Ich schaute oft und bang,
so wie mein Vater schon,
das Bild dort an der Wand
mit Klatschmohn in der Vase an,
bis ich den Sinn verstand,
warum, was sonst so schnell verweht,
noch immer in der Vase steht:
kurz ist der Lebensweg,
die Kunst währt lang.
Kunst und Wissenschaft sind einander komplementär wie Seiten einer Ganzheit, wie Träumen und Wachsein. Kunst ist ebenso Luxus wie mittlerweile gutes Benehmen. Kunst kommt nicht ohne mythische Sicht aus.
Sie hatte ursprünglich ja auch religiöse, kultische, rituelle Funktion. Wegen ihrer Vergänglichkeit stimmt Schönheit irgendwie wehmütig, ausgenommen Schönheit, die im Kunstwerk verewigt ist. Für den Künstler ist - im Unterschied zum Wissenschaftler - die Wirklichkeit in ihrem Sich wandeln wichtig. Er fängt den flüchtigen Augenblick ein und verleiht ihm im Kunstwerk Dauer. Nicht die scheinbar unwandelbaren Naturgesetze will er erfassen, sondern die sich ständig wandelnden Wesenheiten der Wirklichkeit.
Text Conrad Cortin
Frühling im Park
Parkordnung. Ende März sitzen die Paare noch auf den kalten Bänken und halten sich züchtig an den Händen, doch das Verlangen ist ihnen schon deutlich anzusehen. Auch die Kinder in den Schulen wissen Bescheid. Sie haben die besten Ideen, die dem Leben der Blumen und Bienen entstammen. Bald ist es soweit. Fotografen liegen bereits auf der Lauer. Endlich an den ersten sonnigen Tagen gleiten die Paare hinter windgeschützten Mauern ins Gras von den Bänken, und ihre Beine umschlingen sich wie Schwanenhälse. Sobald sich aber schwatzende Spazier-
gänger nahen, fahren sie auseinander, schlüpfen schnell in ihre Kleider und flüchten in entgegengesetzter Richtung. Man sollte deshalb leise reden auf den Wegen, diese nicht verlassen und, hört man es Tuscheln hinter Büschen, besser einen Umweg machen.
Text (c) Concortin
Hitzegeschädigt
Hochsommer. Heißer Nachmittag. Im Garten der Villa des Archäologen sitzt ein Kreis bildungsbeflissener Zuhörer auf einem Rasenstück zwischen Blumenrabatten. Der Archäologe spricht über die alten mediterranen Kulturen: „Das warme Klima brachte sie zum Blühen und Gedeihen.“
Diesen Zeus der Archäologie erleben zu dürfen, ist für jeden der Zuhörer eine hohe Ehre. Jochen musste lange abwarten, bis er endlich an einem Vortragszyklus teilnehmen durfte. Erst vor drei Tagen hat er die Einladung für zwei Personen erhalten. Die zweite Person sitzt neben ihm: seine Mutter. Gelegentlich blickt er zu ihr hin. Ihr Gesichtsausdruck macht ihn nervös. Sie wirkt gelangweilt. Vielleicht liegt es an der Hitze. Sie kann sich allem Anschein nach nicht auch noch für die Sumerer und die alten Ägypter erwärmen. Der Esprit des Archäologen erreicht sie nicht. Wie könnte sie sonst von Jochen verlangen: „Tu mir den Gefallen, geh zum Bahnhof, öffne das Oberlicht, damit es hier einen Durchzug gibt.“
Als Jochen vom Bahnhof zurückkommt, hat es sich bereits merklich abgekühlt.
Insgeheim ist die Mutter stolz auf Jochen; sie sieht in ihm etwas Besonderes und streicht das gerne vor allen Leuten heraus.
Text (c) Concortin
Sommerpension
Jeden Sommer wohnte Isolde, während ihrer Ferien für zwei Wochen, in der Pension "Alpenblick", die Hugos Eltern gehörte. Eines Abends kommt sie splitternackt in Hugos Zimmer, worauf ihm dünkt, dass sie vielleicht für ihn was empfinde. Und auch er begehrt sie schon seit langem. Doch dann sieht er seine Mutter, drohend steht sie in der Tür. Schnell wirft er Isolde seinen Morgenmantel über und schickt sie aus seinem Zimmer. Isolde packt daraufhin ihre Koffer und kehrt niemals wieder. Seither bohrt in Hugo eine Sehnsucht und der quälende Verdacht, er habe irgendetwas was falsch gemacht.
