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Widmung

Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.

 

 

 

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1. Ein medizinischer Notfall

Am Montag nach der sechsten Stunde saß die Klasse 6a in einem mittelgroßen Reisebus. Nach den Himmelfahrtsferien hatten die Schüler statt Sport Schwimmunterricht. Nachdem die letzten Nachzügler eingetrudelt waren, startete der Busfahrer den Motor.

„Damit es klar ist: Abfahrt ist Punkt 13:15 und nicht zehn Minuten später“, wies Herr Loh Jolanda und Saskia zurrecht, die sich eben in der Cafeteria ein Eis gekauft hatten.

„Es tut uns leid, die Schlange in der Cafeteria war so lang“, entschuldigte sich Saskia.

„Das ist keine Ausrede. Das nächste Mal seid ihr bitte pünktlich!“, ließ sich der Sportlehrer nicht beirren und ließ die beiden Mädchen endlich einsteigen.

„Und mit vollem Magen schwimmt es sich auch nicht am besten“, bemerkte Lotta halblaut, die neben Aylin saß und machte eine große Kaugummiblase.

 

„Wetten die kleine Aylin hat wieder Angst vor dem Wasser?“, sah Jannis seinen besten Kumpel Sven feixend an.

„Die hat noch nicht einmal Seepferdchen“, sagte Michael herablassend, sodass es im Bus gut hörbar war. Anders als sonst, versuchte Aylin sich nichts anmerken zu lassen.

„Nun mal zu dir, Michael, weißt du eigentlich, dass Fett oben schwimmt?“, bemerkte Fianna schnippisch.

„Ganz genau, dann müsstest du im Schwimmen glatt eine Eins bekommen“, setzte Mathilda ironisch oben drauf. Nun war zumindest Michael ruhig, obwohl die anderen Piranhas noch leise weiter tuschelten.

„Ich hasse schwimmen!“, murrte Aylin.

„Mach dir nichts daraus, was die Fischköppe sagen und nimm dir ihren Blödsinn bloß nicht zu Herzen!“, tröstete Lotta sie.

„Tue ich auch nicht!“, presste Aylin die Lippen zusammen und Tränen glitzerten in ihren braunen Kulleraugen. Da sie die Kleinste und Schüchternste der Roten Tulpen war, wurde sie von den anderen Mitschülern, ganz besonders von den Piranhas am häufigsten gehänselt.

 

Lotta, Aylin und Fianna teilten sich im Freibad eine Umkleide zu dritt.

„Schwimmen ist einfach ein Albtraum“, war Aylin immer noch am Jammern.

„Ach komm schon! So schlimm ist es auch nicht und ich finde, dass du schon echt Fortschritte gemacht hast“, redete Lotta aufmunternd auf sie ein.

„Trotzdem hast du gut reden“, moserte ihre Freundin weiter. „Du schwimmst wie ein Fisch und ich kann noch nicht mal zehn Sekunden unter Wasser bleiben.“

Lotta machte ein resigniertes Gesicht. Wenn Aylin in einer pessimistischen Laune war, konnte es ziemlich schwer sein sie aufzumuntern.

„Shit!“, fluchte Fianna plötzlich.

„Was ist denn?“, fragte Lotta verwundert.

„Einer meiner Ohrringe ist herunter gefallen“, ärgerte sich Fianna und beugte sich nach unten.

„Wie sah er denn aus?“, fragte Aylin. 

„Genauso, wie der hier: ein türkisblauer Schmetterling“, strich Fianna eine Strähne ihres dichten roten Haares hinter ihr Ohr und deutete auf den Ohrhänger, der noch am Ohrläppchen baumelte. Aylin und Lotta halfen ihr beim Suchen.

„Es kann doch nicht sein, dass er einfach weg ist!“, schlug Fianna die Augen nieder.

 

„Ich glaube, ich stehe gerade mit meinem rechten Fuß darauf“, hob Lotta ihren Fuß hoch. Ihr Flipflop hatte das Schmuckstück zum Glück nicht beschädigt.

„Ich hätte dich gekillt, wenn der Ohrring kaputt gewesen wäre. Das war ein Geburtstagsgeschenk meiner Großeltern“, sagte Fianna und verstaute die Ohrringe in einer kleinen Seitentasche von ihrem Schulrucksack.

„Kikerikiiii!“, vernahmen die drei Mädchen von draußen eine schrille Stimme. Dann bollerte es mehrfach laut gegen ihre Kabinentür.

„Diese Nervensägen!“, grummelte Lotta.

„Das waren aber hundertprozentig unsere Freundinnen und ganz bestimmt war es Mathilda, die gerade gekräht hat“, meinte Fianna und öffnete die Tür.

„Hey, ich bin noch nicht ganz fertig umgezogen!“, protestierte Aylin und riss die Tür schnell wieder zu.

„Mach hin, wir haben noch zwei Minuten Zeit!“, drängte Lotta. Aylin beeilte sich fertig zu werden. Als sie aus der Tür traten, stand niemand vor ihrer Kabine.

„Nanu, wo sind Kiki, Emily und die Zwillinge?“, wunderte sich Fianna.

„So egoistisch, wie sie sind, sind sie ohne uns gegangen“, vermutete Aylin.

 

Gerade als sie zur Dusche gehen wollten, sprangen Kiki und die Zwillinge mit lautem Geschrei hinter einem der Büsche hervor, die den Weg von den Umkleiden zur Dusche säumten. Lotta und Aylin verjagten sich so sehr, dass sie kreischend zur Seite sprangen und sich gegenseitig fest umklammert hielten.

„Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?“, fuhr Fianna die Freundinnen an.

„Uns war langweilig und weil wir auf euch warten mussten, wollten wir euch diesen kleinen Streich spielen“, grinste Kiki schadenfroh.

„Das ist nicht witzig! Ich habe mir bei eurer blödsinnigen Aktion den großen Zeh gestoßen“, sagte Aylin verärgert.

„Solange dein Zeh noch dran ist, ist doch alles gut“, zwinkerte Annemieke ihr zu, worauf Aylin schwieg und sie finster ansah.

„Wo habt ihr Emily gelassen?“, fragte Lotta.

„Sie ist schon mal vor gegangen“, erwiderte Mathilda.

„Hallo, ihr Trödeltanten, ich warte schon seit Ewigkeiten auf euch!“, winkte Emily ihren Bandenschwestern von der Dusche aus zu. 

„Lasst uns alle zusammen duschen, dann ist das eisige Wasser nicht mehr so schlimm“, schnappte sich Kiki Fianna und die Zwillinge.

 

„Wie blöd sieht das denn bitte aus?“, spottete Lotta und stellte sich kurzerhand alleine unter die Brause.

„Ich mach da auch nicht mit“, beschloss Emily. Die übrigen Bandenmädchen stellten sich wie die Pinguine dicht an dicht nebeneinander hin und ließen gemeinsam den kalten Schauer über sich ergehen.

„Wenigstens seid ihr nicht solche Kleinkinder wie eure Freundinnen“, blieb Tanja, die zum Tussenkomitee gehörte, vor Lotta und Emily stehen.

„Zum Glück sind unsere Freundinnen nicht solche eingebildete und dämliche Tussen wie ihr“, nahm Lotta ihre Bandenfreundinnen in Schutz, worauf Tanja sie nur abschätzig anschaute und sich wieder trollte.

„Seht ihr Emilys dicken Hintern?“, krähte Sven, der zusammen mit den anderen Piranhas den Mädchen am Schwimmbeckenrand aufgelauert hatte.

„Nilpferd, Nilpferd, Nilpferd!“, sangen Ömer und Lennart.

„Und da kommt Aylin, die sich nicht einmal traut vom Dreimeterbrett zu springen“, höhnte Jannis.

 

„Weißt du, dass es im Schwimmunterricht auch nicht gefordert wird, du Honk!“, fuhr Kiki ihm über den Mund. 

„Ömer, ich glaube, du hast eine Wespe auf deinem Rücken sitzen. Sven und Ömer, ihr habt beide einen Grasfleck auf euren Shorts. Michael, du scheinst dich in ein Kaugummi gesetzt zu haben“, blieb Annemieke vor den Jungs stehen und musterte sie genau.

„Hä? Ich habe mich in kein Kaugummi gesetzt“, sah Michael sie groß an.

„Glaub mir, du hast wirklich ein Kaugummi am Hintern kleben. Vielleicht hast du dich beim letzten Mal in ein Kaugummi gesetzt und es nicht gemerkt“, sagte Lotta so ernst, wie sie konnte, obwohl ihre Mundwinkel verräterisch zuckten. Während Annemieke und Lotta die Jungs weiterhin irreführten und ablenkten, nutzten Kiki, Fianna und Mathilda die Gelegenheit, um die Piranhas ins Becken zu stoßen.

 Mit einem großen Platscher landete Michael zuerst in den Fluten, dann folgten Lennart und Jannis.

„Mit mir hast du kein leichtes Spiel!“, packte Ömer Kiki am Arm und warf sie unsanft ins Becken. Ein Pfiff ertönte und Herr Loh stand unmittelbar vor ihnen.

„Was sollen diese Kinderreien?“, runzelte er die Stirn. „Muss ich euch wegen der Bandenrangeleien noch einmal ermahnen, werde ich beide Banden zu einer Stunde nachsitzen verdonnern.“

„Das wird auch nicht wieder vorkommen, Herr Loh“, versprach ihm Annemieke.

„Solange ihr hier im Schwimmunterricht seid, habt ihr euch zu benehmen. Ich beobachte euch schon länger und mir fällt unangenehm auf, dass ihr ziemlich viel am herumalbern seid und damit meine euch“, sah der Sportlehrer die Roten Tulpen streng an.

 

Der Schwimmunterricht war für die meisten Schüler kein Zuckerschlecken. Einige von ihnen waren bereits nach dem Warmschwimmen halb erschöpft. Als Herr Loh die Schwimmbretter verteilte, hörte Fianna einige ihrer Mitschüler leise seufzen.

„Zwei Bahnen hin und zurück!“, ordnete er an. „Denkt an die Bewegungsabläufe, die für den Beinschlag beim Kraulen wichtig sind!“

„Ich komme kaum vorwärts“, klagte Fianna, die neben Annemieke schwamm.

„Denkst du ich?“, meinte ihre Freundin. „Ich fühle mich wie ein Hund, der seinem Ball hinterher taucht.“

Lotta und Emily, die beide häufiger schwammen, fiel die Übung von den sieben Freundinnen am leichtesten.

„Ich kriege Krämpfe in der Wade“, moserte Aylin, die noch weiter hinten lag, als ihre Freundinnen.

„Dann schwimm doch einfach normal weiter, Aylin“, riet ihr Mathilda.

„Kraulen ist echt nicht mein Ding“, seufzte Kiki, als alle wieder am Beckenrand angekommen waren.

„Unsers auch nicht“, schüttelten die Zwillinge synchron die Köpfe.

 

„Nun probieren wir es ohne die Bretter!“, sammelte Herr Loh die Bretter wieder ein.

„Will er uns killen?“, moserte Aylin leise. „Ich komme auch mit dem Brett kaum von der Stelle“

Fianna versuchte den Arm- und Beinschlag so gut es ging zu koordinieren. Mehrere Dinge auf einmal zu machen, war echt nicht leicht und zudem war es für sie sehr ungewohnte Bewegungsabläufe. Dann musste man auch immer im Takt ein und ausatmen. Das war die größte Herausforderung und Fianna verschluckte sich nicht nur einmal.

„Wie ich es hasse!“, spuckte Mathilda neben ihr einen Schwall Wasser aus.

„Ja, ich fühle mich auch schon wie ein U-Boot“, scherzte Kiki und schwamm normal weiter.

„Versucht es noch einmal! Ihr müsst euch vorstellen, dass eure Arme das Wasser wegschaufeln“, lief Herr Loh am Beckenrand neben seinen Schülern her und demonstrierte die Bewegungen mit seinen Armen.

 

„Als ob das auch immer so einfach wäre“, schnaufte Mathilda, die sich darauf wieder verschluckte und hustend zum Beckenrand schwamm.

„Darf ich mich kurz auf die Tribüne setzen? Ich habe so viel Wasser verschluckt, dass mir ganz schlecht ist“, bat sie. Dort saß schon Aylin, die schon völlig k.o. war.

„Meinetwegen ruh dich für ein paar Minuten aus, aber mach bitte keine Faxen!“, meinte der Sportlehrer.

„Was habt ihr eigentlich? Kraulen ist nichts Menschenunmögliches“, glitt Lotta dynamisch und kraftvoll wie ein Delfin durch das Wasser und zog an ihren Freundinnen vorbei.

„Vielleicht für dich, Lotta! Du schwimmst aber auch im Verein und wir haben es zuvor noch nie gelernt“, merkte Kiki an, die sich weiterhin Mühe gab und sich langsam steigerte. Trotzdem glich sie immer noch einem strampelnden Frosch, aber immerhin konnte sie sich über Wasser halten.

 

„Endlich hat die Schwimmstunde ein Ende!“, raunte Fianna ihren Freundinnen auf dem Weg zu den Umkleiden zu. Um den Weg abzukürzen, liefen sie über ein Stück Rasen. Plötzlich quiekte Emily auf und fiel auf den Rasen.

„Emily, was hast du?“, entfuhr es Kiki erschrocken.

„Mich hat etwas in den Fuß gestochen“, jammerte Emily.

„Zeig mal her!“, forderte Lotta sie auf. Emily hielt ihren Fuß hoch und verzog vor Schmerzen das Gesicht.

„Das wird wohl ein Wespenstich gewesen sein. Ich sehe keinen Stachel“, vermutete Fianna.

„Oh nein, der Stich schwillt richtig doll an“, machte Annemieke ein besorgtes Gesicht.

„Wir tragen dich zur nächsten Bank, Lily!“, hielt ihr Mathilda die Hand hin.

„Ich kann nicht aufstehen, mir ist schwindelig und ich kriege kaum noch Luft“, klagte Emily, die im Gesicht puterrot war. Dann bemerkten die Mädchen einen deutlich sichtbaren Ausschlag an Emilys Bein.

 

„Oh je, du hast eine Allergie gegen Wespengift“, rief Kiki.

„Woher willst du das wissen?“, runzelte Aylin die Stirn.

„Meine große Schwester hat das auch“, antwortete Kiki. „Das war so schlimm, als sie beim letzten Mal gestochen wurde, dass wir mit ihr zum Arzt fahren mussten und sie hatte die gleichen Symptome.“

„Wir müssen Herrn Loh bescheid sagen!“, sagte Fianna alarmiert und lief zusammen mit Kiki und Mathilda los. Glücklicherweise war ihr Sportlehrer zusammen mit einem Bademeister an der Tribüne anzutreffen.

„Warum geht ihr euch nicht umziehen? Wegen euch müssen die anderen Schüler länger warten“, runzelte er die Stirn, als sie zu dritt vor ihm standen.

„Herr Loh, Emily wurde von einer Wespe in den Fuß gestochen. Sie hat große Schmerzen, kriegt kaum noch Luft und ihr ist schwindelig. Bitte kommen Sie sofort mit!“, sprudelte es aufgebracht aus Mathilda heraus. 

 

„Es ist wirklich sehr dringend!“, setzte Kiki in einem ruhigeren Tonfall nach.

„Außerdem hat sie einen merkwürdigen Ausschlag“, fügte Fianna hinzu.

„Ich komme sofort mit mit!“, folgte Herr Loh den drei Mädchen und fragte: „Wo sind eure Freundinnen?“

„Sie sind bei Emily“, erwiderte Fianna.

„Herr Loh, rufen Sie sofort einen Notarzt!“, lief Lotta ihnen entgegen. Emily lag halbbewusstlos auf dem Rasen. Inzwischen war ihr Gesicht leichenblass und Schweißperlen rannen ihr über die Stirn.

„Emily, kannst du mich verstehen?“, kniete sich Herr Loh neben seiner Schülerin nieder und berührte sie an der Schulter. Dann griff er zum Mobiltelefon und rief den Rettungsdienst an.

„Hoffentlich ist es nichts Schlimmes!“, sagte Annemieke, die den Tränen nahe zu sein schien. 

„Das wird schon wieder!“, legte ihr Kiki tröstend den Arm um die Schulter.

„Ich mach mir gerade so riesige Sorgen“, seufzte Annemieke und versuchte sich zu beherrschen.

„Ich hole eben Emilys Sachen aus dem Spind“, lief Fianna los, die von Lotta Emilys Schlüssel bekam. In weniger als drei Minuten kam sie wieder zurück gesprintet.

„Was ist denn hier los?“, lief Patrick mit Finn und Thomas über den Rasen. Die Jungs waren inzwischen umgezogen und wunderten sich, wieso die Bandenmädchen immer noch in ihren Badeanzügen unterwegs waren.

„Emily wurde von einer Wespe in den Fuß gestochen und sie scheint hochgradig allergisch gegen Wespenstiche zu sein“, erzählte Aylin ihren Klassenkameraden.

 

„Sagt bitte all euren anderen Klassenkameraden bescheid, dass ihr euch am Ausgang trefft! Dort wartet der Busfahrer auf euch. Ich komme später, denn wir haben hier gerade einen Notfall und warten gerade auf den Krankenwagen“, wandte sich Herr Loh an die drei Jungs.

„Das machen wir“, versprach Finn. Nach gefühlten fünfzehn Minuten wurde eine Trage von drei Sanitätern auf das Freibadgelände geschoben. Der Notarzt ging mit einem Koffer vorweg.

„Bitte zieht euch um, geht schon mal zum Ausgang und wartet auf mich!“, forderte Herr Loh die Mädchen auf.

„Aber ich will Emily mit ins Krankenhaus begleiten. Sie ist meine beste Freundin“, sagte Annemieke.

„Es ist lieb von dir, dass du sie begleiten willst, aber das geht jetzt nun mal nicht. Ich rufe gleich ihre Eltern an, dass sie zu ihrer Tochter ins Krankenhaus fahren sollen“, meinte der Sportlehrer.

 

Geknickt gingen die Mädchen Richtung Umkleidekabinen.

„Dass sich Erwachsene manchmal so anstellen müssen!“, schimpfte Annemieke leise.

„Kopf hoch! Emily muss wahrscheinlich nur ambulant behandelt werden“, legte Fianna ihr die Hand auf den Unterarm. Die Freundinnen zogen sich schneller um als sonst. Als sie aus den Umkleidekabinen traten, war Emily bereits schon abtransportiert.

„Ich muss euch sehr loben, dass ihr sehr verantwortungsvoll für eure Freundin gehandelt habt“, fand Herr Loh anerkennende Worte für sie, dem sie über den Weg liefen. Die Roten Tulpen nickten nur leicht und sagten nichts mehr. Der Schock saß ihnen immer noch tief in den Knochen. Als sie am Bus ankamen, hatte sich bereits herumgesprochen, was passiert war.

„Arme Emily, hoffentlich geht es ihr bald wieder besser", hoffte Pauline, die eine Reihe vor Fianna und Aylin saß.

„Denk schon", klang Fianna zuversichtlich.

 

2. Wohnwagenverschönerung und Gesprächsstoff

Emily ging es rasch wieder besser, sodass sie einen Nachmittag später zusammen mit Kiki und Fianna zum Baumarkt fahren konnte.

„Wir haben ungefähr 60€ in der Bandenkasse“, holte Kiki ein kleines rotes Sparschwein aus ihrer bunt bemusterten Umhängetasche.

„Cool, dann können wir uns mindestens fünf Pötte Farben kaufen“, war Fianna begeistert.

„Fünf Farben sind für meinen Geschmack zu viel“, widersprach ihr Kiki.

„Das finde ich nicht“, schüttelte Emily den Kopf. „Wir haben mit den Anderen abgesprochen, dass wir die Decke im Wohnwagen dunkelblau anmalen und mit goldenen Sternen verzieren. Für die Außenfassade brauchen wir weinrot, schwarz und weiß. Daher kommen wir schon auf fünf Farbpötte.“

„Außerdem braucht der Stall von Hanni und Nanni auch einen wetterfesten Anstrich“, warf Fianna ein.

 

„Okay, ihr habt mich überstimmt“, seufzte Kiki und hakte sich bei ihren beiden Freundinnen unter, als sie den Baumarkt betraten.

„Hey, seht mal, es gibt ein Sonderangebot. Wenn wir fünf Farbtöpfe kaufen, gibt es einen Farbtopf kostenlos dazu“, zeigte Emily auf ein großes Schild, welches über ihren Köpfen hing.

„Das ist doch verlockend“, rieb sich Fianna die Hände und summte zu einem Lied mit, das aus den Lautsprechern dudelte. Emily holte einen Einkaufswagen, damit sie die schweren Farbpötte nicht die ganze Zeit tragen mussten. Kiki und Fianna liefen schon einmal vor zu den Regalen, in denen die Farben standen. Es gab noch eine kleine Diskussion bis sich die Freundinnen für eine Farbe einigen konnten. Dann schoben sie zusammen in Richtung Kasse.

„Das macht einmal 24,95 €“, rechnete die Kassiererin den Preis zusammen.

„Das war doch nicht so teuer, nicht wahr, Mädels?“, schmunzelte Fianna zufrieden.

 

Am Freitag nach der Reitstunde fuhren die Bandenmädchen geschlossen zum Wohnwagen. Die Sonne schien und somit war das Wetter perfekt, um den Wohnwagen ein neues Outfit zu verpassen.

„Endlich beginnt die Verschönerungsaktion!“, freute Lotta, die ein kurzes Stück freihändig fuhr.

„Oh ja, dann wird unser Bandenquartier einfach einzigartig rotetulpenhaft sein“, strahlte Annemieke über beide Backen, die noch einmal beschleunigte und an ihren Freundinnen vorbeizog.

„Aber erstmal möchte ich einen von Mickys tollen Himbeermuffins essen“, bestand Mathilda.

„Ja, Raupe Nimmersatt“, zog Fianna sie auf, worauf ihre Freundin mit einer Grimasse antwortete.

„Ich habe aber auch echt Appetit, daher ich es Matti nicht verdenken, dass sie erstmal eine Kleinigkeit essen will“, ergriff Emily für Mathilda Partei. Die Roten Tulpen stellten ihre Fahrräder an der Hecke ab und öffneten das Tor zu ihrem Schrebergarten. Neugierig machten ihre Kaninchen Hanni und Nanni am Gatter ihres Stalls Männchen.

 

„Die glauben immer, dass sie etwas zu fressen kriegen, wenn wir kommen“, kommentierte Mathilda.

„Genauso wie du, die den Hals auch nie voll kriegt!“, puffte Lotta sie leicht in die Seite.

„Halt’s Maul!“, schubste Mathilda sie zur Seite. Lotta ließ sich das nicht bieten und zog sie heftig am Arm und kurz darauf kabbelten sich die beiden Mädchen freundschaftlich.

„Oh man, ihr albernen Hennen!“, bemerkte Aylin und rupfte rasch einige Büschel Gras raus, um damit ihre immer hungrigen Bandenmaskottchen zu füttern. Kiki, Fianna und Annemieke öffneten die Wohnwagentür und bereiteten drinnen den großen Tisch für das Teetrinken vor.

„Diesmal habe ich grünen Tee im Angebot“, holte Kiki eine Packung Matcha-Tee aus ihrem Stoffrucksack.

„Oh ja, das will ich unbedingt probieren“, war Annemieke ganz angetan und befüllte den Wasserkocher.

„Hey, ihr könnt langsam kommen! Der Tisch ist gedeckt und der Tee wird in zwei Minuten fertig sein“, öffnete Fianna das Fenster im Wohnraum und rief ihre übrigen Freundinnen herbei, die noch bei den Kaninchen standen.  

 

Beim Teetrinken legte Lotta eine Skizze von ihrem Wohnwagen auf den Tisch.

„Ich habe mir schon einmal Gedanken gemacht, wie wir unser Bandenquartier verzieren können und ich habe mir gedacht, dass wir viele coole Sprüche und Zeichen auf den Wohnwagen malen können, die unsere Freundschaft symbolisieren“, erklärte sie ihren Freundinnen.

„Lass mich das mal sehen!“, nahm Kiki ihr das Blatt aus der Hand.

„Das sind eindeutig zu viele Sprüche“, machte Fianna ein skeptisches Gesicht, als sie sich über Kikis Schulter beugte.

„Lotta, wenn wir den Wohnwagen so gestalten, wie du dir es vorstellst, dann sieht unser Bandenquartier von außen wie ein bunter Flickenteppich aus“, äußerte Aylin daraufhin ihre Meinung.

„Ich finde das gar nicht verkehrt, wenn unser Wohnwagen bunt und crazy aussieht“, nahm Annemieke Lotta in Schutz. „Dann ist er unverwechselbar und drückt unsere Identität als die Roten Tulpen aus.“

„Darf ich ein paar Änderungen an deiner Skizze vornehmen, Lotta?“, schnappte sich Emily das Blatt mit der Wohnwagenskizze.

„Von mir aus“, nickte ihre Freundin.

„Meine Güte, warum diskutiert ihr die ganze Zeit?“, rollte Mathilda mit den Augen. „Wir sollten endlich anfangen die Muffins zu essen!“

 

„Moment mal! Ich hätte fast noch etwas vergessen“, rief Emily plötzlich.

„Hoffentlich hast du die Farben nicht bei dir zuhause stehen lassen“, sagte Fianna und warf ihrer Freundin fast schon einen mahnenden Blick zu.

„Ach was!“, schüttelte ihre Freundin den Kopf und sagte: „Ich meine etwa ganz anderes. Als ich im Krankenhaus war, habe ich einen Flyer für den Straßenumzug zum 1000-jährigen Jubiläum von Freudenburg gesehen und habe ihn bei der Gelegenheit eingesteckt. Es werden noch Gruppen gesucht, die mit einem Umzugswagen oder als Fußgruppe teilnehmen. Die Anmeldefrist endet am 1.Juli.“

„Ich habe schon Plakate von diesem Umzug gesehen und natürlich habe ich davon ein Foto gemacht. Das wäre doch echt der Hammer, wenn wir als Bande an diesem Umzug teilnehmen“, sprang Lotta von ihrem Stuhl auf und war mit einem Mal ganz hibbelig vor Begeisterung.

„Oh ja, ich will auch unbedingt mitmachen!“, rief Fianna euphorisch. Nun schnatterten die Bandenmädchen lautstark und aufgeregt durcheinander, sodass niemand mehr sein eigenes Wort verstand.

 

„Mädels, das wird mir zu viel, wenn wir das jetzt auch noch diskutieren! Heute sind wir hier, um unser Bandenquartier zu verschönern“, hob Kiki ihre Hände und bremste somit die Euphorie ihrer Freundinnen. „Lass uns lieber morgen oder übermorgen hier noch mal treffen, um…“

„Aber morgen haben Micky und ich ein Hockeyspiel“, fiel ihr Mathilda abrupt ins Wort.

„Mensch Mathilda, musst du mich immer unterbrechen?“, sah Kiki sie genervt an und fuhr fort: „Habt ihr alle am Sonntag Zeit?“

„Sonntag ist eigentlich Familientag“, merkte Fianna an. „Wir machen an dem Tag mit der Familie einen Ausflug und kommen erst am späten Nachmittag wieder.“

„Na gut, dann treffen wir uns Sonntag gegen Sechs hier. Geht das klar?“, warf Kiki einen Blick in die Runde.

„Also für mich ist das kein Problem“, sagte Emily als Erste zu, bevor die anderen nach und nach ebenfalls sagten, dass sie am Sonntagabend Zeit hätten.

„Zwar kommen unsere Großeltern aus den Niederlanden zu Besuch, aber es müsste trotzdem möglich sein, dass wir Sonntag gegen sechs Uhr hier aufschlagen“, meinte Annemieke, die sich einen zweiten Muffin nahm.

„Prima, dann ist unser Treffen in trockenen Tüchern“, war Kiki zufrieden.

 

„Was machst du da, Micky?“, fragte Emily.

„Ich falte uns nur ein paar Hütchen aus Zeitungspapier, die wir uns auf den Kopf setzen“, antwortete Annemieke.

„Gute Idee, daran dass wir auch unsere Haare schützen müssen habe ich nicht gedacht“, meinte Lotta, die sich ein altes Hemd überzog. Beschwingt machten sich die Freundinnen an die Arbeit und teilten sich dazu in drei Gruppen auf. Kiki, Mathilda und Fianna kümmerten sich um die Deckengestaltung in den beiden Innenräumen. Zuerst deckten sie alle Möbelstücke und den Fußboden mit Zeitung ab, damit nichts schmutzig wurde. Der Rest der Bande nahm die zweite Leiter in Anspruch und kümmerte sich um die Außenfassade des Wohnagens.

„Hilfe, wie das wackelt! Lotta, halt bitte die Leiter richtig fest!“, quiekte Annemieke ängstlich, die auf der obersten Sprosse stand und den Schriftzug „Home Sweet Home“ in dunkelblauer Farbe über das Fenster vom Wohnraum pinselte.

 

Lotta, die in großen Buchstaben „DREAM“ unter das Fenster malte, hatte sehr gute Laune.

„We come too far to give up who we are. So let’s raise the bar and the cups to the stars. She’s up all night ‘til the sun. I’m up all night to get some, she’s up all night for good fun”, sang Lotta lauthals zur Musik aus dem Bluetooth-Lautsprecher mit.

„Lotta, die Leiter kippt gleich um!”, rief Annemieke nun noch lauter als gerade eben.

„I’m up all night to get lucky“, sang Lotta unbeirrt weiter.

„Carlotta, halt das verdammte Ding endlich fest!”, wurde Annemieke im nächsten Augenblick sehr deutlich und segelte kurz darauf zu Boden.

„Oh nein, hast du dich wehgetan?“, erschrak Lotta sich fast zu Tode.

„Ach was, ich bin auf meinen Beinen gelandet. Ich bin von der Leiter gesprungen, weil ich echt Angst hatte“, sagte ihre Freundin. „Aber jetzt gehst du bitte auf die Leiter!“

 

„Von mir aus“, brummte sie und stieg auf die Sprossen.

„Na, wie weit seid ihr? Wir brauchen die Leiter“, kam Aylin um die Ecke, die mit Emily auf der anderen Wohnwagenseite arbeitete.

„Wartet noch bitte einen kleinen Moment! Wir sind gleich fertig“, sagte Lotta.

„Bis jetzt hattet nur ihr die Leiter und wir kein einziges Mal“, protestierte Aylin beinahe schon.

