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Keinen Tropfen für El Diablo! (Western-Roman)

von Kai Krzyzelewski

 

Text und Titelbild Copyright © 2015 Kai Krzyzelewski

Alle Rechte vorbehalten.

Kapitel 1

Mick Brown stocherte mit dem Messer in seiner Waschpfanne herum und nahm schließlich einen kleinen, glänzenden Stein zwischen die Finger. Er hielt ihn zur Sonne, betrachtete ihn ausgiebig von allen Seiten und biss mit den Zähnen darauf. Und während sein Herz schneller und schneller schlug, stellte er fest: Es war Gold!

Sofort waren die durchnässten Hosen, mit denen er Tag für Tag im Fluss stand und die nie richtig trocken wurden, vergessen. Auch das böse Husten setzte für einen Moment aus und der Schmerz in der Lunge ließ nach, welcher seit einigen Tagen vermehrt an seinen Kräften zehrte.

Auch der geschwundene Stolz machte ihm nun plötzlich weniger zu schaffen.

Ja, man hatte in der Heimat über ihn gelacht, als er mit so vielen Menschen im Jahr 1849, als einer von vielen sogenannten Forty-niners, über die See von Europa nach Kalifornien reiste, um mit der Goldsuche sein Glück zu machen.

Seine Freunde haben gelacht, und es waren ihrer nicht wenige.

Hier hatte er gar keine.

Hier gab es nur die Gewissheit, dass jedes Gramm Gold irgendeinen gescheiterten Goldsucher neidisch machte – und Neid bedeutete hier nicht selten, dass derjenige bereit war, zur Waffe zu greifen, um sich zu holen, was ihm nicht zustand.

Als Mick Brown als Goldsucher von zu Hause fortging, war er stolz. Als er nach Monaten der Seefahrt an Land ging, nichts als eine Schaufel und eine Waschpfanne im Gepäck, war sein Stolz bereits eingebrochen, denn er hatte auf der Fahrt viel Gewicht verloren und seine frühere Kraft eingebüßt. Immerhin aber war er noch erfüllt von Abenteuerlust. Aber auch die verging, als er wochenlang nichts fand als Kiesel und Sand. Da war sein Stolz dahin.

Aber jetzt war es mit einem Mal anders!

Dieses kleine Goldnugget ist nur der Anfang, dachte der Goldsucher. Er betrachtete die dürre Hand, die das winzige Klümpchen Gold hielt – seine Hand. Er stellte sich vor, wie seine Hand wieder dicker und sein ganzer Körper durch gutes Essen wieder kräftiger wurde. Ja, vielleicht würde er sogar ein klein wenig übergewichtig werden.

Er lächelte bei dem Gedanken und steckte das Nugget in seine Hemdtasche.

Doch noch ehe er sie wieder herausgezogen hatte, erstarb sein Lächeln.

Denn neben seiner Schläfe hatte soeben eine Revolvertrommel mit einem unheilvollen Klicken gedroht!

Mick Brown war so sehr in seine eigenen Träume versunken gewesen, dass er den Mann nicht bemerkt hatte, der sich ihm genähert hatte. Nun stand jener nicht mehr als eine Arm- und eine Revolverlänge entfernt und hielt ihm die Waffe an die Schläfe.

Mit gezogener Waffe und auf diese Entfernung kann der Kerl gar nicht zu langsam sein oder daneben schießen, dachte Mick Brown. Und selbst, wenn der andere deutlich älter, vielleicht sechzig Jahre alt und auch kleiner war: In Mick Browns geschwächtem Zustand hätte er sich selbst einem Unbewaffneten nicht stellen können.

Der Goldsucher hustete.

»Sie machen es doch eh nicht mehr lange«, brummte es aus der Kehle des Bewaffneten. Es war eine alte, verbitterte Stimme, der man anmerkte, dass der Mann, dem sie gehörte, zu allem bereit war.

»Bitte«, erwiderte Mick Brown und sein neu gewonnener Stolz verstreute sich in alle Winde, »bitte lassen Sie mir das bisschen Gold. Ich bin mir sicher, dass auch Sie bald Glück haben werden.« Er machte sich Hoffnung. »Schauen Sie, wir können auch über diesen Claim verhandeln. Was sagen Sie?«

»Ich bin kein Goldsucher!«, keifte der Alte und Mick Brown wurde sich bewusst, dass dieser Mann wegen etwas anderem verbittert war als einer gescheiterten Goldsuche.

Dieser Mann war wegen einer viel übleren Sache verbittert als geschwundenem Stolz!

»Ich … ich muss etwas essen«, stammelte der Goldsucher schwach und hustete erneut.

»Sie müssen sterben, wenn ich Sie so höre«, erwiderte der andere hart und kalt. »Das müssen Sie. Und niemand fragt danach, warum und ob Sie es wollen. Sie fragt niemand … und meine Söhne fragte auch niemand. Und auch mich wird irgendwann einmal niemand fragen.«

»Ihre … Ihre Söhne sind tot?« hinterfragte Mick Brown. Das also war dem Mann geschehen. Ja, so etwas war schlimmer als der Verlust des Stolzes!

