Summend deckte Vivien den Tisch im Wohnwagen. „Verdammt noch mal!“, hörte sie im nächsten Moment ihre beste Freundin Aylin fluchen. „Was ist passiert?“, wollte Vivien wissen. „Mir sind die Cupcakes runter gefallen“, schimpfte Aylin, „Jetzt sind sie nicht mehr schön wie vorher“ „Egal, schmecken tun sie bestimmt immer noch“, legte sie ihrer Freundin die Hand auf die Schulter und half ihr beim aufsammeln. „Die sind dir richtig toll gelungen“, schwärmte Vivien und begutachtete einen Cupcake in Regenbogenfarben näher. „Ich habe ein neues Märchenkochbuch“, erzählte Aylin stolz. „Wollten die anderen nicht schon um vier kommen? Jetzt ist es schon Viertel nach Vier“, hörten sie Emily sagen, die gerade den Tee aufsetzte.
„Ich finde es gar nicht schlecht, wenn sich Lotta, Fianna und co verspäten“, meinte Vivien, „Wir sind noch nicht ganz fertig“ Heute war ein Samstag. Normalerweise fanden die Bandentreffen freitags statt, doch da der Rest der Bande erst während der Nacht aus Frankreich zurückkam, wurde das Treffen für heute angesetzt. „Es wird langsam überfällig, dass wir alle wieder beim Kaffeeklatsch zusammen sitzen“, fand Emily, „Ach, wie sehr habe ich Micky und die anderen vermisst“ „Stimmt, ohne sie war einfach kein Leben in der Bude“, pflichtete ihr Aylin nickend bei. „Yeah, heute ist Rote-Sieben-Zeit!“, freute sich Vivien und griff nach Aylins Hand. „Hoffentlich sind die anderen mit dem zufrieden, was wir ihnen bieten“, lehnte sich Emily gegen den Küchenschrank. „Klar, wir tischen deine Erdbeerschnitten, meine Brownis und Aylins Cupcakes auf. Das muss für sieben hungrige Mädels reichen“, nickte Vivien.
Kaum waren die drei Mädchen fertig mit dem Decken rissen die Zwillinge die Tür auf und stürmten herein. „Wie zwei Wirbelwinde!“, dachte Vivien bei sich. „Micky! Matti!“, riefen die Freundinnen mehrstimmig und fielen ihnen um den Hals. „Hast du eine neue Haarfarbe?“, drehte Aylin eine von Mathildas wilden Locken zwischen ihren Fingern. „Na klar, Elodie konnte mir einen guten Friseur empfehlen. Ganz ehrlich ich mochte meine alte Haarfarbe nicht mehr, da sie nicht zu mir passte. Micky und Elo haben mich überredet, dass ich Kastanienbraun ausprobiere“, erzählte Mathilda. „Steht dir besser, als dieses ganz dunkle Braun!“, fand Vivien und bewunderte Mathildas wildes Haar, das im Sonnenlicht einen rotbraunen Glanz hatte. „Hut ab, Mädels, wie ich sehe, habt ihr euch richtig Mühe gegeben“, lobte Annemieke ihre Freundinnen und warf einen begehrenden Blick auf den Kuchen. „Hey schaut mal, da kommen Lotta und Fianna!“, stürzte Vivien ans Fenster. Untergehakt schlenderten die beiden Mädchen auf den Wohnwagen zu.
„Tada, da kommen unsere beiden professionellen Trödeltanten von der Schnecken GmbH“, konnte sich Mathilda einen frechen Kommentar nicht verkneifen, worauf Lotta eine Grimasse schnitt und Fianna ihr die Zunge rausstreckte. Es gab ein großes Hallo und es wurde ohrenbetäubend laut in ihrem Bandenquartier. Die Bandenmädchen lagen sich in den Armen, als wären sie Jahrzehnte voneinander getrennt gewesen. „Hurra, schön, dass ihr wieder da seid!“, schloss Emily die beiden Mädchen in ihre Arme. Juhu, endlich waren sie wieder vollständig. Naja, fast vollständig, schließlich fehlte Kiki. „Komm, wir essen endlich was, ich kriege Hunger“, setzte sich Emily an den Tisch. „Oh ja, ich könnte ich gerade ein Pferd verputzen“, nickte Fianna. „Aber nicht meins!“, rief Lotta. „Und meins schon mal gar nicht!“, fügte Emily hinzu, worauf Vivien und die Zwillinge zu kichern anfingen.
„Wollen wir auch ein Tischgebet aufsagen?“, scherzte Lotta. „Tischgebet?“, war Emily ganz perplex. „Glaub mir, Juliens Eltern sind streng katholisch und haben vor jeder Mahlzeit ein Tischgebet aufgesagt“, erzählte ihre Freundin. Vivien verstand nur die Hälfte von dem, was Lotta gerade auf Französisch aufsagte, da sie so schnell sprach. Kaum hatte Lotta ihr Gebet zum Besten gegeben, fingen die Zwillinge mit einem französischen Kinderreim an und danach trällerte Fianna einen französischen Chanson. „Kinder, Kinder, Kinder! Verschont mich damit“, hielt sich Emily gespielt die Ohren zu. „Das ist nicht euer Ernst, Mädels, wir sind nicht in einer Französischstunde!“, protestierte nun auch Aylin, „Ich verstehe gerade nur Bahnhof“ „Genau, wenn wir reden, dann nur auf Deutsch“, beharrte Vivien. „Da bin ich dabei“, stimmte Mathilda ihr zu, „Die deutsche Sprache ist nun mal viel einfacher und nicht so affektiert“
Die Mädchen langten ordentlich zu. Am schnellsten waren Emilys Erdbeerschnitten mit Vanillepudding weg. „Davon hättest du gleich zwei oder drei Bleche backen können, Lily, es schmeckt einfach himmlisch“, schwärmte Fianna, die ihr zweites Stück Erdbeerkuchen auf dem Teller hatte. „Von meinen Brownis könnt ihr euch gerne bedienen“, hielt Vivien ihren Freundinnen die Schüssel hin. „Gerne, ich nehme mir gleich einen, wenn ich den Cupcake aufgegessen habe“, sagte Mathilda mit vollem Mund, worauf sie sich von ihrer Schwester einen heftigen Rippenstoß einfing. „Man redet nicht mit vollem Mund, Matti“, tadelte Emily sie mit verstellter Stimme, worauf Mathilda beleidigt tat und ihre Freundinnen in ein albernes Lachen ausbrachen. „Hey Mädels, könnt ihr mal kurz ruhig sein“, bat Lotta um Aufmerksamkeit. „Worum geht es?“, spitzte Aylin die Ohren. „Die Piranhas haben uns in Frankreich darauf angesprochen, ob wir Lust hätten mit ihnen eine Fahrradtour zum Sterntalersee zu machen und dort einige Tage zu zelten“, fuhr ihre Freundin fort. „Ich bin dabei, das ist eine grandiose Idee“, jubelte Emily und tauschte mit den Zwillingen Highfives aus.
„Wann soll die Fahrradtour sein?“, erkundigte sich Vivien. „Gleich am Anfang der Sommerferien in etwa zwei Wochen“, antwortete Annemieke. „Das wird bestimmt ein super Summer“, setzte Mathilda fröhlich an und fügte etwas traurig hinzu, „Aber leider auch unser letzter Sommer, den wir gemeinsam verbringen“ „Leute, denkt an jetzt und nicht an die Zukunft“, warf Fianna ein, „Hier soll keiner in Wehmut ausbrechen“ „Das Beste ist, dass am Sterntalersee ein Festival stattfindet, wenn wir da sind“, erzählte Lotta mit strahlenden Augen. „Sommer, Sonne, Strand und supergeile Musik!“, jauchzte Mathilda und ließ über ihr Handy ein fetziges Lied abspielen. Aufgedreht hüpften Fianna, Vivien und die Zwillinge durch den Raum. „Hey, nicht so wild, Mädels!“, ermahnte Emily die tobenden Freundinnen. „Matti, mach endlich mal die fürchterliche Musik aus, das kann man sich nicht antun“, verzog Lotta ihr Gesicht. „Was hast du denn?“, fragte sie Mathilda leicht pikiert, „Das ist beste Elektropop Mucke“ „Trotzdem gar nicht mein Geschmack“, meinte Lotta. „Aber du ziehst dir immer solche Säuselsänger, wie James Blunt oder Justin Timberlake rein. Das ist reinster Schmalz“, sagte Mathilda spöttisch. „Da gibt es noch andere Sänger, die viel schmalziger sind“, mischte sich Aylin ein, „Justin Timberlake mag ich persönlich auch sehr gerne“
„Mädels, ich glaube, wir sind sehr stark vom Thema abgekommen“, versuchte Lotta ihre Freundinnen auf das Thema Radtour zurück zu bringen. „Aber du warst doch diejenige, die…“, plapperte ihr Mathilda dazwischen. Weiter kam sie nicht, da ihr Annemieke den Mund zuhielt. „Fall doch nicht jedem ins Wort“, ermahnte sie ihre Zwillingsschwester leise. „Die Piranhas haben geplant am Tag der Zeugnisvergabe loszufahren“, übernahm Lotta wieder das Wort, „Wir treffen uns nachmittags in ihrem Schrebergarten nebenan. Jeder bringt Proviant, Luftmatratze, Anziehsachen, Schlafsack, Badezeug und co selbst mit. Das mit den Zelten müssen wir jetzt noch regeln“ „Lotta, hattest du nicht ein Zelt für fünf Personen, worin wir während der Kanutour vor zwei Jahren geschlafen haben?“, schnellte Viviens Hand nach oben. „Klar, das werde ich auf jeden Fall mitnehmen“, nickte sie. „Unser Zelt werden wir auch einpacken, darin können drei Personen schlafen“, meldete sich Annemieke zu Wort. „Ich kann noch ein kleines Zelt mitbringen, darin können wir unsere Taschen lagern“, schlug Fianna vor. „Das ist keine schlechte Idee, dann stauen sich die Koffer nicht direkt neben uns“, klang Emily überzeugt. „Wie lange wollen wir zelten?“, fragte Vivien in die Runde. „Angepeilt waren vier oder fünf Nächte“, antwortete Lotta, „Wenn es uns dort sehr gut gefällt, können wir noch ein oder zwei weitere Tage bleiben“
„Alles schön und gut“, seufzte Aylin schwer, „Aber wie ich meine Eltern kenne, machen sie mir einen Strich durch die Rechnung. Besonders mein Vater wird es mir auf keinen Fall erlauben, dass ich vier Tage alleine weg bin“ „Meine Güte, Aylin, lass dir von deinem Vater nicht alles verbieten! Du bist kein kleines Kind mehr. In nicht einmal zwei Jahren bist du volljährig und kannst machen, was du willst“, sah ihr Mathilda direkt in die Augen. „Genau, du konntest deine Eltern sonst immer austricksen“, legte Annemieke ihre Hand auf Aylins Schulter. „Du musst es versuchen, Aylin!“, bettelte nun Emily, „Das ist unser letzter Sommer in Freudenburg. Nach den Sommerferien ziehe ich weg und ich will mit euch unbedingt noch ein paar schöne Tage verbringen“ „Außerdem freue ich mich auf unsere erste richtige Tour mit den Piranhas“, war Lotta außer sich vor Freude. „Es muss einfach klappen“, war Mathilda entschlossen. „Kommt Kiki eigentlich mit?“, fragte Emily. „Na klar, schließlich hat Lennart sie informiert. Er war derjenige, der diese Idee hatte“ Wieder brach Jubel aus.
Kiki kam inzwischen nur noch alle paar Monate nach Freudenburg und stattete ihrer Bande einen Besuch ab. Dafür fuhr Lennart umso öfter zu ihr nach Mainz. Die Bandenmädchen und ganz besonders Mathilda vermissten sie sehr. Vivien mochte Kiki auch sehr gerne. Es war schon merkwürdig gewesen am Anfang, als Kiki nicht mehr da war. Doch die Roten Sieberinnen hatten sich damit abgefunden und seitdem führten entweder Emily, Mathilda oder Lotta die Bande an. Obwohl Kiki weit weg wohnte, war sie immer noch die einzig wahre Bandencheffin. „So Mädels, ich muss jetzt los“, verkündete Fianna. „Was? Wir haben es schon fast acht Uhr!“, fiel Emily fast aus allen Wolken. „Da kannst du sehen, wie schnell die Zeit vergeht“, meinte Lotta. „Stimmt, die Zeit rennt unglaublich“, nickte Mathilda, „Fast kommt es mir so vor, als hätten wir die Bande erst gestern gegründet“ „Stimmt“, pflichtete Emily ihr bei, „Die letzten vier Jahre sind sehr schnell vergangen, vor vier Jahren waren wir noch Kinder und jetzt sind wir fast erwachsen“
Nachdem sich die Freundinnen voneinander verabschiedet hatten, fuhren sie in alle Himmelsrichtungen davon. Vivien fuhr ein ganzes Stück mit Aylin zusammen. „Das wird toll, wir zusammen für vier Tage am See. Jeden Tag schwimmen, Eis essen, Tretboot fahren und Lagerfeuer! Sterntalersee, allein wie malerisch der Name schon klingt“, konnte Vivien ihre Freude kaum bändigen. „Sag mal, hat deine Mutter eigentlich nichts dagegen? Geh mal davon aus, dass sie nicht sonderlich begeistert ist, dass ihre sechzehnjährige Tochter alleine mit ihren Freunden am See zelten will“, warf ihre beste Freundin ein. Mit einem Mal hatte ihre Vorfreude einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Warum musste Aylin das gerade jetzt sagen und warum war sie so pessimistisch? „Ich denke schon, dass sie es erlaubt“, sagte Vivien, „Ich werde gleich beim Abendessen mit ihr darüber sprechen“ „Ich muss mir bei meinen Eltern etwas einfallen lassen“, meinte ihre Freundin, „Aber ich konnte sie schon mehrmals überlisten“ An der nächsten Straße trennten sich ihre Wege. Aylin bog in eine Siedlung mit Mehrfamilienhäusern ein und Vivien fuhr geradeaus. Als sie fast das Tor erreicht, fiel ihr ein, dass sie noch ihre Ziege Kitty versorgen musste. Mit einem Mal war sie richtig nervös, als sie an das bevorstehende Gespräch mit ihrer Mutter dachte. Wehe, sie erlaubte es ihr nicht.
