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Breaking Blues

 

 

 

 

 

Ich kann nicht mehr.

Ich will auch nicht mehr.

Ich lebe in einem Affenzirkus aus Bosheiten, Gier und Eitelkeiten. Die Menschheit um mich herum treibt mich in den Wahnsinn. Die Nachrichten-Shows bringen Massenmorde, Kriege und Fußball, gefolgt von kindischen Hofberichterstattungen über Königskäse und der wichtigen Nachricht, dass der Bobbele-Becker-Zombie nach England auswandert. Wie lange muss ich seine Hackfresse noch sehen? Die Breaking News werden zum Breaking Blues. Und die Konsumidioten, die von den Werbefuzzies mit heißen Verlockungen und Versprechen in den Kaufwahn getrieben werden, völlig wurscht, ob sie das Zeug überhaupt brauchen und egal, wo und wie und von wem es hergestellt wird. Sie geben freudig ihre Identitäten und Intimitäten den Hinzen und Kunzen und Geheimdiensten der Welt preis und fragen noch völlig verblödet: Warum nicht, ich hab nix zu verbergen…

Ständig frage ich mich, warum so wenige ihr Gehirn einschalten. Oder wenigstens ihr Herz. Deutschland ist nicht das Sozialamt der Welt plärren die, die mit ihrer Politik, ihrer Gier und ihrem Konsumterror den Rest der Welt verhungern lassen. Die Waffenlobby sorgt dafür, dass ihre Auftraggeber sich dumm und dämlich verdienen, und die ekligen Spekulanten stopfen sich die übersatten Mäuler voll mit Milliarden, die anderen gehören, egal, wie viele dabei über die Klinge springen. Selbsternannte Wirtschaftsexperten labern von scheuen Märkten und sondern Theorien zum Haare raufen ab. Nicht, weil sie so schwachsinnig sind, sondern weil keiner erkennt oder sehen will, wem diese Aussagen nützen. Cui bono? Anyway. Cocooning ist angesagt. Die Welt stirbt. An Maßlosigkeit, an Ignoranz, an Dummheit.

Ich kann in dieses Tagebuch nicht so viel schreiben, wie ich kotzen möchte. Ich kann mich nicht beruhigen. Wozu auch? Ich muss mich aufregen, ich will mich aufregen, auch wenn ich weiß, dass das nicht das Geringste ändert. Auch wenn ich mich umbringe, ändert das überhaupt nichts.

Aber der Druck im Kopf bringt mich um. Ich muss zum Arzt, mir was gegen die Schmerzen holen, auch wenn das keinen Sinn macht. Was macht schon Sinn? Wenn ich nur irgendwo ein Licht sehen könnte …

 

 

 

*

 

 

 

"Wie war dein Tag, Schatz?"

"Na ja, wie immer. Bis auf diese Frau, die zum Schluss in die Notaufnahme kam. Das macht mir echt zu schaffen. Sie hatte Kopfschmerzen, wir haben ein MRT gemacht, und dann … Sie hat einen Tumor im Kopf, so groß wie ein Ei. Inoperabel, nichts mehr zu machen. Prognose maximal zwei Wochen ad exitum. Und weißt du was? Sie ist nicht zusammengebrochen, war nicht erschüttert, sondern ist mir um den Hals gefallen, hat sich überschwänglich bedankt, hat noch was von einem Licht im Tunnel gesagt, das sie endlich sehe und ist gegangen."

"Seltsam. Aber jetzt komm, Essen ist fertig. Ich hab da so tolle Steaks aus Uruguay beim Aldi bekommen. Die Tagesschau geht gleich los."

 

 

 

 

 

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Impressum

Texte: Bert Rieser
Bildmaterialien: MinaSch / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 15.06.2015

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