Der Bewaffnete schien sich etwas zu entspannen und ließ sogar die Waffe etwas sinken. Aber Mick Brown durfte sicher sein, dass dieser Mann noch immer aufpasste wie ein Luchs!

»Was geht Sie das an?«, fragte der Bewaffnete böse. Für einen Augenblick schien es, als würde die Kraft aus ihm weichen. Er setzte sich auf einen Felsen am Flussufer und legte die Revolverhand auf dem Oberschenkel ab.

Sein Gesicht war von Furchen zerwühlt, wie auch seine Gedanken in diesem Moment wohl aufgewühlt waren. Er ließ sogar den Blick von dem Goldsucher ab und starrte mit Augen, die unendlich traurig schienen, auf das unaufhörliche Fließen des Flusses. Für einen Augenblick hörte man nichts als das ewige Gurgeln und Plätschern des Wassers.

Wäre da nicht diese lebensbedrohliche Situation, man hätte meinen können, alles sei in bester Ordnung.

»Es geht mir nahe«, log der Goldsucher und zog eines seiner Beine rauschend durch das Wasser. »Ich … ich darf doch sicher aus dem Wasser kommen, nicht wahr? Sie … Sie haben doch nichts dagegen …?«

Der Alte murrte nur und winkte einverstanden mit dem Revolverlauf. Er hatte seinen Blick nun gänzlich von dem Goldsucher abgeschnitten, denn der große, breitkrempige Hut, den er trug, verdeckte sein gesenktes Gesicht nun fast vollständig. Nur das stoppelige Kinn und der dünnlippige, verbitterte Mund waren noch zu sehen.

Mick Brown stieg betont langsam aus dem Fluss, um ja nicht bedrohlich zu wirken.

»Es waren zwei«, erzählte da der Mann, »Will und Jim Gray. Beide kräftige Männer, auf die ihr Vater, Forrest, sehr stolz war.« Er machte eine Pause.

»Das sind Sie, nicht wahr?«, setzte Mick Brown die Unterhaltung fort. »Forrest Gray? Ich bin Mick. Mick Brown.«

»Ja, der bin ich«, gab der Mann zu. »Doch glauben Sie mir, Mister Brown, ich wünschte, ich wäre jemand anderes.«

Der Goldsucher war inzwischen aus dem Wasser gestiegen und dem anderen ein paar Schritte näher gekommen. Ihn trennten vielleicht drei, vier Schritt von ihm und auch Kinn und Mund waren inzwischen unter dem Hut verschwunden. Der alte Gray trug eine Lederjacke mit dickem Fellkragen, die ihn bullig und kräftig wirken ließ. Dass es nicht nur Schein war, konnte Mick Brown jedoch an dem dicken Handgelenk erkennen, das den Revolver hielt.

Im Übrigen hielt sie ihn nur noch sehr leicht, gerade so, dass die Waffe nicht in den Fluss rutschte.

»Was ist Ihren Söhnen geschehen?«, fragte Mick Brown und trat noch einen Schritt auf den Sitzenden zu.

»Nun, ich sagte nicht die ganze Wahrheit, als ich behauptete, ich sei kein Goldsucher«, gab Forrest Gray zu. »Meine Söhne und ich setzten nach Kalifornien über, um unser Glück zu machen. Wir waren ein Dreigespann von Abenteurern, müssen Sie wissen. Kaum etwas, was ich meinen Söhnen nicht zugetraut hätte. Kaum etwas, bei dem die beiden ihrem Vater nicht vertraut hätten. Es waren fantastische Söhne. Ja, ich liebte sie. Und sie liebten mich. Was kann ein Mann mehr wollen, als die Welt mit seinen Söhnen bereisen?! Sie machten mich glauben, ich sei jung wie sie!«

»Und dann?«, fragte Mick Brown.

Ein weiterer Schritt auf den Bewaffneten zu …

»Sie kamen nie in Kalifornien an«, schloss Forrest Gray seine Erzählung. »Sie wurden an Bord des Schiffes von zwei betrunkenen Dummköpfen bei einem Pokerspiel wegen ein paar Dollar erschossen.«

Mick Brown hielt ein Husten zurück, beugte die Knie, nahm die Hände nach vorn. Alles in ihm war zum Sprung und zu einem Ringen auf Leben und Tod bereit. Wenn er nur an den Revolver käme …!

Als er die höchstmögliche Muskelspannung aufgebaut hatte, blickte er plötzlich in den gehobenen Lauf des Revolvers.

Es knallte!

Ein bitterer Schmerz erfüllte Mick Browns Brustkorb. Alle Kraft wich aus ihm und er stürzte. Er lag am Ufer und sein Haarschopf wurde vom Flusswasser getränkt.

Vielleicht bekomme ich nun goldenes Haar, kamen ihm wirre Gedanken.

Der alte Gray hatte den Blick noch immer gesenkt. Doch nun, da der Goldsucher am Boden lag, traf ihn dessen böser Blick direkt. Angsterfüllt, obwohl er doch längst keine Angst mehr zu haben brauchte, starrte er in das verbitterte Gesicht seines Mörders.