Zuhause angekommen versorgte Vivien Kitty mit frischem Heu und Wasser. Trotzdem meckerte die Ziege die ganze Zeit und stupste mit der Schnauze gegen die Tür des alten Schuppens. Vivien wusste, was Kitty wollte. Da das Wetter gut war, ließ sie ihre Ziege im hinteren Teil des Gartens laufen. Erst letztens hatte sie mit ihrem älteren Halbbruder Marlon einen Auslauf gebaut. „Hi Vivien, da bist du endlich“, rief ihre Mutter von der Terrasse, „Hattest du einen schönen Nachmittag mit deinen Freundinnen?“ „Na klar, es war so toll Lotta, Annemieke und die anderen wieder zu sehen“, nickte sie, „Wie sehr ich sie die letzten Wochen vermisst habe, als sie in Frankreich waren“ „Komm Süße, ich habe hier den Tisch auf der Terrasse gedeckt und die Ravioli sind schon auf deinem Teller“, sagte ihre Mutter.
„Wo ist eigentlich Samuel?“, fragte sie, als sie sich gesetzt hatte. „Er ist auf einer Lan-Party bei seinem besten Freund und übernachtet dort“, erwiderte ihre Mutter. Als sie sich gegenseitig einen guten Appetit gewünscht hatten und mit Himbeerlimonade auf ihren gemütlichen Mutter-Tochter-Abend angestoßen hatten, begannen sie zu essen. Vivien merkte, dass sie wieder guten Hunger hatte, obwohl sie sich vorhin im Wohnwagen ordentlich mit Kuchen voll gestopft hatte. Da stand immer noch das Gespräch über ihr Zelten am Sterntalersee aus. Am besten wartete sie noch einen Moment, denn gerade wollte sie sich nicht den Appetit verderben lassen, gerade wo die Ravioli in Tomatensoße und blanchiertem Gemüse so köstlich schmeckten. Stattdessen lauschte sie lieber den Vögeln und ließ ihren Blick über den Gemüsegarten schweifen.
„Mama“, begann Vivien zögerlich. „Ja, was gibt es, Schätzchen?“, sah ihre Mutter von ihrem leeren Teller auf. „Meine Freundinnen und ich wollen am Ferienanfang für mehrere Tage am Sterntalersee zelten. Die Piranhas, eine befreundete Bande von uns will auch mitkommen“, fuhr sie fort. „Willst du mich jetzt um Erlaubnis fragen?“, hakte ihre Mutter nach. „Genau, das habe ich vor“, nickte sie. „Ich würde dir gerne den Spaß mit deinen Freundinnen lassen, aber mir ist dabei selbst nicht ganz wohl“, sagte ihre Mutter langsam. „Was heißt das?“, wollte Vivien wissen. Nun geriet ihre Mutter richtig ins Grübeln. „Ich würde dir es sehr gerne erlauben, wenn da nicht meine Angst wäre, dass euch dort etwas passieren könnte. Zumal du vor einem Monat erst sechzehn geworden bist“, meinte sie. „Mama, das heißt noch gar nichts“, streckte Vivien selbstbewusst ihre Brust raus, „Ich bin zwar die Jüngste der Bande, aber das heißt nicht viel. Ich kann genauso viel Verantwortung tragen und auf mich selber aufpassen, wie eine erwachsene Person. Außerdem bin ich mit über zehn anderen Personen unterwegs. Ein Junge von den Piranhas ist bereits achtzehn“ „Glaubst du, dass die anderen Eltern ihren Töchtern das erlauben?“, sah ihre Mutter sie stirnrunzelnd an.
„Na klar“, nickte Vivien heftig, „Die Eltern von Kiki, Lotta, Emily und den Zwillingen sind in dieser Hinsicht sehr locker und haben damit kein Problem, dass ihre Töchter mit ihren Freundinnen campen“ „Wäre der Sterntalersee hier in der Nähe oder nur wenige Kilometer entfernt, hätte ich damit keine Probleme“, fuhr ihre Mutter fort, „Wie ich weiß, ist der Sterntalersee knapp vierzig Kilometer von hier entfernt, daher ist es mir zu weit“ „Vierzig Kilometer nennst du weit?“, sah Vivien sie mit großen Augen an, „Ich bin vor ein paar Wochen zu Kiki nach Mainz gefahren und habe bei ihr übernachtet“ „Da waren auch ihre Eltern dabei“, betonte ihre Mutter. „Zum letzten Mal, Mama, wir sind in einer großen Gruppe unterwegs und was soll uns schon passieren“, stöhnte Vivien genervt. „Da kann viel passieren, allein bei der Fahrradtour kann man stürzen und sich verletzen“ „Dann müsstest du jeden Tag Angst um mich haben, wenn ich mit dem Fahrrad zur Schule oder zum Wohnwagen fahre“, geriet Viviens Stimme immer mehr ins Spöttische.
„Versuche doch deine Freundinnen zu überreden, dass ihr eine kürzere Fahrradtour macht und am Abend zurückkommt“, trat ihre Mutter von hinten an sie heran und legte ihr die Hand auf den Oberarm. „Das ist ausgeschlossen!“, schüttelte sie die Hand ihrer Mutter ab. Jetzt war Vivien richtig wütend und es fehlte nicht viel und sie würde platzen. Da kam ihr die Idee. Erst letztens hatte sie zu ihrem Geburtstag ein neues Handy bekommen, ein richtiges Smartphone. „Mama, ich werde auf jeden Fall mein Handy mitnehmen, sodass du mich immer erreichen kannst“, versprach sie. „Okay, dann verspreche mir, dass du dich mindestens vier oder fünf Mal meldest“, nickte ihre Mutter. „Heißt es, dass ich mitfahren darf?“, klang Vivien mit einem Mal ganz aufgeregt. „Ja, du kannst mitfahren“, bestätigte ihre Mutter. Jauchzend flog ihr Vivien um den Hals und übersäte sie mit Küssen. Ihre Mama war die Beste! Dann rannte Vivien wie ein kleines Mädchen durch den Garten. Diesen Triumph musste sie mit Kitty feiern. Mit einer Möhre lockte sie ihre Ziege herbei und vergrub ihr Gesicht in Kittys Fell. Es war einfach der beste Abend seit langem!
„Und habt ihr eure Eltern überreden können?“, erkundigte sich Lotta bei ihren Freundinnen, als sie am Montagmorgen in der großen Pause im Schatten der großen Eiche standen. „Klar, bei uns war das kein Thema. Nur wir sollen uns ab und zu melden“, nickte Annemieke. „Meine Mutter musste ich erstmal an die Wand reden, bis sie nachgegeben“, warf Vivien ein, „Ihr glaubt gar nicht, was für große Bedenken sie erst hatte“ „Klar, die Bedenken hatte meine Mutter auch“, erzählte Fianna, „Bis Dad meinte, dass ich groß genug sei um ein paar Tage alleine wegzufahren“ „Bedenken hin und her, langsam müssten unsere Eltern checken, dass wir nicht mehr so klein sind wie vor vier oder fünf Jahren“, meinte Mathilda und biss in ihren Apfel. „Wir sind als Bande schon mindestens zweimal richtig verreist und haben genug Reiseerfahrung, nicht wahr, Mädels?“, schaute Lotta auffordernd in die Runde. „Aber hallo!“, nickten die Zwillinge synchron, worauf Fianna und Lotta belustigt grinsten. Es sah schon immer putzig aus, wenn die beiden Schwestern das Gleiche taten oder sagten, als käme es von einer Person.
„Wisst ihr wie ich meine Eltern ausgetrickst habe?“, hob Aylin an und machte eine Kunstpause. „Na komm schon, spann uns nicht auf die Folter!“, platzte es vorlaut aus Fianna heraus und stupste sie leicht an. „Ich habe meinen Eltern erzählt, dass ich am Tag, wo es Zeugnisse gibt zu meinem Cousin fahre. Zuvor habe ich meinen Cousin angerufen und ihn in meinen Plan eingeweiht. Er will sogar mitspielen und mit meinen Eltern sagen, dass ich bei ihm bin, falls sie bei ihm anrufen. So kann ich doch mitfahren“ „Juhu, du bist ein Genie, Aylin!“, drückte Fianna ihren Arm. Die beiden Freundinnen veranstalteten Hand in Hand einen Freudentanz, bis sie ein paar zickige Mädchen kichern hörten und ein Junge mit dem nackten Fingern auf sie zeigte. Das konnte die Freude der Bandenmädchen nicht schmälern. „Du bist ein richtig schlaues Kerlchen“, legte Mathilda den Arm um Aylin, „Das ist nicht das erste Mal, dass du deine Eltern überlistet hast“
„Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich meinen Eltern einen vom Pferd erzählt haben“, musste Aylin plötzlich grinsen, „Ich habe ihnen Jahre lang vorenthalten, dass ich am Reitunterricht teilnehme und die Nachmittage mit euch im Wohnwagen verbringe“ Zu Feier des Tages teilte Lotta an ihre Freundinnen eine Runde Kinderriegel aus. „Na, tagt wieder euer Kriegsrat?“, gesellte sich Jannis mit den anderen Piranhas zu ihnen. „Ich würde es eher den Campingrat nennen“, erwiderte Lotta. „Aha, macht ihr euch also schon Gedanken darum?“, sagte Sven gedehnt. „Aber hallo, das ist nicht mehr all zu lange hin. Die Anfahrt, die Verpflegung, die Zeltaufteilung und der Transport der Zelte müssen noch organisiert werden“, antwortete Annemieke, als wäre es das Selbstverständlichste dieser Welt. „Und wo wir uns mit Kiki treffen“, fügte Mathilda hinzu. „Natürlich am Bahnhof“, meinte Michael sofort.
„Was hält ihr davon, wenn wir uns übermorgen bei uns im Schrebergarten treffen? Dann können wir planen, wer was mitbringt und was wir am See unternehmen können“, schlug Jannis vor. „Da kann ich aber nicht“, schüttelte Lotta den Kopf, „Da habe ich ab vier Uhr Schwimmtraining“ „Aber das wird doch nicht stundenlang dauern“, zischte ihr Mathilda ins Ohr. „Okay, dann setzten wir das Treffen um halb Sieben an“, beschloss Jannis. „Wie wäre es, wenn Micky etwas bäckt und kleine Häppchen fertig macht?“ „Bin ich euer Cateringservice?“, tippte sich Annemieke gegen die Stirn, „Sorry, ich habe selbst noch einige zu tun, ich muss noch für den nächsten Orchesterauftritt am Freitag üben“ „Na gut, dann gibt es eben nur Salzstangen, Chips und Cola“, meinte Sven. „Oh, ich kann noch Bockwürstchen und Pizzabrötchen mitbringen“, rief Michael begeistert.
„Jungs, ist euch aufgefallen, dass ihr wieder nur an Essen denkt?“, stichelte Fianna los, „Wir weichen mal wieder total vom Thema ab“ Ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, sagte Ömer nur, „Okay, dann sehen wir uns Mittwochabend in unserem Schrebergarten“ Kurz darauf gongte es zum Pausenschloss. Zufrieden hängte sich Vivien bei Aylin und Fianna ein. Nun konnten die Ferien und der Sommer kommen. Hoffentlich war das Wetter da besser als momentan, wo es immer wieder Schauer gab. An der Treppe trennten sich ihre Wege, Viviens Klasse hatte jetzt eine Doppelstunde Kunst. Fianna, Lotta und die Zwillinge mussten hoch zum Physiksaal. „Bis nachher!“, winkte Aylin den Freundinnen hinterher. „Okay, vier Uhr in der Eisdiele“, drehte sich Lotta noch einmal um.
Am Nachmittag des Abreisetages machten sich die Roten Siebenerinnen und die Piranhas auf dem Weg zum Bahnhof. Sven, Max, Ömer und Michael zogen hinter ihren Fahrrädern große Anhänger mit den ganzen Koffern, Zelten und Proviant hinter sich her. Nun fehlte nur noch Kiki. „In fünf Minuten muss sie kommen“, warf Mathilda einen ungeduldigen Blick auf die große Bahnhofsuhr und eilte mit ihrer Schwester und Fianna voraus. „Seht mal, der Zug hat zehn Minuten Verspätung“, zeigte Lotta auf die Anzeigetafel. „Ach manno, nicht das schon wieder!“, maulte Mathilda, die warten hasste. „Zehn Minuten werdet ihr auch noch tot kriegen“, wandte sich Ricardo an die Mädchen. Die Mitglieder beider Banden waren in Gespräche vertieft, als der Zug endlich einrollte und endlich zum Stehen kam. „Haltet Ausschau nach Kiki!“, raunte Mathilda ihren Freunden zu. Es stiegen nur relativ wenige Leute aus, darunter eine Gruppe älterer Herren, eine Frau mit Kinderwagen und ein etwa zehnjähriges Mädchen mit einem lila Koffer.
