Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
Fakultät für Sozialpsychologie, Abt. Neurobiologie
Studie zur Entwicklungspsychologie der adoleszenten neuronalen Plastizität der Hirnstrukturen in der mesopupertären Phase.
Dokument 736.1.2
Hinweis:
Dieses Dokument wurde aus Gründen der besseren Verständlichkeit überarbeitet, d.h. von eingestreuten spezifischen Stil- und Ausdruckselementen der sog. 'Jugendsprache' befreit, als da sind Kurzformen wie rofl, lol, Smilies, phonetische Adaptionen wie umpff, würg etc. schonend bereinigt, übersetzt und die Morphosyntax angepasst, ohne den Inhalt mehr als nötig zu verändern.
Die Originalabschrift befindet sich unter OrgDoc. 736.1.1 im Archiv.
Blogauszug des K.S., männlich, 17 Jahre
Wieder so eine Scheißwoche. Mein Alter hat nix anderes zu tun, als tierisch zu nörgeln und zu nerven. Ich versteh' ihn einfach nicht mehr!
Kaum kommt er heim, geht's schon los: Was war in der Schule, bist du endlich beim Zahnspangendoktor gewesen, hast du dich um deinen Praktikumsplatz gekümmert, wenn's so weitergeht, kannst das Abi knicken, blahblahblah! Fuck, Mann! Als ob's nix Wichtigeres gäbe im Leben. Praktikum – ja in was denn? Soll ich vielleicht für irgend so einen Arsch Dachlatten und Ziegelsteine schleppen oder Gaswasserscheiße-Rohre zählen? Hab' keinen Bock auf Maloche! Ich bin schließlich Generation IMM, irgendwas mit Medien, aber da gibt’s nada!
Der Alte hockt doch auch nur den ganzen Tag hinterm Schreibtisch und hebt nix Schwereres als Kugelschreiber, oder? Aber immer nörgel, nörgel, nörgel! Und dann das abgefuckte Essensritual. Menno! Ich hab kein Bock auf Biogrünfutter und Familieneiapopeia. Und wenn der Alte danach ein paar Grappa gekippt hat, schmeißt er sich aufs Sofa und glotzt fern. Oder, noch schlimmer, er legt diese schwarzen Dingens, diese Schallplatten auf. Schallplatten, wie das schon klingt! Wie Methusalem!
Steinzeit. Steinzeitmusik. Diese ätzenden Klampfenschrubber Biermann und Degenhardt. Damit will er seine rote Wut rauslassen. Bullshit. Alter Sozi, der Alte. Aber weiter als saufen und Parolen blöken geht’s nicht. Der würde nie auf die Idee kommen, mal ein paar von diesen Hausfrauenpanzerspähwagen-SUVs abzufackeln. Der nicht. Is ja Staatsdiener, der Herr!
Aber fast noch schlimmer ist diese nervige Eso-Musik von den Pink-hols-der-Teufel-Floyd oder den Jethro-fuck-die Elly-Tulls! Da dreht sich mir der Magen um, und dann muss ich mir noch eine Predigt anhören, dass das echte Musik sei und die, die ich hör, Scheiße. Jedes Mal gibt’s da Zoff.
Und Mum? Putzt entweder in der Küche rum oder glotzt wie ein Marshmellow und quetscht sich ein paar Tränchen ab. Bin ich froh, dass ich mit der seit Monaten kein Wort mehr wechsle. Hat doch keinen Zweck, oder? Hauptsache, sie wäscht meine Klamotten.
Die brauchen sich nicht zu wundern, die Alten, wenn ich jeden freien Moment weg bin, mit den Kumpels. Aber einen Song hat der Alte, den ich unterschreiben kann:
'Macht kaputt, was euch kaputt macht!'
Aber wenn er dann dasteht, schwankend, die Faust erhoben und mitgrölt, dann kann ich nur lachen. Vergiss es! Ab zu den Jungs!
Maik hatte neulich eine grandiose Idee: Anstatt nur rumzuhartzen und abzuchillen, könnten wir doch übers Baugerüst ins Einkaufscenter einsteigen und die Schnapsecke leerkübeln. Wer aufgibt, ist Arsch. Aber der Pit war so bekifft, dass wir ihn kaum auf das Gerüst brachten. Wär' fast abgestürzt, die Lulle. But what? That's the price. Aber dann war diese scheiß Feuertür aus Stahl. Maik hat den Schraubenzieher abgebrochen, sich in die Hand gestochen und geblutet wie Sau. Das war's dann. Fetter Touchdown.
Sind danach ins Why Not?, Tussen abchecken. Is aber nicht mein Ding. Die sind so doof. Röcke hoch bis zum Bauchnabel, Speckbarbierollen wie beim Metzger und Putz auf'm Gesicht wie am Bau. Aber Maik steht drauf. Vielleicht hat er Recht. Maik hat eigentlich immer Recht. Er weiß, wo's lang geht! Einer muss der Ansager sein, einer muss den Durchblick haben. Zum Beispiel mit den Niggern. Denen muss man es mal zeigen, sagt er. Oder den Fidschis mit ihren gelben Fressen, oder noch besser, den Mustafas. Die sind eh schon dabei, das Viertel zu übernehmen.
