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In Arrelam, dem Land der Flüsse und Seen, saß die Wasserelfe Moraja auf einem Stein und schaute versonnen in die dunstigen Schleier, die jeden Tag über dem Wasser schwebten. Ein ungeschultes Lebewesen könnte hier nicht lange Leben. Arrelam war ein Labyrinth aus Tausenden Seen, Flüssen, Mooren und Sümpfen. Kannte man die Pfade nicht oder war man nicht fähig, durch die Schleier zu sehen, erwartete einem Besucher nichts anderes als der Tod.
Doch Moraja war noch sehr jung, jedenfalls für eine Elfe, und wusste nicht von anderen Lebewesen außer ihren Stammesgenossen. Sie wusste nur, das es noch andere Elfenstämme gab, die irgendwo in diesem riesigen Land lebten, aber sie hatte keine Ahnung, wo, und sie wollte es auch gar nicht wissen. Ihre Gedanken hingen gerade dem jungen Elfenmann nach, der sie vorhin fast umgerannt hätte. Er hatte anders ausgesehen als sie, als alle elfen, die sie kannte. Er war viel größer gewesen, und muskulöser. Außerdem hatte er eine komplett andere Hautfarbe als ihr Stamm. Doch trotzdem hatte er sie fasziniert. Gerne wäre sie ihm hinterher gerannt, doch leider hatte Naja, ihr Schwester, befohlen hier auf sie zu warten. Moraja unterstand noch Naja, da diese älter war als sie selbst. Und der Befehl wirkte wie eine Fessel auf sie. Sie konnte sich einen Meter um den Stein bewegen, aber wenn sie weiter weg wollte, rannte sie gegen eine unsichtbare Mauer und der Kopf fing an zu schmerzen. Plötzlich hörte sie die stimme ihrer Schwester, und verwundert schaute sie sich um, denn sie hatte nichts gehört. Doch Naja lachte sie aus, und da verstand Moraja, dass die Stimme nur in ihrem Kopf existierte. Naja hatte Verbindung mit ihr aufgenommen. „Was willst du?“, fragte sie unwirsch. „Ich wollte dir nur sagen, dass du deinen Geist wieder viel zu sehr auf Wanderung schickst. Das ist nicht gut, denn so kann man dich viel leichter aufspüren. Du solltest deine Barrikaden wirklich fester bauen!“ Moraja gab keine Antwort, sondern verschloss fest ihre Gedanken. Wie aus weiter Ferne hörte sie noch den Schmerzensschrei ihrer Schwester. „Tja,“, dachte Moraja, „Pech gehabt. Wenn du mich schon auf meine Fehler hinweist will ich sie wenigstens auch gleich korrigieren. Was musst du den auch länger als nötig in meinem Geist verweilen!“ Ein boshaftes Grinsen stahl sich über ihr Gesicht. Sie hasste es, wenn Naja sich als ihre Lehrerin aufspielte. Wozu gab es die Freizeit, wenn man sich nicht wenigstens da mal entspannen durfte. Die Schule war schon so anstrengend genug, da musste nicht noch Naja kommen und sie während ihrer freien Zeit belästigen. Beleidigt suchte sie nach ihren Gedanken, die durch Najas Eingriff durcheinander geraten waren. Erbost musste sie feststellen, dass Naja ihr diese gestohlen hatte. Wozu hatte man eine so verdammt begabte Schwester, wenn sie einem mit ihrem Können nur schikanierte. Nach einer weiteren stunde tauchte Naja dann endlich auf. Sie hatte ein verkniffenes Gesicht aufgesetzt. „Du hast dir doch hoffentlich keinen Ausländer ausgesucht, oder?“ Verwirrt starrte Moraja ihre Schwester an. Ausländer? Aussuchen? Was sollte diese komische Frage? „Was soll das? Was meinst du mit aussuchen?“ „Hat Pallah dir noch nichts davon erzählt?“ fragte Naja und schaute ein bisschen ängstlich. Mit einer bösen Vorahnung fragte Moraja : „Was soll ich wissen!“ Ihre Frage klang böse und Naja versuchte sie abzuwimmeln. „Lass es dir Lieber von Pallah erklären, ich weiß nicht so genau, wie ich es dir erläutern soll.“ Mit diesen Worten drehte sich Naja um und verschwand im Dickicht. Ärgerlich folgte ihr ihre Schwester.
Als sie nach einer halben Stunde in ihrem Dorf ankamen, hatte sich Morajas Zorn noch immer nicht gelegt und sie versuchte gleich an ihrer Schwester vorbei zu Pallah, dem Dorfhüter, zu schleichen. Pallah war ein Name, aber gleichzeitig auch ein Titel. Doch wie immer verhinderte es Naja leicht und schaute ihre Schwester ungeduldig an. „Du bist wirklich unverbesserlich“, zischte sie. „Wie kannst du es dir erlauben ohne zu fragen und dich gebührend zu verabschieden einfach davonzustehlen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Pallah dich jetzt nicht empfangen kann und will.“ Sie nahm ihre Schwester am Arm und zog sie zu der Hütte. Hütte war eigentlich das falsche Wort. Es war ein Dach aus Blättern, das allerdings wirkte, als wäre es schon so gewachsen. Diese Dach hing ungefähr 10 Meter über dem Boden. Darunter war eine Plattform angebracht, die sich ungefähr auf einer Höhe von fünf Metern befand. Sie bestand aus mehreren, meterdicken Ästen, die auch, wie das „Dach“ wohl schon so gewachsen waren. Von dieser hing eine Strickleiter herunter, die allerdings schon nach zwei Metern aufhörte und im leichten wind in und her schaukelte. Moraja und Naja gingen zu dieser Hängeleiter und ohne große Mühe sprangen sie aus dem Stand die drei Meter in die Höhe und zogen sich dann an der Strickleiter hoch und waren in Windeseile auf der Plattform angelangt. Diese war riesig, und quadratisch, jede Seite war ungefähr fünfzehn Meter lang. In der Mitte prasselte ein azurblaues Feuer, darüber hing ein Kessel, der einen beißenden Geruch verströmte. „Mama! Wir sind zurück!“, meldete Naja sich und ihre Schwester wieder an. Die Mutter war eine junge, gut aussehende Dame mit hüftlangen, rabenschwarzen Haaren, was daraufhin deutete, dass sie verheiratet war, denn nur verheiratete Frauen durfte sich ihre haare lang wachsen lassen. Sie strahlte eine ungeheure Kraft und Gelassenheit aus, die auch bei Moraja ihre Wirkung nicht verfehlte. Sofort wurde sie ruhiger und lächelte ihre Mutter an. „Habt ihr alles gefunden, was ich euch suchen lassen habe?“, fragte sie in einem melodischen Singsang. „Ich habe Moraja wieder bei dem Stein gelassen und habe die Kräuter selbst gesucht. Ich hoffe es sind die richtigen.“ „Warum hast du sie nicht mitgenommen? Auch Moraja muss lernen die Kräuter zu suchen, ich habe sie dir mitgegeben, damit du ihr beibringst, wie man die Kräuter erkennt und pflückt, nicht um sie irgendwo sitzen zu lassen.