Aber Kiki sahen sie nicht auf dem ersten Blick. „Dahinten ist sie!“, stürmte Fianna los und die Zwillinge folgten ihr. Lotta, die die längsten Beine hatte, zog an ihnen vorbei. Bevor Kiki den Mund aufmachen konnte, hatte sich Lotta in ihre Arme geworfen und wirbelte mit ihr herum. „Hey hey, nicht so stürmisch meine Lieben!“, lachte Kiki herzlich. „Ey, das ist meine beste Freundin!“, stieß Mathilda Lotta unsanft weg und umarmte Kiki fest. „Ihr und eure Kindereien“, kam Emily kopfschüttelnd hinterher. Nachdem Kiki all ihre Bandenschwestern in den Arm genommen hatte, kam Lennart an die Reihe, der am geduldigsten gewartet hatte und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Schön, dass wir komplett sind und die Ferien begonnen haben“, strahlte Annemieke über beide Backen und hängte sich bei ihrer Schwester ein.
„Hast du ein neues Fahrrad?“, blieb Vivien vor Kikis neonorangen Mountainbike stehen. „Ja, das hat mir mein Stiefvater vor kurzem erst geschenkt“, nickte sie und richtete ihren weißen Sonnenhut. „Was hast du mit deinem alten Fahrrad gemacht?“, fragte Aylin. „Das steht bei mir zuhause in der Garage, damit fahre ich immer zur Schule“, erwiderte Kiki, „Als ob ich mein heiß geliebtes rotes Holländerfahrrad einfach zum Schrottplatz bringe“ „Huhu Mädels, wir brechen auf“, schwang sich Jannis auf sein Fahrrad und gab die Richtung vor. Die anderen folgten ihm. An den großen Hauptverkehrsstraßen konnten sie nicht nebeneinander her fahren und sich nicht unterhalten, dabei war auf den Straßen zu viel los. Umso erleichtert waren Vivien und ihre Freundinnen, als sie bald aus der Stadt raus waren. Auf den Feldwegen konnten sie mindestens zu zweit oder zu dritt nebeneinander her fahren.
Vivien fuhr mit Kiki, Emily und den Zwillingen zusammen im Pulk. „Wie waren eigentlich eure Zeugnisse?“, fragte Kiki, „Meins ist ganz solide, obwohl ich hätte in den Sprachen besser abschneiden können“ „Ich bin ganz zufrieden, obwohl ich in Mathe, Politik und Geschichte eine Drei habe und in Physik eine Vier. Zum Glück bin ich in den anderen Fächern besser“, meinte Annemieke. „Sagen wir mal so, hätte ich mehr für die Schule getan, hätte ich besser abschneiden können. Wenigstens habe ich eine Eins in Musik und Zweien in Sport, Bio und Erdkunde“, sagte Mathilda dazu, die nicht für ihren Fleiß berühmt war. „Ich habe das beste Zeugnis seit langem“, war Vivien sehr zufrieden, „In Biologie und Musik habe ich sogar eine Eins bekommen. Nur in Chemie habe ich eine Vier, sonst nur Zweien und Dreien“ „Freut mich für dich, Vivi!“, gab ihr Kiki während des Fahrens einen Highfive. „Mein Abschlusszeugnis der Realschule ist auch ganz in Ordnung: 2,6! Darüber kann man nicht meckern. Vielleicht hole ich nach der Ausbildung mein Abitur nach“, schaltete sich Emily in das Gespräch ein. Während sich die Mädchen sich lebhaft unterhielten, merkten sie nicht, dass ein ganzes Stückchen abgehängt wurden. Sie mussten ordentlich in die Pedale treten, um wenigstens zu Lotta, Aylin und Fianna aufzuschließen.
Nach den ersten fünfzehn Kilometern machten sie die erste Pause. Die Zwillinge verteilten ihre selbstgebackenen Blaubeermuffins. „Jeder nur einen, sonst bleibt nichts mehr übrig, denn wir haben den ganzen Tag dafür in der Küche geschuftet und wir wollen in den nächsten Tagen noch etwas davon haben“, beharrte Annemieke. Nachdem sich die Jugendlichen gestärkt hatten, ging es weiter. Kiki und Lennart schafften es ein ganzes Stück Hand in Hand zu fahren. „Ihr verliebten Hühner, nie könnt ihr voneinander lassen!“, zog Mathilda die Beiden auf. „Lass sie doch, sie sind frisch verliebt“, sagte ihre Schwester. Vivien war froh, dass es wenigstens eine intakte Beziehung zwischen den Roten Siebenerinnen und den Piranhas gab. Die Beziehung zwischen Sven und Mathilda war vor wenigen Monaten jämmerlich zu Bruch gegangen. Vivien hatte sich mal mehr, mal weniger nach einem festen Freund gesehnt. Vielleicht würde sie es bald schaffen sich mit Niels zu treffen, den sie auf einer Internetplattform kennen gelernt hatte. Was er süße Komplimente er machen konnte, wenn sie ihm Bilder von sich schickte.
Die Tour zog sich lange hin. Vivien befürchtete, dass sie in den nächsten Tagen sich vor lauter Muskelkater nicht richtig bewegen konnte. „Ich habe nicht gedacht, dass 40 Kilometer so lang sein können“, stöhnte Emily bei der nächsten Pause. „Noch genau sechs Kilometer. Das schaffst du, Emily!“, klopfte ihr Jannis aufmunternd auf die Schultern. „Aua, auf meinem Hintern werde ich heute Abend nicht mehr sitzen können“, klagte Annemieke, die auf ihren Knien im Gras hockte. „Geht mir aber genauso“, nickte Aylin. „Wenn wir die Zelte nachher aufgebaut haben, können wir ganz entspannt die Seele baumeln lassen und uns an den See setzen“, stellte ihnen Lotta in Aussicht. „Ich glaube, ich werde heute nicht mehr alt. Ich werde mich gleich zum Schlafen ins Zelt legen“, legte Mathilda ihren Kopf auf Kikis Schulter. Seite an Seite schlossen die beiden Mädchen für einen Augenblick die Augen.
„Hey, macht bloß nicht schlapp! Ihr seid sonst immer die Quirligsten von uns“, gab Fianna den Freundinnen einen sanften Stoß. „Heute ausnahmsweise nicht“, gähnte Kiki. „Wir könnten die Zelte für diese Nacht hier aufschlagen und dann morgen weiter fahren“, schlug Vivien vor. „Nein, kommt nicht in die Tüte“, schüttelte Jannis rigoros den Kopf. „So Mädels, die Pause ist vorbei! Es geht weiter!“, klingelte Ömer wie wild mit der Fahrradglocke, „Wir wollen heute noch am Campingplatz ankommen“ Murrend standen die Mädchen auf und gingen zu ihren Fahrrädern. „Wir können von Glück reden, dass es heute bewölkt und nicht sonderlich warm ist“, hörte Vivien Lennart sagen, der Kiki vom Boden hochzog. Die letzten Kilometer gingen durch ein Waldstück. Vivien, die nur ein Poloshirt anhatte, begann zu frösteln. Hier war es deutlich kühler als auf den Feldwegen. Doch sie konnte nicht eben anhalten und ihre Jacke anziehen, ohne den Anschluss an ihre Gruppe zu verlieren. „Dahinten ist der See!“, rief Kiki und wurde mit einem Mal blitzschnell. Von ihrer Müdigkeit von gerade eben war ihr nichts mehr anzumerken. Tatsache, zwischen den Bäumen glitzerte es. Das musste der Sterntalersee sein.
Eine Stunde später lagen die Mädchen in ihren Zelten und ruhten sich fast zwei Stunden aus. Vivien teilte sich mit Lotta, Fianna, Aylin und Emily das Zelt. Kiki und die Zwillinge schliefen in dem anderen Zelt. „Uuuaaahh, bin ich müde!“, gähnte Aylin und nickte kurz darauf ein. Emily und Vivien ging es nicht anders. Emily blätterte in ihrem Buch und Vivien hatte sich auf ihre Isomatte lang gemacht. Lotta und Fianna unterhielten sich leise und griffen zwischendurch in die Chipstüte. „Ist schon geplant, was heute Abend noch ansteht?“, fragte Fianna. „Da müssen wir mal die anderen nachher fragen“, erwiderte Lotta. Vivien hörte den Beiden nur mit halbem Ohr zu und döste wieder ein. Es war das Rauschen der Bäume, was sie gerade so schläfrig machte. Hier mit ihren besten Freundinnen um sich herum war es ultragemütlich und sie fühlte sich richtig geborgen. Endlich Ruhe, sechs Wochen kein Schulstress und paar entspannte Tag am See verbringen. Dazu noch ihre Bandenschwestern um sich herum haben, was konnte es Schöneres geben! Die Piranhas waren auch noch da, aber Vivien hatte die Bandenkämpfe nie mitbekommen, da sie erst in der achten Klasse auf das Altstädtische Gymnasium wechselte. Plötzlich bimmelte ihr Handy, sodass Vivien erschrocken zusammenzuckte. Es war klar, dass es ihre Mutter war, die sich nach ihrer Lage erkundigte.
Kurz darauf rüttelte jemand an ihrer Zeltplane. „Wer will schon wieder was von uns?“, rieb sich Aylin die Augen. „Wir sind es!“, hörten sie Kikis Stimme. Im nächsten Moment ging der Reißverschluss auf und die Zwillinge streckten ihre Köpfe ins Zelt. „Kommt ruhig rein!“, lächelte Fianna und rückte näher an Emily ran, damit ihre Freundinnen genug Platz hatten. „Die Piranhas haben uns gerade gefragt, ob wir Lust hätten mit ihnen eine Runde Tretboot zu fahren“, sagte Kiki. „Gerne, Fianna und ich sind dabei!“, nickte Lotta begeistert. „Ich bin zu müde!“, gähnte Aylin. „Komm schon, wenn du dich bewegst, dann wirst gleich wieder viel munterer“, rüttelten die Zwillinge sie richtig wach und kitzelten sie, sodass Aylin zu quietschen anfing und Vivien sich die Ohren zuhielt. „Okay, wir kommen in etwa zehn Minuten zur Anlegestelle“, sagte Emily, die sich eine neue Hose anzog.
„Am besten wir schließen für die meiste Zeit unsere Wertsachen in den Spind“, beschloss Kiki, „Matti und ich haben für unsere Bande vorhin zwei große Spinde reserviert und dort können wir nachts unsere Sachen ohne Bedenken lassen“ Bevor es zum Steg ging, räumten die Mädchen Handys, Portemonnaies, Handtaschen und MP3-Player in die Schließfächer neben dem Gebäude mit den Duschen und Umkleideräumen. Von der Tretbootverleihstelle winkten ihnen die Jungs entgegen, die alle nur in Badeshorts gekleidet waren. „Ist das nicht ein bisschen kalt zum Schwimmen?“, rief ihnen Lotta entgegen. „Natürlich nicht, wir sind nicht solche Frostköttel wie ihr, die zum Baden tropische Temperaturen brauchen“, behauptete Michael, der die größte Speckschicht von allen hatte. „Wir können morgen baden“, drehte sich Lotta zu ihren Freundinnen um, „Denn da soll es knapp dreißig Grad werden“
„Au ja, das wird wunderbar!“, freute sich Kiki und machte einen Luftsprung, „Da kann ich meinen neuen Bikini einweihen, den ich vorgestern mit Lynn gekauft habe“ „Naja, das Wasser wird immer noch ein bisschen kühl sein“, murmelte Aylin, „Ich war gerade schon einmal mit den Zehenspitzen drin“ „Kaltes Wasser macht mir nichts, dass ist an heißen Tagen umso erfrischender“, war Annemieke der Meinung. Die Jugendlichen liehen sich drei Tretboote aus. Vivien begab sich mit Lotta, Emily, Max und Michael auf das rote Tretboot. „Wer als erstes bei der Insel am Horizont ist“, spornte Sven die Freunde zu einem Wettrennen an. Michael und Max traten in die Tretkurbel, was das Zeug hielt. Trotzdem zog das grüne Tretboot mit Lennart, Kiki, Mathilda, Annemieke und Jannis an ihnen vorbei, die das Rennen mit Abstand gewannen.
Mitten auf dem See lieferten sich die die Besatzung der drei Boote eine wilde Wasserschlacht. „Man, ich habe mir gerade das Kleid frisch angezogen“, schimpfte Lotta. „Oh lala, Miss wet dress!“, kommentierte Ömer und pfiff einmal laut. Lottas weißes Kleid war inzwischen fast durchsichtig, sodass man ihren weinroten Bikini darunter sehen konnte. „Blödmann!“, fauchte sie und spritze extra Wasser in seine Richtung. Ohne Vorwarnung zog Vivien eine kleine Wasserpistole aus ihrer Hosentasche und spritzte Lennart nass, der dafür gesorgt hatte, dass sie einen nassen Rücken hatte. „Vivi hat immer ein Ass im Ärmel!“, lachte Emily.
Die Sonne, die sich halbwegs hinter einem Dunstschleier versteckte, verschwand hinter den Bäumen. Spätestens in zwei Stunden war es stockduster. „Wollen wir gleich noch einen Spaziergang machen?“, schlug Kiki vor und erntete von allen Seiten Zustimmung. „Aber erstmal müssen wir ne Kleinigkeit essen, ich habe wieder Hunger“, meinte Emily. „Ein paar Wurst- und Käsestullen haben wir noch, dazu noch Bananen und Kekse“, erwiderte Annemieke. Vivien kam es auch so vor, als könnte sie immer etwas essen, obwohl sie vorhin im Zelt zwei Chipstüten leer gefuttert hatten. „Wir müssen gleich zurück zum Steg“, sah Jannis auf seine Uhr, „Die Boote haben wir nur für eine halbe Stunde ausgeliehen“
Vor den Zelten der Roten Sieben trafen sie sich zum Abendessen wieder. Inzwischen war es sehr spät geworden. „Meine Güte habe ich Kohldampf!“, stopfte sich Lennart eine weitere von Annemiekes belegten Broten rein. „Ich glaube, ich muss in den nächsten Tagen eine ganze Armee bekochen und werde nicht vom Campingkocher wegkommen, wenn sie ich sehe, wie verfressen unsere Jungs sind“, seufzte Annemieke. „Oh, eine Runde mit Mitleid für Annemieke!“, rief Sven, worauf Kiki ihn hart in die Rippen stieß. „Wie wäre es, wenn die Jungs auch mal den Kochlöffel schwingen?“, schlug Vivien vor, „Micky, Kiki und Emily sind nicht unsere alleinigen Feldköchinnen“ „Keine Sorge, Mädels, wir werden morgen Abend grillen“
Ganz in ihrer Nähe rangierte ein Wohnwagen ein. Kurz darauf sprangen zwei junge Männer aus dem Auto. „Hi, scheint wohl ganz gechillt bei euch zu sein!“, blieb der eine Mann vor ihnen stehen, der eine Sonnenbrille trug. „Na logo, läuft bei uns!“, gab Jannis genauso lässig zurück. „Dann wünschen wir euch noch viel Spaß, Felix und ich holen uns noch ein Bier am Kiosk“, sagte sein Kumpel mit dem dunklen Kappy. „Hä, kannte jemand von euch die beiden Männer?“, fragte Aylin leicht verunsichert und erntete ein allgemeines Kopfschütteln. „Die haben mit uns geredet, als wären wir mit ihnen befreundet“, sagte Lotta. „Das sind nur ein paar lässige Kerle, die ein wenig älter sind als wir“, meinte Lennart, „Denkt euch nicht viel dabei, vielleicht wollen sie nur ein paar Campingplatzbekanntschaften aufbauen“ Da jeder zwei oder drei Brote verdrückte, war innerhalb kürzester Zeit alle vier Brotdosen, die die Zwillinge mitgebracht hatten leer. „Bestimmt müssen wir morgen einkaufen“, sagte Aylin. „Das ist kein Problem“, meldete sich Ömer zu Wort, „Am anderen Ende des Campingplatzes gibt es einen kleinen Laden mit dem nötigsten“
Als die große Gruppe zum Spaziergang aufbrach, war es fast dunkel. „Hach, wie schön ist es hier!“, warf Kiki ihre schulterlangen schwarzen Haare zurück und ging mit Lotta und Emily Hand in Hand. Vivien hängte sich währenddessen zufrieden bei den Zwillingen ein. Die Vögel stimmten ihr Abendkonzert an. „Solche Abende müsste es öfter geben“, schwärmte Annemieke, „Wie rein die Luft ist, das Gezwitscher der Vögel und wir mitten im Wald. Die nächsten Tage werden sogar noch besser. Es wird eine unvergessliche Zeit werden“ „Micky, verfällst du wieder in deine Träumereien?“, neckte ihre Schwester sie. „Mensch, lass sie doch! Es ist doch schön hier“, gab Vivien Mathilda einen sanften Stoß. Hinter ihnen begann Aylin leise zu singen. Bei ihrer Engelsstimme verstummten die anderen und lauschten ununterbrochen. „Applaus, Applaus!“, klatschte Sven in die Hände, worauf alle anderen zu klatschen anfingen. „Willst du nach dem Abi doch eine Karriere als Sängerin anfangen, Aylin?“, drehte sich Mathilda zu ihr um, „Ich bin mir sicher, du hast das Zeug dazu“ „Ich schaue mal“, machte Aylin ein verlegenes Gesicht, „Aber demnächst bekomme ich richtigen Gesangsunterricht bei einer ehemaligen Opernsängerin“ „Das sind doch schon mal gute Voraussetzungen!“, zeigte Annemieke mit dem Daumen nach oben.
„Sing doch mal das Lied von Eisblume, du kannst das so gut singen und ich liebe dieses Lied“, forderte Kiki Aylin auf. „Der Tag flieht eilig aus der Stadt. Sie trinkt sich an den Schatten satt und gibt ihr wahres Anlitz preis. Die Pfützen schimmern schon wie Eis“, sang Aylin. „Wir sind wie Eisblumen, wir blühen in der Nacht. Wir sind wie Eisblumen, viel zu schön für den Tag. Wir sind wie Eisblumen, kalt und schwarz ist unsere Nacht. Eisblumen blühen in der Nacht“, sangen die anderen Roten Siebenerinnen den Refrain mit. Als Jannis begann schräg vor sich hin zu trällern, schubste ihn Lotta unsanft von hinten, sodass er sich fast auf die Klappe legte. „Mach bloß nicht Aylins Lied kaputt, sonst landest du im Gebüsch!“, zischte Kiki leise. Aylin ließ sich nicht irritieren, sang das Lied bis zum Schluss und verbeugte sich anschließend. Wieder gab es Applaus von ihren Freunden. Kaum war es wieder ruhig, stimmten Lotta und Kiki einen Hit von Cro an.
„Schluss mit dem Mädchengesäusel!“, forderte Ömer und spielte mit seinem Handy Rapmusik von Aggro Berlin ab, wozu er versuchte mitzurappen und sich ständig verhaspelte. Ömer als Rapper, das wirkte komisch. Vivien und ihre Freundinnen konnten sich mehr beherrschen und lachten so heftig, dass sie sich gegenseitig stützen mussten. Die Jugendlichen amüsierten sich gut während des Spaziergangs. In regelmäßigen Abständen wurde ein neues Lied angestimmt, laut mitgesungen und vor allem viel gelacht. „Seid mal kurz ruhig!“, legte Annemieke ihren Zeigefinger auf den Mund, „Dahinten sind Rehe“ „Jetzt sehe ich sie auch“, wisperte Emily. Ricardo knipste seine Taschenlampe an. „Mach das Ding aus!“, fauchte Fianna, „Sonst laufen sie gleich davon“ „Tschuldigung!“, erwiderte er nörgelnd und sah seine Ex-Freundin finster an. „Ich kann versuchen ein paar Fotos zu machen“, flüsterte Lotta. „Vergiss, dafür ist es jetzt schon zu dunkel“, raunte Kiki. Ganz in der Nähe heulte ein Uhu. Wie gespenstisch! Vivien hielt Annemiekes Hand noch fester.
Als die Gruppe einige Meter am Ufer entlang gelaufen war, drang lautes Rufen und Gegröle zu ihnen herüber. In circa zweihundert Metern Entfernung brannte ein Lagerfeuer und jemand hatte zwei Sonnenschirme aufgestellt. In der Entfernung konnte sie einige Gestalten sehen. Wie viele es waren, konnten sie nicht genau abschätzen. Es mussten fünf bis acht junge Leute gewesen sein. Immer wieder lachte jemand schrill. „Oh nein, hier sind Betrunkene unterwegs!“, raunte Kiki. „Wollen wir gucken gehen?“, flüsterte Mathilda. „Nein, lieber nicht“, hielt Annemieke ihre Zwillingsschwester am Arm fest. Plötzlich hörten sie einen Schrei, der durch Mark und Bein ging. „Ach du lieber Himmel, was ist das los?“, klang Lotta aufgebracht, „Wir müssen doch gucken gehen“ Je näher sie der fremden Gruppe kamen, desto mulmiger wurde Vivien. Wenigstens waren die Piranhas dabei, falls die anderen Jugendlichen sie angreifen würden.
„Darf ich mal fragen, was ihr hier macht?“, lief Jannis schnurstracks auf zwei Jungs zu, die in seinem Alter sein mussten. „Was geht dich das an?“, blaffte der große Junge mit den tätowierten Armen. „Ich frag nur mal so, da wir auf eurem Lärm aufmerksam geworden sind“, fuhr Jannis unerschrocken fort. „Wollt ihr Stress?“, baute sich ein weiterer kräftiger junger Mann vor Sven und Ricardo auf. Im nächsten Moment hörten sie ein Mädchen im Hintergrund weinen. „Was wird hier gespielt?“, stürzte Kiki aus dem Hinterhalt herbei. Nun wagte sich auch Vivien mehrere Schritte näher heran. Ein Junge mit strohblonden Haaren hielt den Kopf eines dunkelhaarigen Mädchens fest und flößte ihr etwas zu Trinken ein. „Seid ihr total verrückt geworden?“, rief Mathilda erbost, „Ihr könnt die Kleinen doch nicht mit irgendwelchem alkoholischen Mist abfüllen?“ Ohne Angst zu haben rannte sie auf den Jungen zu und versuchte ihm die Flasche wegzunehmen und machte die Rechnung ohne ein drahtiges Mädchen mit kurzen Haaren, welches Mathilda unsanft zu Boden stieß.
„Mit mir legt man sich nicht an, ich mache Karate!“, rief die Kurzhaarige. „Hast du noch alle Tassen im Schrank unsere Freundin anzugreifen?“, schrie Fianna sie an. „Lotta, ruf die Polizei“, tickte Vivien ihre Freundin an, „Die führen etwas im Schilde“ „Matti, bist du verletzt?“, rannte Annemieke zu ihrem Zwilling. „Nein, mit mir ist alles in Ordnung“, schüttelte Mathilda den Kopf und ließ sich von ihrer Schwester aufhelfen. Nun ging das Gefecht zwischen den Piranhas und den fremden Jungs weiter. Drei der großen Kerle versuchten Jannis, Sven, Lennart und Michael einzuschüchtern. Der Typ mit den Tattoos verpasste Ricardo einen Schlag ins Gesicht. Trotzdem versuchten Piranhas und die Roten Siebenerinnen deeskalierend auf die betrunkenen Jugendlichen zu wirken. Das weinende Mädchen hockte immer noch auf dem Boden, es musste zwölf oder dreizehn sein. Neben ihr hockte ein weiteres Mädchen mit blonden Haaren, das sehr blass aussah und keinen Ton von sich gab. Wahrscheinlich war sie maximal ein Jahr älter als die Dunkelhaarige.
„Chillt mal Leute, wir können alle zusammen einen Joint rauchen“, trat ein braunhaariger Typ zwischen die Fronten und hatte etwas in der Hand, was sie eine größere Zigarre aussah. „Bei euch piept es wohl!“, rief Aylin aus dem Hintergrund. „Euer Gras könnt ihr euch sonst wo hin stecken, ihr Vollidioten“, zitterte Viviens Stimme vor Wut. „Jetzt werde nicht frech, kleine Göre!“, hielt ein fünfter Junge sie am Handgelenk fest. Viviens Herz pochte bis zum Hals. Gegen den Jungen war sie chancenlos, er war viel stärker. Max eilte herbei und riss Vivien von ihm los. „Aufhören!“, rief Lotta laut und bestimmt, „Ich habe gerade die Polizei am Apparat und sie wird in wenigen Minuten hier sein“ Sven, Max und Lennart bildeten einen schützenden Ring um sie. „Das kann doch nicht sein, die ruft ganz sicher nicht die Bullen“, schüttelte einer der Typen ungläubig den Kopf, „Die blöfft nur!“ „Kommen Sie zum Wandererparkplatz am Ostufer“, sprach Lotta in ihr Handy, „Wir befinden uns in Sichtweite der kleinen Wetterhütte“ „Sag mal, Daniel, bist du doof?“, rief der Kerl mit dem Kappy, „Natürlich ruft die die Polizei. Ich höre Stimmen aus ihrem Handy“ „Lasst uns verschwinden!“, rief das große Mädchen mit den kurzen Haaren. Kaum hatte sie das gesagt, rannten sie und ihre fünf Kumpels davon.
Lotta und Fianna wurden zum Wandererparkplatz abbestellt, um auf die Polizei zu warten. Die beiden jüngeren Mädchen blieben zurück, um die sich inzwischen Emily, Aylin, Annemieke und Vivien kümmerten. „Mir ist so schlecht“, wimmerte die Dunkelhaarige und begann zu würgen. „Hat man dich gezwungen zu saufen?“, legte ihr Annemieke die Hand auf die Schulter. „Ja!“, schniefte sie, „Dann musste ich zwischendrin einen Zug aus dieser komischen Zigarette nehmen“ „Das war ein Joint und keine Zigarette“, sagte Emily. „Hier, trink erstmal Wasser“, reichte Vivien dem kleinen Mädchen eine Flasche Wasser aus ihrem Rucksack. Aylin redete mit dem anderen Mädchen. „Wie heißt du?“, wollte sie wissen. „Christin“, antwortete sie mit dünner Stimme. „Wie alt bist du?“, stellte Aylin die nächste Frage. „Vierzehn“, murmelte das blonde Mädchen. „Wie heißt deine Freundin und wie alt ist sie?“, fragte Mathilda. „Klara, sie ist vor kurzem erst dreizehn geworden“, erwiderte die Blondine und versuchte aufzustehen, wobei sie schwankte. Aylin und Mathilda mussten sie stützen, damit sie nicht wie ein Kegel umfiel.
„Kanntet ihr die Leute?“, hakte Aylin nach. „Nein, wir kannten sie nicht“, schüttelte Christin den Kopf, „Wir haben uns erst nett mit ihnen unterhalten, bevor wir sie uns festgehalten haben und uns zum Mittrinken animiert haben. Erst haben wir mitgetrunken, weil wir nicht nein sagen konnten, aber dann wurde es irgendwann zu viel. Trotzdem mussten wir immer mehr trinken“ Inzwischen kamen Lotta und Fianna mit zwei Beamten. Kiki, Lennart und Jannis berichteten kurz, was vorgefallen war. Aylin konnte die Typen und die Karatekämpferin sehr gut beschrieben. „Es ist gut, dass ihr eingegriffen und uns alarmiert habt“, meinte die Polizisten, „Offenbar waren diese jungen Leute sehr gewaltbereit“ „Was machen Sie mit den Mädchen?“, wollte Kiki wissen. „Wir werden sie nach Hause zu ihren Eltern bringen“, antwortete der Polizist. Die Roten Siebenerinnen brachten die beiden Mädchen zum Streifenwagen und verabschiedeten sich von ihnen, inzwischen hatte Klara aufgehört zu weinen und winkte ihren Rettern zum Abschied zu.
