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 Ein Drabble ist eine meist pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern bestehen muss. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt.

 

Der Neue

Angelika besuchte mich völlig überraschend.

„Du hast einen Neuen?“, war ihre erste Frage nach der Begrüßung.

„Ja, das stimmt“, antwortete ich.

„Und wie macht er sich? Komm, erzähl!“, rief sie gespannt.

„Er ist ein ganz Süßer“, sagte ich nach kurzem Nachdenken.

„Und wie sieht er aus?“

„Felix sieht fabelhaft aus.“

„Wo steckt er, willst Du ihn mir nicht vorstellen?“, fragte sie mich ganz aufgeregt.

„Er sitzt auf der Gartenbank“, erwiderte ich lächelnd und folgte Angelika, die nach draußen stürzte.

„Aber das ist ja gar kein Hund!“ rief sie empört.

„Nein, das ist Felix, mein neuer Kater, ist er nicht süß?“

 

Note 5

„Deine letzte Schularbeit war doch vollkommen fehlerfrei!“, rief Helenes Mutter sehr empört und wedelte mit dem Heft vor ihrer Nase herum.

„Damals hat mir der neue Lehrer, Herr Manuel Neuner, Nachhilfestunden gegeben“, erwiderte Helene mit trotziger Stimme.

„Dann werden wir den jungen Mann wieder bitten müssen, denn es ist ja unglaublich, dass du dich sogar beim einfachsten Beispiel verrechnet hast“, brummte nun der Vater.

Helene nickte und senkte schuldbewusst den Kopf. Es war wirklich unglaublich schwierig gewesen, die Fehler möglichst unauffällig in die Aufgaben einzubauen. Aber der Gedanke an Manuels haselnussbraune Augen und sein verführerisches Lächeln, hatten sie dabei beflügelt.

 

Nina und Lisa

„Du hast es vielleicht irrtümlich in den Mund genommen, ohne es zu merken“, meinte Nina spöttisch.

„Nein, es lag mir ganz plötzlich auf der Zunge“, antwortete Lisa mit unschuldigem Augenaufschlag und wusste, dass ihr Nina kein Wort glaubte.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass es noch immer dort ist“, sagte Nina und man merkte ihre Neugier am Klang der Stimme.

„Nein, natürlich nicht“, kicherte Lisa.

„Wie bist du es so schnell losgeworden, hast du es etwa ausgespuckt?“, fragte nun Nina neugierig.
Lisa erwiderte lächelnd: „Oh, das war ganz einfach, ich habe es tapfer hinuntergeschluckt, das böse und unanständige Wort.“

 

Verspielte Chance

Eva und Hanna fanden den neuen Arbeitskollegen ziemlich interessant. In der ersten Vormittagspause ergab sich endlich eine gute Gelegenheit zum Näherkommen.

„Darf ich Ihnen den Kaffee servieren?“, fragte Hanna und goss schon ein.

„Wieviel Stück Zucker?“

„Zwei Stück, bitte“, antwortete er lächelnd.

Eva ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken und hoffte auf die Nachmittagspause. Leider drängelte sich Hanna wieder an ihr vorbei.

„Darf ich Dir den Kaffee servieren?“, säuselte Hanna und Holger nickte mit strahlenden Augen. Schmunzelnd sah Eva, wie sich gleich darauf seine Miene verfinsterte, als Hanna jegliche Chance bei ihm verspielte, als sie beiläufig fragte: „Wieviel Stück Zucker?“

 

 

Einladung zum Tanz

 Der wöchentliche Tanzabend stand bevor, als Helmut entsetzt feststellte, dass zeitgleich ein Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft im TV übertragen wurde.

Ein verstauchter Fuß oder heftige Magenschmerzen waren als Ausrede nicht ideal, denn für morgen hatten sie einen Restaurantbesuch geplant. Aber Fieber war eine gute Idee, das kam und ging oft schnell. Katharina vergötterte ihn und würde sein Fernbleiben sicher verstehen.

Kurz darauf rief Katharina an: „Hallo, Schatz, leider kann ich heute auf gar keinen Fall zum Tanzabend kommen. Ich habe mir den Fuß verstaucht und noch dazu heftige Magenschmerzen.“ Wütend und gekränkt schrie Helmut ins Telefon: „Und Fieber hast Du nicht?“

 

Der 3-Tage-Bart

 „Eine Schönheit ist er wirklich nicht“, meinte Helene.