„Kannst du nicht mal eine Minute warten?“, erwiderte Lotta, die ebenfalls ein wenig pampig wurde.

„Lotta, du tropfst!“, bemerkte Annemieke, die direkt unter ihr stand.

„Immerhin habe ich nur deinen tollen Zeitungspapierhut getroffen“, meinte Lotta.

„Nein, meinen Unterarm hast du auch getroffen“, zeigte Aylin auf die Innenseite ihres Handgelenks.

 

Nach einer Stunde Arbeit machten die Mädchen eine Pause auf dem grünen Rasen, tranken Apfelsaftschorle und verputzten die letzten Himbeermuffins.

„Das ist so anstrengend die ganze Zeit über Kopf zu arbeiten“, stöhnte Mathilda und legte sich bäuchlings ins Gras.

„Ich denke nicht, dass wir heute fertig werden. Die Decke haben wir zwar schon blau gestrichen, aber die goldenen Sterne fehlen noch und die blaue Farbe muss erst noch trocknen. Das wird noch ein bisschen dauern“, sah Fianna ihre Freundinnen zweifelnd an.

„Egal, ich komme morgen wieder hier her und mache das zuende“, erklärte sich Kiki bereit.

„Kiki, ich helfe dir dabei!“, rief Emily enthusiastisch, die sich gerade aufrichtete.

„Wisst ihr, ich bin jetzt schon begeistert, wie der Wohnwagen jetzt aussieht“, war Annemieke hyperglücklich.

„Das ist schon ein großer Unterschied“, fand auch Aylin.

„She’s up all night ‘til the sun. I’m up all night to get some, she’s up all night for good fun. I’m up all night to get lucky!”, begann Lotta wieder ihren Ohrwurm zu trällern.

 

“Mensch Lotta, dein Gesinge nervt langsam!”, warf Aylin ein Büschel Gras nach ihr.

„Genau, wir jagen sie drei Runden um den Wohnwagen!“, rief Mathilda, die plötzlich wieder putzmunter wirkte.

„Alle auf Lotta!“, krähte Fianna.

„Aaahh, ich muss hier weg!“, kreischte Lotta und war zuerst auf den Beinen. Jauchzend jagten ihr die anderen Mädchen hinter ihr, aber Lotta mit ihren langen Beinen wich ihren Jägerinnen immer wieder geschickt aus und drehte ihnen eine lange Nase.

„Oh Shit!“, fluchte Mathilda plötzlich.

„Was ist passiert?“, kam Kiki herbei gelaufen.

„Oh Mathilda, du bist so ein Trottel!“, lachte Aylin beinahe Tränen, als Mathilda ihren linken Fuß aus dem schwarzen Farbeimer hob.

„Komm Matti, die Farbe waschen wir eben ab!“, nahm Annemieke ihre Schwester bei der Hand.

„Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass ich diesen Schuh jemals wieder sauber kriege und die Hose ist auch hinüber“, knurrte Mathilda schlechtgelaunt.

 

Zwei Tage später trafen sich die Mädchen am frühen Abend wieder in ihrem Bandenquartier. Bis auf die Zwillinge waren sie vollständig.

„Ich habe im Internet recherchiert“, begann Fianna. „Die Anmeldung für den Umzug kostet 80€. Da wir als Jugendgruppe teilnehmen, müssen wir nur die Hälfte bezahlen.“

„40€ sind trotzdem nicht wenig Geld“, begann Aylin zu protestieren. „Aus der Bandenkasse können wir die Unkosten nicht alle bezahlen, da von dem Geld auch das Futter und Stroh für die Kaninchen bezahlt werden müssen.“

„In Zukunft können wir das Heu und Stroh von Rachel bekommen. Sie hat es mir erst letztens angeboten. Dann fällt dieser Kostenpunkt schon einmal für uns weg“, wandte Emily ein. 

„Wir müssen noch einen Umzugswagen basteln und unsere Kostüme besorgen. Das wird unheimlich ins Geld gehen“, klang Aylin immer noch nicht überzeugt.

„Jetzt sei doch nicht so kleinlich, Aylin!“, schnalzte Kiki kurz genervt mit der Zunge.

 

„Ganz genau, das sehe ich auch so. Du willst uns nur wieder uns den Spaß verderben“, erhob Emily ihre Stimme.

„Das will ich gar nicht und wenn ihr mit mir so redet, kann ich auch nach Hause gehen“, war Aylin eingeschnappt. Nun war es mucksmäuschenstill im Wohnwagen. Es schien so, als hätte Aylin gerade mit einer visuellen Schere den Gesprächsfaden feinsäuberlich durchtrennt.

„Eigentlich sind wir bis auf Aylin dafür, dass wir am Umzug teilnehmen. Ich würde nur zu gerne wissen, was Matti und Micky dazu sagen“, brach Kiki das Schweigen.

„Wo bleiben die Zwillinge eigentlich?“, runzelte Lotta die Stirn. „Sie schon genau 35 Minuten zu spät.“

Außer Atem standen Annemieke und Mathilda im nächsten Moment unter den Türrahmen. Ihre hellen Locken standen ihnen in alle Himmelsrichtungen vom Kopf ab.

„Ihr wisst anscheinend genau, was Pünktlichkeit bedeutet“, begrüßte Kiki die beiden Freundinnen ironisch.

 

„Dafür können wir nichts!“, begann sich Mathilda lauthals aufzuregen. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sich unsere Eltern quergestellt haben. Wir mussten die ganze Zeit am Tisch sitzen bleiben, bis unsere Großeltern wieder abgefahren sind.“

„Oh ja, das gab richtig Stress!“, erzählte Annemieke in einem ruhigeren Tonfall. „Wir haben uns ziemlich mit unseren Eltern gezofft und unser Vater schickte uns zuerst auf unser Zimmer. Keine fünf Minuten später kamen unsere Großeltern nach oben und verabschiedeten sich von uns. Als wir uns entschuldigten, erlaubte uns Papa endlich, dass wir losfahren durften.“

„Oh man, da habt ihr aber komplizierte Eltern und ich dachte nur meine Mutter wäre so“, kommentierte Lotta, worauf ihr Mathilda einen finsteren Blick zuwarf.

 „Setzt euch erstmal!“, wandte sich Kiki den Zwillingen zu. „Wir haben gerade schon ein bisschen über den Umzug gesprochen. Wie ihr wisst, müssen wir 40€ Anmeldegebühren bezahlen und einen Umzugswagen gestalten.“

„40€ sind gar nicht mal so viel“, fand Annemieke und zückte ihr Portemonnaie. „15€ kann ich schon mal jetzt in die Bandenkasse einzahlen. Wir haben ein bisschen Geld von Oma bekommen.“

 

„Micky, behalt dein Geld bei dir!“, fauchte ihr Zwilling sie an. Nicht nur Annemieke, sondern auch Fianna und Emily entglitten die Gesichtszüge.

„Hä, was ist denn bitteschön bei euch los?“, wunderte sich Fianna.

„Falls ihr wollt, dass wir beim Umzug mitmachen, dann sag ich nur, dass ich kein Bock habe“, sprang Mathilda hitzig auf. „Ich bin raus!"

„Matti, was ist los? Warum bist du so sauer?“, war Lotta leicht geschockt.

„Habt ihr eine Ahnung, wie viel Arbeit wir noch vor uns haben?“, holte Mathilda tief Luft. „Gerade in den nächsten beiden Wochen haben wir noch einen ganzen Berg an Tests und Klassenarbeiten vor uns.“

„Mathilda, ich kann dich verstehen. Es geht uns allen so, dass wir viel zu tun haben. Aber so ein Umzug ist doch toll. Stell dir vor, wie stolz wir am Ende sind, wenn wir am Ende einen tollen Wagen gestaltet haben und uns allen Bürgern von Freudenburg präsentieren“, stand Fianna auf und berührte ihre Freundin seicht am Arm.

 

„Sollen das jetzt all deine Überredenskünste gewesen sein?“, machte Mathilda eine schnippische Bemerkung, öffnete die Wohnwagentür und huschte hinaus.

„Matti, ich komme mit!“, lief ihr Aylin hinterher und schloss die Tür hinter sich.

„Diese Ziegen, dass die uns immer die Laune verderben wollen“, zischte Lotta verärgert.

„Wollen die beiden jetzt wirklich abhauen?“, machte Emily ein leicht besorgtes Gesicht.

„Ach was, die sind zu den Kaninchen gegangen“, sah Annemieke aus dem Fenster.

„Lasst die beiden doch schmoren!“, meinte Kiki gelassen. „Wenn Matti und Aylin nicht wollen, dann machen wir fünf eben mit.“

„Oh ja, auf die nehmen wir keine Rücksicht mehr“, nickte Fianna.

 

„Ich habe schon eine Idee für unser Motto!“, schnippte Lotta mit ihren Fingern.

„Dann lass mal herhören!“, hielt Kiki ihre Hand ans Ohr.

„Was haltet ihr von „Zauber der Freundschaft“?“, fuhr ihre Freundin lächelnd fort.

„Oh Lotta, das klingt so toll!“, jubelte Annemieke.

„Wow, cool!“, klatschte Emily begeistert in die Hände. „Das ist es!"

„Nun brauchen wir noch einen Umzugswagen“, notierte Kiki in ihrem ledernen Notizbüchlein.

„Wir haben in der Garage noch einen alten Leiterwagen stehen. Er ist groß genug, dass sich drei von uns hineinsetzen können. Allerdings muss der Wagen von zwei Personen gezogen werden“, meldete sich Fianna zu Wort.

 

„Das passt! Wir sind zu fünft“, meinte Annemieke.

„Cool, ich habe so eine Riesenlust an Ort und Stelle anzufangen“, rieb sich Lotta vor Freude die Hände.

„Das wäre ein bisschen zu spontan“, fand Emily.

„Habt ihr denn in den kommenden Tagen Zeit?“, fragte Fianna. „Morgen wäre für mich perfekt.“

„Für mich auch!“, jubelte Kiki.

„ich komme auch!“, meldeten sich Annemieke und Emily zeitgleich zu Wort.

„Ausnahmsweise habe ich auch an einem Montag Zeit, da Schwimmen morgen ausfällt“, sagte Lotta.

 

3. Ran ans Werk

Am kommenden Montag verhielten sich Aylin und Mathilda gegenüber ihren Bandenfreundinnen ziemlich merkwürdig und kapselten sich zu zweit gänzlich ab. Fianna war ziemlich verletzt, dass Aylin fast kein Wort mit ihr sprach, obwohl sie ihre längste und beste Freundin war. Dennoch machte sie den ganzen Vormittag lang gute Miene zum bösen Spiel und konzentrierte sich auf ihre anderen Freundinnen. In der großen Pause spielte sie zusammen mit Lotta, Kiki, Annemieke, und Emily Rundlauf an der Tischtennisplatte, da Lotta einen Gummiball aus der Spielkiste ergattern konnte.

„Ich finde es merkwürdig, dass Matti und Aylin dahinten auf einer Bank sitzen und einfach nur stumm zuschauen“, sah Lotta ihre Freundinnen unzufrieden an.

„Ja, das geht mir genauso und ich fühle mich dabei nicht wohl“, nickte Annemieke, die den Ball in die Luft warf und wieder geschickt mit einer Hand auffing.

„Ich werde sie fragen!“, beschloss Kiki und ging zu den beiden Mädchen hin. Die anderen Freundinnen sah, wie ihre Bandenanführerin kurz mit Mathilda und Aylin redete.

 

Zu ihrer Überraschung folgten die beiden Mädchen Kiki. Nun spielten Aylin und Mathilda doch mit, obwohl sie kein Wort sagten und irgendwie lustlos wirkten. Sie ließen des Öfteren den Ball verspringen, fingen ihn nicht oder warfen den Ball so, dass diejenige, die ihnen an der Platte gegenüberstand den Ball nicht fangen konnte. Bald platzte Fianna der Kragen.

„Wenn ihr kein Bock habt, verzieht euch wieder oder geht zum Tussenkomitee!“, schnauzte sie Aylin und Mathilda an.

„Ich habe jetzt auch keine Lust mehr, wenn die beiden mit ihrer schlechten Laune alles kaputt machen“, wandte sich Kiki von der Tischtennisplatte ab.

„Genau, von deren Laune muss ich mich nicht anstecken lassen“, verschränkte Lotta die Arme vor der Brust.

„Ich verstehe nicht, warum die beiden plötzlich so zickig sind“, seufzte Emily.

 

„Lästert schön weiter!“, zischte Mathilda, hängte sich bei Aylin ein und zog sie fort.

„Irgendwie passt ihre miesepetrige Laune nicht zu diesem tollen Wetter“, fand Annemieke. Damit hatte sie Recht. Heute war ein schöner frühsommerlicher Tag, sodass die Mädchen in T-Shirts, kurzen Hosen und Röcken gekleidet waren und dazu Sandalen oder Ballerinas trugen.

„Gab es zuhause bei dir und Matti Streit?“, fragte Lotta Annemieke als es zum Pausenende klingelte.

„Ne, das nicht“, schüttelte ihre Freundin den Kopf. „Aber sie geht dem Thema Umzug konsequent aus dem Weg und wechselt sofort das Thema, wenn ich nur die Wörter Umzug oder Festwagen erwähne.“

„Manchmal verstehe ich wirklich nicht, wieso Mathilda und Aylin sich so querstellen“, beklagte sich Fianna.

„Sie sind eben stur“, meinte Emily achselzuckend.

 

Fianna konnte es nicht erwarten, dass der Schultag zuende ging. Zuhause wartete schon ihre Mutter mit ihrem Lieblingsgericht auf sie: asiatische Nudelpfanne. Spontan hatte Fianna Emily und Kiki zum Mittagessen eingeladen.

„Du hast Glück, dass ich die doppelte Portion gemacht habe. Das nächste Mal sagst du mir bitte bescheid, wenn du Schulfreundinnen mitbringst“, meinte ihre Mutter, die den Tisch deckte.

„Können wir behilflich sein?“, fragte Kiki höflich.

„Ihr könnt ein paar Getränke aus dem Keller holen“, drehte sich Fiannas Mutter zu ihr um. Zu dritt huschten die Freundinnen in den Keller und kamen mit einer Flasche Apfelsaftschorle und zwei Flaschen Mineralwasser wieder.

„Nanu, seit wann schleppt Schwesterchen ihre ganzen Freundinnen mit uns Haus?“, sah Fiannas Zwillingsbruder Tom Kiki und Emily überrascht an. 

„Seitdem wir eine Bande sind“, zwinkerte Kiki in seine Richtung und legte Fianna die Hand auf die Schulter.

„Was dagegen, dass du heute von Mädchen belagert wirst?“, setzte Emily nach.

„Ach was, das ist wenigstens mal ein bisschen Abwechselung“, entgegnete ihr Tom, der die Mädchen keineswegs brüskieren wollte.

 

„Essen ist fertig!“, gut gelaunt stellte Frau O’Hara zwei große Pfannen auf den Tisch.

„Mein Lieblingsgericht!“, strahlte Fianna und tat sich eine große Portion auf.

„Das riecht schon mal sehr lecker“, fand Kiki und probierte gleich die erste Nudel. Während des Essens wurde munter über den Festtagsumzug und die Gestaltung des Umzugwagens gesprochen.

„Zuerst werden wir den Leiterwagen rot anmalen“, beschloss Kiki.

„Auf jeden Fall! Das ist unsere Bandenfarbe“, bekräftigte Emily nickend.

„Habt ihr das schon mit den anderen abgesprochen?“, sah Fianna ihre beiden Freundinnen fragend an.

„Ich denke, es wird niemand einen Einwand gegen die Farbe Rot haben“, sagte Kiki und lud sich eine zweite Portion Nudeln auf ihren Teller.

„Wann kommen Annemieke und Lotta?“, fragte Emily.

„Um vier Uhr“, erwiderte Fianna.

„Dann haben wir noch Zeit zusammen Hausaufgaben zu machen und für den morgigen Vokabeltest zu lernen“, streckte sich Kiki.

 

„Nicht schon wieder ein Vokabeltest!“, stöhnte Emily. „Ich hatte den voll nicht mehr auf der Rechnung.“

„Dann werden wir dich gleich abfragen, Lili“, stupste Fianna sie an.

„Really? Ich habe wirklich keine einzige Vokabel im Kopf“, machte ihre Freundin ein resigniertes Gesicht.

„Wenn es hakt, dann helfe ich dir“, bot Fianna ihr an. Englisch fiel ihr spielend leicht, da ihr Vater aus Irland kam und meist Englisch mit ihr und Tom sprach.

„Von mir aus“, nickte Emily, die nicht mehr ganz so pessimistisch aussah. Emilys schulischen Leistungen waren inzwischen wieder besser geworden, dank eines Nachhilfelehrers und der Hilfe ihrer Freundinnen. Inzwischen war es so gut wie sicher, dass sie die Versetzung in die siebte Klasse schaffen würde. Oben in Fiannas Zimmer erledigten die Freundinnen zuerst die Hausaufgaben in den Fächer Deutsch, Erdkunde und Bio, bevor sie sich gegenseitig die Vokabeln abfragten.

„Ich werde mich einfach krankmelden“, jammerte Emily.

„Sich davor drücken kommt nicht in die Tüte!“, schüttelte Fianna den Kopf. „Komm, wir versuchen es noch mal!“

„Wenn es sein muss“, rollte Emily mit den Augen.

 

Gegen vier klingelte es und Annemieke stand vor der Tür.

„Hast du Matti wirklich nicht überzeugen können?“, fragte sie Kiki als erstes.

„Sie hat ihre Meinung noch nicht geändert. Vorhin beim Mittagessen hatte sie nicht sonderlich gute Laune und sie scheint mir irgendwie aus dem Weg zu gehen“, schüttelte Annemieke den Kopf.

„Ich habe mitbekommen, dass sich Mathilda und Aylin darüber beklagen, dass sie sich ausgestoßen fühlen“, sagte Fianna beiläufig.

„Aber sie grenzen sich in dem Fall selbst aus“, schnitt ihr Kiki fast das Wort ab. Während die vier Freundinnen debattierten, merkten sie nicht wie Lotta sich von hinten durch die offene Haustür anpirschte und ihre Freundinnen mit einem lauten „Buh“ erschreckte. Annemieke und Kiki verjagten sich so dermaßen, dass sie mit Köpfen zusammenstießen. 

„Aua!“, hielt sich Annemieke ihre Stirn. 

„Lotta, du Witzbold!“, zischte Kiki leicht verärgert.

„Ich wollte nur sehen, wie heftig ihr reagiert“, huschte ein amüsantes Grinsen über Lottas Gesicht.

 

„Da nicht zu erwarten ist, dass noch jemand kommt, lasst uns endlich beginnen den Leiterwagen zu streichen!“, klatschte Fianna motivierend in die Hände, die sich ein altes Hemd überzog.

„Könnte ich auch ein altes Hemd haben?“, fragte Lotta, die ein funkelnagelneues zitronengelbes T-Shirt mit Glitzerpailletten anhatte.

„Du kannst gerne ein altes Hemd von Papa haben“, lief Fianna in einen Nebenraum, in dem Arbeitsklamotten und Jacken hingen.

„Darin versinke ich ja“, begutachtete Lotta das große T-Shirt skeptisch.

„Wenigstens machst du dann deine schicken Sachen nicht dreckig“, zwinkerte ihr Fianna zu. Mit zusammen gekniffenem Mund zog Lotta das T-Shirt über, worauf Emily, Annemieke und Kiki einen Kicheranfall bekamen.

„Da würden wir locker zu dritt rein passen“, gickerte Annemieke los.

„Halt die Klappe, Kaaskopp!“, fuhr Lotta sie an, die leicht pikiert zu sein schien.

„Was hast du gesagt?“, horchte Annemieke sofort auf.

„Fangt bloß keine Kabbelei an!“, mischte sich Kiki sofort ein. „Hinter euch steht eine teure Vase.“

„Außerdem wollen wir endlich anfangen!“, meinte Fianna, die den Leiterwagen zuvor aus der Garage geholt und auf dem Hof vor ihrem Haus abgestellt hatte. Schnell besorgte sie noch fünf Pinsel und dann konnte es endlich losgehen.

 

Gut gelaunt und zu den neusten Hits aus dem CD-Player begannen die Mädchen den Leiterwagen in roter Farbe zu bestreichen. Sie merkten nicht, wie drei Jungs am Nachbarzaun sie beobachteten, feixten und hinter vorgehaltenen Händen kicherten.

„Was soll das denn werden, Rotschopf?“, rief der eine von ihnen, der ein Baseballkappy trug. Er hieß Robin und neben ihm standen seine Kumpels Philip und Florian.

„Geht dich nichts an!“, erwiderte Fianna scharf.

„Wer ist das?“, flüsterte Lotta.

„Nur so ein paar Idioten aus der Nachbarschaft“, seufzte Fianna genervt. Nun begannen die Jungs laut los zu lachen und noch mehr schmähende Kommentare von sich geben.

„Wollt ihr damit im Ernst am großen Umzug teilnehmen?“, spottete der Größte von den drei Jungs.

„Ich hätte einen guten Tipp für euch!“, drehte sich Lotta nach hinten um und die Jungs lachten noch hämischer.

„Wie wäre es mit Maul halten?“, fauchte Lotta sie an.

 

„Sei doch nicht so empfindlich, kleines Blondchen!“, säuselte der Junge mit den vielen Pickeln im Gesicht. Dies reichte Lotta. Sie machte mit der rechten Hand eine abrupte Bewegung, in der sie den Pinsel hielt, den sie in rote Farbe getaucht hatte. Rote Farbspritzer schleuderten den drei nicht willkommenen Zaungästen entgegen.

„Jetzt habe ich wegen dir rote Flecken auf meinem neuen weißen T-Shirt!“, schimpfte der Größte von ihnen.

„Geschieht dir nur Recht“, funkelte Kiki ihn wütend an.

„Außerdem sehen rote Punkte auf einem weißen Shirt echt klasse aus“, grinste Annemieke frech.

„Ihr seid solche kleinen dummen Kinder!“, sagte Robin voller Verachtung.

„Wollt ihr noch mehr Farbe haben?“, lief Lotta mit dem Pinsel in der Hand auf die Jugendlichen zu.

„Verpisst euch!“, schleuderte ihnen Kiki hinterher.

„Genau, so überflüssige Zaungäste wie euch brauchen wir nicht“, rief Emily.

 

„Nanu, was ist denn hier los?“, trat Fiannas Mutter in diesem Moment aus der Haustür. „Ich wollte gerade meine Mittagsruhe halten und da höre ich, dass ihr euch mit den Nachbarjungs streitet.“

Sie sah nicht besonders erfreut aus.

„Mom, Robin hat angefangen sich über uns lustig zu machen!“, beschwerte sich Fianna.

„Müsst ihr immer auf diese Idioten so scharf reagieren?“, gab ihre Mutter genervt zurück.

 

„Frau O’Hara, diese Nachbarjungs hatten uns die ganze Zeit verspottet und ausgelacht. Irgendwann mussten wir uns einfach wehren“, wandte Kiki empört ein.

„Ich weiß, dass Robin nicht ganz ohne ist und wenn er das nächste Mal so unangenehm auffällt, dann sagt mir bescheid und ich mache den Kerl und seine Kumpels zur Schnecke“, meinte Fiannas Mutter. Dann ging sie wieder ins Haus und ließ die Mädchen in Ruhe weiterarbeiten.

„Die Luft ist rein! Die Jungs haben sich verzog, als Fiannas Mutter heraus gekommen ist“, sagte Annemieke, die sich wieder als Erste an die Arbeit machte. Es dauerte nicht lange, bis der Leiterwagen ein neues Farbkleid besaß. Trotzdem mussten die Mädchen warten, bis sie mit dem Klarlack drüber pinseln konnten. In der Zwischenzeit setzten sie sich hinten in den Garten an einen Tisch unter einem Pflaumenbaum und verputzten ein Stück Apfelkuchen und tranken dazu Tee.

 

 

 

4. Eine Neuigkeit für Fianna

Kurz nachdem Fiannas Freundinnen gegen sechs Uhr wieder nach Hause gegangen waren, deckten Fianna und ihr Bruder Tom in der Küche den Tisch für das Abendessen. Irgendwie war es am Tisch ruhiger als sonst. Tom und ihr Vater waren ziemlich wortkarg, obwohl sie sich normalerweise lebhaft unterhielten.

„Ich habe heute Nachmittag vom Mann meiner Cousine eine schlechte Nachricht bekommen“, begann ihre Mutter, als alle am kauen waren und daher kein Wort sagten.

„Ach, hat sich Elli wieder mal gemeldet?“, fragte ihr Vater und schaute zu seiner Frau auf.

„Nein, ihr Mann und zwar hatte sie gestern Abend einen schweren Fahrradunfall gehabt und musste in der Klinik notoperiert werden. Sie hat sich sämtliche Knochen gebrochen und ein Schädelhirntrauma davon getragen. Elli muss bestimmt noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben. Ihr Mann Peter ist ab Mittwoch für zwei Wochen auf Geschäftsreisen und kann diese Reise auch nicht mehr kurzfristig absagen. Deswegen werden wir ihre Tochter Sarah in der Zeit bei uns Zuhause aufnehmen“, fuhr sie fort.

 

„Sarah ist doch die Behinderte, die sich wie ein Baby verhält?“, fuhr Tom dazwischen.

„Das ist sie und sie ist die Cousine zweitens Grades von euch beiden“, nickte sie und fügte hinzu: „Tom, ich bitte dich, dass du dich nicht noch einmal so respektlos über sie äußerst. Sarah kann nichts dafür, dass sie das Down-Syndrom hat und dadurch gehandicapt ist. Ich bitte euch beide darum, dass ihr sie wie eine Schwester behandelt. Sarah ist immer noch sehr durch den Wind und fragt sich, wo ihre Mutter ist.“

Tom wurde leicht rot im Gesicht. Offenbar war es ihm fast peinlich, dass er so hart mit Sarah ins Gericht gegangen war. Ihm rutschte immer wieder aus Versehen ein flapsiger Spruch raus, obwohl er es meist nicht so meinte.

 

„Fianna, kannst du noch einen Moment hier bleiben?“, sah ihre Mutter sie an, als sie den Tisch abräumten. Fianna nickte nur und setzte sich gegen von ihr hin.

„Sarah wird morgens mit dem Taxi abgeholt und zur Schule gebracht. Erst um drei Uhr kommt sie wieder heim. Ich muss jeden Mittwoch und Donnerstag bis 18 Uhr arbeiten. Freitags habe ich von 16 bis 17:30 einen Sportkurs. Ich wollte dich an den drei Nachmittag darum bitten, dass du dich um Sarah kümmerst“, bat ihre Mutter. Fianna glaubte sich verhört zu haben und ein erster innerer Anflug von Zorn machte sich in ihr breit.

„Willst du mir drei Tage in der Woche dieses Blag aufs Auge drücken?“, funkelte Fianna ihre Mutter böse an.

„Achte gefälligst auf deine Wortwahl, mein Mädchen. Du hast deine Cousine zweiten Grades nicht als Blag zu betiteln!“, wies ihre Mutter sie sofort zurrecht.

 

Fianna kannte Sarah noch von früher. Sie war schon etwas seltsam und hatte starke Probleme mit dem Sprechen. Inzwischen war es schon drei Jahre her, dass sie Sarah zuletzt gesehen hatte.

„Tom ist übrigens auch noch da. Er wird es doch wohl auch schaffen, sich mindestens einmal in der Woche mit ihr zu beschäftigen“, sagte Fianna in einem besonnenen Tonfall.

„Er ist donnerstags beim Fußball und Freitags hat er Gitarrenunterricht“, meinte ihre Mutter.

„Aber Donnerstag habe ich Ballettunterricht!“, warf Fianna ein.

„Dann nimmst du Sarah halt mit zum Ballett und Freitag kann sie mit zum Reiten kommen“, bestimmte ihre Mutter. Nun war Fianna fast außer sich, dass einfach so über ihren Kopf hinweg entschieden wurde.

 

Sie musste sich richtig zusammen nehmen, um ihrer Mutter kein böses Wort an den Kopf zu werfen.

„Warum schaust du mich so grimmig an?“, runzelte ihre Mutter die Stirn.

„Warum wohl?“, erwiderte Fianna sarkastisch. „Bürdest du mir gerade nicht ein bisschen zu viel Verantwortung auf? Ich kenne Sarah kaum.“

„Pass mal auf, Mäuschen, Sarah ist mit ihren fast fünfzehn Jahren kein kleines Kind mehr und kann bis zu einem gewissen Grad auf sich selbst aufpassen. Trotzdem möchte ich nicht, dass sie sich die ganzen Nachmittage hier Zuhause langweilt und außerdem sucht sie sich weibliche Bezugspersonen. Wie wäre es, wenn du sie zu den Bandentreffen nimmst? Sie wird sich garantiert freuen, deine Freundinnen kennen zu lernen.“

„Ganz tolle Idee, Mom!“, verdrehte Fianna die Augen und stand auf. Sie wagte es nicht, sich auszumalen, wie ihre Bandenschwestern reagieren würde, wenn sie ihnen Sarah anschleppte.

 

Am nächsten Tag wurde Fianna von Aylin empfangen, die am Schultor auf sie wartete.

„Ich mache jetzt doch bei eurem Umzug mit!“, verkündete sie lächelnd. „Gestern fühlte es sich echt blöd an, dass Mathilda und ich so außen vor waren.“

„Ist das der einzige Grund, weshalb du mitmachst?“, sah Fianna ihre beste Freundin leicht skeptisch an.

„Natürlich nicht“, senkte Aylin ihre Stimme. „Ich meine, es ist doch mega cool, wenn wir als Bande wieder etwas zusammen auf die Beine stellen können.“

„Der Ansicht bin ich auch“, nickte Fianna und hängte sich mit einem Lächeln bei ihr ein. Wenige Sekunden später klingelte es zur ersten Stunde. Die Freundinnen beeilten sich, damit sie vor Frau Brand den Klassenraum erreichten.

„Ihr habt Glück! Die Brand hat wieder einmal Verspätung“, lief Kiki ihnen entgegen.

„Übrigens Aylin macht jetzt auch mit“, verkündete Fianna freudestrahlend.

„Das ist doch toll, Aylin!“, freute sich Kiki und nahm ihre Freundin an den Händen.

 

Aylin und Kiki führten ein kurzes Freudentänzchen auf. Fianna drehte sich währenddessen zu den anderen Bandenmädchen um. Emily, Annemieke und Lotta standen beisammen und steckten die Köpfe zusammen. Nur Mathilda stand ein Stück weit von ihnen weg und wirkte komplett isoliert.

„Hat sich deine Schwester immer noch nicht eingekriegt?“, tippte Fianna Annemieke von hinten an.

„Denkst du, dass wir diesen Sturkopf noch in diesem Leben überzeugen können?“, drehte sich ihre Freundin um und sah sie spöttisch an. Hinter ihnen wurde es mit einem Mal unruhig und die Schüler griffen nach ihren Taschen, die sie auf dem Boden abgestellt hatten. Das Klimpern von Frau Brands Schlüsselbund war nicht zu überhören, als sie die Klasse aufschloss. Als erstes teilte ihre Deutschlehrerin die Grammatiktests von der letzten Stunde aus. Ein „Befriedigend“ stand unter Fiannas Test. Kiki hatte die gleiche Note wie sie. Lotta und Emily waren eine Note besser. Annemieke und Aylin hatten beide sogar eine Eins wieder bekommen. Nur Mathildas Note erfuhr sie nicht, da sie sich nicht an den Gesprächen ihrer Freundinnen beteiligte und die meiste Zeit aus dem Fenster starrte.

 

„Ich finde so blöd, dass sich Matti immer noch stur stellt“, sagte Lotta leicht verärgert.

„Warten wir es doch einfach ab, bis sie von selbst wieder zu uns kommt. Ich habe keine große Lust auf sie zu zugehen, wenn ich befürchten muss, dass sie rum zickt und so abweisend reagiert“, wisperte Emily.

„Ich werde in der nächsten Pause mit ihr reden!“, beschloss Annemieke. „Sie ist immerhin meine Zwillingsschwester und es tut mir weh, wenn ich sie, wie alleine sie ist. Ich finde auch, dass ihr nicht so hart mit ihr sein sollt. Gestern nach der Schule war sie echt geknickt, dass ihr den ganzen Tag gemieden habt.“

„Könnte euer Klüngel die Privatgespräche einstellen? Sonst sehe ich mich gezwungen, dass ich euch vor die Tür setze und dort Extraaufgaben bearbeiten lasse“, stand Frau Brand vor ihrer Tischreihe und wies die Bandenmädchen zurecht.

 

Nach zwei Deutschstunden wurden die Schüler in die große Pause entlassen.

„Mist, ich habe Matti aus den Augen verloren!“, jammerte Annemieke, die in dem Getümmel den Überblick verlor.

„Ist egal, dann verbringen wir die Pause halt ohne sie“, meinte Lotta und hakte sich fest bei ihr unter, damit sie nicht in die Verlegenheit kam, ihre Schwester zu suchen.

„Sie ist gerade Pauline hinterher gedackelt“, rief Emily von hinten.

„Ist das dein Ernst?“, lachte Kiki laut los. „Pauline und Matti passen so gut wie ein Weihnachtsmann und ein Osterhase zusammen. Normalerweise haben die beiden sich doch gar nichts zu sagen.“

In einem gemütlichen Tempo gingen die Mädchen auf den Schulhof. Zu ihrem Pech waren alle vier Tischtennisplatten besetzt, sodass ihnen nichts anderes übrig blieb sich auf zwei Bänke zu setzen.

„Wir sollten langsam den Umzug anmelden? Ich wollte heute nach der Schule zum Rathaus gehen, aber ich will da nicht alleine hin“, sagte Emily in die Runde.

„Ich habe heute Kletterkurs und kann daher nicht“, meldete sich Kiki zu Wort.

„Ich habe heute Nachmittag Zeit und komme mit“, zeigte Annemieke auf.

„Ich würde sehr gerne mitkommen, aber ich habe um 15 Uhr Schwimmtraining“, seufzte Lotta.

„Und ich bin beim Tennis“, fügte Fianna hinzu.

 

„Ich werde euch beide begleiten“, sagte Aylin.

„Cool, dann können wir direkt nach der Schule in die Stadt fahren, uns für den Umzug anmelden und anschließend zusammen Pommes essen gehen“, freute sich Emily und gab Annemieke und Aylin einen Highfive.

„Seht mal, wer da kommt!“, raunte Lotta leise und hob den Kopf. Mathilda hielt auf ihre Gruppe zu und ließ sich zwischen Emily und Aylin nieder.

„Ich will doch lieber mit euch in der Pause abhängen. Pauline, Jule und Nina aus der Parallelklasse haben sich die ganze Zeit nur über Mathe und Physik unterhalten. Voll öde! Das ist doch kein Gesprächsthema für die Pause“, begann Mathilda über ihre Klassenkameradinnen her zu ziehen.

„Das sind halt Streberinnen, die haben halt keine echten Hobbys!“, kommentierte Fianna abfällig. Kiki tauschte mit Aylin den Platz, sodass sie neben ihrer besten Freundin sitzen konnte.

„Machst du jetzt beim Umzug mit?“, fragte sie Mathilda.

„Kann ich mir das bis morgen durch den Kopf gehen lassen?“, erwiderte ihre Freundin.

„Komm schon, Mathilda! Es ist cool, wenn die ganze Bande mitmacht“, legte ihr Emily die Hand auf den Arm.

„Wie gesagt, ich überlege es mir bis morgen und bis dahin müsst ihr mir Zeit geben“, beharrte Mathilda. Inzwischen schien sie von der Idee nicht mehr so abgeneigt zu sein, wie vorher. Auch mit ihren Freundinnen hatte sie sich wieder vertragen und verteilte Weingummis, die sie gerade in der Cafeteria gekauft hatte.

 

Nachmittags kam Fianna mit einem Bärenhunger vom Tennistraining zurück. Nachdem sie sich geduscht und neue Klamotten angezogen hatte, schnappte sich einen Schokopudding und löffelte ihn in Windeseile leer. Da der Hunger immer noch nicht gestillt war, musste nun eine Packung Kekse daran glauben, die sie vor dem Fernseher aß. Gerade als ihre Lieblingssendung Kim Possible begann, öffnete ihre Mutter die Tür.

„Hallo Fianna, ich habe Sarah abgeholt!“, begrüßte sie ihre Tochter und schob ein kleines pummliges Mädchen ins Wohnzimmer. Obwohl Sarah schon fast 15 war, sah sie höchstens aus wie eine Elfjährige. Ihr aschblondes Haar reichte ihr bis zu den Schultern und der Pony war extrem kurz geschnitten. Fianna fiel sofort auf, dass sie leicht schräg stehende Augen hatte.

„Jetzt zeigen wir Sarah erstmal das Haus!“, schaltete ihre Mutter den Fernseher ab.

„Mensch Mama!“, nörgelte Fianna und musste eine Schimpftirade unterdrücken, da sie die Folge zuende schauen wollte und keine Lust hatte, einen Streit vom Zaun zu brechen.

 

„Hallo, ich bin Fianna“, gab sie ihrer Cousine zweiten Grades die Hand.

„Hallo“, sagte Sarah und lächelte dabei. Fianna fand, dass Sarah sich wie ein kleines Kind anhörte.

„Magst du Sarah ihr Gästezimmer zeigen?“, wandte sich Frau O’Hara an ihre Tochter. Fianna nickte nur, sie nahm Sarah eine schwere Tasche ab und ging mit ihr nach oben.

„Hier wirst du schlafen, Sarah!“, öffnete sie die Tür vom Gästezimmer, das zwischen dem Badezimmer und ihrem eigenen Zimmer lag.

„Wo sind die Bilder?“, fragte Sarah und wanderte mit ihren Augen an der Wand entlang.

„Welche Bilder meinst du?“, fragte Fianna und hatte keinen Schimmer, wovon Sarah sprach.

„In meinem Zimmer hängen viele Bilder von Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg, Hexe Lilli, Hanni und Nanni“, meinte ihre Cousine.

„Du bist hier aber nicht zuhause“, sagte Fianna. Sarah öffnete eine der beiden Taschen und drei große Poster kamen zum Vorschein. Sie holte eine Rolle Tesafilm aus einer Seitentasche und fing an die Poster schief und schräg an die Wand zu hängen.

„Was tust du da?“, zischte Fianna. „Wir dürfen kein Tesafilm an die Wand kleben, davon geht die Tapete kaputt. Nicht dass wir Schimpfe von Mama kriegen. Nimm deine Poster wieder ab!“

 

„Ich will aber meine Poster haben!“, quengelte Sarah fast schon weinerlich. Fianna holte eine Packung Reißzwecken aus ihrem Zimmer.

„Komm, wir hängen die Poster vernünftig auf“, nahm sie ein Poster nach dem anderen ab und hängte es erneut auf. Als sich Fianna umdrehte, entdeckte sie sechs Plüschtiere auf dem Gästebett.

„Das ist Fritz das Krokodil, Hanni das Pony, Josi die Schildkröte, Tapsi der Bär, Josh der Tiger und Milli die Maus“, stellte Sarah ihren Kuscheltierzoo vor. Dann wollte sie unbedingt auch noch Fiannas Zimmer sehen.

„Du hast ja ein großes Bett!“, sprang Sarah freudig auf Fiannas Himmelbett. Fianna musste ein Augenrollen unterdrücken. Sarah durchforstete das ganze Zimmer und machte vor nichts halt.

„Du hast auch CDs von Bibi und Tina, den Fünf Freunden und Elea Eluanda“, war sie ganz hin und weg. Begeistert durchwühlte sie Fiannas CD-Ständer.

„Oh bitte, können wir ein Hörspiel hören?“, bettelte sie.

„Leg die CDs sofort zurück!“, sagte Fianna streng. Sie war bereits jetzt schon genervt. Ein Moment als sie nicht hinguckte, öffnete Sarah fast lautlos den Meerschweinkäfig. Erschrocken drehte sie sich um, als es einmal laut quiekte. Sarah hatte mit einer Hand Fritzi aus dem Käfig gefischt, die heftig strampelte und fiepte.

„Tu das Meerschwein sofort wieder zurück und pack den Stall nicht wieder an! Raus mit dir! Du bringst hier alles durcheinander!“, schrie Fianna das Mädchen an. Wortlos setzte Sarah das kleine Tier in den Stall zurück und schluchzte los.

 

„Was ist hier los?“, trat Fiannas Mutter ins Zimmer.

„Fianna hat mich angebrüllt“, heulte das kleine Mädchen.

„Fianna, wir müssen eben unter vier Augen sprechen und du, Sarah, du gehst nach unten zu meinem Mann und Tom ins Wohnzimmer!“, sagte Frau O’Hara. Sarah trollte sich und Fiannas Mutter schloss die Tür hinter sich.

„Warum hast du sie gerade zum Weinen gebracht?“, begann sie streng.

„Ich bin gerade wütend geworden, weil Sarah alles angegrabscht und vor nichts halt gemacht hat. Als sie Fritzi wehgetan hat, bin ich sauer geworden“, sah Fianna ihre Mutter grimmig an.

„Ich kann verstehen, dass du dein Zimmer als Eigentum ansiehst und empfindlich reagierst, wenn einfach eine halbfremde Person einfach so herein poltert“, klang ihre Mutter wieder besänftigter.

„Wie soll ich es mit ihr aushalten, wenn sie bereits jetzt schon so kompliziert ist?“, jammerte Fianna.

„Lass uns mal kurz setzen und ich will dir mal erklären, warum Sarah so ist, wie sie ist“, sagte ihre Mutter und setzte sich zu ihr aufs Bett. 

„Sarah hat eine geistige Behinderung, mit der sie geboren wurde und wofür sie nichts kann. Viele ihrer Verhaltensweisen meint sie gar nicht böse. Sie kann Mimik, Sprache und ihr Verhalten nicht richtig steuern. Aber ich bin mir sicher, dass wir bald gut mit ihr klar kommen werden. Sie muss sich an uns gewöhnen und wir uns an sie. Ich kann dir versichern, dass sie trotz ihrer Behinderung ein ganz liebes Mädchen ist. Sei einfach geduldiger mit ihr und wenn sie etwas macht, was du nicht willst, trete ruhig und bestimmt auf. Schreien und wüstes Schimpfen bringen bei ihr wenig“, erklärte ihre Mutter.

„Ich werde mir Mühe geben“, versprach Fianna, die sich nun wirklich dafür schämte, wie sie Sarah angebrüllt hatte.

„Das denke ich mir. Gib ihr einfach ein bisschen Zeit und dann wird sie wieder die Alte sein. Gerade ist sie noch ziemlich durch den Wind, da ihre Mutter im Krankenhaus liegt. Ich bin mir sicher, dass ihr beide gute Freundinnen werden könnt“, lächelte ihre Mutter und legte ihr den Arm um die Schulter.

 

Nach dem Abendessen, als ihre Familie und Sarah im Wohnzimmer einen Film schauten, verzog sich Fianna auf ihr Zimmer und rief Aylin an.

„Hallo Carrot!“, meldete sich ihre beste Freundin. „Gibt es was Dringendes?"

„Hast du einen Moment Zeit?“, fragte Fianna. 

„Na klar, erzähl einfach", forderte Aylin sie auf.

„Wir haben für zwei Wochen meine Cousine zweiten Grades zu Besuch, die eine starke geistige Behinderung hat. Sie kam vor zwei Stunden an und sie geht mir jetzt schon auf die Nerven. Sie kann keine zehn Sekunden ihre Klappe halten und redet wie ein Kleinkind.“ 

„Was hat sie sonst noch so gemacht, dass du so von ihr genervt bist?“

Nun erzählte Fianna, wie Sarah in ihr Zimmer gestürmt kam und ein heilloses Chaos angerichtet hatte.

 

„Nimm ihr das nicht so übel. Sie ist neu bei euch und findet alles um sich herum interessant. Ich kenne ein auch ein behindertes Mädchen, sie heißt Meral und ist die Tochter von irgendeiner Bekannten meiner Eltern. Sie ist genauso unberechenbar. Ich denke Sarah wird ein bisschen ruhiger werden, wenn sie euch besser kennt“, meinte Aylin und erzählte anschließend von der Anmeldung zum Festumzug. Emily, Annemieke und mussten zig Fragen auf dem Bogen ausfüllen und es gab noch eine Hürde, dass mindestens eine Person pro Gruppe dabei sein musste, die mindestens fünfzehn war und die Gruppe als ältere Begleitperson betreute.

„Da haben wir das Problem!“, seufzte Fianna. „Emily ist dreizehn und wir sind alle zwölf.“

„Vielleicht fragen wir Kikis Schwester oder meine Schwester“, schlug Aylin vor.

„Vielleicht kommt auch Emilys ältere Cousine in Frage."

„Können wir mal versuchen.“

„Gute Idee!“

 

 

5. Sarah und die Roten Tulpen

Fianna war dazu verdonnert Sarah am Freitagnachmittag mit zur Reitstunde mitzunehmen.

„Den Ball lässt du hier!“, bestimmte Fianna. Sarah hatte seit zwei Tagen die nervige Angewohnheit die ganze Zeit einen kleinen Gummiball auf den Boden zu prellen und gegen die Wand zu werfen.

„Ok“, murmelte Sarah nur und fragte: „Darf ich gleich auch mitreiten?“

„Du wirst zugucken“, sagte Fianna.

„Ich will auch mitreiten!“, quengelte ihre Cousine. „Es ist gemein, wenn ihr alle reitet und ich nicht.“

„Wir haben aber nicht genug Pferde und du bist für die Reitstunden nicht angemeldet.“

„Mir egal, dann reite ich mit dir auf einem Pferd.“ 

„Das kannst du vergessen!“

„Manno, dann komme ich gar nicht mit!“, begann Sarah zu weinen. Nun ging das wieder los! Innerlich rollte Fianna mit den Augen. Sarah heulte auch bei jeder Kleinigkeit los.

„Ok, ich werde Rachel fragen, ob ich dich nachher durch die Halle führen kann“, klang Fianna deutlich sanfter.

 

„Au ja!“, freute sich Sarah und ihre blauen Augen begannen zu glänzen. Nachdem sich die beiden Mädchen angezogen hatte, holte Fianna die Fahrräder aus der Garage. Sarah bekam ihr altes Kinderfahrrad, da sie ein ganzes Stück kleiner als Fianna war.

„Bleib immer hinter mir und pass gut auf den Verkehr auf!“, bläute Fianna ihr ein, als sie losfuhren. Anders als in den letzten beiden Tagen, an denen es aus schweren grauen Wolken regnete, schien heute die Sonne und ein erster Hauch vom Sommer lag in der Luft.

„Fianna, nicht so schnell!“, rief Sarah keuchend, als es bergauf ging.

„Sollen wir schieben?“, drehte sich Fianna zu ihr um.

„Ich kann nicht mehr!“, sagte Sarah weinerlich.

„Aber wir sind fast da.“

„Ich will nach Hause!“

„Aber dann kannst du später auch nicht reiten.“

Nun gab sich Sarah geschlagen. Der Reiterhof war bereits in Sichtweite und es würde nur noch fünf Minuten dauern, bis sie da waren.

 

„Pferde, so viele Pferde!“, rief Sarah begeistert und rannte los, als sie den Stalltrakt betraten.

„Hey, hier wird nicht gerannt!“, packte Lotta das kleine Mädchen am Ärmel.

„Hi Lotta“, begrüßte Fianna ihre Freundin.

„Wen hast du denn da mitgebracht?“, fragte Lotta und Fianna glaubte einen leicht abschätzigen Unterton heraus zu hören.

„Das ist Sarah, meine Cousine zweiten Grades“, sagte Fianna nur.

„Ok und warum bringst du sie mit?“, musterte Lotta Sarah kritisch.

„Ich muss auf sie aufpassen“, erwiderte Fianna knapp und fragte: „Wo sind denn die anderen?“

Die sind mit ihren Pferden schon auf dem Reitplatz.“ 

„Wen soll ich heute reiten?“ 

„Ich habe gerade netterweise Caruso für dich gesattelt.“ 

„Danke, das ist lieb von dir!“

„Aber nächstes Mal bist du wieder pünktlich.“

"Ja, sorry, mit Sarah war ich eben nicht so schnell."

 

Fianna und Lotta nahmen ihre Pferde am Zügel und führten sie über den Hof zum Reitplatz. Sarah trottete brav neben ihnen her und sagte fast kein Wort. Lottas Anwesenheit schien sie ein wenig einzuschüchtern.

„Hallo Fianna, ich dachte du kommst nicht mehr“, rief ihr Kiki zu, die schon auf Rockys Rücken thronte.

„Sorry, ich habe Sarah dabei und der Weg hat länger gedauert“, erwiderte sie.

„Hallo Fianna, hast du jemand Neues mitgebracht?“, kam Rachel auf Fianna und Sarah zu.

„Das ist Sarah, meine Cousine“, stellte Fianna das kleine Mädchen vor.

„Hallo“, lächelte Sarah und schien die Frau mit den wilden blonden Locken und den lebhaften grauen Augen auf Anhieb zu mögen.

„Du kannst dich erstmal auf die Bank unter dem Baum setzen und nach der Stunde kann dich Fianna ein paar Runden über den Platz führen“, wandte sich Rachel an Sarah.

 

Die Reitgruppe teilte sich in zwei Gruppen auf. Lotta, Kiki und Emily, die am erfahrensten waren, trainierten mit Annika ein paar kompliziertere Figuren zu reiten und über niedrigere Hindernisse zu springen. Rachel kümmerte sich um die anderen vier Reitschülerinnen.

„Annemieke, halte deine Hände niedriger und strecke deine Beine richtig durch!“, korrigierte sie die Haltung von Annemieke auf dem Pferd. An Fianna und Aylin hatte sie am meisten auszusetzen, da beide erst seit kurzem ritten und noch nicht viel Reiterfahrung hatten. Sarah guckte den Mädchen anfangs sehr interessiert zu und winkte begeistert, wenn sie an ihr vorbei ritten. Mit zunehmender Zeit wurde ihr langweilig. Sie öffnete ihren Rucksack und holte den Gummiball raus, den sich heimlich mitgenommen hatte. Den Ball auf dem grasbewachsenen Boden zu prellen machte nicht sonderlich viel Spaß, da der Ball nicht so gut sprang.

 

Schnell entdeckte Sarah die Möglichkeit, dass es viel besser den Ball gegen den Baumstamm der stämmigen Eiche zu werfen, sodass er abprallte und zurück flog. Einmal überschätzte Sarah ihre Kraft und warf den Ball so kräftig gegen den Baumstamm, sodass er so schnell zurückflog und sie ihn nicht mehr fangen konnte. Der Ball flog auf die Reitbahn vor die Füße von Annemiekes Pferd Smilla, sodass sie scheute und zur Seite ausbrach und Katinka zu nahe kam, die von Aylin geritten wurde. Katinka machte einen unerwartet heftigen Sprung schräg vorwärts nach rechts. Aylin, die nicht darauf gefasst war, konnte sich nicht sich nicht mehr im Sattel halten und landete mit dem Gesicht voran im Sand.

„Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!“, brüllte Mathilda Sarah an. „Pack deinen scheiß Ball weg oder ich klatsche dir eine!“

Sarah sah das Mädchen mit dem hellblonden Lockenschopf unbeholfen an.

„Sarah, ich habe doch gesagt, dass du den Ball nicht mitnehmen sollst“, schimpfte Fianna.

 

„Annika, kannst du bitte einmal alle Reitschülerinnen übernehmen. Ich muss mich um Aylin kümmern“, bat Rachel ihre Tochter. Aylin lag schluchzend auf dem Boden und bebte am ganzen Körper. Rachel half ihr auf und stützte sie.

„Ich will heute nicht mehr reiten“, schniefte Aylin.

„Wenn du magst, kann ich dein Pferd für dich in den Stall bringen und du setzt dich für den Rest der Stunde auf die Bank“, sagte die Reitlehrerin. Schweigend setzte sich Aylin zu Sarah auf die Bank. Zum Glück hatte sie sich nicht ernsthaft verletzt und erholte sich rasch vom Schock.

„Hast du dir stark wehgetan?“, fragte Sarah, die halbwegs begriffen hatte, was sie angerichtet hatte.

„Es ist alles okay“, murmelte Aylin.

„Darf ich jetzt gar nicht mehr reiten?“, machte Sarah ein langes Gesicht.

„Wart einfach ab, was Rachel sagt“, antwortete Aylin, die Sarah ihren Patzer nicht übel zu nehmen schien. Für den Rest der Stunde verhielt sich Sarah unauffällig, sodass Rachel erlaubte, dass Fianna sie danach eine Runde über den Platz führte.

„Ich möchte nie wieder, dass du mit einem Ball die Pferde erschrickst oder andersartig Krach machst, wenn du in der Nähe der Pferde bist. Die Pferde denken, dass Gefahr droht und geraten in Panik“, wies Rachel das kleine Mädchen noch einmal ausführlich zurrecht.

 

Annika zeigte ihr im Anschluss noch den Hof, während Fianna und ihre Freundinnen die Pferde zum Putzplatz zwischen den beiden Ställen brachten.

„Was hast du für eine Schreckschraube mitgebracht?“, wandte sich Mathilda im Stalltrakt an Fianna.

„Das ist Sarah, meine Cousine zweiten Grades“, antwortete Fianna, die mittlerweile echt genervt war und sich heute zum zigsten Mal wegen Sarah rechtfertigen musste.

„Das nächste Mal lässt du sie bitte zuhause, wenn sie die ganze Zeit den Clown spielt“, sagte Emily.

„Ich hatte keine andere Wahl“, versuchte Fianna ihren Freundinnen zu erklären. „Meine Eltern und mein Bruder sind nicht zuhause und ich kann Sarah nicht alleine lassen.“

„Was für ein schlimmes Schicksal, dass du so eine wandelnde Katastrophe am Hals hast“, machte Kiki einen herablassenden Kommentar.

„Was kann ich denn dafür?“, fauchte Fianna ihre Freundinnen ungehalten an.

„Immerhin hat diese komische Sarah die Pferde wild gemacht“, bemerkte Annemieke schnippisch.

 

„Warum sperrst du Sarah nicht in irgendein Zimmer ein, sodass sie keinen Blödsinn machen kann?“, schlug Mathilda vor. Der Sarkasmus in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Ihr habt sie nicht mehr alle!“, drehte sich Fianna auf der Stelle um. Immerhin hatte sie Caruso schon in die Box gestellt, sodass sie nicht länger mit ihren Freundinnen im Stalltrakt verweilen musste. Lieber gesellte sie sich zu Sarah und Aylin, die immer noch auf der Bank saßen. Zu ihrer Überraschung unterhielten sich die beiden Mädchen.

„Zum Glück dir nichts passiert!“, nahm Fianna ihre beste Freundin erleichtert in den Arm.

„Das war nur der Schock und außerdem wollte Sarah niemanden wehtun“, meinte Aylin.

„Sarah, das machst du bitte nie wieder!“, redete Fianna ihrer Cousine ins Gewissen.

„Aber ich wollte den Ball nicht nach den Pferden werfen“, sagte Sarah, die immer noch leicht beschämt wirkte.

„Das weiß ich, aber Pferde erschrecken sich wegen jedem bisschen Krach und unvorhergesehenen Ereignissen“, erklärte ihr Fianna.

 

Sarah war mehr als begeistert, als sie eine Stunde später zum ersten Mal den Wohnwagen betrat und fing an alles genauestens zu untersuchen. Keine Schubblade, kein Bild an der Wand, kein Stofftier und Kissen auf dem Sofa blieb verschont. Die Dekoration und Schmuckgegenstände waren einfach zu interessant. Aus versehen stieß sie eins von den Gläsern vom Tisch, sodass es klirrend zu Boden fiel.

„Kannst du nicht aufpassen?“, motzte Kiki.

„Du bist nicht bei dir zuhause, also hör auf alle Sachen anzugrabschen!“, wetterte Lotta los.

„Sarah, setz dich auf den Stuhl und sei endlich ruhig!“, sagte Fianna genervt. Mathilda baute sich neben Sarah wie ein Wachhund auf, sodass Sarah erstmal keinen Pieps mehr von sich gab. Nun konnten die Mädchen den Tisch decken und den Kuchen auftischen, den sie von Zuhause mitgebracht hatten. Während die Roten Tulpen Tee tranken und Kuchen aßen, drehten sich ihre Gespräche um die Gestaltung ihres Umzugswagens.

 

„Wir treffen uns Sonntag bei Fianna und dann können wir am Leiterwagen weiter arbeiten. Passt euch vier Uhr?“, fragte Kiki in die Runde.

„Passt!“, nickte Lotta.

„Ich habe Papa gefragt, er macht uns zu morgen Abend ein Schild aus Holz fertig, welches wir bemalen können“, erzählte Emily.

„Cool, darauf freue ich mich jetzt schon“, rieb sich Kiki freudig die Hände.

„Was für ein Schild?“, unterbrach Sarah die Bandenmädchen ungefragt.

„Das geht dich nichts an!“, sagte Annemieke. Sarah war für einen Moment ruhig, bis sie sich weitere Male versuchte einzumischen und leise vor sich hin redete.

„Fianna, es reicht! Bitte schick dieses Mädchen nach draußen, dort kann sie sich die Kaninchen anschauen“, platzte Kiki zuerst der Kragen.

„Bist du bescheuert, Kiki?“, herrschte Mathilda ihre beste Freundin an. „Wenn Sarah alleine im Garten ist, wird sie bestimmt die Stalltür öffnen und die Kaninchen hauen ab.“

„Wie wäre es, wenn Fianna mit Sarah in den Garten geht?“, schlug Emily vor.

„Ganz genau, mit Sarah hier im Raum ist kein vernünftiges Gespräch möglich“, pflichtete ihr Lotta bei.

 

Seufzend stand Fianna auf und nahm Sarah mit nach draußen. Ihre Cousine war sofort entzückt, als sie Hanni und Nanni zum ersten Mal sah.

„Darf ich die streicheln?“, fragte sie.

„Du kannst sie versuchen mit Gras zum Gitter zu locken.“

Schnell rupfte Sarah ein paar Grasbüschel aus und hielt sie ans Gitter. Sie brauchte nicht lange warten und die Kaninchen kamen angehoppelt. Vor Begeisterung begann Sarah zu quietschen.

„Wenn du so laut bist, werden sie sich gleich wieder verziehen“, ermahnte Fianna sie und öffnete langsam die Stalltür. Sie packte Nanni am Nackenfell und hob sie aus dem Stall. Die Cousinen setzten sich auf eine Gartenbank vor dem Wohnwagen.

„Du kannst Nanni streicheln, aber sei bitte ganz vorsichtig und immer mit dem Strich“, sagte Fianna, die das Kaninchen auf dem Schoß hatte. Vorsichtig fuhr Sarah mit ihren Fingern durch das samtige Fell und lächelte wie ein Honigkuchenpferd. Fianna erzählte ihr noch ein bisschen über die Kaninchen, bis schließlich Aylin in den Garten kam und ihnen Gesellschaft leistete.

„Ihr glaubt gar nicht, wie die anderen sich die Mäuler zerreißen“, sagte diese stöhnend.

„Das habe ich vorhin schon mitbekommen“, murrte Fianna. „Die sollen mal schön ihre Klappe halten, die müssen immerhin nicht so eine große Verantwortung wie ich übernehmen.“

 

„Übrigens gehen wir morgen ins Kino“, teilte Aylin ihr mit.

„Schön, dass ich das auch erfahre!“, schnaubte Fianna, die langsam ein wenig sauer wurde. Was erlaubten sich die anderen Mädchen eigentlich? Inzwischen fühlte sich sie sich von ihren Bandenfreundinnen ein wenig ausgeschlossen.

„Geh ruhig wieder rein. Gib mir Nanni und ich bleib Sarah“, meinte Aylin, die ihr das Kaninchen abnahm. Als Fianna wieder in den Innenraumraum betrat, verstummten ihre Freundinnen kurz.

„Falls du es nicht mitbekommen haben solltest: Wir gehen morgen um halb vier in den Film „Die Summerland-Ranch und das größte Abenteuer meines Lebens“ Wir treffen uns schon eine halbe Stunde vor dem City-Kino“, fand Annemieke zuerst ihre Sprache wieder.

„Cool, dass ihr mir auch mal bescheid sagt“, bemerkte Fianna sarkastisch.

„Das wegen gerade war nicht gegen dich“, versuchte Kiki ihr zu erklären: „Wir waren einfach davon genervt, dass Sarah immer dazwischen geredet hat.“

 

„Ich habe sie auch nicht freiwillig mit hier hin gebracht. Es ist so, dass ihre Mutter nach einem schweren Unfall schwerverletzt im Krankenhaus liegt und ihr Vater auf Dienstreise ist. Sie wird noch zwei Wochen bei uns wohnen“, eröffnete Fianna ihren Freundinnen.

„Krass, dass du so eine Verantwortung übernehmen musst“, fand Lotta. „Ich könnte es nicht.“

„Ich habe ja keine andere Wahl“, seufzte Fianna. „Tom, dieser Idiot zieht sich dauernd aus der Verantwortung und meine Eltern sind gefühlt nie zuhause. Mama und ich sind die Einzigen, die sich mit ihr beschäftigen und die Männer machen sich mal wieder aus dem Staub. Tom hat noch nicht ein einziges Mal etwas mit ihr gemacht und daher bleibt es immer an mir hängen. Ich habe mich mit meinem Bruder gestern nach dem Abendessen sogar richtig gestritten, weil er sich immer schön aus der Affäre zieht.“

Der Frust aus Fiannas Stimme war deutlich heraus zu hören, sodass ihre Freundinnen sie einen Moment lang betroffen anschauten.

„An deiner Stelle hätte ich deine Eltern echt zur Sau gemacht. Ich würde es mir nicht gefallen lassen, dass man mir so ein Blag anhängt“, meinte Lotta dazu.

 

 

 

6. Komplott gegen Sarah

„Du kannst gerne ins Kino gehen. Nimm Sarah mit. Sie wird sich garantiert auch für den Film interessieren“, meinte ihre Mutter am Samstag und drückte den beiden Mädchen 15 € in die Hand. Ausnahmsweise beschwerte sich Fianna nicht, da Sarah einen B-Ausweis hatte und sie dadurch vergünstigt ins Kino kamen.

„Wir holen euch nach dem Film direkt vom Kino ab, da wir heute Abend zusammen mit der Familie beim Chinesen essen wollen“, sagte ihre Mutter, als Fianna und Sarah sich auf den Weg machten. Ausnahmsweise nahmen sie den Bus, da es leicht am Nieseln war.

„Wie heißt der Film, den wir gucken werden?“, fragte Sarah zum zigsten Mal.

„Das habe ich dir doch gerade schon gesagt“, murmelte Fianna, die darauf wartete, bis der Bus endlich am ZOB hielt. Nur noch drei Haltestellen und dann wären sie endlich da. Unermüdlich tropfte der Regen gegen die Scheiben. Heute war im Gegensatz zu gestern wirklich ein mausgrauer Tag.

 

Am ZOB entleerte sich der gesamte Bus. Fianna nahm Sarah an der Hand, um sie im Getümmel nicht zu verlieren.

„Da ist das Kino“, zeigte Fianna auf ein großes Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einer gläsernen Fassade, an der einige farbenfrohe Plakate hingen, die für die Filme warben, die gerade liefen.

„Huhu, wir sind hier!“, winkte ihnen Emily zu, die mit den anderen Freundinnen vor dem Eingang warteten. Die Mädchen begrüßten Fianna mit einer kurzen Umarmung, während sie Sarah geflissentlich ignorierten. Nur Aylin und Emily sagten Fiannas Cousine kurz „Hallo“.

„Lasst uns endlich zur Kasse gehen! Draußen ist es echt kalt“, bibberte Aylin in ihrer dünnen Regenjacke. Kiki, Mathilda und Lotta steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten leise und warfen Sarah abschätzige Blicke zu.

 

„Können wir in diesen Film gehen?“, zeigte Sarah auf ein kunterbuntes Plakat für einen Kinderfilm.

„Das ist ein Film für Grundschüler, dafür sind wir zu alt“, sagte Emily sofort.

„Ich will aber in diesen Film!“, maulte Sarah.

„Wir gehen in den Film, den wir sehen wollen. Sei froh, dass du überhaupt dabei sein darfst“, wurde Kiki leicht pampig. Zu acht gingen sie zu den Kassen, wo sich das nächste kleine Drama ereignete.

„Ich finde meinen Ausweis nicht“, jammerte Sarah.

„Ich habe dich doch gefragt, ob du ihn dabei hast und du hast mich angemotzt, dass ich mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen soll“, zischte Fianna sie wütend an. Sarah kramte weiter verzweifelt in ihrem Rucksack sowie in den Hosen- und den Jackentaschen.

„Ich kann ihn nicht finden. Ich habe ihn vergessen“, sagte sie weinerlich.

„Ich brauch leider deinen B-Ausweis, als Beweis, sonst muss ich für euch den vollen Preis berechnen“, meinte die Kassiererin. Fianna war froh, dass sie von ihrer Mutter ein wenig Geld mitbekommen hatte und bezahlte für Sarah und sich den Schülerpreis.

„Jetzt will ich aber noch Popkorn und Cola haben“, sagte Sarah. „Im Kino isst man immer Popkorn.“

 

„Das ist nicht drin, da du deinen Ausweis vergessen hast und wir fast das ganze Geld für den Eintritt ausgeben mussten“, schüttelte Fianna rigoros den Kopf. Nun begann Sarah Theater zu machen: Sie heulte und stampfte wütend mit dem Fuß auf.

„Ich werde mich von meiner Mutter abholen lassen!“, rief sie durch das ganze Foyer.

„Hör auf so rum zu schreien!“, fauchte Kiki.

„Meine Güte, was veranstaltet die wieder für eine Show!“, rollte Mathilda mit den Augen. „Fianna, es wäre besser gewesen, wenn sie du sie zuhause gelassen hättest.“

„Wir sind blamiert! Dahinten sind welche von den Piranhas. Lennart hat sich gerade umgedreht und uns komisch angestarrt“, schlug Annemieke die Augen nieder und deutete in die Richtung von Jannis, Ömer und Lennart, die an einer anderen Kasse anstanden.

„Los, Abmarsch! Ich will nicht, dass wir noch von mehreren Leuten gesehen werden, die uns kennen“, schob Lotta ihre Freundinnen vorwärts. Sarah schluchzte immer noch und wiederholte mehrfach, dass sie wieder gehen wollte.

„Beruhig dich, ich habe für dich und Fianna auch eine kleine Tüte gekauft“, reichte Aylin ihr eine Popkorntüte. Mit einem Schlag war Sarah still und griff zufrieden in die Tüte hinein.

 

Es lief noch 20 Minuten Werbung, bevor der Vorhang für den Film aufging. Die Story handelte von der 15-jährigen Charly, deren Eltern die Farm von ihren verstorbenen Großeltern erbten. Dort lebten acht Pferde und viele andere Tiere. Da der Hof sehr herunter gekommen war, mussten Charlys Eltern viel Geld für die Sanierungsarbeiten investieren, bis sie schließlich insolvent waren und der Hof kurz vor der Versteigerung stand. Zusammen mit ihrem Freund Tim und ihren neuen Freunden Emma, Ida und Alex schmiedete Charly Pläne, wie sie die Ranch retten konnten.

 

„Warum küssen sich Charly und Tim?“ 

„Warum weint Charly?“

„Wieso haben Charlys Eltern kein Geld?“

Immer wieder stellte Sarah, die die Handlungsstränge nicht verstand, unzählige Fragen.

„Sei doch endlich mal ruhig!“, zischte Lotta.

„Was ist eine Versteigerung?“, fragte das kleine Mädchen unbeirrt weiter.

„Noch ein Wort und du fliegst raus!“, drohte ihr Mathilda, die Sarah ohne Probleme einschüchtern konnte. Immerhin hatte das zur Folge, dass Sarah nur noch vereinzelt Fragen stellten und sich relativ ruhig verhielt. Nachdem der Film zuende war, verabschiedeten Fianna und Sarah von den anderen Mädchen und liefen zum Ausgang.

„Wie war der Film?“, wollte Fiannas Mutter wissen, die vor dem Kino auf die beiden Mädchen wartete.

„Richtig toll!“, erwiderte Fianna begeistert.

„Den Film will ich noch mal sehen“, strahlte Sarah.

„Na, dann kannst du dir die DVD davon zu Weihnachten wünschen“, meinte Fiannas Mutter.

 

Gegen Abend rief Aylin bei Fianna an.

„Ich muss dir etwas stecken!“, begann sie aufgebracht. „Wir waren nach dem Film noch bei Subway und da haben unsere Freundinnen so richtig vom Leder gezogen. Sie haben übel über Sarah gelästert und gesagt, dass sie Sarah nicht mehr dabei haben wollen. Das heißt auch, dass du nicht gerne im Wohnwagen oder bei einer Reitstunde gesehen wirst, wenn du sie mitbringst. Morgen wollen sie auch nicht zu dir kommen, um den Leiterwagen zu gestalten, weil Sarah bei euch ist.“

„Wie bitte?!“, verschlug es Fianna die Sprache.

„Sie wollen alle morgen Zuhause bleiben und erst dann wieder am Umzugswagen arbeiten, wenn Sarah nicht mehr bei euch ist.“

„Was sind das nur für falsche Ziegen?“, schäumte Fianna vor Wut.

 

„Auch wenn die andere nicht kommen, ich komme morgen ab drei Uhr und helfe euch.“

 „Trotzdem ist das mies, dass diese blöden Kühe so hinter meinem Rücken agieren. Sarah kann nichts dafür, dass sie behindert ist. Diese Zicken sollen sich nicht so anstellen. Ich weiß, dass sie schwierig ist und sich wie ein Baby benimmt. Ich kann sie nicht einfach ausgrenzen und stehen lassen, sonst kriege ich heftig Ärger mit Mom. Schließlich gehört Sarah zu unserer Familie.“

„Du brauchst dich nicht wegen ihr zu rechtfertigen. Wir können von Sarah nicht erwarten, dass sie sich so verhält wie wir und ich finde, dass unsere Freundinnen echt verdammt intolerant sind.“

„Ich weiß, ich finde es so fies, dass sie mich mit fertig machen und das nur weil ich eine behinderte Cousine habe“, war Fianna kurz vorm Weinen.

„Ich bin auf der Seite von dir und Sarah, solange die anderen sich so gemein verhalten“, sagte Aylin mitfühlend. „Ich habe gedacht, ich hätte endlich mit der Bande sechs tolle Freundinnen gefunden und nun entpuppen sich fünf davon als falsch“, rollte Fianna eine erste Träne über die Wange.

 

 Nachdem Fianna das Telefonat beendet hatte, weinte sie zehn Minuten hemmungslos in ihr Schmusekissen. Wie konnten die anderen sie nur so verraten? Dabei hatte sie für den morgigen Tag extra Kreppband, Glitzersticker und bunte Federn besorgt. Einen Moment später vernahm sie ein Klopfen an der Tür.

„Fianna, kann ich kurz reinkommen? Ich habe noch frisch gebügelte Wäsche von dir“, nahm sie die Stimme von ihrer Mutter gedämpft wahr.

„Komm rein!“, erwiderte Fianna matt.

„Oh Gott, was ist los, Mäuschen?“, setzte sich ihre Mutter neben sie und streichelte ihr über den Rücken. Ihr waren die rotgeweinten Augen ihrer Tochter nicht entgangen. Fianna musste mehrmals schlucken, bevor sie alles erzählte, was gestern bei der Reitstunde, im Wohnwagen und vorhin im Kino passiert war. Dann schilderte sie in Einzelheiten, was Aylin ihr gerade im Telefonat erzählt hat.

 

„Ich werde mich dahinter klemmen. Das Verhalten deiner „Freundinnen“ ist wirklich nicht fair. Das grenzt schon an Mobbing dir und Sarah gegenüber. In diesem Fall grenzen die anderen Mädchen euch massiv aus und betreiben Hetze gegenüber Sarah hinter eurem Rücken. Das werde ich nicht länger hinnehmen“, beschloss ihre Mutter.

„Heißt das, dass du dich einmischen willst?“, sah Fianna ihre Mutter skeptisch an.

„Ich muss mich in dem Fall einmischen, da ich die Pflicht habe, dich und Sarah zu verteidigen. Schließlich haben sie auf diese Weise auch unsere Familie beleidigt und deshalb werde ich mit den Eltern der betreffenden Mädchen telefonieren. Sabine, die Mutter von Annemieke und Mathilda, werde ich als erstes anrufen. Ich bin mit ihr befreundet und gehe mit ihr in die gleiche Sportgruppe. Die Telefonnummern von Kiki, Emily und Lotta finde ich auf der Telefonliste von eurer Klasse“, nahm ihre Mutter ihr das Telefon aus der Hand.

 

„Mama, bitte rufe nicht die Eltern meiner Freundinnen an?“, flehte Fianna. „Das wird schief gehen, weil sie dann denken, dass ich gepetzt habe!“

„Ich gehe folgendermaßen vor: ich erzähle ihnen, dass sie dich mit ihrer gemeinen Aktion zum Weinen gebracht haben, obwohl dich eigentlich nicht verletzen wollten. Ich appelliere an ihre Eltern, dass sie mit ihren Töchtern ein Gespräch führen und ebenfalls an ihre Mädchen appellieren, dass sie Sarah tolerieren sollen. Die Eltern deiner Freundinnen sollen ihre Töchter auf keinen Fall zusammenstauchen, da das nur das Gegenteil bewirkt. Deine Freundinnen brauchen ein bisschen Nachhilfe in Sachen Toleranz und Einfühlungsvermögen gegenüber Menschen mit Behinderungen“, erläuterte ihre Mutter den Plan genauer. Fiannas Miene hellte sich mit einem Mal auf.

„Mama, das ist vielleicht keine so schlechte Idee“, lobte sie und drückte ihren Arm.

„Okay, dann mach ich jetzt mal meine Arbeit!“, ging ihre Mutter zum Telefonieren nach unten.

 

Nur eine Stunde später klingelte Fiannas Handy.

„Hi, hier ist Micky!“, meldete sich Annemieke.

„Hi!“, meldete sich Fianna.

„Deine Mutter hat vorhin mit unserer Mama telefoniert und erzählt, wie traurig du warst. Mama nahm mich und Matti mit auf einem halbstündigen Spaziergang. Sie bat uns eindringlich, dass wir netter und toleranter zu Sarah sein sollen und sie vor allem nicht ausgrenzen dürfen.“

„Habt ihr Ärger bekommen?“

„Nein, das nicht. Mama hat mit uns über das Thema Behinderung gesprochen und uns gesagt, dass wir behinderte Menschen ganz normal behandeln sollen und nicht erwarten können, dass sie sich so wie wir verhalten. Gleichzeitig hat Mama uns auch deutlich gemacht, dass sie nicht noch einmal angerufen werden möchte und sich jemand beschwert, weil wir gemein zu jemand gewesen sind.“

 

„Wie hat Mathilda reagiert?“

„Sie war ziemlich geschockt, als sie erfuhr, dass du geweint hast, weil wir morgen erst nicht kommen wollten. Uns beiden tut es leid, dass wir gestern und heute so verdammt fies gegenüber Sarah waren. Wir konnten einfach nicht verbergen, dass wir genervt von ihrem Verhalten waren. Aber in Zukunft wollen wir uns verbessern und geduldiger mit ihr sein. Jedenfalls wollen wir netter zu ihr sein.“

 „Ich gebe zu, dass ich immer noch manchmal Probleme mit Sarah habe, da sie mir manchmal den letzten Nerv raubt. Aber sie kann auch so lieb sein. Donnerstag hat sie mir Kekse und Apfelsaft an den Schreibtisch gebracht, als ich Hausaufgaben gemacht habe.“ 

„Das ist voll süß von ihr. Übrigens Matti und ich kommen doch und wir werden uns auch noch einmal richtig bei Sarah entschuldigen.“

 

Halbwegs erleichtert legte Fianna das Handy beiseite, nachdem sie Annemieke eine gute Nacht gewünscht hatte. Da es schon relativ spät war, legte sie sich ins Bett und löschte das Licht. Obwohl sie müde war, konnte sie erst nicht einschlafen. Immer noch ging es ihr durch den Kopf, was passiert wäre, wenn ihre Mutter nicht interveniert hätte. Garantiert zeigten Annemieke und Mathilda nur ihre Reue, weil ihre Mutter ihnen ins Gewissen geredet hatte. Was war mit Kiki, Lotta und Emily? Von denen hatte sich noch keine gemeldet. war es ihnen völlig gleich, dass sie mit ihrem Verhalten ihr arg zugesetzt hatten? Gegen 23 Uhr checkte Fianna erneut ihr Handy. Immer noch keine neuen Nachrichten. Es war bereits einige Stunden her, dass Kiki, Lotta und Emily online waren. Fianna schaltete ihr Handy aus und drehte sich zur Wand hin. Nun dauerte es nur wenige Minuten, bis sie eingeschlafen war.

 

„Fianna, Telefon für dich!“, kam ihre Mutter am nächsten Morgen um kurz nach neun in ihr Zimmer.

„Hallo, hier ist Fianna O’Hara“, meldete sich Fianna verschlafen und rieb sich mit der freien Hand den Schlaf aus den Augen.

„Hey, ich bin’s Kiki“, vernahm sie Kikis fröhliche Stimme.

„Rufst du an, weil du heute Nachmittag auch kommst?“, wollte Fianna wissen.

„Genau, wir kommen heute alle, aber das haben wir im Chat geschrieben.“ 

„Ok, ich war seit gestern Abend nicht mehr online.“ 

„Nicht so wild, wir kommen gegen halb vier und bringen euch eine Kleinigkeit mit, weil uns entschuldigen müssen. Gestern bei Subway sind wir eindeutig über das Ziel hinaus geschossen, dabei wollten wir dich nicht ausgrenzen. Auch dass wir dich Freitag mit Sarah in den Garten geschickt haben, tut uns leid. Es war einfach so, dass sie irgendwann einfach zu nervig war. Eigentlich kann Sarah wegen ihrer Behinderung nichts dafür, dass sie so ist wie sie ist.“

„Ich gebe zu, dass ich sie auch nervig finde, obwohl eigentlich auch total lieb und knuffig ist. Jedes Mal, wenn ich zu zickig zu ihr war, bekam ich eine Standpauke von Mama und ich möchte nicht jedes Mal Ärger kriegen.“

„Das kann ich verstehen. Du hast krass viel Verantwortung aufgebürdet bekommen. Ich weiß nicht, ob ich mir das alleine zutrauen würde. Ich habe letztens einmal auf die beiden 6- und 8-jährigen Kinder von unserem Vermieter aufgepasst, aber die sind ja auch nicht behindert.“

Fianna war insgeheim erstaunt, dass es sich wieder um 180 Grad gewendet hatte. Es schien ein Wunder bewirkt zu haben, dass ihre Mutter die Mütter ihrer Freundinnen angerufen hatte.

 

 

 

 

7. Zusammen malt es sich am besten

Sarah war an diesem Tag krank und zwar so krank, dass sie nicht einmal das Bett verlassen wollte. Sie klagte über Hals- und Kopfschmerzen, Fieber, Schnupfen und Husten. Fiannas Mutter machte ihr einen Tee und brachte ihr das Frühstück ans Bett. Fianna fand es ein bisschen schade, dass Sarah nachher nicht beim Gestalten des Umzugswagens mithelfen konnte. Die Zeit verstrich für Fianna sehr langsam, weshalb sie beim Kochen mithalf und nach dem Essen freiwillig den Abwasch erledigte. Emily und Aylin waren überpünktlich und schlugen knapp eine halbe Stunde zu früh bei den O'Haras auf.

„Ich muss mich sehr bei dir und Sarah entschuldigen. Ich habe gestern nach dem Kino genauso fies gelästert, wie die anderen“, umarmte Emily Fianna.

„Ist Sarah gar nicht hier?“, fragte Aylin.

„Sie ist heute krank“, erwiderte Fianna.

 

„Schade, wir haben uns heute vorgenommen sie besser mit einzubeziehen“, sagte Emily und überreichte einen Blumenstrauß, den sie von ihrer Mutter aus dem Blumenladen bekommen hatte.

„Halli Hallo allerseits!“, fröhlich kamen die Zwillinge mit ihren Fahrrädern auf den Hof gerollt und veranstaltet ein wildes Klingelkonzert.

„Jetzt ist schon gut, ihr beiden Stimmungskanonen!“, rief Emily lachend.

„Ihr könnt die Räder unter dem Carport abstellen!“, rief Fianna den beiden Schwestern zu.

„Hallo Girls!“, winkte Kiki ihren Freundinnen vom Tor der Einfahrt zu.

„Wir sind fast vollständig“, stellte Fianna zufrieden fest.

„Hey, es tut uns so mega leid, dass wir gestern so gemein zu Sarah und dir waren“, kam Mathilda auf Fianna zu.

„Wir haben sogar eine Kleinigkeit für Sarah“, überreichte Annemieke ihr eine Packung alkoholfreier Pralinen.

„Sarah liegt mit einer starken Erkältung im Bett“, offenbarte Fianna den Schwestern.

„Dann richte ihr auf jeden Fall unsere Entschuldigung aus", bat Mathilda.

„Und gute Besserung", fügte Annemieke hinzu.

 

Lotta kam ein wenig später, da sie noch auf ihren jüngeren Bruder aufpassen musste.

„Das musst du Sarah geben. Da sind Bibi Blocksberg und Co dabei, die ich nicht mehr höre“, holte Lotta einen Stapel CDs mit Hörspielen aus ihrer Umhängetasche.

„Danke, das werde ich ihr nachher geben“, bedankte sich Fianna und brachte die kleinen Geschenke ins Haus.

„Hey, lasst uns endlich anfangen!“, rief Kiki. Mittlerweile hatten sich die Mädchen ihre Overalls übergezogen und Lotta startete ihren Bluetooth-Lautsprecher.

„Mist! ich habe unser Schild vergessen, obwohl ich daran gedacht habe“, ärgerte sich Emily.

„Nicht so wild!“, beruhigte Fianna sie. „Du kannst es in den nächsten Tagen mitbringen.“

Gutgelaunt begannen die Mädchen den Leiterwagen mit einer farblosen Lackfarbe zu überstreichen, die ihn vor Nässe und Witterung schützen sollte.

„Schaut, wie schön er in der Sonne glitzert!“, schwärmte Lotta und machte sogleich ein Foto mit ihrem Handy.

„Ja, er nimmt langsam Form an“, pflichtete Kiki ihr bei.

„Wisst ihr, eigentlich brauchen wir auch noch Kostüme“, fiel Annemieke ein.

„Das auf jeden Fall!“, nickte Emily.

„Ich hätte da schon ein paar Ideen!“, schnippte Lotta mit den Fingern.

„Dann lass mal hören, Lotta!“, drehte sich Aylin zu ihr hin und legte kurz den Pinsel beiseite.

„Wir könnten eine glitzerndes Oberteil, einen lila Rock und eine dünne Strumpfhose aus Nylon tragen. Dazu passen bestimmt Riemchen mit Glitzersteinchen“, erörterte Lotta ihre Vorstellungen von dem Kostüm.

„Nein danke, wir sind nicht das Tussenkomitee!“, wiegelte Mathilda ihren Vorschlag rigoros ab.

„Da fehlen nur noch pinke Pompons und wir sehen aus wie diese Cheerleaderzicken“, giggelte Annemieke.    

 

Aus heiterem Himmel bekamen die Mädchen wieder Besuch von ungewollten Zaungästen. Jannis, Sven, Ömer und Lennart standen am Tor zur Auffahrt und feixten was das Zeug hielt.

„Fischkopp-Alarm!“, rief Fianna laut, die die Piranhas als Erste bemerkte.

„Oh nein, nicht die schon wieder!“, sah Aylin ihre Freundinnen entsetzt an.

„Oh wie süß!“, rief Ömer mit fipsiger Stimme.

„Das soll im Ernst euer Umzugswagen sein?!“, lachte sich Jannis halbtot.

„Attacke!“, raunte Mathilda, die ein Taschentuch in einen roten Farbeimer tauchte, zusammenknüllte und in Richtung Auffahrtstor rannte. Aus dem Lauf versuchte sie auf die dämlich grinsenden Jungs zu zielen.

„Haha, Mathilda kann nicht zielen!“, spottete Ömer laut drauf los, als der rote Papierball über die Piranhas hinweg flog und auf der Straße landete.

„Haut ab!“, rief Mathilda zornig.

„Genau, ihr habt hier nichts zu suchen!“, kam Kiki ebenfalls zum Tor gerannt.

 

„Echt niedlich, wie die sich aufregen!“, schlug sich Sven vor Lachen auf die Schenkel.

„Bok Bok Bok Bok! Da sind ja unsere lustigen Hühner!“, mimte Jannis ein gackerndes Huhn.

„Macht die Fliege! Ihr werdet auf unserem Grundstück nicht gerne gesehen. Seid ihr in zehn Sekunden nicht weg, dann hole ich meine Eltern!“, drohte Fianna den frechen Jungs. Plötzlich spürte sie, dass Lotta sie am Handgelenk packte und sie zu sich hin zog.

„Komm mal mit nach hinten!“, flüsterte Lotta.

„Was willst du?“, zischte Fianna gereizt.

„Ich habe bei euch zwei Wasserpistolen auf dem Gartentisch entdeckt“, erwiderte ihre Freundin.

„Die gehören aber meinem Bruder“, entgegnete ihr Fianna. „Sie sind quasi sein Heiligtum."

„Egal, er wird sich nicht beschweren, wenn wir die einmal benutzen und jetzt haben wir einen Notfall“, meinte Lotta. Die beiden Mädchen hüpften die Stufen zur Veranda hoch, liefen in die Küche und befüllten ihre Wasserpistolen.

„Wir müssen uns gleich anschleichen und uns an die Front stürzen, wenn ich bis fünf gezählt habe. Die Fischköppe werden so baff sein, dass sie von alleine verschwinden“, blitzten Lottas Augen auf, die sich den Plan schon im Kopf zurecht gelegt hatte.

 

„Ich habe noch eine bessere Idee!“, rieb sich Fianna die Hände und sprintete hoch ins Badezimmer. Dort fand sie bunte Farbtabletten, die sonst immer in die Badewanne tat. Das war es! Kichernd kam sie wieder zu Lotta in die Küche.

„Sieh mal, wenn wir die Farbtabletten im Wasser auflösen, wird der Überraschungseffekt noch größer sein!“, grinste sie, sodass sich ihre Sommersprossen kräuselten. Die beiden Mädchen taten je eine blaue und eine violette Farbtablette in ihre Wasserpistole.

„Hey, wo bleibt ihr?“, kamen Annemieke und Aylin in die Küche gelaufen.

„Wir haben uns schon einen lustigen Plan ausgedacht, wie wir die Jungs vertreiben können“, offenbarte Fianna ihren Freundinnen.

„Die Idioten sind immer noch da und sie verspotten und beleidigen uns die ganze Zeit“, sagte Aylin klagend, die besonders sensibel auf die Sticheleien der Piranhas reagierte.

„Es wird mal langsam Zeit, dass eure Wasserpistolen zum Einsatz kommen“, meinte Annemieke. „Kiki und Matti liefern sich gerade ein ziemlich heftiges verbales Battle mit den Knallchagen.“

 

„Meine Güte, können sich die blöden Tabletten nicht schneller auflösen?“, maulte Lotta.

„Also meine hat sich gleich schon aufgelöst“, sagte Fianna. Es dauerte knapp drei Minuten, bis die Farbtabletten sich aufgelöst hatten.

„Bist du bereit?“, raunte Lotta, die mit der Wasserpistole in der Hand in die Hocke ging. Zeitgleich sprinteten die beiden Mädchen los und fegten über die Auffahrt. Fianna konnte nicht verhindern, dass sie ein bisschen von ihrer flinken Freundin mit den langen Beinen abgehängt wurde. So kam Lotta knapp eine Sekunde vor ihr am Auffahrtstor an und begann mit der Wasserpistole auf die verdutzten Jungs zu zielen. Jannis und Sven kreischten, als sie von einem blauen Wasserstrahl getroffen wurden.

„Jetzt kommt die nächste Überraschung!“, rief Fianna übermütig und traf mit ihrem pinken Wasserstrahl Lennarts weißes T-Shirt.

„Lass uns verziehen!“, rief Ömer schließlich.

 

„Ihr ward echt stark!“, lobte Emily Fianna und Lotta.

„Es war göttlich, wie die geschrieen haben. Wie kleine Mädchen!“, lachte Mathilda lauthals drauf los und wischte sich über ihre Augen.

„Ihr habt echt einen tollen Job gemacht!“, gickerte Kiki.

„Die Luft scheint wieder rein zu sein“, kam Annemieke mit Aylin hinten aus dem Garten. Kiki musste ihnen noch einmal erzählen, wie Lotta und Fianna die Piranhas vertrieben hatten. Annemieke bekam wieder einen ihrer Kicheranfälle und auch Aylin musste schmunzeln.

„Wollen wir eine Pause machen?“, schlug Fianna vor. „Wir können im Garten eben den Tisch decken. In der Küche müssten bestimmt noch Kekse, Limonade und anderes Naschzeug sein.“

„Au ja! Ich habe gerade ein bisschen Appetit“, klang Mathilda begeistert.

 

Fianna und ein paar von ihren Freundinnen arbeiteten jeden Tag ein bisschen an ihrem Wohnwagen weiter. Sarah ging es am Mittwoch endlich besser und einen Tag später konnte sie mithelfen aus Kreppband rote und pinke Rosen zu basteln.

„Das machst du echt toll, Sarah!“, lobte Kiki.

„Stimmt, deine Rosen sehen irgendwie besser aus als unsere“, fand Emily. Sarah wusste nicht wie ihr geschah. Plötzlich waren die Mädchen viel freundlicher, als sie in Erinnerung hatte. Kiki und Emily versuchten sie in ihre Unterhaltungen mit einzubeziehen und stellten ihr ein paar Fragen, wenn Sarah für mehrere Minuten wieder verstummte. Auch Fianna war sehr erstaunt, dass sich Sarah plötzlich fast schon normal verhielt.

„Ich habe mir alle eure Hörspiele angehört als ich krank war“, erzählte Sarah lächelnd.

„Das ist doch toll“, lächelte Kiki. Mittlerweile hatten die Mädchen sehr viele Rosen gebastelt, die sie auf dem Küchentisch sammelten.

„Unser Wagen wird ein wahres Blumenmeer!“, freute sich Fianna, worauf die Freundinnen bejahend nickten.

 

„Morgen fällt die Reitstunde aus, da Rachel eine Junioren-Springmannschaft zu einem Turnier begleitet“, erinnerte Emily Fianna und Kiki.

„Genau, das hat sie doch schon letzten Freitag gesagt“, erwiderte Kiki.

