Cover

Babylon

 

 "Moment, Moment, alles jetzt noch mal ganz von vorn, bitte!"

 

"Herrschaftzeiten, also noch mal von Anfang an: Meine Alte hat mich schon in aller Früh genervt und …"

 

"Wann genau?"

 

"Na so um zwei oder drei nachmittags, ich sag ja: in aller Früh. Hat so rumgezickt, wie's nur Weiber können, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich soll auf meine Leber achten, sie will nicht so jung zur Witwe werden und so'n Kram. Dann hat sie mich sorgenvoll angelächelt und gesäuselt: Come on, old boy, the future starts now oder so'n Scheiß, den ich nicht verstanden hab, und deshalb hab ich ihr prophetisch eine gelangt. Daraufhin hat sie zu plärren angefangen, und ich bin weg. Vertrag ich nicht, das ewige Geplärre.

Weil mein Pegel nach dem Getue schon wieder gefährlich weit unten war bin ich nicht in meine Stammkneipe gegangen, sondern rüber in das Piss-Stroh oder Bistro oder wie das heißt. Wie gesagt, zum Fred war's mir zu weit. In das Piss-Stroh geh ich normalerweise nie, weil da nur so Schickimicki-Tussen mit ihren gelackten Schnöseln rumhocken.

Da war aber schon ganz schön was los um die Zeit, nicht wie bei Fred. Vielleicht werden die Schickies schneller nüchtern? Was meinen Sie? Auch keine Ahnung, ich seh' schon. Egal. Jedenfalls hock ich mich an den Tresen und beobachte das ganze G'schwerl. Ständig kamen und gingen Leute und dauernd dieses Tschaau- und Haai-Gequake, als ob ein einfaches bayerisches Servus nicht reichen würde. Und das Schlimmste: dieses Bussi-hin-und-Bussi-her-Getue. Meine Fresse! Da war ein Tisch mit sieben so Schwachköpfen, das waren die Verrücktesten. Kommt dann eine junge Lady rein und begrüßt alle mit drei Küsschen. Drei! Dann hat sie fünf Minuten was mit denen gelabert und ist wieder abgezischt. Aber nicht, ohne jedem vorher drei Abschiedsbussis zu geben. Die Schickse hat in fünf Minuten vierundvierzig Wangenküsse verteilt. Vierundvierzig! Ich schwör's! Hab ich extra berechnet. Was? Na dann halt zweiundvierzig, Sie Klug… Egal.

Jedenfalls ist mein Hals immer dicker geworden, zumal der Arsch von Kellner hinter dem Tresen mich ignorierte, als wäre ich der Garniemand. Wahrscheinlich hat er meine Birne immer röter leuchten sehen, als er endlich meine Bestellung aufnahm."

 

"Und dann?"

 

"Also, ich hab ein Bier bestellt, was sonst um die Zeit? Und dann stellt mir der Kerl ein 0,3er Reagenzglas vor die Nase. Ich hab ihn nur fassungslos angeglotzt, worauf der Typ was von Mayday sagt und sich, immer noch grinsend, umdrehen will. Soviel Englisch versteh' ich schon, dass das ein Notruf ist. Und da hab ich ihm halt einen Grund für einen Notruf gegeben. Mitten auf die arrogante Ober-Nase. Zwei Typen haben mich dann zurückgezerrt, und einer hat gemeint, dass der Kerl mit der blutigen Nase es nur nett gemeint und Make my day gesagt hat. Ich hab ihn dann gefragt, was zum Teufel das heißen soll. Und da hat er nur gegrinst und gesagt: Google doch mal. Was soll ich sagen? Ich hab ihm dann eine gegoogelt. Und was für eine! Mitten auf die Zwölf!

Ich weiß nicht, was es da zu Lachen gibt, Herr Kommissar. Ich bin jetzt 74 Jahre alt. Vor 300 Jahren haben sie alle Latein geplappert, dann noch zu Großvaters Zeiten die Franzmänner nachgeäfft, seit dem Krieg die Amis mit ihrem Werbefuzzigeschwätz. Ich bin kein Nazi, aber ich hab keine Lust mit 84 Allakackbar zu sagen, wenn ich in 'ne Kneipe komm oder Ní Háo, weil's gerade 'in' ist."

 

"Hahahah …pruuust…hahaha, Mannohmann, Herr Bärenbader, ich krieg mich kaum ein, aber eines ist ganz sicher: Bei allem anderen Stress heute – you made my day! Auaaaah …. Verflucht noch mal, meine Nase, Herrgott, Meier, schaffen Sie mir den Kerl vom Hals!"

 

 

*****

 

 

Impressum

Texte: Bert Rieser
Bildmaterialien: Wolfgang Dirscherl / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2015

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /