Fall!" stimmt nun auch die kleine Miss Spencer zu der Lucy gerade die grauen Locken richtet.
"Na gut, wenn ihr meint. Aua!" stöhne ich und halte mir die Wange.
"Siehst du. Das ist das Carma." lacht Lucy.
"Carma ist ne Bitch." denke ich bei mir.
Ich schnappe mir meine unter dem Tresen liegende Handtasche und verabschiede mich von meiner besten Freundin, Schrägstrich Teilhaberin, Schrägstrich Zweit-Mutter-Lucy. "Tschüß Miss Spencer." ich streichel ihre Schulter zum Abschied.
"Tschüß, tschüs." kichert diese.

Ich fahre zu unserem Familienzahnarzt in Cambrigde.
Der Sprechstundenhilfe am Empfang scheine ich so leid zu tun, dass sie mich vorzieht. Ich darf direkt vor dem Behandlungszimmer Platz nehmen.
Kurz darauf öffnet sich die Tür und Doktor Welsh erscheint. Er verabschiedet eine fröhlich lächelnde junge Frau. Wenn ich auch gleich so fröhlich aussehe darf er gern bei mir wiederholen was er bei der da getan hat!
Er begrüßt mich per Handschlag und führt mich wie ein Opferlamm zum Behandlungsstuhl. "Na was fehlt Ihnen denn, Lorelai?"
"Was wohl? Zahnschmerzen." gifte ich ihn an.
Er zieht die Augenbraue nach oben grinst aber belustigt weiter.
"Entschuldigung! Zahnschmerzen habe ich natürlich." erkläre ich nun beherrschter.
"Na dann wollen wir mal sehen." Er tritt auf das Pedal am Boden und der Stuhl senkt sich. "Seit wann sind die Schmerzen da?"
"Seit heute morgen."
Er nickt, setzt sich den Mundschutz auf und greift nach dem ersten Instrument.

Eine gefühlte Ewigkeit später verlasse ich, nicht ganz so fröhlich lächelnd aber dennoch dankbar das Behandlungszimmer.
"Und denken Sie dran, Lorelai wenigstens drei Tage ausruhen. Mit Weisheitszähnen ist nicht zu spaßen." mahnt der Doktor zum Abschied. "Der nächste bitte!" ruft er laut.
Ich lasse mir am Tresen noch ein Rezept für ein Schmerzmittel ausstellen und verlasse dann Doktor Welshs Praxis.
Noch schnell in die Apotheke und dann nichts wie nach Hause. Da wartet schon meine Couch auf mich.

 

Ava

 

Demonstrativ bleibe ich im Auto sitzen.
"Meine Mum hat heute Spätschicht im Salon." werfe ich ihm den Brocken hin.
"Ach wirklich?"
"Jup." sage ich und schaue schweigend aus dem Fenster. Ich sammle den letzten Rest Mut und frage. "Möchtest du noch mit rein kommen? Etwas trinken vielleicht?"
Er muss scheinbar kurz darüber nachdenken. Schließlich nickt er.
Mein Herz macht einen gewaltigen Satz. Ich hab das Gefühl gleich aus einander zu brechen. Aufgeregt beschleunigt sich meine Atmung.
"Stundenlang im Auto herum zu sitzen würde sicher nur Aufmerksamkeit auf uns lenken." vermutet er pragmatisch.
"Ach, darüber würde ich mir keine Gedanken machen. Wie du siehst steht in unmittelbarer Nähe nur das eine Haus hier." Ich deute mit dem Daumen über meine Schulter. "Da wohnt nur Mrs. McKinnley. Sie ist steinalt und taub wie ein Maulwurf."
"Na hoffentlich ist sie auch blind wie ein Maulwurf! Sie schaut nämlich gerade zu uns rüber." grinst er.
Endlich ist er wieder fröhlich!
Ich drehe mich um um in die Richtung zu sehen in die er blickt. Tatsächlich, Mrs. McKinnley steht hinter ihrem Wohnzimmerfenster und starrt das fremde Auto an.
Mein Stichwort.
"Komm!" Ich greife mir meinen Rucksack und die Tüte und steige aus. An dem Geräusch der zuschlagenden Autotür höre ich das er mir folgt.
Ich sehe zum Nachbarhaus hinüber und winke Mrs. McKinnley freundlich zu. Die Gardine wird mit einem Ruck zugezogen.
Lachend krame ich den Haustürschlüssel aus dem Rucksack und öffne die Tür.
Tristan folgt mir ins Haus. "Mach es dir im Wohnzimmer bequem!" Ich deute auf den Raum gleich rechts. "Ich geh uns kurz was zu trinken holen."
"Ist gut." meint er und biegt ab.
Ich stürme in die Küche. Werfe Rucksack und Tüte auf einen Stuhl und renne zum Kühlschrank. Bier, Limo oder Selters. Was verdammt bietet man seinem Gast, Freund, Lehrer bloß zu trinken an?
Er muss noch fahren, also kein Bier.
Da schließt mir der Gedanke ihn abzufüllen und so zu zwingen bei mir zu übernachten durch den Kopf. Aber was würde Mom morgen früh sagen? Oder kommt sie heute gar nicht nach Hause? Hat sie was diesbezüglich erwähnt. Mist! Ich erinnere mich nicht.
Ich greife doch lieber zur Limo und hole zwei Gläser aus dem altmodischen Buffetschrank.
Damit bewaffnet kehre ich ins Wohnzimmer zurück. "Limo. Ich hoffe es ist okay!" rufe ich verunsichert.
"Klar ist es das." lacht er und steht vom Sofa auf als ich näher komme.
Was für ein Gentleman!
Etwas zu eifrig schenke ich die Gläser voll und werfe mit dem Handrücken seines gleich wieder um. Mit einem Klirren kippt es auf dem Glastisch um und ergießt sich fast auf seiner Hose. Mal wieder.
"Scheiße! Nicht schon wieder. Sorry!" stammle ich.
"Ich weiß ja das du mir an die Wäsche willst, aber das du dafür mir immerzu Getränke über die Kleidung gießt ist schon etwas auffällig." sagt er und grinst mich frech an.
Ich stehe da und werde rot.
"Komm her!" raunt er und zieht mich zu sich. "Deine Mum kommt wirklich erst spät? Nicht das sie mit einem mal hinter mir steht und mich erdolcht weil ich ihre Tochter verführe."
Ich stimme in sein Lachen mit ein. "Nein. Sie arbeitet bis 22 Uhr. Danach noch aufräumen ..."
Sein Gesicht nährt sich meinem.
"Und ... und die F-fahrt. Oder sie bleibt gleich bei ... bei Max." stammle ich im Flüsterton bis es nicht mehr weiter geht.
Seine weichen Lippen liegen auf meinen. Seine Hände umfassen meine Taile und ziehen mich fest an ihn heran.
Deutlich kann ich seine Erregung spüren.
Meine Beine werden weich und ich bin ihm echt dankbar das er mich so festhält. Ich wäre sonst zerlaufen. Zumindest habe ich das Gefühl in seiner Nähe vollkommen die Beherrschung zu verlieren.
"Hast du auch ein Zimmer?" stößt er zwischen den Küssen hervor.
Ich nicke. Mehr bringe ich nicht zu Stande.
"Ich folge dir." meint er grinsend als ich mich immer noch nicht bewege.
Ich gehe los und mit einem mal spüre ich seine Hand in meiner. Er hält sie fest während wir die Treppe hinauf steigen. In meinem Zimmer stelle ich mich mitten in den Raum. "Ja also. Das ... das ist m-mein Z-zimmer."
"Komm her!" er nimmt mich wieder in die Arme. "Beruhige dich! Wenn es dir zu schnell geht. Wenn ich aufhören soll, sag es mir bitte!" Tristan sieht mir tief in die Augen.
Oh man, mein Herz zerspringt gleich.
Ich schüttle stumm den Kopf. Dann mache ich einen großen Schritt zu meinem Bücherregal wo sich auch ein Radio befindet. Mit zitternden Fingern stecke ich meinen Speicherstick in den Schlitz und starte die Musik.
Irgendwas. Hauptsache es ist nicht so still im Zimmer.
Hoffentlich wird es nicht zu peinlich!
Es ist der Stick mit meiner Lieblingsmusik. Ein bunter Mix aus altem und neuem.
Lieder die ich in meinem Liebeskummer der letzten Tage rauf und runter gehört habe.
Die ersten Töne von Unchained Melodie erklingen. Ausgerechnet. Was denkt er jetzt von mir?
Doch Tristan grinst nur, kommt zu mir und nimmt meine Hände in seine. Langsam führt er mich zu meinem Bett.
Sofort stolpert mein Herz wieder.
Vorsichtig setzen wir uns und sehen uns an.
Ohje. Ich verliere den Verstand.
Die Rightous Brothers singen unerbittlich weiter während Tristan mir sanft eine Strähne hinter das Ohr streicht. Dann hält er meinen Kopf fest und zieht mich sanft zu sich. Wieder küsst er mich intensiv und lang.
Ich merke wie sich zwischen meinen Beinen Feuchtigkeit sammelt. Auch kann ich sehen das sich seine Erregung steigert.
Wie in Zeitlupe drückt er mich rücklings auf das Bett und legt sich über mich. Seine Küsse wandern von meinem Mund, am Hals Abwärts bis zum Schlüsselbein. Abwartend halte ich die Luft an was jetzt passiert. Mit der einen Hand stützt er sich neben mir auf dem Bett ab die andere fliegt mit federnden Bewegungen über meinen Körper. Noch nie wurde ich so berührt. Keuchend hole ich Luft.
"Du bist so süß!" raunt er und bedeckt mich erneut mit Küssen.
Ich will nun auch endlich etwas tun. Das muss ich doch schließlich oder? Meine Hände streicheln seine nackten Unterarme, fahren unter den Ärmel seines Hemdes. Sein Bizeps ist angespannt und hart.
Ich will mehr von ihm spüren! Werde mutiger.

Während er sich meinen Ohrläppchen und meinem Hals widmet wandern meine Hände unterdessen zum Saum seines Hemdes und ziehen es aus der Hose. Mit zitternden Fingern versuche ich Knopf für Knopf zu öffnen. Es misslingt mit kläglich. Er hilft, in dem er sich aufsetzt und sich das Hemd selbst öffnet. Anschließend beugt er sich wieder zu mir hinunter so das ich nur seinen nackten Oberkörper streicheln kann. Meine Fingerspitzen fahren ehrfürchtig die Konturen seines Schlüsselbeines, seiner definierten Brust bis zu seinem Bauchnabel nach. Bei dem feinen Haarstrich über seiner Hose halte ich den Atem an. Etwas weiter tiefer und ich berühre seine Männlichkeit. Ich merke an seiner Atmung das auch er immer erregter wird. Ich wage es und streiche vorsichtig über den ausgebeulten Stoff seiner Hose. Ich spühre ihn hart und voll unter meiner Hand. Tristan stöhnt auf.
Was soll ich jetzt tun? Soll ich ihm einfach die Hose öffnen?
Er nimmt mir die Entscheidung ab und steht auf.
Erschrocken sehe ich zu ihm auf. Doch er zieht sich nur die Hose aus. Ein nasser Fleck auf der Boxershorts beweist außerdem das er sehr erregt ist.
Ich finde nun bin ich an der Reihe. Ich setze mich auf und ziehe mir den roten Pullunder und die dunkelblaue Bluse aus. Ich drehe mich auf die Knie und schiebe mir den Rock über den Po.
Tristan zieht scharf die Luft ein als ich fast nackt vor ihm auf dem Bett sitze.
"Du ... du bist die schönste Frau die es gibt!" stößt er gepresst hervor. "Dir ist klar, wenn wir weiter machen brechen wir viele Regeln! Wir müssen sehr vorsichtig sein!"
Ich nicke unschuldig.
Das scheint ihm den Rest zu geben. "Ach scheiß drauf. Komm her!" Mit einem Satz ist er wieder auf mir.
Sein Penis drückt sich hart und warm gegen meine Oberschenkel während seine Zunge jeden Zentimeter meines Körpers erforscht. In meinem Bauch scheinen die Schmetterlinge zu explodieren. Sei es aus erregter Freude über das was hier gerade geschieht oder darüber das ich endlich am Ziel bin. Tristan und ich.
Er legt sich neben mich, sieht mich an. Seine Hand fährt die Silhouette meines Körpers nach. Als seine Finger dabei meine Brüste berühren bäume ich mich auf.

Ich will ihn endlich spüren!
Mit gekonnten Griff öffnet er hinter meinem Rücken den Verschluss meines weißen BHs. Anschließend schiebt er ihn sanft an meinem Arm herunter. Meine dunklen Brustwarzen stellen sich ihm erregt entgegen. Sein Blick wandert gierig über diesen Anblick, er leckt sich die Lippen. Dann nimmt er eine der Brüste unter seinen Mund. Seine Zungenspitze umkreist die Warze. Immer und immer wieder. Er nimmt sie in den Mund. Wie elektrisiert fährt ein Ruck durch meinen Körper. Hilfesuchend krallte ich mich an ihm fest. Er saugt an der Brust und steigert dieses Gefühl noch weiter.
Ich habe jetzt schon das Gefühl verrückt zu werden.
Tristan dreht sich wieder auf mich widmet sich nun auch meiner zweiten Brust. Meine Fingernägel kratzen auf seinem Rücken, bohren sich vor Lust in sein Fleisch.
Dann lässt sein Mund meine Brüste hinter sich und wandert tiefer. Immer tiefer über meinen Bauch der sich unter der heftigen Atmung stark hebt und senkt. Bis hin zum Saum meines Höschens.
"Willst du das wirklich?" knurrt er eine letzte Warnung. Ohne jedoch eine Antwort abzuwarten fährt einer seiner Finger unter den Saum und verschwindet in meinem Höschen.
Seine Hand legt sich groß und schwer auf meine bebende Mitte. Seine Finger trommeln leicht auf den feuchten Spalt.
"Oh man. Du bist schon so feucht." keucht er und beißt mir sanft in den Hals. "Ich ... ich kann mich kaum beherrschen."
"Dann tu es nicht." stoße ich vor Lust gequält hervor. "Ich will dich spüren!" stöhne ich.
Da reißt er mir das Höschen mit einem solchen Ruck herunter das ich vor Schreck zusammen zucke. Mit wölfischem Blick besieht er sich kurz meinen erregt windenden Körper. Mein Jugendlicher Körper. Bereit von ihm eingenommen, erobert zu werden.
Kurz scheint er nach zu denken ob er es wirklich tun sollte, dann aber sieht die Erregung und die Gier. Er steht auf, nimmt seine Hose und kramt etwas daraus hervor. Ein Kondomtütchen. Er zieht sich seine Unterhose runter. Sein Penis schnellt nun befreit nach vorn. Der ist ja riesig! Und das soll passen? Ein klein wenig Angst keimt in mir auf. An seiner Spitze glänzt es feucht. Sein Körper, schlank, die Muskeln durch regelmäßigen Sport definiert, glänzt leicht vor Schweiß. Sein Haar das sonst gut frisiert ist steht nun verstrubbelt in alle Richtungen ab.
Ich starre ihn mit großen Augen an. Ich bin verliebt denke ich. Vollkommen verliebt!
Hoffentlich sieht er in mir nicht nur das unerfahrene junge Ding!
Mit geschickten Fingern streift er sich das Kondom über und legt sich wieder auf mich. "Bereit?" fragt er leise und sieht mir dabei tief in die Augen.
Ich nicke. "Bereit."
Vorsichtig legt sich sein Penis auf meine Mitte. Er hilft etwas mit der Hand nach. Die Spitze rutscht sanft von meiner Feuchtigkeit unterstützt ein wenig in mich hinein. Er bewegt die Hüfte und erobert mich immer mehr und mehr. Stöhnend Halt suchend kralle ich eine Hand in sein Haar, mit der anderen in seinen Oberarm. Ein stechender Schmerz durchfährt meinen Körper. Ich schreie auf.
"Oh ja ... oh Ava." keucht er. Schnell erstickt er mein Wimmern mit einem innigen Kuss.
Nun ist er vollkommen in mir und ich bin keine Jungfrau mehr.
Mit langsamen stoßenden Bewegungen peitscht er mich zu dem ersten Höhepunkt meines Lebens. Jedenfalls denke ich das. Wie eine Welle durchfährt ein Gefühl meinen Körper das ich so noch nie gespürt habe. Es ist warm und kribbelt. Sammelt sich um seinen Penis in meiner Mitte. Feuchtigkeit läuft aus mir heraus.
"Oh Ava. Du bist so wunderschön!" keucht er auf mir. "So eng. Du ... du bist so geil." Er zittert als er sich in das Kondom ergießt.
Tristan rollt sich von mir. In einer Bewegung entfernt er das Kondom und reicht mir von irgendwoher ein Taschentuch. Ich nehme es dankbar an. Als ich an mir runter sehe, erschrecke ich im ersten Moment. Da ist Blut. Nicht viel. Aber Blut eben.
"Geh kurz ins Bad. Ich laufe nicht weg." grinst er.
Ich befolge diesen Rat und renne nackt ins Badezimmer. Dort wasche ich mich kurz am Waschbecken. Duschen würde zu lange dauern. Ich möchte keine Minute von seiner Zeit mit mir verpassen.
Anschließend flitze ich zurück in mein Zimmer wo Tristan in Unterhose vor meinem Bücherregal steht und die Buchrücken studiert.
Ich umarme ihn von hinten und küsse sein Schulterblatt.
Da hören wir mit einem mal die Stimme meiner Mutter irgendwo im Haus. "Ava Schatz. Ich bin da."
Geschockt sehen wir uns an.
"Hast du Besuch?" ruft Mum.
"Ähm. Ja." rufe ich in hysterisch zurück.
"Darf ich hoch kommen?"
Oh mein Gott! Bloß nicht!
"Oder seid ihr beschäftigt?" Ich höre ihr Lachen.
"Ähm. Es passt gerade nicht so." rufe ich.
Tristan vielleicht ja schon an solche Situationen gewöhnt hat inzwischen seine Kleidung wieder an und versucht seine Frisur mit den Händen zu ordnen.
"Okay. Ich bin im Garten. Hau mich ein wenig hin." ruft sie. Dann herrscht Stille.
Wir sehen uns an. Ertappt wie zwei Kinder beim Zündeln und lachen los. "Das war knapp. Stell dir vor sie wäre einfach so hier rein geplatzt." keuche ich.
"Das will ich nur lieber nicht vorstellen." meint er dunkel. Er setzt sich auf die Bettkante und zieht mich auf seinen Schoß. "Aber wir wussten ja auf was wir uns eingelassen haben. Ist dir das klar, Ava?" Tristan sieht mich eindringlich an. "Wir müssen verflucht doll aufpassen."
Ich nicke feierlich. "Ja, ich weiß. Von mir erfährt niemand etwas." Fast hätte ich die Hand auf mein Herz gelegt, kann mich aber gerade noch beherrschen.
"Bereust du es?" will ich nach einigen Augenblicken wissen.
Nun schüttelt er den Kopf. "Nö." grinst er. "Du bist so was von süß. So intelligent. So hübsch. So besonders. Einfach eine Traumfrau! Und ..." Er küsst mich erneut. "Du gehörst zu mir!"
Ich gehöre zu ihm? Auf ewig wenn er möchte!
Ich weiß nicht wie lange wir hier sitzen, uns küssen und streicheln.
Doch mit einem mal.
"Mist!" entfährt es ihm.
"Was ist los?"
"Mein Wagen?"
Scheiße! Stimmt ja. Wen denkt Mum habe ich hier zu Besuch? Er muss ja wenigstens schon 18 sein. Und dann so ein teures Modell. Welcher Teenie kann sich so ein Auto leisten?
Hektisch schiebt er mich von seinem Schoß und springt auf. Wie ein Tiger im Käfig geht er auf und ab in meinem Zimmer und macht mich ganz wahnsinnig damit.
"Hör auf damit!" rufe ich. "Ich könnte behaupten das du gerade 18 geworden bist und das Auto ein Geschenk deiner Eltern war. Klar ihr müsstet dementsprechend wohlhabend sein." Ich gestikuliere mit den Händen in der Luft herum.
"Hm. Okay." meint er schließlich. "Könnte funktionieren. Und was ist wenn erwartet wird, dass der wohlhabende Junge Mann sich der Mutter seiner Liebsten vorstellt?"
Darauf weiß ich in meinem Zustand auch keine Antwort.
"Nächstes mal treffen wir uns bei mir." brummt er.
"Es tut mir leid! Ich weiß auch nicht warum sie schon da ist. Da muss was dazwischen gekommen sein." erkläre ich verzweifelt. Tränen steigen in mir hoch. Er zieht mich in eine Umarmung und streichelt mir beruhigend über das Haar. "Scht. Alles gut."
Ich beruhige mich sofort.
"Aber es ist besser ich gehe jetzt."
Ich nicke.
Vor der Zimmertür halte ich ihn auf. "Ich gehe runter und schau nach ob die Luft frei ist."
"Ist gut."
Ich schleiche aus dem Raum die Treppe hinunter und spähe in die Küche. Nichts. Wohnzimmer. Ebenfalls nichts.
Durch die Terrassentür sehe ich Mum im Garten auf der Couch liegen. Sie scheint zu schlafen.
Ich flitze nach oben und hole Tristan.
Bevor wir gemeinsam hinunter gehen hält er mich auf und sagt sanft. "Das war wirklich schön, Ava! Ich habe jede Sekunde genossen!"
Oh je. Er will mir sagen, dass er dieses Risiko nicht weiter eingehen möchte. Es war schön mit dir, Schätzchen. Aber das war es dann auch.
Ich muss schlucken. Ein flaues Gefühl macht sich in mir breit.
Doch da fährt er fort. "Ich bin total verliebt in dich! Ich weiß das darf nicht sein, aber für dich gehe ich dieses Risiko ein. Uns beiden muss aber klar sein, wir müssen in Zukunft noch vorsichtiger sein!"
Ich nicke erleichtert.
"Ich ... ich bin auch ... verliebt in dich." stammle ich peinlich berührt.
"Ich weiß, Darling." er grinst mich frech an und gibt mir einen schnellen Kuss auf die Nasenspitze.
"Bringst du mich noch runter?"
Ich nicke erneut greife nach seiner Hand und gemeinsam gehen wir zur Haustür.
Dort gibt er mir einen Filmreifen Abschiedskuss. "Bis morgen." raunt er und geht zu seinem Auto. Ich sehe ihm nach bis sein Wagen aus unserer Einfahrt aus geparkt und davon gefahren ist. Mum's roter Jaguar steht am Straßenrand. Was hat sie wohl gedacht als ihr angestammter Parkplatz schon besetzt war? Und dann noch mit solch einem Protzschlitten.
Ich schließe die Tür und gehe in die Küche. Trinken wäre jetzt eine gute Idee. Da fällt mir das Limomissgeschick im Wohnzimmer wieder ein. Ich nehme einen feuchten Lappen und gehe im Wohnzimmer sauber machen. Anschließend schulter ich meinen Rucksack, nehme die Tüte und die Limoflasche und kehre auf mein Zimmer zurück. Der Geruch hier drin hat sich verändert. Ich öffne schnell das Fenster. Unten im Garten sieht Mum genau in diesem Augenblick zu meinem Fenster hinauf. Ihr Grinsen sagt alles. Sie will alles wissen. Jedes Detail wenn möglich.
Typisch meine Mum.

 

Lorelai

 

Ich biege in unsere Straße ein, will den Jaguar wie üblich in meiner Auffahrt parken und rausche fast in einen matt schwarzen Mercedes hinein der die Frechheit besitzt dort bereits zu parken.
"Welcher Trottel stellt sich ..." fluche ich undamenhaft.
Eigentlich ist mir gar nicht danach. Die Zahnschmerzen sind zwar mittlerweile weg aber der Tag hat mich doch ganz schön geschlaucht.
Nun will ich mich zu Hause nur noch ausruhen und jetzt haben wir Besuch oder was. Aber wer ist das? Ich kenne den Wagen nicht. Sollte es Ava's Besuch sein? Aber welcher ihrer Freunde fährt ein solch teures Auto? Wer fährt überhaupt schon Auto?
Ich parke meinen Liebling am Straßenrand vor dem Haus und steige aus.
Im Haus ist alles still. Ich werfe einen Blick ins Wohnzimmer. Zwei halbvolle Gläser und eine Limoflasche stehen da.
Da höre ich im oberen Stockwerk eine Tür ins Schloss fallen.
Ich rufe laut "Ava, Schatz. Ich bin da. Hast du Besuch?"
"Ähm. Ja." kommt es dumpf zurück.
"Darf ich hoch kommen? Oder seid ihr beschäftigt?"
Bei dem Gedanken an meine schüchterne Tochter intim mit einem Jungen kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen.
"Ähm. Es passt gerade nicht so." ruft sie zurück.
"Okay. Ich bin im Garten. Hau mich ein wenig hin." lasse ich sie wissen und mache die Bahn frei, damit ihr Freund von mir unbemerkt verschwinden kann. Wenn sie soweit ist, wird sie ihn mir schon von ganz allein vorstellen.
Auch wenn ich zugeben muss neugierig zu sein. Er muss definitiv älter sein. Und vermögend. Oder ein Sohn aus gutem Hause mit spendablem Herrn Papa.

 

Unser Geheimnis

 

Ava

 

"Ich will alles wissen! Jedes noch so kleine schmutzige Detail." ruft sie mir durch den ganzen Garten entgegen als ich auf sie zu komme.
"Du kannst die Eckdaten haben. Alles andere bleibt mein kleines Geheimnis." freue ich mich.
"Auch das stellt die Neugier deiner Mutter zufrieden. Schieß los!" Sie zieht mich zu sich auf die Gartencouch.
"Hm wo fange ich da an?" überlege ich lachend.
"Mit dem Namen zum Beispiel. Und wer verdammt ist er das er solch einen Schlitten fährt?" Sie platzt ja fast vor Neugierde.
"Also, er heißt Eddie. Ist ... ähm 18 Jahre alt und ja, seine Eltern haben Geld." baue ich mein Lügengebäude auf.
"O-k-a-y." sagt sie gedehnt und wartet aufmerksam auf weitere Infos. "Wo habt ihr euch kennen gelernt?"
"Ähm ... da war so ein ehemaligen Treffen in der Schule. Er ist letztes Jahr abgegangen."
"Aha. Und seine Familie ist so wohlhabend das er ein solches Auto fährt?"
Höre ich da Skepsis in ihrer Stimme?
"Ja. Sein Vater ist ... war ... nein er ist natürlich immer noch Leiter ... einer ... ja, einer Bank."
Sie sieht mich so durchdringend an als würde sie an meinem Verstand zweifeln.
Ich benehme mich ja auch vollkommen Ava Untypisch.
"Ja, ich glaube das reicht fürs erste. Ich muss auch noch ... ich hab noch etwas ... zu lernen." ziehe ich mich aus der Affäre. Ehe sie Einwände erheben kann stehe ich auf und laufe ins Haus zurück.
Später sitzen wir gemeinsam vor dem Fernseher und schaufeln Italienisches Essen in uns hinein.
"Wird das eigentlich auch immer noch so laufen wenn Max erst einmal bei uns wohnt?" frage ich mit vollem Mund.
"Was?" Mom sieht mich fragend an.
"Na, kochst du dann immer noch nicht. Du bist dann verheiratet. Ist da nicht was von wegen den Ehemann zu lieben und für ihn zu sorgen oder so?" lache ich.
Mum zieht ein komisches Gesicht.
"Schätzchen, ich will nicht kochen, ich kann es schlichtweg nicht. Da ist ein Unterschied. Das weißt du doch. Max weiß das auch. Er liebt mich so wie ich bin. Und entweder akzeptiert er unser täglich wechselndes Essensangebot oder er muss sich selbst hinstellen und was zaubern." erklärt sie und wedelt theatralisch mit der Gabel in der Luft herum.
Stimmt auch wieder.
Um nichts in der Welt würde ich mein Leben mit meiner Mum tauschen! Sie ist die tollste Mutter der Welt!

 

Lorelai

 

Pünktlich um 17:30 verlasse ich am nächsten Tag den Salon. "Bis Montag, Süße. Ein schönes Wochenende." verabschiede ich mich von meiner Freundin.
Der Weg zur Schule ist nicht weit. Auf der Suche nach einem Parkplatz umrunde ich den Campus. Zwei mal. Schlieslich wird es immer später und mir zu bunt. Ich lenke den Jaguar auf den Lehrerparkplatz. Dort finde ich um diese Uhrzeit ganz locker einen Platz. Als ich meinen Wagen abschließe und über den Platz zum Haupthaus spaziere bemerke ich nur wenige Fahrzeuge.
Als ich das Gebäude betrete steige die Stufen in den zweiten Stock hinauf wo sich laut Einladung der Klassenraum von Ava's Jahrgang befindet.
Aufgrund meiner Parkplatz Odyssee komme ich zu spät und muss mir unter den bereits voll besetzten Bänken noch einen Platz suchen. Von vorherigen Elternabenden oder Schulfeiern kenne ich ein paar der anderen Eltern.
Vorn an einem Tisch sitzt dieser Tristan Redmayne der mir bei Mutter's Party bereits vorgestellt wurde. Er sieht auf seine Armbanduhr, steht auf und schließt die Tür.
"Guten Abend." ruft er laut als er mittig im Raum steht und seinen Blick über unsere Köpfe schweifen lässt. Als er mich erkennt nickt er kaum merklich und lächelt. Ich winke unauffällig zurück.
"Ich möchte Sie alle recht herzlich begrüßen und mich nun ganz offiziell bei Ihnen vorstellen. Mein Name ist Tristan Redmayne und ich bin Lehrer für Physik und Informatik. In diesen Fächern unterrichte ich unter anderem auch Ihre Kinder."
"Sie sehen sehr jung aus. Sind Sie frisch von der Universität?" will eine Mutter neugierig wissen.
"Nun ja. Ein wenig länger ist es schon her das ich meine Ausbildung abgeschlossen habe." windet er sich und man merkt das es ihm unangenehm ist.
"Wo kommen Sie her?" fragt nun eine andere Mutter.
Den Väter hier scheinen nicht viele Fragen unter den Nägeln zu brennen. Sie schauen höchstens ihre Frauen abschätzend an als sie ihre Fragen stellen.
"Meine Familie kommt aus Nottinghamshire. Doch studiert habe ich hier in Cambrigde. Auf der Universität Cambridge habe ich auch Mrs. Finnigan kennen gelernt. Als sie später hier Schulleiterin wurde hat sie sich dafür eingesetzt mich nach meinem Abschluss hier einzustellen."
Es folgen noch einige weitere persönliche Fragen Redmayne betreffend.
In mir kommt ein gewisses Gefühl des Fremdschämens für meine Geschlechtsgenossinnen auf. Manche hier benehmen sich ja wie untervögelte Hausfrauen.
Einige schulinterne Informationen erhalten wir dann aber doch noch. Die anstehende Klassenreise zum Beispiel betreffend. Dieses Jahr soll es nach Südfrankreich gehen.

Nachdem er den Abend mit uns durchgestanden hat, entlässt uns Ava's Lehrer in den Feierabend.
Da wir bereits im privaten Rahmen mit einander bekannt gemacht wurden gehe ich auf ihn zu um ihn direkt zu begrüßen beziehungsweise mich von ihm zu verabschieden.
"Guten Abend, Mister Redmayne." sage ich freundlich.
"Tristan, bitte." antwortet er und reicht mir die Hand. "Schön, dass Sie es heute Abend einrichten konnten!"
"Selbstverständlich."
"Na ja. Die Uhrzeit war einigen wohl etwas zu zeitig. Einige haben abgesagt."
"Wirklich? Dafür war der Raum doch ganz ordentlich gefüllt. Leider!" lache ich. "Für einige Vertreterinnen meines Geschlechts muss man sich ja fast schon schämen."
Er fährt sich mit der Hand durch das Haar. Und da kann ich verstehen warum sich einige bei seinem Anblick so verhalten wie sie sich verhalten. Er ist echt süß! Diese verstrubbelten braunen Haare, diese Augen, diese Sommersprossen und der Mund.
"Ach ist schon gut. Das ...  bin ich gewohnt." meint er da und ich merke das es ihm schon immer so gehen muss.
"Na ja, wie dem auch sei. Einen schönen Abend Ihnen noch." versuche ich mich aus seinem Bann zu befreien. Wir geben uns zum Abschied nochmal die Hand und ich verlasse den Raum.
Bevor ich den 20 minütigen Heimweg antrete suche ich noch einmal die Toilette auf.
Als ich das Gebäude verlasse und über das Gelände laufe bin ich so ziemlich allein auf Feld und Flur. Weiter vorn läuft nur Tristan Redmayne. Auch er steuert den Lehrerparkplatz an.
Mein Auto scheint näher zu stehen.
Ich öffne die Tür meines Jaguar und höre etwas entfernt das Piep Geräusch einer gelösten Zentralverriegelung. Ich drehe mich um und sehe Redmayne gerade noch in einen matt schwarzen Mercedes einsteigen.
Verwirrt blinzel ich und sehe noch einmal hin, doch da fährt der Wagen schon los.
Das ist ja ein seltsamer Zufall. Der Wagen sieht genau so aus wie der, der letztens in unserer Einfahrt stand. Viele Autos mit derart exotischer Lackierung fahren hier ja nicht gerade rum.
Leicht verwirrt fahre ich nach Hause.

 

Ava

 

"Ich bin hier für heute durch. Wochenende. Hast du schon etwas vor?" fragt Tristan in einer WhatsApp Nachricht kurz nach 8 Uhr am Abend.
"Nö noch nichts. Wieso?" tippe ich scheinheilig fragend zurück.
"Packe ein paar Sachen, schreib deiner Mum einen Zettel. In 30 Minuten hole ich dich ab." hagelt es Befehle.
Überrumpelt aber dennoch freudig erregt tippe ich "In Ordnung. Bis gleich."
Da fällt mir ein das Mum zirka um die selbe Zeit hier zu Hause ankommen müsste. Sie war doch bei ihm in der Schule. Heute war der Elternabend.
Mist!
Schnell schicke ich noch eine Nachricht hinterher "Wir treffen uns an der Busstation am Marktplatz von Little Surrey. Wegen meiner Mum."
Während ich wie ein aufgescheuchtes Huhn herum renne und lose ein paar Sachen in meinen Schulrucksack stopfe, meldet mein Smartphone den Eingang einer Nachricht. "Das ist mein schlaues Mädchen. Du denkst mit! Bis gleich. X Tristan."
Ich muss unwillkürlich grinsen. Ich bin sein Mädchen.

 

Pünktlich stehe ich an der verabredeten Stelle. Mum hatte ich einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen. "Übernachte spontan bei Mary." stand darauf.
Nach wenigen Minuten biegt sein Wagen um die Ecke und hält direkt vor mir am Straßenrand. Durch das geöffnete Fenster der Fahrerseite weißt Tristan mich an einzusteigen. Ich öffne zunächst  die hintere Wagentür um meinen Rucksack auf den Rücksitz zu werfen. Dann setze ich mich neben ihn auf den Beifahrersitz.
Soll ich ihm einen Begrüßungskuss geben oder muss er das übernehmen?
So lange ich noch überlege zieht er mich bereits an sich und küsst mich auf den Mund.
Dieser Mann scheint jede Hemmung intim mit seiner Schülerin gesehen zu werden abgelegt zu haben.
Ich greife in sein Haar und ziehe ihn näher an mich heran.
"Hallo Schönheit." grüßt er schließlich doch noch. "Lange nicht gesehen." Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
Glücklich lasse ich mich in den beigen Ledersitz fallen als er den Motor startet.
"Wie lief der Elternabend?" frage ich nach einiger Zeit.
"Gut. Ja eigentlich lief es ganz gut."
"Eigentlich?" hake ich nach und sehe ihn an.
"Nun ja. Die Mütter waren mehr an mir als Person interessiert und den Vätern war ich entweder ein Dorn im Auge oder egal." erklärt er den Blick auf die Fahrbahn gerichtet. Da fährt mit einem mal ein mir bekannter Jaguar an uns vorbei. Unwillkürlich rutsche ich im Sitz tiefer.
Er bemerkt es. "Deine Mum? Ich habe sie vorhin gesprochen."
"Gesprochen?" hellhörig geworden setze ich mich wieder aufrecht hin. "Wieso? Worüber?"
"Sie hat mich persönlich begrüßt. Weil wir uns doch von der Party deiner Großmutter kennen. Mehr nicht. Keine Angst." lacht er.
"Dann ist ja gut." stöhne ich. "Ich hatte gestern meine liebe Not sie davon zu überzeugen das du Eddie heißt, 18 Jahre alt bist und aus gutem Hause kommst. Wegen des Wagens." erkläre ich und streichel das Amaturenbrett.
Sein Blick verdunkelt sich. "Warum ausgerechnet Eddie?"
"Warum nicht?" Ich zucke die Schultern. "Das war der erst beste Name der mir eingefallen ist."
Verärgerung schwingt in seiner Stimne mit. "Edward Trueman war der erste der dir eingefallen ist als du deiner Mutter unsere Geschichte auftischen musstest?"
"Edward Trueman? Wie kommst du auf den?"
Genau genommen hat er ja recht. Eddie war wirklich derjenige an den ich dachte als ich Mum von meinem Freund berichtete.
Tristans Hände umkrampfen das Lenkrad derart fest das seine Fingerknöchel weiß hervor treten.
"Bist du sauer?" frage ich. Leiser füge ich hinzu "Oder bist du etwa ... eifersüchtig?"
Jetzt kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Er sieht mir tief in die Augen und zischt "Was ist daran so lustig?"
"Ähm nix. Ich wunder mich nur."
"Gewöhn dich dran! Ich bin eben so. Ich Tristan und nicht dein Freund Eddie."
Beruhigend streichel ich ihm den Oberschenkel. Er zuckt kurz zusammen.
"Ava, ich bin eben so. Wenn ich eine Freundin habe, soll sie nur mir gehören. Ich teile nicht gern. Jedenfalls nicht meine Frauen." erklärt er sich leise.
Ich nicke und lasse Revue passieren was er da gerade gesagt hat. Er nannte mich seine Freundin.
"Ich bin deine Freundin?" grinse ich.
"Selbstverständlich! Oder zweifelst du daran? Also ich habe mich auf diese Sache eingelassen. Voll und ganz, mit allen Risiken. Ich steh zu dir und hoffe du empfindest das selbe wie ich!"
Wenn das mal keine Liebeserklärung ist.
"Das tue ich." flüstere ich.
Tristan sieht mich an "Ich weiß, jetzt schon von Liebe zu reden ist falsch. Aber ich möchte dir begreiflich machen, dass ich die Beziehung mit dir ernst nehme. Ich werde alles dafür tun sie aufrecht zu erhalten. Sie wachsen zu lassen. Es geht gut solange es eben gut geht. Ich hoffe aber inständig das wir nie erwischt werden!" Plötzlich umspielt ein Lächeln seinen Mund.
"Genau genommen müssen wir ja nur etwas über ein Jahr durchhalten. Dann wirst du 18 und keiner kann uns was anhaben."
Er hat recht.
"Du glaubst das wir es so lange aushalten?" frage ich.
"Natürlich! Du nicht?"
"Doch." In Gedanken füge ich hinzu "Ich hoffe es!"

 

Lorelai

 

Ich schlage die Augen auf und blicke in seine wunderschönen blauen Augen. Er reicht mir die Hand und hilft mir in die gläserne Gondel zu steigen. Der gläserne Boden ist übersät mit dunkelroten Rosenblütenblättern. In einem Sektkühler auf dem Boden liegt eine Flasche Champagner auf Eis. Er nimmt mich in seine Stärken Arme und raunt
"Was sagst du?" an mein Ohr. Dann küsst er mich dort hin. Sein Mund wandert Abwärts bis zu meinem Schlüsselbein. Ich seufze leise als eine Woge der Lust nach der anderen meinen Körper durch fährt. "Ich finde es toll!" stöhne ich.
Seine Hände umfassen meine Brüsten, kneten sie, spielen an den Brustwarzen bis diese sich ihm vor Erregung entgegen stecken. Der dünne Stoff meines Chiffonkleides lässt jede Berührung seinerseits deutlich spüren.
Ihn scheint der Stoff jedoch zu hindern. Ohne jede Vorwarnung reißt er mir das Kleid vom Körper. Ich stoße einen spitzen Schrei aus, denn ich weiß, dass ich nun inmitten vieler Menschen nur in Unterwäsche bekleidet in einer gläsernen Gondel stehe.
Aber seltsamerweise macht mir das gar nichts aus. Im Gegenteil - es macht mich an.
Er nimmt mich an der Taile und dreht mich ruckartig um. Nun stehe ich mit dem Gesicht zur Glaswand den Blick auf London gerichtet vor ihm. Er kommt näher, sein Gesicht spiegelt sich in der Scheibe vor mir.
Dieser Mann weiß wie ich angefasst werden möchte.
Seine Hände und sein Mund widmen sich jedem Zentimeter Haut auf meinem Körper. Allein damit könnte er mich schon zur Ekstase treiben.
Ich will ihn ebenfalls berühren, will mich umdrehen, ihn ansehen, doch er drückt meine Handflächen gegen das kühle Glas.
"Bleib so!" raunt er dunkel hinter mir.
Ich gehorche.
Dann öffnet er mit einer Hand den Verschluss meines trägerlosen BHs der sich daraufhin zu den Rosenblättern auf dem Boden gesellt.
Nun kneten seine Hände direkt meine Brüste. Bis sie schließlich tiefer wandern. Mein Höschen kapituliert ebenfalls schnell.
Aufgeregt wegen dem was jetzt gleich folgen wird halte ich den Atem an.
Ich blinzle und schon steht der bisher in Jeans und Poloshirt vor mir stehende Mann nackt da. Sein Körper so perfekt. Jeder Muskel definiert, das Sixpack, der muskulöse Nacken, die starken Arme die mich vor jeder Gefahr beschützen können. Die Tattoos die einen Großen Teil seines Körpers bedecken. Ich seufze entzückt auf.
Erfreut stelle ich fest das auch er bereits erregt ist.
Aufgeregt lecke ich mir über die Lippen. Sofort ist er bei mir und küsst mich fordernd. "Wenn ... du ... das ... machst ... verliere ... ich ... den ... Verstand." stößt er zwischen den Küssen hervor. "Ich bin so verknallt in dich, Lorelai! Das war ich schon immer." flüstert er an meinem Mund. Dann nimmt er mich auf seine starken Arme und presst mich nun mit dem Rücken gegen das Glas der Gondel. Ich kralle mich in sein Haar und seinen Nacken. Meine Nägel bohren sich vor Lust in sein Fleisch. Er ist so tief in mir das ich das Gefühl habe den Verstand zu verlieren.
Und während er mich in den nächtlichen Himmel über London fickt fragt er stöhnend ob ich seine Frau werden will.
...
Seit unserem Treffen letzte Woche träume ich fast jede Nacht diesen Traum mit Tom und mir in den Hauptrollen.
Verwirrend! Was will mir mein Hirn damit sagen?

 

Ava

 

Wir fahren in den südlichen Teil von Cambridge. Hier in Crossways Gardens hält Tristan vor einem Mehrfamilienhaus.
"Steig schon mal aus und warte vor der Tür! Ich parke nur kurz in der Parkgarage." sagt Tristan und deutet mit dem Kinn auf das Haus auf der anderen Straßenseite.
"Okay."
Ich greife nach meinem Rucksack und steige aus. Tristan gibt Gas und fährt rechts herum zur Einfahrt der Parkgarage.
Ein rechts-links-Blick ist in dieser verkehrsberuhigten Straße fast überflüssig. Ich spaziere auf die andere Seite und bleibe unschlüssig vor der Häuserzeile stehen. Ich sehe mich um. Die viktorianischen Häuser mit ihren zwei Säulen links und rechts dem Eingang erinnern mich an Londons Mayfair, nur das die Häuser hier nicht weiß gestrichen, sondern aus rotem Backstein sind.
"Da bin ich." höre ich Tristans Stimme hinter mir.
Lächend drehe ich mich um. "Gut. Ich hätte hier fast Wurzeln geschlagen."
Er nimmt meine Hand und führt mich zum linken Eingang.
"Ganz oben. Da wohne ich." erklärt er und zeigt mit dem Finger nach oben.
Ich nicke.
Gemeinsam betreten wir den gefliesten Eingangsbereich. Die Fliesen bilden antike Blumenornamente. Wir schreiten über das schwarz weiße Schachbrettmuster des Bodens zur Treppe in die oberen Stockwerke. Es sind zwei.
Oben angekommen öffnet er die braune Holztür an der sein Name steht.
"Herzlich Willkommen!" meint er und schubst die Tür auf damit ich zuerst eintreten kann.
Tristan folgt mir. "Schau dich ruhig um. Möchtest du was trinken?"
"Ja gern. Hast du Saft? Wasser ginge aber auch." antworte ich.
"Klar." ginst er und verschwindet in der Küche.
Ich gehe in den nächst besten Raum. Dieser entpuppt sich als das Schlafzimmer. Erschrocken will ich mich schon umdrehen und gehen, doch dann besehe ich mich eines besseren. Ein Blick kann ja nicht schaden. Das große Bett ist ordentlich gemacht. Nirgends liegt Kleidung herum. Die Jalousien sind hoch gezogen.
Sofort schleichen sich Gedanken von ihm und mir zusammengekuschelt in seinem Bett in meinen Kopf.
Bevor ich irgendetwas peinliches tue gehe ich hastig in den nächsten Raum. Endlich, das Wohnzimmer.
Es besitzt einen Balkon. Als wäre ich hier zu Hause öffne ich die Balkontür und trete hinaus. Der Ausblick ist fantastisch.
Hinter dem Haus ist so etwas wie ein Park. Grün, grün, überall grün. Man hat gar nicht Gefühl in der Stadt zu sein.
Umringt wird der Park, zumindest der Teil den ich durch das Blattwerk sehen kann von eben solchen viktorianischen Häusern wie dieses hier in dem Tristan wohnt.
"Und, gefällt dir was du siehst?" Er hat sich lautlos hinter mich gestellt. Zwei Gläser in den Händen wovon er mir das mit der gelben Flüssigkeit reicht.
Ich nehme es mit einem dankbaren Lächeln entgegen und trinke einen Schluck. "Wunderschön!" antworte ich nachdem ich geschluckt habe.
"Ich mag es hier auch!" Tristan lehnt sich an das Geländer. "Kein Vergleich zu meinem Elternhaus. Viel ... ehrlicher." Er sieht nachdenklich in die Ferne. Ich habe plötzlich das Gefühl ihn trösten zu müssen und streichel ihm mit der freien Hand den Rücken. Er dreht sich um und sieht mir tief in die Augen. "Schön das du da bist!" flüstert er.
"Ich bin froh das ich hier sein darf! Ich weiß, dass das was besonderes ist." lasse ich ihn an meinen innigsten Gefühlen teilhaben.
"Du bist etwas besonderes." erwidert er und küsst mich auf den Mund.
Mit einem mal erfüllt eine unbeschreibliche Wärme, ein unbeschreibliches Glücksgefühl meinen Körper das ich vor Freude laut aufschreien könnte.
"Es wird langsam frisch. Komm mit rein!" Tristan nimmt mich sanft am Ellbogen. "Hast du Lust auf Fernsehen?"
Ich nicke. "Gern."