“ Die Mutter war sauer, das hörte man, aber ihre Ausstrahlung war immer noch gelassen, als habe sie eben nur mit einem anderen elfen ganz normal geredet, und nicht die Tochter gemaßregelt. Doch trotzdem senkte Naja beschämt den Kopf. Sie hasste es, ihr Mutter zu enttäuschen. „Entschuldige Mama, ich wollte nur alles ganz schnell erledigt haben, da habe ich nicht daran gedacht, dass du mit Moraja etwas vorhattest und du sie mir nicht ohne Grund mitgegeben hast.“ Es entstand eine kleine Pause, dann erzählte Naja von Morajas Unachtsamkeit, doch die Mutter schimpfte nicht, sie sah ihre Tochter nur kurz tief in die Augen und beließ es dabei. „Ich werde für dich bei Pallah um eine Unterredung bitten.“, sagte die Muter und verschwand von der Plattform, indem sie einfach hinuntersprang. Moraja atmete tief durch. „Auch wenn ich sie schon lange kenne, ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass sie alle unsere Gedanken lesen kann, ohne dass sie dabei die Perspektive wechseln muss. Ich hoffe, dass ich diese Unterredung mit Pallah bald habe, ich will endlich wissen, was du vorhin angedeutet hast.“ Das willst du nicht, dachte Naja bitter, aber sie sagte es nicht sonder nahm aus einer Umhängetasche, die sie unter ihrem Kittel trug die Kräuter heraus und streute sie in den Kochtopf. Sofort roch er lieblich nach leckerer Suppe, und nicht wie vorher nach ein paar verbrannten Kitteln. „was gibt es heute?“, fragte Moraja ihre Schwester, die die Suppe umrührte und abschmeckte. „Erbsen mit Mangos und Paprika.“, antwortete sie und verzog das Gesicht. „Mutter macht immer so komische Mixturen aus den seltensten Pflanzenarten. Warum kann sie nicht mal ganz normales Erbsenpüree mit Paprika machen, sonder muss da noch Mangos reinschnipseln. Ich wette Vater war wieder ewig auf der Suche um die zu finden.“ Moraja musste lächeln. „Aber trotzdem schmeckt sie doch ziemlich gut, denke ich, so wie die meisten Mixturen, die sie erfindet. Wenigstens wird das Essen dann nie langweilig.“, entgegnete Moraja, während sie nach den Broten suchte, die Mutter doch schon gebacken haben musste. Doch sie konnte sie nirgends finden. „Hast du die Brote irgendwo gesehen?“, fragte sie ihre Schwester verwirrt. „Ach, sperr doch die Augen auf, die müssen hier doch irgendwo liegen!“, antwortete diese leicht genervt. Moraja hielt den Blick fest auf den Boden gerichtet, um nach den Broten zu suchen, so merkte sie nicht, wie sie sich den Rand de Plattform näherte. Sie stieß einen erstickten Schrei aus, als sie den Boden unter den Füßen verlor. Naja sah nicht einmal auf, sondern wartete, bis ihre Schwester zerknirscht wieder die Strickleiter emporkletterte, Sie hatte sich nicht einmal einen Kratzer geholt, obwohl der Boden doch noch mit Steinen übersät war. Naja wollte gerade zu einer spöttischen Bemerkung ansetzen, als sie hörte, wie ihre Mutter zurückkam. Sie rief Moraja zu sich. „Du sollst sofort zu ihm kommen. Er möchte, dass du mit ihm zu Mittag isst.“ Moraja seufzte schwer. Sie mochte Unterredungen mit Pallah überhaupt nicht, und das noch weniger, wenn es sich über eine Mahlzeit erstreckte. Doch trotzdem war sie gespannt auf das Thema, was doch ziemlich wichtig sein musste, wenn Pallah sie extra deswegen nicht mit der Familie essen ließ, was ihm doch heilig war. Er wollte unbedingten Zusammenhalt in den Familien, und das wichtigste dazu, fand er, waren gemeinsame Mahlzeiten. Doch trotzdem Folgte sie ihrer Mutter hinter eine Wand, die ein Viertel von der offenen Plattform abtrennte. Sie bestand aus herunterhängenden, ineinander verwobenen Ästen. Hinter dieser Wand verbargen sich Beten und ein Tisch mit einer Wasserschale darauf, der ihnen als Spiegel diente. Die Mutter hatte ein langes Messer vom Feuer mitgenommen, das sie jetzt an einem Stein, den sie bei sich trug, schliff. Dann forderte sie ihre Tochter auf, sich auf den Boden zu setzen. Moraja setzte sich und seufzte schwer. Sie hasste diese Prozedur, doch sie musste vor dem Pallah ordentlich erscheinen. Langsam fing ihre Mutter an, ihre Haare kurz zu schneiden. Dabei sang sie uralte Verse zu überlieferten Melodien. Moraja spürte die Haare zu Boden fallen. Sie wollte nur aus einem Grund heiraten, sie wollte sich die haare lang wachsen lassen. Doch das war ein kindischer Wunsch und sie verbat sich immer, daran zu denken. Trotzdem konnte sie es nie lassen, die haare danach aufzufegen und in diese in eine große Glaskapsel zu tun. Inzwischen brauchte sie fast eine zweite. Nach einer viertel Stunde war ihre Mutter endlich fertig. Moraja fuhr sich durch die kurzen Haare. Je jünger man war, umso kürzer mussten die Haare. Ihre waren gerade einmal 0,8 cm lang. Ihre Mutter lächelte. „Daran musst du dich nicht mehr gewöhnen.“ Mit dieser Bemerkung ließ sie ihre Tochter stehen, die ihr mit verdutzter Miene hinterher sah. Sie zog sich ihren alten Kittel aus und ein neues Gewand an, das aus feinerem Gewebe bestand und sogar leicht tailliert geschnitten war. Sie band sich noch ihr gutes, blaues Band um die Hüften, dann trat sie hinter der Wand hervor auf die freie Plattform hinaus. Ihre Schwester ließ einen prüfenden Blick über sie gleiten. „Schick, schick!“, meinte sie leicht spöttisch, da sie wusste, dass ihre Schwester die feinen Sachen verabscheute. Dann aber sagte sie ernst: „Ja, sieht gut aus. Ich denke, so kannst du dich sehen lassen. Mutter ist schon voraus gegangen, um dich anzumelden. Spring lieber nicht, sonst machst du dich noch schmutzig!“ Die letzte Aussage quittierte ihre Schwester mit einer herausgestreckten Zunge, und um ihre Schwester zu provozieren sprang sie von der Plattform. Seufzend ging ihre Schwester zum Plattformrand und sah hinunter. Moraja stand unten- unbefleckt, und um die Provokation perfekt zu machen, klopfte sie sich noch den imaginären Staub von ihrem Gewand. Naja rief ironisch hinunter: „Bravo, hast du es doch noch gelernt?“ Genauso ironisch lächelnd verbeugte Moraja sich tief, wirbelte dann herum und verschwand im Dorf.
