Novembernebel
‚Was für eine Suppe, nichts zu sehen!’ Ihre Gedanken kreisten und dazu nun noch dieses Wetter! Es passte einfach zu ihrer trüben Stimmung. Alles schien so aussichtslos. Nirgendwo ein Lichtblick.
Um sie herum nur wabberndes Grau. Keine 10 Meter weit konnte sie sehen. Warum war sie bloß losgegangen? Der Hund hätte sicher noch etwas warten können, keiner hatte verlangt, dass sie ausgerechnet nun losmarschieren sollte, um ihre Hunderunde mit Basko zu laufen.
„Basko! Hier! HIERHER!“ Plötzlich war dieser Köter tatsächlich nicht mehr zu sehen!
Nun fand sie es noch mulmiger, hier ins Nichts zu laufen. Ja, genauso kam es ihr vor, sie lief ins Nichts….
Sie hörte Basko schnüffeln aber er kam nicht. Dieser blöde Hund! Sicher konnte er sich gar nicht vorstellen, wie unheimlich es für einen Menschen hier gerade war und er glaubte sicher, sie könne ihn doch riechen, also wüsste sie doch, dass er da ist!
„Basko, schnell, bei Fuß!“
Es hatte geknackt im Gebüsch am Rand.
Zu sehen war nichts, aber sie wusste ja, dass hier die Sträucher dicht wuchsen. Sie bekam eine Gänsehaut aber nicht vor Kälte….
„Basko!“ Nun war ihr Ton fordernd und scharf und endlich kam er angetrottet. Sie leinte ihn an.
„Tut mir Leid, alter Knabe, aber heute musst du an der Leine bleiben!“ Das gab ihr ein etwas sichereres Gefühl. Sie war wenigstens nicht ganz allein.
Dem Hund machte es offensichtlich nichts aus, hier in dieser Waschküche rumzulaufen. Er ging froh und munter neben ihr her.
‚Tiere! Sie haben es gut!“, dachte sie sich. ‚Sie malen sich keine Horrorszenen aus und überlegen nicht bei jedem Geräusch gleich, was es sein könnte.’
Wieder rotierten ihre Gedanken im Kreis herum. Das Leben erschien ihr im Moment aussichtslos und ohne Sinn und Freude.
Ein Tag verlief wie der andere und nichts und niemand schien auch nur im Entferntesten einen Gedanken an sie zu verschwenden.
Seit einigen Monaten lebte sie allein mit Basko.
Sie war verlassen worden. Wie sie es hasste, dieses Wort! Verlassen! Und warum durfte sie überhaupt jemand so einfach verlassen! Warum ausgerechnet sie?! Und warum waren alle Anderen glücklich?! Keiner verstand sie.
Sie hatte es aufgegeben, mit anderen darüber zu reden. Es war einfach nur sinnlos - es war wie dieser verfluchte Nebel.
Einfach alles nur grau, grau, grau.
Ups….schon wieder so seltsame Geräusche an der Seite.
Sie zog Basko mit der Leine näher zu sich heran und ging schneller aber nicht auffällig schnell. Niemand sollte denken können, sie sei auf der Flucht!
Das könnte so perverse Typen sicher noch reizen! Nein, ihr Schritt musste unbedingt ausstrahlen, dass sie selbstsicher und stark war. Durch nichts so leicht zu erschüttern. – Auch wenn es in ihr drinnen verdammt anders aussah.
Ihre Gedanken rannten in wirren Kreisen durch ihren Kopf. Verlassen! Einsam! Geräusche! Nebel! Schneller! Raus hier!
Sie starrte nach vorn und plötzlich wurde der Nebel lichter, man konnte wieder Umrisse und Bäume erkennen.
Da vorne war doch die große Wiese! Diese wunderschöne Lichtung, wo sie schon als junges Mädchen oft mit Freundinnen ein Picknick gemacht hatte! Ja, das musste sie sein!
Sie ging schnurstracks darauf zu und plötzlich riss der Nebel auf.
Am Ende der Wiese war ein alter, knorriger Kastanienbaum, der nun als schwarzer Scherenschnitt vor einem in allen Rot-, Gelb- und Orangetönen strahlenden Himmel stand.
Was für ein Bild!
Sie blieb stehen und wurde demütig vor soviel Schönheit der Natur.
Ihre Gedanken wurden auf einmal ganz ruhig und es kam ihr vor, als ob ein fester Knoten in ihrer Brust zersprungen war.
Sie atmete tief ein und aus und merkte, nun würde sie frei sein können…nicht mehr verlassen, nein, frei!
© gaschu 10-11-2017
Tag der Veröffentlichung: 10.11.2017
Alle Rechte vorbehalten