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Zentrale ruft Isar 12

 

 

 

"Funkstreife Isar 12, fahren Sie zur Marstall- Ecke Wurzerstrasse, dort soll sich ein verdächtiges Subjekt herum treiben, rotes Gewand, roter Rucksack, Vollbart."
"Isar 12 hat verstanden!"

Polizeimeister Huber knallte den Hörer des Funkgerätes auf die Gabel und informierte seinen Partner Polizeihauptwachtmeister Dambrowsky, der am Steuer saß. Dieser schaltete Blaulicht und Martinshorn ein und wendete den BMW 501, im Volksmund nur 'Barockengel' genannt, mit quietschenden Reifen auf der Prinzregentenstrasse und raste Richtung Innenstadt.
"Langsam, langsam, Damerl", sagte Huber, "den kriegen wir auch ohne Totalschaden!"
Dambrowsky raste unbeeindruckt weiter, und so erreichten sie sehr schnell die angegebene Ecke. Er stoppte den Wagen mit kreischenden Bremsen und schwankender Karosserie und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Die Gegend war menschenleer, doch Huber hatte etwas entdeckt und sprang aus dem Wagen. Jetzt sah es auch Dambrowsky: Eine Person verschwand gerade in einer Passage, und diese Person trug eindeutig einen weißen Bart, Zipfelmütze, roten Mantel, rote Stiefel und einen roten Sack auf dem Rücken. Er rieb sich die Augen, doch das Bild blieb. Coca Cola? Warum fiel ihm jetzt Coca Cola ein? Egal.
Er verließ ebenfalls den BMW und rannte Huber hinterher
.
"Halt!", schrie Huber. "Halt, Polizei! Halt, oder ich schieße!"

"Nein, stopp, nicht schießen!"

Dambrowskys Rufe kamen zu spät. Drei Schüsse knallten und hallten schrecklich laut in der Gasse. Huber war stehen geblieben und senkte seine noch rauchende PP. Endlich hatte Dambrowsky ihn erreicht.
"Mensch, Huber! Du kannst doch nicht auf den Weihnachtsmann schießen!"
"Ich hab doch nur in die Luft geballert, und der Kerl ist eh weg", sagte Huber und steckte die Walther 

wieder ins Koppel. "Und von wegen Weihnachtsmann. Das ist eindeutig ein Ganove, ein Batzi, ein Scharlatan!"
"Woher willst Du das wissen? Er hat doch ausgesehen wie der Weihnachtsmann!"
"Mei, Damerl, weil bei uns gibt's koan Weihnachtsmann. Bei uns gibt’s an Nikolaus und an Knecht Rupprecht und a no an Krampus, und dann natürlich des Christkind – aber es hod bei uns no nia koan Weihnachtsmann ned geb'n."
Sie gingen langsam zum Streifenwagen zurück, doch plötzlich blieb Polizeihauptwachtmeister Dambrowsky stehen.
"Von wegen: es gibt keinen Weihnachtsmann. Und wem gehört das Gefährt dort?"
"Jessasmariaundjosef!" Huber starrte auf die andere Straßenseite. "Damerl, siagst du a, wos i siag?", stammelte er.
"Ich weiß nicht, aber es sieht aus, es sieht aus…"
"Elche, Elche!"
"Ja, fast, es sind Rentiere und ein Schlitten dahinter, und die Bemalung… Das ist der Schlitten vom…"
Plötzlich sahen sie eine Bewegung an der nächsten Straßenecke. Sie erstarrten und beobachteten fassungslos ein weißes Objekt mit langen Ohren, das sich schnell auf den Schlitten zu bewegte, die Zügel ergriff und sich auf den Kutschbock schwang.
"Mein Freund Harvey", stammelte Huber, "wie aus dem Theaterstück."
"Der Osterhase", murmelte Dambrowsky und schlug sich die Faust vors Hirn.
"Jo is denn jetzt scho Ostern?", fragte Huber und blickte fassungslos dem über die Dächer entschwindenden Gespann nach, aus dem es noch höhnisch 'Hohoho, hoho' schallte.

"Damerl", sagte Huber nach einer Weile, "i glaub, jetzt brauch mer wos zum obischwobn."
Dambrowsky nickte nur, wendete den 501 und fuhr schnurstracks zum Hofbräuhaus.

 

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Tag der Veröffentlichung: 21.11.2016

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