Während Moraja zur Hütte des Pallah eilte, sprach ihre Mutter gerade mit ihm. Sie führten ein sehr lautes Gespräch miteinander, sie stritten regelrecht. „Du kannst ihr das nicht antun!“, sprach Morajas Mutter, die Sanayana hieß, gerade. Man hörte, wie sie versuchte den Pallah nicht anzubrüllen, „Du weißt nicht, was du ihr damit antust!“ „Was glaubst du, Sanayana? Denkst du wirklich, ich weiß nicht, was Moraja will und was nicht? Ich möchte, wie du wissen solltest, auch nur das Beste für sie! Und zu entscheiden, was das Beste für sie ist, das überlässt du bitte mir!“ „Aber diesmal irrst du dich, Pallah! Dieses mal weißt du es nicht! Sie ist noch nicht bereit dafür!“ „Das hast du nicht zu entscheiden!“, donnerte der Pallah. „Dir steht es nicht zu, darüber zu urteilen!“
In diesem Moment erreichte Moraja die Hütte. Diesmal war es eine Aushöhlung in einem gewaltigen Baum, doch diese wurde nicht durch Elfenhand geschaffen. Sie wollte gerade anklopfen, da hörte sie, wie der Pallah ihre Mutter zurechtwies. Sie zögerte, doch sie hasste es zu lauschen. Da nahm sie allen ihren Mut zusammen und klopfte. Sofort verstummte das Gespräch. Ohne dass ein weiteres Wort fiel, stürmte ihre Mutter aus der Hütte. Ihre Haut hatte eine dunkelblauere Farbe angenommen als üblich, sie musste sich sehr aufgeregt haben. Ohne ihre Tochter noch eines Blickes zu würdigen marschierte sie Richtung zu Hause. Doch Moraja entging nicht der glühende und doch sorgenvolle Blick, den ihre Mutter noch einen Bruchteil nach verlassen der Hütte in ihren Augen hatte.
„Komm herein, Moraja! Ich habe dich schon erwartet!“, erklang eine samtene Stimme aus dem Inneren der Hütte. Man hörte nicht mehr, wie sehr sich de Pallah gerade noch aufgeregt hatte. Verunsichert verbeugte sie sich vor dem Dorfhüter. „Pallah!“ „Setz dich doch, Moraja! Unsere Unterhaltung kann noch eine ganze Weile dauern.“ Er ging zu einem Tisch. „Du hast sicher Hunger. Hier sind Magnola- Wurzeln, Mangos und Erbsenpüree. Außerdem natürlich Fleckenbrot.“ Moraja musste unwillkürlich lächeln. Diese drei Speisen kamen ihr irgendwie bekannt vor. Nur dass diese hier getrennt und nicht zusammengemixt waren. Langsam ging sie zu dem Stuhl, den der Pallah ihr angeboten hatte und setzte sich. Der alte Mann schob ihr die Schüsseln hin. „Bedien dich!“ Moraja griff zu, doch anstatt sich selbst zu nehmen, tat sie zuerst dem Pallah etwas auf und bestrich sich erst dann ihr eigenes Brot dick mit Erbsenpüree. Der Pallah ließ einen anerkennenden Blick über sie schweifen. Ein außerordentlich höfliches Mädchen, stellte er fest. Was er sagte, war aber: „Du bist sehr hübsch und groß geworden, Moraja. Und du siehst sportlich aus!“ Moraja versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. Sie brachte vor Aufregung kaum einen Bissen herunter und er kam ihr mit Komplimenten! „Das wird deinen zukünftigen Mann sehr freuen!“ Moraja konnte bis dahin noch eine unverbindliche Miene aufsetzen, doch jetzt entgleisten ihr jegliche Gesichtszüge. Fassungslos starrte sie ihn an und brachte keinen Ton hervor. Der Pallah sprach in einem unbekümmerten Ton weiter, als hätte er Morajas Schock gar nicht bemerkt. „Die Hochzeit wird in drei Wochen stattfinden, damit noch genug Zeit bleibt, dir ein Kleid zu schneidern. Ihr zieht dann in das benachbarte Dorf. Es ist ungleich größer als unseres, aber ich bin überzeugt, du wirst dich gut einleben.“ Die Worte waren für Moraja wie ein schlag ins Gesicht. Erst heiraten, und dann noch wegziehen! Den Tränen nahe fragte sie: „Werde ich auch noch nach meiner Meinung gefragt?“ „Ich denke nicht, dass es so schwer sein wird, deine Zustimmung zu erhalten. Wut stieg in Moraja hoch. Wie kam er dazu, so über ihr Leben zu bestimmen?! „Oh doch, das wird es! Alle dürfen sich ihren Mann aussuchen, und auch wann sie heiraten wollen! Ich bin noch ein Kind. Ich darf nach den Gesetzen noch gar nicht heiraten! Naja hat auch noch keinen Mann, ich darf nicht...“ „Ich bin der Pallah,“ , fiel ihr der alte Mann ins Wort, „ich darf also auch über Gesetzesänderungen entscheiden!“ Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Iss, du wirst deine Kräfte noch brauchen.“ Doch Moraja war der Appetit gründlich vergangen. Brüsk fragte sie: „Darf ich mich entfernen?“ „Nein!“, antwortete ihr der Pallah. „Du wirst nicht mehr zu deiner Familie zurückkehren. Du wirst für die restliche Zeit bei mir bleiben, damit ich dich auf die Hochzeit vorbereiten kann.“ „Das kannst du mir nicht antun!“, schrie Moraja. In ihrer Wut vergaß sie, vor dem Pallah in der Höflichkeitsform zu sprechen. „Du kannst mir doch nicht meine Familie wegnehmen! Gerade jetzt!