Ein Schreibratgeber in neun Lektionen
Sie
können nicht singen und auch nicht Gitarre spielen, sehen auch nicht besonders aus, wollen aber trotzdem reich und prominent werden?
Nun ja, Rockstar klappt da wohl nicht, aber schreiben Sie doch einen erfolgreichen Roman!
Ich will Ihnen dazu einige Tipps geben, die Sie gerne in einem meiner Schreibkurse weiter vertiefen können.
1.Lektion
Als Schriftsteller müssen Sie erst einmal und vor allem schreiben können. Wenn nicht, dann können Sie wahrscheinlich auch nicht lesen, wovon ich nicht ausgehe, da Sie ja diesen Ratgeber aufgeschlagen haben.
Sie besitzen somit schon einmal die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Schriftstellerkarriere. Also setzen Sie sich an den Schreibtisch, schalten den Computer ein, schrauben die Kappe Ihres Füllers ab oder was auch immer, und fangen Sie an.
Womit? Na mit Schreiben natürlich. Es ist ganz leicht und tut nicht weh.
Am besten beginnen Sie mit dem
Anfang.
Mit dem Schluss geht es auch, aber dann müssen Sie ständig Rückblenden machen, das nervt.
Schreiben Sie einfach, was Ihnen in den Sinn kommt. Wenn Sie einige Blätter gefüllt haben, werfen Sie zwanglos eine gehörige Portion Adjektive (wenn Sie nicht wissen was das ist, schauen Sie bitte im Duden nach) über den Text, je mehr, desto besser.
Sehr guter Stil ist, wenn Sie lange Sätze kreieren, das macht berühmt. Thomas Mann dehnt sie auch über halbe Seiten hinweg. Und der ist doch berühmt, oder? Vor allem am Anfang ist das wichtig.
Der Leser darf auf keinen Fall sofort in die Geschichte hinein gezogen werden nach dem Motto: Friss oder stirb! Er soll vielmehr gezwungen werden, möglichst lange um den heißen Brei herum zu schleichen, und das geht am besten mit einem ewig lang vor sich hin schachtelndem Schachtelsatz.
Denn wenn der Anfang schon sehr spannend ist, dann kann der Rest doch nur langweiliger werden. Logisch. Warum also weiterlesen?
2.Lektion
Generell ist es klug, das, was man schreibt, zu verschleiern. Soll der Leser doch selbst herausfinden, was der Autor sich gedacht hat. Krawehl! Krawehl!
Man leiert sich krampfhaft Wort für Wort aus dem Gedärm und Kreti und Pleti verstehen sofort was man meint? Dann ist es Schrott.
Ein guter Text muss, wenn er erfolgreich sein soll, mystisch, wabernd, kryptisch und unverständlich sein. Das schreckt Kreti und Pleti ab.
Aber wollen wir das wirklich? Nein! Wir wollen unser Produkt ja verkaufen. Nur ein erfolgreicher Schriftsteller wird bekannt, haben Sie das gewusst? Es sei denn, er bringt sich oder einen Kritiker spektakulär um. Aber das ist ja walserischer Unsinn.
Also was tun? Ich sage nur ein Wort: SEX.
Sex sells. Immer. Rotzen Sie einen coitalen Auswurf in Ihren Text, und die Kasse klingelt. Glauben Sie mir.
An was denken Sie bei Grass' 'Katz und Maus'? An die Masturbationswettkämpfe. Und bei Folletts 'Pfeiler der Macht'? An geschmierte Brötchen. Sehen Sie! Sex sells.
Millionen kaufen Vandenberg oder Klugmann oder Houllebecq nur wegen der Sexszenen. Und die sind meistens völlig unnötig, zusammenhanglos, ja oft sogar störend und wahrscheinlich vom Lektor heimlich hineingemogelt. Sex sells. Warum nicht auch Ihr Buch? Oder denken Sie an Roches 'Feuchtgebiete'. Aber so übertreiben sollten Sie nicht, denn Sie wollen doch Schriftsteller werden und nicht Proktologe.
Wie bitte? Warum sich die Leser nicht gleich einen Porno kaufen? Woher soll ich denn das wissen?
Aber weiter mit den Lektionen.
3. Lektion
Die Wahl der richtigen Zeitform.
Sie leben doch in der Gegenwart, sind ein moderner, lebensnaher Mensch, wollen nicht erst berühmt werden, wenn Sie tot sind. Warum sollten Sie also in der Vergangenheitsform schreiben? Ihre Verkaufszahlen werden explodieren, wenn sie das Präsens wählen. John Updike hat es doch vorgemacht. Nur Mut, wer ist schon John Updike gegen Sie! Und wenn Sie sehr innovativ sein wollen, nehmen Sie die Zukunft. Nein, ich meine nicht Zukunftsromane, sondern die Zeitform Futur. Das hat noch keiner gemacht, oder? Tun Sie's und Sie werden sehen wie das flutscht. Nur mit Futur II sollten Sie am Anfang etwas vorsichtig sein. Das ist eher was für schon etablierte Profis.
4.Lektion
Schreiben Sie aus dem Bauch heraus. Das ist heute modern. Man soll auf sein Bauchgefühl hören. Je größer der Bauch, desto tiefer das Gefühl.
Überhaupt Gefühle. Gerade hier sollten Sie in die Vollen greifen. Gefühle sind für weit über 50 Prozent der Leser das Wichtigste. Für die Frauen. Lassen Sie es so richtig triefen. Wenn Ihr Stift ausrutscht, oder das Schmalz aus der Tastatur quillt: Das macht nichts. Was glauben Sie wie hoch die Verkaufszahlen von Rosamunde Pilcher sind? Im schriftstellerischen Bereich gibt es nichts Wichtigeres als Gefühle (Ausnahme: Sex, s.o.). Hier eignen sich die vorher erwähnten Adjektive hervorragend.
