Neulich
war Edi außer sich, obwohl – oder weil – er erst ein Bier intus hatte.
"Ich werd' noch zu Baadermeinhof", schimpfte er. "Habt ihrs heut gelesen? Die Deutsche Bank mit diesem eidbrecherischen, äh eidgenössischen Feld-, Wald-, Ackermann schreibt plötzlich dramatische Verluste, nachdem sie Sal. Oppenheim, die Norisbank und die Berliner Bank geschluckt hat und an der Postbank noch würgt. Die arrogante Klassenprimadonna, die so gut über die Krise gekommen ist, welche sie selbst mit verursacht hat, die eben noch widerlich hohe Gewinne gemacht hat, ist in den roten Zahlen und wird gleich nach unseren Steuergeldern plärren, diese ekelhafte Schmarotzerbank, diese stinkenden Parasiten! Und wir müssen sie stützen, weil sie systemrelevant ist. Je fetter, desto relevanter, das ist ihr Plan. Und keiner kann mehr was tun, die haben ja nicht mal die Ganoven der Pleitebanken wegen Insolvenzverschleppung verklagt, die machen jetzt ihre eigenen Gesetze, Zeckenbrut, schmarotzerische!"
"Himmel, Edi", versuchte Paul zu dämpfen, "was für ein Unmenschenvokabular hast du denn drauf?" Aber Edi war nicht zu bremsen.
"Ja, ja, was die irren Nazis angerichtet haben verpasst uns für immer einen Maulkorb, auch und gerade in Richtung Finanzhaie. Aber 'Brechung der Zinsknechtschaft'
wäre doch nicht so schlecht für die Welt, wenn es nicht schon in 'Mein Kampf'
stehen würde, oder?"
"Jetzt reichts aber, Edi, trink einen Obstler und entscheide dich, welchem Regime du nachlaufen willst. Neulich hast du doch noch lauthals die Internationale gesungen, oder?"
"Irgendwie verstehe ich ihn ja", sagte Manni. "Wenn man sieht, wie eine Handvoll Typen schamlos, skrupellos und gnadenlos die Menschheit ausbeuten, krieg ich auch das Kotzen! Und die Investmentabteilung der DB macht immer noch satte Gewinne."
"Sag ich doch!", ereiferte sich Edi wieder. "Dieses widerliche Spekulantengeschmeiß bringt aus maßloser Raffgier ganze Volkswirtschaften, ganze Staaten ins Schwanken, manipuliert mit ihren ekelhaften Machenschaften den Weizenpreis und nimmt die Hunderttausende, die deshalb verhungern, nicht einmal zur Kenntnis. Wenn die wenigstens nur ihre Großmütter verkaufen würden! Aber die verkaufen alle und jeden! Das wird man doch sagen dürfen! In Nigeria vergiftet Shell Natur und Menschen, kooperiert mit Diktatoren und Waffenschiebern, fördert Bürgerkriege, und die Deutsche Bank ist an Shell beteiligt. Mit der DB-Karte kannst du jetzt bei Shell sogar billiger tanken. Internationale Trawlerflotten mit DB-Beteiligung zerren den letzten Fisch an die Luft und schmeißen 80% weg, Bäcker heizen mit ihren eigenen Broten ihre Öfen, weil die Konzerne vorschreiben, dass die Auslagen in Supermärkten auch um 18.30 noch voll sein müssen und stellen das noch als nachhaltig hin, weil sie das Überschussbrot nicht gleich auf den Müll werfen. Brasilianischer Regenwald zu Hamburgern, Indonesischer Dschungel zu Palmöl für Biodiesel, kanadische Ölsandförderung ohne Rücksicht auf Permafrostböden, BP bohrt nach Deepwater Horizon jetzt vor Libyen noch tiefer und und und – ich kann gar nicht soviel schimpfen, wie ich kotzen könnte. Und trinken schon gar nicht." Anscheinend hatte die Tirade Edis Kehle ausgetrocknet, denn er leerte das Weißbierglas in einem Zug – ein artistisches Kunststück, das ich schon immer mit einer Mischung aus Faszination und Grauen beobachtet habe. Bevor er das Glas wieder absetzen und weiterschimpfen konnte, stellte ich eine Frage in den Raum:
"Hast du einen Vorschlag, ich meine, was würdest du tun?"
"Alle an die Wand stellen", Edi zögerte kurz, "ist wohl keine Lösung, obwohl, die Baadermeinhofschiene …"
"Hast du sie noch alle?", schimpfte Claus. Diese Narren! Schau dir den neuen Film über den Carlos an, da siehst du, was das für Typen waren. Haben sich an jeden Diktator verkauft, der nur gezahlt hat. Da sind mir ja die Taliban lieber!"
"Na ja, wir Männer wären da wieder wer, aber ob da unsere Frauen mitmachen würden?", zweifelte Dietmar.
"Des kost vergess'n", sagte Christine kalt und knallte die nächste Runde auf den Tisch.
"Islamisten fallen also aus. Faschisten, Kommunisten und der Vatikan ebenso, weil das auch alles irgendwie Kapitalisten sind", sinnierte Ewald. "Wie wär's mit Buddhisten oder Hinduisten?"
"Ach Gott, dieses ewige Gesinge und Gebete und Geopfere, und als Wurm will ich auch nicht wiedergeboren werden. Außerdem sind die schon lange nicht mehr friedlich."
Dietmar dachte nach und hatte noch abstrusere Vorschläge, wer die Welt retten könnte:
" Isten sind immer schlecht, aber Humanisten, ich meine jetzt nicht unbedingt Lehrer, oder Rationalisten oder Esoteriker – hey, das sind keine –isten – oder noch besser: Dietmaristen!"
"Toll", sagte ich, "ganz toll. Irgendwann kommen die Außerirdischen, und dann ist Schluss mit diesem Elend."
"Inwiefern?"
"Wenn die mitkriegen, was hier abläuft, eliminieren sie uns wie bösartige Viren. Was wir auch für die Erde irgendwie sind."
"Wieso wir? Die Viren, das sind doch nur ein paar, oder?"
"Na ja, BP saugt ja nicht das Öl aus Jux und Dollerei aus dem Boden, oder? Und wenn die Brottheke leer ist, beschweren sich die Kunden, und die Rindviecher, die den Regenwald fressen, werden doch von uns gegessen, oder?", antwortete Kurt als Advocatus Diaboli. Edi sprang sofort darauf an: "Ja, ja, jetzt sind es wieder wir, die kleinen Leute, die die Schlächter im Kongo bezahlen und die den letzen Waran auffressen – ich kann's nicht mehr hören!"
Ich versuchte einen Vorschlag zu machen:
"Machen wir es doch, wie Mao …"
"Der Massenmörder?"
" … wie Mao Tse-tung gelehrt hat, ich zitiere: 'Wir müssen von allen Fachleuten lernen, die Wirtschaft zu handhaben', soll heißen: Schlagt sie mit ihren eigenen Waffen. Also, lasst uns gegen die Deutsche Bank spekulieren!"
"Jawohl", schrie Edi. "Nieder mit den Blutsaugern!"
Als wir überschlägig unser Kapital zusammenzählten mussten wir allerdings feststellen, dass es für eine feindliche Übernahme wohl nicht reichen würde. Hilfsweise investierten wir deshalb kräftig in das Produkt einer bekannten Münchner Brauerei, was zwar dem Weltfrieden nicht unbedingt diente, aber wenigstens einigermaßen politisch korrekt war.
©Garlin281010
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2010
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Widmung:
noch 'ne Glosse (16)