Etwas später liegen wir zusammen auf der Couch. Ich habe meinen Kopf in seinen Schoß gelegt und verfolge amüsiert die romantische Komödie die er sicherlich wegen mir gestartet hat.
Ab und an erhebe ich mich etwas und trinke aus meinem Glas. Tristans eine Hand ruht auf meiner Taillie. Ab und an streichelt er mich sanft mein Gesicht. Dann beugt er sich herunter um mich zu küssen.
Mir kommt es so vor als würden wir schon ewig zusammen sein.
Zusammen sein. Eine Beziehung führen. Das klingt so seltsam für das was wir haben.
Dann will ich es genauer wissen. Auf die Gefahr hin mich bei ihm als naives Schulmädchen zu outen, frage ich mit erhobenen Blick "Sind wir jetzt eigentlich zusammen?"
Da muss er lachen und stupst mir auf die Nasenspitze. "Ich küsse dich, schlafe mit dir, gehe mit dir aus. Du übernachtet bei mir. Du hast sogar schon meinen Vater kennen gelernt. Ja, ich würde sagen, wir führen eine Beziehung!"
Das ist sein Ernst. Ich bin überglücklich!
"Du unternimmst also was mit mir?" will ich neugierig wissen. "Wann?"
"Du Frechdachs. Aber du wirst schon sehen. Morgen." lacht er.
"Hast du keine Angst mit mir gesehen zu werden?" hake ich nach.
"Nicht unbedingt. Wir würden auf jeden Außenstehenden wie Bruder und Schwester wirken." erklärt er mit einem Schulterzucken.
Diese Aussage dämpft meinen Euphorie etwas. Aber er hat Recht. Und besser so als das wir Ärger bekommen.
Zum Ende des Films hin bemerke ich meine Müdigkeit doch überdeutlich. Tristan zeigt mir wo ich das Badezimmer finde. Eilig räumt er in dem schmalen Badezimmerregal ein Fach für mich frei. Anschließend reicht er mir aus einem antiken Bauernschrank im Flur ein flauschig weiches weißes Badehandtuch. "In diesem Schrank findest du Handtücher, Bettwäsche und so was." erklärt er bevor er respektvoll die Badezimmertür schließt. Ich krame aus meinem Rucksack den Kulturbeutel mit meiner Kosmetika hervor und beginne mich für die Nacht herzurichten.
Als ich ins Wohnzimmer zurück kehre hat er bereits aufgeräumt und den Fernseher ausgestellt. "Oh entschuldige! Ich dachte wir gehen ins Bett. Aber wenn du doch noch Fernsehen möchtest ..." Er deutet auf das Gerät.
Doch ich unterbreche ihn. "Nein nein. Ich bin echt müde."
"Okay. Komm ich zeig dir das Schlafzimmer." Er geht voran in das von mir schon vorhin in Augenschein genommene Zimmer. Tristan schaltet das Licht der Nachttischlampen an und sagt "Mach es dir bequem! Ich komme gleich." Damit deutet auf das Bett.
Ich setze mich auf die Bettkante und erschrecke. Er hat ein Wasserbett. Noch nie habe ich auf so etwas gelegen.
Als er den Raum verlassen hat hopse ich leicht etwas im sitzen auf und ab. Lustig!
Auf welcher Seite liegt er wohl immer? Ich kann nichts erkennen. Beide nachttische sind gleich leer. Ohne Wecker oder andere persönliche Gegenstände.
Schließlich strecke ich mich auf der linken Seite aus. Es liegt sich gut. Ungewohnt aber bequem. Ich vergrabe meine Nase in dem Kopfkissen. Dieses duftet herrlich frisch.
Ob er extra heute die Betten frisch bezogen hat?
Aus dem Badezimmer höre ich die Dusche rauschen. Ich hätte noch Zeit ...
Soll man mich kindisch schimpfen, egal. Ich kann nicht anders.
Erneut stehe ich auf und schleiche mich zu Tristans riesigem Kleiderschrank der die gesamte linke Wand einnimmt. Vorsichtig öffne ich die erste Schiebetür. Dahinter, tatsächlich nach Farben sortiert liegen ordentlich gestapelt T-Shirts, Shirts und Pullover. Grinsend schiebe ich die nächste Tür zur Seite. Hier hängen, ebenfalls sortiert von hell zu dunkel seine Hemden und darüber die Jackets. Hinter der dritten Tür verstecken sich Hosen. Hosen aller Art und Material.
Dieser Mann hat entweder einen Ordnungsfimmel oder eine akribische Putzfrau.
Die Schubladen zu öffnen schenke ich mir. Darin sind höchst wahrscheinlich zusammengerollt Unterhosen, Socken und Krawatten.
Da höre ich die Badezimmertür. Eilig schließe ich die Schranktüren und springe in das Bett zurück. Keine Sekunde zu früh. Da betritt Tristan nur in Boxershorts bekleidet den Raum. Sein Oberkörper glänzt noch leicht feucht vom Duschen. "Ich schlafe normalerweise nackt." grinst er und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. "Aber dir zu liebe und da du schon ein Shirt von mir an hast ziehe ich mir auch eines an. Okay?"
Ehe ich etwas erwidern kann geht er zur linken Schranktür und zieht ein schwarzes Shirt raus. Mit einer schnellen Bewegung streift er es sich über. Dabei zerstrubbelt sein Haar noch etwas mehr als es ohnehin schon ist.
Das verleiht ihm ein jugendliches Aussehen.
Während ich ihm dabei zusehe wie er die Jalousien an den zwei Fenstern herunter lässt, fällt mir ein, dass ich gar nicht weiß wie alt er ist und wann er Geburtstag hat. Unumwunden frage ich ihn danach als wir nebeneinander im Bett liegen.
"Willst du das wirklich wissen?" grinst er. "Nicht das ich ab morgen wieder allein bin."
"Ach Quatsch." Ich kneife ihm leicht in den Bauch.
"Hey, nicht kitzeln!" lacht er und hält meine Hand fest. "Ich sag’s dir ja."
Versöhnlich lege ich meinen Kopf auf seine Brust zurück. Gedankenverlohren Spiele ich mit dem Saum seines Shirts.
"32. Ich bin 32." flüstert er während er mein Haar streichelt.
Krass. Er sieht jünger aus. Dennoch bin ich nicht geschockt oder so. Mir war ja klar das er deutlich älter ist als ich.
"Ist alles in Ordnung?" fragt er nachdem ich wohl minutenlang nur seinem Herzschlag gelauscht habe.
"Klar. Alles gut." murmle ich.
"Wirklich? Du bist geschockt oder? Ich weiß ja das ich jünger aussehe." erklärt er.
Damit hat er zwar recht aber geschockt bin ich nicht. Nur bestätigt sich seine Aussage von vorhin, wir können locker als Vater Tochter Duo durchgehen.
Was Mum wohl sagen würde?
"Ich bin nicht geschockt. So ein Quatsch." beginne ich.
Sein Herz schlägt kräftig.
"Ich ... ich denke nur gerade darüber nach was meine Mum wohl sagen würde wenn sie ... wenn sie das erfährt."
Ich merke wie er zustimmend nickt.
"Sie wird es nicht erfahren. Keiner wird das. Keine Sorge. Aber es ist komisch nicht mit meinen Freundinnen über meine Beziehung reden zu können. Wie wird es wohl ab Montag wenn wir uns in der Schule sehen?"
"Ich verstehe dich. Ich werde mich bemühen und ich weiß du dich auch. Es wird nicht einfach. Aber Ava, ich mag dich wirklich sehr! Und ich weiß, das ich das hier wirklich will! Ich will dich! Und das lässt es mich aushalten." erklärt er mir leise seine Liebe.
"Und wir müssen ja auch nur noch etwas über ein Jahr durchhalten." füge ich hinzu. "Im November hab ich Geburtstag. Wenn ich nächstes Jahr 18 werde verkünde ich es allen." grinse ich.
"Na ja, außerhalb der Schule geht das vielleicht. Aber in der Schule ... ich würde dennoch meine Stelle verlieren." versetzt er meiner Freude einen Dämpfer.
Wieder hat er recht.
"Aber lass uns jetzt das Thema wechseln! Wolltest du nicht noch ein paar Fakts aus meinem Leben wissen?" schlägt er vor.
"Ja, du hast recht. Fangen wir an. Erzähl mir alles!" Auffordernd sehe ich zu ihm auf.
"Okay. Ich wurde am 6. Januar 1987 in Nottinghamshire geboren. Meine Eltern, wohnen dort auf unserem Familienanwesen. Meine Mutter entstammt einem alten britischen Adelsgeschlecht. Sie bildet sich eine Menge darauf ein. Mich hat das immer schon angekotzt. Ich wollte weg seit dem ich denken kann."
Ich sehe ihn verwundert an. "Wieso? War es so schrecklich da?"
"Nein eigentlich nicht. Als Kind fand ich es toll. Wir hielten eigene Pferde. Ich lernte reiten und genoss die schöne Natur dort auf dem Land. Ich hatte einen sehr guten Freund. Timothy. Wir waren wie Tom Saywer und Huckleberry Finn. Gemeinsam mit meiner Schwester Iris sind den ganzen Tag draußen herum gestreift. Mit 10 hatte das ein Ende."
"Wieso?" Frage ich verwundert.
"Da kam ich ins Internat hier nach Cambridge. Nun ja und es hat mir so gut gefallen, dass ich schlussendlich auch hier auf’s Collage gegangen bin."
"Na ja, deine Noten müssen ja auch dementsprechend gewesen sein." gebe ich zu bedenken.
"Ja das auch. Während des Studiums habe ich Rose kennen gelernt. Und als sie schließlich, Jahre später das Direktorat an deiner Schule übernommen hat, hat sie sich meiner erinnert und ein gutes Wirt für mich eingelegt."
"Rose Finnigan? Sie kann gar nicht selbst bestimmen wer neu eingestellt wird?" will ich wissen.
"Nein Süße. Das macht der Aufsichtsrat. Sie kann nur Empfehlungen und Wünsche äußern." lacht er über meine Unwissenheit.
"Aha. Und dein Name? Tristan. Hört man ha nicht gerade häufig." Ich kuschel mich wieder an seine Brust. Diesmal lasse ich meine Hand unter sein Shirt fahren und streichel dort seine Bauchmuskeln.
Er küsst mich auf den Scheitel. "Das habe ich meiner Mutter zu verdanken. Sie ist Professorin für Kulturgeschichte des Mittelalters. In dieser Funktion hat sie sich außerdem mit der mittelalterlichen englischen Dichtkunst befasst. Tristan und Isolde scheinen es ihr besonders angetan zu haben."
Er lacht. "Ich hätte es schlimmer treffen können. Romeo finde ich persönlich schlimmer."
Ich stimme in sein Lachen ein. "Stimmt, das wäre schlimmer."
"Was möchtest du noch wissen?"
Ich überlege kurz. "Was du so in deiner Freizeit machst. Was für Musik du magst, welche Filme du gern anschaust. Heute hast du doch sicher nur für mich diesen Film angemacht."
"Nun ja. Ich mag vielerlei Filmgenres. Sie müssen nur gut gemacht sein. Musik ... hm, da höre ich lieber gute handgemachte Musik wie sie früher gemacht wurde. Heutzutage ist selten etwas dabei was mir gefällt."
Geht mir genauso.
"Und sonst? Ich spiele Tennis und gehe joggen um mich fit zu halten. Im Sommer schwimme ich und im Winter gehe ich gern mal in die Sauna. Ich mag Kunst. Besonders die die meine Schwester macht." Er lacht. "Ja, ich denke jetzt hast du erstmal einige wichtige Informationen über mich." Er hebt mein Kinn leicht an so das ich gezwungen bin ihm in die Augen zu sehen. "Ist Ihre Neugier für’s erste gestillt, Miss MacAdans?"
Ich sehe in seine grünen Augen und verliere mich in ihnen. "Ja." hauche ich.
Tristan beugt sich runter und küsst mich leidenschaftlich. Er zieht mich in seine Arme und intensiviert den Kuss noch etwas.
Ich kralle mich an sein Shirt um ihn so fest wie möglich zu halten.
Schließlich lösen wir uns voneinander und er murmelt "Es ist spät. Lass uns schlafen gehen. Morgen ist ja auch noch ein Tag."
Ich bin froh, dass er heute keinen Sex möchte! Von unserem gestrigen, meinem ersten Mal habe ich noch immer eine rote Erinnerung. Das wäre mir heute sehr peinlich gewesen.
Tristan legt sich auf den Rücken und breitet seinen rechten Arm aus. Ich kuschel mich wieder an ihn und bette meinen Kopf auf seiner Brust. So aneinander gekuschelt löscht er das Licht und gemeinsam lauschen wir im dunkeln den Geräuschen der Stadt.
"Gute Nacht, Darling!" flüstert er und küsst mich nochmals auf die Stirn.
"Gute Nacht, Tristan." murmle ich und schließe die Augen.

 

Als ich am Morgen die Augen aufschlage brauche ich ein paar Augenblicke um mich zu orientieren. Weiches Sonnenlicht erhellt den großen hellen Raum.
Als ich neben mir im Bett Tristan auf dem Bauch liegend schlafen sehe weiß ich wieder wo ich bin. Vorsichtig rolle ich mich aus dem Bett was eine Welle auslöst die ihn schaukeln lässt.
Mist! Nachteil eines Wasserbettes.
Aber er schläft ungerührt weiter. Einige Augenblicke bleibe ich stehen und sehe auf ihn hinunter. Sein verstrubbeltes braunes Haar umspielt sein hübsches von einigen Sommersprossen bedecktes Gesicht. Die Augenlider huschen hin und her. Sicher träumt er gerade.
Schlieslich reiße ich mich von seinem Anblick los und suche die Toilette auf.
Um einen guten Eindruck nach der ersten gemeinsamen Nacht zu machen putze ich mir in Rekordzeit die Zähne, dusche und frisiere mich. Nachdem ich ein leichtes Makeup aufgelegt habe flitze ich ins Schlafzimmer zurück und lege mich im Schlafdress neben ihn. Ich fröstel und hoffe mich bei ihm unter der Decke wieder aufwärmen zu können.
Hoffentlich nimmt er mir ab, dass ich immer so aussehe nach dem Aufwachen!
Ich liege erst ein paar Minuten an ihn gekuschelt da als er die Augen aufschlägt. "Guten Morgen." flüstere ich und strahle ihn an.
"Guten Morgen, Darling. Du siehst fantastisch aus!"
Innerlich hüpft mein Herz vor Freude.
Er zieht mich in seine Arme und küsst mich auf die Stirn. "Bist du schon lange wach?"
"Nö."
"Gut. Wie hast du geschlafen?"
"Fantastisch. Wie auch sonst mit dir an meiner Seite." schwärme ich und wage mich damit weit hervor. Hoffentlich denkt er nicht ich wäre so eine Klette die er von nun an an der Backe hat.
"Das ist schön." sagt er aber nur. Dann rollt er sich aus dem Bett und steht auf. "Hast du Hunger?" fragt er mich.
"Oh ja. Du hast ja keine Ahnung." lache ich.
"O-k-a-y." lacht er. "Und was frühstückst du gewöhnlich so? Ich bin mir nicht sicher ob ich dir alles bieten kann."
"Sicher nicht. Außer du hast frische Waffeln oder Pancakes, frisch gepresster Orangensaft und Kaffee ohne Ende." lache ich.
"Echt jetzt? Wow! Deine Mutter scheint ja eine begnandete Köchin zu sein." staunt er.
Bei dem Gedanken an Mum mit Küchenschürtze am Herd muss ich laut los lachen.
Verständnislos schaut er mich an. "Was?"
"Wenn meine Mum Walt heißt, dann ja. Ja, dann wäre sie eine gute Köchin."
erkläre ich.
"Walt?"
Ich muss ihm wohl den MacAdams Lebensstil erklären.
Danach meint er "Ich glaube das kann ich dir nicht bieten." kommt auf mich zu und umarmt mich. "Oder ich überzeuge dich von meinen Kochkünsten."
"Gern. Denn wenn wir hier weiter rumquatschen sterbe ich noch vor Hunger." Theatralisch deute ich einen Ohnmachtsanfall an.
"Das muss um jeden Preis verhindert werden!" grinst er und küsst mich erneut auf die Stirn. "Setz dich vor den Fernseher oder so. Gib mir 20 Minuten." Schon rauscht er ins Badezimmer.
Ich schlendere lächelnd ins Wohnzimmer. Hier ist mir gestern schon seine Bücherwand aufgefallen. Jetzt nehme ich mir die die Zeit die Buchrücken genauer zu studieren. Er liest in etwa die selben Bücher wie ich. Nur das es sich bei seinen Büchern um ältere Exemplare handelt.
30 Minuten später serviert er am Esstisch Pancakes mit Schokolade. Er stellt eine Kanne mit dampfenden Kaffee auf den Tisch und setzt sich zu mir.
"Iss! Wir haben heute einiges vor." meint er geheimnisvoll und deutet auf den Teller mit den Pfannkuchen.
"Ach haben wir?" frage ich und greife zu.
"Jup. Wir machen einen Ausflug. Ich muss ein Geschenk besorgen."
"Einen Ausflug? Wohin?"
"London." antwortet er kurz und bündig.
Ich verschlucke mich fast. "London?" hustet ich."Warum denn so weit weg?"
"Wie gesagt, ich muss ein Geschenk besorgen. Und das was ich haben will bekomme ich nur auf dem Portobello Road Antiques Market." erklärt er nun ausführlicher.
"Hat jemand Geburtstag?"
"Jup. Meine Mutter und sie sammelt Antiquitäten. Also ..."
Ich nicke. "Okay. Dann also nach London."
Über die M11 fahren wir Richtung London City und erreichen die Stadt in knapp zwei Stunden.
In einer kleinen Seitenstraße Notting Hills findet Tristan noch einen der raren Parkplätze. Er quetscht sein übergroßes Auto zwischen zwei weitere am Straßenrand.
Den Ladbroke Grove spazieren wir Hand in Hand hinauf. Über die Westbourne Park Road erreichen wir schließlich die Portobello Road. Hier ist schon ganz schön was los. Menschen überall. So etwas ist man aus Cambridge und aus Little Surrey schon gar nicht gewohnt.  Tristan hält weiterhin meine Hand während wir uns durch die Massen langsam vorwärts schieben.
"Hier ist es. Komm!" meint er plötzlich und zieht mich hinter sich her zu einem niedrigen Haus auf der linken Seite.
Das sich darin befindende Geschäft ist vollgestopft mit Möbeln, Spiegeln, Skulpturen und weitere Antiquitäten. Tristan scheint zu wissen was er sucht und schlendert zielgerichtet durch die schmalen Gänge.
"Wonach suchst du?" frage ich, einen Esstisch aus Eiche zwischen uns.
"Ich weiß nicht genau. Ich muss es sehen, dann weiß ich es." erklärt er nebulös.
"Aha." Ich ziehe die Augenbraue hoch.
"Weist du wenigstens ob es ein Möbel oder eine Vase sein soll?"
"Ich habe keine Ahnung." lacht er und strahlt mich an.
Plötzlich sieht er an mir vorbei und ruft "Vielleicht ja so etwas?"
Er kommt um dem Tisch herum und geht an mir vorbei zu einem viktorianischen Servierwagen. Ich folge ihm.
"Das hier wäre vielleicht was?" murmelt er.
"Wieviel kostet sowas?" will ich wissen. Ich habe keine Ahnung von Antiquitäten und nirgends sehe ich Preisschilder.
"Das werden wir gleich sehen." Tristan sieht sich nach einem Verkäufer um und winkt. "Aber ich schätze so 400 Pfund."
Ich schlucke. "Was? So viel für so wenig."
Er lacht und sagt. "Du musst bedenken wie alt es ist."
Das ist ein Argument.
Ein ältlicher Mann im braun karierten Tweetanzug kommt angeschlurft. "Kann ich Ihnen helfen?"
"Ja das können Sie. Wir interessieren uns für diesen Servierwagen. Wieviel soll er kosten?" fragt Tristan.
"Der ist viktorianisch. 350 würd’ ich gern haben wollen." brummt er freundlich.
Tristan strahlt. "Perfekt. Wir nehmen ihn!"
Der Verkäufer strahlt zurück. Sicher hat er selten Kunden die den vorgegebenen Preis so einfach akzeptieren. Er schlurft zu einem Tisch auf deren Mitte eine riesige antike Kasse thront.
"Wie willst du das Ding denn nach Hause kriegen?" zische ich Tristan zu.
Er lacht.
Schon wieder.
"Der wird geliefert, Süße. Direkt zu meinen Eltern."
Ich lebe scheinbar völlig hinter dem Mond. Darauf hätte ich auch von selbst kommen können.
Während Tristan mit dem Verkäufer alles weitere regelt sehe ich mich noch ein bisschen um. Dabei entdecke ich eine wunderschöne hölzerne Schmuckschatulle. Vorsichtig öffne ich ihren Deckel. Sofort erklingt eine leise Melodie und eine zierliche kleine Ballerina dreht sich auf einem Bein in der Mitte des Deckels. Fasziniert schaue und lausche ich. Die Schatulle wäre etwas für Mum. Sie mag solch kitschige Sachen. Kurzentschlossen beschließe ich sie zu kaufen.
Mit der Schatulle in den Händen gehe ich zu den beiden Männern herüber. Auf dem Tisch liegen einige Geldscheine und Tristan füllt soeben ein Formular aus.
"Ja, Miss. Kann ich Ihnen helfen?" wendet sich der alte Mann mir zu.
Tristan richtet sich auf und dreht sich zu mir um.
"Ähm ja. Ich möchte diese ... ich wollte fragen wieviel die kostet?" stammle ich.
Der Verkäufer kommt um den Tisch herum auf mich zu und nimmt mir die Schatulle aus der Hand. Als hätte er sie lange Zeit aus den Augen verloren und nun wieder entdeckt besieht er sich das Kästchen von allen Seiten. "Oh ja, sie ist wunderschön! Nicht wahr?" murmelt er freundlich.
Ich nicke. "Das ist sie."
"Für Sie, Miss sage ich 30 Pfund."
Ich ziehe mein Portemonnaie aus der Handtasche und krame eifrig nach Geld.
Mit freundlichem Lächeln reiche ich ihm das gewünschte.
Er nimmt es geht zu seiner Kasse und drückt einen Knopf. Mit einem lauten Pling öffnet sich die Lade. Er verstaut mein Geld, ebenso wie die Scheine von Tristan darin.
Anschliesend wickelt er die Schatulle vorsichtig in braunes Packpapier und reicht mir es in einer Papiertüte über den Tisch.
"Danke sehr!" bedanke ich mich mit einem freundlichen Lächeln.
Tristan hat in der Zwischenzeit alles erledigt und wartet hinter mir.
"Tschüß und einen schönen Tag noch!" rufen wir unisono und verlassen das Geschäft.
"Auf wiedersehen." ruft der alte Mann uns nach.
"So, wohin jetzt? Hast du vor noch weiter einzukaufen?" fragt er und sieht mich grinsend an.
"Ich weiß nicht. Wenn ich etwas schönes sehe bin ich ganz spontan." antworte ich frech.
Doch insgeheim denke ich an mein nun fast leeres Portemonnaie. Ein größerer Einkauf wird es wohl kaum werden.
"Okay. Lass uns einfach noch etwas bummeln und anschließend es etwas essen gehen." schlägt er vor.
Während wir nebeneinander die Portobello Road herunter laufen legt er seinen Arm um meine Taille.
Gut das er jünger aussieht als er ist, so müssen wir auf Außenstehende zwar als Päärchen mit deutlichem Altersunterschied aber dennoch als Päärchen wirken.
In einer Modeboutique mit Vintage Kleidung entdecke ich ein wunderschönes hellblaues Maxikleid im Schaufenster. Wie magisch davon angezogen gehe ich darauf zu. Tristan ziehe ich an der Hand hinter mir her. "Oh wow! Ist das schön!" schwärme ich und starre das Kleid durch die Scheibe hindurch an. Goldene Aplikationen sind so angebracht das sie rein optisch eine schmale Taille suggerieren. Sie ziehen sich über die Brust bis hoch zum Neckholderkragen.
"Willst du es haben?" raunt er an mein Ohr.
Ich werfe einen Blick auf das Preisschild am Saum des Kleides und schüttle den Kopf. "Geht nicht. Hab nicht mehr genug Geld dabei."
Der Kauf von Mum’s Geschenk vorhin hat mein Taschengeld restlos erschöpft.
"Ich kauf’s dir." meint er und zieht mich ehe ich etwas erwidern kann durch die offen stehende Ladentür.
"Quatsch. Das musst du nicht." protestiere ich.
Es ist mir peinlich von ihm ausgehalten zu werden.
"Ich werd ja wohl meiner Freundin ein Geschenk machen dürfen. Oder was meinen Sie?" Letzteres war an die junge Verkäuferin gerichtet. Die angesprochene nickt freundlich und sieht mich musternd von oben bis unten an. Danach Tristan. Was sie wohl denkt? Aber so wie sie jetzt unverwandt meinen Freund anstarrt, ahne ich welche Gedanken sich gerade in ihrem Kopf abspielen. Eilig mache ich einen Schritt auf ihn zu und hake mich bei ihm unter.
"Okay. Überredet." säusle ist und strahle ihn an.
Er sieht zu mir herunter und küsst mich auf den Mund.
Dann wendet er sich erneut an die Verkäuferin und fragt diese nach dem Kleid im Schaufenster.
"Das haben wir gleich hier." meint sie und deutet mit rotem Kopf auf die Wand links neben sich.
Tristan macht einen Schritt darauf zu schaut kurz die Kleider durch, greift sich zielsicher einen der Bügel und reicht ihn an mich weiter. Genau meine Größe. Ich nehme es entgegen und streichel vorsichtig mit der Hand über den weichen glatten Stoff.
"Willst du es anprobieren?" raunt er.
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Es wird passen."
"Gut. Er nimmt mit das Kleid wieder aus der Hand und geht damit zum Verkaufstresen. Ich warte nervös an der Tür auf ihn.
"Bitte, Darling." sagt er und reicht mir die rote Plastiktüte mit dem Emblem des Designers.
"Danke, Schatz." antworte ich und küsse ihn demonstrativ auf den Mund.
"Das gefällt mir!" grinst er und gemeinsam verlassen wir den Laden.
Zurück bei seinem Wagen fragt Tristan über das schwarze Autodach hinweg.
"Szenenwechsel. Wie wär’s wenn wir jetzt zum Hyde Park fahren dort etwas die Ruhe genießen und etwas essen gehen?"
"Hört sich prima an!" stimme ich zu und steige ein.
Von Notting Hill bis zum Hyde Park ist es nicht weit. Daher befinden wir uns schon wenige Minuten später wieder auf Parkplatzsuche.
In einem Parkhaus am Marble Arch werden wir schließlich fündig.
Der Hyde Park ist wegen des warmen Wetters mehr als voll. Nichts also mit die Ruhe genießen.
Dennoch durchqueren wir ihn von Nord zu Süd, denn in Belgravia befindet sich der Pub in dem wir essen wollen.
"Hier ist es." verkündet Tristan geheimnisvoll als wir das hektische Großstadttreiben hinter uns gelassen und in die ruhige Wilton Row eingebogen sind. Unter alten Bäumen steht ein Häuschen deren Rot-Weiß-Blauer Fassadenanstrich erst vor kurzem frisch aufgetragen zu sein scheint. Über der Tür steht auf rotem Grund The Grenadier. Links der Stufen die zu dem Schankraum hinaufführen steht ein knallrotes Wachhäuschen der Königlichen Garde. Ein ebensolcher Gardist mit Bärenfellmütze ist auf dem Schild des Pubs zu sehen das an der Fassade hängt.
"An dieser Stelle befand sich bis 1818 die Kaserne der Leibgarde des Königs. Das Offizierskasino wurde im selben Jahr zu dem Pub das es heute noch ist." erklärt Tristan als wir die sieben Stufen zum Schankraum hinauf steigen und das Lokal betreten.
"Woher kennst du es? Das scheint hier ja eher sowas wie ein Geheimtipp zu sein." will ich wissen.
"Durch meinen Onkel. Immer wenn ich in London bin trinken wir hier was zusammen."
"Aha. Dein Onkel. Und der ist ..."
"Bei der Garde, ja genau." vollendet er meinen Satz.
"Hallöchen." begrüßt uns ein älterer Herr hinter einem Zinnverkleideten Tresen im Vorraum.
"Hallo. Wir haben Hunger. Haben Sie noch ein Plätzchen für uns frei?" lacht Tristan.
"Selbstverständlich. Kommt mit!" meint der Alte und winkt uns durch in den eigentlichen Schankraum.
An einem Tisch in einer schummrigen aber gemütlichen Ecke nehmen wir nachdem Tristan schonmal Getränke bestellt hat Platz.
"Dein Onkel ist also ein Leibwächter ihrer Majestät?" auffordernd sehe ich ihn mit auf Händen aufgestütztem Kinn an. Ich will mehr davon hören.
Er versteht und erzählt mehr aus seinem Leben.
"Also Lloyd ist der jüngere Bruder meines Vaters. Sonst gibt es keine weiteren Geschwister. Aber ich habe welche. Eine Schwester. Aber das weißt du ja schon. Iris. Sie ist drei Jahre jünger. Ist freischaffende Künstlerin und lebt und wirkt hier in London. Wie du dir sicher denken kannst ist sie mit dem was sie tut bei meinen Eltern noch weniger angesehen als ich es bin. Eine Künstlerin passt so gar nicht zu der Lebenseinstellung meiner erfolgsorientierten Eltern. Die Mutter Professorin für Kunstgeschichte, der Vater ein erfolgsverwöhnter Gefäßchirurg. Nun ja, ich denke unsere Eltern schämen sich vor ihren Freunden für uns." Grinsend fährt er sich mit der Hand durch das Haar.
"Ach komm, so schlimm wird es doch wohl nicht sein." hake ich nach.
"Oh doch das ist es." lacht er. "Irgendwann wirst du sie kennenlernen und kannst dir selbst ein Bild machen."
Was meint er damit. Warum will er das ich seine Eltern kennenlerne?
Ich lasse das so stehen, nicke nur.
Der alte Mann erscheint und stellt ein Glas Orangensaft und eine Schorle vor uns. "Was wollt ihr essen?"
Statt einer Antwort fragt Tristan mich "Magst du es deftig? So richtig britisch?"
"Oh ja." grinse ich.
"Na dann. Überraschen Sie uns." sagt er nun an den Wirt gewandt.
Dieser nickt und verschwindet durch eine Tür.
"Jetzt bist du dran."
"Womit?" tue ich unschuldig.
"Na mit erzählen. Ich will jedes schmutziges Geheimnis von Ava MacAdams hören." sagt er und grinst mich anzüglich an.
"Da gibt’s keine." winke ich schnell ab.
"Ach komm. Ich will dich kennenlernen." drängt er in mich.
"Na gut." beginne ich gedehnt. "Meine Mum kennst du schon. Und Dad ..." Ich stoppe und blicke zu meinen Händen hinunter.
Langsam schiebt er seine Hände über die Tischplatte und nimmt meine in seine. "Ich weiß." flüstert er.
Ich atme tief ein und beginne zu erzählen. "Meine Vorfahren entstammen ebenfalls irgendeinem alten Adelsgeschlechts. Aber heute merkt man das nicht mehr. Mein Grandpa hat mit Leder- und Schirmwaren ein Vermögen gemacht. Aber das weißt du ja schon. Zu meiner Person, na ja, was gibts da schon zu sagen?"
"Das du gern liest weiß ich schon. Auch was du liest. Ich hab dein Bücherregal gesehen." wirft er ein. "Aber was tust du so in deiner Freizeit?"
"Ähm ich schwimme gern, so wie du, ich fahre gern Boot. Das liegt mir im Blut denke ich."
Tristan schaut fragend.
Ich erkläre "Mein Dad hatte ein kleines Segelboot. Er ist oft mit mir raus gefahren."
Die Erinnerung an Dad lässt mich immer traurig werden, schnell wechsle ich das Thema.
"Ich liebe die Fernsehabende mit meiner Mum! Regelmäßig machen wir es uns bei uns zu Hause gemütlich und schauen die ganze Nacht durch Filme. Nur wir zwei. Immer mit bestimmten Themen. Mal Tanzfilme, mal Thriller so in der Art.  Wir stopfen uns hemmungslos mit Essen und Snacks voll. Apropos Essen, dem Umstand das meine Mum nicht kochen kann ist es zu verdanken das ich einfach alles esse. Ich bin nicht wählerisch. Nach Dads Tod hat es sich so eingebürgert, dass wir außer Haus frühstücken und essen gehen. Die Nummern der Little Surrey Lieferdienste sind per Schnellwahltaste im Telefon eingespeichert. Das sagt ja wohl alles." Ich grinse ihn an.  
Er strahlt mich an.
"Ansonsten tu ich das was jedes Mädchen gern tut. Ich treffe mich mit meinen Freundinnen. Geh gern shoppen, zumindest was mein Taschengeld so hergibt und mache so Mädchensachen."
"Haare färben, Nägel lackieren und Beine waxen." versucht er mich auf zuziehen.
"Da hast du recht. Allerdings übernimmt das meine Mum in ihrem Salon. Sie führt in Cambrigde zusammen mit ihrer Freundin Lucy einen Beautysalon. Dort sind meine Freundinnen und ich regelmäßig zu Gast. Wenn man schon die Möglichkeit hat kostenlos an solche Behandlungen ran zu kommen, muss man das doch nutzen." erkläre ich.
Ehe Tristan etwas sagen kann kommt der Wirt zurück und stellt zwei Teller mit ihrem dampfenden Inhalt vor uns. Der Wildauflauf mit Kartoffel-Selleriehaube duftet hinauf bis in meine Nase.
"Guten Appetit!" wünscht der Wirt und verschwindet.
"Lass es dir schmecken, Süße!"
Ich wünsche ihm das selbe und koste vorsichtig. Es ist sau heiß.
Eine kleine Weile widmen wir uns still unserem Essen.
"Irgendwie komme ich mir vor wie beim ersten Date." meint er schließlich grinsend. "Nur irgendwie haben wir das verkehrtherum aufgezogen. Erst zusammen ins Bett und dann etwas über den anderen erfahren. Normal macht man es anders herum."
"Stimmt. Aber hey, so ist es jetzt eben. Und ich finde es gut so!" Ich blicke ihm tief in die Augen. "Ich bin so froh das es  gekommen ist wie es ist!"
Tristan schaut mich liebevoll an. "Ich auch." flüstert er.

Spät am Abend kehren wir zu seiner Wohnung in Crossways Gardes zurück.  Von unterwegs habe ich Mum angerufen und sie gefragt ob es für sie in Ordnung wäre, wenn ich eine weitere Nacht bei Mary schlafen würde. Sie war einverstanden, hat mir aber das Versprechen abgenommen keinen Blödsinn anzustellen.
"Es sind ja Erwachsene da. Die passen auf." belüge ich meine Mutter. Oder eigentlich ist es ja nur eine Teillüge.

Wir machen es uns wieder vor dem Fernseher gemütlich. Tristan mit einem Bier und ich ausnahmsweise mit einem Sekt. Zur Feier des Tages unseres ersten Dates.

Zu Asche, zu Staub

 

Lorelai

 

Leicht angesäuert lege ich auf und knalle das Handy auf den Tisch.
Max der gerade zwei Steaks für uns anbrät dreht sich um und schaut verwundert. "Was ist los?"
"Ava ist los." keife ich. "Sie kommt auch heute nicht nach Hause. Übernachtet angeblich noch eine Nacht bei ihrer Freundin."
"Angeblich?" hakt er nach.
"Ja glaubst du ihr das etwa? Da brauche ich gar keinen Kontrollanruf bei Marys Eltern um zu wissen das das gelogen ist."
"Und du bist dir da so sicher, weil ... ?" Max grinst mich an.
"Na weil ich selbst mal jung war und meine Eltern belogen habe als ich meinen ersten Freund hatte."
"Aber, dann kennst du das ja und weißt wo sie ist. Worüber regst du dich dann so auf?" Er widmet sich wieder dem Fleisch in der Pfanne.
"Ich bin sauer, weil sie mich anlügt und Geheinnisse vor mir hat. Wir hatten nie Geheimnisse voreinander. Sie kann doch mit mir reden. Und das ist es was ich tun wollte. Gestern schon. Doch da fand ich nur den Zettel. Und heute wollte ich sie wegen des fremden Autos zur Rede stellen und jetzt kneift sie wieder." fauche ich.
"Daher weht der Wind." lacht er. "Du bist neugierig. Willst den Kerl persönlich kennenlernen und nun vermasselt sie dir das."
Ich gebe dem unverschämten sexy Kerl vor mir einen Klaps auf den Po für seine Frechheiten.
Aber er hat ja recht. Ich bin neugierig. "Warum stellt sie ihn mir nicht vor? Die Story das er 18 und ein reicher Erbe ist nehm ich ihr nicht ab."
"Und warum nicht? Gönn ihr doch das Glück. Und hast du dich nicht immer beschwert Ava soll mal ein bisschen so sein wie du?" Max nimmt mich in den Arm. Mit der anderen wendet er mit einer Gabel pausenlos das Fleisch.
"Ja stimmt. Und irgendwann muss sie ihn mir einfach vorstellen. Oder wir begegnen uns draußen irgendwo."
"Und bedenke, dass du mit mir an der Quelle sitzt. Für mich ist es ein leichtes den Halter des Fahrzeugs heraus zu bekommen." grinst er hinterhältig.
"Genau." grinse ich. "Dennoch werde ich morgen wenn sie heim kommt versuchen einen Blick auf ihn zu werfen. Er wird sie ja sicherlich nach Hause fahren in seinem Nobelschlitten."
Max sieht mich an als befürchte er, ich verwandel mich gleich in den Grinch oder so. Leise, so das ich ihn kaum verstehen kann murmelt er "Ich denke nicht das sie so unvorsichtig ist."

 

Ava

 

"Soll ich dich nach Hause fahren?" fragt Tristan am Sonntag Abend.
Ich schüttle den Kopf und antworte "Lieber nicht. Dein Wagen. Wenn Mum den sieht will sie wieder nur wissen wer du bist und besteht darauf das ich dich ihr vorstelle."
Das sieht er ein, besteht aber darauf mich wenigstens bis zu der Busstation in Little Surrey zu fahren. Damit bin ich einverstanden.
"Das war ein super schönes Wochenende!" schwärme ich im Auto.
"Das fand ich auch. So einen Gammeltag wie heute müssen wir häufiger machen. Das tut richtig gut."
"Na sag ich doch. Ich mach das andauernd. Bisher zumindest." grinse ich überlegen. Außerdem ist die Gefahr erwischt zu werden in seinen eigenen vier Wänden deutlich geringer als in der Öffentlichkeit.
"Ich werd in Zukunft öfter mal auf meine Schülerin hören." stichelt er, streichelt mein Oberschenkel und gibt mir einen schnellen Kuss. Er muss sich auf den Verkehr konzentrieren.
"Bring beim nächsten mal ruhig ein paar Klamotten mit. Ich räum dir ein Fach im Kleiderschrank frei." schlägt er vor.
"O-k-a-y." sage ich gedehnt. "Das ist dann schon fast so wie zusammen wohnen. Willst du das wirklich?" Ich bin vollkommen überrascht. Solch ein Vorschlag , nach so kurzer Zeit.
"Klar. Ich will dich um mich haben. Wenn es schon unter der Woche kaum klappen wird, dann möchte ich wenigstens am Wochenende und in den Ferien Normalität." erklärt er aufrichtig und ich nehme es ihm ab.
Wir führen seit diesem Wochenende eine richtige Beziehung. Meine erste Beziehung überhaupt. Noch vor ein paar Wochen war an so etwas bei mir gar nicht zu denken. Wahnsinn, wie schnell sich im Leben alles ändern kann!
Tristan und ich sind übereingekommen, unter der Woche, in der Schule, uns nichts anmerken zu lassen, dafür aber die Wochenenden so oft wie möglich miteinander zu verbringen. In der Öffentlichkeit ist er Mister Redmayne und ich Ava MacAdams. Das muss ich mir immer wieder vorbeten. Nichts wäre dramatischer, als wenn ich während des Unterrichts ausversehen einmal mit "Ja, Tristan?" antworte.
Doch die Wochenenden, von Freitag bis Sonntag, die werden entspannt. Da werde ich, wenn Mum nicht anderweitige Dinge mit mir vor hat, bei Tristan verbringen. Und bald stehen außerdem die Herbstferien an.

 

An der Busstation angekommen parkt Tristan den Mercedes in der Parkbucht des Busses. Auch hier fällt der Wagen auf wie der sprichwörtliche bunte Hund. Passanten drehen sich um und gucken. Zum Glück sind um diese Zeit nicht all zu viele Leute unterwegs. Der einzige, der stehen bleibt, ist Stuard. Unser Dorfdepp. Eigentlich ist diese Bezeichnung gemein. Aber durch Stuard’s Eigenheit überall seinen Senf dazu zu geben und damit des öfteren den anderen auf die Füße zu treten, hat ihm den Spitznamen eingebracht. Der Umstand das in diesem Jahr seine Mutter gestorben ist hat es nicht gerade verbessert. Sie hatte ihn noch vor mancherlei Fettnäpfchen bewahren können.
"Hallo kleine MacAdams." brüllt er das Auto an und winkt kurz bevor er weiter schlurft.
Ich verdrehe die Augen. Hoffentlich erzählt er nicht im Dorf herum das Ava MacAdams in fremden Autos mit fremden Männern herum knutscht!
"Machs gut, Darling." raunt Tristan an mein Ohr als er mich am Hals küsst. Seine Hand wandert schon wieder unter mein Shirt. "Ich werde dich vermissen."
"Ich dich auch. Und wie." stöhne ich. Meine Finger krallen sich in die Polster.
Seine Fingerspitzen schieben sich unter meinen BH und kneten meine Brustwarzen. Sofort stellen diese sich auf.
Ich lasse los und kralle mich statt in die Sitzpolster nun in sein Shirt. "Oh Tristan." Mein Körper reagiert sofort auf ihn. Zwischen meinen Beinen sammelt sich Feuchtigkeit, das Herz beginnt zu rasen.
"Ich will nur das du mich nicht vergisst." stöhnt er und küsst mich intensiv mit Zunge.
So ein Spinner! Wie könnte ich.
Irgendwann können wir uns doch von einander lösen und ich steige aus. Ich drehe mich noch einmal um und winke. Tristan hupt zur Antwort und wendet den Wagen. Er winkt und fährt Richtung Ortsausgang.
"Ach, auch schon da." empfängt Mum mich im Wohnzimmer. Irgendwie scheint sie sauer zu sein.
"Jup." sage ich nur und möchte mir in der Küche etwas zu trinken holen. Doch sie stellt sich mir in den Weg. "Ich wollte mit dir reden. Am Freitag schon. Doch da warst du ja plötzlich verschwunden." meckert sie.
"Verschwunden? Ich hatte dir doch einen Zettel ..."
"Ja ja das schon, aber warum diese Heimlichtuerei?" unterbricht sie mich. Teils wirkt Mom wütend, teils enttäuscht.
"Welche Heimlichtuerei?" Frage ich unschuldig und gehe um sie herum Richtung Küche.
Mum folgt mir. "Na warum stellst du ihn uns nicht vor? Ich würd’ gern wissen bei wem meine Tochter ihre Nächte verbringt!", fragt sie fordernd. Aha daher weht der Wind. Die Neugier spricht aus jedem ihrer Worte.
Ich drehe mich zu ihr um und sehe ihr ins Gesicht. "Mum, du bist einfach nur neugierig." lache ich. "Du kannst es nicht ertragen das ich einen Freund habe den du nicht kennst oder?"
Ihr Gesichtsausdruck sagt alles. Ich habe ins Schwarze getroffen. Dennoch versuche ich erneut zu begründen. "Aber ich habe dir doch schon alles erzählt. Er heißt Eddie ..."
"Ja klar. Und dieser 18 jährige soll so ein Auto fahren?" schnaubt sie, gestikuliert mit beiden Händen in der Luft herum und verdreht die Augen.
"Was du dich immer an diesem Auto aufgeilst." rufe ich lauter als beabsichtigt und werfe die Atme in die Luft. "Seine Familie hat eben Geld und sie tragen es zur Schau. Na und. Wenn es dich stört das ich reiche Freunde habe, hättest du mich nicht an dieser Privatschule anmelden müssen."
Das war hart. Denn genau genommen war ich es, die unbedingt dort hin wollte und Mum bedrängt hat mich anzumelden und das monatliche Schulgeld aufzubringen.
"Tut mir leid." murmle ich beschämt mit gesenktem Blick.
"Schon gut." sagt sie und setzt sich an den Tisch. "Ich bin nur etwas traurig. Wir haben so eine gute Beziehung zueinander. Wir hatten nie Geheimnisse. Und nun." Ihre schlanke Gestalt wirkt gekrümmt. Irgendwie deprimiert.
Sie hat recht und mit einem mal habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich setze mich ihr gegenüber und nehme ihre Hand in meine. "Es tut mir leid, Mum. In diesem Fall muss ich leider ein Geheimnis vor dir haben." Ich sehe sie an. "Du musst aber keine Angst haben." schiebe ich schnell nach.
Die Skepsis springt mich fast an durch ihren Blick. Aber sie nickt. Schweigen breitet sich wie eine zähflüssige Masse zwischen uns aus. "Na gut.", sagt sie schließlich. "... Aber wenn ich erfahre das dieser Kerl dir irgendwie weh tut oder du durch ihn auf die schiefe Bahn gerätst. Dann gnade ihm Gott!" Wie paralysiert starre ich auf ihren erhobenen Zeigefinger.
Bei ihrem ernsten Gesichtsausdruck, den meine Mutter wahrlich nicht häufig an den Tag legt, und meinem abstrusen Geheimnis wegen, muss ich plötzlich anfangen zu lachen. Ich lache und kann gar nicht mehr aufhören.
Mum sieht mich an als befürchte sie ich hätte den Verstand verloren, doch dann lacht sie einfach mit.
Nachdem wir uns beruhigt haben mahnt sie aber noch "Ich verlasse mich auf deinen gesunden Verstand, liebe Tochter, dass du keinen Mist baust!"
Ich verspreche es ihr mit im Schoß gekreuzten Fingern.

 

 Lorelai

 

"Lorelai, du musst herkommen! Sofort!" befiehlt Lucy hysterisch am Telefon.
"Was ist denn los, Lucy? Ich bin gerade am frühstücken."
"Dann beende es. Komm hier her! Sofort!" kreischt sie bevor sie einfach auflegt.
Verwirrt schaue ich über den Tisch hinweg Ava an. "Lucy ist völlig durch den Wind."
"Was ist denn los?" fragt Ava mit vollem Mund.
"Ich weiß es nicht. Nur eines ist sicher glaube ich, Lucy hat einen Nervenzusammenbruch."
Ava schaut mich mit großen Augen an. Da ich keine Anstalten mache aufzubrechen fragt sie "Willst du nicht zu ihr fahren?"
"Mach ich ja gleich. Darf ich nicht einmal mehr austrinken?"
Ava zieht die Augenbraue hoch. "Sicher."
Um sie nicht weiter zu verärgern und Lucy vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren breche ich fünf Minuten später dann doch auf. Ich gestikuliere Walt das Ava die Rechnung übernimmt und verlasse das Cafè.