»Haben Sie geglaubt, Sie könnten mich überlisten? So, wie man meine Söhne überlistet hat? Dann waren Sie ein Narr, Mister Brown! Niemand wird mich mehr überlisten! Niemand wird mehr sein Spiel mit mir spielen! Die ganze Zeit über habe ich Ihr Spiegelbild im Fluss beobachtet und jede Ihrer Bewegungen verfolgt. Ha! Sie dachten, ich lasse mich von Ihnen überlisten, aber nun ist es Ihr Blut, das den Fluss rot färbt. Sehen Sie!«

Mick Brown wandte den Blick von jenem Teufel ab und beobachtete den Lauf des Flusses. Ja, da war Blut, das ihn rot färbte.

Aber lag dort am Ufer nicht auch ein Goldnugget von der Größe eines Hühnereis? Wenn er den daheim seinen Freunden zeigte, würde man gewiss staunen!

Und er würde wieder stolz auf sich sein …

Kapitel 2

»Wein ist weit mehr als ein Getränk, Hernán«, erklärte Don Antonio, der seines mächtigen Schnurrbarts wegen im Dorf El Bigote genannt wurde – das spanische Wort für eben jenen Schnurrbart. »Wein birgt die Seele des Landes in sich, aus dem er stammt. Ja, und unsere Reben brachten einst die Spanier hierher nach Kalifornien. Und jedes Mal, wenn ich einen Schluck unseres köstlichen Weins trinke, denke ich daran, wie es wohl dort ist – in Spanien.«

El Bigote nahm den Krug, der neben ihm stand, und setzte ihn an die Lippen. Hernán, Don Antonios Enkelsohn, hatte sich oben auf dem Weinberg zu ihm gesellt und sah dem Trinkenden nun zu. Mit seinen zwölf Jahren war er lang nicht alt genug, um Wein zu trinken.

Don Antonio war ein in den Wein vernarrter Mann um die Sechzig, der sein Leben lang nichts anderes getan hatte, als den Wein anzubauen, den die Spanier nach Kalifornien brachten. Hätte man Buch darüber geführt, El Bigote hätte sein Blut vermutlich bis zurück zu den Konquistadoren führen können. Denn auch sein Vater und dessen Vater hatten nichts anderes getan, als Wein anzubauen.

Don Antonio blickte die Hänge der Weinberge hinunter, genoss den süßlichen Geschmack auf seiner Zunge und die Sonne auf seinem Gesicht. Dabei lächelte er breit. Doch auch, wenn jener lebensfrohe Mann einmal nicht lächelte, so sah es doch immer danach aus. Seinem Alter entsprechend, fächerte sich ein weites Delta an dünnen Furchen an seinen äußeren Augenwinkeln auf. Die Furchen vereinten sich oben mit den Stirnfalten und unterhalb des grauschwarzen Schnurrbarts mit seinem Mund. So sah es immer so aus, als lächelte El Bigote den lieben langen Tag vor sich hin.

Den Leuten in dem kleinen Dorf, in welchem er lebte, gefiel er, so dass man ihn gerne zum Dorfältesten gemacht hatte. Dabei war er alles andere als eine imposante Erscheinung. Er war weder dürr noch muskulös; war ein ganz gewöhnlicher alter Mann, dessen einfache weiße Bauernkleidung sehr zweckdienlich war und gegen die Sonne schützte, die aber alles andere war als modisch oder gar herrschaftlich.

Da sich jedoch auch die Männer und Frauen des Dorfes dem Wein verschrieben hatten, war es aber auch das geheime Wissen um eben jenes Getränk, welches El Bigote zum respektierten Anführer machte.

So blickte auch Hernán mit Ehrfurcht auf den großen Anführer. Obwohl er sich nicht einmal vorstellen konnte – oder auch Interesse daran hatte –, wie jene mal rötliche, mal helle Flüssigkeit in den unzähligen Fässern im Vorratskeller unter der alten Spaniermission im Zentrum des Dorfs so viel Einfluss auf die Menschen ausüben konnte, dass man ihrethalben einen Anführer ernennt.

Don Antonio blickte in seinen Krug, dessen Boden nur noch von einer durchsichtigen Schicht Wein von der Dicke eines Fingernagels bedeckt wurde. Dann sah er auf den kleinen Hernán und zerzauste ihm das dunkle Haar.

»Also, wenn du es niemandem verrätst«, flüsterte der Großvater und kicherte, »dann würde ich dir diesen letzten Schluck gerne abgeben …«

»Oh nein, das wirst du nicht!«, rief da eine kraftvolle Frauenstimme.

Don Antonio schreckte zurück, verschüttete versehentlich den letzten Schluck Wein und schien darüber am Boden zerstört.

Inzwischen war die Ursache für jenes Unglück herangekommen, zerrte Hernán am Arm hoch und schickte ihn mit einer klaren Anweisung ins Haus.

El Bigote währenddessen hatte den Schmerz über den Verlust überwunden. Er blickte auf, kniff die Augen wegen der Sonne zusammen und grinste breit. »Tochter, trink du doch einen Schluck mit mir.«

Rica, Don Antonios Tochter und einziges Kind, stemmte die Fäuste in die Hüfte und schob sich so in die Sonne, dass ihr Schatten auf das Gesicht ihres Vaters fiel.