„Umso mehr Zeit bleibt für unseren Wagen“, wandte Fianna ein. „Dann lass uns um vier Uhr bei mir zuhause treffen!“

„Gute Idee, ich sage den anderen Mädels schon mal bescheid und schreibe ihnen eine Nachricht“, zückte Kiki ihr fliederfarbenes Handy.

„Krass, dass wir bald mit dem Wagen fertig sind und dabei ist der Umzug erst knapp in einem Monat“, sagte Fianna.

„Genau genommen am 16.Juli“, wusste Emily aus dem FF und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.

„Lily, was hast du?“, sah Kiki sie besorgt an.

„Oh nein, mein Vater heiratet an dem Tag“, fiel Emily in diesem Moment ein, dass die Hochzeit und der Festumzug sich vom Termin her überschnitten.

„Und was machst du jetzt?“, fragte Fianna, die ebenfalls leicht schockiert sein zu schien.

„Ich muss mich entscheiden“, seufzte Emily.

„Würdest du zu der Hochzeit deines Vaters gehen, der deine Mutter vor einem Vierteljahr betrogen und euch im Stich gelassen hat?“, knöpfte sich Kiki ihre Freundin vor.

 

„Er ist immer noch mein Vater“, sagte Emily, der anzusehen war, dass sie innerlich hin und her gerissen war.

„Ich würde an deiner Stelle nicht zu seiner Hochzeit gehen“, redete Kiki weiter auf Emily ein und fügte hinzu: „Ich finde es generell komisch, dass er seine neue Freundin nach nur fünf Monaten heiraten will.“

„Papa hat mir letztens erzählt, dass er zwei Jahre heimlich mit Pat zusammen ist und Mama es erst im Februar gemerkt hat“, fuhr Emily fort.

„War erst ab diesem Zeitpunkt die Ehe futsch?“, hakte Fianna nach und bereute diese Frage gleich wieder, da Emily nicht gerne über die Trennung ihrer Eltern sprach.

„Schon vor fünf Jahre lebten meine Eltern einfach nur nebeneinander her und dann stritten sie sich immer“, erzählte Emily und sagte dann: „Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?“

„Na klar, das ist wirklich kein tolles Gesprächsthema“, nickte Kiki verständnisvoll, dessen Eltern schon länger geschieden waren.

„Was haltet ihr davon, wenn wir eine morgen eine kleine Übernachtungsparty bei mir machen? Es können maximal drei Mädchen in meinem Zimmer übernachten“, schlug Fianna vor.

„Cool, ich bin dabei!“, jubelte Kiki.

„Darf ich auch dabei sein?“, schnippte Emily.

„Okay, ihr beide dürft bei mir schlafen und dann noch eine Person“, sagte Fianna.

„Ich weiß, dass Mathilda und Annemieke Samstagmorgen zu ihre Tante fahren“, wandte Kiki ein.

„Aylin wird von ihren Eltern eh keine Erlaubnis bekommen und daher frage ich noch Lotta“, entschied Fianna.

 

Am nächsten Nachmittag heizte Lotta mit den neusten Hits kräftig ein, die aus ihrem Lautsprecher dudelten. Gutgelaunt summten und sangen die Mädchen mit, während sie die letzten Feinarbeiten am Umzugswagen erledigten. Sarah war mittendrin im Getümmel und half mit so gut sie konnte, obwohl die Mädchen ihr ganz genau erklären mussten, was sie machen sollte. Fiannas Vater half den Mädchen mit einer Bohrmaschine das große Schild hinten am Wagen zu befestigen.

„Sieht doch schon mal echt klasse aus!“, machte Annemieke ein Foto mit ihrem Handy.

„Seht mal her, ich habe Glitzersticker mitgebracht!“, raschelte Kiki mit einer kleinen Tüte.

„Warte bitte, bis die Farbe der Schriftzüge getrocknet ist!“, rief Fianna. Aylin, Kiki und Annemieke hatten mit großer Sorgfalt den Namen ihrer Bande und ein paar Wörter auf den Leiterwagen gemalt, die ihre Freundschaft symbolisierten. 

 

„Na, wie weit seid ihr?“, trat Fiannas Mutter aus der Tür.

„Wir werden bald fertig sein“, meinte Lotta.

„Das ist doch toll!“, freute sich diese und sagte: „Ich habe übrigens für euch den Tisch gedeckt und euch Tee und frischen Erdbeerkuchen hingestellt.“

„Oh Mama, du bist die Beste!“, rannte Fianna auf ihre Mutter zu und fiel ihr kurz um den Hals.

„Das ist wirklich sehr gastfreundlich von Ihnen“, sagte Lotta höflich.

„Kommt mit, der Kuchen will nicht länger auf uns warten!“, lief Fianna vorweg in den Garten, wo der Tisch bereits für sie gedeckt war.

„Ich habe so einen Hunger“, warf Sarah einen gierigen Blick auf den Erdbeerkuchen. Keine zehn Minuten später war der Kuchen fast aufgegessen, sodass Fianna von drinnen eine Packung Butterkekse holte.

„Mädels, kann ich kurz eure Aufmerksamkeit haben?“, schnippte Lotta.

„Um was geht es?“, sah Aylin sie an.

 

„Ich habe schon mal das Kostüm entworfen, welches wir beim Umzug tragen werden“, entfaltete Lotta euphorisch eine Skizze von einem Mädchen, welches überwiegend rosa, fliederfarbene und dunkelgraue Kleidung trug.

„Willst du, dass wir wirklich wie irgendwelche Modetussis rum rennen?“, fuhr Mathilda sie empört an. „Ich ziehe mir jedenfalls keinen rosa Faltenrock, kein schulterfreies Zickenshirt und auch keine glitzernden Sandalen an!“

„Dann bleib du doch zuhause oder trag deine eigenen hässlichen und ausgelatschten Jungenklamotten, Mathilda!“, brauste Lotta auf, die ziemlich beleidigt war.

„Lotta, ich finde es cool, dass du dir schon Gedanken über unser Out machst“, begann Kiki. „Ich finde es besser, wenn wir zusammen besprechen, wie unser Kostüm aussehen soll.“

„Das meine ich aber auch“, nickte Mathilda heftig. „Diese Alleingänge finde ich voll egoistisch!“

„Ich finde es besser, wenn wir uns mit diesem Thema befassen, wenn es soweit ist“, wandte Aylin ein. „Wir haben noch ziemlich viel Zeit und wir sollten uns in Ruhe überlegen, welches Motto uns dazu einfällt.“

„Ein Motto ist eine prima Idee, daran können wir uns orientieren“, fand Emily.  

 

Am frühen Abend, als Aylin und die Zwillinge nach Hause gegangen waren, ging Fianna mit ihren Freundinnen zum Supermarkt. Ihre Mutter hatte ihnen erlaubt, dass sie Pizza backen durften und dafür mussten nun die Zutaten eingekauft werden.

„Lasst uns Fertigteig nehmen!“, schlug Lotta vor.

„Der ist aber nicht so lecker wie der Teig, den wir immer selber machen“, sagte Kiki.

„Aber den Teig selbst zu machen dauert echt lange“, meinte Emily und somit entschieden sich die vier Freundinnen für zwei Packungen Fertigteig. Es landeten zudem noch passierte Tomaten, geraspelter Käse, Gemüse, Salami, Thunfisch, Schinken und Mais im Einkaufswagen. Eine Stunde später war die Pizza fertig und die Mädchen setzten sich draußen mit Sarah an den Tisch.

„Eigentlich hab ich noch Lust noch ein bisschen weiter zu arbeiten“, meinte Kiki, die bereits nach dem zweiten Stück Pizza satt war.

 

„Von mir aus gerne, aber eigentlich wollte ich lieber den schönen Sommerabend genießen“, lehnte sich Lotta im Stuhl zurück und streckte ihre langen, schlanken Beine aus.

„Wir können schon mal die Krepp-Rosen am Wagen befestigen“, schlug Fianna vor und fragte ihre Mutter sogleich nach der Heißklebepistole. Nach der Tisch abgeräumt war und Fiannas Mutter ihnen die Heißklebepistole gab, machten sich die Mädchen wieder an die Arbeit.

„Mit den ganzen Rosen sieht der Wagen noch cooler aus! Ich kann es nicht mehr abwarten, bis wir endlich fertig sind“, betrachtete Lotta voller Begeisterung ihr Werk.

„Irgendwie habe ich jetzt keine Lust mehr“, murmelte Emily träge.

„Ich langsam auch nicht mehr. Immerhin arbeiten wir schon seit dem Nachmittag daran“, legte Fianna die Heißklebepistole beiseite.

„Hey, wollt ihr mit mir und Sarah am Gartenofen sitzen?“, kam Tom um die Ecke gerannt. Dies ließen sich die vier Bandenmädchen nicht zweimal sagen.

 

Obwohl die Abenddämmerung erst gerade einsetzte, hatte es schon etwas sehr Behagliches am Feuer zu sitzen und dem Zirpen der Grillen zu lauschen. Emily setzte sich zu Sarah auf die Holzbank, während Fianna, Lotta und Kiki sich zu dritt auf die Hollywoodschaukel setzten. Die Wärme des Tages hielt sich immer noch sehr gut, sodass die Kids sich keine Pullover oder Jacken überziehen mussten. „Kann ich den Damen einen Drink bringen?“, spielte Tom den Kellner.

„Was hätten Sie im Haus, gnädiger Herr?“, erwiderte Kiki übertrieben höflich.

„Was Sie wünschen, meine Dame?“, setzte Tom das Spiel fort, sodass Lotta und Fianna einen Kicheranfall bekamen.

„Für mich eine Cola!“, krähte Sarah ungeniert. Fünf Minuten kam Fiannas Bruder mit einem Tablett wieder, auf dem er sechs Drinks balancierte.

„Vielen Dank, gnädiger Herr!“, bedankte sich Kiki.

„Gewiss, meine werte Dame!“, zwinkerte Tom zurück.

 

Gegen kurz nach zehn waren die Kids so müde, dass sie in ihre Zimmer gingen. Sarah war ein wenig enttäuscht, dass sie nicht mit Fianna und den anderen drei Roten Tulpen in einem Zimmer schlafen durfte, aber Emily las ihr zum Trost noch ein Kapitel aus ihrem Lieblingsbuch vor. Obwohl Fianna ziemlich müde war, richtete sie mit Kiki und Lotta das Schlaflager her und schleppten zwei zusätzliche Matratzen vom Dachboden in ihr Zimmer. Um elf lagen die Mädchen in ihren Pyjamas in ihren Betten. Fianna teilte ihr großes Himmelbett mit Lotta. Kiki und Emily lagen auf den beiden Matratzen.

„Können wir das Licht löschen?“, gähnte Kiki.

„Von mir aus“, knipste Fianna ihre Nachttischlampe aus. Kiki und Emily waren so sehr schnell ruhig. Fianna nahm an, dass sie sehr schnell eingeschlafen waren.

 

Lotta und sie unterhielten sich noch eine Weile im Flüsterton.

„Wie findest du Konrad aus der 10b?“, fragte Lotta. 

„Ich weiß, dass viele Mädels ihn süß finden. Doch mein absoluter Traumjunge ist er nicht.“

„Ich finde ihn nur hamma, aber ein Sechzehnjähriger würde niemals eine Zwölfjährige daten. Ach man, wäre ich nicht schon Vierzehn, da hätte ich eine größere Chance bei ihm zu landen.“

„Ich finde, dass Konrad ein ziemlicher Angeber ist, der den Hype um seine Person genießt. Meinen Cousin Luke aus Irland find ich viel hübscher.“

„Oh mein Gott, du bist in deinen Cousin verknallt?!“ 

„Warum nicht? Das kann halt passieren.“

Als den beiden Mädchen das Thema Jungs zu langweilig wurde, schauten sie sich Fotos auf Lottas Handy an. Gegen kurz vor Mitternacht drehte sich Fianna zur Seite, kuschelte sich in ihre Decke und fiel in einen tiefen Schlaf.

 

 

8. Ein Albtraum mitten in der Nacht

„Fianna, wach auf!“, mitten in der Nacht wurde sie durch ein aufgeregtes Wispern wach. Es war Lotta, die neben ihr ebenfalls aus dem Schlaf hoch geschreckt war und Fianna an der Schulter berührte.

„Hä, warum weckst du mich mitten in der Nacht?“, raunte Fianna leise und knipste die Nachttischlampe an.

„Ich habe von draußen irgendwelche merkwürdigen Geräusche gehört“, fuhr Lotta fort.

„Weißt du woher die Geräusche kamen?“

„Ich denke mal vom Hof oder von der Auffahrt. Ich konnte nicht ganz zuordnen, wodurch die Geräusche verursacht wurden. Aber da muss irgendwer auf eurer Auffahrt sein. Jetzt ohne Scheiß.“

„Könnt ihr nicht leise sein? Ich will schlafen!“, fauchte Kiki, die darüber verärgert war, dass sie geweckt wurde.

„Genau, ich will auch weiterschlafen!“, grummelte Emily in ihr Kissen.

„Glaubt mir, ich habe wirklich Stimmen gehört“, setzte Lotta erneut an.

 „Halt einfach mal deine Schnauze, Lotta!“, schnalzte Kiki mit ihrer Zunge.

 

Mit einem Mal flog die Zimmertür auf und Sarah stand in ihrem geblümten Nachthemd im Zimmer.

„Feuer! Draußen ist Feuer!“, rief sie panisch.

„Jetzt fangt ihr alle an zu spinnen!“, sagte Kiki genervt und drehte sich wieder um.

„Fianna, bitte glaub mir!“, rief Sarah flehend. Fianna kämpfte sich verschlafen aus dem Bett, tappte zum Fenster und ließ die Jalousie hochfahren. Sie traute ihren Augen nicht, als sie unten auf der Auffahrt einen Gegenstand sah, der lichterloh brannte.

„Unser Umzugswagen steht in Flammen!“, schrie sie.

„Ist das dein Ernst, Carrot!“, rief Lotta und schälte sich aus ihrer Decke. Nun standen alle Mädchen am Fenster und beobachteten in Schockstarre, wie die gelborangen Flammen sich über ihr Werk hermachten und eine dunkle Rauchsäule in den Himmel empor stieg.

„Los, wir müssen nach unten!“, brüllte Kiki und trieb ihre Freundinnen vorwärts.

 

Ohne sich anzuziehen, stolperten die fünf Mädchen die Treppe herunter. Unten im Flur rannte Fianna fast in ihren Zwillingsbruder hinein.

„Unser Leiterwagen brennt!“, rief Fianna fast weinend.

„Das habe ich mitbekommen. Ich bin auch von Sarahs Lärm wach geworden“, sagte Tom. „Dad und ich haben gerade drei Personen herumlaufen gesehen.“

„Tom, wo ist Dad?“

„Er ist in den Keller gerannt und sucht den Feuerlöscher.“

„Habt ihr schon die Feuerwehr gerufen?“, funkte Emily aufgeregt dazwischen.

„Das kleine Feuerchen kriegen wir wohl eben selbst gelöscht“, meinte Tom und klang ein wenig überheblich.

„Das ist nicht irgendein kleines Feuerchen! Das ist unser Umzugswagen, der in Flammen steht, du bescheuerter Idiot!“, verlor Fianna ihre Fassung und fing hemmungslos an zu heulen.

„Aus dem Weg!“, kam Fiannas Vater mit dem Feuerlöscher herbei geeilt. 

„Fianna, habt ihr irgendwo einen Wassereimer?“, rief Kiki.

„Auf dem Gäste-WC“, schluchzte Fianna. Kiki und Lotta befüllten die beiden Wassereimer, die sie finden konnten und stürzten nach draußen.

 

Fianna stand regungslos und schluchzend zwei Meter neben dem brennenden Umzugswagen und sah zu, wie Kiki, Lotta, Tom und ihr Vater gegen die hartnäckigen Flammen kämpften. Emily leistete ihr Beistand und legte den Arm um ihre Schulter.

„Habt ihr Sarah gesehen?“, rannte Fiannas Mutter im Schlafanzug auf sie zu.

„Sie ist in den Garten gerannt. Das ist das Letzte, was ich von Sarah gesehen habe“, erwiderte Emily.

„Ihr müsst mir helfen, sie zu suchen!“, sagte Fiannas Mutter eindringlich und lief mit den beiden Mädchen in den Garten. Hier war es so dunkel, dass Emily einmal über eine Baumwurzel stolperte und fast hinfiel. Plötzlich schoss eine kleine rundliche Person an Fianna und ihrer Mutter vorbei.

„Halt Sarah, bleib stehen!“, rief Fianna panisch, die ihre Cousine in der Dunkelheit als erstes erkannte.

„Sarah!“, schrie sie erneut. Es hatte keinen Zweck. Sie musste ihr auf der Stelle folgen und wetzte so schnell los, wie sie nur konnte. Fianna spürte sofort, dass sie auf ihren wackligen Beinen nicht einmal halb so schnell rennen konnte, wie sonst und sie wurde sogar von Emily und ihrer Mutter überholt. Frau O’Hara stieß schnell das Auffahrttor auf und rannte den Bürgersteig entlang, während sich Sarah ihren Weg durch die Buchsbaumhecke bahnte.

„Sarah!“, riefen sie merkstimmig.

 

Plötzlich heulte ein Motor von einem Auto auf und ein gellender Schrei folgte. Fianna sah aus dem Augenwinkel einen sportlich gebauten Wagen davon rasen.

„Sarah liegt auf der Straße!“, rief Emily panisch.

„Wo denn bitteschön?“

„Zweihundert Meter vor uns.“

Zu dritt rannten sie zu der Unfallstelle, wo Sarah immer noch regungslos lag und heftig aus einer Wunde am Hinterkopf blutete.

„Was ist hier los?“, eilten Lotta und Kiki herbei.

„Sarah wurde von einem Auto angefahren“, überschlug sich Emilys Stimme fast.

„Wir müssen Sarah auf der Stelle von der Straße tragen!“, beschloss Fianna.

„Als erstes rufen wir den Krankenwagen und dann die Polizei“, meinte ihre Mutter, die ihre Freundinnen nach einem Mobiltelefon fragte.

 

„Sie können gerne meins haben“, reichte Lotta Fiannas Mutter ihr IPhone. Fiannas Mutter stellte sich ein wenig abseits von den Mädchen zum Telefonieren hin, während Emily sich zu Sarah herunterbeugte und ihre Wunden mit einem Taschentuch betupfte. Fianna rannte durch das Auffahrtstor auf den Hof.

„Dad und Tom, ihr müsst kommen!“, rief sie. „Sarah wurde durch einen Raser umgefahren und verletzt.“

„Ach du meine Güte!“, erwiderte Tom. „Auch das noch! Gerade wo wir endlich das Feuer gelöscht haben.“

„Ich hole kurz eine Decke von drinnen“, sprintete Herr O’Hara kurz ins Haus und kam mit einer Wolldecke wieder. Fiannas Vater hatte die Idee, dass sie Sarah vorsichtig auf die Decke legen und von der Straße tragen konnte.

 

Obwohl der Krankenwagen und die Polizei nur sechs Minuten bis zum Unfallort brauchten, kam es für Fianna wie eine Ewigkeit vor. Zumindest war Sarah nicht in akuter Lebensgefahr. Sie schien nur schwach bei Bewusstsein zu sein, aber immerhin atmete sie noch regelmäßig und ihr Puls war gut spürbar. Fianna, ihre Mutter und ihren Freundinnen fiel ein Steinvorhang vom Herzen, als die Sanitäter ausstiegen und sich professionell um Sarah kümmerten. Rasch wurde die Verletzte in den Krankenwagen gerollt, der mit Blaulicht davon fuhr.

„Sowas Schreckliches habe ich noch nie erlebt!“, traten Lotta Tränen in die Augen.

„Es ist einfach ein Albtraum!“, sagte Kiki kopfschüttelnd. Fianna regte sich kaum und Emily nagte an ihrer Unterlippe. Lotta schlang ihre Arme um ihre Freundinnen, die sich einen Moment lang schweigend umarmten.

 

Fianna und ihre Mutter wurden als Erstes von den beiden Polizisten vernommen und mussten von vorne bis hinten schildern, was passiert war.

„Wie sah der Fluchtwagen aus?“, wollte der Polizist mit dem Dreitagebart wissen.

„Ich glaube, es war ein dunkelblauer Audi“, sagte Emily.

„Wie sah das Kennzeichen aus?“, fragte der zweite Beamte, worauf die Befragten keine Antwort geben konnten.

„Moment mal, können Sie noch einmal kurz zuhören?“, trat Kiki einen Schritt auf die Polizisten zu und überreichte ihnen einen kleinen Kanister mit Benzin.

„Wo hast du den Benzinkanister gefunden?“, fragte der Polizist mit dem Dreitagebart.

„Ich habe ihn in der Nähe von dem brennenden Leiterwagen im Gebüsch gefunden“, trat Lotta auf die beiden Männer zu und deutete in die Richtung der Garage.

„Wir müssen bei Ihnen auf dem Hof noch ein paar Spuren sichern“, sagte der eine Polizeibeamte zu Fiannas Mutter.

 

Fiannas Mutter schickte Fianna und ihre Freundinnen zu Bett. Traurig warfen die vier Roten Tulpen einen Blick auf die verkohlten Überreste ihres Leiterwagens. Oben in Fiannas Zimmer fing Kiki an Rotz und Tränen zu heulen.

„Alle Mühe war umsonst und ich habe mein ganzes Taschengeld für Kreppband, Sticker, Perlen und Federn investiert, damit es in Flammen aufgeht! Jetzt stehen wir ohne Wagen da und wir können den Umzug abblasen!“, weinte sie bitterlich und bebte am ganzen Körper. Fianna und Emily nahmen ihre Freundin fest in den Arm, während Lotta ihr ein Taschentuch reichte.

„Komm Kiki, wir setzen uns einmal hin!“, redete Emily beruhigend auf sie ein. Zu viert setzten sie sich auf das Himmelbett. Lotta, Emily und Fianna versuchten alles um ihre Bandenanführerin wieder zu beruhigen, dennoch ohne Erfolg.

 

Die Tränen und die immer wieder aufflammenden Weinkrämpfe ließen Kiki nicht zur Ruhe kommen, sodass sie kein deutliches Wort über die Lippen brachte.

„Wenn ich ehrlich bin, ist der Umzugswagen zweitrangig, Sarahs Verletzung ist viel schlimmer“, war Fianna der Meinung, worauf Lotta stumm nickte.

„Oh ja, das auch noch!“, schniefte Kiki.

„Wollt ihr ein paar Gummibärchen?“, holte Fianna eine Tüte Naschkram aus ihrer Nachttischschubblade.

„Nein danke!“, lehnten Emily und Kiki ab.

„Ach, gib mal her!“, nahm Lotta die Tüte entgegen.

„Ich frag mich, wer sowas Perverses tut!“, war Emily immer noch fassungslos und spielte mit ihren Haaren.

„Ich weiß es auch nicht“, weinte Kiki.

„Jetzt beruhig dich doch mal!“, legte ihr Lotta die Hand auf den Rücken.

„Wir haben es drei Uhr und ich finde, wir sollten nach der Aufregung noch ein paar Stunden schlafen“, sagte Emily, worauf die Mädchen wieder in ihre Betten gingen und Fianna das Licht löschte.

 

Etwas gerädert wachten die vier Mädchen am nächsten Morgen um zehn Uhr auf.

„Hoffentlich war es nur ein Albtraum!“, setzte sich Fianna im Bett aufrecht hin.

„Nein, das ist die bittere Realität“, sagte Lotta.

„Wir müssen unsere Freundinnen informieren“, fiel es Kiki ein. „Einer von euch ruft Aylin an und jemand anderes versucht die Zwillinge zu erreichen!“

„Ruf Micky an, denn Matti würde garantiert einen richtigen Ausraster kriegen!“, riet ihr Lotta.

„Okay, ich wähle gerade schon Mickys Nummer“, zückte Emily ihr Handy und ging aus dem Zimmer. Fianna rief währenddessen Aylin an.

„Hi, was gibt es?“, meldete sich ihre beste Freundin.

„Hey, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll“, musste Fianna erstmal ihre Gedanken ordnen. 

„Lass dir Zeit und erzähle es in Ruhe!“, sagte Aylin in einem ruhigen Ton.

 

„Nachts wurde ich auf einmal durch Lotta geweckt, die von draußen Geräusche hörte und dann kam Sarah aufgeregt zur Tür rein…“, begann Fianna.

Als sie stockte und den Faden verlor, nahm ihr Lotta das Mobiltelefon aus der Hand. Nun kam auch Emily wieder zur Tür herein und ließ sich auf dem Bett nieder.

„Und wie hat Annemieke reagiert?“, fragte Kiki neugierig.

„Sie war total schockiert und ihre Stimme fing an zu zittern wie Espenlaub, sodass ich dachte, dass sie anfing zu weinen“, erwiderte Emily.

„Das ist auch nur zum Heulen!“, klang Kiki immer noch bedrückt und stopfte frustriert ihr Nachthemd in ihre selbstgestrickte Umhängetasche.

„Und was sagt Aylin?“, wollte Fianna wissen, als Lotta das Telefonat beendete.

„Sie war genauso schockiert wie wir alle“, antwortete Lotta knapp.

„Ich würde nur zu gerne wissen, wie es Sarah geht“, richtete sich Emily auf. „Hoffentlich hat sie sich nicht all zu schlimm verletzt!“

„Ich frage eben Mama“, schwang sich Fianna aus ihrem Bett und lief aus ihrem Zimmer.

 

 

 

9. Ein Geständnis und eine Überraschung

Sarah ging es verhältnismäßig gut, obwohl sie noch ein paar Tage vorsorglich im Krankenhaus bleiben musste. Bei dem Unfall zog sie sich einen zweifachen Rippenbruch, eine Lungenquetschung, einen Bruch des rechten Handgelenks und ein Schädelhirntrauma zu.

„Sarah hätte wegen diesem rasenden Idioten sterben können!“, war Lotta stinksauer.

„Sie hat wahrlich einen Schutzengel dabei gehabt“, nickte Fiannas Mutter, die den Mädchen zum Frühstück einen Korb Brötchen, ein paar Joghurts und eine Schüssel mit Obst auf den Tisch gestellt hatte.

„Ich habe immer noch keinen Hunger“, seufzte Kiki und legte ihr Brötchen mit Frischkäse beiseite, nachdem sie zweimal abgebissen hatte.

„Du nimmst dir das aber sehr zu Herzen!“, meinte Fianna und streichelte ihr über den Rücken.

 

„Kopf hoch! Ihr werdet schon eine Möglichkeit finden, wie ihr am Umzug teilnehmen könnt. Ihr könnt mal im Bekanntenkreis fragen, wer einen Bollerwagen hat“, versuchte Fiannas Mutter die Mädchen aufzuheitern. 

„Ich habe mal eine Frage“, zeigte Lotta auf.

„Lotta, du brauchst dich nicht melden, wir sind doch nicht in der Schule“, giggelte Emily.

„Warum ist Sarah plötzlich auf die Straße gerannt?“, fuhr Lotta fort.

„Ich meine Sarah hat die Personen verfolgt, die auf der Auffahrt entlang schlichen und sich erstmal in unserem Garten versteckt haben. Dann müssten die Personen über den Zaun geklettert sein“, wandte Fiannas Mutter ein.

„Ich wusste gar nicht, dass Sarah die Brandstifter beschattet hat“, war Lotta ganz beeindruckt.

 

„Andererseits kann ich mir sonst nicht erklären, wieso sie plötzlich losgerannt ist“, wandte Emily ein.

„Mädels, wir müssen uns morgen unbedingt im Wohnwagen treffen!“, meldete sich Kiki zu Wort, nachdem sie ihren Tee ausgetrunken hatte.

„Ich bin dabei!“, schnippte Lotta.

„Morgen hat Rachel Geburtstag und daher kann ich leider nicht kommen. Sie veranstaltet ein großes Kaffeetrinken“, sagte Emily.

„Mir ist gerade etwas eingefallen!“, sprang Fianna wie von der Tarantel gestochen auf, die einen Geistesblitz hatte. Die anderen drei Mädchen sahen sie erwartungsvoll an.

„Vielleicht hat Rachel noch einen Bollerwagen oder sowas in der Art“, fuhr Fianna fort.

„Frag sie unbedingt, Emily!“, meinte Kiki.

„Versuchen kann ich es, aber jetzt ich euch noch nichts versprechen", erwiderte diese.

 

Nachdem Fiannas Freundinnen gegangen waren, arbeiteten Fianna und ihre Mutter noch ein bisschen im Garten und bereiteten anschließend das Mittagessen zu. Unerwartet klingelte es an der Haustür.

„Ich mach schon auf!“, lief Fianna los. Auf dem Podest stand Frau Bischof, die Nachbarin von nebenan.

„Guten Tag, Fianna!“, gab sie ihr die Hand. „Darf ich kurz bei euch reinkommen?“

„Guten Tag, wollen Sie mit meinen Eltern sprechen?“, fragte Fianna erstaunt.

„Ich muss euch etwas beichten“, fuhr die Nachbarin fort und ihr war anzusehen, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte.

„Kommen Sie ruhig rein! Ich könnte Ihnen einen Kaffee anbieten“, kam nun auch Fiannas Mutter zur Tür. Die beiden Frauen setzten sich in der Küche an den Esstisch.

„Fianna, setz dich ruhig dazu! Es geht auch dich etwas an“, bat Frau Bischof, als sich Fianna gerade auf der Türschwelle umdrehte. Fianna goss sich ein Glas Himbeerbrause ein und setzte sich neben ihre Mutter.

 

„Ich möchte Ihnen sagen, dass mein Sohn Robin bei der nächtlichen Aktion dabei war. Er war mit zwei älteren Kumpels unterwegs, von denen einer bereits den Führerschein und ein eigenes Auto hatte“, erzählte Frau Bischof und stockte kurz. Fianna und ihre Mutter sahen die Nachbarin erwartungsvoll an.

„Es tut mir so leid, dass die Jungs so viel Mist gebaut haben“, stiegen der Frau Tränen in die Augen und fast weinend fuhr sie fort: „Mein Sohn und seine Freunde steckten aus Jux den Leiterwagen Ihrer Tochter in Brand und auf der Flucht haben die Jungs in unserer Straße ein Mädchen angefahren. In der Innenstadt wurden die drei Jungs von der Polizei geschnappt, als sie dort noch einen Unfall bauten und drei weitere Fahrzeuge beschädigten. Bei dem Fahrer wurden 1,5 Promille im Blut festgestellt. Die Nacht haben die drei Jungs in der Ausnüchterungszelle verbracht.“

 

„Das Mädchen, das sie angefahren haben, ist die Tochter von meiner Cousine, die für zwei Wochen bei uns zu Besuch ist. Ihr geht es den Umständen entsprechend, aber sie ist nicht lebensgefährlich verletzt“, sagte Frau O’Hara.