“ Die ganze so mühsam unterdrückte Wut schoss in ihr hoch und ihre Augen glühten wie Feuer. „Ja, gerade jetzt!“, entgegnete der Pallah durch Morajas Wut inzwischen leicht ungehalten. „Das muss jetzt sein, damit du dich vollständig auf die Hochzeit vorbereiten kannst. Außerdem kannst du dich gleich abnabeln, denn nach der Hochzeit gehst du mit Macheras gleich ins andere Dorf.“ „Heißt das, ich werde meine Familie erst zur Hochzeit wiedersehen?“, fragte Moraja tonlos. Ihr Wut war während der letzten Worte des Pallah verraucht, zurück blieb nur eine dumpfe Leere. „Nein. Du wirst sie nie wieder sehen. Glaub mir, das ist besser so. Möglichst wenig Kontakt zur Außenwelt ist jetzt von Nöten. Denn, nun ja, mit Macheras, da gibt es noch ein Problem.“ Moraja schwante nichts Gutes. Wie aus weiter Ferne hörte sie ihre Schwester sagen: „Ich glaubs nicht! Hast du dir einen Ausländer ausgesucht?“ „Ein Ausländer!“, hauchte sie fassungslos. „Was?“, fragte der Pallah scharf. „Woher weißt du davon?“ Moraja hörte ihn nicht. Sie hatten es gewusst, und sie hatten sich nicht von ihr verabschiedet. Ihre Mutter hatte sie nicht einmal mehr angesehen! Wie konnten sie nur! Wie konnten sie ihr nur so etwas antun?! „... in die hintere Kammer gehen?“ Die Worte Pallahs rissen sie aus ihren schrecklichen Gedanken. „Würdest du bitte in die hintere Kammer gehen?“, wiederholte der Pallah. Inzwischen klang er leicht genervt. „Was passiert, wenn ich mich weigere zu heiraten?“ Der Pallah seufzte tief. „Ach, Moraja! Willst du jetzt wirklich ein Kräftemessen mit mir anfangen? Du würdest damit mich und auch das ganze Dorf, da ich ja dessen Hüter bin, schwer beleidigen. Mit dir dürfte keiner mehr leben, reden, oder dich nur ansehen. Dein ganzes Leben lang. Und vergiss nicht, so ein Leben kann sehr lange dauern! Und jetzt komm, ich möchte dich nun die Bräuche des anderen Stammes einweisen.“
Auf der Plattform von Morajas Familie trafen sich sämtliche Familienmitglieder, auch die Cousins und Cousinen. Insgesamt umfasste der Familienclan sechzehn Elfen, die jetzt dicht gedrängt beieinander saßen und sich beratschlagten. „Ich lasse mir meine Moraja nicht einfach so wegnehmen.“, sagte Morajas Mutter gerade. „Er wird schon seine Gründe haben Du solltest nicht an ihm zweifeln!“, entgegnete eine Frau, der man ihr hohes Alter nur an den schlohweißen Haaren ansehen konnte. „Ja, wir wissen, dass du ihn ungefragt verehrst, aber trotzdem verstehe ich nicht, warum gerade Moraja? Naja ist älter. In der Reihenfolge wäre erst sie dran!“, gab eine Cousine zu bedenken. „Um Ashwes Willen. Also heiraten will ich auch nicht, ich bin so glücklich, dass es an mir vorbeigeht. Aber schaut mich nicht so böse an, ich will Moraja auch wieder hier haben! Schließlich ist sie meine Schwester!“, sagte Naja, die noch immer die Suppe umrührte. „Will jetzt noch jemand was essen? Wenn ihr jetzt nicht esst, wird die Suppe ungenießbar.“ „Moraja hat es nicht verdient. Sie ist noch nicht reif. Und dann noch einen Ausländer!“, fuhr eine andere Cousine fort, ohne Naja zu beachten. Diese ließ den Löffel in die Schüssel fallen und setzte sich zu den anderen, wobei sie ihren rechten Unterarm rieb, der vom ganzen Umrühren leicht verspannt war. „Das wir was unternehmen müssen, haben doch inzwischen alle geschnallt. Aber vielleicht sollten wir uns jetzt überlegen, was wir machen wollen. Wir brauchen gute Argumente, um Pallah z überzeugen.“, bemerkte Morajas Vater, der sich bis jetzt immer zurück gehalten hatte. Eine tiefe Sorgenfalte zerfurchte seine Stirn. „Alles was wir bisher gesagt haben, wird er ohne große Mühe entkräften. Man muss schon sehr gut Argumente haben, damit er sich umstimmen lässt.“ „Malachos hat Recht.“, sagte ein Cousin. „Wir müssen zusammenhalten und sehen, wie wir Moraja helfen können. Außerdem müssen wir versuchen, sie zu sehen, damit sie getröstet werden kann. Ich kann mir vorstellen, dass es ihr gerade richtig dreckig geht.“ Naja nickte zustimmend. „Sie ist keine Weichei, aber ich glaube, sie kann jetzt jede Unterstützung gebrauchen. Außerdem, denke ich, ist sie sauer, weil wir ihr nicht geholfen haben-“ „Aber das konnten wir doch gar nicht ahnen!“, fiel Sanayana ihrer Tochter ins Wort. „Wer konnte denn ahnen, dass Pallah sie für die restliche Zeit dabehalten wird!“ „Das ist doch klar, aber versetz dich doch mal in Morajas Lage! Sie denkt, wir wussten davon und haben uns nicht gezuckt, als sie gegangen ist! Ich habe ihr nicht mal auf Wiedersehen gesagt!“ „Sie hat Recht“, sagte die Oma. „Vielleicht würden wir uns genauso verhalten!