„Wie kann es nur solche bescheuerten Leute geben?“, regte sich Kiki auf dem Rückweg auf. Die ganze Zeit war sie am Schimpfen. „Reg dich nicht so auf, Schatz!“, nahm Lennart ihre Hand und küsste sie zärtlich. „Hast du dir in irgendeiner Weise wehgetan, als du gefallen bist?“, wandte sich Emily an Mathilda. „Nicht richtig, aber die Schulter tut mir immer noch leicht weh“, erwiderte ihre Freundin, „Dorthin hat mir die Karatebestie den Schlag versetzt“ Vivien sagte nicht viel und lief wortlos neben Lotta und Aylin her. Die Betrunkenen hatten ihr ordentlich die Laune verdorben. Vorhin hatten sie noch gute Laune, aber jetzt scherzte niemand mehr. Die Roten Siebenerinnen wollten nur noch schlafen, als sie auf dem Campingplatz ankamen und dampften geschlossen in Richtung Waschraum ab. „Jetzt bin ich echt hundemüde“, gähnte Fianna vor dem Spiegel und kämmte ihre langen kupferroten Haare, die ihr in Wellen über die Schulter hingen. „Gute Nacht!“, lächelte Annemieke und verschwand mit ihrer Schwester und Kiki. „Hoffentlich treffen wir nicht noch mal auf solche Spinner“, stöhnte Aylin, „Die können einem alles versauen“ „Gut, dass wir die Piranhas dabei gehabt haben, sonst wäre es übel ausgegangen“, meinte Lotta. „Nicht nur das, wir hätten uns wahrscheinlich nicht getraut den kleinen Mädchen zu helfen“, sah Emily sie müde an.
„Hey, raus aus den Federn, ihr Schlafmützen!“, flüsterte jemand von draußen und dann wurde der Reißverschluss des Zeltes geöffnet. „Mathilda!“, brummte Aylin verschlafen und drehte sich wieder um. „Wisst ihr, wie spät es schon ist?“, raunte ihre Freundin, die ihren wilden Lockenschopf ins Zelt herein steckte. „Nicht später als neun Uhr“, nuschelte Lotta in ihrem Schlafsack. „Von wegen! Es ist schon halb elf“, zeigte Mathilda auf ihre hellgrüne Icewatch-Armbanduhr. „Was? Schon so spät!“, mitten einem Mal war Vivien hellwach. „Klar, sonst hätte ich euch nicht geweckt“, nickte sie. „Gibt es jetzt Frühstück?“, fragte Fianna. „Micky, Kiki und ich haben schon längst mit den Piranhas gefrühstückt, aber wir haben euch freundlicherweise etwas übrig gelassen“ Mathilda schloss das Zelt wieder und ließ sie alleine.
In Windeseile zogen sich Vivien und ihre Freundinnen um. Da es heute deutlich wärmer war als gestern, waren sie in Sommerkleidern, Tops und kurzen Hosen unterwegs. Zwischen den beiden Zelten der Roten Sieben waren zwei blaue Picknickdecken ausgebreitet. Annemieke war dabei einen Haferbrei auf dem Campingkocher zu kochen. „Haferschleim?“, machte Fianna ein skeptisches Gesicht. „Probiert nur, es ist mit Zimt, Zucker und Apfelstückchen ist echt lecker“, empfahl Kiki. „Okay, wir testen es mal“, ließ sich Lotta einen Klacks davon auf ihren Teller geben. „Wie habt ihr geschlafen?“, fragte Emily in die Runde. „Richtig gut, wir waren hundemüde. Da hat es uns noch nicht einmal etwas ausgemacht, dass die Isomatte etwas hart war“, antwortete Kiki. „Nicht ihr, wir auch“, pflichtete ihr Emily bei. „Wir haben geschlafen wie Steine, wenn Matti uns nicht geweckt hätte, hätten wir garantiert den Tag verschlafen“, setzte Fianna fort und probierte den Haferbrei, der viel besser schmeckte, als er aussah.
„Wo sind eigentlich die Piranhas?“, fragte Lotta, als sie einen Blick auf die beiden verlassenen Piranha-Zelte warf. „Sie wollten einen Ausflug zur Gokartbahn machen, aber wir hatten keine Lust dazu“, erwiderte Kiki und legte sich mit dem Rücken auf dem Boden. „Und was machen wir heute?“, forschte Vivien nach. „Erstmal machen wir uns einen entspannten Vormittag. Nachdem wir gefrühstückt und das Geschirr abgewaschen haben, können wir eine Runde Schwimmen und danach ein Eis essen. Eventuell könnten wir noch mal Schlauchboot fahren, falls wir Lust haben“, erläuterte Annemieke den Tagesplan. „Hi, wie läuft es bei euch so?“, standen die beiden Typen aus dem benachbarten Wohnwagen hinter ihnen. „Ganz gut, heute wird garantiert ein schöner Tag“, antwortete Lotta offenherzig. „Das ist super, kommt ihr gleich auch zum Strand?“, fragte sein Kumpel. „Ich denke schon“, nickte Fianna. „Dann bis gleich!“, winkte der andere Typ ihnen hinterher.
„Was sind das nur für merkwürdige Kerle, die uns bei jeder Gelegenheit von der Seite anquatschen?“, waren Aylin die beiden Typen nicht ganz geheuer. „Ach so schlimm finde ich die gar nicht“, war Lotta der Meinung, „Das sind zwei nette junge Männer, die gerne mit anderen Leuten ins Gespräch kommen“ „Trotzdem finde ich sie ein bisschen zu aufdringlich“, fand Emily, „Gestern als ich den Waschraum verließ, redete der eine von ihnen mindestens zehn Minuten auf mich ein und ich bin ihn kaum wieder los geworden“ „Den einen mit dem weißen Shirt und den dunklen Haaren finde ich sogar ganz hübsch“, meinte Fianna, „Wenn ich nur mal wüsste, wie er noch mal hieß“ „Uuhh!“, machten die Freundinnen. „Fianna, der Typ, den du meinst, ist Felix“, wusste Emily, „Und sein Kumpel mit den halblangen aschblonden Haaren heißt Jonny“ „Felix ist echt heiß, habt ihr schon seinen durchtrainierten Body gesehen? Bestimmt ist er Surfer und macht viel Sport. Seine Augen leuchten so geheimnisvoll und er hat immer so eine lockere coole Art“, fuhr Fianna verliebt fort und zählte alles auf, was sie an Felix toll fand.
Mathilda warf ihr eine Kusshand zu und schmachtete sich an ihre Schwester heran. Kiki, Emily, Vivien und Aylin brachen in lautes Gekicher aus. „Was ist mit euch los, ihr albernen Hühner?“, fragte Fianna pikiert. „Merkst du etwas, Carrot?“, giggelte Annemieke. „Sie zerfließt schon vor lauter Schwärmerei und daran sind nicht nur die heißen Temperaturen schuld. Denkt sie nur eine Sekunde mehr an ihn, steigt die Temperatur doppelt so schnell“, mimte Mathilda einen schmelzenden Eisberg, der in sich zusammensackte. „Bist du fertig mit deiner Theatervorführung?“, gab Kiki ihr lachend einen Klaps auf den Hintern. „Mathilda und Kiki, manchmal könnte ich euch…“, knurrte Fianna, die mittlerweile rot angelaufen war. „Den Hals umdrehen“, vollendete Lotta den Satz und sagte, „Für unser Alter ist es normal, dass man sich für das andere Geschlecht interessiert, falls ihr es mitbekommen haben sollt, ihr Spottdrosseln“ „Ist ja gut, wir wollten niemanden auf den Schlips treten“, wurde Annemieke wieder ernst und klopfte Fianna auf die Schulter. „Kommt, wir müssen das Geschirr abwaschen stand“, stand Kiki auf.
Eine halbe Stunde später lagen die Freundinnen in Badeklamotten nebeneinander am Strand. Nachdem sie kurz schwimmen waren, ließen sie sich von der Sonne aufwärmen. „Was für ein wunderschöner Tag!“, murmelte Vivien leise vor sich hin. Als sie kurz die Augen öffnete, sah sie wie die Zwillinge Hand in Hand über den Steg rannten und mit einem lauten Platsch ins Wasser sprangen. Kiki und Lotta machten es ihnen nach. Vivien hatte gerade keine Lust dazu, sie lag gerade zwischen Aylin und Emily im Sand und döste vor sich hin. „Hey, verschlaft doch nicht den ganzen Tag“, rief Lotta und plötzlich bekam Vivien kaltes Wasser auf ihren nackten Bauch. „Aaahh!“, quiekte sie und machte Jagd auf Lotta, die sich Fiannas Wasserpistole ausgeliehen hatte und um sich spritzte. „Jetzt habe ich dich!“, krallte Vivien sie sich, als sie Lotta in den See hinein gejagt hatte und versuchte sie unter Wasser zu drücken. Da Lotta wesentlich größer und schwerer war als sie, hatte Vivien gegen ihre groß gewachsene Freundin keine Chance und wurde selbst unter Wasser gedrückt. Vivien ließ trotzdem nicht locker und blieb hartnäckig wie ein kleiner Terrier, der seinen Ball nicht hergeben wollte.
„Aus, meine Lieben“, wischte sich Kiki die Lachtränen aus den Augen. „Wie ihr euch beide so kabbelt, sieht das einfach herrlich aus“, giggelte Annemieke los. „Kommt, ihr beiden!“, forderte Kiki Lotta und Vivien auf, „Wir springen noch einmal den See“ Kiki nahm ihre Hände und rannte mit ihnen über den Steg. Zeitgleich landeten sie im kühlen Nass und tauchten prustend wieder auf. „Wollen wir ne Runde Tretboot fahren?“, schlug Lotta vor. „Gerne!“, klang Kiki begeistert, „Wir müssen nur noch die anderen fragen“ Emily, Aylin und die Zwillinge zu finden war nicht schwer, doch Fianna hing mit den beiden jungen Männern aus dem Wohnwagen ab. „Ich habe mit ihnen und ein paar anderen Leuten Beachvolleyball gespielt“, verkündete sie stolz, „Felix fand, dass ich darin richtig Talent habe“ „Da hast du wohl einen neuen Lover gefunden“, sagte Mathilda schnippisch. Sie hängte sich bei Kiki ein und drängte Fianna bewusst ein Stück zur Seite.
„Felix sagt, wir könnten mal alle zusammen etwas unternehmen“, fuhr Fianna unbeeindruckt fort und redete während des ganzen Weges zum Tretbootverleih über ihn. „Felix und sein Kumpel scheinen richtig nett zu sein“, sagte Emily dazu. „Felix sagt, Felix tut, Felix denkt, Felix macht, Felix sagt, Felix tut, Felix denkt, Felix macht!“, stimmten die Zwillinge einen Singsang an, worauf Kiki und Vivien einstimmten. „Ihr blöden Kühe, ich hätte echt bei Felix und Jonny bleiben sollen!“, schnaubte Fianna verärgert. Den ganzen Vormittag nahmen die Freundinnen sie schon hoch. „Hey, jetzt reicht es mit eurem albernen Gesinge!“, rief Lotta bestimmt, „Wir sind doch nicht mehr im Kindergarten“ „Ganz genau, ihr seht doch, dass Fianna gerade ziemlich sauer ist“, warf Aylin Kiki und den Zwillingen fort, die kurz darauf wieder ihren Spottgesang anstimmten. „Ich gehe wieder“, sagte Fianna mit gepresster Stimme und blinzelte eine Träne weg. „Sauber, das habt ihr toll gemacht!“, wurde Lotta richtig sauer, „Wegen euch muss sie fast heulen und nur weil ihr euch wie Babys verhaltet!“
„Es tut uns leid, wir wollten dich nicht kränken“, nahm Kiki ihre rothaarige Freundin in den Arm. „Habt ihr gerade und das nicht nur einmal“, gab Fianna bissig zurück, „Seit dem Frühstück drückt ihr mir einen blöden Spruch nach dem anderen rein“ „Leute, es ist überflüssig, wenn wir uns durch Sticheleien die freien Tage hier vermiesen“, stellte sich Vivien vor ihre Freundinnen. „Ganz genau! Nun komm schon, Fianna, das Schlauchboot fahren wird bestimmt schön“, nickte Annemieke und zog ihre Freundin an der Hand hinter sich her. „Wer will neben wem sitzen?“, fragte Kiki, als sie mit dem Bootsschlüssel wieder kam. „Ich sitze ganz bestimmt nicht neben Mathilda“, sagte Fianna als erstes. „Aber ich wollte dich gar nicht verletzten“, klang Mathilda geschockt. „Hast du aber und du merkst nie, wenn du andere verletzt“, zickte Fianna weiter. „Hey, jetzt ist aber mal gut!“, mischte sich Emily ein, „Wenn dieser Zickenkrieg so weiter geht, packe ich gleich meine Sachen“ Von dort an war Ruhe. Die Mädchen einigten sich, wer neben wem saß.