Und dann haben wir's denen gezeigt! Ja, okay, war schon blöd, dass wir ausgerechnet Ali erwischt haben, das war mal mein bester Freund auf der Schule. Aber kann ich denn was dafür, dass seine Eltern verfickte Teppichrutscher und Kopftuchschlampen sind, oder? Maik sagt, die sollen wieder Kamele hüten und nicht unsere Weiber angraben. Maik ist immer so witzig. Dabei baggert er selbst wie Sau. Hat vor ein paar Wochen so einer Tuss, dieser Mandy, einen Braten in die Röhre geschoben, aber was kann er dafür, dass die Alte so scharf ist? Blöd ist nur, dass er die jetzt dauernd hinter sich her zieht. Ich mag keine Tussen.
Aber Maik sorgt dafür, dass das Leben tobt. Hier draußen tobt es, nicht zuhause, bei den scheintoten Spackos. Und dann ist mein Alter noch so knauserig mit der Kohle, dass wir uns das Zeugs woanders besorgen. Ist ganz easy. Und das gibt einen geilen Kick. Yeah, Maik, danke dir, Digga! Ich bete dich an für deine Ideen! Immer denkt er sich einen neuen geilen Scheiß aus. Reifenstechen, Fidschis klatschen, Autospiegelkicken, was weiß ich. Aber der Hammer steigt heute Nacht. Und ich werde der Held der Helden sein!
Maik hat den Freddy bequatscht – wenn Maik was kann, dann einen bequatschen. Mechatroniker lernt der Typ, meine Fresse. Den ganzen Tag ölige Pfoten und ständig den Meister im Nacken! Ätzend.
Jedenfalls hat Maik den weichgeplättet, dass er uns die Schlüssel von zwei 3er-BMWs besorgt, die auf dem Werkstatthof stehen. Das ist krass, aber kein Risiko, weil sein Chef erst um acht wieder in der Werkstatt auftaucht.
Und heute Nacht steigt das ultimative Rennen: Iiiiich, der geniale Steinbruchraser Keeeeeviiin gegen den unheimlichen, tiieeeefergelegten, furchterregenden Maaarviiin! YEAH!
Zwischen Bruck und Mering. 24.00 Uhr! Und ich werde diesen Marvin zerlegen, so voll fett zerlegen, dass noch Generationen von diesem Duell mit geilkrassen Augen davon reden werden! YEAH! Auf geht's!
Ende Dokument 736.1.2
-------------------------------------------------------------------------------------------------
Anlage 1
BERICHT DER POLIZEIINSPEKTION FÜRSTENFELDBRUCK
In der Nacht vom 11. auf 12. November kamen drei minderjährige Jugendliche mit einem gestohlenen BMW auf der B 12 kurz hinter Fürstenfeldbruck von der Fahrbahn ab. Der BMW schleuderte aufgrund überhöhter Geschwindigkeit an einen Baum und wurde völlig zerstört. Der Fahrer, der 17jährige K.S. und die beiden Mitfahrer, der ebenfalls 17jährige M.D. und die erst 15jährige M.K, die zudem im 4. Monat schwanger war, kamen sofort ums Leben. Da das Kfz. gleichzeitig mit
einem anderen Fahrzeug von einem Werkstatthof entwendet wurde, gehen die Behörden von einem illegalen Autorennen aus.Nach dem zweiten BMW und seinem Fahrer wird noch
gefahndet.
.
Anlage 2
GERICHTSMEDIZINISCHER BEFUNDAUSZUG; K.S.
Der Befund zeigt einen Blutalkoholspiegel von 1,8 Promille und bei der Nachbefundung im Zuge der Studie neben einem typisch hohen Adrenalinwert signifikant erhöhte Testosteron- Dopamin- und Melatoninspiegel, bei gleichzeitig suprimiertem Oxytocin.
SCHLUSSFOLGERUNG
-Beitrag so zusammen:
Wie bei den Dokumenten 1 – 735.1.1 deutet auch dieser Fall darauf hin, dass die These von Geisler, Koch, Simon et alii, (2011), bestätigt werden muss.
In der Pubertät findet hormonell gesteuert ein völliger Umbau und Neustrukturierung der neuronalen Vernetzungen statt, was dazu führt, dass die Jugendlichen ihr eigenes Verhalten und das ihrer Umgebung sowie Gefahren aller Art nicht mehr richtig einschätzen können, sondern erst neu erlernen müssen.
Dies führt oft zu lebensgefährlichen und unverständlichen Verhaltensmustern.
Geisler et alii fassen es in einem stern
"Hart gesagt: Die einen fahren sich tot, die anderen werden schwanger."
©BRieser241111
Texte: Cover unter Verwendung eines Bildes von N.Schmitz, pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011
Alle Rechte vorbehalten