“ „Und ich Esel habe noch gedacht, dass sie sich ihren Partner aussuchen kann!“, rief Naja. „Das haben wir alle gedacht!“, versuchte die Mutter Naja zu trösten. „Kannst du denn nicht versuchen, mit Moraja Kontakt aufzunehmen? Du als ihr Mutter müsstest es doch relativ problemlos schaffen, auch über die Entfernung.“, schlug der Opa vor. Sanayana schüttelte traurig den Kopf. „Pallah hat einen Schutzwall um seiner Hütte, da dring nicht einmal mehr die Mutter durch!“ „Aber es muss doch eine Möglichkeit geben!“, rief Naja zornig. „Es gibt für alles eine Lösung, wenn man nur lange genug danach sucht! Das sind deine Wort Mama!“ „Ja, aber – ach, ich weiß doch auch nicht mehr ein noch aus!“ Zornestränen, rot wie Menschenblut, kullerten über ihre Wangen. Auch Naja konnte ihre tränen nicht mehr länger zurückhalten. Malachos legte die Arme um die Schultern der beiden. „Uns wird schon eine Lösung einfallen. Unsere Gedanken sind nur gerade festgefahren und es ist schon spät. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen, wenn die Sonne den Gipfel des Mejos- Baumes erreicht hat. Vielleicht träumt ja jemand etwas Brauchbares. Ich glaub, das ist das Beste.“ „Ein weiser Rat, Malachos. Ashwe möge euch in euren Träumen beschützen und Ratschläge erteilen. Eine dunkle Nacht euch allen.“, verabschiedete sich die Oma und nach und nach leerte sich die Plattform wieder, bis nach einer Weile nur noch Malachos, Sanayana und Naja zurückblieben. Eine dunkle Nacht euch. Mama, Papa.“, sagte Naja, verbeugte sich vor ihren Eltern und verschwand hinter der Wand. Sanayana seufzte tief. „Ich glaube, Naja fällt es am Schwersten. Auch wenn sie es nicht zugibt, sie macht sich ziemliche Vorwürfe. Weil sie doch an der Reihe wäre.“ „Wieso glaubst du? Du könntest doch einfach in ihren Kopf schauen, da müsstest du es doch wissen!“ „Ich habe absichtlich nicht in ihren kopf geschaut. Sie brauch auch mal Zeit für sich alleine. Auch wenn es mir schwer gefallen ist, ich habe es geschafft, mich nicht in ihre Gedanken einzumischen.“ „Du hättest ihr aber die quälenden Gedanken nehmen können. Dann würde sie sich jetzt nicht solche Vorwürfe machen:“ Sanayana schaute entrüstet. „Erstens hätte ich dann die Gedanken und zweitens muss man auch lernen, sich keine Vorwürfe zu machen. Außerdem könnten diese Gedanken ihr helfen, dass sie etwas nützliches träumt.“, setzte sie hinzu, als sie merkte, dass ihr Mann ihr widersprechen wollte. „Sie muss auch langsam erwachsen werden.“ „Aber das wird sehr schwer! Möchtest du sie denn unnötig quälen?“, versuchte Malachos seine Frau zu überzeugen. „Sonst bist doch immer du es, der daran appelliert, die beiden selbstständig werden zu lassen!“, stichelte diese. „Haben wir plötzlich die Rollen getauscht?“, fragte sie und ein leises Lächeln huschte über ihr sonst trauriges Gesicht. „Ich möchte doch nur das Beste für sie!“, sagte er mit entschuldigendem Blick. „Das wollen wir alle, aber nicht immer ist das Beste das Einfachste!“, erklärte Sanayana. „Sie müssen lernen, alleine zurecht zu kommen. Gerade Moraja muss das jetzt lernen. Ach, wenn ich nur wüsste, wie es ihr geht!“, stieß sie frustriert hervor. „Lass uns noch einmal auf den Baum gehen und dann legen wir uns schlafen. Wir helfen ihr nicht, wenn wir uns um den so wichtigen schlaf bringen lassen.“ „Du hast Recht.“, sagte Sanayana. Damit fassten sie sich an den Händen und sprangen gleichzeitig in die Höhe, um dann in vier Meter Höhe auf einer Astgabel zu sitzen und die Steren zu betrachten.
Unten auf der Plattform wälzte Naja sich unruhig hin und her. Sie konnte nicht einschlafen. Immer wieder kamen Morajas Gedanken in ihr auf. Sie sah den großen Fremden, der grüne Haut hatte. Es war zum Verzweifeln! Sie hatte kaum etwas von diesen Ausländern gehört. In der Schule hatten sie nur andere Stämme durchgenommen. Außerdem ließen sich die Stämme normalerweise in Ruhe. Warum also fand plötzlich eine Heirat zwischen den Stämmen statt? Und warum gerade Moraja? Sie würde dort eingehen, denn so weit sie wusste, waren die grünen Elfen im trockenen Teil des Waldes beheimatet. Dort gab es große Lichtungen, die von dicken Grasschichten bedeckt waren. Aber sie, die Wasserelfen, brauchte doch Wasser, um sich Wohlzufühlen. Doch da gab es kaum Wasser! „Was weiß ich denn noch?“, fragte Naja sich. „Was weiß ich noch über diesen Stamm?“ Erschrocken musste sie feststellen, dass sie fast gar nichts wusste. Sie nahm sich vor, morgen durch das Dorf zu gehen und etwas in Erfahrung zu bringen. Mit dem Gedanken, vielleicht doch etwas tun zu können, fiel sie endlich in einen unruhigen Schlaf.
