"Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan,
und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren
und flochten Feigenblätter zusammen
und machten sich Schurze."
1.Mose 1.3,7
In der Regel wird der Begriff Mode mit Bekleidung verbunden und beginnt damit bei Adam und Eva, siehe oben. Die beiden erschraken und dachten: Oh Gott, wie Scheiße sehe ich denn nackt aus? Und bedeckten sich dann flugs mit Schürzen aus Feigenblättern. So etwas sollten manche Zeitgenossen am FKK-Strand auch bedenken, wenn sie wie gestrandete Wale im Sand liegen und Gefahr besteht, von übereifrigen Tierschützern zurück ins Meer geschleppt zu werden.
Bei den Feigenblättern ist es nicht geblieben, woher sollten auch Neandertaler welche nehmen? Im Paradies mag das ausreichend gewesen sein, aber im kalten Norden wohl nicht. Bärenfelle & Co waren da eher angesagt, wobei das Design des Fells wahrscheinlich völlig egal war, Hauptsache warm. Aber protzen konnte Mann damals schon damit. Sicher hatte der Neandertaler beim weiblichen Geschlecht die besseren Chancen, der den größten und fettesten Bären erlegte und damit neben dem Haufen Fleisch auch das dichteste Fell als Brautgeschenk anbieten konnte.
Aber damit komme ich vom eigentlichen Modebegriff ab und begebe mich auf eine Parallelspur.
Etwas kann Mode sein, was überhaupt nichts mit Kleidungsdesign zu tun hat. Im Sprachgebrauch wird 'modern' als Synonym für 'zeitgemäß' verwendet, obwohl der Begriffsursprung von Moder herkommen soll, von vermodern, faulen, verfaulen. Ups! Aber wahrscheinlicher ist die Entlehnung aus dem französischen à la mode bzw. lateinischen modus – Maß, Ziel, Vorschrift, Art und Weise.
Können wir uns auf zeitgemäß verständigen? Super. Also: modern ist, was gerade zeitgemäß ist. Unzeitgemäß – auch so ein Begriff. Auf gut bayrisch: Heit hot ma des nimmer a so. Beispielsweise kleine Fliesen im Bad, Küchenschränke, die bis zur Decke hoch reichen, etc. Nein, heute züchtet man Biotope auf den Schrankoberseiten und verlegt dunkle Fliesen im Bad, die an ein Krematorium erinnern und auch die Größe von Grabsteinen haben. Ist halt Mode, vergeht irgendwann wieder. SUVs werden auch nicht mehr modern sein, wenn es zu sehr nervt, dass die Parkhäuser für Polos ausgelegt sind und man auch weit und breit keine gravel road mehr findet, auf der ein Allradantrieb nötig wäre. Am Stammtisch kann man da trefflich drüber streiten. "Ist halt sicherer, ich kann besser aus- und einsteigen" vs. "Wenn du nicht mehr aus einem Golf raus kommst, solltest du den Führerschein abgeben!"
Ich will auf die Bekleidungsbranche zurück kommen. Mode ist und war schon immer ein Vehikel, um den eigenen Status und die eigene Meinung darzustellen. Und ebenso ein Vehikel, um Zugehörigkeit zu signalisieren.
Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, in einer Gegend, wo sich Katholiken und Protestanten im 30jährigen Krieg die blutigsten Schlachten geliefert haben und es noch 300 Jahre später Probleme bei der Hochzeit meiner Eltern gab – Mutter katholisch, Vater evangelisch. Und in meiner Jugend konnte ich erkennen, ob ich mit dem Fahrrad gerade durch ein katholisches oder evangelisches Dorf fuhr. Trugen die alten Frauen bunte Kopftücher, war es ein katholisches Dorf. Die Lutherischen trugen schwarze. War das Mode oder Tradition? Oder ein Befehl von ganz oben? Heute regen sich Stammtischbrüder über die Kopftücher auf. Geht's noch? Meine Oma 1 trug Kopftuch, Oma 2 ebenso.