Don Antonio musste nun nicht länger die Augen zusammenkneifen und konnte seine Tochter gut erkennen. Wenn es etwas gibt, auf das ich ebenso stolz bin wie auf den Wein, dachte er voller Hingabe, dann ist es meine Tochter!

Denn was war sie für eine Schönheit! Ihre dunklen Haare fielen lockig ihren Rücken hinab; ihre braune Haut zeugte von den spanischen Vorfahren, deren Blut fast unverändert durch ihre Adern floss. Bei ihrem Gesicht allerdings schien es, als wäre ein Bildhauer am Werke gewesen, der eigentlich die Absicht hatte, einen griechischen Heroen wie Achilles zu meißeln, sich im letzten Augenblick aber für eine Frau entschieden hatte. Ihre Wangenknochen waren stark ausgeprägt. So wirkte sie stärker und stolzer als viele Frauen, die gegen sie geradezu zerbrechlich wirkten. Doch gekleidet war jener Kopf mit einer wunderbar sinnlichen Haut. Weich und glatt war sie und in der Sonne schimmerte sie mit den goldenen, scheibenförmigen Ohrringen um die Wette. Bei ihrem Körper hatte der Bildhauer ebenfalls meisterlich gearbeitet, denn er spiegelte in gleichem Maße Kraft und Sinnlichkeit wider. Ihr feuriges Temperament dagegen wurde von der weißen Bluse, die Schultern und Arme freiließ, und dem flammend rot wallenden Rock unterstrichen.

Don Antonio lächelte unaufhörlich und dachte bei sich, dass er wohl ein sehr guter Bildhauer gewesen sei.

Rica hockte sich nieder und kam neben ihrem Vater zum Sitzen. Sanft legte sie die Hände auf seine Schultern. »Hernán ist noch zu jung, Vater.«

Auch, wenn man es nicht sehen konnte, senkte sich Don Antonios Lächeln. »Ich weiß. Ich weiß, Rica. Aber ich habe den Jungen so gern. Er ist ganz wie sein Vater.« Er erschrak. »Entschuldige bitte, Tochter. ¡Lo siento!«

Rica schüttelte den Kopf. »Es ist schon gut. Ich kann längst darüber sprechen, auch wenn ich in der Nacht so manches Mal weinend wachliege. Aber Francisco ist noch immer bei mir. Er ist bei mir durch unseren gemeinsamen Sohn. Denn Hernán trägt das Beste von ihm in sich.«

»Und das Beste von dir, Rica.« Don Antonio fand sein Lächeln wieder und so auch seine Tochter.

»Gib Hernán noch etwas Zeit, Vater«, bat Rica nach einer Weile. »Er weiß, wie gut er es hier hat. Er wird dir noch sehr lange erhalten bleiben.«

»Ja«, raunte ihr Vater einverstanden und erhob sich mühsam.

Rica kam vor ihm hoch und griff ihrem Vater unter die Arme, um ihm aufzuhelfen.

El Bigote lachte und schlug den Arm um seine Tochter, die ihn fast mühelos halten konnte. »Ich liebe dich Tochter«, lachte er, »und ich liebe Hernán. Und ich wünsche mir, dass sich die Zeiten niemals ändern werden!«

Währenddessen war Hernán längst die Hänge hinab zurück ins Dorf gerannt, vorbei an all den Männern und Frauen, die an den Weinreben arbeiteten, sie pflegten und begutachteten.

Eine einzige Ecke noch trennte ihn vom Haus seiner Familie.

Kapitel 3

Forrest Gray zürnte dem Mann namens Mick Brown noch lange, nachdem er ihn am Fluss begraben hatte. Ja, er hatte ihn begraben, wie es nun einmal Christenpflicht war. Doch das hatte ihn nicht daran gehindert, auf seinem Grabe auszuspucken.

Wie hatte dieser Goldsucher es wagen können, ihn überlisten zu wollen?! Er musste ihn dafür erschießen! Und ob es in Wahrheit wirklich der Mann war, über dessen List er erzürnt war, oder ob es Zorn auf sich selbst war, weil er ihn erschossen hatte, hätte er selbst nicht sagen können.

An seinem Zorn änderte auch das winzige Goldnugget nichts, das Forrest Gray in der Hemdtasche des Goldsuchers gefunden hatte.

Erst, als er in eine der Goldgräberstädte ritt, deren Laden- und Saloonbesitzer weit mehr Dollars machten als jeder Goldsucher mit seinen Nuggets, und er einen Whiskey hinunterkippte, entspannte er sich ein wenig.

Sein Goldnugget war schnell in Dollarscheine eingetauscht worden und bereits unter die Leute gebracht. Denn er hatte von Beginn an geplant, damit und mit seinem aus Europa mitgebrachtem Geld ein paar verzweifelte Seelen zu locken. Jene fand er schnell, und ob es sich dabei um Verbrecher, gescheiterte Goldsucher oder beides handelte, scherte ihn wenig. Solange sie taten, was er ihnen befahl, waren sie ihm dienlich. Und dass es dabei vermeintlich reichlich Beute zu holen gab, überzeugte jeden Mann.

