Jan Sidanou:
Duell mit dem Voodoo Dämon
von
Van Maddox
Text Copyright (C) 2014, 2015 Van Maddox
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Sigrid Limbach
Cover: Volker Emm
09.07.2015: Erstveröffentlichung bei Bookrix
03.10.2015: Korrektur einiger orthographischer Fehlleistungen + Ersetzen des Covers durch höher aufgelöste Variante und Anpassung an die Druckfassung
18.08.2016: Anpassung Vorschau
Banda, La – Tanzritual im Voodoo
Baron Samedi – Einer der Erschaffer der Loa Ghede und Ehemann von Maman Brigitte. Ist immer gut gekleidet und wird auf Illustrationen meist mit Anzug, Zylinder und Spazierstock dargestellt
Bokor – Männlicher Voodoo-Priester, der zur Makaya Sekte gehört
Djab – Unter einem Djab (abgeleitet von frz. Diable – Teufel) versteht man im Voodoo einen Geist, der in besonderen Fällen auch von einem Menschen 'Besitz' ergreifen kann. Unter normalen Umständen ist 'Besessenheit' durchaus positiv zu werten, verschafft es dem Besessenen doch eine besondere und zeitlebens anhaltende Bindung zu einem Wesen aus der Götterwelt.
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Houngan – Männlicher Voodoo-Priester
Lisa Bonnet – Spielte außer in der Bill Cosby Show auch eine der Hauptrollen in dem Mistery-Thriller 'Angel Heart'. Die Vögelszene zwischen ihr und Mickey Rourke ist legendär.
Loa – Mächtige Geisterwesen des Voodoo, die mitunter Besitz von Menschen ergreifen können und sie dann kontrollieren
Loa Ghede – Eine der drei Gruppen der Loa des Voodoo. Die Loa Ghede sind die Fruchtbarkeits- und Totengeister.
Makaya – Sekte des Voodoo, in der Magie und Zaubern eine große Rolle spielen
Mambo – Weibliche Voodoo-Priesterin
Maman Brigitte – Frau von Baron Samedi und Herrin über Friedhöfe und Grabsteine. Mit Baron zusammen ist sie die Schöpferin der Loa Gehede
Papa Legba – Einer der Loa Ghede und Mittler zwischen Totenreich und Diesseits
Saut D'eau Fest – Saut d'eau oder Sodo ist ein Wallfahrtsort des Voodoo auf Haiti. Das dazugehörige Fest findet jährlich im Juli statt.
Voodoo – Synkretistische und sehr tolerante Religion mit westafrikanischen Ursprüngen und Einflüssen aus vielen anderen Religionen. Weit verbreitet in Afrika und der Karibik.
Sommermorgen, Sonnenaufgang. Wir waren mit meinem schwarzen Audi TT-Cabrio an die Ostsee gefahren, raus aus dem feucht verschwitzten Gedränge des Gino's. Ich und eine unbekannte Schönheit, die mir ihren Namen wohl irgendwann an diesem Abend mal ins Ohr gesäuselt hatte zwischen hastigen, nassen Küssen, Tanzen, Cocktails und nicht mehr nachvollziehbaren Mengen Koks. Namen waren nicht wirklich wichtig.
Es wurde bereits heller, aber die Sonne war noch nicht aufgegangen. Der Moment, wo sich der feurige Ball langsam am Horizont erheben und die ersten hellen Strahlen das Ende der Nacht einläuten würden, stand jedoch dicht bevor. Der Gedanke daran erfüllte mich mit pulsierender Energie und Ruhelosigkeit.
Der Wagen stand mit offenem Verdeck hinter uns, während wir am Abgrund standen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn direkt vor uns brach die Steilküste ab und gab den Weg frei auf 30 Meter Fallstrecke zum Strand.
Die Bässe meines bis zum Anschlag aufgedrehten Car-Hifi-Systems hallten durch den beginnenden Morgen und der Subwoofer verursachte ein rhythmisches Pulsieren in der Luft.