 

Als ich 30 Minuten später meinen Jaguar auf dem Parkplatz vorm Salon parke kommt Lucy schon eilig auf mich zu geeilt. "Da bist du ja endlich!" ruft sie noch im gehen. Heftig nach Luft japsend, gebückt und heftig atmend mit den Händen auf den Oberschenkeln bleibt sie vor mir stehen.
"Süße, was ist denn los?" frage ich leicht gereizt nachdem ich aus dem Fahrzeug gestiegen bin.  
Statt einer Antwort deutet sie nur mit der Hand Richtung Salon hinter sich.
Ich sehe hin und entdecke Tom im Gespräch mit einem Streifenpolizisten vor unserer geöffneten Ladentür.
Ich greife Lucy unter den linken Arm und ziehe sie mit mir mit.
"Was zum Teufel ...?" murmle ich. Laut rufe ich an Tom gerichtet "Tom, was ist hier los?"
Er dreht sich zu mir um und trotz ernstem Gesichtsausdruck umspielt ein Lächeln seine Mundwinkel. "Lorelai."
"Ja genau. Was ist hier los? Was wollt ihr hier?" wiederhole ich ernergisch meine Frage und deute mit der linken Hand auf ihn und seinen Kollegen.
"Du weißt es noch nicht?" stellt er mir eine Gegenfrage und sieht zur hochrot angelaufenen Lucy, die noch immer wie ein nasser Sack an meinem rechten Arm hängt.
Diese schüttelt atemlos den Kopf.
"Ich weiß von nichts. Was gibt’s denn zu wissen?" Doch langsam kommt mir der Gedanke, dass irgendwas in meinem Laden geschehen sein muss. Ohne Zeit mit weiteren Fragen und Gegenfragen zu verplempern schiebe ich mich an den beiden Männern vorbei um ins Innere des Salons zu treten. Doch da hält mich der fremde Polizist schon mit ausgestrecktem Arm auf. "Stopp. Der Tatort darf nicht verunreinigt werden."
Bitte was?
"Tatort?", murmle ich kaum hörbar. Fassungslos starre ich zu ihm auf. "Was für ein Tatort?" Mein Kopf fliegt zu Tom herum. "Tom Griffiths, du sagst mir sofort was hier los ist!" Der angesprochene zuckt unmerklich zusammen. Dann greift er mich sanft am Ellbogen und führt mich wieder auf den Gehweg zurück. "Komm mit! Ich erklär’s dir."
Ich nicke und folge ihm. Lucy hat sich inzwischen auf dem Fenstersims unseres Schaufensters niedergelassen, das Gesicht in die Hände vergraben. Ein paar lose Locken hängen links und rechts von ihrem Gesicht schlapp herunter. Innerlich kämpfe ich gegen den Drang sie zu trösten an, doch zuerst will ich wissen warum mein Laden ein Tatort ist.
"Letzte Nacht ist bei euch eingebrochen worden." beginnt Tom und sieht mir tief in die Augen. Wieder einmal fällt mir auf, wie blau seine Augen sind. "Der Laden sieht wüst aus. Die haben ganze Arbeit geleistet."
Ich sehe ihm in die Augen. "Was heißt das? Wieso eingebrochen? Wer? Wie schlimm ist es?", stammle ich verwirrt.
"Sieh dir Lucy an dann weist du es."
Dann muss es sehr schlimm sein. Ach du Scheiße!
Ich schlucke. "So schlimm?"
Er nickt. "Es ist alles kaputt. Die Spiegel, die Becken, alles ist durcheinander."
Ich schlage vor Entsetzen die Hand vor den Mund. Meine Beine scheinen ihren Dienst quittieren zu wollen.
"Sobald die Spurensicherung durch ist möchte ich dich bitten mit mir in den Laden zu gehen um nachzusehen was gestohlen wurde."
Ich nicke erneut. "Natürlich."
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Faustschlag in die Magengrube. Mit einem Mal wird mir bewusst, dass unsere Existenz zerstört wurde. Unser Baby. Unser Traum. Alles kaputt. Deckt unsere Versicherung das ab? Ich weiß es nicht. Ich weiß gerade gar nichts mehr. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper und lässt ihn erschaudern.
Besorgt mustert er mich und plötzlich tut er etwas Unerwartetes. Tom nimmt mich vor aller Augen tröstend in die Arme und küsst mich auf den Scheitel. "Scht. Es wird alles gut." raunt er in mein Haar.
Ohne darüber nachzudenken, als wäre es ein Automatismus, schlinge meine Arme um seine Taille und verkrieche mein Gesicht an seinem Shirt. Gierig sauge ich seinen Duft ein. Hart spüre ich seine Muskeln unter dem Stoff.
Ich weiß nicht wie lange wir so da stehen, doch mit einem Mal werden wir durch einen Ruf aufgeschreckt.
"Inspector Griffiths, wir sind dann hier fertig."
Tom lässt mich los und antwortet "Ist gut. Danke Stone!"
An mich gerichtet, mit leiser Stimme sagt er "Bist du bereit?"
Ich wische mir mit dem Handrücken über die Nase und antworte "Ja."
Gemeinsam betreten wir zu dritt den verwüsteten Salon. Trostspendend habe ich einen Arm um Lucy gelegt. Ihr fülliger Körper wird von heftigen Schlurchzern geschüttelt. Unter unseren Füßen knirschen Fragmente von Glas, Porzellan und Holz. Vorsichtig um nicht auszurutschen gehen wir weiter. Der Empfangstresen ist als solcher kaum noch zu erkennen. Nur ein hölzerner Stumpf ist übrig. Der Laptop liegt mit gebrochenem Rückrad zertreten auf dem Boden. Die einzelnen Seiten des Auftragsbuches sind im ganzen Raum verteilt. In Lucys Revier, dem Frisiersalon, sieht es aus als wäre eine Elefantenhorde hindurch getrampelt. Haarbüsten, Klammern, Scheren, sämtliche Frisierutensilien liegen überall verstreut. Jemand hat mit unseren Handtüchern ein Feuer gemacht. Verkohlte Überreste derer kleben unter Löschschaum am Boden fest. Das so aufwändig restaurierte Parkett ist von Furchen, Brandspuren und Dreck ruiniert.
Entsetzt schreit Lucy bei diesem Anblick auf und läuft weinend wieder hinaus auf die Straße.
"Kannst du noch?" will Tom leise wissen.
Ich nicke stumm und gehe den Gang entlang in die hinteren Räumlichkeiten. Hier sieht es nicht besser aus. Die Massageliege und der Sessel liegen mit aufgeschnitten Polstern auf der Seite. Der Duft der verschiedenen Körperöle die allesamt auf dem Boden geschüttet wurden will nicht so recht in dieses Szenario passen.
Nun packt mich ebenfalls die Traurigkeit. "Mein Baby.", flüstere ich, mache einen Schritt, gleite auf dem Öl aus und gerate ins straucheln. Gerade noch rechtzeitig ist Tom zur Stelle und fängt mich auf. Wohl aus dem Reflex heraus in diesem Chaos beschützt zu werden, falle ihm um den Hals. Er versteht und legt erneut tröstend die Arme um mich. "Ich versteh dich." murmelt er und streichelt sanft meinen Rücken. "Ich versteh’s." Nach einigen Minuten fragt er dennoch. "Kannst du erkennen ob etwas fehlt?"
Ich löse mich von ihm und sehe mich um.  Zerstörung. Ein Bild der Zerstörung. Überall. Aber ob etwas fehlt? Ich weiß es nicht.
Was gibt es bei uns auch schon zu holen? Wir haben ja nicht einmal ein Büro hier wo man hätte einen Tresor oder ähnliches vermuten können. Das sage ich auch Tom.
Er nickt. "Uns sonst was? Teure Geräte? Fehlen die?"
"Teure Geräte?" Jetzt muss ich doch lachen. "Was denn für teure Geräte? Das hier ist ein Frisier Schrägstrich Massagesalon." Ich male mit den Zeigefingern Gänsefüsschen in die Luft.
"Ich weiß ja auch nicht. Irgendwas muss sie doch angelockt haben." sucht er nach einer Erklärung für dieses Chaos.
"Ich weiß es nicht. Wir horten hier keine Schätze. Es gibt keine teuren Einrichtungsgegenstände oder Wertgegenstände." erkläre ich ihm. "Die können wir uns auch gar nicht leisten.", füge ich in Gedanken hinzu.
Er notiert sich alles im Geiste. Schließlich sagt er "Gibst du mir bitte mal dein Handy!"
"Ich verstehe nicht ... ." sage ich, ziehe es aus meiner Gesäßtasche und reiche es ihm dennoch.
Tom nimmt es entgegen und tippt etwas ein. Anschliesend gibt er es mir mit den Worten "Hier hast du meine Privatnummer. Falls dir doch noch etwas einfällt oder Lucy und du etwas bemerkt."
Verwundert nehme ich und schiebe es in meine Hosentasche zurück.
"Du kannst mich jederzeit anrufen.", sagt er und an seinen Augen kann ich ablesen, dass er das Ernst meint.
"Ist gut.", nicke ich.
Das Chaos aufzuräumen wird mehrere Tage dauern. Zumal wir erst einmal ein Schuttcontainer benötigen. Und ich als Frau für das bürokratische mich zuerst einmal darum kümmern muss alles mit der Versicherung abzuklären.
"Wo ist Max eigentlich?" will ich am Ende des Rundgangs von Tom wissen.
"Dies ist der bisher fünfte Einbruchsfall in den letzten 2 Monaten. Max ist in London um bei einem Auktionshaus Uhren und Schmuck in Augenschein zu nehmen. Dieser könnte aus einem Einbruch bei einem Juwelier hier aus Cambridge stammen." erklärt er ausführlich.
"Ich verstehe. Also ist mein Fall dein eigener."
"Ich würde mich freuen, wenn du mein privater Fall werden würdest!" Er zwinkert mir zu. "Aber für’s erste muss mir das hier wohl genügen."
Da ist er wieder, der alte Tom.
Ich schenke ihm ein dankbares Lächeln.
"Brauchst du Hilfe beim Wiederaufbau?" fragt er.
Ich lasse meinen Blick schweifen und seufze laut. "Erst einmal muss ich abwarten was die Versicherung sagt. Wenn die nicht übernimmt, war’s das eh."

 

Erst später, als die Polizei längst abgezogen war, raffe ich, dass er mir sicher nicht ganz uneigennützig seine Privatnummer gegeben hat. Dazu der Spruch, ich könne ihn zu jeder Zeit anrufen. Typisch Tom. Das ist genau seine Masche.

Mal von der anderen Seite aus betrachtet

 Tristan

 

Unterwegs hole ich mir noch was zu essen beim Italiener. Während ich auf meine Canelloni warte entscheide ich mich zusätzlich noch eine Flasche Rotwein mit nach Hause zu nehmen. Nach zwei Tage Abstinenz Ava zu liebe kann ich die jetzt ganz gut gebrauchen.
Mit einem Glas in der Hand sitze ich später auf meinem Balkon und lasse die letzten Tage Revue passieren.
Was ist bloß in mich gefahren? Eine Beziehung mit einer meiner Schülerinnen einzugehen. Einer minderjährigen Schülerin.
Aber vom ersten Moment an als ich sie sah hatte ich eigentlich schon verloren. Diese fantastischen eisblauen Augen, der sanfte schüchterne Blick unter ihrem rotblonden Haar. Obwohl Dutzende andere Schüler um sie herum in meinem Raum sitzen, sah ich nur sie.
Ihr Blick stets abwesend verträumt und dennoch ist sie hellwach und da.
Vom ersten Moment an wusste ich sie ist reifer als ihre Mitschüler. Habe sie beobachtet wie sie allein, in ihre Bücher versunken stundenlang da sitzen kann. Wie sie sich gibt. Wie sie redet. Ganz anders als Gleichaltrige.
Und ich ahnte das sie genau um ihre Reize weiß und diese auch gezielt einzusetzen weiß.
Und ich hab mich gewehrt, wochenlang widerstanden. Zwecklos. Sie hatte mich vom ersten Moment an. Hals über Kopf habe ich mich in sie verliebt.
Und jetzt wo ich sie näher kennengelernt habe bin ich nur noch mehr davon überzeugt das richtige getan zu haben!
Hätte ich jetzt nicht gehandelt, hätte ich sie über kurz oder lang an diesen Eddie Trueman verloren. Das könnte ich nicht ertragen. Vorwürfe, sie verloren zu haben, hätten mich bis in alle Ewigkeit verfolgt. Der Vorwurf, feige gewesen zu sein. Nun bin ich das Gegenteil, ich bin mutig. Nein, wir sind es beide. Unsere Beziehung ist vor dem Gesetz verboten. Wir müssen aufpassen. Höllisch aufpassen. Aber wir kriegen das hin. Ich bin nur gespannt ob ich, ob wir beide uns in der Schule beherrschen können damit niemand etwas bemerkt.
Da meldet sich mein Handy. Eine Nachricht von Ava. "Ich wollte mich bei dir für das schöne Wochenende bedanken! Ich hab dich lieb! Schlaf' gut."
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Schnell tippe ich eine Antwort. "Ja, es war ein schönes Wochenende. Ich freue mich schon auf das nächste! Schlaf' du auch gut. Bis morgen. Kuss, Tristan."
Entspannt lehne ich mich an das Geländer und lasse meinen Blick und Gedanken weiter schweifen.

 

Tom

 

Sie tat mir so leid wie sie so erschüttert da stand vor dem Scherbenhaufen ihrer Existenz. Und ausgerechnet ich bin es der den Fall lösen, der den Schuldigen finden muss.
Fragt sich nur für wen diese ganze Geschichte schlimmer ist? Für Lorelai oder mich.
Bei ihr steht, falls die Versicherung nicht zahlt die Existenz auf dem Spiel.
Bei mir mein Herz.
Ich liebe diese Frau! Seit ich sie auf so einem dämlichen Dorffest das erste mal gesehen habe. Normalerweise hasse ich solche Feste und meide sie wie der Teufel das Weihwasser, doch gerade an diesem Tag war ich dort. Ich hatte ein Date. Mit einer anderen. Doch die war ganz schnell vergessen als ich Lorelai erblickte. Sie tanzte ausgelassen vor der Bühne. Ihr blaues kurzes Kleid umspielte perfekt ihre Kurven. Das lange lockige kastanienbraune Haar wehte sanft als sie sich drehte und drehte.
Als sich unsere Blicke zum ersten Mal trafen schenkte sie mir ein Lächeln.
Von diesem Moment an wusste ich, dass ist die einzige Frau die mich glücklich machen kann. Und ich wollte seit damals nur noch eines - sie glücklich machen.
Leider habe ich meine Chance damals selbst vermasselt.
Vor lauter Aufregung verfiel ich in mein altes Muster. Machte einen lahmen Machospruch, ließ das Arschloch raushängen und grub sie rücksichtslos an. Ich glaube, damit hatte ich es mir bei ihr auf ewig versaut.

In der Londoner Gegend wo ich aufwuchs lernte ich schnell Frauen nur als Zeitvertreib, Spielzeug oder Ware anzusehen. Bloß keine Gefühle investieren. Sie sind es nicht wert. Rücksichtslos habe ich seit jeher mit ihnen gespielt. Sie benutzt.
Erst als David, mein jüngerer Bruder, in eine Schießerei geriet, wachte ich auf. Mit einem Mal wollte ich das nicht mehr. Ich wollte nur noch weg und bewarb mich bei den Guten. Ich ging zur Polizei. Und zog weg aus London. Weg von den Leuten die mir nicht gut taten.
Seit drei Jahren ist Lorelai jetzt mit dem Langweiler Cooper zusammen. Ausgerechnet meinem langweiligen Partner. Grinsemann nenne ich ihn. Beliebt bei den Kollegen. Stets freundlich und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sieht immer wie aus dem Ei gepellt aus und hat eine Wirkung auf Frauen da könnte man neidisch werden. Den guten Frauen. Ich könnte kotzen. Für Männer wie mich blieben nur die billigen Dinger übrig. Bei ihnen kamen Männer wie ich an.
Und jetzt hat er ihr noch diesen sau blöden Antrag gemacht.
Und ich blöder Idiot seh nur zu und schmachte sie aus der Ferne an.
Doch Cooper's Antrag war der sprichwörtliche Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ohne mir lange den Kopf über eine geeignete Strategie zu zerbrechen habe ich ihr spontan meine ehrliche Meinung gesagt. Und an ihrer Reaktion habe ich gesehen, dass das nicht die schlechteste Idee war.
Mit erhobener Hand bedeute ich dem Barkeeper das ich noch Durst habe.
Es vergeht einige Zeit in der ich mich im Spiegel hinter dem Tresen schweigend anstarre und trinke.
Schließlich komme ich zu dem Entschluss in Sachen Lorelai Nägel mit Köpfen zu machen. Wenn ich jetzt nicht bald mal meinen Arsch hoch kriege verliere ich sie an Cooper.

 

 

Die berühmten drei Worte

 Ava

 

Am Montag morgen verbrachte ich deutlich mehr Zeit als sonst damit mich für den Tag fertig zu machen. Ich schminke mich etwas mehr als sonst und entscheide mich heute für einen hohen Pferdeschwanz als Frisur.
Am liebsten hätte ich mich für Tristan auch sexy angezogen, doch das ließ die verpflichtende Schuluniform nicht zu.
Zu gern würde ich ihm zeigen das er stolz darauf sein kann, dass ich seine Freundin bin. Na ja, das nächste Wochenende kommt bestimmt.
"Hey sag mal, bist du geschminkt?" fragt Mum als ich zu ihr in die Küche runter komme.
"Ach Quatsch." winke ich ab.
Sie hat es also bemerkt.
"Doch na klar. Du bist geschminkt. Du hast dich verändert." lacht sie und beobachtet mich während ich meine Sachen zusammen suche.
"Du weißt nicht zufällig wo meine Jacke ist?" versuche ich abzulenken. Mein Blick fliegt den Flur entlang.
"Welche Jacke denn?" fragt sie und fügt hinzu "Eine Mutter spürt sowas, weißt du. Ich sag dir du hast dich verändert. Und ihm haben wir das zu verdanken oder?"
Ich drehe mich zu ihr "Wer? Tri ... ähm Eddie?"
"Ja, dein Freund meine ich." stimmt sie nickend zu. "Ich find's gut. Ehrlich! Erst vor ein paar Wochen hab ich zu Max gesagt, dass ich mich freuen würde wenn du mal ein wenig aus dir raus kommen würdest. Mal ein bisschen so wie ich wärst." Jetzt lacht sie. Mum scheint die Tatsache das ich einen festen Freund habe wirklich gut zu finden.
"Ähm ja. Er tut ... tut mir gut. Schätze ich. Es ... es ist was ganz neues für mich." stammle ich. "Weißt du nun wo die Jacke ist?" versuche ich das Thema zu wechseln.
"Welche Jacke denn andauernd?" lacht sie und mustert mich über den Rand ihrer Tasse.
"Die hellblaue Strickjacke. Ich will sie heute anziehen." Mein Tonfall nimmt langsam einen genervt jammernden Unterton an.
"Im Wäschekorb mit der Bügelwäsche. Ich hab sie mir ausgeliehen." erklärt sie achselzuckend. "Aber weißt du was ich nicht verstehe." ruft sie mir nach als ich im Haushaltsraum neben der Küche verschwinde.
"Was denn?"
"Wieso du dich für die Schule so ausbrezelst? Er sieht es doch gar nicht." Sie ist mir gefolgt und steht mittlerweile an den Türrahmen gelehnt mit verschränkten Armen da. "Oder hast du heute Nachmittag noch was vor?" Ihr spöttisches Grinsen lässt mich die Augen verdrehen.
"Ach Mum." murmle ich und greife nach der ganz oben auf dem Wäschekorb liegende Strickjacke und versuche sie mir eilig über die Bluse zu ziehen.
Mum macht einen Schritt auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung. Hilflos lasse ich die Arme schlaff herunter hängen. "Ich freu mich wirklich, Schätzchen! Schön das du glücklich bist! Aber weißt du was mich noch glücklicher machen würde?"
Ich löse mich von ihr und sehe zu ihr auf. "Nein. Was?"
"Wenn ich deinen Süßen mal kennenlernen könnte." grinst sie und hilft mir in die Jacke.
Ich lache und gehe an ihr vorbei. Sie folgt mir und ruft mit gespielt wahnsinniger Stimme "Ich bin soooo neugierig."
"Mum." lache ich und verdrehe die Augen. Mittlerweile bin ich an der Haustür angekommen und reiße sie auf. "Kommst du? Ich habe Hunger." rufe ich über die Schulter.
Mum greift sich ihre Tasche und folgt mir hinaus. Gemeinsam fahren wir zum allmorgendlichen frühstücken zu Walt.
Mitten beim Frühstück klingelt Mum Handy. Es ist Lucy und die scheint völlig durch den Wind zu sein. Vielleicht hatte sie ja Streit mit Ben ihrem Mann und braucht eine Freundin zum reden. Jedenfalls soll Mum sofort in den Salon kommen. Doch die lässt das kalt. Als ich sie frage wann sie denn gedenkt los zu fahren, fragt sie genervt ob sie wenigstens noch austrinken darf. Sie wirft einen sehnsüchtigen Blick auf ihre halb gegessenen Waffeln auf dem Teller vor ihr. Dann bricht sie schließlich doch auf.
Ich esse in Ruhe auf und hole mir bevor ich gehe mein tägliches Futterpaket von Walt ab. "Einen schönen Tag dir, Ava." wünscht er.
Und wie schön dieser Tag werden wird!
Ich strahle ihn an und wünsche ihm ebenfalls einen schönen Tag.

 

Am Schultor treffe ich auf Mary die mich sofort in ein Gespräch über ihr Wochenende verwickelt. Ich höre ihr halbherzig zu und halte verstohlen Ausschau nach Tristan. In der Ferne entdecke ich sein Auto auf dem Lehrerparkplatz. Er ist also schon hier. Mein Herz klopft wie wild als ich das Gebäude betrete.
In der ersten Stunde steht Bio auf dem Stundenplan. Gemeinsam steigen wir die Stufen in den zweiten Stock hinauf.
Mister Darwin ist bereits da und zeichnet ein Tafelbild an die riesige grüne Tafel. Als wir mit einigen anderen Schüler den Raum betreten dreht er den Kopf und grüßt freundlich.
Nachdem wir nebeneinander in der Bank platz genommen haben, nimmt sich Mary endlich mal die Zeit mich genauer in Augenschein zu nehmen.  Mit in der Hand aufgestütztem Kopf sieht sie mich von oben bis unten an. "Irgendwie siehst du verändert aus." stellt sie schließlich fest.
"Ach echt? Du bist die zweite die das heute bemerkt." winke ich ab.
"Auf jeden. Du bist geschminkt. Das bist du sonst nie." grinst meine beste Freundin. "Wie heißt er?"
Sie hat es erraten.
"Tristan." antworte ich ohne vorher drüber nach zu denken.
Ups. Innerlich ohrfeige ich mich für diese Fahrlässigkeit.
"Tristan. Kenn ich ihn?" hakt sie mit nachdenklichen Gesichtsausdruck nach.
Ich schüttel den Kopf und denke panisch über eine Ausrede nach.
Da erhalte ich Hilfe von der Schulglocke. Der Unterricht beginnt.
Mister Darwin ist zwar einer der nettesten Lehrer an der Schule, aber er ist auch einer der strengsten. Es ist ein Geben und Nehmen. Sind wir leise und aufmerksam - ist der Unterricht angenehm und es gibt weniger Hausarbeiten. Sind wir unkonzentriert und stören im Unterricht - kann er sehr ungehalten werden und es hagelt Zusatzaufgaben. Demzufolge herrscht sofortige Ruhe als sich unser Biologielehrer vorn an der Tafel umdreht und die Klasse begrüßt.
Ich habe also 90 Minuten Zeit um mir eine gute Ausrede für Mary einfallen zu lassen. Sie muss wirklich gut sein, denn wie ich Mary kenne weiß zur Mittagszeit Luise das ich einen Freund habe und zum Schulschluss weiß es die halbe Schule.
"Jetzt erzähl endlich!" ist tatsächlich das erste was Mary sagt sobald der Unterricht vorüber ist.
"Ja okay. Also er heißt Tristan und ist ehemaliger Schüler dieser Schule. Vor einigen Wochen haben wir uns zum ersten Mal getroffen. Da war er beim Fechten dabei. Da war so ein ... Turnier. Ja das war es."
Mary zieht eine Augenbraue hoch.
"Er hat zugesehen. Als Ehemaliger eben. Er wollte ... er hat mal wieder ... seine alte Schule besuchen wollen." gerate ich ins straucheln.
Mary zieht die zweite Augenbraue hoch.
"Ja, er war hier mal Schüler und er hat hier gefochten. Er wollte unseren Trainer besuchen. Der auch seiner war."
Ich fand meine Ausrede mit dem fechten so gut. Mary interessiert sich null dafür. Doch jetzt kommt sie mir total dämlich vor.
"A-h-a." sagt sie gedehnt. "Und dabei seit ihr euch aufgefallen? Wie alt ist er denn?"
Oh oh.
"18." erwidere ich schnell.
"Aha." nickt sie nachdenklich. "Und wieso erfahre ich nichts davon? Ich bin deine beste Freundin."
"Ähm, hat sich noch nicht ergeben. Wir sind ja auch erst seit diesem Wochende richtig zusammen."
"Okay. Cool! Na ich hoffe, ich bekomm ihn bald mal zu Gesicht!" nickt sie schließlich. Und damit ist die Fragerunde beendet.
Das war's? Mehr interessiert sie nicht?
Erstaunt bin ich jetzt die jenige die eine Augenbraue hebt. Bevor unsere Wege sich erst einmal trennen weil wir jetzt in unterschiedliche Kurse müssen, bitte ich Mary noch schnell mit niemanden darüber zu reden da es mir irgendwie peinlich ist.
Diese Ausrede nimmt sie mir ohne Zögern ab. Da ich ja nun mal ich bin. Überhaupt Interesse an einem Mann zu haben ist sowas von untypisch für Ava MacAdams. Zumindest bis vor wenigen Wochen.

 

Zur Mittagszeit treffen wir uns wieder und essen gemeinsam in der Mensa. Während ich mein Tablett durch das Labyrinth aus Menschenbeinen, Schultaschen und Stühlen hindurch balanciere lasse ich unauffällig meinen Blick durch den Saal schweifen. Tristan kann ich nirgends entdecken. Scheinbar isst er woanders zu mittag.
Dafür entdeckt uns Eddie der uns daraufhin zu sich winkt.
Als wir an dem Tisch ankommen wo er zusammen mit einem weiteren Jungen sitzt, nimmt er schnell seine Schultasche vom Stuhl neben sich damit ich mich da hinsetzen kann. Mary setzt sich mir gegenüber neben den Fremden. Ich habe ihn noch nie gesehen. Er hat dunkelblondes mittellanges Haar und grüne Augen. Mit seiner schwarzen Skinnyjeans und seinem hellblauen Hemd fällt er inmitten der Schüler hier außerdem auf.
Mary scheint ihn wohl auch nicht zu kennen. "Hi. Ich bin Mary." begrüßt sie den Fremden.
"Ähm, das ist Michel." übernimmt Eddie für ihn das vorstellen. "Er ist ein neu hier. Gerade hergezogen. Aus Calais stimmt's?" Er sieht Michel fragend an. Dieser nickt zustimmend.
"Er kann noch nicht so gut englisch." erklärt Eddie weiter.
"Nun übertreib mal nicht, Eddie. Eine Begrüßung verstehe ich schon." lässt Michel in gebrochenem Englisch verlauten.
Erstaunt reißt Eddie die Augen auf. "Und mir gegenüber tust du als würdest du nichts verstehen."
Michel fährt sich durch Haar. "Nun. Du bist dabei so witzig wenn du mir etwas versuchst zu erklären." lacht er und zeigt dabei sexy Grübchen in den Mundwinkeln.
Mary stimmt in sein Lachen mit ein. "Ich habe in Calais Englisch als Wahlpflichtfach gehabt." erklärt er weiter.
Eddie scheint sich etwas hintergangen zu fühlen. "Na toll. Das hättest du mir sagen können. Und ich mach mich die ganze Zeit zum Volldepp."
"Ach komm schon, Eddie. Das war doch lustig." springt Mary für Michel in die Bresche.
Er scheint ihr zu gefallen. Zum Glück. Dann ist, wie ich Mary kenne meine Geschichte schon fast wieder vergessen. Sie beginnt gerade mit ihrer eigenen Liebesgeschichte.
Während des ganzen Essens unterhalten dich die beiden fast ausschließlich nur miteinander. Eddie und ich grinsen uns an. Auch Michel scheint Mary nett zu finden.
"Ist der süß! Hast du seinen Arsch gesehen als sie gegangen sind?" Beginnt sogleich die Schwärmerei nachdem die Jungs die Mensa verlassen haben. "Ich sag's dir, Franzosen sind die besseren Männer."
Männer?
Ich nicke stumm. Ich bin eher an einem gewissen britischen Arsch interessiert.
"Wir haben uns für heute Nachmittag verabredet. Michel will das ich ihm unser schönes Cambridge zeige." flötete sie auf dem weg hinauf zum Englischunterricht.
"Du meinst du hast ihn diesen Stadtrundgang aufgenötigt." versuche ich sie lachend ein wenig zu ärgern. "Es war mehr als deutlich das du ihn am liebsten gleich auf dem Tisch da vernascht hättest."
Frech streckt sie mir die Zunge raus. "War das so offensichtlich?"
Ich nicke lachend.
"Ach ja und." winkt sie ab. "Wenn ich die Schwingungen zwischen uns richtig gedeutet habe, ging es ihm ähnlich."
Mary ist immer sehr überzeugt von sich  selbst und ihrer Wirkung auf das starke Geschlecht.
"Außerdem hatte ich schon ewig keinen Freund mehr. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern wie es ist jemanden zu küssen." jammert sie theatralisch und hält sich den Handrücken vor die Stirn. Es ist fast so als wollte sie hier auf der Stelle einen Ohnmachtsanfall demonstrieren. Ich erinnere mich noch ganz gut daran. Es ist keine zwei Monate her das sie in einer Beziehung war.
Marys Anfall scheint vorüber und sie geht ungerührt weiter.
"Ich hab da eine Idee." jubelt sie plötzlich und hält mich am Arm auf. "Doppeldate. Du mit deinem Tristan und Michel und ich."
Keine gute Idee.
Verzweifelt presse ich die Lippen aufeinander.
"Ich ... ich denke nicht das ... Tristan und ich ..."
In diesem Moment höre ich wie jemand hinter mir scharf die Luft einzieht.
Erschrocken wirbel ich herum. Tristan steht hinter mir und erdolcht mich fast mit seinem Blick. Ich hatte ihn gar nicht kommen gehört. Mit einem Mal wird mir ganz heiß. Sicherlich bin ich rot wie eine Tomate. Ohne ein Wort zu sagen geht er vorüber.
"Hi Mister Redmayne." flötete meine Freundin.
Er ignoriert sie und geht an uns vorüber.
"Weist du was mir gerade einfällt. Ein echt komischer Zufall." kichert Mary während wir ihm in den Raum folgen.
Da ich nicht antworte fährt sie fort "Mister Redmayne heißt auch Tristan." Sie prustet los. "Wer hat schon so einen ausgefallenen Namen. Und jetzt sind es plötzlich zwei die so heißen."
Ich brumme etwas Unverständliches und bin mir nicht sicher ob er sie vielleicht gehört hat.
Tristan wirft seine Tasche vorn auf das Lehrerpult und lehnt sich anschließend mit verschränkten Armen daran, abwartend das alle den Raum betreten und sich gesetzt haben. Das er wütend ist spüre ich bis hier her.
Ruhelos lässt er seinen Blick über unsere Köpfe schweifen. Als er dabei mich streift bleibt sein Blick für einen Wimpernschlag auf mir ruhen. Wenn  Blicke töten könnten wäre ich jetzt zumindest verletzt. Ich ahne das meine Äußerung draußen im Gang noch Konsequenzen haben wird.
"Ruhe bitte!" ruft er laut in den großen Raum. "Hallo."
Einige gemurmelte Grüße kommen zurück.
"Ihr wundert euch sicher mich statt Miss Tate hier zu sehen. Die Kollegin ist erkrankt. Daher vertrete ich diese Woche den Englischunterricht."
Freudiges Gemurmel von Seiten einiger Schülerinnen braust auf. 
"Ruhe!" befielt er dermaßen scharf das sofortige Ruhe einkehrt.
Ruhiger fährt er fort "Das passt ganz gut. Ich möchte in meiner Funktion als euer Klassenlehrer euch davon in Kenntnis setzen, dass in dieser Woche die Austauschschüler aus Frankreich bei uns eintreffen werden."
Wieder brandet Gemurmel auf.
Man sieht Tristan an das er seine Wut zügeln muss. Sein Kiefer mahlt verbissen. Schlieslich erzählt er weiter "Nochmal. Bitte seit freundlich zu ihnen und helft wo ihr könnt! Ich würde mich freuen, und hoffe das dieser Apell euch erreicht, wenn das Verhalten meiner Schüler in positiver Erinnerung bei unseren Gästen bleibt. Auch einer lobenden Erwähnung als gastfreundlichste Klasse unter meinen Kollegen wäre ich nicht abgeneigt." Mit diesem Statement hat er die Lacher auf seiner Seite. "Aber im Ernst, Leute, ich möchte mich für niemanden blamieren müssen." Tristans Blick wandert eindringlich über unsere Köpfe. Sein Lächeln verrutscht etwas.
Irgendwie fühle ich mich angesprochen und merke, wie mir heiß wird.
"Wo das nun geklärt ist, weiter jetzt im Stoff." Da ist es wieder, sein Lächeln.
Er wendet sich Unterlagen zu die er soeben aus seiner Tasche gezogen hat.
Eigentlich wäre jetzt zu erwarten das Mary sich jetzt in freudiger Erwartung über sexy französische Jungs auslässt, doch ihr ist inzwischen ein anderer süßer Franzose dazwischen gekommen und sie schweigt.
Claire und ihr Haufen hingegen tuscheln ungeniert weiter. Irgendwann reicht es Tristan und er schnauzt Claire an. "Miss Finnigan machen Sie mir die Freude und bleiben Sie nach dem Unterricht noch etwas bei mir."
Sofort ist sie still und funkelt ihn böse an. Sicher glaubt sie das ihr eh nichts passieren kann.
Irgendwie überstehen wir alle doch noch die restlichen Unterrichtsminuten.
Während ich betont langsam meine Sachen im Rucksack verstaue schiele ich immer wieder zu Tristan hinüber. Er steht wieder an das Pult gelehnt mit verschränkten Armen abwartend da. Claire bleibt demonstrativ auf ihrem Platz sitzen und schielt frustriert ihren Freundinnen hinterher wie sie allein den Raum verlassen. Ich wäre so gern Zeuge davon wie er sie zusammen staucht, doch leider schweigt er. Ich mache mich auf meinem Platz so klein wie möglich, doch er sieht mich und ruft "Miss MacAdams, wenn ich bitten dürfte!" Er deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Tür.
Zähneknirschend befolge ich die Anweisung und verschwinde. Nicht aber ohne ihm noch einen Blick zu zuwerfen.

 

Als letztes steht für heute Sport auf dem Stundenplan. Das erste Mal das ich Mister Evans wieder unter die Augen treten muss. Mein Herz klopft als ich in Sportkleidung den Platz betrete und mich zu meinen Klassenkameraden auf die Tribüne setze. In der Ferne sehe ich wie Evans auf der Laufstrecke in regelmäßigen Abständen Hindernisse aufstellt. Na toll, Hürdenlauf.
Als er zum Unterrichtsbeginn zu uns kommt, entschuldigt Julia ihre Freundin Claire sofort für ihr zu spät kommen. "Claire lässt sich entschuldigen, Mister Evans." säuselt sie zuckersüß. "Mister Redmayne hat noch etwas mit ihr zu klären."
"Na schön." brummt er nur. "Kommt mit. Bewegt euch!" brüllt er an uns alle gewandt.
Unter genervten Gemurmel folgt ihm die Klasse.
"So wie sie das sagt klingt es so als hätten sie etwas über eine Party zu klären." murmelt Mary.
Ich schaube nur.
Der Sportunterricht wird bei dieser Hitze zur Qual. Aber Evans ist ja bekannt dafür sich als Sklaventreiber zu betätigen.
Kaum bin ich danach wieder hergestellt und hole meinen Rucksack  aus meinem Spint im Hauptgebäude. Einer Eingebung folgend hole ich mein Handy hervor. Hab ich es doch gewusst. Mein Display zeigt mir eine Nachricht von X an. Ich tippe sie an und lese "Wir müssen reden."
Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Mir war klar das er sauer ist weil ich seinen Namen herum posaune. Aber das er so sauer ist hätte ich nie gedacht.
Sofort beginnen meine Augen zu brennen und mein Blick verschleiert. Ob er Schluss machen will?
Ich tippe "Ich hab jetzt Schluss. Wo und wann?"
Sofort kommt eine Antwort "Komm zum Parkplatz!"
Ich setze mich in Bewegung.
Am Parkplatz angekommen entdecke ich den schwarzen Mercedes auf einem schattigen Platz unter einem Baum und gehe darauf zu. Beim näherkommen sehe ich Tristan abwartend am Steuer sitzen. Wie selbstverständlich steige ich an der Beifahrerseite ein. Tristan sieht von seinem Smartphone auf und lächelt. Sofort entspannt sich das dumpfe Gefühl in meinem Bauch etwas. Er beugt sich zu mir und gibt mir einen schnellen Kuss auf den Mund.
"Hey. Mehr bekomme ich nicht? Du hast mich wohl nicht sehr vermisst heute?" frage ich mutig. Verstohlen schaue ich ihn abwartend unter den Fransen meines Ponys an.
Er zuckt zurück und sieht mir tief in die Augen.
"Frechdachs." raunt er greift mir in den Nacken und zieht mich zu sich. Und dann küsst er mich so intensiv als hätten wir uns eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.
"Und ich dachte schon du bist mir böse." flüstere ich kaum das wir es geschafft haben uns voneinander zu lösen.
"Oh das bin ich auch. Glaub mir." Tristan lehnt sich in seinem Sitz zurück und sieht mir tief in die Augen. 
"Gleich am ersten Tag posaunst du unser Geheimnis überall herum."
An seinem Mienenspiel kann ich nicht genau ablesen ob er nun wirklich wütend oder nur verstimmt ist. Vorsichtig erwidere ich "Das war ein Versehen. Es tut mir leid! Aber Hey, es ist nur Mary. Meine beste Freundin."
Er schnaubt. 
"Sie ahnt nichts. Ich hab ihr eine glaubhafte Geschichte aufgetischt."
"Aber sie kennt meinen Namen und hat sich auch schon darüber gewundert wie oft ihr der Name in letzter Zeit unter kommt."
Er hat uns also doch belauscht.
Ich nicke und beginne zu erklären
"Sie meinte ich hätte mich verändert. Da erzählte ich ihr von meinem neuen Freund. Dabei ist mir dann dein Name so rausgerutscht. Da musste ich mir schnell was einfallen lassen." erkläre ich mich.
Er nickt stumm.
Ich warte seine Reaktion ab.
Nach eine scheinbar unendlichen Zeit des Schweigens, die sich wie zäher Nebel zwischen uns aufgebaut hat, meint er schließlich, "Okay. Aber hoffentlich verrennst du dich nicht in deinen verschiedenen Versionen! Und jetzt genug davon. Soll ich dich nach Hause fahren?"
Ich schüttel den Kopf "Nein danke. Ich hab noch was vor."
Tristan zieht die Augenbraue hoch.
"Tja darum ging es ja vorhin. Mary machte den Vorschlag eines Doppeldates. Sie hat eine neue Flamme und wollte das ich sie begleite. Gemeinsam mit meinem ... meinem Freund. Sie würde sich auch freuen dich kennen zu lernen." In der Hoffnung die Situation zu entschärfen schenke ich ihm ein strahlendes Lächeln.
Doch er rollt nur mit den Augen. "Na wohl kaum."
"Schon gut. Kriege ich noch nen Kuss?" Ich greife mir seinen Kragen, ziehe ihn zu mir herüber und lächle ihn strahlend an.
"Ich sag's ja. Du bist ein Frechdachs." raunt er und küsst mich endlich.
Als Souvenir greife ich in sein Haar und ziehe leicht daran. Er verstärkt den Kuss. Wird immer gieriger. Seine Hand fährt unter meine Bluse und den BH und knetet meine Brüste. Automatisch revanchiert sich meine Hand indem ich ihm in den Schritt greife und seine schon stark geschwollene Erektion streichel. Er stöhnt auf.
Wenn wir so weitermachen treiben wir es gleich noch hier auf dem Schulparkplatz. Das darf nicht passieren.
Ich drücke ihn mit meiner Hand auf seiner Brust sanft von mir weg. "Hör auf! Stopp! Tristan." versuche ich mir zwischen den Küssen Gehör zu verschaffen. Er zieht sich etwas zurück und sieht mich fragend an. "Was?"
"Tristan. Hier? Auf dem Schulparkplatz?" frage ich und deute mit der Hand zum Fenster hinaus.
Er folgt meinem Blick und schüttelt den Kopf. "Du bist der pure Wahnsinn, Ava! Immer wenn ich dich sehe kann ich nur daran denken dich zu verführen. Ich verliere die Kontrolle." Fast schon verzweifelt fährt er sich mit der Hand durch's Haar.
Ich streichel seinen Arm. "Ich kann dich verstehen. Mir geht's mit dir genau so." Wir sehen uns tief in die Augen. "Ich glaube, ich liebe dich." flüstern wir zeitgleich. Verlegen lächelnd sieht er zu Boden. Ich laufe vor Scham rot an. Eigentlich finde ich es noch viel zu früh derart zu fühlen und oder gar diese Gefühle ihm zu offenbaren. Es ist mir so heraus gerutscht.
Tristan sieht schüchtern zu mir hinüber. "Wirklich?" flüstert er kaum hörbar.
Ich nicke und flüstere "Ich weiß, es ist viel zu früh aber ..."
"Ich versteh schon. Komm her!" murmelt er und greift mir ins Haar um mich zu sich zu ziehen.
Während sich unsere Lippen stürmisch treffen schmecke ich salzige Tränen. Die Gefühle überrollen mich einfach so. Ich kann nichts dagegen tun. Immer intensiver streicheln und liebkosen wir uns.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lösen wir uns von einander. Als wir uns gegenseitig anschauen müssen wir lachen. Unsere Frisuren sind vollkommen ruiniert. Seine Krawatte hängt lose um seinen Hals, das Hemd ist halb geöffnet. Mein Rock ist bis zur Hüfte hoch gerutscht, meine Bluse zerknittert und offen so das mein BH frei liegt.
Fahrig versucht Tristan mit den Händen und einem Blick in den Rückspiegel seine Frisur einigermaßen zu richten. Ich knöpfe mir die Bluse zu.
"Ich würd ja am liebsten mit dir mit fahren. Aber Mary ..." erkläre ich.
"Schon gut. Ich bin auch noch verabredet."
Ich schlucke. Mit wem könnte er verabredet sein? Da liefert er prompt die Erklärung. "Stephen mein Kumpel." erklärt er als hätte er meine Gedanken gelesen. "Wir wollen was trinken gehen."
"Okay." grinse ich. "Das ist genehmigt." Frech zwinker ich ihm zu.
Er sieht mich grinsend an. "Ach das ist genehmigt ja? Da bin ich aber froh."
Er richtet sein Hemd und bindet die Krawatte neu. "Du kennst ihn übrigens."
"Wen? Stephen?"
"Jup. Er ist euer Biolehrer."
"Was?" rufe ich. "Mister Darwin?"
"Jup." macht er erneut. "Wir sind schon ewig befreundet. Seit dem Studium."
"Cool!" Was anderes fällt mir nicht ein. "Ich werd dann mal los. Will Mary nicht noch länger warten lassen." meine ich.
Er nickt und will wissen "Wo trefft ihr euch?"
"King's College Chapel. Mary meint das College muss unbedingt mit auf die Sighthseeing Tour."
"Ich fahr dich." sagt er und startet schon den Motor.
"Ist gut. Danke!" murmle ich glücklich.

 

Tristan

 

Die berühmten drei Worte so leichtfertig ausgesprochen. Aber ehrlich gemeint. Ich liebe dieses Mädchen! Sie ist etwas ganz besonderes.
Und bin ich verrückt? Oh ja das bin ich!
Und ich bin kriminell? Oh ja das bin ich!
Und es ist mir scheiß egal!

 

Zu Hause ziehe ich mir bequemere Kleidung an und fahre anschließend zu dem Pub.
Stephen wartet schon. Er sitzt an der Bar, ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit vor sich.
"Hey." grüße ich und schlage ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Stephen erhebt sich um mich zu begrüßen.
"Wartest du schon lange?" will ich, nachdem ich neben ihm auf einem der Hocker platzgenommen habe wissen.
"Ich bin's ja gewohnt." grinst er und nimmt einen Schluck.
"Ja klar." brumme ich.
"Wohl aufgehalten worden? Kenne ich sie?"
"Nö."
"Okay."
Ich bestelle beim Wirt das selbe wie Stephen und für ihn gleich nochmal mit.
"Geht auf mich. Als kleine Wiedergutmachung."
"Danke. Und, was war so wichtig am Wochenende das du keine Zeit zum Tennis hattest?" fragt er interessiert.
"Mir ist ... jemand dazwischen gekommen." druckse ich rum.
"Du meinst wohl, du bist jemanden zwischen die Beine gekommen was?" Stephen lacht selbst am meisten über seinen Witz.
"Ha ha. Aber ja, ich hab da jemanden kennengelernt. Wir waren am Samstag in London."
"Sightseeing Tour mit anschließender romantischer Kutschfahrt im Hyde Park?"
"Wohl eher Sightseeing auf dem Portobello Road Market und ein Geschenk für Frau Professor einkaufen." verdrehe ich die Augen. "Meine Mutter hat Geburtstag ..."
"Und da hast du mal wieder, kreativ wie du nun einmal bist, deiner Mutter etwas ganz ausgewöhnliches, etwas ganz altes gekauft? Sicherlich wieder irgendeine Antiquität." Beantwortet er seine Frage gleich selbst.
Er kennt mich einfach zu gut.
"Erraten." grinse ich und halte ihm mein Glas hin.
Er hebt seines ebenfalls und grinst "Und jetzt will ich alles von deiner neuen Flamme hören!" meint er und trinkt.
"Da gibt's nicht viel zu erzählen. Sie heißt Ava und ist echt süß." zucke ich mit den Achseln.
Ich muss aufpassen und nicht zu viel verraten. Schließlich kennt er sie auch.
"In Ordnung. Wo habt ihr euch kennen gelernt? Was macht sie so?"
"Ähm ... beim ... im ... ähm beim einkaufen. In einem ... Laden."
"Und da hat sie dir den letzten Jogurt weg gekauft oder wie?"
Verwundert schaue ich ihn an. "Was?"
"Mensch, willst du mich verarschen? Erzähl wie es wirklich war! Oder ist es dir peinlich? Ist sie dir peinlich?" bohrt er nach.
Scheiße!
"Quatsch. Absolut nicht. Sie ist eine Augenweide." verteidige ich meine Freundin.
"Na dann wirst du wohl auch nichts dagegen haben deinem besten Kumpel jetzt mal ein paar Infos zukommen zu lassen. Los, hab gefälligst Mitleid mit dem Singlemann. Ich brauch auch mal wieder was woran ich mich freuen kann."
"Aber ganz sicher nicht meine Freundin, man." presse ich zwischen zusammen gerissenen Zähnen. "Geil dich woanders auf."
"Hey hey, beruhig dich! War ja nur Spaß." Beschwichtigend gebt er die Hände. "Ich wunder mich nur. Sonst gehst du deutlich freizügiger mit Infos um."
"Hast recht. Aber Ava ist was ganz besonderes. Ich will's nicht vermasseln. Okay?" murmle ich und sehe ihn an.
Stephen versteht und nickt.
Schweigend trinken wir unsere Gläser aus.
"Noch ne Runde?" fragt er anschließend.
Ich nicke.