„Hach, ist das entspannend hier in der Sonne!“, lehnte sich Lotta zurück. „Du musst dir auch nicht die Seele aus dem Leib paddeln“, drehte sich Mathilda zu ihr um. Immer zwei Mädchen durften Pause machen, da das Boot nur sechs Paddel hatte. „Mathilda, noch ein dämlicher Kommentar und ich besorge das größte Pflaster, womit ich dir den Mund zu klebe“, klang Vivien genervt. Das lose Mundwerk ihrer Freundin konnte sie manchmal derbe auf die Palme bringen. Im ruhigen Tempo ging es voran, diesmal standen keine wilden Wasserschlachten oder Wettrennen auf dem Programm. Die Mädchen wollten einfach einen Moment lang die Ruhe genießen. „Da hinten bewegt sich was“, richtete sich Kiki plötzlich auf. In den Augenwinkeln sah Vivien etwas planschen, bestimmt war es ein Hund, der hinausgeschwommen war. Als sie näher hinguckte, war ihr klar, dass es kein Hund sein konnte.
„Kiki, kannst du mal durch dein Fernglas gucken, da bewegt sich etwas im Wasser“, tickte Vivien ihre Freundin an. „Dahinten schwimmt ein Kind im Wasser“, erwiderte ihre Freundin. „Schwimmen? Es sieht für mich eher nach einem Überlebenskampf aus“, meinte Annemieke, die mit der Hand ihre Augen gegen das grelle Sonnenlicht abschirmte. „Lotta, spring rein, da ertrinkt jemand“, rief Fianna. Lotta riss sich ihr blaues Top vom Leib und sprang in den See. In Manier eines Olympiateilnehmers kraulte sie durch das Wasser. „Lotta, Lotta, Lotta!“, feuerten die Freundinnen sie an. „Lotta, nicht langsamer werden“, brüllte Kiki, „Ich sehe das Kind nicht mehr, es ist untergetaucht“ Vivien konnte nicht mehr hinsehen. Doch Lotta gab ihr Bestes und wurde kein Stück langsamer. „Weiter nach rechts!“, navigierte Emily. Mit einem Mal war Lotta untergetaucht. „Hoffentlich ist das Kind nicht ertrunken“, zitterte Annemiekes Stimme. „Ach was, Lotta holt es jetzt raus“, konnte ihre Zwillingsschwester sie beruhigen. Fast zwanzig Sekunden später tauchte Lotta mit dem Kind in den Armen wieder auf. „Lotta, nur noch hundert Meter, dann hast du es geschafft!“, redete ihr Vivien gut zu. „Lotta, Lotta, Lotta!“, kamen die Anfeuerungsrufe von allen Seiten.
Vivien half den Zwillingen dabei Lotta und den kleinen Jungen auf das Boot zu hieven. Annemieke und Mathilda brachten ihn sofort in die stabile Seitenlage, fühlten seinen Puls und prüften seine Atmung. „Alles okay, er atmet“, gab Annemieke Entwarnung, „Er steht wahrscheinlich noch unter Schock“ Im nächsten Moment fing er an zu husten und spukte das verschluckte Wasser aus. „Er ist wach“, flüsterte Vivien. „Vivi, kannst du für mich das Paddeln übernehmen? Ich kümmere mich um den Jungen“, bat Annemieke sie. Mathilda, Kiki, Vivien, Lotta, Fianna und Aylin paddelten sie wieder zurück zum Anleger, während sich Annemieke und Emily um das Wohlbefinden des kleinen Jungen kümmerten. Als sie das Schlauchboot anketteten, war der kleine Junge immer noch benommen“ „Wir müssen sofort zur Strandwache“, gab Vivien die Richtung vor. Mathilda trug den Kleinen auf dem Arm, da dieser immer noch benommen zu sein schien. Kaum hatte die Mädchenbande den Wachposten erreicht, erkannten sie eine jammernde Frau, die von ihrem Mann getröstet wurde.
„Wir haben diesen jungen Mann im Wasser treiben sehen und meine Freundin hat heraus gezogen“, wandte sich Kiki an den Rettungsschwimmer, der sich mit dem jungen Paar unterhielt. „Gut, seine Eltern haben ihn schon verzweifelt gesucht meinte dieser. „Oh, ich danke Ihnen vom Herzen!“, stürmte die Frau, die die Mutter des Jungens sein musste, auf Mathilda zu und fiel ihr um den Hals. „Kein Ding!“, erwiderte sie lässig, „Ich bin nicht seine Retterin, sondern meine Freundin Lotta“ Lotta errötete, als ihre Freundinnen sie vor die Eltern schoben. „Man braucht mir nicht danken, das ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir ihn aus dem Wasser geholt haben. Wir hätten niemand ertrinken lassen“, sagte sie. „Trotzdem haben Sie mein Kind gerettet, natürlich muss ich ihnen danken“, traten der Dame vor Erleichterung Tränen in die Augen. „Sie brauchen uns nicht siezen“, meinte Kiki schmunzelnd, „So alt sind wir auch noch nicht“ „Wie kann ich es nur wieder gut machen, dass wir nicht gut genug auf Yannik aufgepasst haben? Er hat vor einer Woche sein Seepferdchen gemacht und wollte uns zeigen wie toll er schwimmen kann. Kaum haben wir die Betten gemacht, entwischte er uns“, machten sich Schuldgefühle in der jungen Mutter breit.
„Wie wäre es, wenn wir die gesamte Mädchenclique nächste Woche Freitag zum Essen einladen, am besten ins Amazonas“, schlug ihr Mann vor. „Nein, das ist nicht nötig“, sagte Lotta dazu. „Lotta, das ist eine Einladung und es ist sehr unhöflich sie auszuschlagen“, zischte ihr Kiki ins Ohr. „Okay, was haltet ihr von nächster Woche Freitag ab acht im Amazonas?“, schlug seine Frau vor. „Das geht klar“, nickte Kiki, „Wollen wir vorher noch ein paar Adressen austauschen?“ „Gerne“, nickte Yannicks Mutter und holte ein IPhone aus ihrer Umhängetasche. „Das nächste Mal übertreibe es nicht so mit deinen Schwimmkünsten, kleiner Mann“, raunte Mathilda Yannik zu, der schlafend in den Armen seines Vaters lag. „Ich wünsche euch noch einen schönen Tag“, wünschte Yannicks Vater den Mädchen, „Wir werden ihn zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen“ Nachdem sich die Roten Siebenerinnen von Yannik und seinen Eltern verabschiedet hatten, steuerten sie den Kiosk an.
„Das größte Eis hat wohl Lotta verdient!“, klopfte Mathilda ihrer Freundin auf die Schulter. „Wir haben alle ein riesengroßes Eis verdient“, war Lotta der Meinung, die gerade etwas genervt war, dass sie so heraus gestellt wurde. Mit großen Eisen in der Hand schlenderten die Mädchen zu der nächsten großen Bank im Schatten von zahlreichen Fichten. Da nur sechs Rote Siebenerinnen auf die Bank passten, mussten Aylin und Vivien bei Emily und Annemieke auf dem Schoß sitzen. „Was für ein Tag!“, lehnte sich Kiki zurück. „Klar, zusammen erleben wir immer was!“, lachte Emily, „Bei uns ist immer viel Action!“ „Was wohl die Piranhas zur unserer Heldentat sagen?“, warf Aylin in die Runde.
„Bestimmt braten sie uns eine Extrawurst“, sagte Mathilda, „Wird langsam Zeit, dass sie von ihrer Gokartbahn wieder kommen. Ich bekomme gerade unbändigen Appetit auf etwas Herzhaftes“ „Nicht nur du, Matti“, nickte ihre Schwester. „Ich kann Lennart anrufen und die Piranhas herbei telefonieren“ „Ne lass das lieber, nicht das sie gerade über die Rennbahn flitzen und wenn du sie jetzt anrufst, dass sie deswegen einen Unfall bauen“, redete ihr Lotta den Gedanken aus. „Na gut, dann eben nicht“, legte Kiki ihr Handy wieder weg. Kaum als sie auf dem Weg zurück zu ihren Zelten waren, kamen wieder Felix und Jonny auf sie zu. Fianna hatte nichts Besseres zu tun, als ihnen von ihrer Heldentat zu erzählen“ „Ihr seid richtig taffe Girls! Wir sind sehr stolz auf euch“, gab Felix ihnen allen Highfives. Während sich Fianna mit den Typen fest quasselte, gingen die anderen Mädchen weiter. „Dass sie einfach nicht von diesem Typ loskommt!“, war Kiki genervt.
Gegen halb fünf kamen die Piranhas von ihrem Ausflug wieder und sprangen als allererstes kopfüber in den See. Vivien, Lotta, Emily und Aylin saßen in ihrem Zelt und bereiteten das Abendessen vor. Tomaten, Gurken, Paprika und Eisbergsalat wurden für den Salat kein geschnitten. Aylin setzte ein Joghurtdressing an. Vivien schnitt vier lange Baguettes in Scheiben, die die Jungs gerade vom Bäcker mitgebracht hatten. „Dass sich Fianna vor der Arbeit drückt“, sah Lotta die anderen kopfschüttelnd an. „Die läuft eh wieder mit ihren Typen herum“, murmelte Aylin, „Da können wir nichts dagegen machen“ „So schlecht wie du die Jungs machst, sind sie gar nicht, Aylin“, meinte Emily, „Ich habe gerade eben richtig mit Jonny unterhalten“ „Wehe, Fianna lädt die Kerle noch zum Grillen ein“, kam Vivien der Gedanke, „Dann wird Kiki richtig ausrasten“
„Quatsch, das tut sie garantiert nicht“, verneinte Lotta sofort. „Ich finde schon auffällig, wie sehr Fianna sich an ihn dranhängt“, warf Aylin ein, „Ich kenne sie seit fast sechs Jahren und sonst verhält sie sich nicht so“ „Ist dir nicht aufgefallen, dass sie sich in diesen Felix verknallt hat, du Blitzmerker?“, sah Lotta sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Na, wie weit seid ihr? Mhmm, der Salat sieht schön bunt aus“, kroch Kiki zu ihnen ins Zelt und setzte sich zwischen Aylin und Lotta. „Von mir aus können wir in einer halben Stunde anfangen zu grillen“, sah Lotta ihre Freundin hungrig an. „Lasst euch Zeit!“, sagte Kiki, „Matti, Micky und ich toben sowieso mit den Fischköppen am Strand herum“ Kiki verschwand wieder aus dem Zelt und ließ die anderen Mädchen weiter schnippeln. Vivien ging nach draußen und breitete die Decken in der Nähe der Feuerstelle aus, wo sie später essen wollten.
„Vivi, komm doch auch zu uns ins Wasser!“, hörte sie Mathilda rufen, die sich mit ihrer Schwester einen Wasserball zuwarf. „Ne, ich habe gerade meinen Bikini nicht an“, schüttelte sie den Kopf. „Aber du kannst wenigstens mit deinen Füßen ins Wasser gehen“, beharrte Annemieke. „Schon, aber wenn ihr aufhört zu spritzen“, stellte Vivien die Bedingung. „Seht mal, Fianna und ihre Lover!“, begann Mathilda halblaut zu lästern, als sie Fianna mit Felix und Jonny am Steg entdeckte. Emily war ebenfalls mit von der Partie und schien sich prächtig mit Jonny. „Was will Emily eigentlich von denen?“, wunderte sich Annemieke. „Sie findet die Typen ebenfalls auch ganz sympathisch“, offenbarte Vivien den Zwillingen. „Dabei hat sie doch einen Freund“, klang Mathilda etwas schockiert.
„Hat euch Fianna gar nicht beim Zubereiten des Abendessens geholfen?“, fragte Annemieke. „Nein“, schüttelte Vivien den Kopf. „Dann sagen wir ihr nachher besser gar nicht bescheid, wenn wir grillen, dann kann sie zusehen, wo sie isst“, klang Mathilda leicht gehässig. „Wasserschlacht!“, stürmten Jannis, Sven, Ricardo und Michael auf die Mädchen zu. „Hey, ich habe keine Badesachen an“, rief Vivien und ergriff die Flucht, nachdem sie ein paar Spritzer abbekam. Am Strand angekommen, überlegte sie, ob sie kurz zu Felix und Jonny gehen sollte. So verkehrt konnten sie auch nicht sein, wenn selbst Emily sich gut mit ihnen verstand. „Du kannst ruhig kommen, wir beißen nicht“, rief Felix, als Vivien auf die Gruppe zusteuerte.
„Setz dich!“, rückte Fianna auf, sodass sich Vivien neben sie setzen konnte. „Bock auf ne Cola?“, reichte ihr Jonny einen Pappbecher und schenkte ihr ein. „Danke!“, lächelte Vivien. Was war das für ein schöner Nachmittag! Ein leichter Windstoß ließ die Bäume rascheln, es quakten ein paar Frösche im hohen Schilf und im Hintergrund gaben die Grillen ein Zirpkonzert zum Besten. Emily, Fianna und die beiden Männer unterhielten sich angeregt, während Vivien sich eher zurückhielt und ihre Füße im Wasser baumeln ließ. „Willst du auch?“, ließ Felix eine Tüte Gummibärchen kreisen. Obwohl Vivien erst nichts davon essen wollte, konnte sie nicht länger widerstehen. Schon als sie im Zelt den Salat zubereitet hatten knurrte ihr Magen. Ein paar Gummibären konnten nicht schaden und besänftigten den schlimmsten Hunger.
Um Viertel nach sechs entfachten Jannis und Max ein großes Feuer an der Grillstelle. Inzwischen hatten sich auch die anderen wieder umgezogen und selbst Fianna war gekommen. Felix und Jonny hatte sie zum Glück doch nicht bescheid gesagt. Lennart lag müde und abgeschlagen in einem Gartenstuhl und hielt sich den Bauch. „Was ist los, Schatz?“, berührte Kiki ihn sanft am Arm. „Ich weiß nicht, mir ist schon seit zwei Stunden so komisch“, zuckte Lennart mit den Achseln, „Ich weiß gar nicht, woher die Bauchschmerzen kommen“ „Hast du etwas Falsches gegessen?“, forschte Kiki nach. „Nicht, dass ich wüsste“, verneinte er. „Kannst du überhaupt mitessen?“, fragte Max seinen Kumpel. „Ich weiß nicht, Hunger habe ich gerade keinen“, sagte Lennart, der ganz blass im Gesicht war.
