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Literaturmagazin Kritikuss

 

 Beitrag von Ret Breiser über den Bestseller des Jahres

 

Ein unglaubliches Werk, das kann man mit Fug und Recht über dieses Buch sagen. Ja, es ist eine Zusammenfassung mehrerer Teile, die sich auf weit über tausend Seiten erstrecken – das hätte der Herausgeber bedenken sollen, möchte man meinen, aber die Verkaufszahlen geben ihm Recht. Die Käufer lassen sich nicht von der schieren physischen Präsenz abschrecken – im Gegenteil. Es sind Menschen, die nicht den kurzen Kitzel kleiner Taschenbüchlein suchen, so kurz, dass sie gerade mal für die Zeit einer Toilettensitzung reichen, und auch die Absatzzahlen als E-Book-Version dürfte sich in Grenzen halten. Die Leser dieses Bestsellers wollen etwas anderes, etwas Handfestes doch davon später.

 

Lassen Sie mich gleich zum Inhalt kommen, und da wird es für mich als Kritiker sofort schwierig. Es ist ein Buch, das sozusagen über alle Grenzen hinauswuchert. Viele Episoden werden in aller ausufernder Fülle mit unglaublicher Detailtreue erzählt. Jede Unterstory hat ihren Unterprotagonisten – das gesamte Spektrum menschlicher Tragödienschreiber: Alkoholiker, Zuhälter, Diktatoren und Mörder. Wobei man sich manchmal fragt, was das mit dem Gesamtwerk eigentlich zu tun hat.

Andere Episoden werden meiner Meinung nach dagegen einfach kurz und bündig hingerotzt. Aber das ist nun mal der Stil des Autors, wobei man sich fragen muss, ob sich hinter dem Geheimnis, das der Verlag darum macht, nicht ein ganzes Autorenkollektiv verbirgt. Doch das bringt ja oft auch zusätzlichen Kitzel, einen Kaufanreiz, den man schon öfter erfolgreich als Marketingmaßnahme eingesetzt hat. Da heißt/heißen der Autor/die Autoren dann beispielsweise Anonymus, wie z.B. bei dem Buch 'Mit aller Macht', oder Luther Blisset bei 'Q'.

Zurück zum Inhalt. So unterschiedlich die einzelnen Episoden in geographischer, zeitlicher oder psychoologatorischer Hinsicht auch erscheinen mögen, es steckt dennoch ein roter Faden dahinter, über den sie kommunizieren. Man darf nicht einfach fragen: "Bringt das die Geschichte weiter?", das darf man nie fragen, sonst würde man das Nobelpreiskomitee infrage stellen, das Alice Munro ausgezeichnet hat – und die schreibt Kurzgeschichten!

Nein, der rote Faden ist der Universalprotagonist, der mehr oder weniger hinter all den Erzählungen steckt und der der Antrieb allen Strebens ist. Aber er taucht nur selten direkt auf. Seltsam intime Details erfährt man zwar von ihm, z.B. was er gerne isst, wie er zu wohnen beliebt, solche Dinge. Auch dass er manchmal jähzornig, unberechenbar, beleidigt und brutal sein kann, ein ungerechter Mistkerl von unfassbarem Ausmaß, um es mal so deutlich zu sagen, aber das macht die Würze dieses Bestsellers aus. Doch die Gestalt ist sehr undifferenziert, vieles passt nicht zusammen, seine familiären Beziehungen sind völlig unbekannt und werden auch nicht durch die langweiligen Zwischenpassagen näher beleuchtet, die sich leider auch noch in epischer Breite und Form Seite um Seite dahinfadisieren.

Doch dann, im letzten Teil des Buches, wird es etwas menschlicher. Man erfährt endlich, dass der Protagonist einen Sohn hat. Wer die Mutter ist, bleibt seltsam verworren, aber das steigert die Spannung. Die Geschichte beginnt zu 'menscheln'. Der Vater benutzt seine Macht um seinen Sohn zu schützen, und das macht ihn sympathischer. Aber nur kurz. Denn wie ein Mafiapate geht er dabei über unzählige Leichen. Nur sein Sohn zählt. Andere Unschuldige, denen er problemlos helfen könnte, müssen ihr Leben lassen.

Aber wird schließlich sein Sohn seinen Weg finden? Wird er ihn schützen oder etwa doch seinen eigenen Interessen opfern?

Ich will nicht mehr verraten – lesen Sie das Buch und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung. Es lohnt sich. Milliarden Leser können sich nicht irren! Oder doch?

Ach ja, der Name des Autor ist angeblich JHWH Gott.

 

 

Die Bibel.

32775ste Ausgabe, Gesamtauflage über drei Milliarden, erschienen in 1442 Sprachen.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.07.2018

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