Sind Trachten Mode oder Herdenoutfit (Zugehörigkeitssymbole)? Gerade in Bayern sind sie zu gewissen Zeiten ein Muss. Dabei hat der von Napoleon zum bayerischen König gemachte Pfälzer Max Josef bzw. seine Wittelsbacher-Familie österreichische Trachten abgekupfert, um eine Identität zu erschaffen. Eine gewaltige PR-Aktion. Und jetzt rennen Preußen*Innen, Japaner*Innen und Italiener*Innen in Lederhosen und Dirndl über die Wiesn, und glauben, authentisch zu sein. In meiner Jugend hätten wir uns in Grund und Boden geschämt, in 'Tracht' aufs Oktoberfest zu gehen. Jeans und Bundeswehr- Parkas waren sozusagen Pflicht. Natürlich mit Peace-Zeichen statt schwarz-rot-gold. Die ultimativen Symbole gegen das Establishment. Natürlich zusätzlich zu den langen Haaren, die uns die Alten am liebsten mit der Heckenschere gestutzt hätten. So, wie die Jungs heute rumlaufen, hochgeschert wie amerikanische GIs – um einen böseren Vergleich zu vermeiden –, das hätte unseren Vätern damals gefallen!
Wenn man glaubt, Mode sei nur Frauensache, weil heute alle Business-Kasper sowieso nur in den gleichen Hugo-Boss-Slimfit-Anzügen auftreten, der sollte mal ins Mittelalter zurück schauen. Der reinste Horror!
Während die Frauen 'einigermaßen' praktisch unterwegs waren – ich spreche jetzt von der Oberschicht -, stolzierten die Herren der Schöpfung umher, dass die vielzitierten Pfauen vor Neid weinten. Schnabelschuhe, geschlechtsbetonende Beinlinge und abenteuerliche Kopfbedeckungen; allgemein galt: Je enger, unpraktischer und farbenfroher die Bekleidung war, desto hierarchisch höher stand ihr Träger. Der Status stieg mit der Länge und Spitze der Schnäbel der Fußbekleidungen. So wie heute änderte sich die Mode ständig, aber die 'höheren Stände' demonstrierten damit, dass sie keine körperliche Arbeit verrichten mussten. Noch vor wenigen Jahren war es in Griechenland üblich, dass sich Schreibtischarbeiter die Nägel der kleinen Finger wachsen ließen, um dasselbe zu demonstrieren.
Die Gefahr, dass sich im Mittelalter ein Bauer oder gar ein Knecht erdreistete, Klamotten der Oberschicht zu tragen, bestand nicht. Das Zeug war einfach extrem unpraktisch und zudem für sie unbezahlbar. Außerdem hätten die Schergen des Establishments schon für Ordnung gesorgt. Eher bestand die Möglichkeit, dass sich jemand aus der 'gehobenen' Schicht das Geld sparen wollte, weshalb schon um das Jahr 1300 herum Hannover seinen Bürgern eine standesgemäße Kleider- und Schmuckordnung vorschrieb.
Wer hat damals die Mode entworfen? Sadisten? Man denke nur mal an die grauenhaften Bekleidungen am Hof von Ludwig XIV. Die gepuderten Allongeperücken und das ganze andere Zeug wie z.B. Spazierstöcke, die für die Herren wegen der idiotischen Stöckelschuhmode notwendig waren. Und wenn ich dann gleichzeitig daran denke, wie es mit Hygiene und Notdurft aussah, wird mir schwummrig. Ich bin überzeugt davon, dass es die Bauern auf dem Feld sauberer erledigten – so, wie es in Indien noch heute praktiziert wird. Ich spreche aus Erfahrung. Aber damals hatten die Damen und Herren ja die Dachböden der Schlösser und jede Menge Parfüm.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Kragenmode modern. Erst einmal für Damen, die sich aberwitzige Mühlsteinkragen um die adeligen Hälse legten. Aber die Männer standen dieser Mode nicht lange nach. Auch der Naturphilosoph Johannes Kepler entblödete sich nicht, seinen Rauschebart über ein gewaltiges Mühlenrad um seinen Hals zu drapieren. Sir Walter Raleigh trug ebenfalls diesen monströsen Kragen, den er in seiner Piratenzeit sicher verflucht hätte. Aber von Nutzen wäre er vielleicht bei seiner Enthauptung gewesen, denn mit dieser gewaltigen Halskrause (gemalt von Nicholas Hilliard) hätte der Henker ein richtiges Problem gehabt.