Oder wollen Sie etwa einfach schreiben, dass es dunkel wird?
"Blutigrot quält sich eine ermattete,
ausgelaugte Sonne auf den unerreichbar fernen
Horizont über den düsteren, kahlen, toten
Wipfeln des zermarterten,
zerschundenen Waldes zu."
So klingt das richtig gut und füllt die Zeilen. Sie sehen an dem Beispiel auch, wie schräge Bilder hervorragend zum Stimmungsaufbau beitragen können.
5.Lektion
Der richtige Titel. Der muss etwas aussagen, der Käufer muss zwanghaft danach greifen, dann haben Sie ihn schon fast im Sack.
'08/15' - geht's noch blöder? 'Ausgebrannt' - was soll das denn sein? 'Ghost' - Na ja.
Aber: 'Jungfrauen – bis aufs Blut gequält!!!!' Das nenn ich einen Titel! (Beachten Sie die geniale Wirkung der vier Ausrufezeichen).
Lassen Sie Ihre Phantasie spielen, dann bleibt der Inhalt sekundär. Der Titel muss nichts mit dem Buch zu tun haben, sondern nur die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Eckhard Henscheid erklärt in 'Die Mätresse des Bischofs' erst seitenlang, warum in seinem Buch weder Bischöfe noch Mätressen vorkommen. Das können Sie sich sparen. Der Leser merkt das eh nicht, und wenn, dann können Sie sich immer noch auf die künstlerische Freiheit berufen.
6.Lektion
Apropos Freiheit. Die können Sie auch auf Grammatik und Orthographie anwenden. Missachtung derselben erhöht Ihre künstlerische Reputation enorm.
Sie haben drei Optionen: Entweder Sie brechen alle Regeln, oder nur ganz bestimmte, z.B. Groß/Kleinschreibung. Oder Sie variieren nach dem Zufallsprinzip. Diese Variante ist am schwersten zu durchschauen und deshalb künstlerisch besonders wertvoll.
7.Lektion
Personen und Schauplätze.
Verwenden Sie Namen, die sofort wieder vergessen werden oder unaussprechlich sind wie Schmidt oder Houllebecq (Franzosen eignen sich dafür hervorragend, vor allem für Leser, die kein französisch sprechen, und das sind fast alle) und Orte, an denen garantiert noch keiner war, z.B. Speckbrodi oder Darmstadt. Gestalten Sie Ihre Figuren so flach und profillos, wie Sie nur können. Ihre Leser sollen sich nämlich in Ihren Protagonisten wiedererkennen, dann glauben sie Ihnen auch die Sexszenen und werden begeistert sein.
8.Lektion
Recherchen.
Sind vertane Zeit. Dem Typen, der Ihnen nachweist, dass das Autokennzeichen AH-P 200 eigentlich ein Medikament ist können Sie zurufen: "Gut erkannt, du hast den Geheimcode entschlüsselt!", oder ihn einfach ignorieren. Das Buch hat der Erbsenzähler ja schon gekauft.
Doch jetzt die alles entscheidende Frage:
9.Lektion
Wie finde ich einen Verlag?
Hier der 1. Geheimtipp – exklusiv für meine Leser:
DKZVs. Druckkosten-Zuschuss-Verlage. Völlig zu unrecht verpönt, sind sie das ideale Mittel zu Ihrem Erfolg!
Natürlich müssen Sie anfangs etwas Geld investieren, was Sie nicht irritieren darf. Wenn Sie der Meinung sind, Geld sollte immer vom Verlag zum Autor fließen und nie umgekehrt, liegen Sie völlig falsch. Die DKZVs sind nämlich Non-Profit-Organisationen, denen nur die Hohe Literatur am Herzen liegt. Deshalb sind sie nicht so üppig mit Geldern ausgestattet, wie die großen Publikumsverlage. Gegen einen geringen Obolus lektorieren sie Ihr Werk sogar, was ich allerdings für unnötig erachte, wenn Sie meine Schreibkurse besucht haben.
Bei so einem Verlag ordern Sie dann, sagen wir mal 50.000 Exemplare, denn Ihnen wird sicherlich in Aussicht gestellt werden, dass 40.000 sofort über die Buchhandlungen weg gehen.
Doch was ist mit dem Rest? Sie wollen ja ein Superstar werden!
Hier ist der 2. Geheimtipp - exklusiv für meine Leser:
Alle DKZVs bieten Ihnen nach einiger Zeit die nicht verkauften Exemplare zum Erwerb an. Da schlagen Sie zu, denn Sie haben ja schon eine schöne Stange Geld verdient. Kaufen Sie alle!
Und dann schicken Sie je ein Exemplar an jeden verdammten Verlag, den Sie im Internet aufstöbern können. Und wenn's der Keller-Verlag ist. Der macht zwar nur Telefonbücher, aber wer weiß?
Und genau das ist es, was Verlagslektoren lieben. Keine fleddrigen Manuskriptstapel, sondern fertige Bücher, fest gebunden, bereits lektoriert und veröffentlicht. Die kaufen zu jedem Preis, den Sie für die Nachdrucklizenz gegenseitig ins Unermessliche hochsteigern werden, glauben Sie mir.
Das ist das ganze Geheimnis eines Mega-Erfolges.
Also los, hauen Sie in die Tasten frei von der Leber weg, die Buchmesse wartet!
Sie wollen ja ein Star werden und mit Dire Straits singen können:
"That ain't workin' that's the way you do it
Money for nothin' and chicks for free…"
VIEL ERFOLG!!!!
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Texte: Bert Rieser
Bildmaterialien: Uta Herbert / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2009
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