Auch Moraja konnte nicht schlafen. Sie fragte sich, was ihre Schwester jetzt wohl machte. Auch wenn sie ständig in Najas Schatten stand, sie vermisste ihre große Schwester trotzdem. Vor Allem aber machte ihr zu schaffen, was Pallah über das „Wild Volk“ erzählt hatte. Es war nicht viel gewesen, da er dann zu einer wichtigen Besprechung gerufen worden war. „Die Wilden“ waren ein Volk, was auf Wissen lebte. Das „Benachbarte Dorf“ war selbst in Elfengeschwindigkeit Tage entfernt. Es lag in einem anderen Teil des Waldes, in einem ganz anderem Land. Dort hatten alle eine grünliche Hautfarbe, sie würde also gekennzeichnet sein. Pallah meinte, sie wären dort sehr Ausländerfreundlich. „Doch trotzdem“, hatte sie trotzig gemeint, „ich bin trotzdem anders. Ich brauche das Wasser!“ De Pallah hatte nur tief geseufzt und war dann zu seiner Besprechung geeilt. Dabei hatte er ein paar Wörter vor sich hin gemurmelt. Vielleicht waren das irgendwelche Beschwörungen gewesen, die sie an das Haus fesselten und die anderen davon abhielt, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wenn sie wollten. Die Wut über ihre Familie und dem Pallah ließ sie lange nicht einschlafen. Die Sonne ging schon fast auf, als ihr endlich die Augen zufielen.

Als Najas Weckvogel anfing zu singen, sprang sie sofort aus dem Bett, was für sie sonst auch sehr unüblich war. Meist lag sie noch lange Zeit im Bett und ließ ihre Träume Revue passieren. Doch diesmal war sie schon aufgestanden, bevor ihr Vogel noch die erste Strophe seines Liedes fertig gesungen hatte. „Halt den Schnabel!“, fuhr sie den Vogel an, der ihr verletzt i die Augen sah und ihr dann den Rücken zukehrte. Normalerweise tat Naja so etwas sofort leid, doch diesmal nahm sie gar keine Notiz von dem armen kleinen Vogel. Diesem kullerten gerade zwei Tränen aus den Augen. Naja zog sich in fliegender Hast um und rannte lautlos auf die Plattform hinaus. Sie hoffte, ihre Eltern waren noch nicht aufgewacht, sie würden sie sonst sicher fragen, was sie schon so früh draußen machte. Die kühlen Nebelschleier legten sich um sie und hüllen sie ein wie in Watte. Diese Nebelschleier waren äußerst praktisch, man konnte auf ihnen reiten, wenn man ihr war. Außerdem ließen sie einen Verschwinden und verschluckten von diesem auch alle Geräusche. Diese Nebelbahnen verflüchtigten sich allerdings schon gegen Mittag, dann musste man alles laufen. Naja streichelte die Nebelschwaden, die sich sofort um sie herum schlangen. Vorsichtig stieg sie auf eine dieser Schwaden, die sich sogleich in Bewegung setzte. Mit einer Hand scheuchte sie die Schwaden unter ihr weg, sodass sie den Erdboden sehen konnte. Obwohl es noch früh am Morgen war, herrschte reger Betrieb in den Straßen. Viele Elfen hasteten hin und her, doch an Luftzügen an ihrer Seite merkte sie, das sich auch viele Elfen wie sie auf Nebelbarken von Ort zu Ort bringen ließen. Doch Naja hielt Ausschau nach einem ganz bestimmten Elfen. Er war Bäcker in diesem Dorf und Najas Vertrauter. Vielleicht konnte er ihr behilflich sein. Sie schwebte drei Runden über das Dorf, doch sie konnte ihn nirgends entdecken. Naja war verwundert. Pachos war Frühaufsteher, was man als Bäcker ja auch sein musste, und um diese Uhrzeit trug er meistens eine Backwaren aus. Sie zögerte eine Weile, bevor sie ihrer Nebelbarke einen Befehl gab.
Moraja erwachte, als der Pallah einen Gesang anstimmte. Verwirrt rieb sie ich den Schlaf aus den Augen,. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie ich erinnerte, wo sie war. Mit dieser Erkenntnis kam auch die Verzweiflung zurück, die von ihr seit gestern Abend Besitz ergriffen hatte. Moraja wollte sich aufsetzen, als der Pallah die Hände auf ihre Schulter legte und sie sanft zurück auf ihr Kissen drückte. Verwirrt sah sie den Pallah an, doch dieser hatte die Augen geschlossen und schien sich während des Singens immer weiter geistig zu entfernen. Sie versuchte zu verstehen, was e sang. Als sie das Lied erkannte, hatte sie das Gefühl, eine Ohrfeige bekommen zu haben. Tränen stiegen ihr in die Augen und ihr Herz fühlte sich an, als würde es eine große Hand umklammern und sehr fest zudrücken. Es war das Lied ihrer Mutter, welches ihr früher zum Einschlafen und Haarschneiden vorgesungen worden war. Am Liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm den Mund zugehalten, doch gerade als sie ihre Muskeln anspannte, verstummte der Pallah. „Guten Morgen!“, sagte er. „Zeit zum Aufstehen.“ Moraja erhob sich und suchte nach ihren Kleidern. Sie waren verschwunden. Der Pallah bemerkte ihren suchenden Blick und erklärte: „Du brauchst keine Sachen. Frühstücken kannst du in deinem Schlafgewand, für den restlichen Tag brauchst du keine Kleidung.“ Verwundert drehte sie ich um, um in den Speisesaal zu gehen. „Dein Esse ist hier!“ ließ sie die Stimme des Pallah aufschrecken. Hungrig machte sie sich über das Essen her. Der Pallah stand einfach nur daneben und schien keinen Hunger zu haben. Nachdem sie gesättigt war, folgte sie dem Pallah nach draußen. Nebel hing noch auf den Straßen. Sie versuchte irgendwo ein bekanntes Gesicht ausfindig zu machen, doch der Pallah ließ ihr keine Gelegenheit dazu. Sofort hatte auch er eine Nebelbarke ausfindig gemacht und schickte sich an, aufzusteigen. „Du nimmst die da drüben!“. Seine Wort verpufften, als sie den Vertraute ihrer Schwester sah. Doch der Pallah hatte ihren Blick bemerkt und den Nebeln ein Zeichen gegeben. Undurchdringlich umschlossen diese nun Moraja. „Wenn man nur für eine Sekunde unachtsam ist, kann es einem die ganze Mission gefährden.“, dachte er grimmig. Dann ließ er die Barken aufsteige und steuerte in Richtung Westen.