 

Bist du etwa eifersüchtig?

 Lorelai

 

"Ich danke Ihnen! Ich danke Ihnen sehr!" säusel ich glücklich ins Telefon. "Bis Mittwoch dann. ... Ja genau. ... Auf Wiederhören." Ich drücke auf den roten Hörer und werfe mein Handy auf den Tisch.
"Und? Haben wir Glück?", fragt Lucy vorsichtig.
Ich sehe zu ihr und seufze. "Na ja. Übermorgen kommt er erstmal um sich die Bescherung anzugucken. Bis da hin sollen wir auch die Liste mit den gestohlenen und zerstörten Dingen zusammen stellen."
Lucy nickt. "Kein Problem. Ich mach das."
Dankbar lächle ich sie an. "Aber sonst sieht es schon mal gut aus, denke ich." füge ich noch hinzu.
"Und wie jetzt weiter? Können wir mit dem Aufräumen beginnen?"
Ich zucke die Schultern. "Kein Plan. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr was Tom gesagt hat. Ich kann mich nicht erinnern." Verzweifelt fahre ich mir mit den Händen durch das Haar.
"Frag ihn! Du hast doch sicher seine Nummer." bittet sie mich.
"Okay."
Ich greife nach dem Handy und suche seine Nummer. Wie ein Automatismus stehe ich als ich das Freizeichen höre auf und verlasse das Cafè. Kaum stehe ich draußen auf dem Gehsteig nimmt er ab und meldet sich mit seiner dunklen Stimme. "Hey Lorelai."
Sofort fährt mir ein wohliger Schauder über den Rücken. "Ähm. Hi Tom." beginne ich dezent verwirrt.
Was macht dieser Mann nur mit mir?
"Ich ... ich wollte dich nur fragen ob wir ... ob wir im Laden mit dem Aufräumen beginnen können ... dürfen?"
Ich kann ihn förmlich vor mir sehen wie er spöttisch über mein Verhalten den Mund verzieht.
"Ist alles in Ordnung?" stellt er die Gegenfrage.
"Ähm ja ... alles gut. Entschuldige!" Ich atme tief durch und starte einen neuen Versuch. "Ja also ich wollte wissen ob ihr fertig seid und wir mit dem Aufräumen beginnen können. Übermorgen kommt jemand von der Versicherung. Bis da hin ..."
Er unterbricht meinen Redefluss "Ja dürft ihr. Wir sind fertig."
"Oh okay. Danke ... danke dir, Tom." Erleichtert stoße ich die willkürlich angehaltene Luft aus.
"Schon okay. Ich hab ja nichts gemacht." meint er nüchtern.
Ich versuche es mit einem Scherz und sage "Na hoffentlich machst du bald was und findest die Täter."
Er zieht scharf die Luft ein. "Soll das heißen ich sitze sonst nur faul rum?"
Ähm was?
"Nein. Nein das soll es natürlich nicht. Ich wollte nur ... das sollte nur ein Scherz sein." stottere ich.
"Aha."
Verunsichert betrachte ich das Schaufenster des Buchladens vor dem ich stehe und überlege wie ich das Gespräch freundlich beenden könnte.
Da meint er "Das Angebot steht noch."
"Angebot? Welches Angebot?" frage ich verwirrt.
"Ich könnte euch helfen."
"Ähm ..." sage ich gedehnt.
"Ich hab noch bis 16 Uhr Schicht. Dann komme ich. Bis dann." Damit legt er auf.
Ein kurzes Tuten meldet mir, dass das Gespräch abgebrochen wurde. Verwirrt starre ich den Startbildschirm meines Smartphone an.
Anschließend kehre ich zu Lucy zurück und berichte was er gesagt hat.
Sein Angebot verschweige ich. Warum auch immer.
"Na dann wollen wir mal." Lucy hieft sich vom Stuhl hoch.
Ich trinke in einem Schluck meinen Cappuccino aus, zahle am Tresen die Rechnung und verlasse mit meiner Freundin das Cafè.

Die nächsten Stunden verbringen wir mit aufräumen, entsorgen und putzen. Den groben Müll wie das zerschlagene Möbiliar stapeln wir neben der Tür wo sich bis vor kurzem unser Wartebereich befunden hat.
"Morgen wird der Container geliefert. Dann haben wir wieder Platz." rufe ich und werfe die Überreste des Enpfangstresen auf den Haufen. Erschöpft wische ich mir mit dem Handrücken über die Stirn.
"Das ist auch gut so." ruft Lucy, steht auf und entsorgt die gerade aufgekehrten Spiegelscherben in einer Mülltonne.
"Das haben wir doch ganz gut hinbekommen!" meint sie und legt ihren Arm um mich. Gemeinsam besehen wir uns unseren staubigen fast leeren Laden.
"Ja. Sehen wir es positiv und stellen uns vor das wir gerade nur renovieren." seufze ich.
"Ja genau." Sie macht eine halbe Drehung und steht nun direkt vor mir, sodas ihr Blick mich durchdringen kann. Die Hände zu Fäusten geballt und in die Hüften gestämmt sagt sie,  "Gute Idee, Lorelai! Ziehen wir den Nutzen aus dieser Katastrophe und renovieren. Das Ausräumen hätten wir ja schon geschafft. Lass uns den Laden neu aufziehen." Sie redet sich richtig in Rage. Läuft auf und ab und gestikuliert wild in der Luft herum.
Ich lass sie reden. Die Idee ist gar nicht so schlecht, doch leider fehlt mir momentan der Elan zum Pläne schmieden.
Mit einem Mal bleibt sie stehen, sieht mich erneut herausfordernd an und fragt, "Was sagst du?" Erwartungsvoll schweigt sie schließlich.
"Deine Idee finde ich gut! Wirklich. Aber ich bin gerade so down. In meinem Kopf ist nur Leere." gestehe ich.
Lucy winkt ab. "Nicht schlimm. Überlass das mir! Mein Kopf ist voller Ideen. Sie sprühen förmlich." Mit beiden Händen deutet sie sprühende Funken die ihren Kopf verlassen an.
Ich muss einfach lachen, auch wenn die Situation eigentlich nicht lustig ist.
"Also soll ich?" beendet sie ihre Ausführungen.
Ich nicke und wische mir über die Augen. Tränen verwaschen meinen Blick. Tränen der Trauer über verlorenes und Tränen des Glücks über soviel Begeisterung.
Ich kann gar nicht anders als zustimmen. Die Versicherung scheint ja auch einzuspringen. Glücklich fallen wir uns in die Arme.

"Ist es in Ordnung wenn ich dann jetzt gehe?" fragt sie plötzlich. "Ich bin völlig fertig."
"Klar ist es das. Ich werd hier auch nur noch die restlichen Handtücher einsammeln und sie zum Waschen mit nach Hause nehmen." antworte ich.
Lucy nickt und greift sich ihre Handtasche von der Wandgarderobe. "Dann sehen wir uns also übermorgen?"
"Ja genau. Ich wünsch dir noch einen schönen Tag, Süße." verabschiede ich mich von ihr.
Mittlerweile ist es kurz vor 4 Uhr am Nachmittag. Ob Tom wirklich kommt? Nun bin ich ganz froh das Lucy bereits gegangen und im Fall der Fälle nicht mitbekommt wie ich in seiner Gegenwart die Fassung verliere.

 

Halb 5 betritt er tatsächlich den Laden. Ich wirble herum und erstarre. Hat er heute morgen auch schon so gut ausgesehen? Seine schwarze Jeans sitzt tief auf der Hüfte. Die hochgekrempelten Ärmel seines dunkelblauen Shirts spannen sich über seinen Bizeps. Es sitzt so eng an seinem muskulösen Körper das es nicht viel Phantasie bedarf um seinen Körperbau zu erahnen.
Fasziniert lasse ich meinen Blick über seine tätowierten Arme, über seine breiten Schultern, bis hinauf in sein markant männliches Gesicht wandern. Seine stahlblauen Augen fixieren mich, ein Lächeln umspielt seinen Mund.
Er sagt irgendwas doch ich höre ihn kaum.
Ich betrachte sein braunes nach hinten gegelten Haar und stelle mir vor wie ich mich darin festkralle während er mich mit seinem Mund zwischen meinen Beinen ...
Da holt mich seine sexy Stimme in die Realität zurück. "Lorelai. Alles in Ordnung?"
Ich schüttle den Kopf um die wirren Gedanken zu verscheuchen. "Ähm was?"
Er grinst wölfisch und kommt langsam auf mich zu. "Wo bist du nur gerade mit deinen Gedanken, Lorelai?"
Unwillkürlich mache ich einen Schritt rückwärts. Er kommt näher und näher und ich weiche aus bis ich eine Wand in meinem Rücken spüre.
Dieser geheimnisvolle Hauch von Aggressivität, die betont zur Schau gestellte Kraft die ihn umgibt. Dieser Mann sprüht förmlich vor Sex.
Die Luft scheit mit einem Mal förmlich zu knistern.
Was macht er nur mit mir das ich in seiner Gegenwart immer das Gefühl habe zu schmelzen.
Hilflos sehe ich zu ihm auf. Tom stützt sich mit einer Hand an der Wand neben meinem Kopf ab und sieht zu mir herunter. Der Duft seines Parfums steigt mir in die Nase, geht direkt in mein Hirn. "Tom." hauche ich. Zu mehr bin ich nicht imstande.
"Lorelai." raunt er während sein Gesicht meinem immer näher kommt.
"Tom ... ich ..."
Da treffen seine Lippen auf meine. Willenlos füge ich mich und öffne ihm leicht die Lippen.
Sofort nimmt er die Einladung an und dringt mit seiner Zunge in mich ein.
Mein Verstand verabschiedet sich.
Ich greife ihn beim Gürtel und ziehe ihn näher an mich heran. Seine freie Hand umfasst fast gänzlich meine Taille und hält mich fest an sich gedrückt.
Er intensiviert den Kuss noch etwas. Unsere Zungen tanzen wild miteinander.
Mit einem mal schießt mir das Gesicht von Max durch den Kopf.
Abrupt stoße ich ihn von mir. Was tue ich hier?
Laut sage ich "Tom, es tut mir leid. Aber ..."
"Ich versteh schon. ... Cooper." stößt er heftig atmend hervor.
Beschämt sehe ich zu Boden.
Toms Brustkorb hebt und senkt sich stark, er fährt sich mit den Händen durch das verstrubbelte Haar. Sein Brustkorb, durch heftige Atmung, hebt und senkt sich stoßweise. Ich kann nicht erkennen, ob er vom küssen außer Atem oder wütend ist.
Ich glaube er wollte noch etwas sagen, lässt es dann jedoch sein, ist mit einem Schritt bei mir und schlägt einmal kräftig neben mir mit der Faust gegen die Wand.
Ein entsetzter Schrei entfährt meiner Kehle.
Zurück bleibt eine Eindellung in der Wand. Erschrocken starre ich auf seine blutende Hand. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, doch er stößt mich weg und rennt aus dem Laden.

 

Ava

 

Tristan lässt mich an der Kirche raus und fährt nach einem schnellen Abschiedskuss davon. Lieber kurz und bündig, bevor wir uns gar nicht mehr von einander lösen können.
Mary wartet mit Michel bereits auf den Stufen vor dem Eingangsportal. Doch sie sind nicht allein. Eddie steht an der Wand gelehnt neben ihnen. Ich schlucke. Als sie mich entdecken springt Mary auf und kommt auf mich zu. "Da bist du ja endlich!"
"Entschuldige. Was tut Eddie denn hier?" erwidere ich und werfe verstohlen einen Blick in dessen Richtung.
"Ich dachte mir, damit du dich nicht wie das fünfte Rad am Wagen fühlst, lade ich Eddie ein uns zu begleiten. Ihr seid doch Freunde oder?" Mary zwinkert mir zu.
Mittlerweile waren die Jungs zu uns gestoßen so das ich keine Einwände mehr erheben kann. Stumm nicke ich und begrüße die beiden.
"Schön. Dann also zuerst das King's Collage." säuselt Mary und hakt sich bei Michel einfach unter um ihn mit sich zu ziehen. Eddie und ich folgen den beiden.
"Das war ja ein schickes Auto gerade." sagt er das plötzlich in die Stille hinein.
"Ähm wie bitte?" Ich versuche mir den Schreck nicht anmerken zu lassen.
"Na das Auto in dem du gerade vorgefahren bist." Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter.
"Ach das ... das ..."
"Ist echt selten so eine Lackierung. Matt schwarz. Ist aber cool!" Ich kann seine Stimmung nicht ganz deuten.
"Ähm ja. Da hast du recht. Hat Mary erzählt was sie heute alles abklappern will?" versuche ich das Gespräch auf eine andere Schiene zu lenken.
Doch er geht nicht darauf ein. "Hab bisher sogar nur ein Auto hier mit solch einer Lackierung gesehen. Und das Fabrikat stimmt auch noch überein." Ich schlucke. Eddie sieht mich von der Seite an. Ich erwidere, warum auch immer seinen Blick.
Er weißt etwas oder zumindest ahnt er was.
Scheiße!
"Eddie ich .. du musst dich irren. Ich ... ich hab solch einen Mercedes auch schon einmal gesehen. Aber mit einem Londoner Nummernschild." lüge ich.
"Der vorhin hatte ein Londoner Nummernschild."
Was? Ich bemerke wie mir heiß wird. Ich kenne Tristans Nummernschild nicht und dachte das der Wagen in Cambridge zugelassen ist.
Eddie sieht mir tief in die Augen und grinst wölfisch. Sagen tut er nichts sondern schlendert einfach weiter. Mary und Michel folgend die bereits ein ganzes Stück weiter vorn sind.
Ich weiß nicht wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Soll ich es mit Andeutungen zugeben? Oder lieber alles als ein Gespinst seiner Phantasie abtun?
Als ich bei den dreien aufschließe erklärt Mary gerade welche berühmten Engländer dieses Collage hervor gebracht hat. Ich kann mich gar nicht auf ihre Ausführungen konzentrieren. Aber wie ich Mary kenne wäre unsere Geschichtslehrerin Mrs. Milder Stolz auf sie.
Michel schien ihr auch nicht so ganz zu folgen. Ob es nun an der Sprachbarriere oder an mangelndem Interesse liegt vermag ich nicht zu sagen. Immer wieder blickt er zurück, lässt den Blick schweifen und trifft damit - mich. Das anzügliche Lächeln was dabei seinen Mund umspielt macht es nicht besser.

Bereits seit über einer Stunde folgen wir Mary durch die Straßen Cambridges. Und mittlerweile macht er sich nicht einmal mehr die Mühe wenigstens so zu tun als würde er ihr zuhören. Immer öfter bleibt er zurück, schlendert neben mir her. Berührt bewusst ab und an meinen Arm. Angeblich um mich zu lenken wenn ich nicht mitbekommen habe das wir abbiegen.
Geschockt über so viel Dreistigkeit hier direkt vor Marys Augen mit mir zu flirten schnappe ich nach Luft.
Mit seinen längeren blonden Haaren und den blauen Augen könnte er fast als mein Zwillingsbruder durchgehen. Und mehr würde ich für ihn auch nicht empfinden. Er ist überhaupt nicht mein Typ.
Die abstrusität dieser ganzen Sache hier lässt mich wie eine Statistin in einer Gameshow fühlen. Sicher springt gleich jemand aus einem Busch und schreit 'Überraschung'.
Hilfesuchend wende ich mich an Eddie. Doch als ich sehe, dass er mit seinem Blick Michel fast zu erdolchen droht lasse ich es. Ihm ist es also auch aufgefallen. Aber warum macht ihn das so wütend? Er ist doch gar nicht mit Mary befreundet so das ihm ihr Schicksal am Herzen liegen könnte.
"Ähm Leute, entschuldigt mich bitte kurz. Ich muss mal für kleine Mädchen." Suchend sehe ich mich um und entdecke ein Restaurant auf der anderen Straßenseite. Auf genau dieses zeige ich jetzt und setze mich ohne eine Antwort abzuwarten in Bewegung.
Beim überqueren der Straße blicke ich mich um und sehe das sie mir folgen.
Mist!
Eigentlich wollte ich nur einen Vorwand haben um kurz telefonieren zu können. Ich habe das dringende Bedürfnis mit einem normal denkenden Menschen zu reden.
Ich betrete also doch das Lokal und frage mich zu den Toiletten durch.
Dort schließe ich mich in einer Kabine ein und hole mein Handy hervor.
Soll ich ihn anrufen oder lieber schreiben? Ich brauche ihn jetzt. Seine Stimme oder Worte, egal.
Er ist gerade verabredet also entschließe ich mich für das schreiben einer WhatsApp Nachricht.
"Dieses Doppeldate ist die Hölle. Zu viel Kultur. Zu viel Testosteron. Ich wäre viel lieber bei dir!"
Anstatt ich mir, so wie ich es immer tue noch einmal durchlese was ich geschrieben habe tippe ich direkt auf senden.
Ich erstarre. Was habe ich den da geschrieben? Er muss denken ich hintergehe ihn und habe nun doch keinen Spaß daran.
Ich warte einige Minuten ab aber es kommt keine Reaktion von seiner Seite. Da die anderen sich sicher schon wundern wo ich so lange bleibe, verlasse ich die Toilette und das Restaurant und kehre zu ihnen zurück. Die drei warten vor der Tür auf mich. Sicher denken die Jungs ich hab mir mal eben schnell nur die Nase pudern wollen so wie sie mich jetzt beide ungeniert angrinsen.
Mary völlig außen vor lassend nehmen sie mich nun beide in ihre Mitte und spazieren ohne Ziel drauf los. Mary folgt uns "Eigentlich wollte ich jetzt zum Cam hinunter. Da gibts ... Eiscreme." Das letzte Wort spricht sie deutlich leiser und irgendwie traurig aus. Ich kann es ihr nicht verübeln. Für sie muss es aussehen als spanne ich ihr hier gerade ihr Date aus. Ich blicke mich nach ihr um und sehe sie zwei drei Meter hinter uns mit herabhängenden Kopf laufen.
Da meldet sich in meinem Rucksack mein Handy. Hektisch rupfe ich ihn mir von der Schulter und hole das Gerät hervor. Mit zwei Seitenblicken bemerke ich das ich von beiden Jungs beobachtet werde. Ich schlucke. Bestmöglich, dass sie keinen Blick auf das Display werfen können schaue ich darauf. Tristan schreibt "Wieso Doppeldate? Willst du mich verarschen. Wo bist du gerade?"
Ich schlucke erneut. Er scheint echt sauer zu sein. Und ich bin schuld ich dumme Gans.
Nachdem ich festgestellt habe wo genau wir uns gerade befinden schreibe ich es ihm in einer zweiten Nachricht. Nur die Adresse, sonst nichts.
"Na, ist er eifersüchtig?" raunt Eddie da plötzlich von hinten an mein Ohr. Ich erstarre. Hat er gelesen was Tristan geschrieben hat. "Dabei hat er doch noch gar keinen Grund dafür." Ein anzügliches Grinsen umspielt seine Lippen.
"Ich ähm ..." beginne ich.
Michel scheint unser Gespräch zu belauschen. "Du hast einen Freund?"
Ich drehe meinen Kopf nach rechts als sein Handgelenk meinen Arm streift. "Ja ich ähm ..."
Da wird mein Kopf zwischen zwei Hände genommen und umgedreht. Ehe ich protestieren kann drücken sich Eddies Lippen auf meine. Erschrocken zucke ich zurück doch kann mich aus seinem Griff nicht befreien. Fest presse ich die Lippen aufeinander. Mit den Händen versuche ich ihn von mir zu stoßen und schaffe es endlich auch. Eddie taumelt zurück. Wie im Reflex hole ich aus und parke meine rechte Hand auf seiner Wange. Genau in diesem Augenblick sehe ich hinter ihm am Straßenrand den schwarzen Mercedes zum stehen kommen. Sofort renne ich darauf zu. Aber nicht ohne mich noch einmal umzusehen um mich zu vergewissern das er mir nicht folgt. Doch Eddie steht wie angewurzelt da, reibt sich die Wange und schreit "Ja renn nur zu deinem Lover, Schätzchen. Wir sehen uns morgen."
Irgendwie klingt das nach einer Drohung.
Eilig umlaufe ich das Auto und steige ein. Kaum berührt mein Hintern das Polster da gibt Tristan schon Gas. Mit einem Kickstart schießt der Mercedes aus der Straße. Ich schnallte mich an und wage einen ersten Blick zu ihm zu werfen. Seine Hände umfassen das Lenkrad derart fest das schon das weiße an den Fingerknöcheln hervor tritt. Sein Mund ist zu einem Strich fest zusammen gepresst, der Kiefer mahlt. Kurz erwidert er den Blick. Seine sonst so hellen Augen funkeln gefährlich dunkel. Er scheint sehr wütend zu sein.
"Sag doch bitte was." flüstere ich und lege ihm sanft meine Hand auf den Oberschenkel.
Doch er schnaubt nur.
Ich komme zu dem Entschluss ihm Zeit zu geben und schaue stattdessen aus dem Fenster. Da meldet sich mein Handy. Ich hole er hervor und lese die Nachricht von Mary "Was war das gerade? Warum knutscht du mit Eddie und knallst ihm dann eine."
"Frag ihn doch." tippe ich. Mit dem Handy in der Hand warte ich auf ihre Antwort. Die kommt auch prompt. "Der ist gleich nach dir abgehauen. Michel hat sich auch verabschiedet."
Während ich noch eine Antwort tippe kommt von dir bereits die nächste Nachricht. "Vielen Dank auch das du mir das versaut hast. Was ist nur los mit dir? Noch bis vor kurzem waren dir Jungs völlig egal und jetzt treibst du es mit mehreren gleichzeitig?"
"Ich lösche meinen Text wieder und tippe neu "Erstens habe ich einen festen Freund und nicht mehrere. Zweitens hat mich dieses Arschloch einfach ohne mein Einverständnis geküsst. Deswegen hat er auch die Ohrfeige kassiert. Und drittens scheint Michel eher auf Blondinen zu stehen."
Mit ihrer Antwort lässt sie sich Zeit. Zwischenzeitlich meldet sich Tristan zu Wort "Was war das, Ava? Warum küsst Eddie Trueman dich?"
Mist er hat es gesehen.
"Warum triffst du dich mit ihm? Ich bin der Auffassung wenn man einen Partner hat sollte man das nicht tun. So machen das Erwachsene. Aber vielleicht bist du doch noch etwas zu jung."
Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Ich will ihn nicht verlieren. Lauter als beabsichtigt rufe ich "Ich bin kein Mädchen mehr, Tristan."
Er funkelt mich böse an. "Gut." meint er nur.
Mittlerweile befinden wir uns in einer unterirdischen Parkgarage. Ich hatte gar nicht bemerkt das wir hier hinein gefahren sind.
"Gut." wiederholt er. "Dann beweise es."
Tristan steigt aus und entfernt sich ein paar Schritte. Eilig folge ich ihm und schlage die Autotür zu. Das Geräusch hallt laut in dem Gebäude nach. Erschrocken zucke ich zusammen. Parkgaragen bereiten mir immer ein wenig Angst.
Tristan drückt den Knopf auf der Fernbedienung und der Mercedes verabschiedet sich mit einem kurzen Geräusch.
Vor dem Aufzug bleibt er stehen und sieht mich mit vor der Brust verschränkten Armen von oben herab an. Wie er so in dieser wütenden Pose dasteht macht er mir plötzlich Angst. Kaum stehe ich neben ihm greift eine seiner Hände in meinen Nacken und zieht mich zu ihm ran. Er zwingt mich ihm direkt in die Augen zu sehen.
"Ich liebe dich, Ava. Und ich will das du mir allein gehörst. Ich will dich nicht teilen. Das lernst du lieber ganz schnell." raunt er an meinem Ohr.
Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. Seine Stimme macht mir Angst, löst aber auch ein bestimmtes Ziehen aus das sich zwischen meinen Beinen sammelt.
"Hast du mich verstanden?"
Ich nicke stumm da mir der Kloß im Hals die Luft abgedreht.
"Sag es!" befiehlt er streng.
"Ich habe verstanden." krächzte ich.
"Gut." Ein Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. Nun lockert er seinen Griff zieht mich liebevoller an sich und küsst mich leidenschaftlich.

 

Wenig später betreten wir seine Wohnung. Kaum ist die Tür hinter uns ins Schloss gefallen fallen wir übereinander her. Er reißt mir fast die Knöpfe der Bluse ab, so eilig hat er es mich von dem Kleidungsstück zu befreien. Ich öffne seinen Gürtel und fummle an den Knöpfen seiner Hose herum. Er hilft mir mit einer Hand. Mit der anderen öffnet er blind meinen BH.
Seine Hose fällt zeitgleich mit meinem BH zu Boden. Ich nehme mir mehr Zeit die Knöpfe seines teuren Hemdes zu öffnen. Die sanften Berührungen meiner Fingerspitzen und meine lasziv eingezogene Unterlippe, auf die ich spielerisch beiße geben ihm den Rest.
Um ihm seine Boxershorts auszuziehen gehe ich in fließenden Bewegungen vor ihm in die Knie. Als ich ihn von unten devot lächelnd durch meine vollen Wimpern zu ihm auf blicke ist es um ihn geschehen. Ein dunkles Knurren entweicht seiner Kehle. Mit einem Ruck zieht er mich hoch, presst seine vollen Lippen auf meine und reißt mir das Höschen runter. Den Rock lässt er mir an. Anschließend hebt er mich hoch und presst mich mit dem Rücken gegen die Wohnungstür. Ich klammere mich an seinem Nacken fest. Als würde ich nichts wiegen lässt er mich langsam hinunter und dringt quälend langsam in mich ein.
Als er sich zur Gänze in mich schiebt stöhne ich lustvoll auf.
Mit kräftigen Bewegungen seines Beckens hält er mich oben an der Wand und peitscht mich immer weiter dem Höhepunkt entgegen. Wie in Wellen kommt die Lust über mich. Immer lauter und heftiger stöhne ich seinen Namen. Lustvoll krallen sich meine Fingernägel in sein Fleisch. Als ich den Höhepunkt heran nahen fühle greife ich in sein Haar und ziehe leicht daran. Tristan stöhnt lustvoll auf und intensiviert seine Stöße noch etwas. Gemeinsam erreichen wir den Höhepunkt. Heftig atmend lassen wir uns auf den Boden gleiten.
"Das war ... intensiv." grinse ich und lasse meine Finger über seine Brust tanzen.
"Es war wirklich geil!" stimmt er lächelnd zu. "Aber ich meine es ernst." Er hebt mit der Hand mein Kinn an so das ich gezwungen bin ihm direkt in die Augen zu schauen. "Ich teile dich mit niemanden, Ava. Wenn ich mit dir zusammen bin gehörst du mir. Hast du das verstanden?"
Ich schlucke und nicke stumm.
"Hast du mich verstanden? Sag es!" knurrt er.
Warum ist er plötzlich so anders? So streng. So dominant.
"Ich hab verstanden." flüster ich. Dann küsst er mich leicht auf die Nasenspitze und grinst. In meinen Augen muss er abgelesen haben das ich mich vor dieser Seite von ihm fürchte. Er fügt hinzu "Hast du Angst vor mir? Das wollte ich nicht, Darling. Ich will ... ich kann dich nicht teilen. Ich möchte nur das du das begreifst!"
"Ist schon gut." murmle ich.
Doch so gut ist es nicht. Ich beginne mich zu fragen ob diese Beziehung wirklich so eine gute Idee war.
Schweigend sehe ich ihm zu wie er aufsteht und seine Boxershorts und sein Hemd anzieht. Die Hose lässt er weg. Verträumt lächelnd habe ich freie Sicht auf seinen festen Po und sein Sixpack. Tristan reicht mir eine Hand um mir auf zu helfen. "Komm her, Süße." Er nimmt mich in den Arm. "Ich liebe dich!"
Ich sehe ihm in die wunderschönen Augen, schaue auf seine vollen Lippen und zerfließe fast vor Liebe zu diesem Mann. "Ich dich auch." hauche ich.

 

Strafe muss sein

 Lorelai

 

Am Abend weiß ich nicht so recht wie ich Max unter die Augen treten soll. Er ist ein Cop. Ob er erkennen kann wenn wer lügt oder mir gar ansieht das ich mit seinem Partner rum geknutscht habe?
Als erstes, kaum das er zur Tür herein war stürzt er auf mich zu und fragt besorgt "Süße, ist alles okay bei dir?"
Verwundert fahre ich aus meiner liegenden Position auf dem Sofa hoch. Ich muss eingeschlafen sein. Wie spät ist es? Ein Blick auf die Wanduhr verrät mir das es bereits kurz vor 23 Uhr ist. Wo war er so lange? Warum kommt er erst jetzt nach Hause?
Prompt liefert Max mir die Antwort "Ich war in London."
Jetzt erinnere ich mich wieder was Tom mir heute morgen erzählt hat.
Ich nicke. "Ich weiß. Irgendwelches Diebesgut ist da aufgetaucht." murmle ich.
"Ja genau. Tom, oder?"
Ich nicke.
"Er wird die Schweine finden die euren Laden zerlegt haben. Ganz sicher." Liebevoll nimmt er meine Hände in seine um mir Trost zu spenden. Dabei brauche ich den gar nicht mehr. Nein schlechtes Gewissen ist viel stärker als meine Trauer über den Verlust des Ladens. Zumindest in diesem Moment.
"Wieso Tom?" will ich aber nur wissen.
Max zieht die Augenbraue hoch. "Na weil er den Fall übernommen hat, Süße. Williams hat gefragt wer es machen will. Und weil Tom der erste am Tatort war, fand er, sollte er es auch sein der ermittelt." erklärt er mir.
"Und warum nicht du?" Panik steigt in mir auf das ich nicht länger widerstehen kann wenn ich noch weitere mal Tom's Nähe ausgeliefert bin.
Max grinst belustigt. "Na weil ich erstens an einem anderen Fall dran bin, und zweitens bin ich, da ich dein Verlobter bin, befangen und darf von Rechts wegen nicht die Ermittlungen leiten. Sorry. Ich weiß ja, dass du ihn schrecklich findest. Aber in diesem Fall musst du dich wohl oder übel zusammenreißen."
Liegt da Strenge in seiner Stimme und seinem Blick?
Verwirrt nicke ich. "O-k-a-y."
Er hebt mein Kinn mit seinem Zeigefinger damit ich ihm in die Augen sehe. "Hey, du hast mich doch jeden Abend ganz für dich allein. Und falls es dich beruhig, Griffiths ist ein besserer Polizist als ich. Das muss ich zugeben." Da scheint etwas tief in ihm zu nagen, so wie er sich anhört. Ein Hauch von Groll schwingt in seiner Stimme mit.
"Echt? Er ist besser als du?" Wage ich es nachzuhaken und lege ein freches Grinsen auf.
Max grinst. "Er mag in Polizeisachen besser sein, aber das hier kann ich viel besser." Er nähert sich meinem Gesicht und küsst mich intensiv auf den Mund.
Genussvoll lehnte ich mich zurück und ziehe ihn auf mich.

 

Ava

 

Dieser Dienstag konnte nur super werden!
Mum war zwar sauer, weil ich ohne Bescheid zu geben über Nacht weg geblieben bin. Ihre Sprachnachricht heute morgen hatte es in sich.
Zum Glück aber war mein Handy auf lautlos gestellt und ich musste den Tag nicht mit einem Streitgespräch mit ihr beginnen.
Stattdessen wachte ich neben Tristan auf. Er schlief noch und lag, einen Arm über meine Mitte gelegt auf dem Bauch neben mir. Behutsam drehe ich mich auf die Seite und streiche ihm eine Strähne aus der Stirn. Für einen kurzen Moment runzelt er die Stirn. Er sieht so süß aus. So friedlich.
Der Wecker auf seinem Nachttisch zeigt mir, dass es zwar noch Zeit bis zum Aufstehen ist, aber wenn ich frisch geduscht und frisiert in die Schule möchte, muss ich schon jetzt aufstehen um mich vorzeigbar herzurichten. Ich denke zwar nicht, dass er gesteigerten Wert auf ein ansprechendes Äußeres meinerseits legt, aber von mir aus möchte ich, dass ich hübsch bin. Also nehme ich vorsichtig seinen Arm und hebe ihn von meinem Körper.
Auf nackten Zehenspitzen schleiche ich die wenigen Schritte hinüber ins Badezimmer. Nach einer ausgiebigen Dusche suche ich in der Wohnung meine Kleidung zusammen. Fast alles finde ich im Flur. Blöd das ich noch keine Wechselkleidung hier habe. Die wollte ich ja erst am kommenden Wochenende mitbringen.
Also werde ich wohl die gleiche Unterwäsche anziehen müssen die ich gestern schon trug. Bei dem Höschen gibt es allerdings ein Problem. Tristan hatte es im Eifer des Gefechts zerrissen. Panisch überlege ich was ich tun sollte. Schlußendlich entscheide ich mich heute mal darauf zu verzichten. Zum Glück ist der Rock der Schuluniform lang genug um mich nicht in eine peinlichen Situationen kommen zu lassen. Zudem komme ich mir mit meinem kleinen pikanten Geheimnis äußerst verwegen und sexy vor.
Ich lege mein zerrissenes Höschen zusammen und kehre ins Schlafzimmer zurück. Tristan schläft noch immer. Leise schleiche ich zu dem Monstrum von Kleiderschrank und schiebe so leise wie irgend möglich die rechte Tür auf. Hier, in einer seiner Schubladen mit Krwatten verstaue ich das Höschen. "Überraschung." denke ich und in diesem Moment beginnt hinter mir der Wecker zu läuten.
Wie vom Donner gerührt fahre ich herum.
"Suchst du was?" murmelt Tristan und reibt sich mit der Hand wie ein Kind den Traumsand aus den Augen.
Seufzend vor Glück schüttel ich den Kopf und klettere zu ihm ins Bett um ihm seinen Guten-Morgen-Kuss zu geben.

"Ich lasse dich, wenn es für dich okay ist bei der Busstation raus." schlägt er später auf dem Weg zur Schule vor.
"Klar.", erwidere ich lapidar.
Dann scheint ihm wieder einzufallen, dass ich ihm noch gar nicht erzählt habe wie meine Mutter auf meine erneute Abwesenheit im Elternhaus reagiert hatte und fragt, "Was hat deine Mutter dazu gesagt das du nicht nach Hause gekommen bist?"
"Nur das ich ein ungezogenes Kind bin. Und das, wenn es noch einen Vater gäbe, von ihm über's Knie gelegt gehöre." Anzüglich hebe ich eine Augenbraue und grinse ihn frech an.
"Soll ich das übernehmen? Mach ich wirklich gern. Sag das deiner Mum." lacht er und streichelt mit der linken Hand meine Wange.
"Nein, im Ernst. Sie war zwar sauer das ich nicht bescheid gesagt habe. Aber insgeheim ist sie glaube ich, auch froh, dass ich endlich mal ein bisschen so bin wie sie war als sie jünger war. Das wünscht sie sich schon ewig.", erkläre ich ernst, "Sie meinte das sie am meisten Angst hat das wir nicht verhüten und ich mir meine Zukunft versaue."
Tristan sieht mich verwundert an. "Du nimmst doch die Pille oder?"
Ich schlucke. Scheiße!
Den Bruchteil einer Sekunde meines Zögerns scheint er nicht mit zubekommen. Schnell antworte ich "Klar mache ich."
"Gut." brummt er und sieht wieder auf die Fahrbahn. Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit.
Wir erreichen die Busstation. Tristan lenkt den Mercedes in die Parkbucht und stellt für einen Moment den Motor ab.
Bevor ich aussteige muss ich ihn noch etwas ärgern. Das hat er verdient nach seinem Auftritt gestern Nachmittag.
"Ich hab heute kein Höschen an." grinse ich frech, werfe ihm einen Handkuss zu und steige, ehe er etwas erwidern kann, aus. Schwungvoll werfe ich die Tür hinter mir zu.
Ohne mich noch einmal umzudrehen gehe ich Richtung Schulcampus davon. Hinter mir höre ich wie er auf das Wagendach klopft und lachend ruft "Ava, du kannst was erleben."
Grinsend hebe winkel ich den Arm an, winke über meine rechte Schulter und gehe ungerührt weiter.

Während des Unterrichts kann er mir nichts. Zumindest dachte ich das.
Als ich vor dem Englischklassenraum ankomme wartet dort eine sauertöpfische Mary. Sie lehnt mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand und starrt mir düster entgegen.
"Na, noch einen schönen Nachmittag gehabt gestern?" fragt sie bissig. Wenn sie die beleidigte Leberwurst spielen will. Das kann ich auch.
Einen Moment starren wir uns nur schwigend an, dann werde ich doch weich, und lenke ein, indem ich anführe, "Du es tut mir wirklich leid, Süße! Eddie war wirklich ... er war scheiße. Und Michel ..."
Sie rollt mit den Augen, stößt sih von der Wand ab und baut sich vor mir auf. "Ja ja ich weiß. Der hat dich angeblich angegraben." Ihre Hände gestikulieren in der Luft zwischen uns herum. "Und um ihn eifersüchtig zu machen, musstest du dann demonstrativ mit Eddie rumknutschen. Blöd nur das dein Typ genau in dem Moment dazu kam.", schließt sie und sieht mich herablassend an.
Erstaunt über ihren Ausbruch schnappe ich nach Luft. Wilkürlich mache ich einen Schritt rückwärts um aus ihrer Gefahrenzone zu kommen. "So war es gar nicht. Eddie wurde immer aufdringlicher und als Michel mehr Interesse an mir als an den Sehenswürdigkeiten hatte, habe ich Tristan gebeten mich da raus zu holen." erkläre ich. Das war zwar etwas gelogen, aber wenn es hilft.
"Ach dann hast du ihn eifersüchtig machen wollen als du mit Eddie geknutscht hast?" Ihre Stimme trieft vor Abscheu. Sie versteht alles falsch. Was ist nur los mit ihr?
"Was? Quatsch! Hast du nicht gesehen wie ich ihn weggeschubst habe? Das hätte ich ja wohl kaum getan wenn ich es gewollt ..."
In diesem Moment spüre ich eine Hand unter meinem Rock an meinem Po. Ich wirbel herum und hole aus. Laut knallt es als meine Hand auf Tristan's Wange landet. Erschrocken schlage ich mir die Hand vor den Mund. Meine Mitschüler halten den Atem an und warten gespannt ab was jetzt passieren wird. Tristan steht da, mit weißem Handabdruck auf der roten Wange und schaut als könnte er diese Unverfrorenheit kaum fassen. Plötzlich höre ich wie aus weiter Ferne ein Lachen. Mary, die sich ein Glucksen nicht verkneifen kann, dass sich dann aber mehr und mehr in ein hysterische Lachen steigert prustet ebenfalls laut los und schlägt sich die Hand vor den Mund.
Tristan funkelt mich böse an. "Miss MacAdams." knurrt er so leise aber überdeutlich, sodas sich mir alle Haare am Körper aufstellen.
"Ja, Mister Redmayne." flüstere ich tonlos.
Er greift meine Hand und zerrt mich hinter sich her.
Schweigend folge ich meinem vor Wut schnaubenden Lehrer. Tristan sieht sich um und reißt die nächstbeste Tür auf. Eine Abstellkammer.
Zum Glück!
Was hätte er gemacht wenn das hier ein voller Unterrichtsraum gewesen wäre?
Er wirft mich förmlich in den Raum und folgt mir. Langsam schließt er die Tür und dreht sich um. Eine bedrohliche Aura umgibt ihn. Sofort bekomme ich wieder Angst. Ängstlich mache ich zwei Schritte rückwärts und stoße sogleich mit dem Rücken gegen ein Regal. Vorsichtig mustere ich ihn, während er langsam näher kommt.
"Was soll das?" knurrt er leise ohne mich aus den Augen zu lassen.
"Ähm was genau? Die Ohrfeige oder ... oder?", stottere ich.
"Ich meine was denkst du dir dabei in der Schule ohne Höschen aufzukreuzen? Ich wollte es gerade überprüfen und da schlägst du mich?" Er steht nun direkt vor mir und sieht mich von oben herab an. Seine Brust berührt meine. Mein Atem geht heftig, die Angst steigert sich. "Was hast du dir dabei gedacht mich vor der versammelten Klasse zu schlagen?"
Die Angst lähmt meine Stimmbänder. Ich bringe kein Wort heraus.
"Antworte mir!" brüllt er mich an.
Ich zucke zusammen und schließe die Augen.
Da scheint er seinen Fehler einzusehen. Freundlicher sagt er "Wie stehe ich denn jetzt da? Ich muss mir was einfallen lassen dich zu bestrafen."
Da platzt mir der Kragen. Ich soll noch mehr bestraft werden?
Mit beiden Händen gebe ich seiner Brust einen kräftigen Schubs.
Überrascht taumelt er zurück. "Was zum ..."
Mit erhobenen Zeigefinger unterbreche ich ihn. "Jetzt reicht es mir aber! Erstens ..." Ich wedle mit dem Zeigefinger vor seinem erstaunten Gesicht herum. "... hast du gestern mein Höschen zerrissen und da ich noch keine Wechselsachen bei dir habe, hatte ich keine andere Wahl als ohne zu gehen. Zweitens ..." Ich halte nun Zeige- und Mittelfinger hoch. "... hast du mir unverfroren unter den Rock gefasst. Soll ich mir das etwa gefallen lassen? Von jedem. Einfach so. Was sollte ich also deiner Meinung nach tun? Sagen 'Hey, willst du nicht noch deinen Finger in mich rein stecken?' oder so? Soll ich das sagen? Auch zu jemanden wie Eddie Trueman?"
Ich weiß das ich ihn mit diesem Namen ärgern kann.
Herausfordernd schaue ich ihm mit verschränkten Armen direkt in die Augen.
Er schnappt nach Luft.
"Und außerdem hast du mich gestern verführt. Deswegen war ich ja überhaupt über Nacht bei dir.", setze ich noch einen drauf. Schließlich versuche ich die Situation mit einem Lächeln zu entschärfen.
"Also erstens ..." Er zeigt auf mich. "...warst du es die gestern einen halben Striptease vor mir hingelegt hat. Was bitte schön sollte ich da tun? Ich bin auch nur ein Mann, Ava." Seine Augen funkeln. "Und zweitens ... du hast recht. Ich fände es absolut inakzeptabel wenn meine Freundin von anderen Typen angefasst wird. Natürlich sollst du dich wehren. Ich hoffe nur das kommt an dieser Schule nicht all zu häufig vor das den Schülerinnen unter den Rock gefasst wird!" murmelt er abwesend.
"Kommt es nicht. Keine Angst " murmle ich und blicke zu Boden.
Er kommt auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung. "Was sind wir nur für ein Paar. Kein Tag vergeht ohne Stress." raunt er in mein Haar.
"Tja so ist das eben wenn man eine Beziehung führt wie wir sie eben führen." grinse ich und kuschle mich an seine Brust. "Gewöhnen Sie sich besser daran, Mister Redmayne!"
Ich merke das er lächelt.
"Und, ist dir schon eine Bestrafung eingefallen?"
"Nö. Ich überlege noch. Aber es wird wohl auf körperliche Züchtigung hinaus laufen." Überrascht lehne ich mich etwas zurück und sehe zu ihm auf. Dieses freche anzügliche Grinsen lässt mich meine Angst die ich noch vor wenigen Augenblicken verspürt habe vergessen.
"Oh Mister Redmayne, wie ungezogen Sie heute wieder sind." Ich versuche es mit einer Marilyn Monroe Parodie und nehme meinen Fingernagel des Zeigefingers lasziv zwischen die Zähne. Meinem devot sexy Blick kann er kaum widerstehen.
Ein dunkles Knurren dringt aus seiner Kehle. Mit einem Schritt ist er wieder bei mir und hebt mich hoch.
Er wird doch nicht. Nicht hier. Nicht jetzt.
"Tristan, hör auf! Hör sofort auf! Vergiss nicht wo wir hier sind." stöhne ich unter seinen Küssen. Er stöhnt nur wollüstig. Setzt mich auf dem winzigen Tisch an der Wand ab und beginnt die Knöpfe meiner Bluse aufzureißen. Halbherzig versuche ich seine Hände festzuhalten. Er nimmt meine Hand und presst sie entschieden neben mir auf die Tischplatte. Meine Knöpfe haben kapituliert und die Bluse rutscht von meinen Schultern. Sanft drückt er mich rücklinks gegen die Wand hinter mir. Mit einem Bein drängt er meine Beine auseinander und stellt sich dazwischen. Seine großen Hände streicheln jeden Quadratzentimeter meines Körpers. Mein Oberkörper bäumt sich ihm entgegen. Meine Hände wollen sich in sein Haar krallen, doch er nimmt sie beide und platziert sie entschieden oberhalb meines Kopfes. Sein Mund liebkost meinen Bauch fährt hoch zu meinen Brüsten die er sofort aus dem BH schiebt. Meine Brustwarzen zeigen ihm wie bereit ich schon für ihn bin. Erneut verselbstständigen sich meine Hände und greifen ihm in den Nacken. "Wenn du nicht hören willst ..." raunt er. Dann geht alles ganz schnell. Er greift mit beiden Händen meine Taille und mit einer schnellen kräftigen Bewegung dreht er mich nicht nur auf den Bauch. Sondern zieht mich auch etwas zu sich, so das ich nun breitbeinig vor ihm halb auf der Tischplatte liegend zum stehen komme. Erschrocken hole ich Luft. Während er mit einer Hand in meinem Rücken mich auf die Tischplatte drückt, öffnet er mit der anderen seinem Gürtel.
Ohne Vorwarnung dringt er kurz darauf mit einem kräftigen Stoß von hinten in mich ein. Ich schreie auf. Nicht vor Schmerz, sondern weil ich noch nie eine solche Lust gespürt habe.
Meine Brüste reiben sich an dem kalten Holz der Tischplatte was mich noch geiler werden lässt. Tristans Stöße werden schneller und stärker je mehr er sich dem Höhepunkt nähert. Mein Stöhnen, vermischt mit dem steten Klopfen der Tischplatte gegen die Wand muss durch das gesamte Gebäude zu hören sein.
Scheißegal!
Da greift er sich meinen Pferdeschwanz und zieht mir den Kopf so weit nach hinten das ich zwar noch Luft bekomme, aber nicht mehr in der Lage bin laute Geräusche von mir zu geben. "Sorry Süße, ich komme schon.", stöhnt er und ergießt sich zuckend und warm in mir. Ein paar Augenblicke des erschöpften Aufeinander liegens und wieder runterfahrens gönnen wir uns. Dann lassen wir eilig voneinander ab und ordnen unsere Kleidung.
"Hoffentlich hat niemand was mitbekommen!" flüstere ich.
Er nickt. "Bei deiner Lautstärke schwer vorstellbar. Aber ich hoffe es auch." An seinem Grinsen erkenne ich das seine Wut von vorhin verraucht ist.
Apropos rauchen. Er hat doch tatsächlich jetzt die Ruhe sich eine Zigarette anzustecken. Während er raucht rückt er seine Krawatte zurecht und setzt sich anschließend auf die Tischkante. Mit einem anzüglichen Grinsen auf den Lippen beobachtet er mich wie ich meine Brüste im BH verstecke und meine Bluse zuknöpfe.
"Du bist wirklich so heiß, Süße! Aber ich hoffe wir machen das nicht all zu häufig! Das hält mein Herz nicht aus."
"Oh armer alter Mann." kichere ich.
Tristan erhebt sich, lässt die Zigarette einfach auf den Boden fallen und tritt sie lässig aus.
Mit einem Klaps auf meinen Po und den Worten "Ich hoffe das war Ihnen eine Lehre, Miss MacAdams.", lässt er mich allein in der Besenkammer zurück.
Ich folge ihm etwa drei Minuten später als sich meine Atmung wieder normalisiert hat.
Als ich am Klassenraum ankomme befinden sich alle bereits im Innern des Klassenraumes. Meine Mitschüler haben scheinbar alle brav vor der Tür im Flur gewartet. Meinen Rucksack entdecke ich nirgends, also hat ihn jemand mit hinein genommen.