Marie! Ihr Name fiel mir wieder ein. Marie stakste auf ihren Stilettos, die ihre unglaublich langen Beine noch endloser erscheinen ließen, zum Wagen. Sie schüttete eine ganze Menge weißen Staubs auf die Kühlerhaube und kehrte es zu vier verflucht langen Linien zusammen. Ich kam zu ihr und legte meine Arme um ihre Taille, während sie zwei davon in erstaunlicher Geschwindigkeit vernichtete. Ihr Körper erschauerte wohlig. Sie reichte mir die zusammengerollte 100 Euro Banknote.
Ich stützte mich mit einer Hand auf der noch warmen Kühlerhaube ab. Sie war am heruntergezogenen Teil vorne übersät von Insektenkadavern, denen diese warme Sommernacht zum Verhängnis geworden war.
Zweimal Inhalieren und die beiden verbliebenen Linien waren verschwunden. Das Pulsieren in meinem Körper verschnellerte sich. Dafür reichte schon die Erinnerung an den Effekt, der in ein paar Minuten langsam einsetzen würde. Das ziemlich taube Gefühl in der Nase ignorierte ich, so wie ich es bereits den ganzen Abend getan hatte. Ich war im Einklang mit den harten Beats aus den Lautsprechern.
Dann durchschnitt ein erster, greller Strahl die Luft, wurde von den Metallpartikeln im Lack reflektiert und offenbarte letzte Spuren des weißen Staubs darauf. Sie verflüchtigten sich langsam im leichten Wind. Koks-Ästhetik pur.
Wir drehten uns der Sonne entgegen, die ebenfalls zu den Bässen zu pulsieren schien. Ein magischer Augenblick. Der richtige Moment, um diese Welt zu erobern. In genau diesem Moment. Oder um zu vögeln.
Marie machte ein paar Schritte auf die Kante der Steilküste zu, schaute mich dann an, aber im greller werdenden Gegenlicht konnte ich ihre Gesichtszüge nicht erkennen. Ich sah nur ihre Silhouette und ihre weißblonde Mähne, die ihren Kopf umrahmte wie eine sichtbar gewordene Aura.
„Komm her und leck meine Votze oder ich springe“, sagte sie.
Die Sonne pulsierte ungerührt weiter und Marie schob ihr kurzes, silbernes Kleid hoch und die rechte Hand in ihren Slip und fing an sich zu fingern.
„Komm, lass mich nicht länger warten. Ich brauch jetzt einen Fick!“, bettelte sie wie ein Junkie, der nach dem nächsten Schuss gierte.
Die Sonne erhob sich ein kleines Stück weiter und schickte die ersten wärmenden Strahlen als Vorboten für einen weiteren heißen Sommertag voraus. Marie drehte sich um und schaute auf das Wasser.
Ich trat zu ihr, ließ mich auf die Knie sinken und schob den Saum ihres Kleides über ihren makellosen, mageren Model-Hintern. Sie hielt damit inne sich selbst zu fingern. Mit der Zunge glitt ich vom Ansatz ihres G-Strings abwärts, am dünnen Band entlang. Marie griff nach hinten nach meinem Kopf und drückte ihn zwischen die beiden runden Arschbacken, so dass ich kaum Luft bekam, schob dann meinen Kopf langsam weiter nach unten, bis meine Zungenspitze den Ansatz ihrer Möse erreichen konnte. Dann gab sie meinen Kopf wieder frei und ließ ihren Oberkörper nach unten gleiten, so dass ich von hinten besser an ihre Klitoris kommen konnte. Ich schob das schmale nasse Bändchen in ihrem Schritt beiseite, damit ich sie besser lecken konnte und ließ meiner Zunge freien Lauf.
Es war plötzlich ruhig geworden, und ich hörte einen Moment nichts weiter als leises Vogelgezwitscher aus der Ferne und Maries Stöhnen. Dann zuckte ich kurz zusammen, als ein neuer Track anfing, und die Stille wieder durch das Hämmern der Bässe unterbrochen wurde.
