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Arthur Schopenhauer (*22.2.1788 in Danzig; +21.9.1860 in Frankfurt/Main) entstammt einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Die wenig geliebte Kaufmannslehre in Hamburg bricht er nach dem Tod des Vaters (1805) ab und übersiedelt zur Mutter nach Weimar, wo diese einen literarischen Salon führt und bald zur berühmten Schriftstellerin wird. Seit 1809 studiert er in Göttingen Naturwissenschaften, ab 1811 in Berlin Philosophie. Nach der Dissertation 1813, einer kurzen Zusammenarbeit mit Goethe über die Farbenlehre und dem Zerwürfnis mit Mutter und Schwester zieht er nach Dresden. Auf eine Italienreise folgt 1820 der Versuch einer Lehrtätigkeit an der Berliner Universität, die aber Hegels Popularität, den die Studenten ihm vorziehen, zum Opfer fällt. Von 1831 an lebt er wie ein Einsiedler in Frankfurt/Main als Privatgelehrter und Junggeselle.

Schopenhauer hat auch einige wunderbare literarische Texte geschrieben, darunter die folgende Parabel, 1851 in seinen Parerga und Paralipomena

mit weiteren Aphorismen zur Lebensweisheit veröffentlicht. Sie illustriert nach meinem Verständnis ganz wunderbar das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft und Schopenhauers Auffassung von dem, was er Sitte nannte.

Die Stachelschweine (1851)

Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Winterrage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so dass sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.

Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.

Wer Schopenhauers galligen Text “Über die Weiber” von 1851 kennt, wird seine grandios-provokante Parabel nur umso mehr schätzen…

Impressum

Texte: Cover: wikicommons
Tag der Veröffentlichung: 28.09.2011

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Widmung:
Dem großen Denker des 19. jahrhundert, modern wie eh und jeh

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