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Neulich

 

musste ich erfahren, dass ich eine Pappel bin. Hat mich erst einmal gefreut, da die Pappel sehr dekorativ ist, das Auge durch ihr Aussehen erfreut und überhaupt nicht zu altern scheint. Prima. Bringt zwar ihr Leben lang den Arsch nicht vom Fleck, aber sonst…
"Na ja, das ist übertragen gemeint", klärte mich meine Gesprächspartnerin auf und stamme aus dem keltischen Baumhoroskop, dem Horoskopes Gauloises.

Meine Frage, ob es auch ein Horoskopes Gitanes oder eins für Nichtraucher gibt, würgte sie mit einer Bemerkung, die wie ´Ignorant´ klang ab und reichte das ´ECHTE Keltische Baumhoroskop-Buch weiter an die schon etwas (wein)geistig fortgeschrittenere Partygesellschaft.
Dort fiel es auf fruchtbaren Boden. Schnell suchte jeder seinen Baum auf, wie diverse Hunde im Stadtpark, und Feststellungen der Art:
"Du wirst es nicht glauben aber mein Chef ist eine EIN-DEUTIGE Kastanie! Und das mir!", machten die Runde.
Meine etwas hilflose Frage, wenn ich im Zeitungshoroskop ein Löwe, im chinesischen ein Drache, bei den Azteken ein Xochitl und im vedischen Horoskop gar ein Karka bin, warum ich dann auch noch eine Pappel sein muss, wurde etwas irritiert zur Kenntnis genommen.
"Gerade im Vedischen hilft dir JYOTISCH, die Wissenschaft vom Licht, dort zu sehen, wo ansonsten Dunkelheit herrscht."
"Ich dachte, das macht OSRAM: Hell, wie der lichte Tag?", wagte ich sarkastisch zu antworten. Böser Fehler. Mächtig böser Fehler.
Ich wurde ignoriert. Deshalb verabschiedete ich mich schnell, und beim Heimweg kam mir ein Gedanke: So ein Horoskopsystem könnte man doch selbst erfinden und auf den ach so aufnahmebereiten Markt werfen. Zum Beispiel ein ECHTES Germanisches Runenhoroskop.
Meine Marktlückenrecherche bei Google schmetterte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Meine Idee war Asbach-uralt. Besagtes Keltenhoroskop wurde ebenso wie das arabische und das tibetische Horoskop (nach dem jetzt das Jahr der Erdmaus angebrochen ist – kein Scherz!) in den 70ern für die Zeitschrift Marie Claire erfunden. Und Runenhoroskop? Sie ahnen es.
Ich suchte weiter nach einer Nische. Partner-, Liebes-, Berufs-, Kinder-, Karmahoroskope, klar, alles schon abgedeckt. Mondknotenhoroskop, Dekupitur-, Indianer-, Elektions- und Mundanhoroskope – ich gab auf. Unglaublich, was es so gibt.
Letzter Versuch: Mayahoroskop. Das erschütterte mich wirklich. Mich beschlich die Angst, dass ich diesen Leuten jeden Tag, in der U-Bahn, im Kaufhaus, beim Bäcker begegnen kann. Und diese Leute sind geschäftsfähig im Sinne des Gesetzes.
Ziemlich ratlos ging ich mit meiner Frage zu Bett: Wie werde ich als Löwe wohl im Jahr der Erdmaus bestehen können?

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Tag der Veröffentlichung: 28.09.2008

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Widmung:
Noch 'ne Glosse (Nr.4)

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