Später ließ ich mich zurücksinken und Marie demonstrierte mir ihre Vorstellungen davon, was eine geübte Zunge mit einem Schwanz anstellen konnte, bevor sie sich dann auf mich setzte und auf mir ritt. Ich ließ es geschehen und berauschte mich an dem Gedanken, dass wir hier den perfekten Sex zelebrierten. Junge, straffe, makellose Körper im Angesicht des Sonnenaufgangs. Perfekte Fick-Ästhetik. Alles ergab Sinn.
Als wir fertig waren, rutschte sie von mir herunter und wir lagen nebeneinander im trockenen Gras. Die Sonne stand mittlerweile merklich höher und es wurde langsam richtig warm.
Sonnabend morgens an der See.
Bald würden die ersten Badeausflügler kommen.
Ich hatte die Augen kurz geschlossen, als ich Marie aufstehen hörte und sie wieder öffnete. Sie ging zum Auto, öffnete die Beifahrertür und ich hörte das Klappen des Handschuhfachs in dem sie anscheinend etwas suchte. Dann schaute sie wieder hervor und sah mich fragend an.
„Hast du noch was?“
„Handschuhfach?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Party zu Ende“, sagte ich schulterzuckend. Sie verzog enttäuscht ihre Lippen zu einem Schmollmund und setzte sich ins Auto, um ihr Makeup zu erneuern.
Auf der Rückfahrt setzte ich Marie an ihrer Wohnung ab oder irgendwo, wo sie sagte, dass ihre Wohnung da wäre, wo sie sich kurz unter die Dusche stellen könnte, weil sie gleich noch ein Shooting hätte oder so. Es war mir egal.
Den TT stellte ich in der Tiefgarage des Apartmenthauses ab, in dem ich wohnte. Oben holte ich mir eine Flasche Perrier aus dem Kühlschrank. Ich spürte, dass mein Mund ziemlich trocken war. Mehr aus Vernunft als aus akutem Durst leerte ich sie mit einem Zug fast zur Hälfte. Dann ließ ich mich ins Bett fallen.
Jetzt war es, als wäre die ganze Energie der letzten Stunden schlagartig verpufft. Sie reichte nicht einmal mehr dazu, die Rollläden herunterzulassen, um etwas Dunkelheit für einen ruhigeren Schlaf zu schaffen. Schlaf war auch nebensächlich. Notfalls konnte ich heute Abend noch ein bisschen Speed einwerfen, bevor ich im Gino's anderweitigen Nachschub bekam und ich wäre wieder fit.
Ich warf einen letzten Blick aus dem Fenster. Mittlerweile war es taghell draußen und die Stadt schien unten auf der Straße zum Leben zu erwachen. Ich grinste kurz, denn es war ein Irrtum. Meine Stadt ging in diesem Moment schlafen. Ich schloss die Augen.
Ich hatte vor langer Zeit angefangen Philosophie zu studieren. 'Vor langer Zeit' traf es nicht wirklich. Wahrscheinlich war es erst 3 Jahre her oder so. Ich hätte nur einen Blick in meinen Studentenausweis werfen müssen, um mir darüber Klarheit zu verschaffen, aber welchen Unterschied würde das machen?
Damals dachte ich noch, es wäre cool zu jedem Scheiß einen Kommentar a la 'Plato sagte dazu' oder so abgeben zu können. Und ich hatte griechische Wurzeln. Damit hatte ich sozusagen die genetische Disposition zur Philosophie. Im ersten Semester lernte ich, dass Philosophie aus mehr bestand als ab und zu schwere Bücher zu lesen und mit bedeutungsschwerem Blick mehr oder weniger kryptische Aussagen von sich zu geben. Und das Einflechten von Philosophenzitaten in meine Gespräche erschien mir auch nicht mehr wirklich cool. Es dauerte kaum vier Wochen, um mir zu verdeutlichen, dass ich hier falsch war. Zum nächsten Semester schrieb ich mich für BWL ein.
