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Die zweite Nummer




Es war ein nasser Samstag.
Als Marnie durch das Fenster zum Hof über die Mauer blickte, hinter der wohl auf immer und ewig das Familiengrab lag – und in ihm der letzte Zeuge -, erkannte sie, wer die Vögel aufgeschreckt hatte. Immer Ärger mit Harry!, dachte sie entsetzt und umklammerte den Topas an ihrer Halskette. Wo kommt der Mistkerl denn her? Aus dem Reich der Toten?

Harry hielt etwas in der Hand, das aussah, wie ein Cocktail für eine Leiche.
Marnie lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was für ein Horror!
"Das ist echt frenzy", murmelte sie, "was bin ich nur für ein Psycho!"
Sie wollte sich abwenden, doch im Schatten des Zweifels fiel ihr ein, dass Alfred Hitchcock einmal gesagt hatte, dass Horror nichts anderes als Realität sei. Sie starrte wieder aus dem Fenster.
War es der Fremde im Zug, der Doppelgänger, mit dem sie ihn schon einmal verwechselt hatte? Nein! Es war Realität! Der zerrissene Vorhang konnte nicht verbergen, dass es Harry war, dieser verfluchte Saboteur.

Er hatte damals verhindert, dass sie und der Auslandskorrespondent Mr. & Mrs. Smith geworden waren. Jung und unschuldig war sie gewesen, eine Sklavin des Herzens, damals, über den Dächern von Nizza. Aber Harry hatte Verdacht gesät. Sie sei wie die rote Lola, hatte er ihrem Geliebten eingeflüstert, endlich sind wir reich sei ihr einziges Ziel!
Bei Marnie hatten die Alarmglocken geschrillt. Ehe in Gefahr! Aber sie hatte gesagt: Ich beichte nicht, ich kämpfe um dich! Doch als Harry dann diese Rebecca oder Mary, oder wie diese Schlange im Bett auch immer hieß, auf ihren Geliebten angesetzt hatte, galt nur noch: Treue um Treue, Weib gegen Weib. Nicht mehr: auf ewig und drei Tage! Es ging bis aufs Messer, bis zum Zusammenbruch. Und dann war es aus und vorbei.
Im Irrgarten der Leidenschaft blieb ihr nur noch Rache.

'Der Bergadler' wurde Lord Camber genannt, der Mann von der Insel Man, zu dem Marnie das Rettungsboot steuerte. Sie legte an und ging die 39 Stufen zu seinem Schloss hoch.
Camber war berüchtigt als der Mann, der zuviel wusste - so nannten ihn später die Zeitungen, als der Fall Paradin abgeschlossen war. Der Unsichtbare Dritte, der hinter so vielen Verbrechen steckte. Aber keiner konnte ihm etwas beweisen. Der ganze Prozess war nichts als ein Fressen für die Hühner. Eine von Lord Camber's Ladies, seine zweite Frau, war Marnies beste Freundin im Internat gewesen, und deshalb hatte er ihr geholfen. Er hatte ihr zwei Verbindungen vermittelt, von denen eine 'Nummer Siebzehn' war. So wurde der Killer in der Branche genannt. Nummer Siebzehn hatte dann die Bombe im Keller von Harrys Bude gezündet, die Leiche im Kofferraum nach Downhill gekarrt und im Wäldchen hinter dem Pub The Farmer's Wife verscharrt. Maßarbeit, das perfekte Verbrechen, gute Reise, Harry!
Als Marnie die Nachricht erhielt, hatte sie nicht nur eine Flasche Champagner geleert.

Und jetzt, zum Teufel noch mal, stand dieser verfluchte Harry da unten. War es der falsche Mann, den der Geheimagent erwischt hatte? Oder war Nummer Siebzehn nur der Weltmeister im Lügen?
Und Harry war doch nicht zufällig da, mit seinem blöden Cocktailglas. Worum ging es ihm? Erpressung?
Egal. Marnie richtete den Zeigefinger auf ihn und flüsterte: "Peng, du bist tot!"
Dann wählte sie die zweite Nummer, die ihr Lord Camber genannt hatte. Bei Anruf Mord, hatte er ihr versichert.