„Die Geschmäcker sind verschieden und mir gefällt er“, erwiderte Vera lächelnd.

„Der sieht so hässlich aus wie Alfons mit seinem 3-Tage-Bart“, meinte nun Helene und in ihrer Stimme lag ein boshafter Unterton.

„Alfons ist nicht hässlich, nur sein Bart“, erwiderte Vera süffisant und wusste, dass sie damit einen von Helenes wunden Punkten getroffen hatte.

„Dann nimm ihn doch, wenn er Dir so gut gefällt“, rief Helene pikiert.

„Ganz sicher nehme ich ihn, Du bist doch bloß neidisch, weil ich ihn zuerst entdeckt habe“, antwortete Vera und griff beherzt nach dem kurzstacheligen Kaktus.

 

Flugstunden

 „Wie war der Flug?“, fragte Peter neugierig.

„Das Steuern war sehr anstrengend, und deshalb pausiere ich hier für ein paar Minuten“, antwortete Susi und ließ ihn dann ihre schmerzenden Hände massieren.

„Und ich dachte, dass du ein paar Tage bei mir bleibst“, jammerte Peter und knetete ihre verspannten Finger.

„Leider geht das nicht, weil ich ein neues Fluggerät testen muss“, sagte Susi.

„Schade, ich wollte mir von dir ein paar Flugstunden geben lassen“, seufzte Peter und sah ihr zu, wie sie sich abflugbereit machte.

„Vielleicht beim nächsten Mal“, erwiderte sie lächelnd, schwang sich elegant auf den Besen und flog davon.

 

Linienmalerei

Marlene setzte den Bleistift an den Rand des Lineals und zog quer über das weiße Blatt eine feine Linie. Bei genauer Betrachtung erschien sie ihr dann doch etwas zu unscheinbar und deshalb holte sie Stift um Stift, malte Strich um Strich, ohne damit wirklich zufrieden zu sein.

Die Nacht warf ihre ersten Schatten durch das Fenster, wodurch das Gezeichnete zu einem einheitlichen Grau verschwamm, das Marlene nicht gefiel.

Entschlossen tauchte sie einen breiten Pinsel in feurig rote Tinte und malte eine leuchtende Linie von Rand zu Rand. Endlich war das Werk gelungen und höchst zufrieden betrachtete sie den perfekten Schlussstrich.

 

Mitternachtsüberraschung

Sie haben sich verlaufen und irren durch die menschenleeren Gassen. Gespenstisch leise ist es und man hört fast ihre Herzschläge in der Stille. Vor lauter Müdigkeit bleiben sie schließlich stehen und halten sich aneinander fest.

Als er sie küsst, spürt sie ihre beiden Eckzähne wachsen und gleichzeitig das heiße Blut in seinen Lippen pulsieren. In der Ferne schlägt eine Turmuhr die Mitternachtsstunde.

Damit er sich in einen Vampir verwandelt, muss sie ihn nun beißen. Als sie ihren Mund öffnet, sieht sie irritiert, wie seine Augen leuchten. Und als er sie anlächelt, bemerkt sie seine wunderschönen, enorm schnell wachsenden, spitzen Eckzähne.

 

Rote Rosen

 „Bis die letzte Rose verblüht ist, werde ich Dich lieben!“, stand auf der Karte im Rosenstrauß. Anna wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Enttäuscht warf sie den Strauß in eine Ecke. Nach einer Weile, als sie sich wieder beruhigt hatte, wässerte sie ihn in ihrer schönsten Vase.

In jeder freien Minute bewunderte sie die wunderschönen dunkelroten Rosen, sah ihnen beim Aufblühen zu. Trotz bester Pflege, ließen die Blüten nach einigen Tagen ihre Köpfe hängen. Schweren Herzens wollte Anna den Strauß auf den Komposthaufen werfen, als sie im letzten Moment bemerkte, dass eine der Rosen aus feinster Seide war.

 

Löwengebrüll

 Ein lautes Geräusch riss ihn aus tiefstem Schlaf. Angstvoll lauschte er in die Stille. Zuerst wollte er sich unter der Bettdecke verkriechen, doch dann siegte seine Neugier und er schlich hinaus.

Kurz darauf sah er erschrocken in zwei feurige Augen. Das Mondlicht spiegelte sich in ihnen, ließ sie bernsteinfarben funkeln. Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache, doch dann trat er mutig einen Schritt näher. Er wusste, dass er keine Angst zeigen durfte.

„Löwe, hast Du gebrüllt?“, rief er und erhielt keine Antwort.