Sorgen über den Numerus Clausus brauchte ich mir nicht machen. Ich war auf ein renommiertes hamburger Gymnasium gegangen , wo darauf geachtet wurde, dass die Schulnoten in gesundem Einklang mit dem Einkommen der Eltern blieben – sofern ein Mindestmaß an Begabung vorhanden war. Ersteres war üppig, Zweiteres stand dem nicht entgegen. Alle Wege standen mir also offen.
BWL ergab Sinn, weil ich irgendwann einmal die Firma übernehmen sollte, die dieses üppige Einkommen generierte. Es gelang der Betriebswirtschaftslehre allerdings nicht mein akademisches Interesse zu wecken. Nach dem ersten Semester fiel ich ziemlich unvorbereitet durch die Matheprüfung und wechselte dann zum nächsten Semester erneut das Fach. Ich landete bei den Lateinamerikakundlern, weil mir nichts besseres einfiel.
Nach den ersten Wochen dort hatte ich das Vorhaben Studieren endgültig ad acta gelegt. Ich blieb aber eingeschrieben, zahlte brav die Beiträge für das Studentenwerk, was ich nicht brauchte, weil ich niemals in der Mensa aß, für das Semesterticket, was ich nicht brauchte, weil ich weder Busse noch Bahnen nutzte und für irgendwelche studentischen Organisationen, die mich nicht interessierten.
Meine einzigen Berührungspunkte mit der Uni waren, wenn ich mal in der Nähe des Univiertels mit jemandem Essen ging oder wenn ich dem Verwalter des Vermögens meiner Eltern einen Besuch abstattete. Dave Elborg, mein ehemaliger Vormund, den ich regelmäßig wegen meines Studienfortschritts belog. Ich wusste, dass er wusste, dass ich nicht wirklich studierte, aber irgendwie gab es mir ein besseres Gefühl den Schein wenigstens offiziell zu wahren.
Entfernt studentisch war es auch, wenn ich ab und zu mal die eine oder andere Studentin fickte oder eine, die behauptete eine zu sein. Ich machte es eher ungern. Sie sahen zumeist schlechter aus als die Frauen, die ich sonst kriegen konnte und wollten zu viel reden. Mal abgesehen davon, dass auch die Gespräche mit Studentinnen erschreckend inhaltsleer waren. Inhaltsleer und ähnlich uninteressant wie die Konversation mit Katalogmodels.
Meinen Forschungsdrang lebte ich anderweitig aus. 'Der Einfluss von Drogenkonsum auf das Sexleben von Szenegängern' hieß mein Thema und die Arbeit daran fand nicht an der Uni statt. Es war eine empirische Untersuchung, an deren Ende ich noch lange nicht angelangt war und der Einfachheit halber war ich Forscher und Proband in Personalunion.
Ich liebte mein Leben. Ich hatte keine richtigen Freunde, aber hunderte von Leuten, die ich mit Namen kannte. An einige davon konnte ich mich sogar manchmal erinnern. Mit ihnen hatte ich bereits tausende nichtssagende Partygespräche geführt. In den letzten fünf Jahren hatte ich drei Geschlechtskrankheiten. Einen Tripper und zwei Pilzinfektionen. Ich war weder vorbestraft noch HIV-Positiv. Zumindest war ich es beim letzten Test vor einem Dreivierteljahr nicht gewesen. Ich glaubte nicht an Aids und gegen alles, was man sich sonst holen konnte, gab es Mittel und Wege es wieder zu beseitigen.
Ich konnte die Hälfte der Frauen im Gino's am Geschmack ihrer Pussys unterscheiden. Oder ich hätte es gekonnt, wenn ich jemals einigermaßen klar gewesen wäre, wenn es in den Nahkampf überging. Oder wenn mein Geschmackssinn nicht vom vielen Koksen gelitten hätte. Das Gino's war aber auch einfach ein zu wundervoller Ort um abends abzuhängen. Es war auch ein fantastischer Ort, um irgendwann später am nicht mehr so frühen Morgen ein Model mit nach Hause zu nehmen. Man durfte nur keine Hemmungen haben eine Frau zu vögeln, die bis zur völligen Besinnungslosigkeit zugekokst und nicht im mindesten mehr zurechnungsfähig war. Aber wer war früh morgens im Gino's noch Herr seiner Sinne. Und der Geruch nach Erbrochenem durfte einen nicht völlig abtörnen. Aber wenn man sich mit Models abgab, musste man in dieser Hinsicht ohnehin resistent sein.