Auch die Ratsherren der Hanse, Senatoren und Professoren trugen diese Halswürger lange Zeit, in Lübeck wurden sie sogar wieder eingeführt, zusammen mit gewaltigen Pelzmänteln und Lackschühchen. Nur die Fugger entzogen sich diesem Blödsinn. Sie waren dafür wahrscheinlich zu schwäbisch-sparsam. Aber die lutherischen Pastoren in Augsburg und vielen anderen Städten sahen das anders. Auch heute noch. Überhaupt die Kirchen. Papst trägt rote Slipper. Nicht von Prada, das ist ein PR-Gerücht, sondern von Stefanelli. Rot soll das Blut Christi symbolisieren. Franziskus ist das egal. Aber in der Kirche hat alte Mode Tradition, wie man bei jedem Konzil bewundern kann, auch wenn sie heute lächerlich rüberkommt. Beim Militär ist das heute anders. Im Mittelalter hätten sich die Ritter totgelacht, wenn die Gegner in Camouflageuniformen angetreten wären.
Diskussionen über praktisch und unpraktisch in Bezug auf Mode ist auch heute noch völlig zwecklos. Zerfetzte Hosen, Speckröllchen betonende T-Shits, Arschgeweihe und Zuchtbullen-Nasenringe, Söckchen, die auch im tiefsten Winter die Knöchel nicht bedecken dürfen – egal. Ich bin überzeugt davon, wenn ein boshafter Modedesigner (und ich behaupte, die sind alle irgendwie boshaft) sich Schuhe, vor allem High-Heels, ausdenken würde, bei denen die Absätze vorn statt hinten wären, dann dürfte es keine Woche dauern, bis gewisse Frauen von Tokio bis L.A. damit durch die Citys humpeln würden.
Jetzt könnte ich noch seitenweise so weiter lästern, aber ich will lieber einmal ein Statement für die moderne Mode abgeben. Zugegeben, sie lässt Jugendlichen überhaupt keine Chance mehr, durch sie gegen die Elterngeneration zu opponieren. Kaum kommt einer auf den Gedanken, auf diese Weise die Eltern zu provozieren, schon wird die Idee gnadenlos vermarktet. Und heute hat der alte Spruch: 'von hinten Lyzeum, von vorne Museum' mehr Sinn als je zuvor.
Was nutzt es, sich aus Opposition gegen die Mütter die Hosen aufzuschlitzen, wenn übermorgen die Großmütter mit solchen Hosen vom Design-Shop herumlaufen?
Aber die Mode heutzutage ist klassenneutral, wenn man davon absieht, dass sich gewisse Kleidungsstücke nur Reiche kaufen können. Jeder kann herumlaufen, wie er will, zumindest in seiner Freizeit, ohne verachtet, verfolgt oder verhaftet zu werden. Das ist demokratisch. Und wenn irgendjemand über meine Klamotten lachen will, dann soll er das tun. Mir ist das piepegal. Oder etwa doch nicht so ganz?
Was schreibt Ambrose Bierce in seinem Wörterbuch des Teufels über Mode?
Mode, die: Eine Despotin, die die Weisen verspotten und der sie dennoch gehorchen.
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Tag der Veröffentlichung: 27.01.2019
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