Sanayana schreckte auf, als sie die Stimme ihres Mannes hörte. „Wach auf Sanayana, wach auf!“, rief er eindringlich. Verschlafen schaute sie Malachos in die Augen. „Guten Morgen!“, sagte sie und gähnte herzhaft. Doch ihr Mann antwortete nicht sondern legte gleich mit seinen Neuigkeiten los: „Naja ist weg, sie muss schon sehr früh aufgestanden sein! Und sie hatte es eilig, denn ihr Weckvogel war ganz beleidigt, dass er sein Lied nicht vollständig vortragen durfte. Und dann erreichte mich die Nachricht dieses Bäckerjungen! Er erzählte mir, Moraja und der Pallah seien heute in aller Frühe aufgestanden und in Richtung Westen geflogen!“ Bei diesen Worten schreckte Sanayana auf. Ihre Augen waren schreckensgeweitet. „Nein, nein, nein“, stammelte sie wie gelähmt. „Nein, das darfst du nicht tun!“ Den letzten Satz schrie sie heraus, und schneller als ihr Mann gucken konnte, war Sanayana auf die Plattform gelaufen, hatte mit ein paar Worten die Nebel, die schon dabei waren sich zu verflüchtigen, zurückgerufen, war auf eine Barke gesprungen und hatte sich Richtung Westen gewandt, auf Verfolgungsjagd nach Moraja.
Diese saß unterdessen auf ihrer Barke und versuchte zu ergründen was der Pallah jetzt wohl mit ihr vor hatte. Was in Richtung Westen lag, war das Geheimste, was es in ihrem Volk gab. Nur wenigen war diese Wissen vorbehalten. Was konnte so schrecklich sein oder o mächtig, dass die Meisten, die wussten was sich dort befand schon allein bei dem Wort zusammenzuckten. Doch als ihr nichts einfiel, ließ sie es bleiben und übte sich in Gedanken verbergen. So log sie eine gewisse Zeit noch entlang, als sich der Pallah zu ihr umdrehte und sagte, dass ihr Ziel nun in erreichbarer Nähe sei. Als es sich wieder nach vorne umdrehte, glaubte sie, ein schmerzhaftes Zucken über sein Gesicht huschen zu sehen. Doch leider konnte sie es nicht herausfinden, denn der Pallah flog zu weit vorne als dass sie sein Gesicht erkennen konnte. Doch ihr entging nicht, dass die Barken nun noch schneller flogen. Allerdings wunderte sie sich nicht darüber, vielleicht hatten sie ja schon zu lange gebraucht. Nach eine Weile bemerkte sie, wie die Barken immer langsamer wurden, und immer tiefer sanken. Sanft spürte Moraja, wie ihr nackten Füße sanft den weichen Boden unter ihr berührten. Als die Barken sie auf den Boden stellten, schwankte Moraja ein wenig. Sie war noch nie so lange geflogen und es war schon im ersten Augenblick etwas komisch, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Der Pallah ergriff mit fester Hand ihren Ellenbogen und führt sie aus den Nebel heraus, das Gesicht noch immer abgewandt. Als die Nebel sich lichteten, riss Moraja überwältigt die Augen auf. Vor ihr lag eine riesengroße Lichtung, alles war grün, was war eine Wiese mitten im Wald, etwas vollkommen untypisches für ihr Land. Doch inmitten dieser grünen Insel war ein See, doch so groß, dass sie von hier das andere Ufer nicht erkennen konnte. Er hatte ein vollkommen ruhige Oberfläche, sodass er aussah, als wäre er ein Spielgel des Himmels.
Während Moraja sich auf den Weg zum See machte, raste Sanayana hinter den beiden her. Sie hoffte inständig, dass sie nicht zu spät kam, denn die Auswirkungen wären fatal. Ihr Gedanken eilten ihr voraus. Vor kurzem hatte sie endlich das Bewusstsein des Pallah erspührt und ihm, wie sie glaubte, ziemlich schmerzhaft zu Verstehen gegeben, dass sie das Verhalten des Pallah in keinster Weise billigte. Sie hatte auch versucht, ihre Tochter zu erreichen, doch entweder übte sie sich gerade im Verbergen der Gedanken oder der Pallah hatte immer noch einen mächtigen Schutzwall um sie herum geschworen, denn ihre Gedanken prallten ab. Sie hielt das Zweite für wahrscheinlicher, denn anscheinend war der Pallah etwas entkräftet, sodass sie es mit einiger Mühe schaffte, in dessen Geist einzudringen. Sie konnte nun auf seine Gedanken zugreifen, nicht jedoch auf seine Handlungen, dazu war er einfach zu stark. Dafür versuchte sie ihm nun Schmerzen zuzufügen, sooft es nur ging. Bei ihm musste es sich nun so anfühlen, als würde jemand mit einem heißen Messer in seinem Kopf herumsuchenden. Sie konnte nun auch seine Augen benutzen, doch das, was sie sah, ließ sie aufschreien. Sie sah den See, und wie Moraja gerade dabei war sich zu entkleiden. Mit letzter Kraft riss sie sich von diesem Anblick los und gab der Barke ein Zeichen. Nun rste sie so schnell, dass sie von dem Gegenwind fast von der Barke geweht wurde. „Vielleicht,“, dchte sie mit einer winzigen Stime der Hoffnung, „vielleicht komme ich noch rechtzeitig. Gleich bib ich da“
An dem See war Moraja nun vollständig entkleidet. Der Pallah schritt um sie herum und berührte sie n einigen Stellen, während er ein altes Lied sang. Nun konnte er ihr nicht mehr verheimlichen, dass ihn unsägliche Qualen peinigten. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, maskenhaft, doch seine Stimme war fest. Mit den letzten Worten des Gesangs verzog sich ein Gesicht noch einmal zu einer Grimasse unendlichen Schmerzes. Dann wurde sein Gesicht wieder entspannt. Doch entging ihr nicht, dass die Hände des Pallah bebten, und er sie fast ein wenig zur Eile drängte. Der Pallah war innerlich in äußerster Aufruhr. Obwohl er es ihr im Schlaf verboten hate zu folgen, war sie hinterhergeflogen. Er musste nicht überlege, was ihr Ziel war, doch das musste er um jeden Preis vehindern. Aber alles drängen half nichts, er musste die Zeremonien bis zum Ende durchführen, sonst würde Moraja diese Prozedur nicht überleben. Er mrmelte Worte und merkte mir Zfriedeheit, wie Moraja die Augen schloss und den Strom der Worte in sich aufsog. Er hatte gerade das letzte Wort gesprochen, als er ihre Ankunft erspührte. Er schlug die Augen auf. „So, Moraja. Jetzt geh bitte in den See. Gehe so lange, bis du komplett unter Wasser bist und drehe dich nicht um. Komme erst wieder hoch, wenn ich dir ein Zeichen gebe.