Die Belohnung war, dass es keinerlei Tabus gab. Alles ging. Spätestens am nächsten Abend würde man sich ohnehin an nichts mehr erinnern können. Mit Glück konnte man das 'mit wem' noch zuordnen.
Ich hatte ohnehin vor nichts Hemmungen. Und vor nichts Angst. Nicht, dass wir nicht ab und zu Schwierigkeiten bekamen. Nach einiger Zeit waren Locations wie das Gino's immer in Gefahr geschlossen zu werden. Normalerweise ließen die Bullen uns in Ruhe. Es waren einfach zu viele Promis, einflussreiche Leute und noch mehr Kinder von einflussreichen Leuten im Spiel. Aber irgendwann nahmen die Dinge überhand. Unangenehme Schlagzeilen außerhalb des Partyteils der Tageszeitungen waren meist die ersten Vorboten für den Niedergang.
Der Schutzengel, der seine schützende Hand über mich hielt, war Dave Elborg. Dave war ein alter Freund meiner Eltern und Geschäftsführer unserer Firma. Nach dem Tod meiner Eltern hatte er die Vormundschaft für mich übernommen. Der Mann, der für meine monatlichen Überweisungen sorgte, passte auch darauf auf, dass ich nicht unter die Räder kam. Und wenn doch, dann zog er mich schnell wieder darunter hervor. Lange Zeit war er wie ein Vater für mich gewesen. Ein gestrenger, leicht distanzierter Vater zwar, aber das war seine Art, und ich mochte ihn darum nicht weniger. In den letzten Jahren war unser Verhältnis merklich abgekühlt. Vielleicht war auch das durchaus väterlich. Ansonsten war mein Leben klasse. Ich hatte mein gutes Auskommen. Ich nahm regelmäßig Drogen, aber ich war nicht danach süchtig. Ich konnte jederzeit stopp sagen und ohne Drogen leben. Ich hatte nur keine Lust dazu.
In der Hamburger Morgenpost, die ich beim Bäcker gekauft hatte, war es eine kleinere Schlagzeile: 'Mädchen unter Drogen gesetzt und zum Sex gezwungen'.
Sie war im Gino's gewesen. Es gab kein Foto. Wahrscheinlich um das Opfer zu schützen. Ich hätte sie ohnehin nicht erkannt, aber diese Schlagzeile war der erwartete Vorbote für den Niedergang. Die Zeit des Gino's war also gezählt. Wie vorher die Zeit des 'Belle Epoque', des 'Spiritual' und der 'Bar Caracas'. Ab dafür.
Ich fühlte mich leicht erkältet und etwas matt, obwohl ich den Tag ziemlich verschlafen hatte, aber es gab nichts, was mich heute bei mir zu Hause gehalten hätte. Wie ein Insekt, das sich unwiderstehlich von dem Licht angezogen fühlt, das es schließlich versengt, zog es mich ins Gino's.
Es war null Uhr fünfundvierzig und die Schlange vor dem Einlass sprach eine deutliche Sprache. Sie war nicht kürzer als sonst. Zurechtgemachte Möchtegern-Szenegänger, gelackte Bänker, blondierte und grell getuschte Durchschnittsmädchen. Alle warteten sie geduldig und brav in Reih und Glied. Zitternd, ob sie und ihr Outfit den prüfenden Blicken von Carlos und Denise standhalten würden.
Ich ließ die Schlange Schlange sein und ging schnurstracks zum Eingang.