„Ich bin froh, dass sie nicht in Lebensgefahr schwebt oder ums Leben gekommen ist“, hauchte Frau Bischof und brach in Tränen aus.

„Sie brauchen nicht weinen“, reichte Fiannas Mutter der Nachbarin ein Taschentuch.

„Robin ist fast 17 und er hat sich in den letzten Jahren so stark verändert. Seitdem er die falschen Freunde hat, ist er ständig auf dem Zwutsch, zockt extrem viel, trinkt und raucht regelmäßig. Vor anderthalb Jahren ist er wegen schlechter Noten vom Gymnasium auf die Realschule gewechselt. Mein Mann und ich machen uns Sorgen wegen ihm und denken daran, ihn auf ein Internat zu schicken“, fuhr Frau Bischof mit belegter Stimme fort und wischte sich über die Augen.

„Ich finde es sehr aufrichtig, dass Sie keine Tatsachen verschweigen und zu uns gekommen sind“, meinte Fiannas Mutter.

 

„Haben Sie den Vorfall bereits bei der Polizei angezeigt?“, wollte die Nachbarin wissen, die sich nach einem Schluck Kaffee wieder etwas beruhigt hatte.

„Das hat mein Mann schon gemacht“, nickte Fiannas Mutter und fuhr fort: „Ich würde es begrüßen, wenn Ihr Sohn und seine Freunde gegenüber der Polizei gestehen, dass sie den Leiterwagen in Brand gesetzt haben.“

„Ich werde alles daran setzen, dass die Jungs das tun und notfalls gehe ich selbst noch mal zur Polizei“, sagte Frau Bischof und holte ihr Portemonnaie raus.

„Das ist für dich!“, drückte sie Fianna ein paar Geldscheine in die Hand. „Wir streichen Robin für drei Monate sein Taschengeld und stattdessen ist das Geld für dich und deine Freundinnen bestimmt.“

Kurz darauf stand Frau Bischof auf und ging zur Haustür hinaus und verabschiedete sich von Fianna und Frau O’Hara. Fianna zählte das Geld nach, welches sie von der Nachbarin bekommen hatte.

„Was machst du mit dem Geld?“, fragte ihre Mutter.

„Ich werde es meiner Bande zur Verfügung stellen, ein Geschenk für Sarah kaufen und dann kriegt Kiki noch 20 €, da sie fast ihr ganzes Taschengeld für Dekoration und Bastelartikel ausgegeben hat“, erwiderte Fianna.

 

„Hat eine von euch eine Idee, wie es weitergehen könnte?“, sah Mathilda am nächsten Nachmittag im Bandenquartier ihre Freundinnen erwartungsvoll an.

„Nein, wir haben keinen Bollerwagen oder sowas in der Art“, schüttelte Lotta den Kopf.

„Wir haben auch einen Bollerwagen, aber der ist halb schrott“, wandte Mathilda ein.

„Wollen wir nicht abwarten, was Emily sagt. Sie hat doch gesagt, dass sie Rachel und Annika fragen will, ob sie eine Alternative für uns haben“, schlug Fianna vor.

„Aber Emily kommt heute nicht“, sagte Lotta.

„Vielleicht kann sie uns anrufen“, sah Kiki sie an.

„Immer dieses blöde Abwarten!“, nörgelte Lotta.

„Aber da können wir nichts machen“, meinte Kiki. „Emily sagte sogar, dass sie uns anruft und wir nicht bei ihr durchklingeln sollen.“

„Dass Kaffeetrinken bei Erwachsenengeburtstagen so lange dauern müssen!“, stöhnte Mathilda.

 

„Wenn wir nicht mehr wissen, dann können wir uns auch über ein anderes Thema unterhalten“, schaltete sich Annemieke ein und fragte: „Wie geht es Sarah inzwischen und habt ihr sie im Krankenhaus besucht, Fianna?“

„Ja, wir waren gestern Nachmittag bei ihr im Krankenhaus“, nickte Fianna. „Sie war bei Bewusstsein, aber sie war noch ziemlich mitgenommen vom Unfall. Wenigstens hat sie sich über die Blumen, die Pralinen und die neuen Hörspiele gefreut.“

„Immerhin ist sie bei dem Unfall nicht schwerer verletzt worden“, meinte Aylin.

„Ich kann immer noch nicht verstehen, wie Personen so miese Arschlöcher sein können, die erstens unseren Leiterwagen abfackeln und zweitens Sarah über den Haufen fahren“, brauste Mathilda auf.

 

„Es gibt Menschen, die sind einfach so hundsgemein“, seufzte ihre Zwillingsschwester.

„Ich verstehe immer noch nicht, dass der Junge von nebenan uns so übel mitgespielt hat“, murmelte Fianna. „Wenigstens hat dieser Robin eine aufrichtige Mutter, die sich gestern bei mir entschuldigt hat. Sie hat das Taschengeld, das eigentlich ihrem Sohn zusteht mir gegeben.“

 Fianna zückte ihr Portemonnaie und legte das Geld von Frau Bischof auf den Tisch.

„Wow, das ist ein kleines Vermögen“, zählte Kiki die Geldscheine.

„Dir stehen auch noch 20 € zu, Kiki“, wandte sich Fianna an die Bandenanführerin und hielt ihr einen Zwanziger hin. „Immerhin hast du dein ganzes Taschengeld für die Gestaltung des Leiterwagens ausgegeben.“

„Ne danke, bitte tu das ganze Geld in die Bandenkasse. Wir werden das Geld brauchen, falls wir doch einen Bollerwagen kaufen müssen“, lehnte Kiki ab.

 

Gerade als im Wohnwagen den Mädchen kurz die Gesprächsthemen ausgingen, klingelte Lottas Handy.

„Nicht schon wieder meine Eltern!“, stöhnte Lotta und ging zum Telefonieren nach draußen. Es dauerte über zehn Minuten, bis sie wieder kam.

„Es war Emily“, verkündete Lotta freudestrahlend. „Sie hat eine Überraschung für uns und wir sollen sofort zu Rachels Hof kommen!“

„Jetzt? Um diese Uhrzeit?“, entgleisten Aylin die Gesichtszüge. „Ich muss in spätestens in einer Stunde zuhause sein."

„Wieso? Wir haben es doch gerade mal viertel vor sechs“, sagte Mathilda und ein spöttischer Unterton schwang beiläufig mit.

„Kommt, der Hof ist doch nur anderthalb Kilometer entfernt!“, klatschte Kiki in die Hände.

„Wenn das eine Überraschung sein soll, dann wollen wir nicht länger warten!“, begannen die Augen der Zwillinge zu glänzen und beide sprangen zeitgleich auf, als wollten sie sich ein Wettrennen liefern.

 

„Ich werde schneller als du sein, Micky!“, rief Mathilda als sie die Wohnwagentür aufriss. Annemieke schaffte es sich elegant an ihrem Zwilling vorbei zu mogeln, aber rutschte auf der letzten Stufe von der Wohnwagentreppe aus und fiel mit dem Gesicht voran ins Gras. Mathilda, die nicht mit Sturz ihrer Schwester rechnete, stolperte über sie und legte sich ebenfalls hin.

„Da seid ihr beiden wohl über euer eigenes Leben gestolpert, da ihr ein bisschen zu flott für eure eigenen Beine unterwegs ward!“, spottete Lotta.

„Frag uns lieber, ob bei uns alles okay ist!“, blaffte Mathilda sie an, als sie und Annemieke sich aufrappelten.

„Och nö, jetzt habe ich Grasflecken auf meiner neuen Hose“, jammerte Annemieke, die ihre weiße Hose mit den roten Tulpen betrachtete.

„Das geht alles in der Waschmaschine wieder raus“, klopfte ihr Emily aufmunternd auf die Schulter.

 

Keine Viertelstunde später durchquerten sie zu sechst das guseiserne Tor des Reiterhofes und stellten ihre Fahrräder neben der alten steinernen Mauer unter den beiden alten Eichenbäumen ab.

„Hey, da seid ihr ja!“, rannte Emily übermütig über den Hof und sprang ihren Freundinnen beinahe schon in die Arme. Sie führte die Mädchen in den großen Garten hinter Rachels Haus. Dort waren zwei große Kaffeetafeln aufgebaut, an denen noch einige der Gäste saßen, darunter auch Emilys Mutter.

„Hallo Tulpen-Girls, schön dass ihr doch noch gekommen seid! Für euch wäre auch noch Kuchen da“, freute sich Rachel und lief der Mädchenbande entgegen.

„Herzlichen Glückwunsch, Rachel!“, gratulierte Annemieke, die als Einzige nicht vergessen hatte, dass ihre Reitlehrerin heute Geburtstag hatte.

„Danke Annemieke!“, strahlte Rachel und nun gratulierten ihr auch die anderen Mädchen.

„Astrid komm mal her!“, winkte Rachel eine junge stämmige Frau mit Brille und kurzem blonden Pferdeschwanz zu sich. „Das sind ein paar Reitschülerinnen von mir und diese Mädchen sind eine Bande, sich die „Roten Tulpen“ nennen. Ich habe dir vorhin auf der Kutschfahrt von ihnen erzählt.“

 

Nun begann sich die junge Frau den Bandenmädchen vorzustellen: „Hallo, ich heiße Astrid. Ich bin ebenfalls eine Nichte von Manfred und Rachel und bin 20 Jahre alt. Ich habe mich vorhin schon lange mit Emily unterhalten und ich weiß, was euer Problem ist. Emily, Rachel und ich haben uns gerade beraten und wir haben eine großartige Idee.“

„Dann lasst uns nicht länger zappeln!“, wurde Kiki hibbelig, die sich bei Aylin und Fianna einhängte. Rachel und Astrid führten die neugierigen Mädchen durch den mit Rosen bewachsenen Torbogen aus dem Garten heraus über den Hof und sie steuerte auf einen großen Schuppen neben der Scheune zu.

„Tada! Hier habe ich das Prunkstück für euch“, öffnete Rachel die knarrende Tür. Drinnen war es staubig und ein weiß gestrichener Planwagen kam zum Vorschein. Vor Staunen blieb den Mädchen erstmal der Mund offen stehen.

„Wow, sieht der aber toll aus!“, fand Lotta als Erste ihre Sprache wieder.

„Allerdings müsste der noch verziert werden“, hatte Fianna einzuwenden.

„Ihr könnt ihn gerne mit Blumen und Schildern verzieren, aber ich verbiete euch ihn anzustreichen“, erwiderte ihre Reitlehrerin, worauf die Mädchen nur nickten und mit ihrer Entscheidung einverstanden waren.

 

„Oh Rachel, du bist einfach nur die Beste!“, rief Kiki und fiel ihr stürmisch um den Hals. Nach und nach wurde die fröhliche und sympathische Reitlehrerin von der ganzen Mädchenbande umarmt.

„Womit habe ich das nur verdient?“, lachte sie kurz auf.

„Du hast unsere Teilnahme am Umzug gerettet“, sah Mathilda Rachel dankbar an. 

„Was haltet ihr davon, wenn wir nächsten Freitag nach euerer Reitstunde zusammen den Planwagen schmücken?“, schlug Astrid vor. „Ich werde auch da sein und ich hätte auch schon das passende Pferd.“

„Dann lass mal sehen!“, leuchteten Fiannas Augen.

„Kommt mit!“, forderte Astrid die Roten Tulpen auf.

„Der Tag bringt viele tolle Überraschungen mit sich“, lächelte Annemieke und hängte sich bei Emily ein.

 

Astrid führte die schwatzende Mädchenbande zu einer Koppel neben dem Reitplatz.

„Das ist er!“, zeigte die junge Frau auf einen grauweißen Apfelschimmel.

„Wie heißt er?“, wollte Kiki wissen.

„Leopold – Er ist schon 24 Jahre alt und ich bin ihn schon als kleines Kind geritten und er hat schon an mehreren Umzügen teilgenommen“, erzählte Astrid und lockte den Apfelschimmel mit einer Möhre zum Zaun. Begeistert streichelten die Mädchen ihn, als er zum Zaun kam.

„Er ist so ein Süßer!“, schwärmte Aylin.

„Ja, er ist ein ganz Lieber“, nickte Astrid.

„Ich freue mich schon auf den Umzug“, hüpfte Kiki vor Freude auf und ab.

„Ich weiß immer noch nicht, wie euch danken soll“, war Annemieke plötzlich ganz gerührt und Fianna meinte Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen.

„Jetzt werde mal nicht zu sedimental, Schwestermaus!“, gab ihr Mathilda einen leichten Stups.

„Astrid, wirst du den Planwagen lenken?“, fragte Lotta.

 

„Ja, das werde ich“, nickte die junge Frau. „Annika, Rachel und ich haben uns darauf geeinigt, dass ich euch kutschieren werde, da Annika selbst mit ihrer Reitgarde am Umzug teilnimmt.“

Die Bandenmädchen explodierten beinahe vor Freude. Sie mochten Astrid auf den ersten Blick.

„Ich hätte eine Idee!“, schnippte Lotta. „Könnten wir Leopold nicht als Einhorn verkleiden?“

„Au ja, das ist voll die tolle Idee!“, nickte Aylin begeistert.

„Hört sich schon mal gut an“, nickte Astrid. „Das kriegen wir sicherlich hin. Ich werde mich die nächsten Tage mal im Internet umschauen, was man dort für eine Einhornverkleidung für ein Pferd findet.“

„Wollt ihr noch ein Stück Kuchen, Mädels? Es sind noch Kirschtorte und Mohnkuchen da“, fragte Rachel, die zu der Gruppe gestoßen war. Das ließen sich die Roten Tulpen nicht zweimal sagen und nahmen im großen Garten an einer Tafel platz, wo inzwischen einige Plätze freigeworden waren, da einige Gäste schon gegangen waren. 

„Emily, wir fahren jetzt nach Hause!“, näherte sich Emilys Mutter den Mädchen.

„Manno, wir haben uns erst gerade hier hingesetzt“, meckerte Emily.

„Ok, ess eben deinen Kuchen und in zehn Minuten fahren wir wirklich heim“, meinte ihre Mutter.

 

 

 

10. Eine Party für Sarah

Die Wochen vor den Sommerferien vergingen wie im Flug. Die Mädchen steckten mitten in den Vorbereitungen für den Umzug und gleichzeitig durfte die Schule nicht hinten runter fallen, da noch einige entscheidende Klassenarbeiten geschrieben wurden. Dies bedeutete, dass es nicht all zu viel freie Zeit gab. Immerhin brachten alle Bandenmädchen die sechste Klasse gut hinter sich. Selbst Emily und Aylin schafften die Versetzung problemlos, indem sie für die Klassenarbeiten zusammen mit ihren Freundinnen büffelten. Inzwischen ging es auch Sarah und ihrer Mutter wieder viel besser, sodass sie normal ihrem Leben nachgehen konnten. Zehn Tage vor den Beginn der großen Ferien brachte Fianna eine Postkarte von Sarah mit in die Schule, den eindeutig Sarahs Mutter geschrieben hatte.

 „Liebe Fianna, Ich danke euch für die schöne Zeit bei euch. Mir hat es bei dir und deiner Familie sehr gut gefallen, auch wenn mir der schreckliche Unfall hätte erspart bleiben können. Ich habe große Lust dich und deine tollen Freundinnen wieder zu sehen. Ich werde dich Samstag besuchen kommen und das genau an meinem Geburtstag. Ich freue mich schon auf dich, deine Sarah!“, las Fianna die Karte in der großen Pause ihren Freundinnen vor. 

 

„Es ist mega cool wieder etwas von ihr zu hören!“, freute sich Aylin.

„Ich habe eine Idee!“, schnippte Emily mit den Fingern.

„Und zwar?“, horchten die Zwillinge synchron auf. 

„Wir könnten für Sarah eine Party im Wohnwagen organisieren“, schlug Emily vor.

„Das ist eine tolle Idee!“, war Annemieke begeistert. „Ich will sie auch gerne wieder sehen.“

„Sarah kann ziemlich nerven, aber irgendwie finde ich sie ziemlich niedlich“, war ihre Schwester der Meinung.

 

„Oh ja, aber sie ist andererseits einfach nur knuffig und ein Herzchen auf zwei Beinen“, nickte Kiki.

„Wie alt wird Sarah?“, wollte Lotta wissen.

„Fünfzehn“, antwortete Fianna.

„Was? Schon so alt?“, machte ihre Freundin große Augen. „Ich dachte sie wäre erst zehn oder elf.“

„Das liegt an ihrer Behinderung, dass sie so jung wirkt“, erklärte ihr Emily.

„Was können wir mit Sarah machen, wenn sie Geburtstag hat?“, überlegte Aylin laut.

„Ich würde sagen, wir machen eine Wohnwagenfete“, sagte Kiki spontan.

„Unsere Wohnwagenfeten sind immer klasse!“, fand Mathilda. „Aber da müssen wir noch organisieren, wer was mitbringt und was wir machen.“

„Aber das dürfte kein Problem sein“, meinte Fianna. „Bei unseren Bandentreffen haben wir auch allerlei Limonaden, Kuchen, Knabberzeug und Süßkram da.“

„Viel wichtiger ist ein Geschenk“, wandte Lotta ein.

 

„Da hätte ich schon eine Idee!“, schnippte Emily mit den Fingern. „Rachel bietet seit ein paar Monaten Erlebnisnachmittage auf ihrem Reiterhof an. Das wäre perfekt für Sarah, da sie Pferde doch so liebt. Soweit ich weiß sind in dem Paket eine Reitstunde mit maximal einer Begleitperson, ein anschließender kleiner Ausritt um die Felder, Kakao und Kuchen und ein Bilderrahmen mit einem Erinnerungsfoto enthalten. Ich meine die Kosten liegen bei ca. 60€.“

„Für eine Einzelperson wäre das definitiv zu teuer“, hatte Aylin einzuwenden.

„Ach was, das Geschenk würde von uns allen kommen und einen Teil des Geldes, auch wenn es nur 10€ wären, könnten aus der Bandenkasse nehmen“, fuhr Emily fort, worauf die anderen Mädchen nichts einzuwenden hatten.

              

Sarah und ihre Mutter standen am Samstag pünktlich um halb drei bei den O’Haras vor der Haustür. Sarah hatte sich an ihrem Geburtstag besonders schick gemacht und trug ein hellgrünes geblümtes Sommerkleid und eine Kette mit einem goldenen Herzanhänger. Sie jubelte, als sie Fianna im Flur entdeckte und stürzte auf sie zu.

„Renn mich bloß nicht um!“, lachte Fianna und gratulierte ihr herzlich. Sarah war außer dem Gips am Handgelenk nichts mehr vom schlimmen Unfall anzumerken.

„Kommt einmal mit in den Garten, der Tisch ist schon gedeckt!“, führte Fiannas Mutter die beiden Gäste durch die Küche auf die Terrasse. Es wurde der weltbeste Kirschkuchen mit Schlagsahne aufgetischt. Fianna musste sich sehr zusammenreißen, nur ein Stück zu essen, da es nachher im Wohnwagen noch mehr Kuchen geben würde.

„Fahren wir gleich endlich zum Wohnwagen?“, bettelte Sarah, die nicht mehr länger warten konnte.

 

Fianna hatte ihrer Cousine vorgestern am Telefon versprochen, dass es noch eine Überraschung im Wohnwagen geben würde. Genau genommen hatten die Bandenmädchen noch eine zweite Überraschung in petto, die durfte Sarah erst später erfahren. Allerdings hatte Fianna schon ihre Mutter und die Mutter von Sarah schon eingeweiht.

„Fahren wir gleich los?“, fragte Sarah erneut.

„Lass mich eben meinen Kaffee austrinken und dann fahren wir los“, meinte Fiannas Mutter. Fianna stand zügig auf und verschwand in ihrem Zimmer. Sie zog sich ein hellgrünes Sommerkleid an und band sich einen Gürtel aus mehreren Kunststoffblümchen um die Taille.

„Nanu, wozu soll das gut sein?“, wunderte sich ihre Mutter, als Fianna wieder kam.

 

„Wirst du gleich sehen!“, gab Fianna nicht viel preis. Da Sarah nicht länger warten konnte, fuhr Fiannas Mutter den Wagen aus der Garage und die beiden Mädchen stiegen ein. Fianna wurde leicht hibbelig und konnte nicht mehr warten, Sarah endlich die Überraschungen zu zeigen.

„Werde ich auch die Kaninchen sehen?“, drehte sich Sarah zu Fianna hin.

„Na klar, die sind doch immer da. Wir können sie später mal aus dem Stall holen“, nickte sie, worauf ihre Cousine vor Freude mit den Füßen tippelte.

„Sarah, geht’s ein bisschen ruhiger?“, ermahnte Fiannas Mutter sie.

„Hey Mama, mach mal das Lied lauter!“, bat Fianna, als sie ihren Lieblingssong von Justin Timberlake im Radio hörte. Fianna begann zu dem Song mitzusingen, während ihre Mutter ihren Kopf im Takt bewegte, was bei den beiden Mädchen einen Kicheranfall auslöste.

 

Gut gelaunt kamen sie an der Schrebergartenanlage an und Fiannas Mutter begleitete ihre Tochter und Sarah noch mit zum Schrebergarten der Roten Tulpen.

„Ich würde gerne sehen, wie es in eurem Bandenquartier aussieht“, war sie gespannt.

„Hallo Sarah!“, kamen die anderen sechs Bandenmädchen zum Schrebergartentor gelaufen. Sie umarmten Sarah stürmisch und wünschte ihr alles Gute zum Geburtstag.

„Hallo Fianna und Hallo Frau O’Hara“, rief Kiki.

„Nanu, seid ihr heute alle im Partnerlook unterwegs?“, fiel Fiannas Mutter als Erste auf, dass die Roten Tulpen fast gleich gekleidet waren.

 

„Ja, das wird unser Outfit für den Umzug sein“, erwiderte Kiki stolz, die ein hellgrünes Kleid mit indianischen Musterungen trug. Die Zwillinge hatten ebenfalls ein hellgrünes Kleid an, das mit weißen und roten Tulpen bedruckt war. Das smaragdgrüne Kleid von Lotta konnte fast als Ballkleid durchgehen. Um es ein bisschen aufzupimpen, hatte sie eine rote Rose aus Tyll an ihrem grünlich schimmernden Kleid festgesteckt. Aylin trug ein grünes Top mit Glitzerpailetten und einen geblümten Faltenrock. Emilys Outfit wirkte ein bisschen zigeunerhaft: zu einem grünen halblangen Zigeunerrock trug sie ein ebenfalls grünes Top mit einer interessanten Musterung.

„Ihr seht aber schick aus!“, machte Fiannas Mutter den Mädchen ein Kompliment.

„Hey, ich habe noch etwas! Kiki, Emily und ich haben vorgestern noch etwas eingekauft!“, lief Lotta in den Wohnwagen und kam mit zwei Tüten zurück.

 

Kiki nahm ihr die kleinere der beiden Tüten ab und begann bunte Blumenkränze zu verteilen, die sich die Mädchen auf den Kopf setzten. Lotta gab jedem Mädchen eine schwarze Strickjacke.

„Wozu braucht ihr noch Strickjacken?“, fragte Fiannas Mutter erstaunt.

„Wir wollten ein Jäckchen zum Überziehen haben, falls es am Tag des Umzuges nicht so warm ist, damit wir uns keine Erkältung holen“, meinte Emily.

„Sarah, hier ist ein Blumenkranz für dich!“, ging Kiki auf Fiannas Cousine zu, setzte ihr den Reif auf den Kopf und überreichte ihr eine schwarze Strickjacke.

„Wir haben uns eine Überraschung überlegt und zwar, dass du mit uns zusammen am Umzug teilnimmst“, fuhr Annemieke fort. Sarah fing hüpfte wie ein junges Kaninchen auf dem Rasen herum und quietschte vor Freude.

 

„Wir werden sogar eine Kutsche haben, die von einem weißen Pferd gezogen“, erzählte Aylin mit leuchtenden Augen, worauf sich Sarah noch mehr freute und fast in das Erdbeerbeet gesprungen wäre, wenn Mathilda sie nicht rechtzeitig am Arm festgehalten hätte.

„Können Sie noch ein Foto von uns allen machen?“, bat Kiki Fiannas Mutter und drückte ihr das Handy in die Hand.

„Gerne – Stellt euch einmal vor dem Wohnwagen auf. Emily, Mathilda, Lotta und Annemieke ihr stellt euch normal hin und legt euch die Arme um die Schultern. Kiki, Sarah, Fianna und Aylin, ihr kniet euch vor euren Freundinnen hin und nehmt euch ebenfalls in den Arm. Wenn ihr soweit seit, dann bitte einmal lächeln!“, nahm Fiannas Mutter das Zepter in die Hand und machte mehrere Fotos, die sich die Mädchen sich mit großer Neugierde anschauten.

„Irgendwie gucke ich da schief“, hatte Kiki an dem ersten Bild auszusetzen.

„Oh nein, da hängen mir meine Locken ins Gesicht“, war Mathilda mit dem nächsten Foto nicht zufrieden. Das dritte Foto gefiel wiederum allen Mädchen.

„Sie fotografieren sehr gut!“, lobte Lotta Fiannas Mutter. Lottas Mutter war von Beruf Fotografin und war letztens in der Schule, um ein Klassenfoto von ihrer Klasse zu machen.

 

Fiannas Mutter ließ die Mädchen einen Moment später alleine, nachdem sie sich kurz den Wohnwagen angeschaut hatte und kündigte an, dass sie Fianna und Sarah gegen sieben Uhr abholen wollte.

„Komm mit! Jetzt sind die Geschenke an der Reihe“, hakte Kiki Sarah bei sich unter und ging mit ihr in den Wohnwagen. Dort hatten die Bandenmädchen den großen Tisch feierlich gedeckt und eine große Blumenvase mit Sommerblumen darauf platziert. Sarah war sprachlos, als Kiki ihre selbstgebackene Geburtstagstorte anschnitt und Sarah das erste Stück auflud.

„Habt ihr noch mehr Geschenke?“, fragte Sarah nach einer Weile, nachdem sie zwei Stück Kuchen in Rekordzeit verputzt hatte.

„Warte es doch mal ab!“, zwinkerte ihr Mathilda zu, die zusammen mit ihrer Schwester, Emily und Kiki im Nebenzimmer verschwand.

„Was haben die vor?“, war Sarah irritiert.

„Das wirst du gleich sehen!“, wollte Lotta nichts Näheres verraten. Die Tür zum Schlafzimmer flog auf.

„Überraschung!“, riefen Kiki, Emily und die Zwillinge vierstimmig und Lotta blies in eine goldene Papier-Tröte.

 

„Geschenk Nummer Eins: Hier in diesem Paket sind viele alte Hörspiele von den fünf Freunden und Hanni&Nanni enthalten, die ich früher gerne gehört habe“, trat Kiki zwischen den Zwillingen hervor. 

„Geschenk Nummer Zwei: Wir wissen, dass du Gummibärchen über Alles liebst“, drückte Mathilda Sarah eine große Packung Haribo in die Hand.

„Geschenk Nummer Drei: Von deiner Mutter wissen wir, dass du Sonnenblumen sehr gerne magst“, überreiche Annemieke einen Blumentopf mit einer Sonnenblume.

„Geschenk Nummer Vier: Du wolltest schon immer einen richtigen Abenteuernachmittag auf dem Reiterhof erleben. Dies ist ein Gutschein für einen Reiternachmittag auf Rachels Hof und du kannst eine Freundin mitnehmen. Zusammen könnt ihr, wie Bibi und Tina um die Wette galoppieren!“, war Emily als Letzte an der Reihe.

 

„Au ja, ich will unbedingt reiten, genauso wie Bibi und Tina!“, jubelte Sarah und hüpfte übermütig durch die Gegend, sodass sich Emily einen Moment um ihre Tassen und Teller im Hängeregal fürchten musste.

„Komm jetzt, Sarah, wir wollen jetzt Kuchen essen!“, stand Aylin auf und führte sie zu ihrem Platz zurück.

„Weißt du schon, wen du mit auf den Reiterhof nimmst?“, fragte Lotta.

„Fianna!“, kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Aber Fianna reitet doch jeden Freitag auf dem Hof“, hatte Mathilda einzuwenden.

„Ich will, dass Fianna mit mir reitet!“, wiederholte Sarah.

„Und ich komme gerne mit“, sagte Fianna lächelnd.

 

Hungrig machten sich die Mädchen über Kikis Erdbeer-Mascarpone-Torte her, die mit einer Schicht weißer Schokolade überzogen war. Zu trinken gab es kalten Kakao und Lotta hatte die brillante Idee mit Vanilleeis daraus eine Eisschokolade zu machen, die bestens zu dem warmen Wetter passte. Annemieke hatte eine für Sarah eine Geschichte über Bibi und Tina geschrieben, die sie Sarah vortrug.

„Du solltest später doch Autorin werden!“, lobte Emily ihre beste Freundin.

„Hm, eigentlich wollte ich entweder Tierärztin oder Konditorin werden“, nahm Annemieke das Lob leicht verlegen entgegen. Bevor Langeweile aufkommen konnte, schlug Mathilda vor, dass sie im Wohnwagen und Schrebergarten verstecken spielen könnten.

 

Emily war die Erste, die ihre Freundinnen suchen musste und etwas Zeit brauchte, bis sie schließlich Lotta und Kiki zum Schluss versteckt in den Tannen hinter dem Geräteschuppen fand. Mit jeder Runde nahm der Reiz des Spiels stetig ab, da die Verstecke bekannt waren, daher spielten die Mädchen lieber Fangen und Blinde Kuh. Fianna merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Sie stieß fast mit ihrer Mutter zusammen, die mitten auf dem Rasen stand, als sie vor Annemieke flüchtete, die sie versuchte zu packen.

„Mädels, ich pfeife das Spiel jetzt ab“, rief ihre Mutter und stieß einen Pfiff aus.

„Haben wir schon 19 Uhr?“, war Emily verblüfft.

„Sogar schon viertel nach“, erwiderte Fiannas Mutter.

