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DieLebenssituation


Jeder von uns weiß, wie sehr unser Wohlbefinden leiden kann, wenn wir längere Zeit allein sind. Und dennoch leben immer mehr Menschen als Singles, ungewollt oder gewollt.
Sie riskieren, zu vereinsamen und depressiv zu werden. Denn Einsamkeit macht krank, nicht jeden, aber viele. Soziale Isolation ist ein sehr ernst zu nehmendes Symptom
unserer Gesellschaft, das sich zusehends verschärft. Jeder Mensch braucht ein soziales Umfeld, in dem er sich austauschen kann und Bestätigung findet. Der Mangel
an zwischenmenschlichen Beziehungen kann durch moderne Kommunikationsmittel ein wenig gelindert, aber nicht ersetzt werden. In seine Wohnung zurückgezogen, unterhält sich der Alleinlebende mit seinem Fernsehgerät. Besonders trostlos für ihn sind die Feiertage und Wochenenden, für den Ruheständler ist es jeder Tag.

Klaus (71): Es ist so, dass hier manchmal drei Tage lang kein Telefon
klingelt. Der Song »Kein Schwein ruft mich an« trifft voll auf mich
zu.

Gerd (63): Die Entwicklung der Menschheit hat doch gezeigt, dass
keiner alleine bestehen kann. Eremiten sind Sonderlinge. Die sollen
ihr Dasein pflegen, meinetwegen. Aber ansonsten ist der Mensch
ein soziales Wesen.



Fast alle meine Gesprächspartner sagten, dass sie sich einen engen Vertrauten wünschen, mit dem sie reden und sich auseinander setzen können. Dieser Wunsch nach Austausch wurde oft an erster Stelle genannt, vor allem von den Frauen und manchmal mit dem Hinweis, das
müsse nicht unbedingt eine Liebesbeziehung sein, sondern auch reine Freundschaft sei willkommen. Sie alle wünschen sich das gemeinsame Erlebnis, von der Reise bis zum Kinobesuch. Sie wollen erfahren, was der andere dazu meint, ob er sich über etwas Bestimmtes ebenfalls freut oder ärgert.

Brigitte (59): Das denke ich durchaus, dass mir da etwas fehlt. Durch das Alleinsein. Das Diskutieren über eine Sache zum Beispiel. Sich austauschen in allen Fragen. Es bleibt so vieles auf der Strecke. Es versandet so manches. Und man bewegt sich nicht weiter.



Damit ist etwas sehr Wesentliches gesagt, was bei engen Freundschaften und mehr noch in einer guten Partnerschaft gegeben ist: Im Austausch mit dem andern erfährt man von dessen Sicht der Dinge und macht sich diese gegebenenfalls zu Eigen. Das kann auf die Dauer
eine wertvolle Bereicherung der eigenen Persönlichkeit bedeuten. Indem der Mensch kommuniziert, entwickelt er sich weiter. Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen können
einem zwar vieles, aber eben nicht alles geben. Ideal wäre eine enge, aber nicht einengende Bindung. Wer hat denn nicht wenigstens einmal im Leben von einer Beziehung geträumt, die möglichst harmonisch verläuft, weil in ihr Aufrichtigkeit, ein Austausch ohne Vorbehalte und absolute Intimität gegeben sind, trotz aller zu respektierenden Unterschiede? Ein solches Ideal verwirklicht sich leider viel zu selten. Aber gerade in unserer immer anonymeren
Welt wächst die Sehnsucht, sich in eine Nische zurückzuziehen, zu einem Partner, bei dem man sich sicher und geborgen fühlt und wo man Liebe findet. Auch mit dem Älterwerden erlischt der Wunsch nach einem Partner keinesfalls.

Gudrun (59): Ich habe viele sehr gute Freunde, die ich über 30 Jahre kenne und die jeden Winkel meiner Seele kennen. Und trotzdem ist das was anderes als ‘ne Partnerschaft. Ich möchte einfach gern mit einem Mann zusammen sein.

Eva-Maria (74): Eine Freundin ersetzt keinen Freund. Das ist ... Ach, es ist so banal, darüber zu reden. Wir sind nun mal geschaffen als Männer und Frauen, das muss doch einen Sinn haben. Und ich mag auch noch die körperliche Nähe. Es ist nicht so, dass ich da
nun ganz kalt bin, überhaupt nicht.