„Carlos!“
„Janni.“
Wir umarmten uns wie Brüder. Küsschen von Denise. Kurzer Smalltalk. Die Schlagzeilen ignorieren. Carlos und Denise wussten genauso wie ich, was demnächst anlag, aber wir kannten das Spiel.
„Alles klar bei euch?“
Carlos zeigte lächelnd auf die Meute der Anstehenden und nickte. Ich wollte schon weitergehen, als er mich noch einmal zurückhielt:
„Markus ist da!“, sagte er.
„Seltene Freude!“
Denise und Carlos nickten.
„Dann werde ich ihm mal guten Tag sagen.“
Markus ließ sich mittlerweile ziemlich selten hier sehen. Er führte das Gino's als Strohmann und hatte dieselbe Funktion auch bei einem Großteil der Vorgängeretablissements gehabt. Wir kannten uns schon recht lange und hatten eine tolle Zeit zusammen hinter uns. Markus hatte mir alles gezeigt, was man wissen musste, um durchs Leben zu kommen. Die wirklich interessanten Sachen. All das aber war Vergangenheit. Wenn ich Markus heutzutage traf, so war er nicht wirklich da.
Während ich das Innere des Gino's ansteuerte, hörte ich, wie Carlos den beiden Jungs hinter mir bedauernd mitteilte, dass heute nur für geladene Gäste geöffnet wäre.
Ich tauchte wieder ein in die Welt, die aus Deep House, gedämpftem Licht und schönen Menschen bestand. Es war noch relativ leer, was an der frühen Zeit lag. Zigarettenrauch vernebelte trotzdem schon die Luft. Hinter dem Tresen Geronimo, Clara und Christen, die bereits jetzt im Akkord Cocktails mixten, Longdrinks zusammenkippten und Sektflaschen öffneten. Wenn hier Hochbetrieb herrschte, würde man sehen, dass das jetzige Tempo noch ziemlicher Schongang war, aber für den unwissenden Betrachter sah es bereits höchst eindrucksvoll aus.
Eine kleine Runde stand vorne an der Bar. Wieder Begrüßung. Küsschen hier, Küsschen da.
„Janni, hi!“
„Dich hab ich ja schon ewig nicht mehr hier gesehen. Wo hast du gesteckt?“
„Shooting in Milan“
„Wundervoll!“
Unmengen von Küsschen. Weiter hinten ein weiterer Pulk Menschen. Markus im Mittelpunkt, wie immer. Seine Stimme war deutlich herauszuhören. Zwischendurch immer wieder glucksendes Gelächter der Umstehenden. Der Mittelpunkt jeder Party. Und bereits an der Stimme konnte ich erkennen, dass ein Blick in die Augen überflüssig war. Markus war wie üblich wieder zugekokst bis weit über die Schädeldecke hinaus.
Ich trat an den Kreis. Die Umstehenden machten einen Schritt zur Seite, als sie mich erkannten.
„Janni!“, sagte Markus erfreut und blickte mich aus riesigen Pupillen an.
Wir umarmten uns. Begrüßung der anderen. Ich kannte sie alle, nur die Namen fielen mir nicht ein. Eine große Brünette mit zu stark aufgespritzten Lippen in einem langen, mit silbernen Pailletten besetzten Kleid mit freizügigem Dekolleté, schloss mich in die Arme, und dann wusste ich tatsächlich doch, wer sie war. Auf nichts war hier Verlass.
„Sylvie!“
Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich sie das letzte Mal gesehen und ob ich sie schon gefickt hatte, aber ihr erfreutes „Janni!“ ließ darauf schließen, dass ich zumindest den richtigen Namen genannt hatte. Fifty-fifty, dass sie meinen Schwanz schon mal zwischen ihren Lippen hatte.
„Du hast mich unterbrochen!“, sagte Markus gespielt vorwurfsvoll.
„Wo war ich stehengeblieben?“
„Als Noelle ihr Glas fallengelassen hatte.“
„Genau. Sie versuchte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Van Maddox
Bildmaterialien: Volker Emm
Lektorat: Sigrid Limbach
Tag der Veröffentlichung: 11.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0473-2
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