„Soll ich dir ein Mittel gegen Blähungen geben?“, holte Lotta ihre Arzneitasche. „Versuchen kann man es mal“, nickte Lennart. „Gleich kann gegrillt werden“, rief Jannis. „Au ja, wir sterben schon vor Hunger“, riefen die Zwillinge wie aus einem Mund. Kurz darauf legte Max die ersten Würstchen auf den Rost. Die anderen nahmen auf den bunten Picknickdecken platz. „Gleich gibt es etwas Richtiges zu essen!“, frohlockte Kiki. Den Mädchen stieg der Geruch von frischen Würstchen in die Nase. Sie konnten es kaum abwarten, bis sie ihre knackigen Bratwürstchen beißen konnten. „Ich mag immer noch nichts, die Bauchschmerzen wollen nicht weggehen“, stöhnte Lennart. „Immer noch nicht, dabei habe ich dir schon zwei Tabletten gegeben“, machte Lotta ein kritisches Gesicht.
Während die Mädchen und Jungs eine Wurst und ein Steak nach der anderen verdrückten, bekam Lennart fast nichts herunter und rührte noch nicht mal das Baguette an. „Iss wenigstens ein bisschen Salat?“, versuchte Kiki ihn zu überreden und fütterte ihn mit einer Cherrytomate. Kaum hatte er eine Tomate gegessen, rannte er hinter einen Busch und musste sich übergeben. „Was hat er nur?“, war Vivien richtig besorgt. Heute Morgen ging es Lennart noch ziemlich gut und war mit seinen Kumpels in der Früh schwimmen. Doch seit Stunden hing er schlapp in seinem Gartenstuhl. „Lenny!“, stürzte Kiki ihrem Freund hinterher. „Bring ihn ins Zelt“, rief Jannis ihr hinterher. „Und koch ihm eine Tasse Kamillentee“, fügte Mathilda hinzu. „Oje, wo hat er sich diesen Virus eingefangen?“, seufzte Emily. „Virus? Das kann auch was anderes sein“, zuckte Ömer mit den Achseln. Annemieke stand auf, um eine Tasse Tee auf dem Campingkocher zu kochen. Kiki und Lotta brachten währenddessen Lennart in sein Zelt.
Annemieke drückte Vivien die Teetasse in die Hand, die sie ins Zelt bringen sollte. „Danke!“, murmelte Kiki. Lennart sah noch kränker aus als vorhin. Einige Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und dazu noch dieses vor Schmerzen verzogene Gesicht. Auf leisen Sohlen schlich sie hinaus. Die Stimmung war längst nicht mehr so gut. „Seit fast vier Stunden klagt er über heftige Bauchschmerzen und es wird nicht besser“, sah Jannis ratlos aus. Die letzten Würstchen, die auf den Grill gelegt wurden, wollten nicht mehr richtig munden und blieben auf den Tellern zurück. „Wenn er eine Nacht darüber schläft, wird er morgen wieder gesund sein“, hatte Mathilda ein paar beruhigende Worte für ihre Freunde. „Genau, bei unserer guten Pflege wird er wieder auf die Beine kommen“, nickte Aylin. „Matti, kannst du mich ablösen?“, kam ihnen Lotta entgegen gerannt, die ihre Wurst zuende essen wollte. „Klar, ich komme sofort“, nickte Mathilda und stopfte sich das letzte Stück Kräuterbaguette in den Mund. „Ist schon Besserung in Sicht?“, fragte Emily Lotta. „Nein, er hat immer noch heftige Schmerzen, die sich mittlerweile über den ganzen Körper ausbreiten“, konnte sie keine Entwarnung geben. „Matti, kannst du noch mal in meiner Kulturtasche gucken, da müsste ich noch ein besonders starkes Schmerzmittel habe, das ich immer gegen meine Tage nehme“, rief Fianna über den ganzen Zeltplatz. „Klar, ich gucke nach“, versicherte ihr Mathilda.
Es dauerte keine zehn Minuten, da kam ihnen eine völlig aufgelöste Mathilda entgegen gerannte. „Wir müssen etwas tun!“, keuchte sie, „Lennart stöhnt und zittert vor Schmerzen und er krümmt sich die ganze Zeit“ „Oh nein, wo kriegen wir einen Arzt her?“, wurde Vivien ganz bleich. „Wie wäre es, wenn wir den Krankenwagen rufen“, schlug Ömer vor. „Das mach ich jetzt“, holte Jannis sein Handy aus der Hosentasche und ging zum Telefonieren hinter den Busch. Drei Minuten später kam er wieder. „Wir sollen ihn zur Rezeption bringen, von dort holt der Krankenwagen ihn ab“, teilte er seinen Freunden mit. „Aber wie sollen wir ihn dort hinbringen?“, runzelte Mathilda die Stirn, „Er kann doch kaum laufen“ „Wir haben doch den Anhänger vom Fahrrad“, schnippte Vivien mit den Fingern, die auf einmal eine gute Idee hatte. „Du bist ein schlaues Kerlchen, Vivi!“, wurde sie von Mathilda gelobt, die ihr mit der Hand über die Haare wuschelte. „Los, ein paar von euch müssen jetzt anpacken und dann wuppen wir das eben“, stand Max auf. Ricardo und Michael folgten ihm und holten den Fahrradanhänger.
„Gute Besserung, Liebling!“, schlang Kiki ihre Arme um ihren kranken Freund, der sie nur apathisch anguckte und nichts erwiderte. „Ich habe vornherein gedacht, dass es etwas Schlimmeres sein muss“, seufzte Emily. Die Laune der Jugendlichen war richtig im Keller. Es wurde nicht gelacht und keiner redete. Umso lauter waren die Frösche, die Grillen und die Gespräche aus den benachbarten Zelten zu hören. Kiki ging alleine zum Strand. Emily, Lotta und Aylin legten sich in ihr Zelt, da sie ziemlich müde waren. Fianna traf Felix und Jonny an der steinernen Tischtennisplatte und spielte eine Partie Ping Pong mit ihnen. Vivien saß gedankenverloren im Gras und wickelte eine Strähne um ihren Daumen. Der Abend hätte so schön sein können und dann sowas! Hoffentlich war Lennart nicht all zu schwer krank. „Hey, wollen wir noch mal zum Wasser gehen?“, legte ihr Jemand die Hand auf den Rücken, worauf Vivien einen Schreck bekam. „Haha, ich bin’s nur!“, wisperte Annemieke, „Hast du Lust mit mir und Matti ans Wasser zu gehen?“ „Klar, warum nicht?“, stand sie auf. Im Halbdunkeln gingen sie zum Strand hinunter.
„Da ist Kiki“, zeigte Mathilda auf eine Gestalt, die im Wasser watete. Ihr hängender Kopf und ihre Körperhaltung verrieten, dass ihre Freundin sehr unglücklich sein musste. „Wir müssen zu ihr hin und sie trösten“, beschloss Annemieke. „Sie hatte vorhin im Zelt mit den Tränen zu kämpfen“, verriet Mathilda und zog ihre Sandalen aus. Zu dritt liefen sie durch das wadentiefe Wasser auf Kiki zu. „Kiki!“, flüsterte Vivien und berührte sie an der Schulter. Ein Schniefen antwortete ihr. „Weinst du?“, klang Vivien besorgt. Kiki sah langsam auf, aber antwortete ihr immer noch nicht. „Kiki, sag doch einfach was!“, bettelte Annemieke fast, „Wir sind immer da, wenn du uns zum Reden brauchst“ „Ich bin deine beste Freundin, auf mich kannst du immer zählen“, sagte Mathilda sanft und nahm ihre Hand. „Danke!“, hauchte Kiki und ließ sich im nächsten Moment weinend in Mathildas Arme fallen. „Mach dir keine Sorgen wegen Lennart, er ist in guten Händen“, streichelte ihr Vivien über den Rücken. „Das ist es nicht, es ist so furchtbar für mich, dass er nicht mehr hier ist und dabei sehe ich ihn nur alle paar Wochen“, heulte Kiki.
„Besuch ihn doch morgen oder übermorgen im Krankenhaus“, schlug Annemieke vor. Die Mädchen hatten alle Hände voll zu tun, um Kiki zu trösten. Vivien wusste, wie sehr sie an Lennart hing, obwohl die Beiden erst seit einem Vierteljahr ein Paar waren. Schweigend saßen die vier Mädchen auf dem Steg, als sich Jannis und Sven dazu setzten. „Max hat gerade im Krankenhaus angerufen“, eröffnete Jannis das Gespräch, „Lennart stand kurz vor einem Blinddarmbruch und wird gleich operiert. Es wird zum Glück nur eine kleine und kurze OP werden und danach wird es ihm wieder viel besser gehen“ „Eine Blinddarmentzündung ist übel“, wusste Vivien, „Das hatte mein kleiner Bruder vor vier Jahren und er hat vor Schmerzen geschrieen“
„Aber wenigstens wissen wir, dass sich die Ärzte gut um ihn kümmern“, machte Mathilda allen Anwesenden Mut. „Ich weiß noch, wie furchtbar ich mich gefühlt habe, als du letztes Jahr vom Dach gefallen bist“, stupste ihre Zwillingsschwester sie an, „Ich habe im ersten Moment gedacht, dass du tot wärst“ „Ich muss gestehen, dass ich daran keine Erinnerungen mehr habe“, gab Mathilda zu, „Ich muss wohl sofort bewusstlos gewesen sein“ „Und wenn da nicht ein Busch den Aufprall nicht ein wenig abgebremst hätte, dann säst du gar nicht mehr hier“, sagte Sven. „Leute, lasst mal an was anderes denken“, bat Annemieke. „Wie wäre es, wenn wir alle mal ganz ruhig sind und die Stille genießen?“, schlug Vivien vor.
Wie gerädert wachte Vivien am nächsten Morgen auf. Es war laut ihrer Armbanduhr erst kurz nach sieben. Ihre Freundinnen lagen schlafend neben ihr, nur Fiannas Schlafsack war leer. Bestimmt war ihre Freundin nebenan bei Felix und Jonny. Kurzerhand zog sich Vivien ein Top und einen Rock an und öffnete geräuschlos den Zeltverschluss. Leise vor sich hin pfeifend machte sie sich auf den Weg zum See. „Guten morgen, Vivi!“, winkte ihr Fianna entgegen, die mit den beiden Männern auf dem Steg saß. „Gesell dich zu uns!“, nickte ihr Felix freundlich zu. „Konntest du auch nicht mehr schlafen?“, sah Jonny sie fragend an und strich sich eine Strähne hinters Ohr. „Irgendwie war ich auf einmal hellwach und konnte nicht mehr weiterschlafen“, ließ sich Vivien neben Fianna nieder. „Mögt ihr ein Zimthörnchen?“, hielt Felix den beiden Mädchen eine Papiertüte hin. „Danke, sehr gerne!“, griffen die Mädchen zu.
„Hier, habt ihr nen Becher Orangensaft“, reichte Jonny ihnen zwei volle Pappbecher. „Danke!“, lächelte Vivien und steckte ihre Füße in das Wasser. Was für ein wundervoller Morgen am See! Noch war es ziemlich frisch. Garantiert wurde es wieder so warm wie gestern. Für heute Vormittag hatte die Rote Sieben ein Beachvolleyballspiel geplant und heute Abend fand am Ostufer ein Festival statt, das die beiden Banden gemeinsam besuchen wollten. „Nimm es mir nicht übel, dass ich nachher nicht mitspiele, aber ich wollte später mit Felix Wasserski fahren“, sah Fianna Vivien entschuldigend an. „Was wohl die anderen dazu sagen würden?“, dachte Vivien bei sich und sagte lieber nichts dazu. „Mädels, wir müssen eben noch eine Besorgung machen und sind in einer stunde wieder da“, stand Felix auf.
Wieder auf dem Zeltplatz angekommen, hörten sie Annemiekes unverkennbares Gekicher aus dem Zelt. „Aha, sie sind auch schon wach“, bemerkte Fianna und setzte sich auf die Decke vor ihrem Zelt. „Sag mal, ist das zwischen dir und den Jungs Freundschaft oder noch was anderes?“, wagte Vivien zu fragen. „Hm, das ist gar nicht so leicht zu antworten“, sah Fianna sie grübelnd an, „Ich muss gestehen, dass ich mich in Felix verguckt habe und er sich in mich“ „Bist du mit ihm zusammen?“, machte Vivien große Augen. „Mit ihm zusammen sein ist zu viel gesagt“, murmelte sie, „Da gibt es ein entscheidendes Problem: Felix und Jonny studieren in Hamburg und verbringen hier nur ein paar Tage ihres Urlaubes und ausgerechnet morgen Abend oder Übermorgen wollen sie wieder fahren“ „Malst du dir wirklich Chancen aus, dass du mit Felix zusammen kommst?“, hakte Vivien nach. „Es kann höchstens nur eine Fernbeziehung werden und wir sehen uns höchstens paar Male pro Jahr“, meinte ihre Freundin und wickelte sich gedankenverloren einen Grashalm um ihren Zeigefinger.
