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Liebe in der Ferne



Die Sonne steht am höchsten Punkt des Horizonts. Die Wärme lässt meine Haut erglühen. Ich strahle, bin glücklich, bin verzaubert von dem Duft der Blumen in diesem Meer von Pflanzen und Schmetterlingen. Eine kleine Brise durchweht mein langes Haar. Meine Hündin umhertollend Käfer jagend. Meine Liebe an meiner Seite, ich in seinen Armen. Oh, welch Herrlichkeit! Doch plötzlich verdunkelt die Sonne und der Schatten jagdt alles Glück, jenen Zauber und jeden Schmetterling fort.

Meine Güte! Ist es denn wirklich schon so weit?
Gähnend blinzle ich auf meine Uhr und muss erschrocken feststellen, dass es schon neun Uhr in der Früh ist. Ja, eigentlich sollte heute der schönste Tag meines Lebens stattfinden, doch wird es nun der schlimmste. Heute ist meine Hochzeit. Schön, wenn man bedenkt, dass ich doch mein ganzes Leben auf diesen Tag gewartet habe. Doch zu lieben, den ich zu lieben vermag, bleibt mir verwehrt. Meine Eltern, ein Pärchen von hohem Ansehen in der Gesellschaft, haben die Hochzeit arrangiert. Eine Hochzeit mit einem "Gentleman", den ich heute zum ersten Mal sehen werde. Ohne mich noch weiterhin zu weigern, ziehe ich meine besten Sachen an und gehe die mit zahlreichen Stufen versehene Treppe hinab zu meiner Mutter, die schon auf mich wartet. "Guten Morgen, mein Kind. Bist du bereit für deinen großen Tag?", fragt sie in totaler Eile. "Ja, Mutter. Wie laufen die Vorbereitungen?" "Bestens.", sagt sie. "Nur Madame Matissima hat sich noch mit dem Buffet zu beeilen. Wenn du soweit fertig bist, dann geh rasch hinaus und empfang die Gäste!" Meine Mutter dreht sich um und verschwindet in Richtung Küche.

Ich schnappe mir meine Hündin und gehe hinaus auf die Veranda. Einen nach dem Anderen begrüße ich die Leute und gebe ihnen die Hand. Panik kommt in mir auf. Weglaufen! Das ist das Einzige, woran ich jetzt denken kann. Doch meine Füße tragen mich nicht fort. Ich schleiche mich davon, damit ich wenigstens noch ein bisschen Zeit für mich und meine Hündin habe.

Wir laufen durch den Wald, geradewegs zur Lichtung. Ich setze mich, genieße den süßen Sommerduft und beobachte meine treueste Gefährtin. Herrlich, diese Jahreszeit. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Eilen müssen wir, sonst komme Schande über uns!

"Cassandra! Wo hast du denn nur gesteckt? Willst du etwa deine eigene Hochzeit verpassen?" Ich denke nicht nur ich bemerke, wie verärgert mein Vater ist. "Vater, jetzt bin ich doch hier. Die Zeremonie kann beginnen." Ich nehme all meinen Mut zusammen und schreite zum Altar. Und dort steht er, der Mann, dem ich von nun an verpflichtet bin zu lieben und zu dienen für den Rest meines Lebens. Und das alles nur um in der guten Gesellschaft zu bleiben! So ein Graus! Tonlos lasse ich die Zeremonie über mich ergehen.

Froh, endlich alles hinter mich gebracht zu haben und doch unglücklich, einen Mann geheiratet zu haben, dem meine Liebe nicht gehört. Stehend vor dem Tor, meine Hündin vor mir, blicke ich in die Ferne. Zurück zu meinem Traum, in den Armen meines Geliebten.

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Tag der Veröffentlichung: 02.11.2010

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