Forrest Gray mochte keinen jener Männer leiden. Aber sie waren seine unverzichtbaren Gehilfen bei seiner ganz persönlichen Rache. Rache für seine Söhne, mit denen, wenn sie noch bei ihm wären, wohl einiges anders gelaufen wäre.

Das war auch ihm selbst klar. Aber wie so oft bei so vielen Männern siegte bei ihm der Hass über die Vernunft.

Er hatte neun Männer angeworben; jeder brachte Revolver, Gewehr, Messer oder eine alte, zur Keule umfunktionierte Schaufel gleich mit. Das war das Einzige, was die Männer besaßen – abgesehen von den wenigen Dollars, die der alte Gray unter ihnen verteilte.

Die Männer würden davon schon sehr bald mehr sehen wollen. Und da er diese Sorte Kerle kannte, wollte er ihre Moral dadurch stärken, dass er Alkohol in großen Mengen ausschänkte. Am besten war es, sich ein Lager zu bauen und dieses mit alkoholischen Getränken vollzustopfen. Von dort würde Forrest Gray seine Rache bekommen. Wie viele Menschen es kosten würde, bis er zufrieden war, wusste er nicht. Der eine Mann am Fluss hatte seinem Durst nach Rache eher noch Antrieb gegeben, statt ihn zu besänftigen.

Doch woher sollte er genügend Alkohol bekommen, um den Durst der Bande zu löschen?

Während seine neugeschaffene Banditenbande noch im Saloon zechte, stand der alte Gray an der Theke und nippte an einem Whiskeyglas.

Der Wirt, dem Fremden sehr zugetan, da er mit Dollarscheinen nicht geizte, schob dem Gedankenversunkenen ein Glas mit einem einzigen Schluck einer dunkelroten Flüssigkeit zu. »Probieren Sie den einmal«, bot er an. »Nein, nein! Sie müssen für diesen Schluck nicht bezahlen. Aber Sie werden schnell mehr wollen. Und das wird Ihnen zwei Dollar pro Schluck wert sein, das verspreche ich Ihnen!«

Forrest Gray senkte mürrisch die Mundwinkel und blickte den Wirt hart an. Doch er griff nach dem Glas und roch zunächst an der Flüssigkeit. »Wein?!«, hinterfragte er fast angewidert.

»Probieren Sie«, bot der Wirt noch einmal an und lächelte unterwürfig.

Der alte Gray ließ den Wirt nicht aus den Augen, während er das Glas neigte und den Wein seine Lippen berühren ließ.

Da ertappte er sich dabei, wie er einen Augenblick lang den Wein anblickte und nicht den Wirt. Der Wein war geradezu köstlich!

Schnell kippte Forrest Gray den Rest hinunter und starrte den Wirt an – während die Köstlichkeit seine Kehle hinablief.

»Noch einen Schluck?«, fragte der Wirt, nun nicht mehr unterwürfig, sondern ganz der Geschäftsmann. »Oder verzichten Sie darauf?«

»Mitnichten«, antwortete Forrest Gray. »Aber ich brauche mehr davon als den einen Schluck. Woher haben Sie den Wein, Mister?«

Der Wirt wirkte enttäuscht. Er ahnte wohl, dass er mit der Weinverkostung kein Geschäft machen konnte.

Dafür aber streckte er wortlos die nach oben geöffnete Hand nach seinem Gast aus.

Der alte Gray knurrte, denn er verstand die Absicht des Wirts gut. Missbilligend legte er einen Dollar in die Hand des Wirts. Der aber rührte sich nicht. Auch beim zweiten und dritten Dollar war aus dem Wirt nichts herauszubekommen. Fast schon wollte der alte Gray nach dem Revolver greifen. Doch das war gewiss keine gute Idee und aus dem toten Wirt wäre auch nichts herauszubekommen.

So legte er weiter Dollars in die Hand des Wirts, bis dieser die Hand schloss und erzählte: »Er stammt hier aus Kalifornien. In einem kleinen Tal, im Norden von schroffem Gebirge, im Westen durch sanftere Berge von der Küste und im Osten durch ebensolche vom Sacramento Valley und der Sierra Nevada abgetrennt, liegt ein kleines Dorf mit dem Namen El Pueblo, wobei dies nur das spanische Wort für ein Dorf ist. Die Leute dort stammen wohl auch von den Spaniern ab, denn eine ihrer alten Missionen bildet den Kern des Dorfes. Sie bereiten im Tal köstlichen Wein zu. Den besten in Amerika, möchte ich behaupten. Hin und wieder kommt einer von ihnen aus dem Dorf in die Stadt und tauscht einige Fässer dieses köstlichen Getränks gegen die Güter, die sie brauchen.«

Forrest Gray wandte sich mit einem Ruck um, schnippte, so dass seine Bande aufmerksam wurde, und winkte sie zu sich. Nach ein paar kurzen Worten saßen die Raufbolde jubelnd auf ihren Pferden und ritten ihrem Anführer nach, von dem sie wenig wussten, außer, dass er ihre trockenen Kehlen befeuchten wollte.


