Neulich
erzählte Kevin am Stammtisch, wie er ein Geschenk für seine Nichte kaufen wollte.
"Ich wäre da beinahe voll reingetappt", sagte er. "Ich wollte noch schnell was für Janette besorgen, beim Hugendubel, weil sie gern liest und beim N
aB
u engagiert ist – Krötentragen, Kaulquappen nummerieren und so – und da hab ich nach einem rosaroten Buch gegriffen, weil der Titel passend klang."
Jetzt waren schon die ersten Gluckser zu vernehmen, die sich dann in schallendes Gelächter verwandelten, als Kevin ihn nannte: 'Feuchtgebiete
'.
"Okay, ich habe ja noch rechtzeitig bemerkt, was das für ein Schweinkram ist."
"Was heißt Schweinkram. Ich denke eher, ein Fall für Proktologen und Psychiater", meinte Dietmar, der Besserwisser.
"Wer? Die Charlotte Roche, oder die Leser?", fragte ich. "Ist doch eher eklig. Ich bin ja wirklich nicht prüde, aber wer wann und was mit seinen Reproduktionsorganen anstellt, interessiert mich nicht mal marginal. Und immerhin ist die Roche auch vom Männermagazin 'FHM' zur "Unsexiest Woman" gewählt worden."
"Na ihr kennt euch ja aus. Respekt. Schämt ihr euch denn gar nicht? Solche Sauereien zu lesen! Dagegen ist der Playboy hohe Literatur!"
"Playboy? Gibt's denn den überhaupt noch? Das ist doch was für Tattergreise."
"Sabbergreise!", verbesserte Klaus. "Aber es stimmt schon. Die Dessouswerbung an den Bushaltestellen oder die Titelbilder vom STERN sind heftiger. Ausgabe 49/08 zum Beispiel. Da geht's um einen banalen Partnertest. Titelbild: Ein fast nacktes Pärchen, das sich gegenseitig in die Unterhosen schaut. Dafür wären die Verantwortlichen vor nicht allzu langer Zeit in den Knast gewandert. Gibt's eigentlich den Pornographieparagraphen noch, und wenn ja, wofür?"
"Der eigentliche Skandal an dem STERN-Titel ist doch, dass die beiden Darsteller mit verdächtigen Hautveränderungen übersät waren. Und keiner schickt die zum Dermatologen. Das wäre ein ausgezeichnetes Aufklärungsplakat gegen Hautkrebs geworden!", meinte Rudolf.
"Hervorragende Idee!", lachte Paul "Überschrift: Lass mal kucken, ob sich es überhaupt lohnt, was mit dir anzufangen!"
"Oder Werbung für die Altersvorsorge: Schaffst du es, das Rentendilemma zu lösen? Die Deutschen sterben aus!",
nahm Peter den Faden auf.
"Das ist nicht witzig, ihr Knallköppe." Dietmar hob wieder einmal zu seinen gefürchteten Monologen an.
"Freizügigkeit in allen Ehren, aber es muss doch einen Grund dafür geben, dass seit Tausenden von Jahren die Sexualität in Schranken gezwungen wird. Wo die Freizügigkeit zu groß wird, stumpft der Mensch ab und verliert das Interesse. Nur noch größere Abartigkeiten lässt es kurz wieder aufflackern. Und jetzt kommt mir nicht mit der Unterdrückung durch die Kirche. Das ist so, seit es die Menschheit gibt. Die kann doch nicht Tausende von Jahren auf dem Holzweg gewesen sein. Sodom und Gonorrhö und das römische Reich sind an ihrer Liederlichkeit untergegangen. Je schamloser die Gesellschaft, desto weniger Kinder.Basta. Ich bin deshalb für die Talibanisierung der Gesellschaft.Basta."
Dietmar nahm einen mächtigen Schluck Weißbier, und wenn ihm beim Schaumabwischen nicht ein Grinsen ausgekommen wäre, hätten wir geglaubt, er meine das in vollem Ernst.
Nur Manni bemerkte es nicht und hieb in die Kerbe, die Dietmar geschlagen hatte.
"Genau! Und wer ist Schuld? Die blöde Emanzipation! Nieder mit EMMA! Nieder mit den Frauenverstehern! Ja, glotzt nicht so blöd! Wir Männer sind aber auch selber schuld. Schaffen Frauenquoten, heiliger Jesus
!, weil wir meinen, dass sonst zuwenig Weiber in die Politik kommen! Dabei gibt es doch genug auf den Wahllisten. Warum wählen Frauen denn nicht diese Frauen? Müssten doch über fünfzig Prozent kriegen, oder nicht? Entweder sind sie zu blöd, um zu verstehen, dass man nicht nur die Person in der obersten Spalte ankreuzen darf, oder sie sind so schlau, ihren Geschlechtsgenossinnen nichts zuzutrauen. Kommt aufs selbe raus. Aber in allen anderen Bereichen rücken sie vor!"
Er hatte sich richtig in Rage geredet, und wir blickten uns nervös um, ob nicht unsere Lieblingsbedienung Christine in der Nähe war.
"Ja, schaut euch ruhig um. Heutzutage saufen Frauen wie die Männer, kiffen, fixen, rauchen wie die Schlote, lassen sich tätowieren, gehen zum Bund, fahren LKW, nehmen uns auch sonst die Jobs weg und erzählen schlimmere Witze, als wir jemals..."
"...und schreiben schweinischere Bücher, dürfen seitdem auch schwitzen und stinken und sich überall mit Haaren zuwachsen lassen", ergänzte Dietmar, wurde aber von Klaus gleich gestoppt.
"Jetzt macht mal halblang. Das ist doch alles natürlich, das ist doch nicht schlimm, wir sind nur völlig denaturiert!"
"Also meine Körperausscheidungen sind auch völlig natürlich.", bemerkte Kevin treffend, "Aber wenn ich jetzt in dein Bier hineinpi…"
"Herrschaftszeiten, jetzt wird's aber unappetitlich!", unterbrach ich seine weiteren Ausführungen, "Wir reden doch über die Emanzipation."
"Genau. Wir kommen immer mehr ins Hintertreffen!", rief Peter. "Jetzt schickt die Hessen-SPD schon einen Mann mit Doppelnamen, Schäfer-Gümbel oder so, ins Rennen, um Frauenstimmen zu bekommen, aber das wird nichts nützen. Ebensowenig wie die Ekelkramretourkutsche 'Fleckenteufel'
von Heinz Strunk. Was, um Himmels Willen, können wir denn tun, um uns von den Frauen wieder abzusetzen? Die Gentechnik weiterbringen, dass wir
die Kinder kriegen, oder stricken lernen?"
"Quatsch, das haben die Grünen schon im letzten Jahrtausend probiert."
"Das Kinderkriegen?"
"Depp, das Stricken. Obwohl, wenn ich so an Bütikofer denke… Nein, wir müssen einen knallharten Kurs gegen die Emanzipation fahren, sonst verlieren wir gnadenlos. Sonst werden wir unterdrückt, dass wir nicht mehr gerade aus schauen können. Wir müssen knallhart werden!
Aber…", ich sah auf die Uhr, "…das kann ich euch heute nicht mehr erklären. Das hat was mit Physik und gegensätzlichen Polen zu tun, die sich anziehen. Ich muss jetzt schnell los, bevor meine Frau vom Schutzgasschweißkurs aus der Volkshochschule kommt. Da will die immer ein gescheites Essen auf dem Tisch haben. Und gebügelt hab ich auch noch nicht alles...
Christine! Zahlen, bitte."
Garlin 2309
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Noch 'ne Glosse (Nr. 15)