Insofern haben Menschen, die ohne Partner leben, ein besonderes Defizit. Es fehlt ihnen das Erotisch-Emotionale und Sexuelle in einer liebevollen Beziehung. Wem wäre denn die Liebe in einer Partnerschaft kein wesentliches Bedürfnis? Auch wenn jeder weiß, dass sie zu erlangen
und zu erhalten nicht leicht ist. Die Sehnsucht nach dem anderen ist ewig, und die Zweierbeziehung kann durch nichts ersetzt werden, nicht in ihrer besonderen Erotik und Intimität.

Luise (63): Ich glaube, wenn ich heute einen Mann treffen und mich in den verknallen würde, wär’ das wahrscheinlich nicht viel anders als vor 40 Jahren. Ich würde bestimmt genauso aufgeregt, so verrückt und überschießend und rot und rosa im Kopf herumlaufen. Das ist auch für den 90-Jährigen nicht anders. Wenn Liebe Erfüllung findet, kann sie in höherem Alter sogar umfassender empfunden werden, als sie der jüngere Mensch wahrzunehmen vermag. Mit dem Älterwerden verändert sich die Gefühlswelt, wir werden besinnlicher, wir leben bewusster. Auch die Liebe nehmen wir intensiver wahr – und ganzheitlich, mit Körper, Seele und Verstand, mit unserer gesamten Lebenserfahrung.

Gerd (63): Was ich bei einer Partnerin suche, ist Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen und Zärtlichkeit, auch eben körperliche Nähe und – um diesen Begriff mal zu benutzen – die »Verschmelzung«, also das Sexuelle. Und die geistigen Interessen sind wichtig. Dass man da auch Berührungspunkte hat und sich die Partnerschaft nicht nur auf das Gefühlsmäßige beschränkt.



Paracelsus sagte, Liebe sei die beste Medizin. Das ist sehr komplex zu verstehen und trifft auf jede menschliche Beziehung und jedes Lebensalter zu. Schon allein eine zärtliche körperliche Berührung entspannt wohltuend und regt außerdem die Hormonproduktion an. Man
hat festgestellt, dass bei Verheirateten das Krankheitsrisiko geringer und speziell das Risiko für einen Herzinfarkt nur halb so groß ist. Demnach lebt ein harmonisches Paar
gesünder als Singles. Letztere sollten also, so ihnen daran liegt, als Ausgleich besonders viel für ihre Gesundheit tun. Von meinen Gesprächspartnern achten tatsächlich die meisten darauf.

Luise (63): Ich fahre Rad, schwimme und gehe zu einem Körper-Training. Es ist eine Mischung von Gesundheits- und Körperbewusstsein. Also, die Eitelkeit spielt auch eine wichtige Rolle. Es ist doch so, wenn dir dein eigener Körper noch gefällt, dann guckst du anders in die Welt, wirst wiederum anders angeguckt und hast dadurch auch einen Lustgewinn am Leben. Zu merken, du bist keine graue Maus, du gehst aufrecht und siehst gut aus.


Leistungsfähigkeit und gepflegtes Aussehen befördern die gegenseitige Anziehung zwischen Mann und Frau. Das kann jeder feststellen, der zum Beispiel an einem Fitness-Training teilnimmt. Grundsätzlich hemmt genügend Bewegung das Altern! Somit verfehlen öffentliche
Gesundheitsaufklärung und Werbung ihre Ziele nicht. Ausgeschieden aus dem Beruf, haben Ruheständler ausreichend Zeit und oft auch das nötige Geld, um einige der vielfältigen Angebote wahrzunehmen: Ausdauersport, Yoga, Gehirnjogging, ausgewogene Ernährung und vieles
mehr. Eine liebevolle Partnerschaft wäre natürlich die ideale Gesundheitsmaßnahme. Und außerdem macht Liebe bekanntlich schön! Bei älteren Menschen sieht man das besonders! Wenn sie aus ihrem Inneren heraus strahlen, ist es, als würden ihre Gesichtsfalten unsichtbar.

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Tag der Veröffentlichung: 01.03.2012

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