Nach einem tagelangen Ritt und einer unruhigen Nacht, in der Forrest Gray wie ein Luchs auf seine Bande Acht geben musste, sahen sie von Weitem die alte Spaniermission, um die sich viele Lehmhäuser teilweise dicht aneinanderdrängten. Es war ein klarer Morgen und man hätte die Reiter schon meilenweit sehen können. Doch es schien, dass die Dorfbewohner keine Wachen aufgestellt hatten. Dafür waren sie umso fleißiger an den weiten Weinbergen und den endlosen Reben zugange.

Ungehindert ritten die üblen Seelen dicht an das Dorf heran, bevor sie eine der Frauen des Dorfes bemerkte. Sie trug einen Korb Trauben und für einen Augenblick schien sie nicht recht zu wissen, was sie von den Fremden halten sollte. Dann aber ließ sie den Korb fallen, dass einige Trauben platzten und der Most sich auf den Boden ergoss, und rannte davon.

Einer aus der Banditenbande schwang sich vom Pferd, sammelte mit dem Finger den Most vom Boden und steckte sich den Finger in den Mund. »Köstlich!«, gackerte er und schwang sich wieder aufs Pferd.

Die Bande, der Anführer voran, ritt nun ins Dorf hinein. Widerstand leistete man ihnen nicht. Auch machte sich niemand daran, sie zumindest zu begrüßen.

Da lief ein kleiner, dunkelhaariger Junge um die Ecke eines Hauses und lief unmittelbar in Forrest Grays Pferd hinein!

Das Pferd wieherte, doch der Alte beruhigte es schnell. Den Jungen, welcher noch ganz benommen von dem Zusammenprall war, zog er zu sich aufs Pferd.

»Na, mein Junge, wie heißt du?«, fragte der alte Gray.

Doch als der Junge seinen Kopf schüttelte, wieder zu Sinnen kam und in das Gesicht des Mannes blickte, da ahnte er, dass sich hinter der harmlosen Frage etwas Übles befand. »Her... Hernán«, stotterte er und stemmte sich gegen den Arm, der ihn festhielt.

Die Banditenbande lachte, als er nicht freikam, und da regte sich etwas im Dorf. Zögerlich und langsam kamen die Dorfbewohner, allesamt einfach gekleidet und breitrandige Sombreros tragend, von allen Seiten heran und umzingelten die Reiter geradezu.

Die aber hörten nicht auf, über sie zu lachen, und einer zog sogar sein Gewehr.

»Nein!«, befahl ihm da der alte Gray. Murrend steckte der Kerl sein Gewehr zurück. An die Dorfbewohner gewandt, fragte der Anführer der Banditenbande dann: »Wer hat hier das Sagen?«

Ein älterer Mann mit imposantem Schnurrbart, gekleidet in gewöhnliche Bauernkleidung, und eine junge, dunkelhaarige Frau eilten von einem der Hügel herunter. Eine weitere Frau begleitete sie – diejenige, die die Fremden als erste gesehen hatte, war geradewegs zum Dorfältesten gerannt.

Es dauerte einen Augenblick, bis die beiden heran waren. Der ältere Mann mit Schnurrbart sagte außer Atem – besorgt, obwohl man es seinem scheinbar immerwährend lächelnden Gesicht kaum ansehen konnte: »Man nennt mich El Bigote. Ich bin der Dorfälteste. Bitte, lassen Sie den Jungen zu mir kommen.«

Forrest Gray reagierte gar nicht auf die Forderung des Mannes, der etwa so alt sein mochte wie er selbst. Schon war er voll des Zorns für den Mann, der bei gleichem Alter so anders war als er selbst. »Forrest Gray ist mein Name. Ich hörte, hier wird Wein angebaut. Der beste in ganz Amerika«, erwiderte er stattdessen.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mister Gray«, sagte El Bigote schnell, »und wenn Sie wollen, können Sie – kann jeder von Ihnen – einen Krug ohne Gegenleistung mit auf den Weg nehmen. Nur lassen Sie jetzt den Jungen zu mir kommen.«

Der Junge stemmte sich noch immer gegen den ihn festhaltenden Arm. Ohne Erfolg.

»Wir brauchen mehr als einen Krug pro Mann, Dorfältester. Ihr habt doch bestimmt Karren hier, oder?«

El Bigote keuchte. »Karren? Ja, ja, gewiss haben wir Wagen hier im Dorf, aber was sollen …«

Der alte Schurke fiel ihm ins Wort: »Ich gebe Ihnen eine Woche, Dorfältester. Füllen Sie mir in dieser Woche alle Karren, die Sie haben, mit Fässern Ihres Weins.«

»Wie … wie viele wollen Sie denn?«

»Versuchen Sie nicht, mich zu betrügen, Dorfältester«, keifte Forrest Gray. »Mich betrügt man nicht! Wenn ich nach Ablauf der Woche nicht mindestens einen Jahresvorrat erhalte, auf dass ich nächstes Jahr nach der Ernte wiederkommen kann, wird es Ihnen und Ihrem Dorf schlecht gehen.«

»Warum nehmen wir uns nicht gleich alles, was wir wollen?«, fragte einer aus der Banditenbande. »Warum eine Woche warten?« Er fragte es böse.