Zaghaft klopfe ich an und drücke die Klinke herunter. Mit meinem Eintreten lege ich eine devote Miene auf und laufe langsam zu meinem Platz. Auf einen Blick zum Lehrerpult verzichte ich. Doch Tristan ruft laut "Ich hoffe Sie haben daraus etwas gelernt!"
Ich erstarre und nicke stumm ohne mich umzudrehen. Zögerlich gehe ich zu Mary und setze mich schweigend und ohne mich umzusehen neben sie. Ihre Wut auf mich scheint der Neugier was mit mir in den letzten 20 Minuten passiert ist gewichen zu sein. Neugierig sieht sie mich an. Doch ich schweige weiterhin und kritzel auf meinen Block "Später."
Sie liest es und nickt.
Claire und ihr Gefolge sehen sich während der Stunde immer mal wieder zu mir um und auch einige Jungs starren mich an. Oder bilde ich mir das nur ein? Haben sie etwas mitbekommen oder ahnen sie etwas?

 

Lorelai

 

Dieses Mädchen erinnert mich jeden Tag mehr an mich selbst aus ich so jung war wie sie.
Als ich vorhin aufgewacht und sie habe für die Schule wecken wollen, musste ich feststellen das ihr Bett unbenutzt war. Wütend habe ich mir mein Handy geschnappt und sie angerufen. Das kleine Biest hat es einfach klingeln lassen. Schließlich habe ich ihr eine für meine Verhältnisse gepfefferte Sprachnachricht zukommen lassen.
Max beruhigt mich ein wenig als er verschlafen ein paar Minuten später neben mir am Küchentisch sitzt und darauf wartet das die Maschine mit unserem Kaffee fertig wird. "Sie ist jung und hat ihren ersten Freund." springt er für Ava in die Presche.
"Dir ist schon klar, dass du ihr neuer Dad wirst und in Zukunft wenn sie sich solche Kapriolen leistet sie bestrafen musst." grinse ich ihn an.
"Blödsinn. Das würde sie erstens nicht akzeptieren und zweitens ist sie zu alt dafür." lacht er.
"Man ist nie zu alt um eine Standpauke zu kriegen." murmle ich.
Max steht auf um uns zwei Tassen einzugießen.
"Hier bitte." Er reicht mir eine der Tassen. "Mach dir keine Sorgen! Sie wird bei ihm sein. Das kommt schonmal vor in ihrem Alter. Da vergisst man eben mal die Uhrzeit und dann ist es zu spät für den Bus."
Ich schnaube. "Bus? Der Kerl fährt einen Luxusschlitten."
"Na und. Eifersüchtig?" versucht er mich auf zuziehen.
"Nö. Denn mein Auto ist viel geiler!" Jetzt muss ich doch lachen.
"Dann ist ja gut. Lassen wir Ava diesen Ausrutscher durchgehen. Beim nächsten Mal rede ich mit ihr. Versprochen. Und das sage ich als ihr neuer Dad." Grinsend trinkt er einen Schluck.
Oh ich liebe diesen Mann! Diese Autorität. Diesen Charm.

Aber er ist nichts gegen Tom.

 

Eine Lösung muss her

 Ava

 

"Ach, auch mal wieder zu Hause.", begrüßt Mum mich als ich am Abend in die Küche komme. Sie sitzt mit Max gemeinsam am Tisch. Beide hatten sich angeregt unterhalten bis ich hinzu kam. Max sieht mich nur freundlich an, wobei Mum's Blick nicht unbedingt als freundlich beschrieben werden kann.
"Ja das bin ich.", murmle ich.
"Und darf man fragen wo du in der letzten Nacht gewesen bist?"
"Da war ich bei Eddie. Ich dachte du könntest es dir denken."
"Ja vielleicht könnte ich das. Vielleicht aber auch nicht. Denn kenne ich einen Eddie? Nein." Sie schüttelt den Kopf und sieht zu Max. "Kennst du einen Eddie, Max? Wurdest du ihm vielleicht schon vorgestellt?"
Max schüttelt stumm den Kopf. Sicher findet er, dass das hier ein Mutter-Tochter-Ding ist und er als Außenstehender sich nicht einmischen sollte.
"Ach ist ja interessant. Niemand hier kennt deinen Freund Eddie, Ava."
"Mum, bitte."
Doch sie redet ungerührt weiter. "Woher sollen wir denn wissen, dass er nicht irgendein Psychopat ist. Und Max nicht eines Tages die Leiche seiner Stieftochter aus einem Fluss ziehen muss."
"Jetzt übertreibst du aber." werfe ich ein.
"Ach tue ich das?" Mum sieht mir fest in die Augen. In der einen Sekunde ist ihr Blick noch hart, doch mit einem Mal wird er weicher. "Ava wir machen uns Sorgen. So lange wir nicht wissen wer dein Freund ist, wissen wir auch nicht wo du deine Zeit verbringst. Denke doch nur mal, es passiert irgendwas und ich muss dich abholen. Wo bitte finde ich dich dann?"
Ich kann sie ja verstehen.
"Das stimmt schon. Es tut mir wirklich leid, Mum, Max!" Ich sehe beide abwechselnd an.
Max lächelt mir krampfhaft zu.
"Aber Eddie ist noch nicht soweit. Er ... er möchte noch nicht das ... das unsere ... ähm ... Beziehung bekannt wird. Oder nein ... ähm ... er möchte unsere Beziehung noch nicht an die große Glocke hängen." stammle ich und verhasple mich immer mehr in meiner Lügengeschichte.
Scheiße!
Mum zieht die Augenbraue hoch und auch Max Interesse als Polizist schien nun geweckt. Er beugt sich aufmerksam etwas nach vorn.
Mittlerweile kam ich mir hier vor wie eine Beschuldigte bei einem Verhör.
"Ich kann ihn euch noch nicht vorstellen.", erkläre ich so bestimmt wie möglich.
"Warum nicht? Was für ein Geheimnis hat er? Wer ist er?" Will Mum wissen.
"Keines. Er ist nur ... schüchtern.", lüge ich.
Mum lacht spöttisch. "Jemand der so ein Auto fährt ist nicht schüchtern."
"Was sagt das schon über einen Menschen aus?", murmle ich fast lautlos.
Sie zieht die Augenbraue hoch.
"Gut wenn du nicht willst. Ich werde dir jedenfalls erst wieder erlauben bei ihm zu übernachten wenn ich ihn kennengelernt habe! Und das ist mein letztes Wort." Verkündet sie resolut.
Ich zucke zusammen.
Die volle Härte ihre Aussage wird mir erst einige Minuten später richtig klar als ich heulend auf meinem Bett liege.
Was nun?
Hilfesuchend greife ich mir mein Handy um Tristan anzurufen. Doch er nimmt nicht ab.
Also schreibe ich ihm eine längere Nachricht in der ich ihm die Situation erkläre. Ich schreibe außerdem das er sich jetzt mal etwas einfallen lassen soll, da mir langsam die Ausreden ausgehen. Mir fällt beim besten Willen keine Lösung für dieses Problem ein.
Einige Zeit liege ich einfach nur auf meinem Bett und starre die Zimmerdecke an. Draußen schien noch immer die Sonne warm vom Himmel. Dieser Sommer war wirklich außergewöhnlich heiß und lang.
Ich muss mich ablenken. Wenn ich weiter hier liegen bleibe und heule habe ich morgen nicht nur höllische Kopfschmerzen sondern sehe auch noch aus wie eine aufgequollene Tomate.
Ich versuche es mit lesen. Doch ich kann mich nicht konzentrieren. Ich brauche etwas seichteres.
Da fällt mir der Schulchat ein. Da könnte ich mal wieder einen Blick reinwerfen. Vielleicht kann ich mich damit ja ablenken?  
Schließlich hole ich mir leise Mum's Laptop aus dem Wohnzimmer und nehme ihn mit nach oben. Nachdem ich meine Zimmertür abgeschlossen und es mir wieder auf meinem Bett bequem gemacht habe, starte ihn.
Auf der Homepage gehe ich zuerst auf den allgemeinen Chatraum.
Hier springt mir als erstes mein eigener Name und der von Tristan ins Auge.
Oh weh.
"Ava MacAdams verprügelt Lehrer. Was ist nur in sie gefahren, dass sie auf hilflose Lehrer einschlägt?" Lese ich da. Mir klappt die Kinnlade runter.
"Sie wird schlecht gefickt. Und lässt ihren Frust an Redmayne ab." mutmaßt ausgerechnet Eddie44. Na der muss es ja wissen.
"Seit wann steht MacAdams zum ficken zur Verfügung?" will ein anderer Typ wissen.
John 120 verkündet, "Die würd ich auch gern mal knallen!"
Wie bitte? Haben die nen Knall?
Eddie kommentiert, "Ich auch. Aber die macht nur für einen die Beine breit."
"Für wen?" Claire2.
"KP." Eddie44 .
"Wenigstens hat sie ihre Abreibung bekommen. Erst geht sie letzte Woche auf Evans los und jetzt auf den armen Redmayne. Was soll der von unserer Schule halten, wo er doch noch so neu hier ist." Ätzt Claire2.
"Jup. Weiß jemand was sie für eine Strafe bekommen hat? Du vielleicht Claire?" Susan35 .
"Leider nein. Mum hat mir nichts erzählen wollen.", muss Claire2 sicherlich zu ihrem Bedauern zugeben.
"Oder nichts erzählen können. Ich könnte es euch sagen.", denke ich lächelnd. Niemand scheint mein Gestöhne in dem Abstellraum mitbekommen zu haben.
"Redmayne schien wirklich sauer zu sein. Aber ihre Strafe schien ihn zufrieden zu stellen. So wie der gegrinst hat als er zurück kam.", schrieb Julia5.
"Jup. Richtig süß." Tessa98.
Nun lassen sie sich über den Niedlichkeitsfaktor meines Freundes aus als wäre er ein Kaninchen oder Hundewelpe. Ich verdrehe die Augen und scrolle weiter runter.
Es werden die künftigen Austausschüler aus Frankreich erwähnt.
Und jemand schrieb über Michel.
"Ein anderer heißer Franzose ist neu unter uns. Wer hat ihn schon entdeckt?" Susan35.
"Ich. Ein wirklich heißes Gerät!" kommentiert eine gewisse Emma99.
Ich suche ob auch Mary sich bereits zu ihm geäußert hat. Doch sie blieb stumm. Wahrscheinlich weil weiter unten unser Zwischenfall mit Evans und Claire letzte Woche diskutiert wurde und sie dabei schon nicht gut weg kam.
Claire stellt die ganze Sache natürlich so dar als das die Furien Mary und Ava völlig grundlos ausgetickt sind und sich auf sie geworfen haben.
Zombie lese ich und Adjektive wie gemeingefährlich und brutal.
Mit Spannung wird unsere Strafe erwartet. Doch Claire weiß schon wieder nichts darüber zu berichten. Ihre Mutter schweigt.
Genervt klappe ich den Laptop zu. Sollen die sich doch weiterhin das Maul zerreißen. Ob die sich überhaupt bewusst sind das in dem Chat auch die Pädagogen mitlesen können? Wie müssen die sich fühlen wenn sie das über sich lesen.
Ich schaue auf mein Handy. Tristan hat mir noch immer nicht geantwortet. Wo steckt er nur? Bevor ich Mum und Max wieder unter die Augen trete hätte ich gern eine Lösung für unser Problem gefunden.

 

Tristan

 

Verschwitzt kehre ich zum Spint zurück, schließe auf und zerre mein Handtuch heraus. Dabei rutscht mein Handy mit aus dem Schrank. Ich hatte vergessen das es auf dem Handtuch lag. Gerade noch rechtzeitig kann ich es auffangen und damit verhindern das es auf den Fliesenboden aufschlägt.
Dabei komme ich auf das Display, was mir jetzt eine Nachricht von Ava anzeigt. Ich öffne sie und beginne zu lesen.
"Wir haben ein Problem. Meine Mum ist echt sauer das ich die Nacht nicht nach Hause gekommen bin. Sie macht sich Sorgen, dass wenn ich Hilfe brauchen sollte, warum auch immer, sie mich nicht erreichen kann. Sie will dich unbedingt kennenlernen. Eher lässt sie mich nicht mehr zu dir. Ich weiß nicht weiter. Was sollen wir nur tun?"
Ich muss erst einmal tief durch atmen.
Scheiße!
Ich hätte wissen müssen, dass Probleme dieser Art irgendwann auftauchen würden wenn ich eine Beziehung mit meiner Schülerin anfange.
Zuerst einmal beschließe ich zu duschen. Dermaßen verschwitzt und stinkend kann ich keinen klaren Gedanken fassen.
Bis in die Nacht hinein grübel ich über eine Lösung nach. Erfolglos. Wir haben nicht viele Möglichkeiten. Entweder wir weihen jemanden ein und bitten diesen Jemand für uns vor Ava's Mutter mich zu spielen oder wir gestehen ihr die Wahrheit und ich gehe in den Knast wegen Verführung Minderjähriger.
Beides keine schönen Aussichten.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir das es wenig Sinn macht Ava noch anzurufen. Sie wird bereits schlafen. Also schreibe ich ihr und gestehe das ich auch keine Lösung gefunden habe.
Bald darauf leuchtet mein Display auf. Verwundert greife ich es mir vom Nachttisch. Ava schläft doch noch nicht.
"Und was machen wir jetzt?", lese ich.
Ich schlage ihr vor erst einmal schlafen zu gehen und mir morgen früh etwas einfallen zu lassen.
"Ich habe Angst, Tristan. Ich will dich nicht verlieren! Ich will nicht das es zu Ende ist."
Da muss ich schwer schlucken. Ich kann mir auch nicht vorstellen wieder auf sie verzichten zu müssen. Sie nur zu unterrichten und mit ansehen zu müssen wie sie einen anderen datet. Gar vorstellen zu müssen wie sie mit einem anderen Kerl fickt.
"Ich finde eine Lösung, Darling. Versprochen. Ich liebe dich!", tippe ich.
"Okay. Ich liebe dich auch.", antwortet sie.

 

Ava

 

Als ich in die Küche hinunter komme beschleicht mich sofort wieder ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Tristan hat sich noch nicht gemeldet, also muss ich mir selbst ganz schnell etwas einfallen lassen. Eine seiner Ideen scheint mir machbar also antworte ich meiner Mutter nachdem sie mich frostig mit den Worten "Und lerne ich ihn nun kennen oder nicht?" begrüßt.
"Ja. Am Wochenende. Ist das okay für dich?"
Verwundert reißt sie die Augen auf und grinst. "Klar ist das in Ordnung. Ich freu mich!"
"Und wir uns erst.", murmle ich kaum hörbar.

"Wie bitte?", schreit Tristan durch das Telefon.
Ich fand es nur fair ihm so schnell wie möglich von meiner Entscheidung zu unterrichten.
"Spinnst du? Und auf meine Entscheidung tu warten war dir zu anstrengend oder wie?"
"Stopp! Du bist doch nicht aus dem Tee gekommen. Und diese Entscheidung war für mich die bessere Lösung. Jedenfalls habe ich keine Lust von der Schule zu fliegen und meinen Freund im Knast zu besuchen.", schreie ich zurück.
Die neugierigen Blicke der Passanten ignoriere ich geflissentlich.
"Schon. Aber ... hast du dir in deinem tollen Plan auch überlegt wer mich darstellen soll?"
"Genau genommen war es dein Plan.", werfe ich ein, "Aber nein, noch nicht."
"Na super.", brummt er.
"Ich wollte dich fragen ob dir vielleicht jemand einfällt. Ein Kumpel vielleicht." Meine Stimme wurde immer leiser.
"Meine Freunde sind alles Erwachsene. Die würden sich auf solchen Kinderkram gar nicht erst einlassen."
Das hat gesessen. Ich merke wie meine Augen zu brennen anfangen.
"Na dann, ist es wohl besser es zu beenden. So ist es einfacher für uns beide.", flüstere ich, "...Und vor allem gefahrlos."
"Was? Was hast du da gesagt?", schreit er.
Ich bin nicht in der Lage das Gesagte noch einmal zu wiederholen und flüstere stattdessen nur "Leb wohl, Tristan." und lege auf.
"Was?" höre ich noch dumpf aus meinem Handy bevor es schweigt.
Da ich heute nicht nur Englisch und Physik bei Tristan sondern auch Sport bei Evans hätte und das in meiner momentanen Verfassung sicherlich nicht durchstehen könnte, beschließe ich zu schwänzen. Heute muss die Schule mal ohne mich stattfinden. Scheißegal was das für Konsequenzen nach sich zieht!
Ich schlage also einen Haken und laufe statt geradeaus zur Schule wieder in Richtung City zurück.
Auf einer Wiese in 'The Backs' setze ich mich für eine kleine Weile ans Ufer des Cam und beobachte ein paar Enten. Die Ruhe und Abgeschiedenheit hier tut mir gut. Und ich brauche gerade ganz viel Ruhe. Ich habe gerade mit meinem Freund Schluss gemacht. Mit meinem Freund mit dem ich streng genommen gerade einmal 4 Tage zusammen war. Was für eine Bilanz. Echt enttäuschend. Am anderen Ufer beobachte ich ein Pärchen. Sicher Studenten. Davon laufen in dieser Gegend ja einige herum. Sich verliebt an den Händen haltend schlendern die zwei über die Wiese. Er trägt für sie ihre Tasche und sie ihre Sandaletten in der jeweiligen freien Hand. Fröhlich unterhalten sie sich.
Mein Herz krampft sich zusammen während ich ihr Glück beobachte und dem hinterher trauere was ich verloren habe.
Wütend wische ich mir mit dem Handrücken über die Augen.
Da meldet sich in meinem Rucksack mein Handy. Ich hole es heraus und lese Tristans Namen auf dem Display. Ich drücke ihn weg und lasse meine Hand mit dem Handy müde ins Gras sinken. Sofort versucht er es erneut. Mein Daumen drückt ihn automatisch weg. Nachdem er es noch zwei Mal probiert hat, stelle ich mein Handy auf Lautlos und werfe es in den Rucksack zurück. Mittlerweile kann ich kaum noch klar sehen, so sehr verschleiern die Tränen meinen Blick. Mein Körper wird von heftigen Schlurchzern geschüttelt. Zum Glück sind um diese Uhrzeit hier kaum Passanten unterwegs, so das ich mich nicht vollends blamiere mit meinem Aussehen.
Doch so langsam merke ich, dass ich heute noch kaum etwas gegessen habe. Aufgrund der frostigen Stimmung zu Hause habe ich heute morgen auf ein gemeinsames Frühstück mit Mum und Max bei Walt verzichtet.
"Genug geheult!", murmle ich, rappelte mich auf und klopfe mir das Gras vom Po. Mit einem frischen Taschentuch und einem Handspiegel setze ich mich so gutes eben geht in stand und schlendere schließlich langsam zur nächsten Straße.
Ich kann nicht sagen wie lange ich im Park herum gesessen habe, aber es schien schon gegen 10 Uhr zu sein. Ich nehme im nächstbesten Cafè Platz und bestelle mir ein kleines Frühstück mit Kaffee. Die Kellnerin sieht mich kurz verwundert an, sagt aber nichts und verschwindet wieder hinter dem Tresen.
Neugierig krame ich mein Handy doch wieder hervor und schaue nach wie oft er es noch versucht hat. Doch angerufen hat mich nur das Schulsekretariat und meine Mutter. Sicherlich hat man sich über mein unentschuldigtes Fehlen gewundert und nachdem man mich nicht erreicht hat meiner Mutter informiert. Die hat dann sorgenvoll mir nachtelefoniert. Beide Nummern rufe ich nicht zurück. Ich kann mir jetzt keine Standpauke anhören und ich kann mir auch keine Ausreden einfallen lassen. Ich will nur meine Ruhe haben!
Ich will schon mein Handy wieder wegpacken als eine Nachricht von Tristan eintrifft. Genau in diesem Moment stellt aber auch die Kellnerin mein Frühstück vor mir ab, sodas ich sie zunächst nicht lesen kann.
Als sie weg ist, ich in meinen Kaffee Milch und Zucker eingerührt und einen Schluck des Lebenselexier intus habe, sehe ich mich gestärkt genug um sie zu lesen.
"Wir müssen reden! Und wir werden es auch. Das du die Schule schwänzt bringt dir gar nichts. Ich finde dich."
Eine Drohung. Oh toll! Von der Geliebten zum Hassobjekt und das an nur einem Vormittag.
Wütend knalle ich mein Smartphone auf die Tischplatte. Erschrocken nehme ich es wieder hoch und entdecke die Bescherung. Spiderman App. Na toll! Dieser beschissene Scheißtag wird ja immer besser.
Am liebsten würde ich wieder zu heulen anfangen.

 

Nachdem ich mir extra viel Zeit für das Frühstück gelassen habe verlasse ich gegen Mittag das Cafè.
Wohin jetzt? Soll ich zu Mum in den Laden und ihr alles erzählen. Ist ja jetzt auch egal. Es gibt ja nichts mehr was ich zu verheimlichen hätte.
Ich beschließe das das eine gute Idee ist um das Verhältnis zwischen Mum und mir wieder ins Lot zu bringen. Also nehme ich den Bus in Richtung Stadtrand wo sich der Beautysalon befindet. Doch als ich davor stehe ist die Tür abgeschlossen. Verwundert schirmen ich meine Augen mit den Händen ab und spähe durch das Schaufenster. Innen sieht es aus wie bei einer Kernsanierung. Keine Möbel, Löcher in den Wänden, Schutt auf dem Boden. Enttäuscht setzte ich mich auf das Fensterbrett des Schaufensters.
Seltsam das Mum mir gar nichts von ihren Renovierungsplänen berichtet hat. So schlimm war unser Verhältnis in der letzten Zeit doch auch wieder nicht.
Plötzlich höre ich dumpf aus dem Innern des Ladens etwas klirren. Ich stehe wieder auf und schaue noch einmal durch die Scheibe. Da entdecke ich zwei Leute eng umschlungen in einem intensiven Kuss vertieft. Ind wenn mich nicht alles täuscht sind diese zwei Leute niemand anderes als meine Mum und Tom Griffiths, Max Partner bei der Polizei.

 

Lorelai

 

Eigentlich gibt es für mich heute ja keinen Grund zum Salon zu fahren, aber um den Container für den Schutt in Empfang zu nehmen muss ich doch hin.
Zeitgleich brechen Max und ich auf. Jeder allerdings in seinem eigenen Fahrzeug. Vor dem Polizeirevier halte auch ich kurz an, verabschiede ich mich von ihm und fahre anschließend zu meinem Laden.
Dort nutze ich die Wartezeit um noch ein wenig Ordnung zu schaffen.
Um 11 Uhr soll der Container angeliefert werden. Kurz vor 11 trete ich vor das Haus und zünde mir eine Zigarette an. Ich habe ewig nicht mehr geraucht doch seit gestern habe ich wieder ein unstillbares Verlangen danach. Während ich da stehe und an der Zigarette ziehe, hält direkt vor mir mit röhrendem Motor ein roter Mustang. Vor Schreck fällt mir die Zigarette aus der Hand.
"Scheiße.", entfährt es mir.
Tom steigt aus und bleibt mit verschränkten Armen an der geöffneten Fahrertür stehen. "Hi.", brummt er.
"Hey Tom.", antworte ich.
Zum Glück kann man mir nicht ansehen wie sehr mein Herz schlägt.
"Was gibt's?", frage ich.
"Also erstens muss ich noch etwas nachschauen was ich gestern vergessen habe und ..." Er kommt auf mich zu und wirft die Autotür hinter sich zu. "... zweitens muss ich dir etwas sagen." Direkt vor mir kommt er zum stehen. Er steht so nah bei mir, das kein Blatt zwischen uns passen würde.
Unwillkürlich halte ich den Atem an.
"Und ... und was willst d-du ... m-mir sa ...", stottere ich. Tom unterbricht mich indem er mit der Hand in meinen Nacken greift und seine Lippen auf meine presst. Ehe ich etwas dagegen tun kann entfährt mir ein Seufzen. Anfangs wehre ich mich und versuche ihn halbherzig mit der Hand von mir weg zu schieben. Doch als seine zweite Hand mich näher an ihn drückt gebe ich den Widerstand auf und öffne mich ihm. Hemmungslos küssen wir uns auf offener Straße bis wir von quietschenden Bremsen eines LKWs unterbrochen werden.
Erschrocken fahren wir auseinander.
"Tach auch.", ruft der Fahrer beim aussteigen, "Sie haben nen Container bestellt?" Grinsend bleibt er vor uns stehen und wendet den Blick an Tom.
"Ich habe den Container bestellt. Hallo." Lenke ich seinen Blick auf mich.
Er kratzt sich verwirrt am Kopf und murmelt, "Und ich hab mich schon gewundert das so ein Kerl wie Sie einen Schönheitssalon betreiben." Wendet er sich noch einmal an Tom und boxt ihn gegen den Oberarm.
Dieser Mann scheint keine Probleme damit zu haben auf andere Menschen offen zu zugehen.
Tom grinst nur und antwortet, "Ich bin Polizist."
"Ah so."
"Ähm ja ... Sie können den Container einfach hier vor der Tür abstellen. Dann müsste nur der Mustang da weg." Letzteres war an Tom gerichtet. Der versteht sofort und springt in seinen Wagen um ihn umzuparken.
Ich stecke mir eine neue Zigarette an und sehe dem Mann beim abladen des Containers zu. Tom's Mustang ist nirgends mehr zu sehen.
Als der Container an Ort und Stelle steht und ich den Empfang auf einer Quittung bestätigt habe verabschiedet sich der Mann. Gerade trete ich die Zigarette auf dem Gehweg aus und wende mich zur Eingangstür, als sich in diesem Moment zwei starke Hände meine Taille packen und mich mit ins Innere reißen. Erschrocken schreie ich auf. Die Tür schlägt zu. Eine Hand auf meinem Mund hindert mich am weiterschreien, die andere drückt mich mit dem Rücken gegen die Tür. Es ist Tom der hier über mich her fällt. Er küsst meinen Hals abwärts bis zum Schlüsselbein.
"Tom nicht.", stöhne ich.
"Scht.", raunt er und malträtiert mich weiter mit seiner süßen Folter.
Seine Hand rutscht tiefer bis zu meinem Bauch. Dort schiebt sie sich unter mein T-Shirt und wandert wieder hinauf zu meinen Brüsten.
Der Stoff rafft sich über meinen Brüsten als er ihn dort festhält und sich seine Lippen ausgiebig um meine Brüste kümmern. Seine Zunge kreist himmlisch langsam um meine Brustwarzen. Als er gierig daran zu saugen beginnt verwandeln sich meine stummen Schreie in ein lautes Stöhnen.
Meine Hände krallen sich in sein Haar, ziehen daran und entlocken ihm ebenfalls ein dunkles Stöhnen.
Während er sich vor mir auf die Knie sinken lässt und mir den Bleistiftrock herunter zieht lege ich meine Hände auf seine Schultern.
Ich will ihn spüren. Zwischen meinen Beinen. Jetzt sofort. Gierig dirigiere ich ihn zu meiner Mitte. Mit einem Ruck reißt er mein Höschen herunter und presst sofort seinen Mund auf meine feuchte Spalte. "Oh Tom.", stöhne ich seinen Namen wieder und immer wieder als er mich mit seiner süßen Folter quält.
Seine großen Hände pressen sich auf meine Pobacken und drücken mich noch näher an sein Gesicht.
Als mein Höhepunkt in Wellen angerollt kommt werden meine Beine weich wie Pudding und ich muss mich an der Tür hinter mir abstützen.
Ein dunkles Lachen dringt dumpf zwischen meinen Beinen hervor als ich mich völlig der Lust hingebe.
Tom lässt sich rückwärts auf den Boden kippen und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen sieht er im Schneidersitz zu mir hoch.
Erschrocken über das was ich gerade getan habe starre ich ihn an. Meine Beine sind noch immer weich, der Atem geht stoßweise und ein feuchtes Rinnsal läuft an meinem inneren Oberschenkel hinunter. Dies alles registriere ich wie in Trance.
Was habe ich getan?
Wieso habe ich das getan?
Was wird Max dazu sagen?
"Komm her!" raunt Tom als er wieder vor mir steht. Ich ergreife seine dargebotene Hand und folge ihm in die hinteren Räume des Ladens. "Hier vorn sind wir wie auf dem Präsentierteller.", erklärt er grinsend.
Er scheint gar kein schlechtes Gewissen zu haben, dass er soeben seinen Partner hintergangen hat.
Unsicher sehe ich mich um und plötzlich wird mir klar, dass wir es soeben direkt an einer Glastür miteinander getrieben haben. Jeder der vorbei gekommen ist hatte freie Sicht auf meine blanke Kehrseite. Wir haben die perfekte Peepshow geliefert.
In unserem Pausenraum Schrägstrich Küche lehnt er sich mit dem Po an den Tisch und sieht mich forschend an. Worauf wartet er?
Ich habe Gesprächsbedarf und beginne "Tom, du weißt schon, dass das falsch war?"
"Wer sagt das?"
"Ähm ich bin mit Max zusammen ... verlobt meine ich."
"Und?"
"Was und? Hast du kein Gewissen?" Neugierig mustere ich ihn.
"Hast du mitgemacht?", stellt frech eine Gegenfrage.
"Ja schon, aber ..."
"Hat es dir gefallen?", unterbricht er mich und sieht mir fest in die Augen.
Jetzt hat er mich. Und ob es mir gefallen hat!
"Ähm ...", beginne ich, "Ähm ... das tut nichts ..."
"Hat es dir gefallen?", brüllt er plötzlich.
Erschrocken zucke ich zusammen. Beschämt sehe ich zu Boden. "Ja.", flüstere ich fast tonlos.
"Kann Cooper es dir so besorgen? Fühlst du dasselbe wie bei mir?" Unerbittlich starrt er mich an.
"Ich ... ich ... nein." Gebe ich meinen Widerstand auf.
"Siehst du." Grinsend stößt er sich vom Tisch ab und nimmt mich in den Arm. "Ich weiß genau was du brauchst, Lorelai. Nur ich kann es dir geben wie du es brauchst.", raunt er in mein Haar.
"Tom, ich ... kann doch nicht.", stammle ich.
"Scht." Er legt mir den Zeigefinger auf die Lippen um mich zum Schweigen zu bringen. "Ich glaube du bist noch nicht ganz überzeugt. Lass mich dich von mir überzeugen. Gib mir eine Chance, Lorelai!"
"Tom ...", flüstere ich.
Er bringt mich zum Schweigen indem er mich küsst. Fordernd und intensiv.
Sofort werde ich wieder zu Wachs in seinen Händen und gebe mich ihm hin.
Mein Körper scheint bereits zu wissen was mein Herz noch zu ignorieren versucht.
Tom ist mein Seelenverwandter.

 

Ava

 

Es ist wie ein Unfall. Man will es nicht, aber man muss die ganze Zeit hinstarren.
Also stehe ich nur da, beschatte meine Augen mit beiden Händen und beobachte meine Mutter und ihren Liebhaber. Wie lange geht das wohl schon zwischen den beiden?
Mit einem mal kommt mir ein Gedanke. Ein bösartiger, gemeiner Gedanke und ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels was mein Problem angeht.
Allerdings ... habe ich eigentlich kein Problem mehr was es zu lösen gilt. Ich habe ja Schluss gemacht. Wütend drehe ich mich weg und beginne zu laufen. Ich laufe und laufe und laufe immer weiter. Wohin weiß ich nicht. Nur weg von hier.
Mit dem Bus fahre ich zurück nach Little Surrey. Francine, die freundliche Busfahrerin fragt ob mit mir alles in Ordnung ist. Sicher sehe ich schrecklich aus.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und erwidere das alles gut sei. Anschließend setze ich mich in die hinterste Sitzreihe und lehne meinen Kopf gegen die Scheibe. Als der Bus an meiner Schule vorüber fährt bemerke ich wie ein schwarzer Mercedes vom Lehrerparkplatz aus auf die Straße biegt. Der Wagen fährt vor dem Bus her. Ich beobachte den Wagen indem ich im Mittelgang durch die Windschutzscheibe des Busses schaue. Er behält weiter diesen Weg bei, bis wir das Ortseingangsschild von Little Surrey passieren.
Schnell greife ich mir meinen Rucksack und gehe zur Tür. Francine lässt mich an der nächsten Haltestelle kurz nach dem Ortseingang aussteigen.
Ihr Weg führt sie weiter über die Dörfer und Vororte von Cambridge, meiner mich auf die Felder rund um Little Surrey. Tristan fährt sicher zu meinem Wohnhaus in der Hoffnung mich dort anzutreffen. Wenn er mich nicht findet wartet er vielleicht sogar dort bis ich nach Hause komme. Nach seiner Drohung traue ich ihm das durchaus zu.
Ich laufe zu dem Hochsitz und klettere hinauf. Wie lange werde ich mich hier wohl verstecken müssen?
Da beginnt mein Handy zu vibrieren. Neugierig, obwohl ich mir schon denken kann wer es ist hole ich es aus dem Rucksack. Tristan. Natürlich.
"Du kannst ihm nicht ewig aus dem Weg gehen." Meldet sich mein Gewissen. "Du musst mutig sein und dich ihm stellen!"
Jetzt ist allerdings noch nicht der Zeitpunkt angekommen das ich so mutig sein könnte. Ich ignoriere den Anruf. Und auch noch die weiteren die diesem folgen.
Am liebsten würde ich Mum etwas schreiben. Traue mich dann aber doch nicht. Ich bin ja selbst nicht besser. Zumindest bis heute morgen gewesen.
Irgendwann werden meine Lider schwer. Ich lehne mich mit dem Oberkörper an die Wand des Häuschens und schließe die Augen.

 

Tristan

 

Wo ist sie nur? Verdammt! Seit sie heute morgen diese schrecklichen Worte ausgesprochen hat versuche ich sie zu erreichen. Doch sie besitzt die Frechheit mich zu ignorieren. Ich will das klären. Ich will sie nicht verlieren. Auch wenn sie Scheiße gebaut hat.
Ich versuche es noch einmal auf ihrem Handy, ehe ich die Schule für heute verlasse. Zum Glück hatte ich heute nur bis 14 Uhr zu unterrichten. Bei Rose habe ich Ava schlussendlich selbst entschuldigt, nachdem ihre Mutter selbst ebenfalls nicht telefonisch zu erreichen war.
Was ist nur los bei den MacAdams Frauen?
Ich sagte Rose das Ava schon in den letzten Tagen etwas angeschlagen gewirkt hätte und sicherlich krank geworden sei. Damit war die Sache erst einmal erledigt.
Doch ich mache mir Sorgen. Ich muss sie finden. Wer weiß, zu was sie fähig ist wenn sie so verstört und allein in der Stadt unterwegs ist? Sie ist ein Teenager.

Ich verabschiede mich im Lehrerzimmer noch kurz von Stephen und verschiebe unser Treffen mit der Ausrede das mir etwas wichtiges dazwischen gekommen sei und laufe hinaus zum Parkplatz.
Am liebsten würde ich nach Little Surrey richtig Gas geben doch die Verkehrsordnung hindert mich daran. Im Ort angekommen fahre ich direkt zu Ava's Wohnhaus. Doch hier ist niemand. Nur die neugierige Nachbarin hockt wieder hinter der Scheibe und beobachtet mich misstrauisch.
Ich beschließe zu warten. Nachbarin hin oder her. Ich lehne mich gegen die Motorhaube und warte. In regelmäßigen Abständen versuche ich Ava anzurufen, doch mittlerweile drückt sie mich nicht einmal mehr weg.
Am liebsten würde ich vor Verzweiflung ein paar Tränen vergießen, doch diese Blöße gebe ich mir dann doch nicht.
Als ich schon das Gefühl habe anzuwurzeln und drauf und dran bin wieder nach Cambridge zurückzukehren, fährt meinem Wagen fast ein bordoxrotem Jaguar hinten rein, so schwungvoll nimmt er die Einfahrt. Fluchend steigt Ava's Mutter und ein unbekannter Typ aus. "Was zur Hölle!"
Ich stoße mich von meinem Wagen ab, atme tief durch und gehe auf sie zu.
Jetzt geht es los. Da komm ich jetzt nicht drum herum.
"Hallo, Lorelai. Ich ..."
"Was wollen Sie ähm du denn hier?" Verwundert sieht sie erst mich und dann mein Auto an. Erkenntnis spiegelt sich in ihrem Blick. Die Augen, so sagt man sind die Spiegel der Seele. Mit einem Mal scheinen vor ihrem inneren Auge alle Puzzleteile ein Bild zu ergeben.
"Du ... du bist ..." Sie wirft einen raschen Blick auf ihren Begleiter der uns neugierig beobachtend auf der Motorhaube des Jaguar mit verschränkten Armen sitzen geblieben ist.
"Du bist doch Ava's Lehrer." Ihr Lächeln wirkt gezwungen. "Tom darf ich dir Ava's Klassenlehrer Tristan vorstellen. Ich meine natürlich Redman."
"Redmayne. Hallo." korrigiere ich und hebe die Hand zum Gruß in Richtung des Fremden. Er erwidert.
"Was ... was willst du denn hier?" Will sie wissen.
"Ich bin auf der Suche nach Ava." Das ist ja nicht gelogen.
"Wieso? Hast du sie heute nicht in der Schule getroffen?" Lorelai lacht nervös.
"Da war sie heute nicht."
"Wie jetzt? Sie hat die Schule geschwänzt?" Sie scheint von nichts zu wissen. "Das ist gar nicht ihre Art." Echte Besorgnis zeigt sich auf ihrem Gesicht.
"Ich habe bereits versucht sie auf ihrem Handy zu erreichen. Vergeblich." Erkläre ich weiter.
Erst als die Worte bereits ausgesprochen waren, fällt mir auf, dass es ein Fehler war zu zugeben das ich Ava's Handynummer habe. Ich bin schließlich nur ihr Lehrer. Dieser Tom kommt näher und legt einen Arm um Lorelai's Hüfte.
Wer ist der Typ? Auf der Gartenparty ihrer Mutter hat sie mir einen anderen Kerl als ihren Lebensgefährten vorgestellt.
"Wann wurde sie das letzte Mal gesehen?" Will dieser Tom jetzt professionell wissen.
"Heute morgen sah ich sie hier..." Sie deutet auf das Haus. "... zu Hause."
"Und ich habe noch am Morgen kurz vor Unterrichtsbegin mit ihr telefoniert.", werfe ich ein.
Tom zieht die Augenbraue hoch.
"Okay. Und im Unterricht ist sie nicht erschienen? Wo war sie als Sie mit ihr telefoniert haben?", fragt Tom.
"Sie meinte sie sitzt im Bus."
"Also ist sie auf dem Weg zwischen Busstation und Schule verschwunden."
"Verschwinden?" Lorelai schlägt sich verzweifelt die Hand vor den Mund. "Wo ist mein Baby?", schreit sie plötzlich und muss von Tom gestützt werden. Er geleitet sie zu den drei Stufen die zu ihrer Veranda am Eingang hoch führen und setzt sie dort ab.
Tom nimmt mich zur Seite und raunt mir zu "Wo haben Sie sie schon alles gesucht?"
Ich erzähle ihm was ich bisher unternommen habe um Ava zu finden. Er nickt und lässt seinen Blick grübelnd in die Ferne schweifen. Dann wendet er sich Lorelai zu "Kennst du ihre besten Freundinnen? Hast du deren Telefonnummern?"
Sie nickt, steht auf und geht's ins Haus. Wir folgen ihr. In einem Telefonbuch das neben dem Haustelefon liegt beginnt sie zu blättern. Schließlich greift sie zun Telefon um zu telefonieren.
"Wir sollten uns mal in Ava's Zimmer umsehen." Schlägt Tom mir vor.
Ich nicke und gehe zielstrebig die Treppe zu Ava's Zimmer hinauf. Dort angekommen fragt Tom mich beim eintreten "Woher wussten Sie wo ihr Zimmer ist?"
Ich zucke die Achseln und murmle was von Intuition.
Mit geübten Blick sieht Tom sich in dem Zimmer um.
Fündig scheint er nicht zu werden. Er greift nach meinem Oberarm und zieht mich mit festem Griff in den Flur hinaus. Dort hält er mich fest und flüstert so leise das ich ihn kaum verstehen kann "Ich weiß was hier abgeht."
Ich schlucke. Sollte dieser Fremde unser Geheimnis entdeckt haben?
"Was?", frage ich verwundert.
"Na die Kleine. Sie hat was gegen den Lover ihrer Mutter. Vielleicht gab es Streit von dem Lorelai uns nichts erzählen will und dann hat sie es vorgezogen sich für ein paar Tage rar zu machen. Die taucht schon wieder auf. Ich kenne Ava. Sie ist ein vernünftiges Mädchen."
Ich nicke stumm.
"Oder weißt du mehr?" Forschend sieht er zu mir auf. Ich bin gut einen halben Kopf größer als er, jedoch nur halb so breit. Diesen Mann möchte ich nicht als Feind begegnen.
"Leider nicht." lüge ich.
Prüfend mustert er mich einen Augenblick lang und dreht schließlich ab.
Ich folge ihm zurück ins Erdgeschoss. Dort hat Lorelai inzwischen bei den Freundinnen angerufen und nichts erreicht.
"Obwohl Mary etwas seltsam geklungen hat." Erinnert sie sich und sieht mich mit einem seltsamen Blick an.
"Inwiefern?" Will ich wissen. Ich kenne Mary auch und weiß, wenn sie etwas weiß dann würde sie uns nichts sagen. Schließlich ist sie Ava's beste Freundin. Ich hoffe nur das sie Lorelai gegenüber nichts von Ava's Freund Tristan erzählt hat! Wo ihre Mutter ja denkt der Freund hieße Eddie.
"Vielleicht ist sie ja bei ihrem Freund." Lässt in diesem Moment Lorelai verlauten. Mir krampft sich mein Magen zusammen und ich halte unwillkürlich die Luft an.
"Ihr Freund? Ava hat einen Freund?", ruft Tom ungläubig, "Seit wann das denn?"
"Ach sie hat ihn seit letztem Wochenende. Ich habe gar nicht an ihn gedacht. Erst als Mary gerade etwas erwähnte ..." Sie sieht mich an. "Wir hatten Streit wegen ihm."
"Wieso Streit?", fragt Tom.
"Ach das übliche. Sie kam zu spät nach Hause wegen ihm."
Tom winkt ab.
"Ich hatte ihr ein Ultimatum gestellt. Entweder sie stellt mir endlich ihren Freund vor oder sie darf ihn nicht mehr besuchen."
Ich schlucke.
Tom nickt. "Kennst du ihn? Weißt du wo er wohnt?"
Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Ich weiß nichts von ihm. Nur was er für ein Auto fährt." Nun sieht sie mir direkt von da wo sie sitzt ins Gesicht. Beobachtet jede Reaktion von meiner Seite als sie weiter spricht "Und seit dem Gespräch mit Mary gerade weiß ich nicht einmal mehr wie er heißt. Ava sagte er hieße Eddie, doch Mary nannte mir einen ganz anderen Namen."
Ich schlucke und versuche nicht zu blinzeln als sie den Blickkontakt aufrecht erhält. "Sie meinte sein Name sei ... Tristan."
Jetzt ist es raus. Und an ihrer Mimik kann ich ablesen das sie bescheid weiß. Oder zumindest ahnt sie etwas.
Bye bye schöne freie Welt!
"Möchtest du das ich eine Vermisstenmeldung raus gebe?" Meldet sich da mit einem Mal Tom wieder zu Wort.
Ich drehe den Kopf und zwinge mich jetzt ihn anzusehen.
"Nein. Ich denke sie ist vernünftig und kommt allein nach Hause. Ich glaube, ich verstehe sie jetzt und weiß warum sie fortgelaufen ist. Lasst uns einfach abwarten. Ich kenne meine Tochter. Und wenn sie nur ein kleines bisschen so ist wie ich, dann hängt sie viel zu sehr am Leben als das sie sich etwas antun würde.", verkündet sie theatralisch.
"Wie, jetzt verstehst du sie? So plötzlich." Will Tom verwundert wissen.
"Jup.", sagt sie nur und geht in die Küche. Im gehen ruft sie, "Möchte jemand Kaffee?"
Tom folgt ihr. Ich ziehe es vor zu verschwinden und außerdem brauche ich jetzt frische Luft. "Auf wiedersehen Mrs. MacAdams ... ich meine Lorelai.", rufe ich laut.
Ich gehe zur Haustür.
"Du gehst schon?" Mit einem Mal steht sie wieder hinter mir. Ich drehe mich um und sehe ihr ins Gesicht. Von Tom ist nichts zu sehen.
"Ich glaube ich weiß wo sie ist. Wenn sie jemand überreden kann Heim zu kommen, dann bist du das. Sag ihr, ich verstehe sie.", sagt sie kryptisch.
Ich kann nur stumm dastehen und sie anstarren.
Sie weiß es. Sie weiß es ganz sicher. So wie Mütter immer alles wissen. Nur das diese Mutter hier nicht meine ist. Gott bewahre. Zum Glück!
"Es gibt da einen Hochsitz. Da ist sie immer schon hin wenn sie genug von der Welt hatte. Suche sie dort!"
Sie beschreibt mir wie ich zu Fuß dort hingelange. Ich drehe mich um und greife nach dem Türknauf. "Gib mir bitte bescheid wenn du sie gefunden hast. Sie kann auch gerne diese Nacht bei dir bleiben, Tristan." Dieses Wort, mein Name, trifft mich wie ein Fausthieb. Fast wäre ich nach vorn gekippt. Ich huste und drehe mich langsam um. Schon damit rechnend gleich eine von ihr verpasst zu bekommen, doch sie ist schon wieder auf dem Weg zurück in die Küche.