„Können wir noch bisschen bleiben?“, bettelte Sarah. „Ich habe die Kaninchen noch nicht gesehen.“

„Oh ja, die Kaninchen haben wir beinahe vergessen und wir müssen sie noch füttern“, fiel es Aylin ein.

„Okay, ich gebe euch noch ein paar Minuten, aber Sarahs Mutter will irgendwann auch nach Hause fahren“, gab sich Fiannas Mutter gnädig.

 

 

 

 

11. Dicke Wolken und frostige Stimmung

Kurz nach dem Beginn der großen Ferien wurde das märchenhafte Sommerwetter durch ein schweres nächtliches Gewitter jäh beendet. Anstatt Eis essen, Nachmittage im Freibad, Lagerfeuer, Zelten und Fahrradtouren hieß es für die Mädchen ihre freien Tage drinnen zu verbringen. Im Chat wurde eifrig diskutiert, welches Outfit beim Umzug getragen werden sollte, falls es regnete und es zu kalt für Sommerkleider war. Das regnerische und kalte Wetter spiegelte sich auch in Fiannas Laune wieder. Sie war es leid, die freien Tage im Haus zu hocken. Im Fernsehen liefen überwiegend langweilige Serien, ihre Bücher aus der Bücherei hatte sie alle durchgelesen und das große Puzzle mit 1000 Teilen hatte sie schon seit Tagen fertig.

 

Der ständige Regen, die schweren grauen Wolken, unbehagliche Windböen und Temperaturen zwischen 12 und 16 Grad sorgten dafür, dass Fianna schlecht gelaunt und schnell reizbar war. Seit dem Ferienbeginn zankte sie sich täglich mit Tom und auch mit ihren Eltern geriet sie immer wieder aneinander.

„Das ist doch kein Sommer!“, dachte sie frustriert bei sich, als sie aus dem Fenster schaute und eine dicke dunkelgraue Wolke einen neuen Schauer ankündigte. Über einen lokalen Radiosender bekam sie mit, dass der Umzug abgesagt werden sollte, falls sich die Wettervorhersage mit Sturmböen und Gewittern bewahrheiten sollte.

„Bitte nicht! Bitte keine Unwetter!“, flehte sie innerlich. Eine Absage des Umzuges würde ihre wochenlangen Bemühungen wieder zunichte machen, nachdem sie und ihre Freundinnen nach dem Brand des Leiterwagens und Sarahs Unfall bereits zwei Rückschläge wegstecken mussten.

 

Als Fianna einen Tag vor dem Umzug mit dem Rad zu Rachels Reiterhof fuhr, zog sie sich extra eine Regenhose und eine Regenjacke an. Trotzdem fröstelte sie, als eine starke Böe von vorne kam und ihr die Regentropfen beinahe senkrecht ins Gesicht blies. Sie war mehr als erleichtert, als sie endlich den Reiterhof erreichte und in die Scheune flüchten konnte, wo ihre Freundinnen die weiße Kutsche mit Blumenbestecken verzierten.

„Hallo Fianna!“, wurde sie von Astrid begrüßt, die Anweisungen an die Mädchen verteilte, wo sie die Blumenbestecke befestigen sollten.

„Na, ist es deine neue Spezialität, dass du immer zu spät kommst?“, zog Lotta sie auf, da Fianna sich um mehr als eine Viertelstunde verspätet hatte.

„Eigentlich wollte ich eine Regenpause abwarten“, rechtfertigte sich Fianna.

„Haha! Darauf kannst du noch lange warten!“, lachte Mathilda kurz auf.

 

„Dieses Wetter ist einfach skandalös und gehört verboten!“, begann sich Kiki aufzuregen.

„Oh ja und dann ist es so eisig kalt“, pflichtete ihr Aylin bei, die einen fliederfarbenen Wollpulli anhatte.

„Bei diesem Wetter Fahrrad fahren ist auch echt Hölle“, warf Fianna ein. 

„Ich wurde zum Glück mit dem Auto gebracht“, schnippte Lotta mit den Fingern.

„Wir auch!“, antworteten die Zwillinge synchron.

„Ich bin mit dem Bus gekommen“, sagte Aylin.

„Und ich übernachte seit zwei Tagen auf dem Hof“, fügte Emily an.

„Ihr seid alle Faulpelze außer Fianna und ich! Man könnte meinen, dass über die Hälfte von uns aus Zucker ist“, machte Kiki ein leicht spöttisches Gesicht.

„Als ob wir uns durch den strömenden Regen quälen, wenn wir es auch bequem haben können“, entgegnete ihr Annemieke prompt.

„Fianna und Kiki, ihr könnt nachher bei mir mitfahren, wenn Mama mich abholt. Ich denke, sie wird nicht nein sagen“, meldete sich Lotta zu Wort.

„Und ich werde auch nicht nein sagen“, erwiderte Fianna.

„Und was ist mit unseren Fahrrädern?“, zog Kiki fragend die Stirn kraus.

„Ich denke, ihr könnt eure Räder über Nacht hier stehen lassen“, wandte Astrid ein. „Rachel bringt sie später in den Fahrradschuppen.“

 

Die Mädchen machten sich nun an die Arbeit. Sie banden Blumensträuße zusammen, die sie mit goldenen und silbernen Bändern an der Kutsche befestigten.

„Ich bin mir sicher, dass wir den deutlich schöneren Wagen haben werden, als die Fischköppe und ihr Fußballverein“, war Mathilda sich sicher, als sie kurz inne hielt und für einen Moment die verzierte Kutsche betrachtete.

„Bestimmt rollen die nur irgendein Fußballtor mit kaputten Netzen durch die Innenstadt“, lachte Kiki kurz auf.

„Garantiert, denen fällt nichts besseres ein!“, giggelte Lotta los. Nun beömmelten sich die Bandenmädchen richtig über ihre Erzfeinde, starteten eine Lästerorgie und kicherten in regelmäßigen Abständen los.

„Sagt mal, Mädels, wollt ihr eigentlich zu Ostern fertig werden?“, sah Astrid die Roten Tulpen mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ist schon gut, wir konzentrieren uns wieder auf das Wesentliche!“, kriegte sich Lotta wieder als Erste ein.

„Außerdem macht es Spaß sich über diese blöden Jungs lustig zu machen“, meinte Emily.

„Das kann ich verstehen“, nickte Astrid. „Als ich in eurem Alter war, fand ich die meisten Jungs auch total bescheuert.“

 

„Die Piranhas lassen auch gar keine Gelegenheit aus, um uns zu hänseln und gemeine Streiche zu spielen“, sagte Aylin klagend, die sich regelmäßig gemeine Sprüche wegen ihrer Körpergröße anhören musste.

„In meiner Klasse hatte ich auch richtige Blödmänner, die anderen Klassenkameraden Reißzwecken und Pupskissen auf die Stühle gelegt haben und versuchten bei den Mädchen unter die Röcke zu schauen“, erzählte Astrid.

„Das sind halt Jungs und die sind fast immer Jahrhunderte zurückgeblieben“, verdrehte Lotta die Augen.

„Genau deswegen haben wir eine Bande gegründet, um den Jungs Paroli zu bieten“, stemmte Kiki ihre Hände selbstbewusst in die Seite.

„Stimmt, Rachel hat schon einiges von euch erzählt“, sagte Astrid.

„Hey, die Kutsche sieht schon echt gut aus!“, schneite Rachel nass geregnet von draußen herein.

„Ja, ich werde gleich das große Schild anbringen und dann sind wir fertig“, meinte Astrid.

„Das wäre toll, in ungefähr einer Viertelstunde gibt es Kaffee und Kuchen. Für die Mädchen habe ich warmen Kakao“, verabschiedete sich Rachel wieder.

„Aber ich trinke auch schon Kaffee mit viel Milch und Zucker“, bemerkte Lotta leise.

„Bah, das ist doch viel zu bitter!“, schüttelte sich Kiki.

„Wenn da genügend Zucker und Milch drin ist, geht es sogar. Puren Kaffee würde ich auch nicht trinken“, erwiderte Lotta und fragte in die Runde: „Mag eigentlich von euch auch schon jemand Kaffee?“

 

„Ne“, antwortete Annemieke knapp und auch die anderen Mädchen schüttelten die Köpfe.

„Kann jemand bitte das Schild festhalten, während ich es anbringe?“, bat Astrid.

„Ich bin schon da!“, eilte Emily zur Stelle. Astrid fixierte das Schild mit dem Schriftzug „Zauber der Freundschaft“ mit einem Akkuschrauber und ein bisschen Draht vorne an der Kutsche.

„Seid ihr zufrieden?“, fragte Astrid schließlich.

„Ja, ich bin echt begeistert!“, strahlte Annemieke über beide Backen.

„Hurra, wir haben es geschafft!“, machte Mathilda einen Luftsprung und verteilte Highfives.

„Ein Hoch auf die Roten Tulpen!“, krähte Fianna.

„Jetzt haben wir uns wirklich ein Stück Kuchen verdient!“, lächelte Astrid.

„Oh je, jetzt müssen wir bei diesem Regen über dem Hof laufen“, war Lotta nur halbwegs begeistert.

„Hey, es hat aufgehört!“, spähte Kiki nach draußen, die die Tür ein Spalt breit geöffnet hatte.

„Dann lasst uns über die Pfützen hüpfen!“, jagten die Zwillinge zeitgleich los.

„Könnt ihr gerne machen. Ich habe es nicht nötig“, verdrehte Lotta kurz die Augen, die lieber gechillt mit Aylin und Emily über den Hof spazierte.

 „Wollen wir auch ein bisschen Pfützenspringen machen?“, stupste Fianna Kiki an.

„Ja, ich bin dabei!“, nickte sie.

„Wettrennen?“, forderte sie Kiki heraus.

„Challenge angenommen!“, schlug Kiki bei ihr ein und die beiden Freundinnen sprinteten los. Fianna suchte sich einen etwas längeren Weg aus, um die größten Pfützen zu umgehen. Kiki traute sich währenddessen größere Sprünge zu und verschätzte sich einmal, sodass mit beiden Füßen in einer besonders tiefen Pfütze landete. 

„Iihhh, meine Füße sind ganz nass!“, kreischte sie entsetzt los und verharrte auf der Stelle.

 

„Haha, das hast du davon!“, rief Lotta lachend über den Hof und auch Aylin schien sich zu amüsieren.

„Ihr blöden Gänse, lacht nur schön weiter!“, erwiderte Kiki halb beleidigt, halb lachend.

„Neue Schuhe und Socken kriegst du gleich bei Rachel“, meinte Emily und hakte sich bei ihr unter.

„Aber eine neue Hose brauche ich auch noch“, klang Kiki leicht bedröppelt.

„Ja klar, da finden wir bestimmt noch eine alte Hose von Annika, die dir passen müsste“, streichelte ihr Emily über ihr taillenlanges, schwarzes Haar, worauf Kiki ihr ein dankbares Lächeln zuwarf.

 

Am nächsten Morgen als Fianna mit Sarah in das Auto ihrer Mutter stieg, regnete es immer noch leicht.

„Mir ist kalt!“, wickelt sich Sarah in ihre Strickjacke ein.

„Geht mir nicht anders“, grummelte Fianna und fügte frustriert hinzu: „Natürlich haben wir mal wieder Pech mit dem Wetter! War ja klar...“

„Leider steht es nicht in unserer Macht das Wetter zu ändern“, schaltete sich ihre Mutter ins Gespräch ein.

„Mama, kannst du bitte das Radio lauter machen?“, bat Fianna. „Gleich kommen die Nachrichten und da kommt auch noch eine Wettervorhersage am Ende.“

„Ich glaube, ich muss euch enttäuschen, das Wetter wird nicht deutlich anders sein, als die Tage zuvor“, sagte ihre Mutter, als sie an einer roten Ampel warten mussten.

„Das heißt ja, dass es genauso schüttet wie gestern und vorgestern“, maulte Fianna.

„Regen finde ich auch doof“, murrte Sarah.

„Ich kann es leider mal nicht ändern!“, zuckte Fiannas Mutter mit den Achseln und bog in eine kleine Seitenstraße ab. Nach etwa einem Kilometer kam der Hof von Rachel in Sicht, der trotz des regnerischen und diesigen Wetters zwischen den Wiesen und Felder immer noch sehr einladend aussah. Fianna trommelte leicht desillusioniert mit den Fingern gegen die Fensterscheibe.

 

„Da wären wir!“, stellte ihre Mutter eine Minute später den Wagen in der Nähe des Hofgebäudes ab.

„Brrr, ist das eisig!“, bibberten Fianna und Sarah beim Verlassen des Autos.

„Tja, ich kann nur hoffen, dass es besser wird“, zwinkerte ihnen Frau O’Hara zu.

„Hallo, ihr beiden!“, kamen Lotta und Aylin winkend auf sie zugelaufen.

„Das Wetter ist irgendwie nicht so toll“, wandte sich Fianna an Lotta.

„Bah, das Wetter ist für die Tonne! Bleibt es so, werden wir später in unseren Kleidern zu Eiszapfen mutieren“, schimpfte ihre Freundin, als der Regen erneut einsetzte.

„Können wir ein bisschen schneller gehen?“, schritt Fianna zügig voran und steuerte auf die große hölzerne Eingangstür zu.

 

„Hallo, schön, dass ihr da seid!“, öffnete ihnen Annika die Tür. „Geht schon mal in den Wintergarten durch, dort sitzen Rachel und die Anderen!“

Die vier Mädchen zogen in der Diele ihre Schuhe aus und folgten Annika in die Stube.

„Huhu, hier sitzen wir!“, winkte ihnen Mathilda vom hinteren Ende der langen Tafel zu. Fianna ließ sich zwischen Sarah und Lotta nieder, die ständig die Wetterprognose auf ihrem Smartphone checkte.

„Hoffentlich, fällt der Umzug nicht ins Wasser!“, murmelte Fianna leise vor sich hin.

„Das hoffe ich auch, sonst wäre das ein monstermäßiger Reinfall“, sagte Kiki leise, die sich ein Körnerbrötchen aus dem Brotkorb nahm.

„Wisst ihr, warum so viele andere Mädchen hier sitzen?“, fragte Aylin, die etwas verwundert war, dass noch ungefähr sieben oder acht Mädchen in Annikas Alter auf der anderen Seite der Tafel saßen.

„Das sind die Mädchen aus der Dressurgruppe, die nachher ebenfalls beim Umzug teilnehmen wird. Rachel hat beide Umzugsgruppen zum großen Frühstück eingeladen“, wusste Annemieke.

„Hey, ich habe gute Neuigkeiten! Wahrscheinlich soll es während des Umzuges nicht regnen“, hielt Lotta den Freundinnen ihr Handy hin.

„Soll es wirklich am Nachmittag sonnig werden?“, zog Aylin die Augenbrauen hoch.

„Das ist kaum zu glauben, gerade regnet es wieder in Strömen“, machte Kiki ein ungläubiges Gesicht.

„Warten wir es ab!“, meinte Annemieke pragmatisch und goss sich Milch in ihr Glas.

 

Astrid kam erst zum Ende des Frühstücks und trank schnell einen Becher Kaffee, bevor es in die Scheune ging. Nun mussten nur noch wenige Feinheiten erledigt werden.

„Die Blumen sind übrigens von Papas Firma gesponsert worden“, sagte Lotta stolz, als die die Kiste mit dem Wurfmaterial auf der Kutsche verstaut wurden.

„Was sind das für Blumen?“, fragte Aylin neugierig.

„Tulpen, Rosen und Sommerschnittblumen“, antwortete Lotta. Anders als andere Gruppen hatten sich die Roten Tulpen für Blumen als Wurfmaterial entschieden, anstatt Bonbons und andere Süßigkeiten.

„Ich finde Blumen zu verteilen viel schöner, als wenn wir irgendwelche harten Bonbons in die Menschenmenge feuern“, war Annemieke der Meinung.

„Blumen sind viel persönlicher“, pflichtete ihr Kiki bei.

„Können drei von euch bitte mit zu Leopold kommen? Wir müssen ihn putzen, schick machen und ihn sein Kutschengeschirr anlegen“, bat Astrid, worauf sich Lotta, Fianna und Kiki meldeten. 

„Ich will aber auch mit!“, sagte Sarah in einem bettelnden Ton und schloss sich Fianna an.

„Bleib du mal hier!“, wiegelte sie Fianna ab, worauf Sarah ein fast weinerliches Gesicht machte.

 

„Bleib doch bei uns, Sarah!“, nahm Annemieke sie bei der Hand und schlenderte mir ihr auf und ab.

„Genau, bei uns wird es auch nicht langweilig!“, fing Mathilda an den Clown zu spielen. Sie schnitt die verrücktesten Grimassen, verstellte ihre Stimme und tanzte wie ein tapsiger Bär durch die Scheune.

„Soll das witzig sein?“, murrte Sarah.

„Ääh, warum nicht?“, stammelte Mathilda verlegen, die es gewohnt war, dass ihre Freundinnen bei ihren Späßen und Showeinlagen lachten.

„Matti, deine Show hat sooo einen Bart. Das ist immer das Gleiche!“, rollte Annemieke mit den Augen.

„Dann eben nicht“, verschränkte Mathilda ein wenig beleidigt die Arme vor der Brust.

„Wie wäre es mit einer Geschichte?“, schlug Aylin vor.

„Au ja, Geschichten sind toll!“, hellte sich Sarahs Mine wieder auf. Die vier Mädchen setzten sich auf eine staubige Holzbank neben der Tür zum Durchgang zum Heuspeicher.

„Oh je, was soll ich nur erzählen?“, geriet Aylin ins Grübeln und spielte mit ihren schwarzen Locken. Ratlos schaute sie die Zwillinge an.

„Vielleicht erzählst du mir eine Pferdegeschichte, Aylin“, stupste Sarah sie an.

„Genau, wir können dir erzählen, was wir hier schon so alles auf dem Reiterhof erlebt haben“, fiel Annemieke ein und fing an zu erzählen, sodass Sarah ruhig war und ihr ununterbrochen zuhörte.

„Ich will auch so gerne mit euch reiten“, sagte Sarah schließlich und lehnte sich bei Aylin an.

„Das kann ich verstehen“, nickte Mathilda. „Wir erleben hier auch die coolsten Abenteuer.“

 

Fianna, Lotta und Kiki halfen Astrid dabei Leopold schick zu machen. Das Einflechten von Mähne und Schweif nahm die meiste Zeit in Anspruch, während das Putzen und Hufeauskratzen schnell vonstatten ging. Lotta hatte bunte Bänder und glitzernde Gummis mitgebracht, die sie an Mähne und Schweif befestigten.

„Warum dürfen unsere anderen Freundinnen nicht hier sein? Sie langweilen sich drüben garantiert schon“, sprach Kiki Astrid an.

„Das wären in der engen Gasse einfach zu viele Menschen. Leopold ist zwar ein sehr ruhiges Pferd, aber es könnte eventuell die anderen Pferde nervös machen und außerdem wollen vielleicht noch andere Reiter mit ihren Pferden an uns vorbei“, meinte Astrid. Kiki ging kurz zu anderen Mädchen in die Scheune, um ihnen zu sagen, dass es nicht mehr all zu lange dauern würde, bis Leopold fertig für die Kutsche wäre.

 

„Hoffentlich macht Sarah nebenan keinen Blödsinn“, sagte Lotta nebenbei.

„Ach was, hast du gesehen, wie ruhig sie vorhin war!“, entgegnete ihr Fianna prompt. „Ich finde, in letzter Zeit nimmt sie sich sehr zurück.“

„Ich finde Sarah kommt sehr schüchtern rüber. Zumindest hat sie gerade beim Frühstück nicht viel gesagt“, meinte Astrid, die das Kutschengeschirr für Leopold aus der Sattelkammer holte. Lotta nahm Leopold am Führstrick und führten ihn nach draußen über den Hof. Als erstes fiel den beiden Mädchen auf, dass es nicht mehr regnete und der Himmel am Horizont bereits aufklarte.

„Jippie, wir können nachher mit dem Wetter Glück haben!“, machte Fianna einen Freudensprung.

„Das will ich wohl hoffen“, nickte Lotta nur.

 

 

 

12. Petrus hat ein Einsehen

„Hurra, die Sonne kommt bald raus!“, lief Kiki jubelnd auf Fianna und Lotta zu.

„Heeeyy, nicht so stürmisch! Du siehst doch, dass ich Leopold am Führstrick habe“, schnalzte Lotta leicht zickig mit der Zunge.

„Sorry, ich konnte meine Euphorie nicht mehr in Zaum halten“, entschuldigte sich Kiki und fügte hinzu: „Unser Sonnentanz hat tatsächlich gewirkt!“

„Sonnentanz?“, erwiderten Lotta und Fianna gleichzeitig und schauten ihre Freundin fragend an.

„Aylin, Sarah, die Zwillinge und ich sind gerade um die Kutsche herumgetanzt und haben gesungen, dass die Sonne wieder scheinen soll“, erklärte ihnen Kiki.

„Das ist ja so wie bei den Indianern“, bemerkte Lotta.

„Bei den Indianer gibt es auf jeden Fall einen Regentanz, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auch einen Sonnentanz gibt“, überlegte Kiki kurz.

 

„Egal, Hauptsache es regnet nicht mehr!“, hakte sich Fianna gutgelaunt bei Kiki auf dem Weg zur Scheune ein. Auf der Schwelle zur Scheune nahm Astrid Lotta den Führstrick aus der Hand.

„Ihr drei habt gerade so fleißig gearbeitet, also könnt ihr noch einen Moment Pause machen“, richtete sie sich an Lotta, Fianna und Kiki.

„Ok!“, nickte Fianna und setzte sich mit ihren Freundinnen auf die Bank, während die Anderen Leopold vor die Kutsche spannten.

„Hurra, wir sind fertig!“, rief Mathilda freudig.

„Oh warte, ich habe etwas vergessen!“, zog Lotta ein kleines Döschen Glitter aus ihrer großen Tragetasche.

„Ähm, was willst du damit?“, machte Kiki ein misstrauisches Gesicht.

„Ein bisschen Glitzer für sein Fell, damit er so richtig funkelt und glitzert“, erwiderte Lotta.

„Von mir aus könnt ihr ein bisschen Glitter auf seinem Fell verteilen gab“, Astrid ihr Okay. „Das müsste nicht giftig oder gesundheitsgefährdend für Pferde sein.“

 

Nachdem Leopold wie ein glitzerndes Einhorn aussah, zogen sich die Mädchen in der Umkleidekabine, die ganz am Ende des Stalltraktes lag, um und machten sich ihre Haare zurecht. In den Kleidern und mit den Blumenkränzen sahen die Mädchen wie Blumenfeen aus.

„Halt, ihr seid noch nicht geschminkt!“, rief Lotta, als Kiki und Mathilda die Tür öffneten.

„Muss das sein?“, klang Kiki ein wenig genervt.

„Schminke ist doch überflüssig“, fand Mathilda. „Und außerdem habe ich kein Bock so rum zu laufen, wie die Zicken vom Tussenkomitee!“

„Ich finde, zu dem heutigen Anlass ist Schminke wiederum angesagt“, war Aylin wiederum anderer Meinung.

„Ja, dann sehen wir wie echte Prinzessinnen aus“, nickte Annemieke begeistert, die ihre wilden Kringellocken mit ein paar schlichten Haarspangen hochsteckte. Nach und nach schminkte Lotta jede ihrer Freundinnen und verpasste ihnen ein schickes Make-up, was natürlich etwas dauerte.

 

„Mädels, seid ihr gleich so weit?“, klopfte Astrid von draußen an die Tür.

„Wir sind jetzt fertig!“, riss Kiki schwungvoll die Tür auf.

Auch Astrid hatte sich schick gemacht und trug einen schwarzen Anzug und einen Zylinder.

„Ui, ihr seht aber toll aus!“, blieb ihr fast die Spucke weg. „Stellt euch bitte einmal in eine Reihe, ich will von euch ein Foto machen!“

Die Mädchenbande und Sarah stellten sich Arm in Arm vor den Spinden in einer Reihe auf.

„Danke, die Fotos sind echt gut geworden!“, sagte Astrid.

„Kannst du mir die Fotos eben schicken?“, bat Lotta.

„Gerne!“, nickte Astrid.

„Yeah, ich freue mich schon so mega!“, wurde Fianna ein wenig hibbelig, als sie sich ihre violetten Blumenohrringe reinmachte. Rasch steckte sie mit ihrer Vorfreude ihre Freundinnen mit an.

„Ich freue mich auch und wie!“, strahlte Sarah heller als die Sonne. Neben ihnen nahmen sich Mathilda und Kiki an den Händen und begannen juchzend umherzuwirbeln, genauso wie Annemieke und Aylin, die es ihnen nachtaten.

„Ich will auch tanzen!“, griff Sarah nach Fiannas Händen. Drei Tanzpaare wirbelten durch die Umkleidekabine, während Astrid und Lotta mit ihren Handys beschäftigt waren.

„Jetzt ist aber mal genug mit eurem Übermut!“, stoppte Astrid schließlich das wilde Getanze.

 

Gegen Mittag brach der Trupp vom Reiterhof auf. Inzwischen war die Sonne heraus gekommen und von überall her stiegen dichte Dampfschwaden auf.

„Ich kriege gerade Kopfschmerzen“, stöhnte Mathilda, die Fianna auf der Kutsche gegenüber saß.

„Da kann ich auch nichts machen!“, zuckte Astrid mit den Achseln, die die Kutsche lenkte.

„Hier, versuch mal was trinken!“, gab Lotta Mathilda eine Wasserflasche. Glücklicherweise hatte Astrid zwei Tetrapacks Wasser mitgenommen.

„Was machen wir auf dem Fest?“, fragte Sarah neugierig, die zwischen Kiki und Fianna saß.

„Wir nehmen an einem Umzug teil und werfen Blumen in die Menschenmenge“, erklärte ihr Kiki knapp.

„Was ist ein Umzug?“, wollte Sarah erneut wissen.

 

„Hm, wie soll ich das nur erklären“, machte Kiki ein nachdenkliches Gesicht.

„Wir fahren mit der Kutsche durch die Innenstadt zum Marktplatz. Links und rechts sind Absperrungen, damit uns niemand vor die Kutsche läuft. Wir werfen den Leuten, die uns zuschauen Blumen zu und lassen uns bejubeln“, schilderte Annemieke.

„Oh ja, ich will unbedingt bejubelt werden!“, strahlte Sarah wie ein Honigkuchenpferd.

„Das werden wir mit Sicherheit“, legte ihr Fianna den Arm um die Schulter.

„Wir kommen bestimmt ins Fernsehen“, wusste Lotta bescheid. „In der Zeitung stand, dass die Parade live auf unserem Regionalsender übertragen wird.“

„Yes, wir werden berühmt!“, übermütig gaben sich die Zwillinge einen Highfive.

„Auf jeden Fall werden Tausende unsere tolle Kutsche sehen“, meldete sich Astrid vom Kutschbock zu Wort.

 

Wegen der Parade war fast die gesamte Innenstadt abgesperrt. Überall sammelten sich Fußgruppen in bunten Kostümierungen und geschmückte Umzugswagen. Die Kutsche der Roten Tulpen bekam die Startnummer 5 und war im Umzug relativ weit vorne dabei.

„Was haben wir für ein Glück, dass der nächste Spielmannszug erst drei Startplätze hinter uns ist“, meinte Kiki.

„Leopold macht das nicht viel aus. Er ist von Natur aus eine besonnene Seele“, hatte Astrid dazu zu sagen, „Allerdings nahmen wir mit dieser Kutsche schon vor fünf Jahren an einem Karnevalsumzug teil und ein Heiopei meinte, dass er ihm eine Trompete ans Ohr halten zu müssen. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre wirklich durchgegangen.“

„Wie kann man nur so blöd sein und einem Pferd mit einer Trompete ins Ohr blasen!“, schüttelte Mathilda fassungslos mit dem Kopf.

„Tja, dumme Leute gibt es überall!“, erwiderte Astrid.

 

„Hallo, ihr Bandenschnepfen! Glaubt ihr wirklich, dass dieser alte Zossen, der eure Kutsche zieht, auch wirklich ans Ziel kommt? Man muss hoffen, dass er nicht auf halber Strecke schlapp macht“, hörten die Bandenmädchen jemanden rufen. Es waren die Piranhas, die im Fußballoutfit ihres Vereins ein Fußballtor über die Straße rollten.

„Hallo Fischköppe! Man muss sich bei eurem Fischgeruch ja echt schon die Nase zuhalten“, rief Mathilda den Jungs vorlaut zu.

„Man Mathilda, das war voll peinlich!“, gab ihr Lotta einen Rippenstoß.

„Warum? Wenn die Idioten anfangen, dann dürfen wir uns wehren“, verteidigte sich ihre Freundin.

„Aber in der Öffentlichkeit vor lauter Journalisten und Kamerateams ist das nicht so angesagt“, fand auch Aylin.

„Zum Glück haben die Jungs die Startnummer 15, sodass wir nicht unbedingt mit ihnen konfrontiert werden“, merkte Annemieke an.

„Voll lachhaft und unkreativ so ein Fußballtor mit halbkaputten Netz durch die Gegend zu rollen!“, begann Kiki halblaut abzulästern.

„Ja, das sind Jungs und die haben halt keine besseren Ideen“, sagte Lotta abwertend.

 

„Wo bleibt eigentlich Lily?“, sah Kiki ihre Freundinen fragend an und schien etwas beunruhigt zu sein.

„Sie war bis vor einer Stunde auf der Hochzeit, aber danach habe ich keine Nachricht mehr von ihr bekommen“, zuckte Annemieke mit den Achseln.

„Hoffentlich kommt sie noch rechtzeitig!“, gab Aylin zu Bedenken. Auf einmal klingelte Lottas Handy.

„Hey, hier ist Lotta!“, meldete diese sich. „Unsere Kutsche steht am zentralen Busbahnhof vor dem Dönerladen „Dönerstar“. Du wirst uns bestimmt ganz leicht finden.“

„Das muss wohl Emily gewesen sein“, tickte Fianna Aylin an, die nur schwach nickte. Fünf Minuten kam Emily außer Atem an der Kutsche an.

„Ich habe es gerade so eben geschafft“, erzählte sie. „Wir sind gerade mit dem Essen fertig geworden und ich habe mich schnell auf der Toilette im Restaurant umgezogen. Ich bin vor zwanzig Minuten in den Bus gestiegen und musste bereits am alten Stadttor aussteigen, weil hier in der Innenstadt alle Straßen gesperrt sind. Ihr glaubt mir gar nicht, wie voll es überall ist. Ich musste mich richtig durch die Menschenmassen quälen.“

 

„Doch, das können wir uns denken“, nickte Lotta. Rasch kletterte Emily auf die Kutsche und ließ sich neben Annemieke nieder.