Forrest Gray hatte diese Frage erwartet. Er kannte diesen Schlag Kerle. Er wollte mit dem Wein des Dorfes seinen Bedarf zur Aufrechterhaltung der Moral der Bande decken. Aber wenn er den Männern freie Hand ließ, dann würde er sich nach einem Jahr eine andere Quelle suchen müssen.

Denn es wäre, wenn die Männer taten, was sie wollten, niemand übrig in diesem Dorf, der noch Wein herstellen könnte!

Er hatte sich also eine Antwort parat gelegt, von der er hoffte, dass sie seine Männer nicht gegen ihn aufbrachte, gerade jetzt, wo sie ihn noch nicht kannten. »Keine Sorge«, wandte er sich an seine Männer und ließ sich keine Schwäche anmerken, »wir sind währenddessen nicht untätig. Während ihr nämlich in dem Saloon zechtet, habe ich meine Lauscher gespitzt! Dabei hörte ich einige Goldsucher sprechen, die in den Bergen Höhlen entdeckt haben. Goldhaltige Höhlen! Doch keine Furcht, wir müssen nicht dafür arbeiten. Denn die Goldsucher waren dort bereits mit Pickeln zugange und haben das Gold von den Wänden geschlagen. Diese Goldsucher werden uns die Taschen füllen. Und dann nehmen wir uns diese Höhlen, die wohl verzweigt und tief sein mögen, als ein uneinnehmbares Lager. Was meint ihr, Hombres

»Gold! Gold!«, riefen da die Männer und immer wieder: »Gold!«

Der alte Schurke sah grinsende Gesichter und Männer, die zum Aufbruch bereit waren. Zu dem Dorfältesten gewandt, fragte er: »Sind Sie einverstanden?«

»Ich …«, stammelte El Bigote, sagte dann aber fest: »Geben Sie mir den Jungen und Sie sollen den Wein bekommen.«

Der alte Gray blickte auf den Jungen, dann auf den Dorfältesten. »Den Junge behalten wir als Pfand. Sie bekommen ihn zurück, wenn alles so verläuft, wie ich es will. Wenn nicht …« Er ließ sein Pferd auf den Dorfältesten zugehen und beugte sich dann hinab, so dass nur er die Worte verstehen konnte: »Was passiert, wenn nicht, wollen Sie gar nicht wissen und es sich auch nicht ausmalen! Nur so viel, El Bigote: Ich kann Sie nicht leiden und ich habe meine Gründe dafür. Der Junge ist zu alt, um Ihr Sohn zu sein, und die Art, wie Sie sich um ihn bemühen, sagt mir, dass er Ihnen dennoch nahe steht. Ihr Enkel, nicht wahr? Es ist schön, Enkel zu haben. Ich beneide Sie darum und deshalb hasse ich Sie. Und wenn er Ihr Enkel ist, ist er der Sohn Ihrer … Tochter, nicht wahr? Die schöne Frau mit dem harten Gesicht dort? Mir scheint, Sie sind glücklich hier, Dorfältester. Darum hoffe ich, dass Sie tun, was ich verlange. Dann will ich meinen Hass zusammen mit Ihrem Wein mit mir nehmen und es bleibt dabei.«

Mit diesen unendlich furchtbaren Worten, die Don Antonio wie ein Messerstich ins Herz trafen und Tränen in die Augen seiner Tochter trieben, wandte sich der alte Schurke um und ritt mit seiner johlenden und pfeifenden Banditenbande davon.

»Eine Woche!«, rief der alte Gray im Wegreiten. »Eine Woche!«

Und um Beherrschung ringend, wimmerte El Bigote nur wieder und wieder: »¡El Diablo! - der Teufel!«

Kapitel 4

In der alten Spaniermission, dem Dorfzentrum von El Pueblo und gleichzeitig Versammlungshalle, hatten sich ein paar mehr als fünfzig Seelen zusammengefunden und redeten wild durcheinander. Etwas so Schreckliches hatte es in ihrem friedlichen Dorf, welches nichts wollte, als Wein anzubauen, noch nicht gegeben!

Doch wo sich die Männer und Frauen gegenseitig beschimpften, da niemand wusste, wie sie aus dieser heiklen Sache wieder herauskamen, da saß ihr Anführer, El Bigote, auf einem Stuhl und blickte in einen leeren Weinkrug.

Wenngleich auch die Miene des Dorfältesten eine immerlächelnde war, so konnte man sie dennoch deuten. Vor allem dann, wenn man seine Tochter war und ihn besser kannte als jeder andere. Soeben schob sich Rica denn auch an drei heftig streitenden Männern vorbei.

»Vater«, rief sie ihm schon durch das Stimmgewirr zu und wiederholte noch einmal: »Vater!«

Don Antonio hob den Blick vom Krug und blickte sie mit Augen an, die nicht minder leer waren als das Gefäß in seiner Hand.

Rica kniete sich neben ihn und umarmte ihren Vater.