Drama baby

 Lorelai

 

Nachdem ich in die Küche zurück gekehrt bin setze ich mich zu Tom an den Tisch.
"Ich weiß, eigentlich wollten wir nur ein paar Sachen holen und dann zu dir zurück. Aber jetzt...", beginne ich, "... ich sollte hier sein wenn Ava nach Hause kommt."
Tom sieht mich nachdenklich an.
Ich habe keine Ahnung, ob Tristan wenn er Ava findet ihr von Tom erzählt. Er kennt ja unsere Verhältnisse nicht. Aber ich will auf keinen Fall, dass wenn Ava nach Hause kommt Tom noch hier ist. Sie hatte genug Drama für einen Tag befürchte ich. Also frage ich während wir unseren Kaffee trinken, "Wäre es okay für dich, dir ein Taxi zu rufen und ohne mich nach Cambridge zurück zu fahren?"
Tom überlegt kurz und nickt schließlich.
"Vielleicht ist es auch besser so? Ich habe schon genug angestellt heute." Denke ich noch.

 

Ava

 

Als ich aufwache dämmert es bereits. "Scheiße, ist das kalt.", fluche ich und recke meine steifen Glieder.
"Ich sollte nach Hause gehen. Mum macht sich sicherlich schon Sorgen. Niemand weiß wo ich bin." grüble ich. Ich schultere meinen Rucksack und klettere steif die steile Leiter vom Hochsitz herunter. Schließlich stapfe ich Richtung Ortschaft durch das feuchte Gras. Von Minute zu Minute wird es dunkler.
Nach einiger Zeit höre ich Schritte und sehe ein schwaches Leuchten vor mir. Da läuft jemand und scheint zu telefonieren.
Zum Glück ist es fast dunkel dann erkennt mich niemand! Ich habe absolut keine Lust mit jemanden aus dem Ort zu quatschen und morgen dann das Stadtgespräch zu sein.
Mit gesenktem Kopf will ich, möglichst unbemerkt, an der Person vorüber gehen doch dieser jemand bleibt stehen und sagt mit Tristan's Stimme "Endlich. Da bist du ja."
Ich erstarre. Wie hat er wissen können wo er mich suchen muss?
Aber anstatt Freude darüber zu empfinden, empfinde ich pure Wut.
"Ach, bist du gekommen um deine Drohung wahr zu machen?", fauche ich.
"Meine Drohung? Was?", fragt er und klingt verwirrt.
"Ach lass mich doch!", erwidere ich matt und will meinen Weg fortsetzten.
Doch er stellt sich mir in den Weg.
"Tristan, bitte lass mich durch!", murmle ich kraftlos.
"Nicht ehe wir geredet haben.", knurrt er. "Warum hast du mich abserviert?"
"Warum?" Stelle ich fassungslos die Gegenfrage. "Das fragst du noch."
"Ja." Er verschränkt die Arme vor der Brust und schaut zu mir hinunter. Zum Glück ist es zu dunkel als das ich seine Augen genau erkennen könnte. Ich würde bei diesem Blick den er sicherlich gerade aufgelegt hat nur wieder eine wohlige Gänsehaut bekommen. Mit einem Kopfschütteln versuche ich diese Gedanken zu verscheuchen. Die waren jetzt gerade völlig unangebracht.
"Tristan, ich will das nicht mehr. Dieses Drama, diese Aufregung, diese Schmerzen." Letzteres flüstere ich nur noch. Ich bin mir gar nicht sicher ob er es überhaupt gehört hat. "Das ist zu viel für mich."
"Ava ..." Beginnt er und hält mich am Arm fest als ich mich an ihm vorbei schieben will. "Bleib, bitte!"
Ich reiße mich los und rufe, "Ich will nach Hause. Meine Mum macht sich sicher Sorgen. Ich will ... ich muss das mit ihr wieder ins Lot bringen."
"Ja sie sorgt sich um dich." Gibt er leise zu.
Ich bleibe stehen und sehe ihn an. "Du hast mit ihr gesprochen?"
"Ja ich war bei euch zu Hause. Den ganzen Tag versuche ich dich zu erreichen. ..."
Ich muss an die vielen Anrufe denken.
"... ich bin zu dir gefahren um mit dir zu reden. Wir finden sicher eine Lösung."
Ich muss an sein Auto vor dem Bus denken.
"Ich habe doch schon die Lösung gefunden.", murmle ich und gehe einfach weiter.
Er hält mich nicht auf, geht aber neben mir her. "Deine Lösung war Mist!", stellt er nüchtern fest.
"Na vielen Dank auch!", schnaube ich, "Aber es ist egal. Ich meinte nicht meinen Vorschlag jemand anderes als dich auszugeben. Sondern ..."
"Die ist auch scheiße!", unterbricht er mich fluchend und fährt sich mit der Hand durch's Haar.
Ich sehe kurz zu ihm auf.
"Ava, bitte. Wir kriegen das hin.", verspricht er und fast bin ich versucht ihm zu glauben. Doch dann schüttle ich doch den Kopf "Ich will das gar nicht mehr hinkriegen." Ich zeichne mit den Fingern Gänsefüsschen in die Luft. "Das ist mir einfach ... einfach ... zu viel. Ich pack das nicht.", presse ich hervor. Fröstelnd schlinge ich die Arme um meine Mitte.
"Ava, bitte. Lass uns reden!", fleht er.
Er, ein erwachsener Mann.
"Ich dachte das tun wir gerade." Mit vor Verachtung triefender Stimme spucke ich ihm die Worte vor die Füße.
"Nein. Richtig. In Ruhe. Komm mit zu mir!"
"Nein, ich muss nach Hause. Zu Mum. " Stur gehe ich meinen Weg weiter.
"Sie sagt es ist in Ordnung wenn du heute bei mir bleibst. Ich denke sie ahnt etwas."
Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. "Was war das?"
Tristan stellt sich wieder vor mich und sagt, "Ich denke sie ahnt etwas. Ich war bei euch zu Hause. Sie hat gesehen wie ich mir Sorgen mache."
"Du bist mein Lehrer und ich war heute nicht in der Schule." Versuche ich es zu erklären.
Er schüttelt den Kopf. "Sie wusste es nachdem sie meinen Namen gehört hat von dieser ... von Mary. Deiner Freundin. Sie schlug vor, dich bei mir zu suchen."
Fassungslos starre ich auf meine Fußspitzen. Jetzt ist es aus. Ich fliege von der Schule und Tristan kommt ins Gefängnis. Sofort fließen die angestauten Tränen in heißen Bächen über meine Wangen. Er möchte mich tröstend in die Arme nehmen, doch ich schlage seine Hände weg und renne los. Ich muss weg hier. Nur noch weg.
Er ruft mir zwar nach aber folgt mir nicht.

 

Zu Hause angekommen öffne ich so leise wie möglich die Haustür. Doch Mum sitzt im Wohnzimmer und hat den Flur durch die geöffnete Wohnzimmertür genau im Blick. "Komm her, Süße!", ruft sie freundlich.
Ich weiß nicht wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.
So viel ist heute passiert.
Tristan und ich.
Sie und Tom.
Verunsichert betrete ich den Raum. Mum klopft neben sich auf das Polster des Sofas. Ich folge und setze mich.
Und dann zieht sich mich plötzlich einfach nur stumm in eine Umarmung.
Überrumpelt lasse ich es geschehen.
Ganz fest hält sie mich und streichelt mir über das Haar.
Sofort brechen bei mir wieder die Dämme. Tränen fallen mir in den Schoß.
"Ich schon gut, Süße. Alles gut.", summt sie leise.
"Mum, es tut mir leid! Das Schuleschwänzen, der Streit wegen ihm, Trist ..." Da bricht meine Stimme.
"Schon gut. Ich denke ich weiß was passiert ist.", murmelt sie.
"Es tut mir leid, Mum. Er ... er kann nichts dafür. I-ich h-habe ihn angemacht. Er ... er hat nicht gewollt.", fasel ich.
"Scht, es ist gut. Ich kann mir meinen Teil denken." Summt sie beruhigend.
"Es ist auch vorbei. Ich hab es abgebrochen.", gebe ich zu, "Abgebrochen bevor ..."
Schadensbegrenzung. So viel der alten Ava ist noch in mir um in Krisensituationen einen halbwegs kühlen Kopf zu wahren.
"Okay. Gut. DAS wäre nicht gut gewesen. Diese Beziehung hätte nicht funktioniert. Er ist dein Lehrer, Süße. Aber ..." Sie hält mich eine Armlänge von sich weg und mustert mich grinsend. "...ich kann dich verstehen. Er ist wirklich ganz besonders süß!" Mum zwinkert mir zu.
Ich schniefe und wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
"Hier. Damit geht's besser.", meint sie und hält mir die Dose mit Zupftüchern hin. Dankbar greife ich zu.
"Ja das ist er! Aber das ist jetzt egal. Ich habe ihm gesagt das ich ihn in Zukunft in Ruhe lasse.", schniefe ich. Das war ja nur eine halbe Lüge.
"Es wird aber hart für dich werden wenn du ihm in der Schule begegnest.", gibt sie zu bedenken.
Da hat sie recht.
Ich nicke "Anfangs sicherlich. Aber ich ... ich krieg' das hin. Zum Glück ist ja nicht viel passiert." Belüge ich hauptsächlich mich selbst.
"Dann ist ja gut." Sie schlägt sich auf den Oberschenkel und steht auf. "Ich kann mich übrigens in dich einfühlen. Als Teenie war ich auch mal in einen meiner Lehrer verliebt. James Howard - Geschichtslehrer. Er war ähnlich deinem Tristan. Super süß und irgendwie heiß. Nur nannten wir das damals noch nicht so." Sie grinst mich an. "Ich habe jeder Stunde mit ihm entgegengefiebert. Ihn angeschmachtet. Doch mehr, als das er mich in meinen Träumen besucht hat ist nicht passiert. Leider." Die zwickt mich freundschaftlich in die Seite.
Ich schenke ihr ein Lächeln. "Okay. Und irgendwann hast du aufgehört ihn gut zu finden?"
"Na ja, ich traf deinen Vater und du weißt ja wie gut er aussah." Sie wackelt mit den Augenbrauen. "Neben ihm konnte kein anderer bestehen."
Neben Tristan auch nicht.
"Irgendwann triffst du auch so jemanden. Aber bis da hin, da muss ich dir gegenüber leider ehrlich sein wird noch oft dein Herz gebrochen."
Ich schlucke und blicke auf meine Hände hinunter.
"Willst du nen Tee?" wechselt sie plötzlich das Thema."Tee hilft immer."
"Auch bei Liebeskummer?", schliefe ich.
"Ich sagte doch, Tee hilft immer.", lacht sie und zieht mich vom Sofa hoch.
"Und dabei erzählst du mir wo du heute den ganzen Tag gewesen bist."

 

Tristan

 

Sie lässt mich einfach stehen. Ich versuche es und rufe ihr nach. Doch sie läuft einfach weiter. "Ava, ich liebe dich!", versuche ich es ein letztes mal lautstark. Vergeblich.
Viel später sitze ich neben Stephen in einem Striplokal Ich konnte jetzt nicht allein in meiner Wohnung sitzen und Trübsal blasen. Nicht nachdem was heute passiert ist. Wie ein Hormongesteuerter Teenager bin ich ihr nachgerannt. Habe mich ablenken lassen. Mich fertig gemacht. Und mich abservieren lassen von einer Göre.
Wütend, sicherlich auch wegen mir selbst, habe ich Stephen angerufen und ihn gefragt ob sein Abend doch noch frei wäre und mich dann einfach ihm angeschlossen.
Nun sitze ich hier mit meinem vierten Glas Whiskey in der Hand und schaue einer Blondine zu wie sie sich nur mit einem pinken Stringtanga bekleidet vor uns an der Stange räkelt. Während Stephen sie mit seinen Blicken zu verschlingen scheint, schaue ich durch sie hindurch. Ich kann nur SIE vor mir sehen. Nicht unbedingt tanzend an einer Stange. Aber halbnackt in meinem Bett. Oder vor mir auf dem Tisch.
"Geil oder?", ruft Stephen neben mir.
Ich nicke mechanisch.
Die Blondine wechselt sich mit einer rothaarigen ab. Ich sehe zu ihr auf. Sie lächelt mir zu und zwinkert kokett.
Dieses Mädchen hat mit ihren strahlend hellblauen Augen Ähnlichkeit mit Ava. Ich starre sie an. Ich kann nicht anders. Als sie sich nun an der Stange vergnügt kann ich mir gut vorstellen wie Ava das gerade täte. Ich komme nicht umher zu bemerken, dass der Stoff meiner Hose sich deutlich ausbeult während ich ihre Show genieße.
Keine Ahnung wie lange ich sie so angestarrt habe, aber plötzlich steht sie mit einem halb durchsichtigen Kimono über ihrem nackten Körper neben mir. "Hi." flüstert sie, sieht mich von unten durch ihre dichten schwarzen Wimpern an und zieht leicht die Unterlippe ein. Als sie sich auch noch leicht darauf beißt verliere ich den Verstand.
Ich kann mich später nur noch an Bruchstücke erinnern.
Ich greife in ihr volles Haar im Nacken und presse meinen Mund auf ihren. Rücksichtslos zwinge ich sie ihren Mund für mich zu öffnen. Sie gibt sich mir hin. Irgendwann stehen wir in einem Zimmer wo die Farbe rot zu dominieren scheint. Keine Ahnung wie wir hier hin gekommen sind.
Sie steht vor mir und lächelt mich an. "Du scheinst einen harten Tag gehabt zu haben.", sagt sie leise.
"Du hast ja keine Ahnung.", knurre ich, nehme sie bei der Taille und werfe sie mühelos rücklings auf das Bett hinter ihr. Sie kreischt auf.
Durch den Aufprall hat sich der Knoten in ihrem Seidengürtel gelöst, der Kimono sich geöffnet und nun liegt sie entblößt vor mir.
Gierig sehe ich auf sie herunter. Ihre vollen runden Brüste strecken sich mir entgegen. Der flache Bauch hebt und senkt sich unter ihrer heftigen Atmung.
Dennoch sagt mir ihre Mimik, dass sie bereit für mich ist. Bereit alles mit sich machen zu lassen was ich will.
Und ich will sie. Ich will mich abreagieren. Mich ablenken von der Frau die ich liebe. Die mich aber einfach so abgeschossen hat.
Meine Wut bekommt jetzt sie ... wie heißt sie eigentlich ... ab.

Später in meinem eigenen Bett realisiere ich was ich getan habe und fühle mich nur noch schlecht dabei. Verflogen ist das prickelnde, aufregende Gefühl was ich noch vor wenigen Stunden empfunden habe. Stephen und ich haben uns derart die Kante gegeben das wir uns mit einem Taxi nach Hause chauffieren lassen mussten.
Sandy, so hieß das Mädchen hat mir etwas von meiner Wut nehmen können. Doch nun hat sich diese Wut in Trauer verwandelt.
Ja, das ist es was ich bin. Traurig. Traurig Ava verloren zu haben. Traurig darüber das ich sie gleich am Tag der Trennung betrogen habe.

Ich bin ein echter Scheißkerl!

 

Am nächsten morgen komme ich kaum aus dem Bett. Mein Schädel brummt und ich fühl mich schlecht. Dennoch mache ich mich fertig und besorge mir von unterwegs einen doppelten Espresso und ein belegtes Sandwich zum Frühstück.
Mit einem Taxi fahre ich zu der Tittenbar von gestern Abend um mein Auto abzuholen. Stephen's BMW steht noch da. Er kommt ihn wohl später abholen.
Zufrieden mein Schätzchen wieder zu haben fahre ich in Richtung Schule. Unwillkürlich schaue ich mich nach Ava um. Doch natürlich sehe ich sie nirgends.
Mit deutlichem Herzklopfen mache ich mich auf den Weg zum Physiksaal. Als ich davor ankomme stehen dort zwar meine Schüler, eine bestimmte Schülerin jedoch fehlt.
Ich schließe die Tür auf und lasse sie mir voran eintreten. Dann betrete ich selbst den Saal, lege meine Tasche auf das Pult und stelle mich etwas abseits ans Fenster um ungestört mein Smartphone checken zu können. Keine Nachricht, keine Anrufe in Abwesenheit. Dann bin ich es wohl, der die Initiative ergreifen muss.
Kurz nach dem Freizeichen drückt sie mich einfach weg. Wütend stopfe ich das Gerät in die Tasche und kehre zum Pult zurück.
Als ich vor der Tafel stehe und meinen Blick über ihre Köpfe schweifen lasse bemerke ich den leeren Platz neben dieser Mary. Leider kann ich sie nicht fragen ob sie weiß wie es Ava geht.
Abwesend halte ich meinen Unterricht und versuche der Klasse das zweite Newtonsche Gesetz näher zu bringen.
Kaum das die Glocke das Unterrichtsende verkündet hat bin ich auch schon auf dem Weg ins Lehrerzimmer.


Lorelai

 

"Ich schreib dir für heute ne' Entschuldigung.", schlage ich Ava vor, als wir beim Frühstück bei Walt sitzen. "Du siehst schrecklich aus und brauchst Ruhe."
"Oh vielen Dank.", brummt sie in ihre Kaffeetasse.
Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. "Außerdem kann ich mir vorstellen, du bist heute nicht gerade erpicht darauf IHM unter die Augen zu treten."
Damit habe ich ins Schwarze getroffen. Sie nickt.
"Geh heim. Leg dich mit einem Buch in die Wanne und träume lieber von dieser Mister Darcie! Auf den stehst du doch seitdem du das erste Mal Stolz und Vorurteil gelesen hast.", ziehe ich sie auf.
Sie verdreht die Augen. "Ha ha ...", brummt sie, "Aber du hast recht. Er ist toll und wäre sicherlich ein besserer Kandidat. Zumindest hat er Manieren." Nun kichert meine Buchverrückte Tochter endlich wieder.  
Inzwischen weiß sie was mit unserem Laden passiert ist und das Tom derjenige ist welcher den Fall zu lösen hat.
"Ich wäre ja bei dir geblieben. Aber heute kommt der Fritze von der Versicherung. Das ist ein wichtiges Treffen.", entschuldige ich mich.
Sie winkt ab. "Schon gut. Mir geht's gut. Und ich bin ja kein kleines Kind mehr." Ava zuckt die Schultern.
Das stimmt. Sie ist absolut kein kleines Kind mehr. Sie hat sich in der letzten Zeit zu einer wunderschönen jungen Frau gemausert. All dies registriere ich mit einem gewissen Stolz.
Da klingelt ihr Telefon auf dem Tisch. Mit einem Blick registrieren wir beide seinen Namen auf dem Display. Sofort drückt sie auf den roten Hörer.
Sie lächelt mir krampfig entgegen. "Siehst du." scheint sie damit sagen zu wollen.

Im Laden wartet Lucy bereits auf mich. Überpünktlich wie immer.
"Da bist du ja. Ich bin so aufgeregt.", begrüßt sie mich und klatscht in die Hände.
"Hi, Süße." Grüße ich und umarme sie. "Es wird schon gut gehen.", versuche ich sie zu beruhigen.
"Hast ja nicht viel gestern geschafft was?" Meint Lucy und sieht sich den Schuttberg an der noch immer hier drinnen statt da draußen im Container liegt.
"Ähm ja ... ich bin nicht mehr dazu gekommen. Tom war nochmal hier.", stammle ich.
Sie sieht mich an. "Hat er schon die Täter?"
Ich schüttle den Kopf. "Nein. Er musste noch irgendwas nachsehen was er am Montag vergessen hat." Befleisige ich mich seiner Ausrede.
Sie nickt und wandert durch die leeren Räume. Plötzlich hebt sie etwas blaues zwischen dem Schutt auf. "Ähm ... gehört das eventuell dir?", fragt sie und hält mir das Fundstück entgegen. Ich gehe auf sie zu und sehe, dass es mein Höschen ist, was sie zwischenn ihren spitzen Fingern hält.
Scheiße!
"Ähm ... ähm ..." Verzweifelt suche ich nach einer Ausrede doch sie kommt mir zuvor.
"Max wollte sich wohl auch ein Bild machen oder? Und bei dem Anblick war er der Ansicht dich trösten zu müssen. Deswegen hast du auch nichts geschafft gestern." Sie kneift mich freundschaftlich in die Seite und drückt mir das Stück Stoff gegen die Brust.
"Du hast mich erwischt. Dir kann man aber auch nichts vormachen." Lüge ich und beiße mir auf die Zunge. Meinen heißen Kopf ignorierend folge ich ihr.
"Tja. So war ich schon immer. Auch Tina hatte keine Chance gegen mich.", lacht sie und verschwindet nach hinten.
Keuchend atme ich aus. Das ist gerade nochmal gut gegangen. Noch eine heimliche Romanze decken zu müssen würde ich nicht aushalten. Mir reicht die von Ava und ihrem Lehrer. Davon darf nie jemand was erfahren.

Tage der Hoffnung

 Lorelai

 

Es ist wahr. Ich ahne es nicht nur, mittlerweile bin ich mir sogar ziemlich sicher.
Ava hatte sich nicht nur in ihren Lehrer verliebt. Sondern auch anders herum, er sich in sie. Es kam zum ungeheuerlichen, zum absolut verbotenen - sie hatten tatsächlich eine Affaire.
Ava leidet richtig. Sie heult sich jede Nacht die Augen aus. Jede Nacht höre ich das leise Schlurchzen und es zerbricht mir fast das Herz. Nicht nur ihr raub diese Sache den Schlaf. Doch am nächsten Morgen ist sie wieder ganz die alte. Fröhlich und zuvorkommend. Aber ich bin ihre Mutter. Mir kann sie nichts vormachen.
Ihm geht es sicher genauso. Wie er sich verhalten hat als er hier war. Es machte ihn fertig nicht zu wissen wo sie war.
Es ist gut das Schluss ist. Wenn das raus gekommen wäre hätten wir alle richtigen Ärger bekommen.
Aber das scheint ihm egal zu sein. Er muss doch ahnen das ich inzwischen bescheid weiß.
Doch er gibt nicht auf, ruft sie pausenlos an. Und ich, ich bekomme seine Anrufe mit. Immer und immer wieder. Wie sie so ruhig bleiben kann. Ich hätte mein Handy schon längst gegen die Wand geworfen. Doch kaputt war es ja bereits. Als ich ihr das Angebot unterbreite, wenn ich ihr schon ein neues Gerät kaufe auch gleich noch eine neue Prepaidkarte zu besorgen, lehnte sie ab.
Sie ist vielleicht doch stärker als ich.
Vielleicht sollte ich mich auch eher um meine eigene Baustelle kümmern? Meine Probleme hängen noch immer wie das sprichwörtliche Damoklesschwert unheilvoll über mir. Meine Schulgefühle Max gegenüber machen mich fertig. Tom versucht ebenfalls immerzu mich zu erreichen. Deshalb verordnete ich mir über's Wochenende Männerentzug. Weder traf ich mich mit Max noch ging ich ans Telefon wenn Tom anrief.
Doch da sich der Schutt aus dem Laden leider nicht selbstständig in den Container vor dem Haus befördert, musste ich heute mein Schneckenhaus verlassen und mich auf den Präsentierteller begeben. Ich könnte gar nichts daran ändern wenn er plötzlich im Laden stünde. Außerdem hatte Lucy einen Plan für unseren zukünftigen Beautysalon erstellt und wollte ihn mir vor Ort unterbreiten.
Ich setze zuerst Ava an der Schule ab und fahre dann Richtung Norden zum Salon. Lucy ist noch nicht da. Also kremple ich meine imaginären Ärmel hoch und greife zur Schaufel.
Eine Stunde später ist aller Schutt und Gerümpel im Container vor dem Haus. Und ich habe mir die Zigarette mehr als verdient.
Da biegt Lucy in ihrem royalblauen Minivan in der Straße ein.
"Hey, Süße.", grüßt sie durch das geöffnete Fenster.
"Hi Schatz.", erwidere ich und schnippe die Zigarette vor mich auf das Pflaster.
"Du wirst begeistert sein.", jubelt Lucy beim aussteigen. Sie holt eine zusammen gegrollte Papierrolle vom Rücksitz und knallt schwungvoll die Tür zu.
"Schau es dir an!" Beginnt sie sobald wir im vorderen, nur leeren Raum stehen. Den selbst gezeichneten Plan breitet sie aus Mangel an Möbeln direkt auf dem staubigen Boden aus. Wir beugen uns darüber.
In wenigen Minuten erläutert sie mir wie sie sich unseren zukünftigen Salon vorstellt.
Ich bin begeistert und sage ihr genau das. Sofort breitet sich ein Strahlen auf ihrem rotwangigem Gesicht aus und lässt ihre Augen leuchten.
In genau diesem Moment wird unsere Freude vom Klingeln meines Handys unterbrochen.
"Bitte, nicht schon wieder Tom!" Schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel und hole das Gerät aus meiner Handtasche.
Doch ich irre mich. Das Display zeigt eine mir unbekannte Festnetznummer. Freundlich nehme ich das Gespräch an und sage, "Lorelai MacAdams. Guten Tag."
"Guten Tag, Mrs. MacAdams. Mein Name ist Wilson. Ich rufe im Auftrag ihrer Versicherung an. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass ihre durch den Schaden erstandenen Kosten in voller Höhe übernommen werden.", verkündet eine freundliche männliche Stimme.
"Das ist ja klasse!", jubel ich und halte Lucy's Arm fest. Sofort wird auch sie von einer Freude ergriffen, hüpft auf und ab und klatscht leise in die Hände. Grinsend beobachte ich meine beste Freundin und ergänze mit erzwungener Ruhe, "Ich meine natürlich das freut mich sehr, Mister Wilson!"
"Für den bürokratischen Teil muss ich Sie bitten uns in unserer Kanzlei aufzusuchen. Das Geld wird Ihnen dann in den kommenden zwei Wochen überwiesen." erklärt er.
Mein Herz macht einen Hüpfer in der Aussicht der Geldsumme und den damit verbundenen Stein der mir mit der Auszahlung vom Herzen fällt.
"Natürlich. Ich komme gleich morgen. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch, Mister Wilson." Ich lege auf.
Lucy steht vor mir, die Handflächen vor Aufregung vor dem Mund aneinander gepresst. "U-n-d?" fragte sie gedehnt. "Du hörst dich so fröhlich an. Haben wir Grund dazu?"
Ich nicke und strahle sie an.
Sie hüpft vor Freude in die Luft. Was bei ihrer Körperfülle nur ein kleiner Hüpfer ist und strahlt über das ganze Gesicht. "Das müssen wir feiern gehen." beschließt sie jubelnd.
Und das genau tun wir jetzt. In einem schicken Restautant mit leckerem Essen und einer Flasche Prosecco.

 

Ava

 

"Mit Tristan ist es aus." Eröffne ich meiner besten Freundin am Montag morgen die Neuigkeiten.
Mum hatte mich auch den Donnerstag und Freitag vergangene Woche entschuldigt. Aufgrund meiner inneren Verfassung war das auch gut so. Ich liebe Tristan noch immer und ihm jetzt schon wieder unter die Augen zu treten erschien mir völlig inakzeptabel.
Doch heute war es wieder soweit. Unausweichlich rückte der Zeiger der Uhr vorwärts und schob mich ein Stückchen weiter in seine Richtung.
"Was? Wieso?", fragt sie und klingt ehrlich entsetzt.
"Es hat nicht gepasst." Ich zucke die Achseln.
"Das wusstet ihr nach nicht mal einer Woche?" wundert sie sich.
"Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn man verheiratet ist und Kinder hat etwa?" Stelle ich düster die Gegenfrage.
"Heiraten? Habt ihr echt schon darüber gesprochen?", ächzt sie.
Ich rucke herum "Was?", kreische ich. Warum redet sie plötzlich vom heiraten?
Doch ehe sie noch einmal etwas sagen kann, erscheint er und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Sofort herrscht absolute Stille. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Selbst Claire steckt ihr Nagelpflegeset weg, setzt sich aufrecht hin und schweigt.
Was ist nur in meine Mitschüler gefahren?
Er wirft seine Tasche auf den Tisch.
"Guten Morgen. Hattet ihr ein schönes Wochenende?" Ruft er scheinbar freundlich und kommt dem Verhalten eines Klassenlehrers gegenüber seiner Klasse nach. Ich jedoch kenne ihn und merke, dass er unter seiner freundlichen Maske ziemlich angeschlagen ist. Mir krampft es das Herz zusammen ihn so zu sehen.
Noch scheint er mich zwischen all den anderen nicht bemerkt zu haben. Er beginnt über Newtonsche Gesetze zu plaudern und fertigt dazu ein Tafelbild an. Sofort hört man allseits Papier rascheln und Stifte über Papier kratzen.
Verwirrt beginne auch ich das Tafelbild zu kopieren.
"Wir fassen also zusammen." Hallt seine Stimme laut im Raum wieder. Ich schaue von meinem Hefter auf. "Erstens, das Trägheitsgesetz. Ben, bitte.", sagt Tristan und deutet mit der Hand zu dem aufgerufenen.
Ich sehe zu Ben hinüber der doch tatsächlich aufsteht um zu antworten.
"Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit nach Betrag und Richtung so lange bei, wie er nicht durch äußere Kräfte gezwungen wird, seinen Bewegungszustand zu ändern."
"Exakt. Danke Ben."
Ben setzt sich wieder.
Verwirrt sehe ich zu Mary neben mir und raune, "Was ist denn hier los?"
Doch sie zischt nur und schüttelt leicht den Kopf.
Tristan scheit sie dennoch gehört zu haben und blickt in unsere Richtung. "Maryann Kinski bitte ..." Mary lässt den Kopf sinken.
Seine Stimme versagt als sein Blick auf mich fällt. Gleich sammelt er sich jedoch wieder und fragt von neuem. "Du darfst gern uns allen bekunden was du über das zweite Newtonsche Gesetz weißt." Seine Stimme klingt scharf wie eine Rasierklinge. Eine Gänsehaut kriecht mir über den Körper.
Mary erhebt sich ebenfalls und antwortet mit zitternder Stimme "F istgleich M mal A. Wobei F für Kraft, M für die Masse und A für die Beschleunigung steht." Damit will sie sich wieder setzen doch er bedeutet ihr mit seiner Hand stehen zu bleiben. "Geht's etwas genauer?"
"Ähm..." Man merkt wie unangenehm Mary das alles ist. Doch keiner lacht über sie. Alle blicken stur geradeaus.
"Ich warte.", schnautzt Tristan.
Und da weiß ich was hier abläuft. Er lässt seine Wut auf mich an seinen Schülern aus indem er den autoritären Lehrer mimt.
Wütend springe ich auf und funkel ihn böse an.
Er holt hörbar nach Luft. "Dich habe ich nicht gefragt. Also setz dich wieder hin!"
Doch ich bleibe stehen und helfe meiner Freundin indem ich für sie antworte. "Das zweite newtonsche Gesetz wird auch lex secunda oder Aktionsprinzip genannt. Es ist die Grundlage für viele Bewegungsgleichungen der Mechanik."
Mary hatte sich sprachlos vor Staunen was für ein Laienschauspiel sich hier vor aller Augen abspielt wieder hingesetzt.
Ich fahre fort. "Allerdings ist die von Mary genannt Formulierung die von Euler verfasste, leicht verständlichere Variante. In der die Kraft als Ursache für die Veränderung des Impulses angesehen wird. Der Betrag des Impulses ändert sich dabei nur durch Kräfte, die in Richtung der Bewegung des Körpers wirken, während die Richtung des Impulses durch Kräfte geändert werden die senkrecht darauf stehen. Falls die resultierende Kraft null ist, folgt daraus der Impulserhaltungssatz."
Tristan lässt sich auf der Tischkante nieder und hört mir mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Seinen Blick lässt er nicht von mir ab.
Seine Reaktion verschafft mir Aufwind. Grinsend fahre ich fort. "Wenn ich ein Beispiel anführen sollte, würde ich sagen, wenn die Masse 50 Kilogramm beträgt und die Beschleunigung 10 m/s^2, so ergibt das für die Kraft 500 Newton."
Ich sehe ihm direkt in die Augen, hebe das Kinn stolz an und frage mit zuckersüße Stimme. "War das jetzt ausführlich genug für Sie, Mister Redmayne?"
Im Raum höre ich jemanden aufkeuchen.
Er schnappt nach Luft und schlägt mit der flachen Hand auf die Tischplatte neben sich.
Das muss weh getan haben.
Unweigerlich zucke ich etwas zusammen. Der Knall hallt laut im Saal wider.
"Ich verbitte mir in meinem Unterricht derartige Frechheiten. Du redes gefälligst nur wenn ich dich dazu aufgefordere.", schnautzt er mit Blick direkt in meine Augen mich an.
"Und was wenn ich es nicht tue?" Meine Wut lässt mich mutig werden. "Wollen Sie mich dann - bestrafen?" Das letzte Wort artikuliere ich so deutlich wie möglich.
Seine Hände ballen sich neben seinem Körper zu Fäusten. Er kämpft mit sich. Sicherlich würde er mich jetzt am liebsten in diese Besenkammer zerren und ficken bis ich ihm wieder schön hörig bin.
Mit stolz erhobenen Kinn streiche ich den Rock an meinem Hintern glatt und nehme wieder platz. Alles ohne den Blickkontakt zu unterbrechen.
Er besinnt sich seiner Stellung und dem Ort wo wir uns befinden und schluckt seine Wut hinunter. Zumindest vorerst.
"Wer kann mir das dritte Gesetz erläutern?", ruft er laut über unsere Köpfe hinweg.
"Das war stark! Danke.", flüstert Mary und lächelt mir zu. Ich schenke ihr ein strahlendes Lächeln. Doch in mir tobt ein Sturm der Emotionen.

 

Kaum ist der Unterricht beendet und ich in Richtung Tür gehe ruft Tristan "Miss MacAdams, auf ein Wort."
Ich ignoriere ihn und renne, Mary hinter mir her ziehend aus dem Saal.
"Ava." Höre ich ihn laut rufen.
Erst in einem der Mädchenwaschräume, wo ich Mary hineinstoße, bleibe ich keuchend die Handflächen auf die Oberschenkel gestützt stehen.
"Was war das denn bitte?" Will Mary wissen und lehnt sich rücklings an ein Waschbecken.
Ehe ich antworte, richte ich mich auf, stelle mich neben sie ans Waschbecken und besehe mein Gesicht im Spiegel. Anschließend stelle eine Gegenfrage. "Sag du mir lieber warum plötzlich alle so vor ihm kuschen?"
Mary holt tief Luft. "Na du hättest ihn mal letzte Woche erleben sollen. Der war wütend. Wütender geht es gar nicht."
"Ach echt?"
"Ja wirklich. Sue hat er zum Beispiel aus dem Unterricht geschmissen weil sie einen Zettel geschrieben hat der nicht zum Physikunterricht gehörte. Tony musste zur Finnigan weil er einen blöden Spruch abgelassen hat. Und selbst Claire hat er zur Schnecke gemacht als sie sich über ... über dich lustig gemacht hat."
"Über mich. Wieso? Ich war nicht einmal da."
"Eben darum. Sie lästerte mit ihrer Clique das du sicherlich so viel mit deinem Freund geschlafen hast und daher vor Muskelkater nicht mehr laufen könntest. Sie hat es nur nicht so nett ausgedrückt wie ich jetzt."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Okay. Und da ist er ausgeflippt?", frage ich vorsichtig.
"Jup." Meint sie und betrachtet ihr Gesicht ebenfalls im Spiegel neben meinem. "Er hat sie angeschrien das es sie ein scheiß anginge mit wem du schläfst. Und wo du dich rumtreibst. Das war echt seltsam, weil es ihn ja auch einen scheiß angeht mit wem du ins Bett gehst."
Ich bin erstaunt. Warum tut er das? Er muss doch wissen, dass das die Leute misstrauisch werden lässt.
"Er meinte außerdem das er es auf die freundliche Tour mit uns versucht hat, aber gescheitert ist. Dann hat er uns noch ein paar Regeln erklärt wie er sich in Zukunft den Unterricht vorstellt und das wars. Wir alle haben dann lieber nicht mehr aufgemuckt." schließt sie ihren Bericht.
"Ist ja krass!" Urteile ich.
Mary nickt "Das war es. Irgendwas muss bei dem vorgefallen sein das der plötzlich so austickt. Jedenfalls ist er nun sicher nicht mehr der Liebling von Claire und Co." Mary grinst mich frech an.
"Ja wahrscheinlich.", murmle ich.
Meine Gedanken treiben schon wieder ab.
Warum reagiert er so.
Das es wegen mir ist, steht für mich fest.
Beschäftige ich ihn noch immer so sehr? Bedeute ich ihm vielleicht wirklich was, auch wenn er mich so runter geputzt hat?

 

Tristan

 

Sie macht mich wahnsinnig. Wie frech sie mir gegenüber getreten, wie sie mich vorhin im Unterricht gedemütigt hat. Am liebsten hätte ich sie in einem ruhigen Raum über's Knie gelegt.
Und zu guter letzt lässt sie mich wie einen kleinen Jungen einfach so stehen.
Wutentbrannt kehre ich ins Lehrerzimmer zurück, nehme mein Smartphone und ziehe mich auf die Terrasse zurück die über eine Glastür aus zu erreichen ist. Ich wähle ihre Nummer und warte ab. Wie zu erwarten ignoriert sie meinen Anruf.
Ich merke wie sich meine Wut immer weiter steigert bis ich es kaum noch aushalte.
"Reiß dich zusammen, man!", rufe ich mich selbst zur Ordnung.
Mich auf dem steinernen Geländer abstützend atme ich mehrmals tief durch. Wenig später fühle ich mich wieder einigermaßen wiederhergestellt und in der Lage die nächste Stunde zu unterrichten.

"Hey, mir ist zu Ohren gekommen das du dich in den letzten Tagen wie eine Furie aufführst. Letztens auch schon in dem Club, da hab ich dich kaum wieder erkannt. Was ist denn los mit dir?" Will Stephen wissen als wir zur Mittagszeit gemeinsam in die Cafeteria gehen.
"Ich weiß nicht wovon du sprichst.", lüge ich.
"Ich spreche von Berichten aufgeregter Schüler die sich in den Gängen oder dem Hof hinter vorgehaltener Hand über deine Strafen beschweren. Ich höre von Kollegen das du ihre Schüler zu ihnen schickst mit dem Vermerk sie doch angemessen zu bestrafen.
Da denke ich mir doch, irgendwas stimmt mit dem Kerl nicht? Ist es wegen deiner Süßen?"
"Ach Quatsch. Wo denkst du hin." Stöhne ich und rolle mit den Augen.
"Also da liegt der Hase im Pfeffer begraben.", lacht Stephen.
Aus den Augenwinkeln bemerke ich wie die Schüler automatisch zwei Meter Abstand zwischen mich und sie bringen. Ich sehe ihre ängstlichen Gesichter und merke das ich etwas falsch gemacht habe.
"Scheiße. Ja, du hast recht. Es tut mir leid."
"Sag das nicht mir. Sag das den Kids.", meint er.
"Werd' ich tun.", murmle ich und lasse mir etwas von der Chili Con Carne auftun.
Wir setzen uns seperat an einen der Tische die für die Pädagogen reserviert sind.
"So, jetzt erzählst du mir mal was da zwischen euch vorgefallen ist." Er sieht mir auffordernd entgegen.
Ich nehme zunächst einen Löffel voll und kaue extra langsam.
"Es gibt kein euch, es gibt kein wir mehr. Sie hat Schluss gemacht.", brumme ich mit vollem Mund.
"Okay. Und warum?"
"Ich hab Scheiße gebaut. Hab sie angeschrieen und sie bedroht. Jedenfalls ist es das was sie mir vorwirft.", erkläre ich.
"Oh ha." Er nimmt sich einen Moment das gehörte zu verarbeiten, schließlich meint er, "Aber da muss ein Mann doch drüber stehen können."
Ich zucke die Achseln.
"Macht es dich so fertig? Wie lange wart ihr denn zusammen?" Löchert er mich weiter.
"Nicht mal ne Woche."
"Was?" Stephen verschluckt sich.
"Was denn?", frage ich.
"Nicht mal ne Woche und du machst dich so fertig. Warum?"
"Weil ich mich verliebt hatte vielleicht. Sie ist die richtige! Ich meine, sie war es."
"Das konntest du nach so kurzer Zeit schon wissen?" Er kann sich ein Lachen kaum verkneifen.
"Wann sollte man es denn sonst wissen als nicht am Anfang? Ich glaube an soetwas wie die Liebe auf den ersten Blick, Stephen."
Er sieht mir fest in die Augen und nickt. "Ich weiß. Du bist ein hoffnungsloser Romantiker."
"Was hat das damit zu tun? Ich weiß einfach das sie die Frau ist mit der ich alt werden will. Ich weiß wie bescheuert sich das anhört." grinse ich.
"Nicht unbedingt." Er zuckt die Schulter. "Ich hab ja auch noch die Hoffnung irgendwann mal dieser einen Frau zu begegnen."
"Wirst du sicher. Und dann bricht sie dir das Herz und reißt es dir heraus.", brumme ich und werde immer leiser dabei.
"Ach komm, Alter. So schlimm wird's schon nicht sein. Kannst du es nicht wieder gut machen? Dann überlegt sie es sich vielleicht noch einmal."
"Hast du mir nicht zugehört? Sie hasst mich und zeigt es mir überdeutlich.", rufe ich etwas zu laut.
"Inwiefern?", fragt er verwundert.
"Sie hat mich vor versammelter Klasse lächerlich gemacht."
Stephen reißt die Augen auf.
Scheiße! Ich hab mich verraten. Schnell muss ich mir eine Ausrede einfallen lassen.
"Vor der Klasse?"
"Ähm ja ... ähm ich meine ... natürlich ... in der Pause. Sie war h-hier und h-hat mich angeschrien.", stammle ich.
Stephen muss einfach merken das ich lüge so schlecht bin ich darin. Sein Blick lässt mich erschaudern.
"Aha." ist aber alles was er dazu sagt.
Schweigend essen wir zu Ende. Immer wieder werfe ich verstohlene Blicke in seine Richtung. Er scheint angestrengt über etwas nachzudenken.
Schließlich sagt er, "Wir müssen reden. Heute 20 Uhr in unserem Pub!" Damit steht er auf, bringt sein Geschir weg und verlässt die Cafeteria ohne meine Antwort abzuwarten.
Ich weiß das er recht hat und eine Aussprache unumgänglich ist. Ich nehme mir vor heute Abend pünktlich zu sein.

 

Tatsächlich treffe ich nur wenige Minuten nach acht im Pub ein. Stephen ist natürlich schon da und sitzt vor einem Glas mit brauner Flüssigkeit an der Bar.
"Hey.", grüße ich und schlage ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Setz dich, bestell dir was und dann hörst du dir an was ich zu sagen habe." Erklärt er mit ernstem Gesicht. Seine Stimme lässt keinen Widerspruch zu.
Ich folge. Kurz darauf sitze ich mit einem Glas Whiskey neben ihm und warte der Dinge die da kommen werden.
Stephen räuspert sich und beginnt, "Hast du nen Vollknall? Du hast eine Schülerin gefickt. Du brauchst es nicht abzustreiten, ich weiß es. Was denkst du dir dabei?"
"Ich ..."
"Ach halt's Maul!", schnautzt er, "Welche ist es?"
"Ava MacAdams.", murmle ich.
Stephen macht ein verständnisvolles Gesicht. "Ja die ist heiß. Aber wie kommst du dazu sie zu ficken? Du bist ihr Lehrer verdammt und sie ist minderjährig." Wäscht er mir weiter den Kopf.
"Scht." suche ich ihn mit beiden Händen zu beruhigen.
Er sieht sich um und dämpft seine Stimme "Sorry. Hat irgendjemand was mitbekommen? Und ist wirklich Schluss?"
"Nein, niemand hat etwas mitbekommen." Meine Ahnung das ihre Mutter etwas weiß verschweige ich. "Und ja, leider ist es vorbei."
"Was. Leider. Spinnst du? Sei froh.", ruft er und wedelt wild mit den Händen in der Luft herum.
"Leiser bitte.", knurre ich, "Ava ist ne tolle Frau! Sie ist freundlich, bildschön, intelligent. Und außerdem eine Granate im Bett." Schwärme ich.
"Ich will davon gar nichts hören." Er schüttelt den Kopf. "Sie ist vor allem eines, sag ich dir, deine minderjährige Schülerin."
"Du hast ja recht. Aber das war uns egal. Wenn man sich wirklich liebt ist es egal welche Hindernisse einem in den Weg gelegt werden. Außerdem hätten wir es nur noch ein Jahr geheim halten müssen. Im November nächstes Jahr wird sie 18, dann hätten wir es offiziell machen können."
"Dir ist echt nicht mehr zu helfen.", stöhnt er und nimmt einen kräftigen Schluck. "Noch eine Runde, Steve!" Er hebt sein leeres Glas in Richtung Wirt.
Diese trinken wir sobald sie vor uns stehen schweigend aus.
Schließlich bricht er das Schweigen "Tristan, ich hoffe du kommst irgendwann zur Besinnung! Ich hoffe du tust das richtige! Und ich hoffe du kannst dich in Zukunft etwas mehr beherrschen! Aber eines sage ich dir, ich bleibe dein Kumpel. Egal was du tust. Und falls ihr so blöd seid und es weiter treibt, werd' ich euch nicht verraten. Versprochen."
"Danke, man." Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Ich weiß nicht. Aber so wie es aussieht wird es keine Fortsetzung geben. Ich kann dich also beruhigen."
"Hm. Na mal sehen.", brummt er.

Autoritätsprobleme

Tom

 

Warum meldet sie sich nicht oder geht zumindest ans Telefon wenn ich sie anrufe? Diese Frau macht mich wahnsinnig!
Ich hatte so gehofft sie mit meiner körperlichen Leistung umstimmen, sie von mir überzeugen zu können. Doch scheinbar sind ihre Gewissensbisse größer als gedacht. Cooper lässt sich nichts anmerken. Ihm hat sie also nichts erzählt. Der Typ geht mir auf die Nerven! Jetzt noch mehr als ohnehin schon.
Im Moment arbeiten wir zum Glück nicht sehr oft miteinander. Ihn führt es fast täglich nach London um die gestohlenen Schmuckstücke zu jagen und ich muss mich hier um die Einbruchsserie kümmern. So gesehen würde mir viel Zeit mit Lorelai bleiben, doch die zieht es ja vor mich zu ignorieren.
Meine Wut lasse ich an den Kleinkriminellen aus die wir hops nehmen. Die können nichts dafür, eignen sich aber gut als Prellbock.
Letztens war ich so kurz davor mein Ziel bei ihr zu erreichen und da haut ihre dämliche Tochter ab und schon hieß es 'tschüß gemeinsame Liebesnacht'.
Ich konnte ja verstehen das sie sich als Mutter Sorgen macht, aber dieser Typ, Ava's Lehrer benahm sich seltsam. Normalerweise investieren Pädagogen nicht so viel Emotionen in ihre Schüler. Aber der sah ganz schön durch den Wind aus. Vielleicht ist er ja noch jung? Jedenfalls sah er so aus. Vielleicht hat er einfach nur noch nicht genug Lebenserfahrung.
Ob er gedacht hat das Lorelai und ich zusammen sind? Mir gefällt diese Vorstellung, dass ein Außenstehender annehmen könnte wir wären ein Paar.
Lorelai MacAdams irgendwann kriege ich dich noch rum. Versprochen.