ENDE

 

*****





Ja, liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben es richtig erkannt: Diese Geschichte besteht aus einer Reihe von Alfred Hitchcock Filmen, deren Titel ich mehr schlecht als recht zu einer holprigen Story zusammengefasst habe. (Schätzen Sie einmal, wie viele ich davon eingebaut habe; wenn Sie richtig geraten haben, bekommen Sie ein Herzchen. Die Auflösung erfolgt gleich.)



Das ist nicht besonders originell oder lustig und soll es auch gar nicht sein. Es geht mir um etwas anderes.
Einige Filme Hitchcocks sind lustig, andere spannend, viele hervorragend und andere einfach schlecht. Aber auch darum geht es nicht. Hitchcock hat in einer Zeit Filme gemacht, als in den USA durch den sogenannten Hays-Code die Darstellung von Ehescheidungen, Selbstmorden von Schwangeren und Küssen über drei Sekunden der Zensur anheim fielen, ja es war sogar verboten, eine Toilette zu zeigen. Gleichzeitig wurden in Hollywood ganze Indianerstämme ausgerottet, und in realen Kriegen starben Abermillionen einen furchtbaren Tod. Die Kameras immer live dabei. Seltsame Doppelmoral, die man noch heute findet, wenn 12jährige mit Sturmgewehren rumballern dürfen, aber vor Gericht gezerrt werden, wenn sie ihrer kleinen Schwester beim Pinkeln helfen.
Hitchcocks Filme sind oft voller Horror, Gewalt und Sex, Fetischismus, Homosexualität in Verbindung mit Schuld und Verderben, Nekrophilie und Voyeurismus.
Angst, Wut, Unglück, zwielichtige Beamte und verbogene Moralvorstellungen führen in seinen Filmen zu Katastrophen.

Und heute? Es hat sich nichts geändert, außer, dass die Zensur nicht einmal mehr für Kinder schützend eingesetzt wird. Die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle, ist ein mörderischer Witz geworden. Aber auch darum geht es nicht.
Es geht darum, dass jedes Medium den furchtbarsten Horror irgendwie erträglich macht, ihn relativiert, und im Film, in Büchern, in Computerspielen wird er sogar unterhaltsam und man bezahlt dafür. Bei Fernsehberichten über explodierende Moscheen, plündernde, marodierende Soldaten, skrupellose Waffenhändler, Drogenkartelle, Hassprediger, Massenmörder und Flugzeugabstürze, Vergewaltiger und U-Bahn-Schläger schaudern wir, reden von Horrorbildern und rufen nach der Staatsmacht. Aber spätestens, wenn das Dschungelcamp anfängt, weicht der Horror dem wohligen Schaudern über lebend verspeiste Kakerlaken oder die Campinsassen selbst.
Aber der Horror in den Medien bildet nur die Realität ab. Das Medium selbst schützt uns davor, das zu erkennen.
Hitchcock hat gesagt: "Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als die Realität."
Könnten wir einmal unsere Medienfilter im Hirn ausschalten, würden wir das Elend schreien hören, den Gestank des Todes riechen, den Geschmack des Blutes im Mund haben, den Dreck der Welt in den Augen. Unser Verstand würde durchbrennen.
Was glauben Sie, wie viele Menschen insgesamt in allen Hitchcockfilmen ums Leben gekommen sind?
Ich weiß es auch nicht, aber ich behaupte, dass es nur ein winziger Bruchteil im Vergleich zu denen ist, die Tag für Tag für Tag in den Krisengebieten dieser Erde gewaltsam zu Tode kommen, verhungern, verdursten, elend krepieren.

Und dieser Horror ist nichts anderes als die gnadenlose Realität, die Hitchcock gemeint hat.