„Sei still, ich möchte schlafen“, sprach der Bub danach weiter und streichelte dabei die schüttere Stofflöwenmähne.

 

Ein Kuss als Belohnung

 Fabian saß mit seiner Oma am Boden und reichte ihr den nächsten Holzbaustein.

„Wunderschön wird das Auto“, jubelte er.

„Das ist kein Auto, sondern ein prächtiger Zug“, antwortete Oma und betrachtete zufrieden ihr Werk.

„Dafür möchte ich jetzt einen dicken Kuss als Belohnung“, meinte sie lächelnd, doch Fabian blickte sie sehr skeptisch an.

„Ich küsse nur meine Mama“, erklärte er mit ernster Miene.

Oma schloss unbeirrt die Augen und spitzte erwartungsvoll ihre Lippen. Eine Weile rührte sich gar nichts, dann spürte sie es feucht und warm unter ihrer Nase. Vorsichtig blinzelte sie und sah direkt in Minkis geheimnisvoll leuchtende Katzenaugen.

Die Bewunderung

 „Du bist so wunderschön in Deiner Einzigartigkeit“, flüsterte er und strich dabei vorsichtig, damit die Frisur nicht zerstört wurde, über die seidigen Haare.

„Wenn das Licht in Deine Augen fällt, schimmern sie in der Farbe des Meeres“, murmelte er mit sanfter Stimme, nachdem er einen Schritt näher getreten war. Er konnte sich an dem Anblick fast nicht sattsehen. Mit dem Zeigefinger zog er langsam die Lippenkonturen nach, als ihn ein Geräusch jäh aus seiner Verzückung riss. Erschrocken bemerkte er, dass seine Schwester kopfschüttelnd hinter ihm stand. Mit einem spöttischen Lächeln fragte sie ihn: „Sprichst Du schon wieder mit Deinem Spiegelbild?“

 

Leuchte mir den Weg

 „Leuchte mir den Weg“, sagte er und es klang wie ein Befehl.

„Nein“, antwortete sie und blickte zum sternenlosen Himmel.

„Leuchte mir den Weg“, meinte er nun mit zuckersüßer Stimme und rückte ein Stückchen näher zu ihr.

„Nimm doch eine Taschenlampe, wenn es dir zu finster ist“, erwiderte sie betont kühl. Sie hatte endlich genug von seiner seltsamen Art und wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben. Die heutige Nacht war stockdunkel, aber das störte sie nicht, denn sie hatte ihr Licht immer bei sich. Plötzlich hörte sie ein Flüstern unter dem Baum: „Schau mal, wie schön, ein Glühwürmchen.“

 

Taubenpost

 „Das wusste ich noch gar nicht, dass Du ein Romantiker bist und ihr täglich einen Brief schreibst!“, rief Franz erstaunt.

„Ich schreibe nichts Romantisches, nur Tatsachen und Erklärungen“, erwiderte Hans ernst.

„So viele Jahre nur nüchterne Tatsachen und langweilige Erklärungen, das ist doch schade um das Geld für die Briefmarken“, seufzte Franz.

„Keinen Cent habe ich für Briefmarken ausgegeben“, sagte Hans.

„Ach, willst Du vielleicht behaupten, dass Du so sparsam bist, dass Du die Briefe im Schnabel einer Brieftaube zu ihr transportieren lässt?“, fragte Franz mit einem spöttischen Lächeln.

„Nein“, antwortete Hans, „ich habe ja noch keinen einzigen Brief abgeschickt.“

 

Zweipointig

 „Das soll ein Drabble mit 100 Wörtern samt einer Pointe werden?“, fragte er zweifelnd.

„Nein, das wird ein Drabble mit zwei Pointen“, antwortete sie.

„Wie willst Du zwei Pointen im Schlusssatz unterbringen?“, seufzte er und dachte daran, dass ihm sogar die Idee für eine einzige Pointe fehlte.

„Das lass meine Sorge sein, die erste Pointe ist im letzten Satz und die zweite Pointe bemerkst Du erst, wenn Du logisch denken kannst“, sagte sie lächelnd.

„Da bin ich aber gespannt“, erwiderte er. Endlich war sie fertig mit der Schreiberei und las ihm den letzten Satz vor: „Dieses Drabble enthält 101 Wörter.“

 

Impressum

Texte: Gabriele Jarosch
Bildmaterialien: Gabriele Jarosch
Tag der Veröffentlichung: 14.11.2016

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