 

Ava

 

Der Dienstag versprach spannend zu werden. Ich musste nicht nur ihm wieder unter die Augen treten, sondern auch meinen Mitschülern.
Im Schulchat habe ich gelesen das meine Revolte im Physikunterricht ganz gut ankam. Sicherlich weil ein paar Tage zuvor Tristans Wandlung zum strengsten Lehrer ever für Gesprächsstoff sorgte und gar nicht gut aufgenommen wurde.
Ich stehe nun als Verfechterin für die Freiheit und den Mut der Schüler da.
Na toll.
"Hey Ava. Coole Aktion gestern!" Jubelt ein Mitschüler aus meiner Klasse.
"Krass mutig von dir." Eine andere Mitschülerin.
Eddie stößt sich von der Wand neben dem Eingangsportal, wo er scheinbar auf mich gewartet hat ab und kommt auf mich zu. Als er direkt neben mir ist hakt er sich einfach bei mir unter und raunt in mein Ohr "Ich hab gehört wie du Redmayne die Stirn geboten hast. Daraus schließe ich das es Ärger im Paradies gibt."
Verwundert sehe ich zu ihm auf.
"Wenn du jemanden zum trösten brauchst. Ich bin da." Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen entfernt er sich ehe ich etwas auf sein unmoralisches Abgebot erwidern kann.
Fassungslos starre ich ihm hinterher. Wusste er etwa von meiner Beziehung zu Tristan? Oder war seine Wortwahl gerade nur Zufall?
Da umarmt mich mit einem Mal jemand von hinten und schreit fast in mein Ohr "Da ist sie ja, meine Heldin."
Mary stellt sich vor mich und strahlt mich an. "Warst du in den letzten Stunden mal im Schulchat? Da häufen sich die Lobeshymnen auf dich."
Ich nicke. "Hey, Mary. Ja war ich. Ist ganz schön krass. Ich habe doch nichts weiter getan als ihm zu antworten.", grinse ich.
"So kann man es auch sehen.", zwinkert sie mir zu, "Diese Ausrede musst du dir unbedingt merken, falls du wegen der Sache zur Finnigan musst." rät sie mir. Ich stimme zu, nehme aber nicht an das er sich tatsächlich die Blöße gibt und mich zur Direktorin schleift.
Ich habe ihn ganz schön gedemütigt. Im Nachhinein tut er mir echt leid. Aber sein Ego hat solch einen Dämpfer mal dringend gebraucht.
Bevor der Unterricht beginnt schaue ich noch einmal auf mein auf lautlos gestelltes Handy. Keine Nachricht von Tristan.
Das ist neu.
Normalerweise ruft er mich vor Schulbeginn drei mal an.
Ich stecke es wieder weg. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Moment betritt Mister Darwin den Saal.
Biologie mein Lieblingsfach. Mister Darwin kann ich gut leiden. Er ist immer so witzig und intelligent.
Doch heute schien irgendwas mit ihm nicht zu stimmen.
Er beginnt zwar freundlich mit dem Unterricht aber während er uns die Genetik näher bringt , verhält er sich mir gegenüber seltsam. Wo er mich sonst freundlich anlächelt funkeln seine Augen heute gefährlich. Er ignoriert meine Handzeichen und übergeht mich einfach wenn er um Antworten bittet.
Verwirrt blicke ich irgendwann nur noch auf die Tischplatte und beginne geistesgegenwärtig in mein Hefter zu kritzeln.
Mit einem Mal bemerke ich wie ein Schatten direkt vor mir auf die Tischplatte fällt. Langsam hebe ich den Kopf. Darwin steht, mit in die Seite gestemmten Händen und düsterem Gesichtsausdruck über mir.
"Sag mal, Ava, langweilt dich mein Unterricht?", knurrt er leise.
"Nein ... nein nein Mister Darwin. Niemals.", beteuerte ich eilig.
"Und warum arbeitest du dann nicht mit und malst stattdessen in dein Heft?"
"Ich ähm ... das mache ich nur ... weil Sie mich eh nicht dran nehmen. Ich habe einfach ... aufgegeben.", erwidere ich freundlich aber stockend.
"Was unterstellst du mir da?" Er scheint wütend zu werden. "Willst du behaupten, ich schließe dich vom Unterricht aus?"
"Nicht unbedingt. Mitschreiben darf ich ja noch.", murmle ich.
Das war wohl zu viel für ihn.
Wütend schreit er mich an, "Das kannst du gerne haben. Wenn du der Meinung bist ich schließe dich aus, dann geh! Hau ab!"
Verwirrt über seinen heftigen Gefühlsausbruch zucke ich zusammen.
"Aber Mister Darwin ..."
"Raus hier!", brüllt er und deutet mit dem Finger zur Tür.
Was ist nur in die Lehrer gefahren? Grassiert hier ein Virus oder was?
Verwirrt und vor Wut zitternd stehe ich auf und stopfe meine Sachen in den Rucksack.
Darwin steht mit verschränkten Armen vor mir und sieht mir schweigend zu.
"Und morgen reichst du mir einen vier seitigen Aufsatz zum Thema Genetik nach."
Ich presse die Lippen aufeinander und nicke stumm.
Meine Mitschüler haben den erneuten Vorfall zwischen Ava MacAdams und einer Lehrkraft mit Spannung verfolgt. Bevor ich den Raum verlasse drehe ich mich noch einmal um in der Hoffnung das sich alles nur als makaberer Scherz herausstellt. Dem ist wohl nicht so. Darwin steht vorn an seinem Pult und funkelt mich böse an. Aus dem Augenwinkel sehe ich Claire wie sie dich tatsächlich ihr Smartphone in der Hand hält so als ob sie die ganze Zeit filmt.
Scheiße!
Mary winkt mir unauffällig zu. Ich erwidere es kraftlos, dann verlasse ich den Saal.

 

Tristan

 

"Du hast was getan?", keife ich Stephen an als er mir von einem Vorfall im Biologieunterricht berichtet. Er hat Ava zur Schnecke gemacht und sie aus dem Unterricht geschmissen.
Wütend frage ich ihn nach dem Grund, doch ich meine ihn schon zu kennen.
"Du bist wegen der Kleinen dermaßen durch den Wind. Die hat mal eine kleine Abreibung gebraucht."
"Wie alt bist du? 12.", fauche ich.
"Beruhige dich, Alter! Du darfst sie zur Schnecke machen und ich darf das nicht. Warum? Wir sind beide ihre Lehrer."
"Eben und dann sollten wir uns auch so verhalten. Ich dachte, sie wäre eine deiner besten Schülerinnen?" will ich wissen.
"Sie ist die beste." gibt er zu.
"Und warum tust du ihr dann weh?"
"Weh tun, weh tun. Hörst du dir auch zu?", schreit er.
Mittlerweile sind wir zum Glück auf dem Parkplatz angekommen so das unser Publikum auf ein Minimum reduziert ist.
"Sie hat wirklich ein Autoritätsproblem oder? Wie frech sie einem kommt. Kein Respekt.", lametiert er. "Aber dir liegt wirklich was an ihr oder?" Er mustert mich, als könnte er die Antwort von meinem Äußeren ableiten.
"Ja das tut es. Ich liebe dieses Mädchen." Verzweifelt fahre ich nir mit den Händen durch's Haar.
"Eben, sie ist ein Mädchen. Denk doch mal nach Tristan!" Verzweifelt ringt er die Hände.
"Ist mir egal. Und wenn du mich verpfeifst wird dir das nicht gut bekommen. Das kann ich dir versichern.", drohe ich mit erhobenem Zeigefinger.
Schon wieder.
"Mach ich nicht. Keine Sorge. Du bist mein ältester Freund und ich weiß was ich dir schuldig bin. Ich bitte dich ja nur noch einmal nachzudenken!"
Er sieht mir über das Dach seines silbernen BMW entgegen an dem wir stehen geblieben waren.
"Ich weiß schon was ich tue. Keine Sorge.", brumme ich.
"Okay. Du musst es wissen. Dann sehen wir uns morgen." Verabschiedet er sich und steigt ein.
Ich habe ihn verärgert, ich weiß, aber das er einfach so auf Ava los geht nur um sich an ihr für mich zu rächen konnte ich so nicht stehen lassen.
Ich fahre nach Hause und dusche mir erst einmal den Stress und Ärger vom Körper. Physisch erfrischt setze ich mich anschließend auf den Balkon, jedoch psychisch erschöpft lasse ich meinen Blick schweifen. In der Grünanlage hinter dem Haus spielen ein paar Kinder Fußball. Die dazu gehörigen Eltern sitzen verteilt im Gras oder auf Bänken drum herum und sehen ihren Sprößlingen zu. Ich komme nicht umhin mir genau das vorzustellen. Eine eigene Familie. Wie lange ich mir das jetzt schon wünsche weiß ich gar nicht mehr. Ewigkeiten. Sicherlich habe ich diesen Wunsch, weil ich selbst in keiner intakten Familie aufgewachsen bin. Mutter und Vater hatten stets nur ihre Arbeit und den dazu gehörigen Beruflichen Aufstieg im Kopf. Ich wurde erst von Kindermädchen und später, mit 9 Jahren auf ein Internat abgeschoben. Güte und Liebe habe ich höchstens durch Pädagogen erfahren. Und später durch Clöe. Aber die wurde auch nur dafür bezahlt freundlich zu sein.
Nie hat mich jemand nur um meiner selbst willen gemocht.
Ava war da anders. Sie mag mich so wie ich bin. Das hoffe ich zumindest. Jedenfalls hat sie nicht den Eindruck erweckt sich nur mit mir eingelassen zu haben um gute Noten zu bekommen. Das hätte sie auch überhaupt nicht nötig, so intelligent wie sie ist.
Und was tue ich emotional verkrüppelter Idiot? Ich bedrohe sie. Tue ihr weh und verscheuche sie damit.
Seufzend greife ich zum Smartphone. Per App bestelle ich mir eine Pizza und surfe geistesabwesend ein wenig im Netz. Aus reiner Neugier zieht es mich auf die Schulwebside. Von dort folge ich dem Link zum Schulchatraum.
Ab und zu schauen wir Lehrkräfte dort mal nach dem rechten. Ob alle sich an die Regeln halten und freundlich bleiben. Natürlich liest man auch allerlei Blödsinn. Und man muss sich im klaren sein das man selbst durch den Kakao gezogen wird.
Es wundert mich also gar nicht das Ava's und mein Schlagabtausch von letzter Woche ausführlich diskutiert wurde. Was mich allerdings stutzen lässt ist, dass hier auch diskutiert wird mit wem Ava schläft und ob sie bis dato noch Jungfrau war. Was geht's die Schülerschaft an?
Ich scrolle runter und lese von Ava's Angriff auf Evans. Wie hinterhältig sie angeblich ist.
Ein neuerer Eintrag, von heute um genau zu sein bezeichnet sie als aufmüpfiges und total verwöhntes Püppchen das sich seit neuestem für was besseres hält und deshalb auf die Lehrer los geht.
Bei meinen letzten Besuchen im Chat habe ich kaum ihren Namen lesen können.
Sie war unscheinbar.
Keiner nahm sie war. Höchstens als frigider Bücherwurm.
Doch seit neuestem hat sich das geändert.
Bin ich der Grund das sie sich derart geändert hat?
Wenn ja, muss ich schleunigst handeln. Wenn Ava so weiter macht wird sie noch ernste Probleme bekommen.

 

Ava

 

Ich beschließe endlich einen Schlussstrich zu ziehen. Das Thema Tristan ist für mich durch.
In den letzten drei Wochen haben wir uns im Unterricht mehr oder weniger angeschwiegen. Sind uns in den Gängen aus dem Weg gegangen oder haben uns wenn ein Treffen unausweichlich war gestritten. Ich habe gründlich die Nase voll davon!
Und um wirklich etwas zu ändern beschließe ich Eddie noch eine Chance zu geben. Er war in letzter Zeit echt friedlich. Kein blöder Spruch, keine dämliche Anmache.
Ich schicke ihm noch vor dem Aufstehen am Freitag morgen eine WhatsApp Nachricht. "Hey, Eddie. Hast du heute Abend schon was vor? Gruß. Ava."
Kaum bin ich im Bad fertig und kehre in mein Zimmer zurück kommt schon eine Antwort. "Endlich bist du vernünftig geworden. Für dich habe ich immer Zeit, Süße."
Den ersten Satz hätte er sich schenken können aber gut.
"Ok. Um 20 Uhr treffen und was essen gehen? Vielleicht später noch in den neuen Club?", schlage ich vor.
"Topp." kommt als Antwort.
Kurz und knackig.

 

In der Schule unterrichte ich Mary von meinem Plan.
"Du willst dich mit Eddie von Tristan ablenken? Meinst du das ist ne gute Idee?" Sie hat Zweifel und zeigt es mir mit ihrem Blick.
"Ach alles gut. Ich sehne mich danach wieder geliebt zu werden. Ich ... ja ich gebe es zu, ich will mich auch ablenken. Aber nicht von Tristan, sondern vom ewigen allein sein. Dem heulen in der Nacht. Und so.", murmle ich tonlos.
"Ach Süße. Komm mal her!" Mary zieht mich in eine innige Umarmung.

In der Mittagspause kommt Eddie zu unserem Tisch wo ich mit Luise und Mary sitze und setzt sich ohne zu fragen auf die Tischkante neben mir. "Hi Süße." grüßt er und beugt sich etwas herunter.
Denkt er etwa ich würde ihn hier vor aller Augen küssen?
Damit ich erneut zum Gespött der Schule werde. No way!
Ich drehe den Kopf etwas zur Seite. Seine Augen funkeln, doch er kommentiert das nicht.
"Bleibt's bei heute Abend? Oder hast du es dir anders überlegt?", raunt er mir ins Ohr. Dabei kitzeln mich die Bartstoppeln seines Kinns. Und er riecht so gut. Einen Moment schließe ich die Augen und sauge seinen Duft ein. Ich öffne die Augen, sehe zu ihm auf und nicke. "Nein. Es bleibt dabei."
"Gut. Dann hole ich dich um 19:30 von der Busstation ab."
Bus fahren zum Date. Ich habe mich schon so an die Annehmlichkeit eines Autos gewöhnt.
Ich schlucke und nicke erneut.
"Bis dann.", meint er nur noch und schlendert davon.
Wortlos starre ich ihm nach.
Mary scheinen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen. Sie sagt in diesem Moment "Was für ein selbstgerechtes Arschloch!"
"Stimmt. Aber wenigstens ein Arschloch was noch Interesse an mir hat.", denke ich laut.
"Ach Süße, mach dich doch nicht immer selbst so runter!" Sie nimmt mich in den Arm. "Irgendwann findest du deinen Traumprinzen."
Wenn sie wüsste. Ich habe ihn doch schon längst gefunden.
Wie auf's Stichwort betritt in diesem Moment Tristan die Cafeteria. Und wie bei unserem ersten Treffen wird er von einem Sonnenstrahlspotlight angestrahlt. Mir bleibt bei seinem Anblick die Luft weg. Ohne es zu wollen beschleunigt sich mein Herzschlag und eine Gänsehaut bedeckt meinen Körper. Meine schwitzigen Hände wische ich mir an meinem Rock ab.
"Hier, Mister Redmayne wäre solch ein Kandidat oder!" meldet sich Mary zu Wort. Sie scheint meine Reaktion gerade nicht mitbekommen zu haben.
Mechanisch nicke ich ohne meinen Blick von ihn zu lösen.
"Der ist sowas von süß!", schwärmt sie, "Aber leider zu alt."
Ich schlucke. "Ja das ist echt ein Problem.", murmle ich tonlos.

 

Tristan

 

Auf dem Weg zur Cafeteria treffe ich auf Eddie Trueman und James Owen. Die beiden sind in ein Gespräch vertieft. Reden jedoch so laut das man nicht umhin kommt sie zu belauschen.
"Hab sie gerade nochmal direkt gefragt ob es bei heute bleibt. Jo. Sie kommt.", lacht Trueman.
James antwortet "Cool! Was habt ihr vor?"
"Eigentlich essen gehen und tanzen. Jedenfalls denkt sie sich das so.", grinst Trueman anzüglich.
"Du hast was anderes im Sinn wie ich dich kenne." Fällt James mit in das Lachen ein.
"Auf jeden. Ich werd die Süße erstmal einreiten. Ich besorg es ihr richtig damit sie endlich diesen Vichser vergisst und mal weiß wie ein richtiger Mann so was erledigt."
Über wen reden diese Idioten da? Das Mädel kann einem echt leid tun. Aber selbst Schuld wenn man sich mit denen einlässt.
"Da hast du dir was vorgenommen. Die ist ne harte Nuss." bemerkt James.
"Die Nuss die ich nicht knacken kann und erst noch geboren werden.", antwortet sein Kumpel kryptisch.
Planen die beiden hier gerade eine Vergewaltigung?
Die beiden beschließen weiter zu gehen und verschwinden aus meiner Hörweite. Ich komme aus meinem Versteck hinter der Säule hervor und gehe Richtung Cafeteria.
Während des Essens grübel ich immerzu über das soeben gehörte nach. Ob ich jemanden einweihen sollte? Ob ich dieses Treffen von Trueman und dem Mädchen verhindern sollte?
Allerdings kenne ich weder ihren Namen noch den Treffpunkt oder die Uhrzeit.
Es hilft nichts. In diesem Fall kann ich kein Ritter in glänzender Rüstung sein und muss dieses Mädchen allein ihrem Schicksal überlassen.

 

Lorelai

 

Die letzten Wochen kann ich getrost als die anstrengendsten meines Lebens bezeichnen.
Das Geld der Versicherung war da und wir konnten mit der Renovierung des Salsons starten.
Lucy war Feuer und Flamme, kaufte ein, bestellte neue Möbel, ließ Plakate, Flyer und ein neues Geschäftsschild für die Hausfassade herstellen.
Ich beschränkte mich neben dem Bürokratischen, für das ich in unserer Zwei-Frau-Firma durch meine Ausbildung besser geeignet war, auf was handfesteres. Ich wurde Stammgast im Baumarkt. Suchte Wandfarben und Fliesen aus. Malerte den Salon, half beim Fliesen legen mit und schaute interessiert zu wie das neue Beleuchtungssystem installiert wurde.
Dazu galt es eine Hochzeit zu planen. Wir hatten vor im Winter ganz romantisch im Schnee zu heiraten. Kunstschnee ginge auch wenn mal wieder kein echter vom Himmel fiele. In London gibt es so eine Agentur die romantische Winterhochzeiten mit allem drum und dran organisiert. Die würde ich gern buchen.
Dazu musste ein Kleid gefunden, das Catering ausgesucht und Torten verkostet werden.
Na ja einiges kommt erst noch auf mich zu. Aber mit den Vorbereitungen begonnen habe ich schon einmal.
Meine Mum nervt mich schon die ganze Zeit, ihr, als Partyexpertin, die Planung zu überlassen. Aber dann heiraten wir sicherlich im Sommer in irgendeinem Schlossähnlichen Anwesen, in kitschigen Klamotten in Pastelltönen und es würden gerade einmal 200 Gästen dasein.  
Nein danke.
Neben all diesem Caos galt es noch Tom zu ignorieren. Seine Anrufe, seine Auftritte im Laden wenn er Hilfe anbot oder berichtete das er die Täter noch immer nicht geschnappt hat. Der Tom in meinen Träumen - Tom in meinem Herzen.
Aber richtig fertig machte mich mein schlechtes Gewissen Max gegenüber. Wenn er mir sagt wie sehr er mich liebt und ich daran denke, wie sehr ich ihn betrogen habe.
Wenn wir miteinander schlafen muss ich mich sogar zusammen reißen um nicht dem falschen Namen zu stöhnen.
Das alles macht mich fertig. Ich dreh noch durch. Ein Urlaub wäre jetzt genau das richtige.
Zum Glück scheint wenigstens Ava sich langsam wieder beruhigt zu haben. Sie weint nicht mehr jede Nacht. Sie sieht auch wieder so aus wie meine alte Ava. Liest viel und arbeitet für die Schule.
Leider habe ich in der momentanen Situation nur wenig Zeit für sie. Das tut mir leid.

 

Tom

 

"Einbruch im Spielzeugladen und in einer Modeboutique. Wer will wohin?", verkündet Williams am Morgen.
Cooper und ich sehen uns an.
"Ich nehm die Boutique. Der Spielzeugladen passt eher zu dem Clown da.", brumme ich und deute mit dem Daumen auf Cooper neben mir.
Dieser ignoriert meine Spitze, nickt und greift nach seinem Jackett was über der Stuhllehne hängt.
Ich tue es ihm nach nur das es sich bei meiner Jacke um meine alte schwarze Lederjacke handelt.
Williams drückt jedem von uns den Einsatzbericht in die Hand.
"Gut. Treffen um 12 hier." befiehlt er noch bevor wir unser gemeinsames Büro verlassen.
"Schlechte Laune? Mal wieder.", fragt Cooper als wir durch die Flure in Richtung Parkplatz gehen.
Ein Schnauben muss ihm als Antwort reichen.
"Hey, was ist denn mit dir in letzter Zeit los? Du bist nur noch genervt. Gehst die Leute an. Schlägst Zeugen zusammen. Musst deswegen in die Chefetage." zählt er meine Vergehen der letzten Wochen auf.
"Ich hab Stress. Zu Hause.", versuche ich auszuweichen.
Er nickt. "Ich weiß. Oder zumindest ahnte ich es. Du bräuchtest mal Ablenkung. Sag mal willst du nicht mal zu uns zum Grillen kommen?"
Fassungslos starre ich ihn an.
"Jetzt guck nicht so. Lorelai würde sich sicher freuen. Ihr kennt euch doch schon so lange.", plaudert er.
Ich muss mich echt zusammenreißen ihm nicht hier und jetzt eine rein zu hauen dem armen Trottel. Merkt nicht mal was in seinem Umfeld abgeht.
Ob ich ihm sagen soll das ich seine Frau gefickt habe? Was würde er dann wohl tun? Der ewig gesetzestreue, liebe, Arschkriecher Maxwell Cooper.
Doch ich tue es nicht. Lorelai würde es mir nie verzeihen und ich hätte für alle Zeiten bei ihr verschissen.
"Ich denke, dass das keine gute Idee ist. So gut kennen wir uns auch gar nicht." wehre ich sein Angebot mit einer Lüge und Freundlichkeit ab.
"Wie du meinst." Cooper zuckt die Achseln.
Auf dem Parkplatz steigt jeder in sein eigenes Auto und fährt in unterschiedliche Richtungen davon.
Wütend schlage ich auf das Lenkrad. Bereuhe es aber sofort wieder. Schließlich kann mein Baby ja nichts für meine Wut.
Der Einbruch stellt sich als das Werk der Diebesbande heraus die uns nun schon seit Monaten in Atem hält. Alles ist komplett zerstört. In diesem Fall die Kleidung, Spiegel, Möbeliar.
Ich nehme den Fall auf, rede mit der Eigentümerin während die Spurensicherung ihre Arbeit macht.
Als Parallele zu allen Fällen fällt mir wieder einmal auf, dass es immer nur Kleinbetriebe trifft. Kleinste Unternehmen die meist keine Videoüberwachung haben. Und wenn sie doch eine haben schalten die Täter diese als erstes aus.
Meine Wut steigert sich noch, falls das überhaupt möglich ist.
Ich muss dringend mal Dampf ablassen.
Hat nicht in der Stadt ein neuer Club eröffnet?
Sicher findet man da irgendein Mädchen mit dem man wenigstens eine Nacht mal Spaß haben kann. Auch wenn Lorelai mir viel lieber wäre.

Hilf mir!

 Ava

 

Nach der Schule springe ich zu Hause erst einmal unter die Dusche. Da Mum noch nicht da ist stelle ich Musik an und drehe die Lautstärke so weit auf das der Bass durchs ganze Haus dröhnt.
Nachdem ich mir den Schulstress abgewaschen haben stehe ich vor der Qual der Kleiderwahl.
Was soll ich anziehen?
Zwar will ich mit Eddie nicht direkt in die Kiste springen, Gott bewahre, aber ich will auch nicht als das Mauerblümchen rüber kommen deren Ruf ich in der Schule habe.
Ich entscheide mich schlussendlich für das Kleid das Tristan mir in London gekauft hat. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit es anzuziehen.
Nachdem ich mich geschminkt und mein Haar mit dem Lockenstab in sanfte Wellen gelegt habe betrachte ich mich vor dem großen Standspiegel in Mum's Schlafzimmer.
Oh wow. Ich sehe verboten gut aus! Wenn Tristan mich nur so sehen könnte. Dem würde mit einem Schlag klar werden was für eine Scheiße er da gebaut hat als er mich hat gehen lassen.
Ach ja, Tristan.
Verträumt in Erinnerung schwelgend lasse ich mich auf Mum's Bett fallen. Was er wohl gerade macht?
"Reiß dich zusammen, Ava!", meldet sich da mein Gewissen, "Vergiss den Arsch! Der ist es nicht wert."
Und ob er das ist. Und ob.
Dennoch rappel ich mich auf und schaue auf die Wanduhr, gleich Viertel vor sieben. Höchste Zeit um zum Bus zu gehen.
Der Gedanke, gleich in diesem Aufzug in den Bus zu steigen, amüsiert mich. Das ist in etwa so unauffällig, als würde die Queen höchstpersönlich den Bus lenken.

 

Tristan

 

Wie zu erwarten war habe ich nicht heraus bekommen wann, wo und vor allem mit wem Eddie Truemann seine Verabredung hat. Frustriert fahre ich jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit in der Gegend rum. Auf Stephen's Gesellschaft muss ich heute Abend verzichten. Er hat eine andere Verabredung. Cindy heißt sie.
Ich sollte vielleicht irgendwo was essen gehen oder mir was holen und dann zu Hause vor den Fernseher essen.
Ich bin unschlüssig.
Selbst für Tennis war ich heute zu frustriert. Sonst kann ich mich damit gut ablenken.
Schließlich entscheide ich mich für das essen gehen. Das ist zwar allein etwas erbärmlich aber da habe ich wenigstens Gesellschaft.
Ich steuere den Wagen Richtung Fellow Garden's. Dort parke ich und steige aus. Ich kenne das Lokal, hier war ich schon einmal essen. Mit Roxane.
Oh man war das ein scheiß Abend! Blind Dates sind echt nicht mein Ding.
Aber das Restaurant hat mir gefallen. Sicher finde ich es wieder.
Gerade als ich um die Ecke biege springt mir förmlich eine rothaarige im hellblauen Kleid ins Auge. Sofort fühle ich mich an Ava erinnert. Das Kleid sieht so ähnlich aus wie das was ich ihr gekauft habe. Doch sie ist es nicht. Ava's Haar ist auch nicht so rot wie das der Frau vor mir. Verwirrt gehe ich weiter.
Das Restaurant ist dann doch ganz leicht zu finden. Ich setze mich an einen Tisch in der Außenbestuhlung. Das ist weniger peinlich und außerdem ist es noch immer warm genug zum draußen sitzen, obwohl die Sonne langsam untergeht.
Eine Bedienung fragt mich nach meinen Wünschen und verschwindet nachdem ich bestellt habe wieder im Innern des Hauses.
Meine Wünsche kann sowieso nur eine befriedigen.
Ich ziehe mein Smartphone aus der Hosentasche und surfe, solange ich warte im Netz.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich jeden Passanten der vorüber geht.
Die Bedienung stellt wenig später ein Bier und einen Salat vor mich. Mit einem Lächeln entfernt sie sich wieder.
Ich beginne zu essen und schaue dabei auch mal etwas in die Ferne. Was soll ich auch sonst tun ohne Gesprächspartner.
Gegenüber befindet sich direkt der Christ's Pieces Park. Die Straße leert sich vom Tagespublikum und macht platz für die Nachtschwärmer. Hinter dem Restaurant befindet sich ein Wohngebiet. Ich nehme mir vor nachher noch etwas im Park spazieren zu gehen.
Kaum ist der Salat gegessen greife ich erneut zum Handy. In der Ferne kann man das Rauschen der Großstadt vernehmen. Hunde bellen. Eine Frau lacht. Ich fühle mich an Ava erinnert, schon wieder und sehe auf. Schon wieder die selbe Frau von vorhin. Sie geht Hand in Hand mit einem dunkelhaarigen schlanken Mann in den Park. Sie verschwinden aus meinem Blickfeld hinter Sträuchern und Bäumen. Ich lese weiter den Bericht den ich gerade begonnen habe als kurz danach ein Schrei die Luft zerreißt. Der Schrei einer Frau.
Aus einem unbestimmten Gefühl heraus springe ich auf und rufe die Kellnerin. Doch sie hört mich nicht. Eilig lege ich etwas Geld unter das halbvolle Bierglas, greife mir mein Jackett und renne über die Straße der Richtung entgegen aus der ich den Schrei vermute.
Kaum habe ich den Park betreten und bin umgeben von dichtem Blattwerk wird es schlagartig dunkel.
Ich bleibe stehen und schaue mich suchend um. Nirgends ist auch nur irgendjemand zu sehen.
Ein erneuter Schrei zerschneidet die Stille. Diesmal allerdings wird er erstickt. Ich renne los. Ob in die richtige Richtung vermag ich nicht zu sagen.
Kurz darauf stoße ich beinahe mit einem Mann zusammen. Sein Gesicht kann ich bei der Dunkelheit nicht erkennen. Ist er vielleicht der Grund gewesen für den Schrei dieser Frau?
Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück.
"Keine Panik. Ich suche sie auch nur.", brummt der Typ als hätte er meine Gedanken gelesen.
Ich nicke, was er sicher kaum sehen kann und registriere einen klaten Schauer der mir den Rücken herauf kriecht.
"Wo kam das her? Was meinen Sie?", frage ich den Fremden.
"Aus Richtung Norden nicht. Daher komme ich her. Sie muss hier irgendwo sein.", meint der Typ und macht eine ausholende Geste mit der Hand.

 

Tom

 

Ich brauchte kurz mal etwas Ruhe. Den ganzen Tag das Gemecker von Williams, das gezether der Boutiquebesitzerin, der Schreibkram.
Ätzend.
Überpünktlich habe ich heute Feierabend gemacht. Wie heißt es so schön: Freitag ab eins macht jeder seins.
Bevor ich in den Club anteste, hatte ich eigentlich vor in meinem Stammlokal noch ein paar Bierchen zu trinken. Doch mein Vorhaben wird jäh unterbrochen, als ich hier im Park plötzlich eine Frau um Hilfe schreien höre. In einer Stadt wie London geht man wahrscheinlich auf einen Hilfeschrei gar nicht mehr ein. So oft wird einfach mal so um Hilfe geschrieen. Aber hier in Cambridge ticken die Uhren noch anders. Und besonders wenn man des Abends im Park eine Frau schreien hört. In den letzten Jahren haben sich Sexualdelikte an Frauen stark gehäuft. Das sensibilisiert einen, ob man will oder nicht.
Außerdem kann kein Polizist einen Hilferuf ignorieren.
Ich beginne zu rennen in die Richtung aus der ich den Schrei vermute.

 

Tristan

 

Gemeinsam suchen wir weiter und hoffen inständig sie möge noch einmal einen Laut von sich geben.
Tut sie aber nicht.
Ich berichte dem Fremden von dem Pärchen das ich vor einiger Zeit in den Park hatte hineingehen sehen.
"Ok. Dann gehen wir mal davon aus das sie es sind. So viele Leute sind hier ja nicht unterwegs. Hellblaues Kleid also."
"Ja."
Wir suchen bestimmt eine Dreiviertelstunde lang und finden nichts. Nicht den kleinsten Hinweis. Dazu kommt das es immer dunkler wird. Schlußendlich geben wir es auf. "Gut. Das bringt hier nichts. Ich werde morgen sehen ob ich was in Erfahrung bringen kann.", beginnt der Fremde, "Geben Sie mir Ihre Nummer! Falls es wirklich ein Verbrechen gab habe ich gleich eine Zeugenaussage am Start."
Zeugenaussage.
"Sind Sie von der Polizei?", frage ich anstatt ihm meine Nummer einfach so auszuhändigen.
"Jup. Also?" Er entsperrt sein Handy und sieht mich abwartend an.
Das diffuse Licht des Displays spendet gerade soviel Licht, dass ich einen schnellen Blick auf sein Gesicht werfen kann. Es ist der selbe Typ der letztens bei Ava zu Hause war. Lorelai's Lebensgefährte.
"Hey, sind Sie nicht der, der letztens bei den MacAdams war?", frage ich freundlich.
Er sieht zu mir auf und scheint kurz zu überlegen. "J-a. Korrekt. Seltsam.", sagt er gedehnt, "Was tun Sie hier im Park?"
"Ich ... ich brauchte mal etwas Ruhe. War was essen und da habe ich den Schrei gehört."
"Das selbe wie bei mir.", brummt er.
Für einen Moment hängen wir beide schweigend unseren Gedanken nach.
Schließlich fragt er erneut "Was ist nun, bekomme ich Ihre Nummer?"
Ich nenne ihm das gewünschte. Er tippt sie ein und steckt das Smartphone weg. Sofort ist es wieder dunkel.
"Wo müssen Sie hin?" breche ich das peinliche Schweigen.
"Norden. Da steht mein Wagen."
"Ich muss zum Fellows Garden. Da steht meiner."
"Dann haben wir den selben Weg.", antwortet er und setzt sich in Bewegung.
Ich folge seiner breitschultigen kleineren Gestalt.
Er ist also Polizist. Ein guter möchte ich wetten wenn er selbst in seiner Freizeit stets das Verbrechen jagt.
"Wie heißen Sie eigentlich?", frage ich als ich ihn eingeholt habe.
"Griffiths, Tom Griffiths."
"Ok. Sie sind Lorelai MacAdams Lebensgefährte, habe ich recht?"
Er schnaubt. "Schön wär's. Nein wir sind nur befreundet."
"Ach so.", erwidere ich lahm, "Ava ist an dem Abend übrigens wieder aufgetaucht. Nur falls es Sie interessiert. Wo Sie doch mit den MacAdams befreundet sind."
"Ich weiß ...", brummt er, "... Sie haben sie gefunden."
Ich bin überrascht. Er ist gut informiert.
"Hören Sie ..." Er bleibt abrupt stehen. "... ich frage mich die ganzen Zeit was Sie damals da eigentlich genacht haben."
"Was?" Erschrocken sehe ich zu ihm zurück.
"Ich ... ich bin Ava's Klassenlehrer.", stammle ich überrumpelt.
"Ich weiß. Aber normalerweise sind Schüler ihren Lehrern nicht ganz so wichtig. Was läuft da zwischen Ihnen und den MacAdams?"
Er starrt mich an. Ich kann es zwar nicht direkt sehen aber sein Blick brennt förmlich auf mir. Da wird mir klar, der Typ ist eifersüchtig.
"Hören Sie mal. Ich bin nicht ..."
"Bist du ihr Liebhaber? Das sie Cooper hat weißt du hoffentlich.", schnauzt er mich an und lacht verächtlich.
Unwillkürlich trete ich einen Schritt zurück.
"Was?", frage ich verwundert, "Wovon reden Sie, man?"
"Davon das sie für dich die Beine breit macht. Genauso wie für Cooper natürlich. Und mich? Mich serviert sie ab. Diese Bitch!"
Er scheint echt ein Problem zu haben. Das selbe wie ich, nehme ich an - gebrochenes Herz.
"Sie reden nicht zufällig von Lorelai MacAdams?" wage ich eine vorsichtigen Vorstoß.
"Natürlich. Von wem denn sonst?", brüllt er.
"Da kann ich Sie beruhigen. Ich war wirklich nur in meiner Funktion als Ava's Lehrer da. Ich habe mir Sorgen um sie gemacht.", erwidere ich erleichtert.
"Wirklich?" Er scheint mich wieder zu studieren. Will heraus finden ob ich die Wahrheit sage.
"Ja. Wirklich." Ich lege so viel Wahrheit wie möglich in meine Stimme um ihn zu besänftigen. Der Typ kann einem ja Angst machen.
Er nickt stumm. Damit scheint die Sache erst einmal erledigt zu sein.
Schweigend gehen wir weiter und erreichen bald die Straße und damit unsere Wagen. Ironischer weise haben wir auch noch fast direkt hintereinander geparkt.
Er geht zu einem feuerroten Mustag. Dieser Wagen fällt in England ungefähr so sehr auf wie die Queen die nur im Bademantel bekleidet durch die Straße spaziert.
"Schöner Wagen." lobe ich mit erhobener Stimme damit er mich hören kann.
Griffiths hebt den Daumen. "Ja, man. Ihrer ist aber auch nicht schlecht. Geile Lackierung." Damit steigt er ein und fährt davon.
Ich sehe noch einmal zurück zum Park. Leider haben zwei Ritter in glänzender Rüstung heute keine Chance bekommen Helden zu sein.

 

Ava

 

Anfangs lief der Abend noch ganz schön. Eddie hat mich wie versprochen an der Busstation abgeholt. Wir sind dann in einem Restaurant etwas essen gewesen. Er strengt sich richtig an, habe ich gedacht. Er will wohl sein Verhalten wieder gut machen.
In der letzten Zeit hat er sich wirklich nicht gerade wie ein Gentleman verhalten.
Aufmerksam hört er mir zu und unterhält sich mit mir, wie in den alten Zeiten über Literatur.
Als dann sein Vorschlag kam noch ein wenig spazieren zu gehen war ich vollends davon überzeugt das er sich geändert hat und diesen Abend mit mir nicht versauen will.
Cambridge hat sehr viele Grünflächen.
Da wir uns in der Nähe des Fellows Garden befinden beschließen wir dort spazieren zu gehen.
Von Seiten der Emmanuel Road betreten wir den Park. Die Sonne war im begriff unter zu gehen,  und da wir uns hier unter einem dichten Blätterdach befinden umfängt uns sofortige Dunkelheit.
Eddie hält meine Hand in seiner. Er sieht mich verliebt an.
"Weißt du eigentlich wie toll du heute aussiehst, Ava!" schnurrt er wie ein Kater.
"Danke sehr.", säusel ich und schenke ihm ein strahlendes Lächeln.
"Das Kleid ist toll." lobt er weiter.
"Danke. Das habe ich in London in der Portobello Road gekauft. Na ja nicht ich sondern ..."
Da bringt er mich plötzlich mit einem Kuss zum Schweigen.
Überrumpelt aber dem schönen Abend geschuldet lege ich meine Arme um seinen Hals und erwidere den Kuss.
Er scheint sich zu entspannen.
Nachdem sich unsere Lippen getrennt haben bleiben wir voreinander stehen, er beugt sich zu mir herunter und legt seine Stirn gegen meine. "Ich bin wirklich froh das du zu dem Date heute ja gesagt hast.", raunt er.
"Ich auch.", hauche ich.
Hand in Hand gehen wir weiter.
Ob er eigentlich ein Ziel hat oder wir nur einfach so hier im Park herum spazieren? Ich weiß es nicht. Ist mir aber auch egal. Es ist einfach nur schön!
Scheinbar doch, denn nach kurzer Zeit lenkt er unsere Schritte in Richtung belebter Wohngegend zurück. An einem Parkplatz von dem ich bisher nicht einmal wusste das er existiert deutet er mit der Hand auf einen geparkten Caravan. "Gefällt der dir?" will er wissen.
"Gefallen?", frage ich verwundert, "Ich verstehe nicht?"
Warum sollte mir ein Caravan gefallen? Warum sollte ich mich überhaupt dafür interessieren?
Mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Erst recht als sich jetzt die Tür des hellen Caravans öffnet und James, ein Mitschüler Eddies den Kopf heraus streckt.
Ohne mit weiteren Worten Zeit zu verschwenden drehe ich mich um und renne in den Park zurück. Dämlich, ich weiß. Aber was tut man nicht alles wenn man unter Stress steht.
"Bleib hier!", brüllt Eddie mir hinterher.
"Halt sie auf!", höre ich eine andere Stimme.
Ich renne so schnell es meine beschissenen Kittenheels es zulassen in die Dunkelheit.
Eddie ist direkt hinter mir. Mit seinem langen Beinen wird er mich bald eingeholt haben.
Ich entdecke einen dicken Baum. Dick genug damit ich mich dahinter verstecken kann.
Wie ein Hase schlage ich Haken und verschwinde schließlich mit einem Sprung hinter dem Baum.
Heftig atmend ziehe ich mir erst einmal die Schuhe aus. Dann wende ich mich um um vorsichtig am Stamm vorbei zu spähen. Eddie ist nirgends zu sehen.
Erleichtert lehne ich mich mit dem Rücken gegen die raue Rinde und atme tief durch.
"Na Süße. Genug aufgewärmt." Eddie steht mit einem Mal direkt vor mir. Die Hände links und rechts neben meinem Kopf abgestützt ist sein Gesicht mir so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren kann.
Wo kommt der her? Ich habe ihn nicht herankommen gehört.
Ich kann mir nicht anders helfen und schreie so laut ich kann. Vielleicht hört mich ja jemand.
Eddie grinst und legt mir eine Hand auf den Mund. Mit der anderen bedeutet er mir still zu sein.
Ich schüttle den Kopf ziehe mit den Händen an seiner Hand auf meinem Mund. Nutzlos. Er presst mich mit seinem Körpergewicht gegen den Stamm. Mit bleibt nur noch ein Ausweg. Ich hebe mein Knie und trete ihm zwischen die Beine. Überrascht und sich vor Schmerz zusammen krümmend lässt er mich los. Ich schiebe mich an ihm vorbei, wobei er halbherzig noch versucht nach meinem Knöchel zu greifen und renne los. Nur weg von hier.
Ich bin noch nicht weit gekommen als ich von hinten angesprungen werden. Laut schreie ich auf als ich bäuchlinks auf den Weg falle. Ein Mann liegt direkt auf mir und versucht mir meine wild herum fuchtelnden Arme auf dem Rücken zusammen zu drücken.
"Hilfe.", schreie ich so laut ich kann. "Hilfe." Indem ich mich heftig hin und her werfe versuche ich den Typen von mir runter zu werfen. Doch er lacht nur und zieht mich mit einem Ruck nach oben. Als würde ich nichts wiegen stellt er mich wie eine Schaufensterpuppe auf die Füße.
"Stopf ihr das Maul! Sonst haben wir gleich halb Cambridge auf dem Hals.", knurrt Eddie hinter uns. Er muss noch heftig atmen.
James, dieser Mistkerl klebt mir nicht nur ein breites Stück Klebeband über den Mund, er hat auch noch Kabelbinder dabei mit denen er mir nun die Handgelenke hinter dem Rücken zusammen bindet.
"Nicht hinten du Idiot. Wie soll sie denn da auf dem Rücken liegen?"
"Dann fickst du sie eben von hinten." faucht James.
Diese Variante scheint ihm auch zu gefallen. Eddie bedeutet uns ihm zu folgen und schon werde ich mitgeschliffen. Wütende Tränen rinnen mir über die Wangen.
Ich versuche mich so gut es geht zu wehren. Aussichtslos. So hilflos habe ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt.
Am Parkplatz angekommen sehe ich meine Chance als eine fremde Frau zu ihrem geparkten Wagen geht und diesen per Fernbedienung öffnet. So laut ich kann versuche ich auf mich aufmerksam zu machen. Im vorbeigehen trete ich so stark ich kann gehen einen Abfallkorb. Dieser bricht daraufhin von seiner Verankerung ab und fällt schleppend zu Boden. Eddie und James erstarren für einen kurzen Moment. Darauf habe ich gewartet. Ich renne los. Auf die fremde Frau zu. Doch sie bemerkt mich nicht, steigt ein und fährt davon ehe ich bei ihrem Wagen ankomme.
Ich renne weiter.
Die Jungs hinter mir her. Zur Straße. Ich muss da hin wo Leute sein könnten. In der Ferne entdecke ich einen Bettler. Er sitzt auf dem Gehweg vor einer Spielhalle. Als ich näher komme bemerke ich das er schläft. Keine große Hilfe also.
Während ich noch überlege in die Spielhalle hinein zu laufen um dort um Hilfe zu bitten höre ich Eddie laut "Da ist sie." rufen. Eilig verwerfe ich die Idee und renne weiter.
Warum verdammt ist hier keiner?
Da biegt ein Auto um die Ecke in die Straße ein. In Sekundenbruchteilen versuche ich meine Chancen zu errechnen das Auto mit einem beherzten Sprung davor aufzuhalten. Es fährt schnell, aber nicht zu schnell.
Meine Verfolger nehmen mir die Antwort ab indem sie immer näher kommen. Panisch springe ich vom Gehsteig auf die Fahrbahn dem Fahrzeug entgegen und stelle mich mutig in den Lichtkegel der Scheinwerfer. Mit einer Vollbremsung kommt der Wagen zum stehen.
Die Fahrerteüröffnet sich und jemand brüllt. "Hey, sind Sie lebensmüde?" Geblendet vom Licht der Scheinwerfer kann ich meinen Retter nicht erkennen, aber an der Stimme erkenne ich, dass es sich um einen Mann handelt.
Gott sei dank.
Ich laufe auf ihn zu. Hoffentlich jage ich ihm keine Angst ein und er haut ab.
Gehetzt sehe ich mich nach meinen Verfolgern um. Sie sind am Straßenrand weiter hinten abwartend stehen geblieben.
"Helfen Sie mir bitte." sollte es zumindest heißen was ich dem Mann vor mir versuche entgegen zu brüllen. Dabei drehe ich ihm meinen Rücken zu um ihm meine Fesseln zu zeigen.