“ Moraja nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und ging langsam in Richtung See, die Augen immernoch geschlossen. Sie sah aus wie eine Schlafwandlerin. Nun hate sie den See erreicht. Der Pallah spürte, wie Sanayana ihre Tochter rufen wollte. Mit Macht trieb er ihre Worte zurück in ihren Mund. Weiterhin versuchte er, sie daran zu hindern, Moraja irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Ein stummer Kampf entwickelte sich nun. Ein Kampf um die Vorhrrschaft des Geistes, ein Kampf, der nur in Köpfen stattfand und den niemand zu unterbrechen im Stande war. Dieser Kampf hielt Sanayana allerdings nicht davon ab, mit unglaublicher Geschwindigkeit auf den See zuzurennen. Jetzt war eine der besonderen Gaben, die Elfen haten, ein Fluch für die junge Frau. Elfen ranten lautlos. Würde sie beim Rennen nun Krach machen wie ein Mensch, wurde Moraja sie vielleicht noch hören. So aber ging diese unbeirrt auf die Mitte des Sees zu. Der Pallah blicte zu Moraja. Das Wasser ging ihr nun bis zu den Hüften. Er hätte sie am Liebsten hineingeschoben, doch er wusste, dass er das auf keinen Fal machen durfte. Aber lange konnte er Sanyana auch nicht mehr in Shach halten. Sie war extrem stark geworden und außerdem immernoch viel zu schnell. Das Wasser war nun auf Schulterhöhe, doch das Wasser hate sie fast erreicht. Nun war schon das Kinn benetzt, Sanyana fehlten nur noch wenige Meter. Jetzt die Nase, ihre Mutter flg nun förmlich. Jetzt die Augen, Sanayana weitete die Uagen vor Schrecken. Er spürte einen Luftzug als die june Frau an ihm vorbeifegte. Mit allerletzter Kraft stieg er nochmals in Sanayanas Geist ein, doch er war nicht stark genug, um die Kontrolle über diesen zu übrnehmen. Dann, als das Wasser über Morajas Kopf zusammenschlug, zog er sich zurück. Kurze Zeit passierte nichts, dann zerriss ein marerschtternder Schrei die Stille der Lichtung. Die Stille nach dem Schrei war das Schlimmste, was er bisher in seinem langen Leben erlebt hate. Der Schrei schien in seinem Kopf noch lange nach seinem verstummen widerzuhallen. Traurig schaute er auf die zusammengekauerte Gestalt am Ufer des Sees und ging langsam auf sie zu. „Sanayana!“. Sie rührte sich nicht. Der Pallah traue sich allerdings nicht, sie jetzt zu berühren. Dann wandte er sein Gesicht dem See zu, der so still dalag, und so friedvoll. Und doch hatte er eine o mächtige wirkung. Der See des Vergessens. So wurde er, wenn überhaupt, nur furchtsam genannt. Zu Recht. Der See emtzog einem viele Erinnerungen, gerade die, die man vorher hinaufbeschwört hatte. Der Pallah streckte die Hand über dem See aus, dann zog er sie ruckartig nach oben. Langsam sah man eine Gestalt aus dem Wasser auftauchen.
Moraja fühlte sich, als hätte sie lange traumlos geschlafen. Als sie i en See gegangen war, war ihre Trauer undendlich groß gewesen. Doch als sie dann unter Wasser stand, komischerweise konnte sie atmen, war ihr, als würde ein Knoten von ihrem Herzen verschwinden und er Kloß, der in ihrem Hals gesteckt ahtte, löste sich auf. Sie fühlte ich unendlich leicht. Als sie aus dem See gerufen wurde, sah sie dort eine Frau sitzen. Als diese aufsah bemerkte Moraja, dass diese Frau geweint haben musste.
Sanayana sah auf, als sie Wasser plätschern hörte. Vor ihr tauchte Moraja aus dem Wasser auf. Sie wirkte vollkommen gelöst und erleichtert. „Moaja!“ Ein Ruf drang aus ihrer Kehle, obwohl sie sich nicht entsinnen konnte, so etwas gerufen ahben zu wollen. Das Mädchen drehte ihr ihren hübschen Kopf zu und schaute sie vrwundert an. „Hallo! Wer sind Sie?“ Sanayana fühlte sich, als hätte ihr jemand das Herz herusgerissen. Bis eben hatte sie noch die aberwitzige Hoffnung gehabt, dass der See diesmal kein Wirkung zeigen würde. Dann entstand eine riesige, unberechenbare Wut in ihr und sie hob den Kopf. Sie erhob sich langsam. Sie zitterte am ganzen Körper. Die Wut erfüllte sie bis in den kleinsten Winkel ihres Körpers und bestimmte ihr gesamtes Handeln und Denken. Sehr langsam ging sie auf den Mann zu, der dort vor ihr stand, und den sie immer geliebt und dessen Entscheidungen sie immer respektiert hatte. Doch jetzt stand er nur noch klein und verachtenswert da und schaute sie an, ohne die geringste Reue an. Sie schaute den alten Mann an, las wäre er ihr fremd und Blitze schossen aus ihren Uagen. Sie sah, wie er einen Schritt zurückwich. „Verachtenswert!“, dacht sie. SO klein und schwach. Dann hob sie ihren Kopf, riss ihre Hände in die Höhe und rief in die Weite hinaus: „Ihr Mächte des Himmels und der Erde! Hiermit verfluche ich den Mann, der hier so kläglich vor mir steht. Er soll nie mehr Glück empfinden, bis die Schuld, die er auf sich geladen hat, beglichen ist. Ihr Geister des Feuers und es Wassers! Mit eurer Hilfe soll er so lange leben, bis er bettelt zu sterben, oder der Aussprecher des Fluchs oder dessen Erbe ihn erlöst. Nie mehr soll er shlafen, bis das Leid, das er mir angetan, gesühnt ist.“ Dann sah sie den Mann an, der ihr fassungslos ins Gesicht starrte: „Hiermit verfluche ich dich bis ans Ende deines Lebens, VATER!“

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Tag der Veröffentlichung: 01.07.2010

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