Aber genug des realen, täglichen Grauens, zurück zum Horror Alfred Hitchcocks. Ich habe Ihnen die Auflösung versprochen:
In der Story habe ich genau 63 Filmtitel von 'Hitch' verarbeitet.
Sie können es hier gleich überprüfen


Und hier geht's zu Fabianas Beitrag

 




Es war ein nasser Samstag.
Als Marnie durch das Fenster zum Hof über die Mauer blickte, hinter der wohl auf immer und ewig das Familiengrab lag – und in ihm der letzte Zeuge -, erkannte sie, wer die Vögel aufgeschreckt hatte. Immer Ärger mit Harry! , dachte sie entsetzt und umklammerte den Topas an ihrer Halskette. Wo kommt der Mistkerl denn her? Aus dem Reich der Toten?
Harry hielt etwas in der Hand, das aussah, wie ein Cocktail für eine Leiche. Marnie lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was für ein Horror!
"Das ist echt frenzy", murmelte sie, "was bin ich nur für ein Psycho!"
Sie wollte sich abwenden, doch im Schatten des Zweifels fiel ihr ein, dass Alfred Hitchcock einmal gesagt hatte, dass Horror nichts anderes als Realität sei. Sie starrte wieder aus dem Fenster.
War es der Fremde im Zug, der Doppelgänger, mit dem sie ihn schon einmal verwechselt hatte? Nein! Es war Realität! Der zerrissene Vorhang konnte nicht verbergen, dass es Harry war, der Saboteur, der verfluchte.

Er hatte damals verhindert, dass sie und der Auslandskorrespondent Mr. & Mrs. Smith geworden waren. Jung und unschuldig war sie gewesen, eine Sklavin des Herzens, damals, über den Dächern von Nizza. Aber Harry hatte Verdacht gesät. Sie sei wie die rote Lola, hatte er ihrem Geliebten eingeflüstert, endlich sind wir reich sei ihr einziges Ziel!
Bei Marnie hatten die Alarmglocken geschrillt. Ehe in Gefahr! Aber sie hatte gesagt: Ich beichte nicht, ich kämpfe um dich! Doch als Harry dann diese Rebecca oder Mary, oder wie diese Schlange im Bett auch immer hieß, auf ihren Geliebten angesetzt hatte, galt nur noch: Treue um Treue, Weib gegen Weib. Nicht mehr: auf ewig und drei Tage! Es ging bis aufs Messer, bis zum Zusammenbruch. Und dann war es aus und vorbei.
Im Irrgarten der Leidenschaft blieb ihr nur noch Rache.

'Der Bergadler' wurde Lord Camber genannt, der Mann von der Insel Man, zu dem Marnie das Rettungsboot steuerte. Sie legte an und ging die 39 Stufen zu seinem Schloss hoch.
Camber war berüchtigt als der Mann, der zuviel wusste - so nannten ihn später die Zeitungen, als der Fall Paradin abgeschlossen war. Der Unsichtbare Dritte, der hinter so vielen Verbrechen steckte. Aber keiner konnte ihm etwas beweisen. Der ganze Prozess war nichts als ein Fressen für die Hühner. Eine von Lord Camber's Ladies, seine zweite Frau, war Marnies beste Freundin im Internat gewesen, und deshalb hatte er ihr geholfen. Er hatte ihr zwei Verbindungen vermittelt, von denen eine 'Nummer Siebzehn' war. So wurde der Killer in der Branche genannt. Nummer Siebzehn hatte dann die Bombe im Keller von Harrys Bude gezündet, die Leiche im Kofferraum nach Downhill gekarrt und im Wäldchen hinter dem Pub The Farmer's Wife verscharrt. Maßarbeit, das perfekte Verbrechen, gute Reise, Harry!
Als Marnie die Nachricht erhielt, hatte sie nicht nur eine Flasche Champagner geleert.

Und jetzt, zum Teufel noch mal, stand dieser verfluchte Harry da unten. War es der falsche Mann, den der Geheimagent erwischt hatte? Oder war Nummer Siebzehn nur der Weltmeisterim Lügen?
Und Harry war doch nicht zufällig da, mit seinem blöden Cocktailglas. Worum ging es ihm? Erpressung?
Egal. Marnie richtete den Zeigefinger auf ihn und flüsterte:
"Peng, du bist tot!"
Dann wählte sie die zweite Nummer, die ihr Lord Camber genannt hatte. Bei Anruf Mord, hatte er ihr versichert.

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©BRieser27113


Impressum

Texte: Bert Rieser
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Natürlich dem Meister 'Hitch' gewidmet

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