Text (c) Concortin
als Kind des Herbstes
wurdest du geboren
durch Nebel schwarzer Schwaden
erblicktest du ein trübes Licht
du tapptest durch die Jugendtage
wie ein Blinder
und kommst zu spät zu den Gelagen
wo nur die Aschenstätte übrigblieb
und folgtest immer
einer inneren Geraden
als ob dich eine Stimme
aus der Ferne riefe
Der Unentbehrliche
Kristallenes Wintermärchen. Traumhaft. Und klirrend kalt. Er aber steht da; bockt schlecht gelaunt stumm vor sich hin, aus allen Ritzen qualmend. Im Nu wird die Glitzerstube zur Räucherkammer. Ich sehe sie im Geiste von der Decke hängen: Heringe, Flundern und was noch alles geräuchert wird. Sonst unheimlich gefräßig, verschmäht er heute alles. Sogar seine Lieblingsspeise - rappeltrockenes feinstgespaltenes Holz - weist er unter stinkendem Protest von sich. Was er nur hat; wurde er das letzte Mal doch durchgreifend ausgeräumt. Verdauungsstörungen sind also auszuschließen. Die aufgerissenen Fenster nützen nichts. Qualm und Kälte beißen um die Wette, bringen Nase und Augen zum Triefen. Schlotternd vor Kälte stochere ich erbost in seinem umfangreichen Bauch herum. Beeindruckt ihn nicht. Heute scheint er ein ungewohnt hohes Maß an Zuwendung zu verlangen. Erpressung, fluche ich ingrimmig und stochere verdrossen mit dem Schürhaken in dem Wust von schwelendem Holz und halb verkohltem Papier.
Da döst eine winzige Flamme faul vor sich hin. Hustend und schnaubend stochere und lockere ich vorsichtig weiter in diesem Wust und das Flämmchen flackert - wider Erwarten - munter auf. Schnell lege ich wohl dosiert Papier und delikates Fichtenholz darauf. Noch immer bockend scheint er die Nahrung nun doch gnädigst anzunehmen. Behutsam lege ich Kohle nach; er qualmt was er kann, aber er frisst. Seine mir so vertraute Gefräßigkeit hat endlich die Oberhand gewonnen. Es wird wohlig warm. Im Kessel summt heißes Wasser vor sich hin. Wir sind versöhnt
(c) Katja Kortin Text
Du vergrubst dich in dir selbst, verscharrtest deine Erinnerungen für den Winter. Nun findest du die Stelle nicht mehr und irrst umher.
Räumt Franzi Schnee, erzählt sie dem Schnee Geschichten über Schnee, dann tut es dem Schnee, glaubt Franzi, nicht so weh, wenn sie ihn räumt.
Und dann gingen wir nach Norden. Es wurde gebirgig, die Hänge waren schneebedeckt. Es fing an zu schneien, der Schnee fiel immer dichter, streichelte Gesicht und Hände. Er fühlte sich an wie Seide, wie viele schöne Worte, die einen einhüllten, einen umschmeichelten, ein Gestöber aus schönen Worten
Im Sommer besitzt der Schnee vom vergangenen Winter Seltenheitswert.
Wenn die Sonne vergeblich Feuer entzündet in den Bächen schmelzen meine Schneegedanken dahin und ich bin nichts sonst unter der Sonne als ein Stück Natur.
© Concortin
Rhododendron
Pflaumen
Lavendelfelder
und die Heide blüht
Dies ist ein Bild von Dora Polster
Conrad meint, es passt zu Katjas Bildern
Danke Katja und Conrad!
Bilder von Katja
Text "Der Unentbehrliche" von Katja
Alle anderen Texte von Conrad Cortin
Inhalt Bilder
S.6 Mohn
S.7 Frühlingsstrauss
S.9 Baum
S.11 Mauer
S.12 Baum knorrig
S.13 Drei Bäume
S.14 Abendstimmung
S.15 Gebirge
S.17 Wiese
S.18 See
S.19 Adler
S.20 Haus
S.21 Blutenburg
S.22 Dorf
S.23 Brücke im Herbst
S.24 Boxbeutel
S.27 Frühlingszweige
S.28 Bach
S.29 Christrosen
S.30 Brücke im Winter
S.31 Stadel im Schnee
S.32 Zwei Birken
S.33 Stadel
S.34 Städterin im Kornfeld
S.35 Gerstenfeld
S.36 Distel
S.37 Distel
S.38 Tor
S.40 Schneeweg
S.41 Frühling
S.43 Verschneit
S.44 Rhododendron
S.45 Pflaumen
S.46 Malve
S.47 Schwertlilie
S.48 Lavendlfeld
S.49 Heide
S.50 Dora Polster
S.51 Frühling mit Baum
S.52 Herbst
S.53 Birke
S.54 Wintersee
S.55 Zypressen
Texte: Gestaltung des Buches KlärchenBilder Katja KortinTexte Conrad CortinAle Rechte liegen bei den Autoren
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widmet die Galerie
Katja Kortin
die mit ihren wunderbaren Bildern in den Anthologien still ihren Beitrag geleistet hat und noch leistet.
Wir danken der Malerin herzlich!