„Gut, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast!“, war Kiki sichtlich erleichtert.

„Hey, ihr seht aber süß aus!“, flötete ein Mädchen im Cheerleaderkostüm. Erst beim zweiten Hinsehen erkannten die Mädchen, dass es Jolanda war, die sich stark geschminkt und ihre hellblond gefärbten Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden hatte. Mit von der Partie waren auch ihre Freundinnen vom Tussenkomitee.

„Ihr als Blumenmädchen seht unschlagbar niedlich aus und das Einhorn vor eurer Kutsche auch“, fand Tanja und keinem Bandenmädchen entging, dass ein ironischer Unterton in ihrer hochnäsigen Stimme mitschwang.

 

„Hallo Tussenkomitee, ihr seht heute so schön aufgetakelt aus!“, konterte Fianna, die sich die Kommentare der Zicken nicht mehr länger bieten lassen wollte.

„Darf ich von euch ein Foto machen? Bitteee!“, zückte Saskia ihr pinkes Handy.

„Nein, jedenfalls nicht von uns!“, verbat ihr Kiki sofort.

„Woher kennt ihr diese Mädchen, Saskia?“, wurde diese von einem Mädchen angestupst, welches die Roten Tulpen nicht kannten.

„Das sind ein paar Mädchen aus unserer Klasse, die vor knapp einem halben Jahr eine Bande gegründet haben“, erzählte Saskia dem Mädchen mit den dunklen Zöpfen.

„Mädchenbande jetzt im Ernst!“, begann die Schwarzhaarige zu kichern und säuselte: „Hach, manche Mädels in unserem Alter sind einfach zu knuffig! In der Grundschule hatte ich auch noch eine sogenannte "Mädchenbande".“

 

Mathilda und Kiki sahen aus, als würden sie im nächsten Moment platzen.

„Lasst euch nicht von diesen Schnallen provozieren!“, redete Emily besänftigend auf sie ein. Schnell holte sie eine Packung Skittles aus ihrer Umhängetasche, die sie unter den Freundinnen herumreichte.

„Seht mal, die Cheerleaderinnen sind genau vor uns!“, wisperte Lotta.

„Oh je, das sind ja grässliche Aussichten, wenn wir die Ziegen die ganze Zeit vor unseren Augen haben!“, stöhnte Mathilda auf und verbarg ihr Gesicht an der Schulter ihrer Zwillingsschwester.

„Wenn du sie nicht sehen willst, dann schau besser in die Zuschauermenge“, riet ihr Annemieke.

„Sagt mal, sind diese Cheerleaderinnen aus eurer Klasse?“, drehte sich Astrid zu den Bandenmädchen um.

„Leider ja!“, nickte Aylin.

 „Macht euch nichts aus solchen hohlen Nüssen, die gibt es überall! Ich hatte früher auch solche blöden Mitschülerinnen, die mich immer gehänselt haben, weil ich nicht so aufgetakelt rum lief wie sie“, erzählte Astrid, die eben von der Kutsche gestiegen war und Leopold mit ein paar Äpfel fütterte.

 

„Solche sind am schlimmsten!“, beklagte sich Mathilda. „In der Schule gibt es Einige, die sich über meine Schwester und mich lustig machen, weil wir quasi aussehen wie bunte Hunde und nicht der trendigsten Mode hinterherjagen.“

„Ich finde, ihr habt euren eigenen Stil und das ist gut so. Nicht jeder muss voll schick und stylisch durch die Gegend laufen“, redete Astrid auf sie ein. „Ich gehörte auch nicht zu den Modemädels und trug bis ich knapp 14 oder 15 war, noch Pferdepullis."

„Ihr seid klasse und zudem meine aller, aber wirklich allerbesten Freundinnen“, fügte Kiki hinzu und lächelte den Zwillingen zu. Mathilda warf ihr ein dankbares Lächeln zu. Manchmal war der frechsten und vorlautesten Roten Tulpe anzumerken, dass sie ihre wahren Gefühle nicht immer mit einem Lachen oder einem feschen Spruch verbergen konnte.

 

 

13. Zauber der Freundschaft

Die Cheerleaderinnen konzentrierten sich nun darauf sich richtig in Formation zu bringen und beachteten die Roten Tulpen nicht weiter. Wenige Minuten später setzte sich der Umzug in Bewegung.

„Endlich geht es los!“, war Mathilda froh, dass sie nicht mehr länger warten musste. Von weiter hinten nahmen die Mädchen die Musik eines Spielmannszugs wahr.

„Es gibt echt coole Umzugswagen!“, fand Kiki. „Habt ihr gerade die Lokomotive gesehen?“

„Ja klar!“, nickte Emily. „Die finde ich auch klasse!“

„Lustig finde ich auch die Raupe“, schaltete sich Fianna in die Unterhaltung ein. Vor der Kutsche der Mädchen und vor der Cheerleadergruppe rollte eine Burg, die aussah wie ein Miniaturnachburg der Burg Freudenburg.

„Mein Favorit ist die Burg vor uns“, sagte Lotta und machte einen Schnappschuss mit ihrem Handy.

 

Sarah war so beeindruckt von allem, dass sie kein Wort sagte, wie paralysiert in die Menschenmenge guckte und zwischen Fianna und Kiki zu verschwinden schien.

„Komm, Sarah, werfe doch auch mal eine Blume!“, drückte ihr Mathilda eine rote Tulpe in die Hand und zwinkerte ihr zu. Sarah stand kurz auf, holte aus und warf die Tulpe soweit sie konnte in die Zuschauermenge.

„Prima gemacht!“, klatschte Kiki in die Hände. Fianna, Lotta, Emily und Aylin unterhielten sich weiterhin darüber, welche der Umzugswagen sie am schönsten fanden.

„Wisst ihr die Kogge, die war ganz am Anfang gesehen haben, sah auch richtig nice aus!“, wandte sich Emily an Lotta. Fianna beobachtete, dass die beiden die ganze Zeit die Köpfe zusammensteckten.

„Schluss mit eurem Kaffeekränzchen!“, warf ihnen Mathilda eine Rose mitten ins Gesicht.

„Hey, was soll das soll?“, beschwerte sich Lotta.

„Merkt ihr gar nicht, dass ihr die ganze Zeit am quatschen seid?“, fuhr Annemieke fort.

„Ihr sollt lieber mal ein paar Blumen werfen!“, teilte Mathilda munter Rosen, Tulpen und Schnittblumen an ihre Freundinnen aus.

 

„Hallo, seht ihr mich?“, winkte Fianna ihren Eltern und Tom zu, die sie unter den Zuschauern erkennen konnte. Tom entdeckte sie als erstes und begann eifrig zurück zu winken. Fianna schnappte sich schnell einen Strauß voller Blumen und warf ihn in Richtung ihrer Familie. Ihr Vater fing ihn gekonnt mit einer Hand auf und winkte ihr freudig zu.

„Seht mal, da sind Mama und meine Schwester!“, raunte Kiki ihren Freundinnen zu. Wieder warfen die Mädchen zahllose Blumen, sodass Kikis Schwester zwei Tulpen ergattern konnte und ihre Mutter eine Rose in der Hand hielt.

„Seid sparsamer mit dem Wurfmaterial!“, wurden sie von Lotta ermahnt. „Wir haben insgesamt nur sechs Kisten und wir haben gerade die dritte Kiste angebrochen, dabei sind wir nicht mal auf der Hälfte der Strecke.“

Kaum hatte sie das gesagt, sprangen die Zwillinge jubelnd auf.

„Da sind Mama und Papa!“, riefen sie begeistert. „Und Oma und Opa!“

Wieder wurde ordentlich zulangt, sodass die dritte Kiste fast leer war.

„Jetzt werfe nur noch ich, wenn ihr euch nicht beherrschen könnt!“, raunzte Lotta die beiden Schwestern an.

 

„Sorry, unsere Eltern und Großeltern mussten einfach ein paar Blumen abkriegen“, entschuldigte sich Annemieke.

„Kriege ich auch eine Rose?“, meldete sich Astrid zu Wort.

„Aber sicher doch!“, reichte Emily eine schöne rotorange Rose nach vorne auf den Kutschbock. Astrid brach den Stängel ab und steckte sich die Rose an ihre Anzugsjacke.

„Mädels, jetzt schön lächeln, winken und Blumen werfen, gleich kommt die Medientribüne mit den ganzen Kamerateams“, forderte Astrid die Bandenmädchen auf gute Stimmung zu machen. Die Roten Tulpen winkten eifrig, jubelten den Zuschauern zu und warfen ordentlich Blumen während sie an den Kamerateams vorbei fuhren.

„Mir fallen fast die Hände ab", scherzte Annemieke.

„Mir auch!", grinste ihre Schwester. 

„Jetzt wird gespart!“, bestand Lotta einen Moment darauf, dass nun weniger Blumen in die Menschenmenge gefeuert wurden.

 „Ai ai Käpt’n, Ihr Befehl wird ausgeführt!“, erwiderte Mathilda ironisch.

 

„So voll habe ich unsere Innenstadt noch nie gesehen. Noch nicht mal an Rosenmontag sind so viele Leute hier“, tickte Fianna Kiki an.

„Kein Wunder, dass hier ist auch ein Stadtjubiläum, dass nur alle paar Jahre stattfindet“, sagte ihre Freundin.

„Genießt diesen Moment, denn das erleben wir spätestens in 25 Jahren wieder!“, zwinkerte Emily den anderen Roten Tulpen zu.

„Ich bin so müde“, lehnte sich Sarah gegen Fianna.

„Halte noch einen Moment durch!“, flüsterte ihr Fianna zu. Sarah schien von den ganzen Eindrücken ziemlich erschlagen zu sein und bekam nicht mehr als die Hälfte mit.

„Von diesem Tag werden wir einst unseren Kindern erzählen“, sagte Lotta stolz und drehte mit ihrem Handy ein Video.

 

Zwischendrin stoppte der Zug immer wieder. Die Cheerleadergruppe nutzte die Stopps, um Menschenpyramiden, turnerische Kunststückchen und tänzerische Showeinlagen zu zeigen.

„Schon krass, was die alles können!“, war Annemieke ganz hin und weg.

„Naja, ein Rad schlagen kann ich auch“, sah Kiki sie leicht schief an. „Das ist nicht so schwer."

„Das kann ich zum Beispiel nicht wirklich“, schüttelte Annemieke den Kopf.

„Bodenturnen ist wirklich nicht unser Metier“, wandte Mathilda ein.

„Habt ihr da nicht beide eine Vier kassiert?“, horchte Lotta neugierig auf.

„Leider ja“, nickte Annemieke. „Im Endeffekt hat uns das auf eine Drei in Sport heruntergezogen.“

„Das ist so mies eine Drei in Sport auf dem Zeugnis zu haben!“, ärgerte sich Mathilda. „In Schwimmen hatten wir beide eine Zwei minus, aber das konnte die Note auch nicht mehr retten.“

„Bei mir war es das Gleiche: Ich hatte eine Vier bis Fünf in Bodenturnen und eine Eins in Schwimmen, sodass ich im Endeffekt auch auf eine Drei kam“, erzählte Emily. 

„Ich konnte beides nicht“, schaltete Aylin sich ins Gespräch ein. „Und daher habe ich zurecht eine Vier auf dem Zeugnis.“

 

„Könnt ihr bitte aufhören über Noten zu quatschen? Wir haben Ferien! Kapiert?“, hörte sich Kiki etwas genervt an. 

Endlich gab Lotta die letzte Blumenkiste frei.

„Hurra, endlich wieder Blumen werfen!“, jubelte Mathilda leise. Nun wurde die Altstadt passiert und da die Gassen deutlich schmaler waren, standen links und rechts deutlich weniger Menschen.

„Seht mal, da ist Frau Schellhardt mit ihrem Mann!“, sprang Kiki auf.

„Hallo Frau Schellhardt!“, riefen Kiki und Lotta winkend. Nun winkte ihr die gesamte Mädchenbande freudig zu.

„Ach Hallo, ihr seid es! Ihr habt eine total hübsche Kutsche!“, grüßte ihre Klassenlehrerin zurück. Fianna nahm den letzten großen Strauß aus ihrer Kiste und warf ihn in ihre Richtung, sodass ihr Ehemann ihn problemlos fing.

„Vielen Dank für die Blumen!“, bedankte sich Frau Schellhardt noch, ehe es weiterging.

„Hey, da ist meine Familie!“, sagte Aylin plötzlich und fügte leise, fast flüsternd hinzu: „Ich habe nicht gedacht, dass sie auch kommen.“

„Dann freu dich doch, dass sie da sind!“, stupste Fianna sie an.

 

„Naja, was soll mein Vater nur denken, wenn er mich auf der Kutsche sieht? Er weiß doch noch gar nicht, dass ich reite“, Aylin kauerte sich neben Sarah zusammen und hoffte, dass sie von ihren Eltern nicht gesehen wurde.

„Du kannst wieder auftauchen. Die Gefahr ist wieder vorbei!“, legte ihr Lotta die Hand auf die Schulter.

„Seht mal, dahinten ist schon der Marktplatz!“, reckte Mathilda ihren Kopf in die Höhe.

„Wir haben es geschafft!“, ballte ihre Kiki voller Stolz ihre Hand zu einer Faust.

„Auch wenn es uns einige Nerven gekostet hat“, fügte Aylin hinzu. Auf den letzten Metern schafften es die Mädchen die letzte Blumenkiste leer zu bekommen, doch Lotta hob geistesgegenwärtig ein paar Blumen für sich und ihre Freundinnen auf.

„Wir haben es geschafft, Mädels!“, rief Astrid, als sie den hinteren Teil des Marktplatzes passierten. Nun war Schluss und die Kutsche kam zum Stehen.

 

Es dauerte nicht lange und Sarahs Eltern hatten die Kutsche gefunden.

„Ganz lieben Dank, dass Sarah bei euch mitmachen durfte und dass ihr gut auf sie aufgepasst habt!“, bedankte sich Sarahs Mutter bei den Freundinnen.

„Darf ich euch auf ein Getränk und eine Bratwurst mit Pommes einladen?“, fragte Sarahs Vater.

„Gerne!“, nickten die Bandenmädchen einstimmig.

„Was ist mit Ihnen? Sie sind auch herzlich eingeladen“, wandte sich Sarahs Vater an Astrid, die vom Kutschbock abstieg und Leopold einen Apfel unter die Nüstern hielt.

„Das ist nett von Ihnen, aber ich muss mit Leopold schnell zurück zum Stall“, lehnte Astrid ab.

„Sollen wir nicht mit dir zurück zum Stall fahren und dir helfen?“, bot Kiki ihr an.

„Nein danke, das ist nicht nötig!“, schüttelte Astrid den Kopf. „Ihr solltet lieber hier bleiben und noch euren Spaß haben. Es findet nachher noch eine große Party statt.“

Die Mädchen und Astrid verabschiedeten sich einen Augenblick später voneinander.

„Dann kommt mal mit!“, forderte Sarahs Vater die Mädchen auf. Die Bande folgte ihm zu einem Festzelt.

„Huhu, wir haben uns insgesamt zwei Bänke freigehalten!“, winkte Fiannas Mutter ihnen zu.

 

„Endlich wieder sitzen!“, ließ sich Emily neben Kiki nieder.

„Du hast doch schon gerade die ganze Zeit gesessen, Lily!“, stieß Mathilda sie neckend an. „Oder treten bei dir schon erste Alterserscheinungen auf?“

„Lass dich nicht von dieser Spottdrossel ärgern“, flüsterte Annemieke Emily ins Ohr.

„Ach was, wir sind solche Sprüche von ihr gewohnt oder nicht?“, erwiderte ihre beste Freundin.

„Ja, wenn Matti mal keinen frechen Spruch raushaut, dann muss man sich fragen, ob es ihr noch gut geht“, nickte Kiki bestätigend.

„Was wollt ihr haben?“, kam Fiannas Vater zum Biertisch, an dem die acht Mädchen saßen.

„Was gibt es denn?“, fragte Kiki.

„Ihr dürft gerne ein Getränk bestellen und dann noch einmal Pommes mit Bratwurst“, erwiderte er.

„Gibt es auch etwas anderes als Bratwurst?“, fragte Aylin zögerlich. „Ich esse kein Schweinefleisch."

„Nimm doch einen vegetarischen Burger mit einem Gemüsebratling!“, schlug Lotta vor.

 

„Darf ich auch einen vegetarischen Burger nehmen?“, fragte Emily. „Außerdem brauche ich nicht unbedingt Pommes, denn ich habe vorher schon etwas gegessen.“

Fiannas Vater notierte schnell, was die Mädchen essen und trinken wollten.

„Bleibt sitzen, wir besorgen das schon!“, sagte er und verschwand, worauf sich die Mädchen bedankten.

„Das ist ja wirklich Luxus!“, schwärmte Annemieke. „Wie im Restaurant!“

„Warum nimmst du keine Pommes?“, fragte Lotta Emily.

„Habe ich doch gerade gesagt“, antwortete diese.

„Jetzt mal ernsthaft: fühlst du dich immer noch zu dick?“, bohrte Lotta weiter nach.

„Nein, das nicht“, schüttelte sie den Kopf. Emily, die noch vor knapp einem halben Jahr ziemlich pummelig war, hatte durch eine Diät und viel Sport fast acht Kilo abgenommen und hatte inzwischen eine normale, leicht kräftige Figur.

„Lotta, manchmal gehst du uns mit deinem Gefrage echt auf die Nerven!“, rollte Annemieke mit den Augen.

„Genau, das wollte ich auch gerade sagen“, meinte Kiki.

„Ja, ich weiß, dass ich immer alles wissen will“, seufzte Lotta. „Eine schlechte Angewohnheit, die ich von meiner Mutter habe.“

„Oh seht mal, unsere Eltern sitzen jetzt auch bei Fiannas und Sarahs Eltern!“, stand Annemieke auf, um ihren Eltern kurz Hallo zu sagen.

 

Es dauert beinahe eine halbe Stunde, bis die Mädchen ihr Essen bekamen.

„Lassen wir es uns schmecken!“, wünschten sich die Freundinnen gegenseitig einen guten Hunger und fingen an zu essen.

„Erst jetzt merke ich, dass ich halb am Verhungern bin“, biss Kiki von ihrer Bratwurst ab.

„Stimmt, wir haben echt lange nichts mehr gegessen“, pflichtete ihr Aylin bei.

„Das war auch bitter notwendig“, hatte Mathilda ihr Würstchen in null komma nichts aufgegessen.

„Ich hätte wohl Bock auf ein zweites Würstchen“, hatte Annemieke noch Appetit.

„Was haltet ihr davon, wenn wir gleich noch zusammen ein Softeis essen?“, schlug Kiki vor.

„Au ja, das ist auch eine gute Idee!“, war Fianna von ihrem Vorschlag sofort angetan.

„Ich kann euch sogar eine Runde ausgeben“, zückte Kiki ihr Portemonnaie.

„Ist das nicht bisschen zu viel? Immerhin sind wir zu acht“, zog Emily die Augenbrauen hoch.

„Ach was, das kostet pro Portion 2,50 €“, sagte Kiki.

„Das sind immer noch 20 €“, rechnete Lotta schnell im Kopf aus.

„Kein Ding, schließlich seid ihr doch meine besten Freundinnen und ich habe letztens von meiner Oma 30 € Zeugnisgeld bekommen“, entgegnete sie ihr. Nachdem auch Aylin mit ihrem Essen fertig war, standen die Mädchen auf.

 

„Wir gehen schnell noch ein Eis essen“, meldete sich Fianna bei ihren Eltern ab.

„Braucht ihr noch Geld?“, fragte ihre Mutter.

„Nein danke!“, schüttelte Fianna den Kopf.

„Kommt ihr gleich wieder? Wir werden mit Sarah nach Hause fahren, da sie sehr müde ist“, vergewisserte sich die Mutter von Sarah.

„Ok, es wird nicht lange dauern“, nickte Fianna.

„Sarah darf noch in Ruhe ihr Eis essen und dann fahren wir los“, wandte sich Sarahs Vater an Fianna. Gutgelaunt und Arm in Arm liefen Emily, Lotta, Sarah und Fianna voraus zum Eisstand, der neben der Stadtbücherei aufgebaut war. Aylin, Kiki und die Zwillinge, die sich ebenfalls untergehakt hatten, folgten ihnen.

„Acht Portionen Softeis bitte!“, bestellte Kiki.

„Aber doch nicht für dich alleine!“, machte der junge Mann an der Softeismaschine große Augen.

„Nein nein, ich habe noch meine Freundinnen dabei“, lachte Kiki kurz auf.

„Ok, das macht 20 €“, rechnete der Eisverkäufer ab und fragte: „Welches Topping wollt ihr haben? Erdbeersoße, Schokosoße, Zuckerstreusel, Kokosflocken, Schokostreusel oder Krokant? Ihr könnt euch für eine Soße und eine Art von Streuseln entscheiden.“

Es dauert einen Moment bis jede Freundin ihr Eis hatte.

„Komm wir gehen zum Marktbrunnen!“, schlug Kiki vor, die Mathildas freie Hand nahm. Zwar war rund um den Brunnen keine Bank mehr frei, aber wenigstens konnten sich die Mädchen auf eine niedrige Mauer setzen und ihr Eis genießen.

 

„Hach, ist das ein toller Tag!“, lehnte sich Annemieke überglücklich an Emily an.

„Das sehe ich auch so!“, legte Emily den Arm um sie.

„Hey, ich habe euch schon gesucht“, tauchte Sarahs Mutter auf.

„Ach Menno, ich will noch nicht nach Hause!“, nörgelte Sarah und zog einen Flunsch.

„Du hast aber gerade noch gesagt, dass du ins Bett möchtest und müde bist“, widersprach ihre Mutter energisch.

„Tschüss Sarah, mach’s gut!“, stand Kiki auf und nahm Sarah zum Abschied in den Arm. Nach und nach umarmten auch die anderen Freundinnen sie herzlich. Sarah machte ein Gesicht, als würde sie gleich anfangen zu weinen.

„Du kommst doch bald sowieso noch mal zum Reiten hier her. Du weißt doch, dass wir dir einen Gutschein geschenkt haben“, munterte Fianna sie auf, worauf Sarah kurz zurück lächelte.

„Rufst du mich morgen an?“, fragte Sarah, nachdem Fianna sie fest umarmt hatte.

„Das werde ich!“, versprach Fianna. Gerade als Sarah weg war, fing auf der großen Bühne eine Band an zu spielen.

 

„Hurra, endlich mal Musik!“, freute sich Lotta.

„Zu einem Fest gehört Live Musik definitiv dazu“, fand auch Emily.

„Wollen wir tanzen gehen?“, schlug Kiki vor. „Das Lied, das die gerade spielen, finde ich richtig gut.“

„Ich bin dabei!“, sprang Fianna auf.

„Auf geht’s!“, griff Kiki nach Fiannas und Lottas Händen.

„Party, wir kommen!“, rief Mathilda von weiter hinten.

„Yeah, jetzt wird getanzt, bis es keinen Morgen mehr gibt!“, wurde Aylin von ihrem Übermut angesteckt. Zuerst trauten sich die Mädchen nur um Takt mitzuwippen, da sonst niemand richtig tanzte. Beim vierten Lied kamen drei angetrunkene Männer direkt vor die Bühne, die sich gegenseitig die Arme um die Schulter gelegt hatten und fingen an zu hüpfen.

„Wenn die Erwachsenen so richtig wild tanzen, dann will ich es auch!“, schnappte sich Annemieke die Hände von Lotta und Aylin. Kurz darauf bildete die ganze Bande einen Tanzreigen und drehte sich im Kreis.

„Meine Güte, das muss wohl blöd aussehen!“, kicherte Emily heftig, als Mathilda sie anspornte sich noch schneller zu drehen.

„Jetzt ist genug!“, lies auch Aylin die Hände von Annemieke und Kiki los.

„Witzig war das schon!“, prustete Lotta los. „Aber zum Glück hat uns so keiner gesehen!“

„Und wenn, dann ist auch egal“, zuckte Kiki mit den Achseln und wippte weiterhin im Takt mit.

„Hallo Mädels, ihr scheint viel Spaß zu haben!“, steuerte Fiannas Zwillingsbruder zusammen mit seinem Kumpel Yannik auf sie zu.

„Sieht so aus!“, nickte Fianna.

 

Die Bande feierte noch drei weitere Stunden zusammen mit den anderen anwesenden Leuten das Freudenberger Stadtjubiläum. Als gegen zehn Uhr die Sonne anfing unter zu gehen, kamen die Eltern von Lotta, Fianna und den Zwillingen vor die Bühne, wo ihre Töchter immer noch munter am tanzen waren.

„Wir wollen jetzt nach Hause gehen“, wandte sich Frau O’Hara an ihre beiden Kinder.

„Schade! Wir haben gerade so viel Spaß“, klang Tom leicht enttäuscht.

„Bitte noch ein Lied!“, bettelte Fianna. „Die neue Band ist noch viel besser als die erste Band, da sie nicht nur Coversongs spielt.“

„Wollt ihr denn auch noch mal mit den Erwachsenen tanzen?“, schlug der Vater von Annemieke und Mathilda vor, worauf er große Zustimmung erntete.

„Hallo Kiki!“, kam Kikis Mutter fröhlich winkend auf die Gruppe zu.

„Mama, wir wollen noch kurz zusammen tanzen und zwar tanzen wir zum kommenden Lied zusammen“, lief Kiki auf ihre Mutter zu und nahm sie bei der Hand. Die Band stimmte das nächste Lied an. Die Bandenmädchen und ihre Eltern bildeten insgesamt vier Tanzkreise, wobei die Kreise teilweise umeinander herum tanzten.

„Sieh mal, der ganze Marktplatz tanzt mit!“, raunte Fianna Aylin zu.

„Dann haben wir wohl die anderen Menschen mit unserem Tanzfieber angesteckt“, zwinkerte ihre beste Freundin ihr zu.

 

„Jetzt geht es nach Hause!“, schnappte Frau O’Hara Fianna und Tom.

„Bringen wir Aylin nach Hause?“, fragte Fianna ihre Eltern, die ihren Arm um ihre beste Freundin legte.

„Das machen wir“, nickte ihr Vater.

„Lily, du kannst bei uns mitfahren!“, rief Annemieke.

„Ach man, dass so ein toller Abend so schnell vorbei sein muss!“, bedauerte Lotta.

„Nicht traurig sein, es kommen bestimmt noch weitere tolle Partys auf uns zu!“, legte ihr Kiki den Arm um die Schulter. Nun verabschiedeten sich die Bandenmädchen untereinander, bevor sie auseinander gingen. Fianna, Aylin, Emily und die Zwillinge gingen noch ein Stück gemeinsam, da die Eltern von Fianna und der Zwillinge im gleichen Parkhaus geparkt hatten.

„Schau mal, wie groß der Mond ist!“, raunte Annemieke ihren Freundinnen zu. Hinter den Bäumen ging ein riesiger goldoranger imposanter Vollmond auf.

„Oh ja, der ist es riesig“, fand auch Aylin.

„Stimmt, heute ist Vollmond“, nickte Emily. Bei Emily und Aylin untergehakt, schlenderte Fianna durch die Gassen und genoss den lauen Sommerabend.

 

 

 

Extra: Tagebucheintrag von Fianna

Eintrag vom 15.08: Ein schöner Reitnachmittag

 

Hi, liebes Tagebuch!

 

Hier melde ich mich wieder! Heute hat Sarah zusammen mit mir ihren Reitgutschein eingelöst, den sie zusammen von mir und meinen Bandengirls zu ihrem 15.Geburtstag bekommen hat. Als Sarah kurz nach dem Mittagessen vor der Tür stand, war ich total baff. Sie hat sich eine schicke Bobfrisur schneiden und dazu noch blaue Strähnchen machen lassen. Anders als zuvor trug sie ihren Pony halblang und hatte ihre Haare zu einem Seitenscheitel gekämmt. Somit sieht nicht mehr wie eine Zwölfjährige aus, sondern wie ein Teenie. Manchmal wünschte ich, dass ich auch über meinen Schatten springen und mir meine Haare kürzer schneiden könnte, aber ich hänge einfach zu sehr an meinen langen Haaren. Es ist so schön, wenn sie in der Sonne wie Rotgold leuchten. 

 

Jedenfalls war der Nachmittag für Sarah ein wunderschönes Erlebnis. Nach dem geführten Ausritt um die Getreidefelder wollte sie nicht wieder von Rockys Rücken absteigen und schlug stattdessen vor, dass wir uns in der Scheune verstecken, damit uns die Erwachsenen nicht finden würden. Gerade als wir Gustav und Rocky wieder auf die Wiese brachten, flitzte Sarah los und ich lief ihr nach. Wir rannten durch die offene Scheunentür und kletterten die Holzleiter zum Heuboden hoch. Lachend vergruben wir uns im Heu und waren dann auf einmal ganz still, damit uns niemand fand. Kurz darauf klingelte mein Handy und meine Mutter war dran. Nun mussten wir unser Versteck verlassen und kamen mit Heu in den Haaren wieder die Leiter herunter geklettert. Unsere Mütter konnten sich auch nicht mehr das Lachen verkneifen und so lachten wir einen Moment lang alle zusammen, was mit der schönste Augenblick an diesem Nachmittag war. 

 

Der Abschied von Sarah wurde ein wenig sedimental, obwohl wir uns felsenfest versprachen, dass wir miteinander in Kontakt bleiben werden. Sarah lud mich zu einer Pyjamaparty am ersten Wochenende nach den Ferien ein und erzählte mir, dass auch zwei weitere Freundinnen von ihr kommen werden. Na, dann bin ich mal gespannt, wie ihre anderen Freundinnen sein werden. Denn schließlich hat sie bis jetzt nur meine Freundinnen kennen gelernt.

So liebes Tagebuch, ich mache an dieser Stelle Schluss! Mama ruft gerade von unten aus der Küche, dass es Abendbrot geben soll.

 

Deine Fianna :)

 

Ps: Bald sind die Ferien vorbei. Auf die Schule freue ich mich allerhöchstens nur, weil ich all meine Freundinnen wieder sehen werde

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.06.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meine treusten Leser: Betty, Anika, Anna, Sarah, Chris,...

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