 

Tristan

 

Das war genug Aufregung für einen Tag. Ich steige in mein Auto und fahre Richtung Crossway Garden's. Ich will nur noch nach Hause. Mich vor den Fernseher hauen und ein Glas Rotwein trinken zur Entspannung.
Für einen Freitag Abend ist erstaunlich wenig los auf den Straßen.
Über die Christ's Lane und dem Milton's Walk durchfahre ich noch einmal den Fellow'Gardens bis ich schließlich in die King Street rechts abbiege. Als plötzlich ein Fußgänger vom Gehweg direkt auf die Straße torkelt.
"Was soll das? Besoffenes Pack.", zische ich und will schon das Lenkrad einschlagen um auszuweichen, als die Person mit einem Mal zu rennen anfängt und mitten auf der Fahrbahn vor meinem Auto zum stehen kommt. "Scheiße!" fluche ich laut und trete auf die Bremse. Mittlerweile erkenne ich an der Kleidung das es eine Frau ist die da im Licht der Scheinwerfer vor mir steht.
Schon beim aussteigen fluche ich "Hey, sind Sie lebensmüde?"
Da setzt sie sich in Bewegung, direkt auf mich zu.
Ist die irre? Irgendwie muss ich an Zombies denken.
Sie stammelt irgendwas was ich nicht verstehen kann. Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück. Die Hand immernoch an der Autotür. Doch als sie sich etwas zur Seite dreht und sie mir so ihren Rücken zuwendet sehe ich, dass ihre Hände gefesselt sind. Intuitiv greife ich sie an den Schultern und schiebe sie zur hinteren Wagentür. Ich reiße sie auf und lasse sie einsteigen. Eilig sehe ich mich um. Ob sie verfolgt wird oder ob dieser Verfolger noch irgendwo in der Nähe ist?
Nachdem ich niemanden entdecken kann drehe ich mich zu der Frau zurück um ihr zu helfen. Ich beuge mich hinunter zur offenen Wagentür. Mit einer Hand schalte ich die Innenraumbeleuchtung an, mit der anderen stütze ich mich an der Rückenlehne ab. Dabei steigt mir ihr Geruch in die Nase. Und ehe ich sie sehen kann weiß ich wer sie ist.
"Ava.", stoße ich entsetzt hervor, "Oh scheiße, Ava."
Sie sieht mich flehend mit verweinten Augen an. Ihr Makeup ist völlig verschmiert, ihr Haar ist zerzaust etwas Laub hängt darin. Das Kleid ist schmutzig und an manchen Stellen eingerissen. Es ist das Kleid was ich ihr in London gekauft habe.
Und mit einem Mal wird mir bewusst das sie es doch war die ich den ganzen Abend über immer mal wieder gesehen habe. "Oh Ava." sage ich liebevoll und muss mit den Tränen kämpfen. "Ich werde ... ich werde dir jetzt das Klebeband abreißen. Okay?", erkläre ich sanft.
Sie nickt und blickt mich flehend an. Ihr Gesicht ist Tränennass.
Vorsichtig zupfe ich daran herum bis ich es langsam abziehen kann.
"Ich weiß, das tut weh.", murmle ich, "Wer hat dir das nur angetan?"
Kaum ist es ab werfe ich es auf den Gehweg hinaus.
"Tristan." Ihre Stimme klingt verwundert und hoffnungsvoll zugleich. "Du ..."
"Ava ..." Mehr bedarf es nicht, da treffen sich unsere Münder. Liebevoll nehme ich sie in den Arm und halte sie ganz fest. Ein Kuss, von Glück und Erleichterung beseelt.
Als ich mich von ihr löse kann ich sie nur glücklich ansehen.
"Tristan da draußen. Sie müssen da noch irgendwo sein."
"Sie?"
"Ja, Eddie Trueman und James Owen." erklärt sie matt. Dann beugt sie sich etwas nach vorn um mir zu bedeuten das sie noch immer gefesselt ist. "Würdest du bitte."
"Klar. Moment." Ich steige aus und gehe zum Kofferraum. Dem Erste-Hilfe-Kasten entnehme ich eine Verbandschere und schneide die Kabelbinder damit durch.
"Danke.", murmelt sie und reibt sich die Handgelenke.
"Ist es okay für dich wenn ich die Kerle suchen gehe oder soll ich bei dir bleiben?", frage ich zärtlich.
"Bitte bleib bei mir. Ich will auf keinen Fall alleine sein."
Ich setze mich neben sie auf den Rücksitz und dann erzählt sie mir was in den letzten Stunden passiert ist.
Schließlich versuche ich sie davon zu überzeugen, dass es das beste wäre jetzt gleich zur Polizei zu gehen. Ihr Zustand muss offiziell aufgenommen werden wenn die beiden Täter bestraft werden sollen.
Widererwartend hat sie keine Einwände und fügt sich mal dem was man ihr sagt.
Gemeinsam fahren wir zum in der Nähe gelegenen Polizeirevier.
Nachdem ich auf dem Besucherparkplatz geparkt und wir ausgestiegen sind, greift sie auf dem Weg zum Revier nach meiner Hand.
Genau so betreten wir den Vorraum wo uns ein Beamter in Uniform mit erhobener Augenbraue ansieht. "Kann ich Ihnen helfen?"
Ich lasse Ava sich auf einen der Stühle an der Wand platz nehmen und erkläre dem Mann hinter dem Tresen was passiert ist. Immer wieder sieht er an mir vorbei zu Ava, die wie ein Häufchen Elend zitternd auf dem Plastikstuhl sitzt.
Schließlich nickt er und verschwindet mit den Worten "Momentchen bitte." in einem Raum hinter dem Tresen. Dort telefoniert er kurz an seinem Schreibtisch.
Ich setze mich neben Ava und umschließe mit meiner ihre kleine kalte Hand. Mit einem Arm um ihrer Schulter versuche ich sie mit Reibung etwas aufzuwärmen. Sie zittert immer stärker.
"Hören Sie.", rufe ich laut. Ava zuckt neben mir zusammen. "Hätten Sie eventuell eine Decke?"
Der Beamte brummt etwas, verschwindet in einem anderen Raum und kommt dann aber tatsächlich mit einer braunen Fleecedecke zurück. Er reicht sie mir über den Tresen. Ich hole sie und wickle Ava sogleich darin ein. "Hier, Darling.", flüstere ich.
Stumm nickt sie und sieht mich dankbar an.
Kurz darauf kommt durch eine Seitentür die zu einem Treppenhaus zu führen scheint ein blonder Mann in dunkelblauer Stoffhose, weißem Hemd und dunkelblauer Weste auf uns zu.
"Ava. Du?", ruft er als er sie sieht. Sofort ist er bei uns und geht vor ihr auf die Knie.
"Max ..." Ihre Stimme bricht und sie beginnt hemmungslos zu weinen.
Was geht denn hier ab?
Der Fremde nimmt sie in den Arm und küsst sie auf den Scheitel. Erst nachdem er sich wieder von ihr gelöst hat scheint er mich zu bemerken. "Und Sie sind?"
"Tristan Redmayne. Ich ... ich habe sie ... gefunden." berichte ich während er sich vor mir aufrichtet.
"Aha." Abschätzend sieht er mich an dann stellt er sich mir als Maxwell Cooper vor.
Der Name und wenn ich es mir recht überlege das Gesicht auch kommt mir irgendwie bekannt vor.
"In welcher Beziehung stehen Sie zu Ava?", fragt er weiter.
"Ich bin ihr Freu ... ihr Lehrer." korrigiere ich mich schnell um kein seltsames Licht auf mich zu werfen.
Er nickt. "Und Sie haben sie zufällig ... gefunden?"
"Ja richtig."
Also berichte ich noch einmal was sich zugetragen hat.
Ava neben uns zittert noch immer etwas. "I-ich b-bin gerade so ... davon gekommen oder? Ich hätte ... hätte sterben können." meldet sie sich fast tonlos nachdem ich geendet habe. Bebend verbirgt sie ihr Gesicht in den Händen.
Inspector Cooper und ich sehen gleichzeitig zu ihr hinunter und nicht nur in mir wird sicherlich bei diesem Anblick der Beschützerinstinkt geweckt, denn beide gehen wir vor ihr in die Hocke und reden auf sie ein.
"Hey Baby. Es ist alles gut." rede ich beschwichtigend auf sie ein. Zur selben Zeit sagt er "Hey Ava. Es wird alles gut."
Mist! Hoffentlich hat er es nicht mitbekommen. Das Baby ist mir einfach so raus gerutscht.
Er sieht mich forschend von der Seite an. Sicher fragt er sich ob er sich verhört hat.
Um mich aus der Schusslinie zu bringen stehe ich wieder auf. Der Inspector legt ihr sanft die Hand auf die Schulter. "Alles gut. Ich hab hier gleich Schluss. Dann bringe ich dich heim."
Sie nickt stumm und sieht auf ihre Hände.
"Ich werde ihrer Mutter alles erklären. Sie können dann jetzt erst einmal gehen. Wenn Sie morgen aber nochmal wieder kommen würden um Ihre Zeugenaussage zu Protokoll zu geben.", spricht er nun wieder mich an und stellt sich vor mir aufrecht hin.
"Und ... als Ava's zukünftiger Stiefvater möchte ich mich persönlich bei Ihnen bedanken das Sie sie gefunden und hier her gebracht haben!"
"Selbstverständlich.", gebe ich tonlos zurück und schüttle die angebotene Hand.
"Ich werde dann jetzt mal ... gehen." murmle ich und werfe einen letzten Blick auf Ava.
"Gut." meint der Inspector.
"Nein." ruft Ava so laut wie man es in ihrem Zustand nicht vermutet hätte.
Geschockt bleibe ich stehen und sehe sie an.
Hoffentlich offenbart sie nicht ausgerechnet jetzt und hier das wir uns näher stehen als es Lehrer und Schüler für gewöhnlich tun.
Cooper sieht sie forschend an. "Du brauchst keine Angst zu haben, Ava. Hier bist du in Sicherheit. Ich bin da."
Sie nickt und sieht ihm fest ins Gesicht "Ich weiß. Aber ich vertraue auch ihm und ich bitte dich, bleib bei mir!" Letzteres war an mich gerichtet.
"Wie bitte?" meldet sich Cooper verwirrt zu Wort.
"Ich ... ich bin Vertrauenslehrer. Die Kinder vertrauen mir." versuche ich mich rauszureden. Ich hoffe das ihm nicht aufgefallen ist das sie mich duzt.
"A-h-a."
"Max bitte, ich will ihn hier haben.", fleht Ava.
Er überlegt kurz und nickt schließlich.
"Dann ... können Sie ihr ja so lange Gesellschaft leisten bis ich hier fertig bin und sie nach Hause fahre."
"Okay." Antworten wir unisono und sehen uns verschwörerisch an.

 

Lorelai

 

"Scheiße! Wie siehst du denn aus!" Fassungslos schaue ich auf meine ramponierte Tochter die da gerade, eine braune Polizeidecke über den Schultern, und meinem Verlobten das Wohnzimmer betritt. "Oh mein Gott! Was ist passiert?" Panik überrollt mich. Ich springe auf und nehme sie in die Arme. Ava ist eiskalt und zittert.
"In meiner Funktion als Polizist muss ich dir leider etwas berichten." beginnt Max.
Ich habe das Gefühl das diese Neuigkeit mich umhauen wird und lasse mich rücklings in den Sessel hinter mir fallen. Panische Angst packt mich.
"Ich will mir das nicht nochmal anhören. Ich will ins Bett." murmelt Ava und schlurft aus dem Zimmer. Kurz darauf hört man Schritte auf der Treppe.
"Ja also ...", beginnt er, "Ava wurde heute Abend Opfer eines Überfalls. Sie ... sie wurde überfallen, gefesselt und ..."
Er bricht ab. Weiß das mich das was er mir gleich sagen wird umhauen wird.
Sie wurde vergewaltigt. Sicher.
Oh mein Gott. Mein armes Baby!
"Lorelai, sie wurde beinahe entführt und wäre sicherlich auch vergewaltigt worden."
"Ent-entführt. V-vergewaltigt?", stammle ich fassungslos.
Er nickt, zieht mich aus dem Sessel und umfängt mich mit seinen starken Armen.
Für mich bricht eine Welt zusammen. Wer hat ihr das angetan? Warum gerade meine Tochter?
Da fällt mir in seinen Worten etwas auf. "Beinahe? Wie hat sie sich befreien können?", frage ich.
Und nun erzählt er mir alles was er weiß. Wo sie aufgefunden wurde. In welchem Zustand sie war. Wie sie sich hatte befreien können. Er erzählt von ihrem Lehrer der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Von ihrem sofortigen Gang zur Polizei. Er hatte alles richtig gemacht. Ava's Zustand konnte so gleich dokumentiert werden. Eine ärztliche Untersuchung hatte sie nicht nur abgelehnt sie war auch unnötig, da sie uns versicherte das Eddie Trueman ihr noch nichts antuen hatte können. Allein die Abschürfungen an den Knien und Ellbogen, sowie die Wunden an den Handgelenken wo sich der Kabelbinder in ihre Haut geschnitten hat blieben zurück und waren eine dunkle Erinnerung an die zurückliegenden Stunden. Und natürlich der Psychische Aspekt.
"Hoffentlich steht sie das durch!", überlege ich schließlich laut.
"Ich glaube fest daran. Sie ist ein starkes Mädchen. Sie hat Freunde und sie hat uns.", zählt er auf, "Auch dieser Redmayne, ihr Lehrer scheint ihr wichtig zu sein. Er durfte sich keinen Meter von ihr entfernen."
Oh oh. Ahnt er etwas?
"Sicherlich weil er in diesem Moment ihr Retter war. Das hat was mit der Psyche zu tun." überspiele ich den Moment.
Er zuckt die Schultern. "Ja, vielleicht."

Liebesgeständnisse

 Lorelai

 

"Hallo Lorelai." grüßt Tom als er am Samstag Abend anruft. "Ich habe gehört das Ava gestern Abend hier war."
"Falls du damit das Polizeirevier meinst, ja das ist richtig." gebe ich zur Antwort. "Sie wurde ... überfallen. Sie konnte sich gerade noch so befreien.", führe ich weiter aus.
Sofort kommen mir die schrecklichen Dinge die Max mir berichtet hat wieder vor Augen.
"Ich weiß. Ich hab's gelesen. Schrecklich!", raunt er, "Ich mache mir Vorwürfe."
"Du? Weshalb?", frage ich verwundert. Ich hätte nie gedacht, dass sich Tom Griffiths überhaupt wegen irgendetwas Vorwürfe machen könnte.
"Weil ich selbst gestern Abend in diesem scheiß Park war. Ich hörte einen Schrei als ich zufällig in der Nähe war und ging los um die Frau zu suchen. Doch ... gefunden haben wir nichts."
Ich schlucke. "Wir?"
"Ja, wir. Dieser Redmayne und ich. Er hatte die Schreie ebenfalls gehört und wollte helfen. Gemeinsam sind wir stundenlang in diesem sau-dunklen Park umher gelaufen." berichtet er und man hört schon durch's Telefon, dass er sich Vorwürfe macht nicht intensiver gesucht zu haben.
"Er war es der sie schließlich gefunden und zur Polizei gebracht hat." erkläre ich ihm etwas was er sicherlich bereits einem Protokoll entnehmen konnte.
"Ich weiß. Glückspilz. Konnte mal Held spielen." Ich höre ein spöttisches Schnauben.
"Ach Held. So ein Blödsinn!", winke ich ab. "Ich bin ihm sehr dankbar das er gerade zu dieser Zeit dort entlang gefahren ist! Wer weiß was sonst passiert wäre?" schimpfe ich und kämpfe schon wieder mit den Tränen.
"Ja ja."
Irgendwie klingt er seltsam.
"Hast du getrunken, Tom?" will ich wissen.
"Was?", schnaubt er, "Und selbst wenn. Was geht's dich an? Du hast doch deinen Max."
Wusste ich es doch, er ist eifersüchtig obwohl er gar keinen Grund dazu hat.
"Tom, bitte. Nimm dich zusammen! Ich schlage vor ..."
"Ist mir doch egal was du vorschlägst, Lorelai." unterbricht er mich lautstark, sodas ich unwillkürlich das Handy etwas vom Ohr weg halte.
Was bildet der sich ein? "Tom." weise ich ihn in die Schranken. "Wag es nicht so mit mir zu reden!"
"Ich rede wie es mir passt und ich sage was mir passt, merk dir das." brafft er. Nun fällt mir auch auf wie sehr er bereits lallt.
Ich höre wie eine Flasche gehen Glas stößt.
"Tom, hör auf zu trinken!" versuche ich ruhig auf ihn einzureden.
"Ich trinke so viel wie ich will.", zischt er.
"Ich werde jetzt auflegen. Du willst ja eh nicht hören was ich zu sagen habe." drohe ich und warte ab was er antwortet.
Kurz bleibt es still.
Mit einem Mal, er spricht so leise das ich ihn kaum verstehen kann, sagt er "Ich wollte mich nur von dir verabschieden."
Was? Was hat er gerade gesagt? Habe ich recht verstanden? Er will sich verabschieden.
Um mich etwas zu beruhigen und ihn nicht noch mit meiner Unruhe zu vergraulen, zwinge ich mich mehrmals tief durchzuatmen, anschließend sage ich so ruhig wie es mir in der momentanen Situation möglich ist "Tom, wo bist du?"
Nichts, nur Stille.
Ich höre ihn atmen und schlucken. Er trinkt scheinbar weiter.
"Tom Griffiths du sagst mir jetzt sofort wo du gerade bist!" befehle ich mit meiner strengsten Mutter-Stimme.
Mit dem Resultat das er mich ausmacht.
"So brauchst du mir nicht kommen, Lorelai. Stell dir vor, ich bin bereits erwachsen."
Gerade wirkst du nicht so, Freundchen.
"Tom, sagst du mir bitte wo du gerade bist? Zu Hause oder in einem Pub?" probiere ich es nun mit zuckersüßer Stimme.
Stille.
"Tom?"
"Zu Hause." höre ich noch leise, weit entfernt ehe das Telefonat durch einen lauten Knall unterbrochen wird. Sprachlos starre ich das Smartphone in meiner Hand an.
Er ist also zu Hause. Aber wo ist das?
Ich könnte natürlich Max fragen, ob er weiß wo Tom wohnt, aber was gebe ich als Grund mit einem Mal wissen zu müssen wo Tom wohnt an?
Wie ein Tiger im Käfig laufe ich in meinem Schlafzimmer auf und ab und grübel über meine Möglichkeiten nach.
Max übernachtet heute bei sich zu Hause da er morgen Frühschicht hat. Rufe ich ihn jetzt an oder nicht?
Da fällt mir Monica ein. Sie waren ja mal zusammen. Vielleicht weiß sie ja seine Adresse?
Gesagt getan. Ich durchforste mein Handy nach der Privatnummer meiner Lieblingsdesignerin.
Es klingelt drei Mal dann nimmt sie ab "Hallo Lorelai. Es ist schon spät. Könntest du eventuell mo..."
Ich unterbreche sie. "Entschuldige bitte die späte Störung, Monica! Hallo erstmal. Ich habe eine dringende Frage."
"Ich höre."
"Hast du zufällig die private Adresse von Tom Griffiths?"
"Tom. Wieso brauchst du seine Adresse?" fragt sie verwundert.
"Ich ... ich habe Informationen über die Einbrecher in unserem Salon. Die wollte ich ihm mitteilen." Die Worte sind mir einfach so über die Lippen gekommen.
"Und das kann nicht bis morgen warten oder Montag?" Sie ist misstrauisch.
"Ähm. Nein. Ich muss es sofort los werden. Heute noch. Nicht das die Täter morgen schon nicht mehr in diesem Versteck sind." lüge ich.
"Aha. Und er bearbeitet den Fall ja?"
Mir läuft Die Zeit davon. Ich sehe ihn sich schon etwas antun. Komm aus dem Tee, Monica!
"Ja genau. Also was ist nun, hast du die Adresse?" bettel ich.
"Na hör mal, wenn er an dem Fall dran ist hast du doch bestimmt seine Telefonnummer. Ruf ihn doch an."
Oh man.
"Er geht nicht dran." lüge ich weiter.
"Monica, wenn du mir die Adresse jetzt gibst, dann komme ich Montag in deinen Laden und kaufe eines deiner teuersten Kleider. Versprochen."
"Wirklich?" Sie klingt interessiert.
"Ja auf jeden Fall. Und vielleicht bekomme ich Lucy überredet sich auch eines zu kaufen." phantasiere ich.
"Ich führe keine Übergrößen." meint sie nüchtern.
"Ähm ..." erwidere ich lahm.
Was soll man da auch drauf antworten?
"Na gut. Weil du es bist, Lorelai." Gibt sie schließlich nach und diktiert mir das gewünschte.

Kaum 40 Minuten später stoppe ich mit einer Vollbremsung vor Tom's Wohnhaus.
Es ist ein Mietshaus in Crossway Garden's. Es ist eine Wohnanlage mit vielen Mietparteien. Ich parke den Jaguar quer auf dem Gehweg und springe aus dem Wagen. Im letzten Moment denke ich daran die Warnblickanlage einzuschalten. So schnell es mir möglich ist renne ich zum Eingang mit der Nummer 7. Hastig überfliege ich die Namensschilder. Griffiths, ganz oben. Ich parke meinen Zeigefinger auf dem Klingelknopf. Keiner öffnet. Ich versuche es weiter.
Verzweifelt versuche ich eine neue Taktik. Ich klingelte bei seinen Nachbarn.
"Was?" meldet sich eine barsche männliche Stimme. "Wissen Sie wie spät es ist?"
"Verzeihen Sie bitte. Ich wohne unter Ihnen und habe mich ausgesperrt als ich den Müll heraus gebracht habe. Wären Sie so nett und würden mich hinein lassen?" Versuche ich trotz meiner innerlichen Erregung meine Stimme zuckersüß klingen zu lassen.
"Ok. Aber bringen Sie in Zukunft nicht mitten in der Nacht Ihren Müll raus!" Der Türsummer ertönt.
Ich bedanke mich und drücke die schwere dunkle Holztür nach innen auf. Eilig renne ich durch den schwarz weiß gefliesten Flur des Treppenhauses. Tom's Klingelknopf war ganz oben also wohnt er wohl auch im obersten Stockwerk. So schnell ich kann steige ich die Stufen empor. Nicht ohne immer wieder einen Blick über das Treppengeländer mach oben zu werfen. Gleich geschafft.
Oben angekommen nehme ich mir Die Zeit für zwei tiefe Atemzüge. Meine Lunge brennt wie Feuer. Ich klingelte und klopfe an seine Tür. Nichts rührt sich.
Nur unten geht irgendwo eine Tür auf und jemand schimpft "Ruhe da oben!"
Ich lausche an der Tür ob sich im Innern etwas regt. Nichts. Wo ist er nur? Er meinte doch er ist zu Hause. Oder ob er sich bereits etwas angetan hat? Mit der Dienstwaffe erschossen oder so. Dann fällt mir aber ein das sie die nie mit nach Hause nehmen dürfen.
"Tom. Tom, ich bin's." rufe ich laut. Scheiß egal was die Nachbarn denken.
Eine Kakofonie aus rufen, klingeln und klopfen erfüllt das stille Treppenhaus.
"Ruhe." Rufe mischen sich darunter.
Dieser Lärm musste Tote aufwecken. Mit einem Mal wird die Tür vor mir aufgerissen und Tom's zu einer wütenden Fratze verzerrtes Gesicht erscheint.
"Was soll der Lärm?", schreit er.
Ich zucke zurück als eine Fahne von Alkohol und Männerschweiß mich trifft.
"Lorelai." sagte er schon viel leiser. "Was suchst du denn hier?" Er wirkt ehrlich erstaunt.
"Ich mache mir Sorgen." gebe ich zu und sehe ihm fest in die Augen. "Darf ich rein kommen?"
Als Antwort tritt er einen Schritt zur Seite um mir den Weg in seinen Flur frei zu machen. Als ich eintrete höre ich noch von irgendwo aus dem Haus "Endlich herrscht Ruhe!"
Ich gehe dem Lichtschein nach ins Wohnzimmer.  Tom folgt mir.
"Willst du was trinken?" fragt er und lehnt sich haltsuchend an die Wand.
Ich schüttel den Kopf. "Nein, und du hattest auch genug." Mit einem Blick erfasse ich das Ausmaß seines Absturzes. Der Couchtisch steht voller leerer Bierflaschen gepaart mit wenigen Whiskeyflaschen. Ebenfalls leer. Die Luft ist angestanden und zum schneiden dick. Im Aschenbecher liegen mehr Zigarettenstummel als er fassen kann.
Ich drehe mich zu ihm um. Tom's Oberkörper ist nackt, seine Hose sitzt gefährlich tief auf seiner Hüfte. Unwillkürlich ziehe ich die Luft scharf ein. Sein Haar ist zerzaust und steht in alle Richtungen ab. Sein nackter Brustkorb hebt und senkt sich währenddessen er heftig atmet. Er wirkt wütend. "Was willst du hier, Lorelai?" presst zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Das fragst du noch?" schnaube ich und unterdrücke ein hysterisches Lachen. "Sieh dich doch an. Sieh dich hier um." Ich mache eine allumfassende Geste. "Du hast mich angerufen, erinnerst du dich?"
Er nickt.
"Warum?" frage ich nur.
Ich weiß es ist hart und ich glaube ich weiß die Antwort bereits.
"Warum, Tom?", frage ich unerbittlich weiter.
Zerknirscht lässt er sich in seinen Sessel fallen und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. Dieser sonst so starke, taffe Mann ist nur noch ein Häufchen Elend. Sein Anblick lässt mir fast das Herz zerbersten.
"Tom." flüstere ich und trete an ihn heran. Vorsichtig lege ich meine kalte Hand auf seinen nackten Rücken. Er zuckt etwas zusammen als meine Hand seine Haut berührt. Plötzlich umgreift er meine Beine und hält mich ganz fest. Das Gesicht zwar noch immer gesenkt weiß ich aber doch was in ihm vorgeht. Er weint.
Ich lege auch meine zweite Hand auf seinen Rücken. Ich weiß nicht wie lange wir in dieser Position verweilen aber es muss lange gewesen sein. Tom weint stille Tränen während ich ihm tröstend den Rücken streichle.
"Ich ... ich bin ... so ... so ... einsam." flüstert er kaum hörbar.
Ich hätte mit allem gerechnet, aber damit nicht.
Und das schlimmste ist, dass ich der Grund für sein Leiden bin.
"Danke das du gekommen bist." flüstert er irgendwann während er mit tränennassem Gesicht zu mir auf sieht.
Wie es dazu gekommen ist kann ich im Nachhinein gar nicht sagen, aber als er mich so durchdringend mit seinen vom weinen intensiv blauen Augen ansieht beuge ich mich hinunter und küsse ihn auf den Mund. Seine Hände wandern meinen Rücken hinauf in mein offenes Haar und drückt mich näher an sich heran.
Ganz langsam gehe ich während des Kusses vor ihm in die Knie.
Eng umschlungen küssen wir uns leidenschaftlich. Unsere Zungen tanzen einen wilden Tanz.
Als er sich etwas von mir löst indem er den Kopf nach hinten zieht sieht er mir tief in die Augen. Als suche er darin nach dem Grund weshalb ich ihn gerade geküsst habe.
Um diesen Moment zu unterbrechen sage ich "Die Luft hier drin ist scheußlich. Lass mich ein Fenster auf machen."
Sein Blick verändert sich. Er schlägt vor "Lass uns auf den Balkon gehen. Frische Luft tut uns beiden jetzt gut, denke ich."
Er wirkt mittlerweile gar nicht mehr so betrunken. Habe ich mich getäuscht?
Tom reicht mir seine Hand und zieht mich mit hoch in den Stand. Dann gehen wir gemeinsam auf seinen Balkon hinaus. Die kühle Nachtluft schlägt mir wie eine Wand entgegen uns lässt mich frösteln. Dennoch gehe ich bin an das Geländer heran und spähe nach unten. Es ist nicht sehr hoch. Der Balkon geht auf einen begrünten Hinterhof oder kleinen Park hinaus. Es scheint eine ganz schöne Wohngegend zu sein! Zumindest was man in dieser Dunkelheit erkennen kann. Der Lärm der Stadt ist hier ein stetes Hintergrundrauschen. Irgendwo in einem der Bäume ruft ein Käuzchen.
Er tritt hinter mich und als müsse er es zunächst einmal ausprobieren schlingt er vorsichtig von hinten seine nackten Arme um mich. Sofort wird mir warm. Ich spüre seinen heißen nach Alkohol riechenden Atem in meinem Nacken. Er haucht mir einen Kuss auf die zarte Haut unter dem Ohr. Seufzend lasse ich mich ein wenig gegen ihn fallen.
Er weiß genau wie er mich anfassen muss das ich Wachs in seinen Händen werde.
Ich glaube, dass denke ich nicht zum ersten Mal.
"Ich bin so dankbar das du hier bist." wiederholt er sich.
Mein Seufzen scheint ihm Antwort genug zu sein er nimmt mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und dreht mein Gesicht ihm zu. Liebevoll sieht er mich an. "Danke." flüstert er tonlos.
Ich nicke, unfähig etwas zu sagen.
Sein Blick wandert zwischen meinen Augen und meinen Lippen bis er mir schließlich näher und näher kommt. Seine wunderbar weichen Lippen treffen erneut auf meine. Jetzt jedoch schmeckt der Kuss eindeutig nach Verlangen.
Wir wollten beide mehr davon und in diesem Augenblick wussten wir es - wir brauchen UNS.

 

Ava

 

Er verfolgte mich sogar in meine Träume. Eddie Trueman. Dieser Bastard.
Sprichwörtlich schweißgebadet fahre ich aus meinem Albtraum hoch.
Hastig sehe ich mich um. Mein Kleiderschrank, meine Vorhänge, mein Bett, mein Zimmer. Gott sei dank.
Ich bin allein.
Wie schön wäre es neben ihm aufzuwachen. Der perfekteste, freundlichste, der heißeste Mann auf Erden. Der perfekte Gentleman.
Doch er ist leider nur eine wunderbare Erinnerung.
Irgendwo im Haus spielt Musik. Sicherlich tanzt Mum gerade mit dem Wischmop in der Küche herum und singt dabei. Ich fokussiere mein Gehör auf die Musik. Ja, tatsächlich sie singt. Schief und laut zwar, aber so ist sie nun mal - meine verrückte Mum. Ich komme nicht umhin das sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet und da festsetzt. Schwungvoll stehe ich auf und werfe mir meinen fliederfarbenen Fleece  Morgenmantel über. Dabei streift mein Blick mein Spiegelbild. Die Schürfwunden an Knien und Ellbogen verblassen langsam. Drei Tage ist es nun her. Drei Tage das ich einen Vorgeschmack von der Hölle bekommen habe. Und drei Tage das ich meinen Retter das letzte Mal gesehen habe.
Per Textnachricht habe ich mich bei ihm bedankt sobald ich am morgen danach aufgewacht und wieder etwas bei klarem Verstand war.
"Ich würde es jederzeit wieder tun." und "Das und noch viel mehr." schrieb er zurück.
Am liebsten hätte ich "Ich liebe dich" geantwortet. Doch das traute ich mich doch nicht. Bis heute stehen die drei Worte eingetippt unter seinem Profil und warten darauf endlich versendet zu werden.
"Ava Schatz. Zeit zum Aufstehen." Leise klopft Mum an meine angelehnte Zimmertür.
Ach ja, der erste Schultag. Ich selbst hatte darauf bestanden das heute mein normales Leben wieder los geht. Mit allem drum und dran.
Selbstterapie nenne ich das.
Allerdings bestehe ich darauf Eddie und James nie wieder auf dem Campus über den Weg laufen zu müssen. Max gab mir sein Wort darauf. Er berichtete das beide in der selben Nacht noch festgenommen wurden und nun in einer U-Haft Zelle auf ihr Urteil vor dem Jugendgericht warteten.
"Söhne aus reichem Elternhaus werden nicht selten kriminell.", meint Max, "Sie wachsen mit dem Wissen auf das Daddy mit seinem Geld stets alle Probleme aus dem Weg räumt."
Vielleicht hatte er recht damit.

Mum bestand darauf heute selbst Frühstück zu zubereiten. "Wie am ersten Schultag eben." lachte sie gestern Abend noch.
Jetzt steht sie vor mir, mit schweißnasser Stirn und wirren Haar. Und irgendwie umgibt sie eine leicht angekokelte Wolke. "Ich wollte dir doch nur ein schönes Frühstück zubereiten. Doch jetzt ist es abgebrannt.", jammert sie theatralisch und lässt sich bäuchlings auf mein Bett fallen.
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.
Unisono sagen wir "Walt?" und lachen gemeinsam über unsere gemeinsamen Gedanken.
"Gib mir 10 Minuten." bitte ich und bin schon auf dem Weg ins Bad.

Später sitzen wir an unserem gewohnten Tisch und verputzen unser gewohntes Frühstück.
Zum Glück ist mein Vorfall nicht publik geworden. Weder in Cambridge noch hier in Little Surrey.
Mitleidige Blicke oder gut gemeinte Ratschläge kann ich echt nicht gebrauchen.
"Ich muss nur noch kurz telefonieren und dann können wir los. Ok?" fragt Mum und steht schon auf um das Cafè zu verlassen um ungestört telefonieren zu können.
"Hier Kleine, dein Pausenbrot." meint Walt und stellt, mit dem für ihn typischen großväterlichen Gesichtsausdruck eine braune Papiertüte vor mir auf dem Tisch ab.
Dankbar lächel ich ihn an. "Danke, Walt. Das ist so lieb von dir!"
"So, wir können los. Tschüß Daisy, tschau Walt." ruft Mum und winkt den beiden zu.
Bezahlen tut Mum immer am Ende des Monats in einer Rechnung. So kann ich auch jederzeit zu Walt essen gehen, auch wenn mein Taschengeld aufgebraucht ist.
Ich greife mir meinen Rucksack und die Tüte und verlasse mit einem Abschiedsgruß das Cafè.
"Ich habe extra noch einmal nachgefragt, Süße. Diese Typen sitzen hinter Schloss und Riegel. In der Schule weiß niemand sonst bescheid. Du kannst also beruhigt in den Schulalltag starten.", erklärt Mum während wir Richtung Cambridge fahren.
"Wie hast du ..." frage ich verwirrt.
"Conections, meine Liebe." lacht Mum und hält ihr Handy hoch.
Ich stimme halbherzig in ihr Lachen ein. Nach hoffentlich ist es wirklich so.
"Ist ja auch nur noch für eine Woche. Dann sind ja Ferien." argumentiert sie.
"Stimmt."
"Dann kannst du sich ausruhen. Vielleicht fahren wir ein paar Tage weg. Was meinst du? Nur du und ich." schlägt sie vor und sieht mich kurz an.
"Ja meinet wegen." Ich zucke mit den Schultern.
"Wir werden sehen." lacht Mum.

 

Tristan

 

Seit ein paar Tagen hat sie sich nicht mehr gemeldet. Und ich mich nicht bei ihr. Auf keinen Fall möchte ich sie unter Druck setzen. Nichts kann sie jetzt weniger gebrauchen als einen Kerl der ihr auf die Pelle rückt.
An diesem Abend letztens ist etwas zwischen uns passiert.
Es bedarf nicht vieler Worte.
Drei oder vier vielleicht nur.
Wir wissen es auch so.
Sie braucht nur Zeit und ich will sie ihr gewähren. Ich werde warten. Wenn es sein muss Jahrelang.
Geistesabwesend greife ich mir meine Tasche und gehe los zum Physiksaal. Wieder einen Tag ohne sie zwischen den Bankreihen sitzen zu sehen klingt nicht gerade verlockend. Aber es ist nun mal mein Job.
Gerade rief mich ihre Mutter an. Lorelai. Sie sagt, dass Ava heute wieder zur Schule kommen möchte. Ich finde es zu früh, doch Ava meint wohl das die Sache ja nichts mit der Schule an sich zu tun hatte. Für sie hier also keine negativen Erinnerungen dran hängen. Also gut, meine ich und beschließe abzuwarten was passieren wird. Wie ich auf sie und sie auf mich reagiert, wenn wir gleich wieder aufeinander treffen.
Im Flur vor dem Saal warten schon die Schüler. Ehrfurchtsvoll bilden sie ein Spalier als ich näher komme und durch sie hindurch zur Tür schreite. "Guten Morgen, Mister Redmayne." wird hier und da freundlich gemurmelt.
Ich nicke stumm zur Antwort.
Der Schlüsselbund in meiner Hand klimpert als ich ihn aus der Hosentasche ziehe. Gerade bin ich im Begriff den richtigen Schlüssel in das Schloss zu stecken als mir ein gemurmeltes "Guten Morgen, Tristan." in die Glieder fährt.
Das Schlüsselbund entgleitet mir und schlägt scheppernd auf dem steinernen Boden auf. Freude und Schrecken mischen sich als ich mich langsam umdrehe und ihr direkt in die eisblauen Augen blicke.
"Hi." bildet ihr schöner Mund tonlos. "Hey Darling." bildet meiner zur Antwort. Ich bin wie paralysiert.
Innerlich schüttel ich mich um aufzuwachen. Laut sage ich "Ava, wie schön dich auch mal wieder zu sehen! Ich hoffe du bist wieder vollkommen gesund!"
Sie nickt und strahlt mich an.
Ich nehme das mir von Mary gereichte Schlüsselbund und öffne endlich die Tür.
Als alle ihre Plätze einnehmen werfe ich einen verstohlenen längeren Blick auf sie. Wie eine engelsgleiche Erscheinung sitzt sie da. Ihr Haar glänzt golden im Licht eines verirrten Sonnenstrahls, ihre blauen Augen leuchten bis zu mir herunter als sie mich jetzt von oben bis unten zu mustern scheint und das Lächeln, was heute wie angeklebt an ihr zu sein scheint leuchtet nur für mich. Das weiß ich.
Sie ist die schönste Frau auf Erden für mich!
Während ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren versuche schweifen meine Gedanken andauernd ab. Ich frage mich ob ich es wagen sollte sie nachher einfach anzusprechen oder sollte ich sie eher anrufen oder lieber schreiben? Ich möchte auf gar keinen Fall etwas falsch machen.
Um mir Zeit zum nachdenken zu verschaffen lasse ich die Schüler einen spontanen Test bearbeiten. Während sie nun alle leise arbeiten, sitze ich auf der Tischkante meines Pultes und sehe durch's Fenster dem wechselhaften Herbstwetter da draußen zu.
Bald hat Mutter Geburtstag. Eigentlich hatte ich vor ihr bei dieser Gelegenheit meine Freundin vorzustellen. Es wird sie schockieren zu sehen wie jung sie ist. Allerdings hatte ich nicht vor sie mit der vollen Härte der Realität zu konfrontieren. Ich hätte behauptet Ava sei bereits 19.
Ich drehe mich etwas zur Klasse zurück. Mein erster Blick fällt auf Ava. Sie sitzt einfach nur da. Das Kinn auf die rechte Hand aufgestützt. Ihr langes glattes Haar fällt wie ein Schleier um ihr Gesicht und ergießt sich auf der Tischplatte. Mit der freien Hand dreht sie immerfort ihren Kugelschreiber auf dem leeren Blatt Papier. Den Blick träumerisch Richtung Fenster gerichtet wirkt sie hier völlig fehl am Platz. Sie wirkt wie eine wunderschöne Elfe.
Und da weiß ich mit einem Mal was ich zu tun habe.
"Ava, auf ein Wort bitte." rufe ich als sie nach Unterrichtsende langsam ihre Unterrichtsmaterialien zusammen packt.
Sie sieht zu mir auf und nickt.
Ein unergründliches Lächeln umspielt ihren Mund als sie schließlich auf mein Pult zukommt.
"Ja, Mister Redmayne.", sagt sie freundlich. Ich sehe verwundert auf und entdecke Claire hinter ihr. Verstehe. Feind hört mit.
"Claire, ist noch etwas?" wende ich mich zuerst an sie.
"Nun ja, Mister Redmayne. Ich habe das mit der Lorentzkraft noch nicht ganz verstanden." säuselt sie.
"Was genau? Die Lorentzkraft ist die Kraft, die eine Ladung in einem magnetischen oder elektrischen Feld erfährt.", beginne ich und sehe in ihr verständnisloses Gesicht. "Oder hast du das mit dem Magnetfeld das dabei Kraft auf bewegte Ladungen ausführt nicht verstanden?"
"Ähm ..."
Ich habe nicht so viel Zeit. Rasch unterbreche ich sie "Wenn es sich um ein größeres Verständnisproblem handelt, wäre es besser du würdest mich in einer meiner Sprechstunden aufsuchen, Claire."
Irritiert sieht sie von mir zu Ava und zurück. "O-k-a-y. Dann eben so." gibt sie gedehnt in ihrer schnippischen Art und Weise zurück, dreht sich mit wehenden blonden Haar um und rauscht aus dem Zimmer.
"Endlich." Ich verdrehe gespielt theatralisch die Augen.
Ava lacht und kommt einen Schritt näher.
"Du Ava, ich wollte ... ich wollte dich etwas fragen." beginne ich und komme mir wie in frühere Zeiten versetzt, als ich mit 15 das erste Mal vor der Aufgabe stand ein Mädchen um ein Date zu bitten vor.
"Ja." fragt sie und legt den Kopf leicht schräg. Abwartend lächend sieht sie zu mir auf.
Ich grinse nervös. "Meine Mutter hat Geburtstag. Erinnerst du dich? Ich ... ich wollte dich fragen ob du ..." Ich breche ab und fahre mir mit den schwitzigen Händen durch's Haar.
"Ja?" grinst sie.
"Ob du mich nach  Nottinghamshire begleiten würdest?"
So, jetzt ist es raus.
Sie starrt mich sprachlos an.
"Was sagst du dazu?" will ich wissen und greife nach ihren Händen.
"Ich soll dich zu deinen Eltern begleiten?" fragt sie verwundert. Ihr Blick huscht zwischen meinen Augen und dem Mund hin und her.
"J-a. Ich weiß, dass klingt komisch. 'Er will sie seinen Eltern vorstellen' aber ..."
"Tristan, wir sind gar nicht zusammen. Als was willst du mich deinen Eltern vorstellen bitte schön?" unterbricht sie mich.
Ihr Blick wird noch eine Spur forschender. Als wollte sie herausfinden welch großer Plan hinter meiner Bitte steckt.
"Ähm ..."
"Willst du etwa sagen, 'Hier Mutter, dass ist eine meiner Schülerinnen. Wir machen heute eine Exkursion zum Thema wie Briten auf dem 50. Platz der Tronfolge so privat leben.' oder wie?" witzelt sie.
Gott sei dank. Sie scheint es mir nicht übel zu nehmen.
"Nein, natürlich nicht. Ich würde dich ihr gern als meine Freundin vorstellen."
Ava die soeben kurz ihren Blick hat schweifen lassen zuckt zusammen und starrt mich an. "Aber ..."
"Ava, möchtest du wieder mit mir ... ich meine, würdest du mir die Ehre erweisen und ..." Ich atme tief durch. "... meine Freundin ..."
"Ja." ruft sie aufgeregt dazwischen. "Ja, das will ich." Mit einem Satz springt sie mich an.
Intuitiv reagiere ich und fange sie auf. Sie schlingt ihre Beine um meine Hüfte und die Arme um den Hals während ich sie am Po festhalte.
"Wirklich?" frage ich glücklich aber noch mit einer Spur Zweifel in der Stimme nach.
"Wirklich." antwortet sie nickend und küsst mich einfach so auf den Mund.
Es ist ein kurzer schneller Kuss. So als ob Freunde es nur mal ausprobieren.
Als wir uns kurz darauf von einander lösen bleiben wir etwas peinlich berührt Hand in Hand voreinander stehen und sehen uns an.
"Aber hast du hast du dir das auch gut überlegt?" fragt sie schließlich und klingt damit wieder ganz nach der pragmatisch denkenden Ava die man so kennt.
Und ob ich das habe.
"Ob ich mir das gut überlegt habe? Und ob, Darling. Wochenlang." Ein nervöses Lachen bahnt sich den Weg meine Kehle hinauf.
Sie lächelt schief. "Aber hast du dir auch überlegt was für Konsequenzen das hat?"
"Ich weiß. Ich weiß, Darling. Ich bin jedes Szenario durch gegangen. Aber als dir das jetzt passiert ist ... Ich konnte nur noch daran denken was passiert wäre wenn du nicht so mutig gewesen wärst." Aufmunternd lächel ich sie an. "Was mit mir passiert wäre wenn du vielleicht ... verschwunden wärest. Ich ... ich will, dass dir nie wieder jemand weh tut! Und damit das so ist, will ich dich beschützen. Dich nie wieder los lassen. Ich war ein Arschloch, ich weiß ..." Ava lacht kurz schnaubend auf.
Ich nicke zustimmend. "Ich weiß." flüstere ich. Lauter fahre ich fort "Ich kann dich aber nur beschützen wenn du bei mir bist. Es ist mir wirklich völlig egal was die anderen sagen! Auch meine Eltern. Ich will dich an meiner Seite haben, Ava MacAdams! Als meine Freundin." Beende ich meinen Antrag. Abwartet sehe ich sie an, warte auf ihre Reaktion.
Ava scheint einen Moment das für und wider abzuwägen. Schließlich sagt sie "Mir geht es ähnlich. In all den Wochen ohne dich ging es mir schlecht. Wirklich schlecht. Ich konnte nur an dich denken. Und jetzt, letzten Freitag als gerade du es warst der mich ... gefunden hat ... da wusste ich es plötzlich." Sie sieht mir fest in die Augen. "Ich wusste es mit einem Mal. Du bist der Mann. Mein Mann. Plötzlich waren mir alle Kontras egal. Ich bin auch jedes Szenario durch gegangen. Aber schlussendlich denke ich, wenn wir ein wenig vorsichtiger sind ..." Ihre Geste umfasst die Schule. "... dann kriegen wir das hin."
Es bedarf keiner weiten Worte. Glücklich nehme ich sie wieder in die Arme. "Ich liebe dich, Darling!" raune ich an ihrem Hals. Die Worte waren schneller ausgesprochen als mein Hirn es hätte verhindern können. Das Gesicht an ihrem Hals warte ich ihre Reaktion ab. Doch sie bleibt stumm.
"Ava, alles in Ordnung?" flüstere ich.
"Tristan. Liebe. Echt jetzt? Bist du dir da sicher? Nach allem was war."
Ich halte sie an den Schultern etwas von mir weg und sehe ihr tief in die hellen Augen. "Ja, ganz sicher. Wenn ich es am Anfang vielleicht nur geglaubt habe zu wissen, nach letztens ... nach dem, wusste ich es sicher. Ich liebe dich, Ava! Egal was andere sagen mögen. Wann, wenn nicht im ersten Moment weiß man ob man jemanden liebt? Soll man vielleicht abwarten bis man verheiratet ist und Kinder hat und dann feststellen das es ein Fehler war?"
Plötzlich muss sie lachen.
"Was ist?" frage ich verwirrt. "Ich weiß, ich klinge wie ein hoffnungsloser Romantiker." Peinlich berührt fahre ich mir mit der Hand durchs Haar.
"Nein nein, das ist es nicht. Nur ... genau das waren meine Worte die ich Mary gegenüber benutzt habe als ich ihr von meiner großen Liebe erzählt habe." erklärt sie lachend.
Ich horche auf. "Du liebst mich also auch?" frage ich vorsichtig.
Ava verstummt und nickt. "Ja, Tristan. Das tue ich."
Ich kann mein Glück kaum fassen, hebe sie an der Hüfte hoch und wirbel sie im Kreis herum.
Ava quietscht erschrocken auf und klammert sich an meinen Hals. Als ich sie wieder absetze berühren sich unsere Nasenspitzen. Als würden Funken sprühen bleiben wir wie erstarrt voreinander stehen. Sie sieht auf meine Lippen. Ich habe nur noch Augen für ihre. Wie magnetisch angezogen kommen unsere Münder sich näher und näher.
Ava legt den Kopf etwas schräg und schließt ihre Augen. Sie ist so weit. Ich nehme sie in den Arm und ziehe sie an mich.
"Ich liebe dich." flüstere ich erfurchtsvoll.
Sie seufzt und zieht meinen Kopf zu sich. Ihre leicht geöffneten weichen Lippen treffen auf meine. Ihr Duft strömt mir in die Nase, lässt meine Gedanken kreisen, sie verwirbeln und verschwinden.
Der Kuss schmeckt süß und deutlich nach mehr.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.10.2020

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