Der legte die raue Hand auf die weiche Haut ihres Arms und fragte: »Was soll ich tun, Rica? Schau, ich könnte dir sagen, warum Wein an Hängen besser wächst als auf der Ebene oder warum eine überreife Traube keine Verschwendung sein muss.« Er holte tief Luft und sprach nun laut: »Aber wie ich meinen Enkel aus den Händen dieser Schurken befreie, das weiß ich nicht.« Er erhob sich schwungvoll und ballte die Hände zu Fäusten. »Und wie ich mein Dorf vor diesen Männern bewahre, das weiß ich ebenso wenig. Was bin ich da für ein Dorfältester?!«

Rica erhob sich ebenfalls und legte ihrem Vater die Hand auf die Schulter. Inzwischen hatten auch andere ihre kleinen Gespräche beendet und lauschten auf das, was ihr Anführer zu sagen hatte. Schon bald richteten sie das Wort an ihn mit ihren eigenen Ansichten, was zu tun sei.

»Wir müssen ihnen unseren Wein überlassen«, sagte der eine.

»Nein, wir müssen uns wehren, sonst sind wir nur noch Sklaven dieser Männer«, urteilte ein anderer.

»Was, wenn sie mir auch mein Kind nehmen?! Das will ich nicht!«, bangte eine Frau.

»Wenn wir uns und unsere Kinder vor ihnen zu schützen versuchen – werden sie uns dann nicht alle erschießen?«, malte sich eine andere aus.

Nachdem alle Meinungen kundgetan waren und El Bigote sie alle angehört hatte, wandte sich seine Tochter ihm zu und sagte: »Du bist der Dorfälteste, Vater. Du entscheidest, was wir tun sollen.«

Don Antonio schüttelte den Kopf. Seine Augen zeigten den Schmerz, den er in seiner Lage empfand. »Wie kann ich das?«, raunte er gequält. »Wie kann ich wissen, was richtig ist?«

»Es ist unser Dorf, für das Ihr verantwortlich seid, El Bigote«, meinte ein Dorfbewohner mit erhobenem Finger.

»Was wäre wohl das Beste für das Kind, das sie bedrohen?«, grübelte eine Dorfbewohnerin.

Nach einer Weile meinte Don Antonio: »Ja, Hernán ist mein Enkel und ich will ihn wohlbehalten zurück. Aber er ist auch der Sohn meiner Tochter Rica. Und ihre Meinung habe ich als einzige noch nicht gehört. Also sprich, Tochter. Zu was rätst du? Sollen wir uns ergeben und hoffen, dass man uns in Ruhe lässt, aber ewig Sklaven bleiben? Oder sollen wir wagen, uns zu wehren und unser Leben aufs Spiel setzen, dafür aber frei bleiben?«

Rica stand fest und zeigte keine Träne als sie antwortete: »Hernán ist mein Sohn. Und ich will nicht, dass er in Sklaverei aufwächst!«

»Dann sollen wir kämpfen?!«, keuchte einer der Dorfbewohner, der mit Ricas Antwort sichtlich nicht einverstanden war. »Aber das können wir nicht! Was können wir mit bloßen Händen gegen diese geübten Revolverschwinger ausrichten? Doch gar nichts!«

»Das ist wahr«, gab Rica zu und eifriges Gemurmel war im Raum. Der, der eben gesprochen hatte, nickte, da er seine Meinung bestätigt sah.

Doch Rica belehrte ihn eines Besseren: »Aber denkt nicht, ich hätte nur tapfer geredet. Denn ich will selbst in eine der Goldgräberstädte reiten und Männer anwerben, die mit uns kämpfen. Es sollen geübte Revolvermänner sein, die aber ehrenwerte Männer sind.«

»Ehrenwerte Männer? Ihr, Rica, glaubt, solche Männer in den Goldgräberstädten zu finden? Diese Männer interessiert doch nur die Bezahlung, die sie erhalten!«

»Und Bezahlung bieten wir ihnen«, sagte da El Bigote laut und fest. »Nicht etwa Dollars, denn die haben wir nicht. Aber Wein, den haben wir. Köstlichen Wein! Und wenn es diese Schurken nach unserem Wein gelüstet, dann sollte ein in Partnerschaft überreichter Krug einem ehrenwerten Mann ebenso viel wert sein.«

»Ja, daran glaube ich auch«, stimmte Rica zu.

»Dann habt Ihr Eure Meinung gefällt, Dorfältester?«, fragte es aus der Runde der Dorfbewohner.

»Nein, wir alle sollen einer Meinung sein«, widersprach El Bigote. »Deshalb frage ich jeden von euch, ob Ihr Sklaverei für Euch und Eure Kinder wollt? Oder ob Ihr es wagen wollt, das Leben, das wir hier führen, zu verteidigen?«

»Wir wollen es verteidigen!«, gab da mehr als die Hälfte der Dorfbewohner zurück und blickte dabei unübersehbar auf die stolze Rica, die die Mutigste von ihnen allen war.

Auch die anderen, die noch zögerten, nickten mehr und mehr und am Schluss stimmte auch der letzte von ihnen zu.

 

ENDE DER LESEPROBE

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Texte: Kai Krzyzelewski
Bildmaterialien: Kai Krzyzelewski
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2016

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