„Hast du ein neues Armband?“, griff Vivien nach Fiannas Handgelenk. „Das hat er mir gestern Abend geschenkt“, nickte sie stolz, „Das hat er aus Italien mitgebracht“ „Das ist wirklich hübsch“, fand Vivien. „Desto größer der Jammer, dass sie bald wieder fahren“, seufzte Fianna. „Hallihallo, ihr seid aber früh auf den Beinen“, setzte sich Kiki mit den Zwillingen zu ihnen. „Wollen wir die anderen auch wecken?“, stupste Mathilda ihre Schwester an und zückte eine kleine Wasserpistole. „Du willst doch nicht wirklich…“, fing Annemieke an zu gickern. „Oh doch!“, grinste Mathilda spitzbübisch und gab ihrer Zwillingsschwester eine zweite Wasserpistole. „Dann viel Spaß, ihr beiden Kindsköpfe!“, rief ihnen Fianna nach. „Und passt auf, dass ihr euch keine blutigen Nasen holt“, fügte Vivien hinzu. Im nächsten Moment hörten sie ein Kreischen aus ihrem Zelt. „Mathilda und Annemieke, ihr seid hundsgemein!“, hörten sie Aylin wettern. Im nächsten rannten die Zwillinge wie angestochen über die Wiese. Lotta folgte ihnen und bewarf sie mit Sonnenblumenkernen. „Tja, das habt ihr davon, Zwillingsmäuse!“, rief Vivien schadenfroh, die sich kaum wieder einkriegte.
Einen Augenblick später saß sie ganze Bande zusammen beim Frühstück. „Gleich geht’s auf zum Beachvolleyball!“, frohlockte Lotta und nippte an ihrem Kakao. „Nimmt es mir nicht krumm, ich bin gleich zum Wasserski fahren verabredet“, druckste Fianna herum. „Mit wem denn?“, sah Emily sie interessiert an. „Drei mal darfst du raten, mit wem sie verabredet ist?“, preschte Mathilda dazwischen und könnte sich einen spöttischen Unterton nicht länger verkneifen. „Das ist nicht dein Ernst oder?“, fuhr Kiki Fianna von der Seite an. „Fianna, willst du echt die Partie Beachvolleyball sausen lassen?“, machte Lotta ein geschocktes Gesicht. „Wie oft soll ich noch sagen, dass Felix mich dazu eingeladen hat?“, entfuhr es Fianna genervt. „Langsam habe ich den Eindruck, dass du dich gezielt von uns absetzen willst“, meldete sich Annemieke zu Wort.
„Punktgenau, wir sind als Bande hier her gekommen, um uns ein paar schöne Tage zu machen und du lässt uns wegen zwei Kerlen hängen, die du noch nicht einmal kennst. Sag mal Fianna, bist du noch eine von uns oder willst du zu Felix direkt in den Wohnwagen ziehen?“, regte sich ihre Schwester auf. „Was ich kann ich dafür, dass es zwischen uns gefunkt habt, ihr Gänse?“, zischte Fianna. „Langsam wünsche ich mir, du wärst gar nicht mitgekommen“, braute sich eine irre Wut in Aylin zusammen, „Seitdem die Kerle aufgetaucht sind, gibst du uns zu verstehen, dass wir dir gleichgültig sind“ „Danke, dass ihr so nett mit mir redet“, holte Fianna tief Luft, „Wenn ihr mich so behandelt, könnt ihr ruhig ganz ohne mich auskommen“ Mit erhobenen Haupt kehrte sie den Bandenmädels den Rücken und stapfte davon. „Geh doch nur, wenn du gehen möchtest, davon hält dich keiner ab!“, pfefferte ihr Kiki hinterher.
„Ich hole sie zurück“, sprang Vivien auf. „Nein, du bleibst schön hier und rennst ihr nicht hinterher!“, hielt Kiki sie am Arm fest, „Wir sehen es nicht ein, dass sie sich uns gegenüber die ganze Zeit so verhält, als gäbe es nur noch Felix und Jonny. Auf so eine Freundin wie sie können wir getrost verzichten“ „Uns kam gerade Fianna entgegen“, tauchte Jannis mit seinen Piranhas auf. „Sie scheint nicht besonders glücklich zu sein“, führte Sven seinen Satz fort. „Ach, es gab nur eine Meinungsverschiedenheit“, erklärte Emily den Jungs und erzählte von dem Streit, der sich gerade eben zugetragen hatte. „Übrigens habe ich gestern gesehen, wie dieser Felix ihr einen Kuss gegeben hatte“, offenbarte ihnen Michael. „Wirklich?“, riss Aylin vor Verwunderung die Augen weit auf. „Na klar, ich habe Fianna und ihn kurz vor dem Schlafengehen mit ihm zusammen auf dem Steg gesehen“, bekräftigte Ömer. „Oh mein Gott, sie ist in ihn verfallen!“, schlug Mathilda die Hände über den Kopf zusammen. „So eine blöde Tussi!“, schimpfte Annemieke, „Sie macht den lang ersehnten Campingurlaub kaputt“ „Quatsch, uns kann keiner so schnell etwas kaputt machen“, rief Lotta dazwischen, „Wie wäre es, wenn wir sie stumpf ignorieren, bis sie wieder zur Vernunft kommt?“
„Mädels, es kann doch keine Lösung sein, dass wir zu siebt Stunk gegen sie machen“, meldete sich Emily vorwurfsvoll an ihre Freundinnen, „Wir sind doch nicht mehr im Kindergarten, wo solche Verhaltensweisen üblich sind“ „Bist du mit ihrem Verhalten zufrieden?“, runzelte Aylin die Stirn. „Ich finde es auch nicht gerade toll, dass sie sich so in diesem Maße von uns abseilt, aber lasst sie doch, wenn sie meint. Ich will mich darüber nicht mehr ereifern. Es ist ihr Ding, mit wem sie abhängt und wir können sie nicht zwingen, dass sie jede freie Minute mit uns verbringt“, sagte Emily und schien längst nicht so geladen zu sein, wie ihre Bandenfreundinnen. „Ich werde ihr doch nachgehen“, beschloss Vivien und ging alleine fort. Es musste eine Lösung geben, dass der Streit fortlaufend weiter schwelte, musste unbedingt verhindert werden. Also beschloss Vivien zu vermitteln. Hoffentlich traf sie Fianna gleich nicht weinend oder total wütend an.
Fianna hatte sich eng an Felix geschmiegt, als Vivien die Beiden vor dem Wohnwagen fand. „Hey, könntet ihr das Wasserski fahren nicht auf dem Nachmittag verschieben?“, fragte sie, „Wir brauchen noch dringend ein paar Spieler für unser Match“ „Das dürfte kein Problem sein“, war Felix zuversichtlich. „Ihr wollt mich eh nicht mehr dabei haben“, murrte Fianna. Sie hatte immer noch ihre Lippen aufeinander gepresst und schien immer noch sehr beleidigt zu sein. „Komm schon, wir brauchen dich“, redete Vivien auf sie ein. „Ist schon gut, ich spiele doch mit“, gab sich Fianna geschlagen und fügte hinzu, „Wehe, es kommt noch eine dumme Bemerkung, dann bin ich gleich wieder weg“ „Jonny, dein Typ ist gefragt“, rief Felix in den Wohnwagen, „Die Mädchen brauchen unsere Unterstützung bei einem Volleyballspiel“ Kurz darauf tauchte Jonny mit freiem Oberkörper und einer Boxershorts auf. „Na dann, auf ins Gefecht!“, zog Felix sein T-Shirt aus, sodass Vivien einen Blick auf seinen durchtrainierten Oberkörper werfen konnte. Schlecht sah er nicht aus, das musste Vivien zugeben.
„Habt ihr einen Ball?“, fragte Jonny. „Klar, Lotta hat ihren dabei“, bejahte Fianna. „Kommt, wir wollen gleich loslegen!“, hakte Vivien Fianna bei sich unter und zog sie mit sich. Kiki und die anderen hatten sich bereits auf dem Volleyballfeld versammelt. „Konntest du sie doch überreden?“, lief ihr Aylin entgegen. „Aber sicher!“, nickte Vivien, „Felix und Jonny wollen auch mitspielen“ „Von mir aus“, gab Kiki ihr Okay. Trotzdem schien sie von Felix und Jonnys Anwesenheit nicht sonderlich begeistert zu sein. „Wie wollen wir die Teams einteilen?“, meldete sich Emily zu Wort. „Felix und Jonny spielen auf keinen Fall zusammen, das wäre sonst echt unfair“, stellte Kiki eine Bedingung. „Bedingung akzeptiert“, nickte Felix. „Okay, ich spiele mit Micky, Kiki, Aylin und Jonny gegen den Rest von euch“, teilte Mathilda, die nicht mehr länger abwarten konnte kurzerhand die Teams ein. Vivien war selbst überrascht, wie gut sie spielte und wie flink sie war. Fast jeden Aufschlag von der gegnerischen Hälfte konnte sie abfangen und an Felix oder Fianna weiterleiten, die gefährliche Angriffe einleiteten. Lotta und Emily waren ein sicherer Rückhalt für ihre Mannschaft. Bald hatten sie mit einem großen Vorsprung die Nase vorn.
„Ich habe keine Lust mehr!“, nörgelte Aylin, nachdem der Ball zum zigsten Mal vor ihren Füßen auf dem Boden fiel. „Trotzdem wird weiter gespielt!“, spornte Kiki sie an, „Annemieke, bleib doch nicht immer wie verwurzelt auf der Stelle stehen, kein Wunder, dass der Ball vor dir zu Boden geht“ „Yeah, der erste Satz geht an uns!“, jubelte Emily, die ihren Mitspielern Highfives gab. „Freut euch bloß nicht zu früh, es stehen noch zwei Sätze aus“, entgegnete ihr Mathilda, die den ersten Aufschlag des zweiten Satzes ausführte. Fast flog der Ball ins Aus, wenn sich Lotta nicht lang gemacht hätte und eine Bruchlandung im Sand hinlegte. Wieder war es Felix, der ihrem Team die nächsten Punkte bescherte. Wieder ging der zweite Satz an Viviens Team und diesmal fiel der Sieg noch höher aus. Im letzten Satz ließen es Vivien und co etwas ruhiger angehen, wofür sie eine knappe Niederlage einstecken mussten. Trotzdem ging das Match an ihre Mannschaft. „Jonny, wir wollten euch nicht zu sehr frustrieren, deswegen haben wir euch wenigstens das letzte Spiel gewinnen lassen“, zog Felix seinen Kumpel auf.
Nach dem anstrengenden Match standen Schwimmen und ein Picknick am Strand auf dem Plan. „Sieh mal einer an, wer sich wieder von uns absetzt“, warf Mathilda einen wütenden Blick in Richtung Fiannas Richtung, die mit Felix zum Wasserskifahren abdampfte. „Lass sie doch!“, rollte Kiki mit den Augen. „Fianna und ihr Märchenprinz, wann wir die beiden zusammen in einer Hochzeitskutsche sehen werden?“, spottete Lotta, die sich offenbar von ihrer Freundin vernachlässigt fühlte. Vivien lehnte sich gegen Aylins Rücken. Sich über Fianna aufzuregen brachte nichts, das würde höchstens ihre Stimmung in den Keller ziehen. Lieber ließ sie sich die Sonne auf die Nasespitze scheinen.
„Freut ihr euch heute Abend auch auf das Festival zusammen mit den Piranhas?“, lenkte Emily vom Thema ab. „Na klar, es wird einer unserer letzten aufregenden Abende zusammen, bevor ich im September nach Amerika jette und euch über ein Jahr nicht sehe“, glühte Lotta vor Vorfreude. „Ich will unbedingt wissen, wie es auf so einem Festival ist“, war Annemieke neugierig. „Auf jeden Fall soll es nachher noch ein Feuerwerk geben“, leuchteten die Augen ihrer Zwillingsschwester. „Ob Fianna auch mitkommt?“, geriet Aylin leicht ins Grübeln. „Aber sicher, schließlich hat sie über zehn Euro für ihr Ticket bezahlt“, nickte Emily, die die Karten für sich und ihre Freunde im Internet bestellt hatte.
„Na, wie war das Wasserskifahren?“, fing Emily Fianna auf dem Weg zu ihrem Zelt ab. „Phänomenal, es hat immens Spaß gemacht, obwohl ich bei fast jeder Kurve ins Wasser geflogen bin“, strahlte ihre Freundin und warf ihre nassen Haare in den Nacken. „Hast du Lust auf etwas Salziges?“, hielt ihr Vivien eine Packung mit Mini-Salamis hin. „Danke, ich bin gerade fast am Verhungern“, griff Fianna beherzt zu. „Hi Mädels, das Feuer ist schon an, ihr könnt zur Feuerstelle kommen“, trommelte Jannis die Mädchen zusammen. „Spitze, ich habe gerade richtig Lust auf Bratwürstchen!“, freute sich Mathilda. „Einen kleinen Moment bitte, wir kommen gleich“, krabbelte Annemieke in ihr Zelt. „Bringt ihr den Stockbrotteig auch mit?“, hakte Michael nach. „Logo, ich bin gerade dabei ihn zu machen“, nickte Lotta, die ganz mehlige Hände hatte.
„Au fein, das wird ein Schmaus!“, rieb sich Michael den Bauch, der von allen Piranhas den größten Appetit mitbrachte. „Hey Leute, ich habe gerade mit Lennard telefoniert“, lief Kiki mit einem Lächeln auf die Gruppe zu, „Nach der OP geht es ihm viel besser, obwohl er anfangs von der Narkose noch leicht benommen war. Wenn alles gut läuft, kann er in zwei Tagen entlassen werden“ „Hurra, das freut mich!“, umarmte Mathilda sie spontan, „Wir können ihn morgen eventuell besuchen“ „Dann kommen Sven und ich auch mit“, entschied Jannis. Allen Beteiligten war anzumerken, dass ihnen ein Stein vom Herzen gefallen war. „Ich opfere eine Kiste Bier“, rief Max und schleppte zusammen mit Ricardo eine Bierkiste herbei. „Bier?“, verzog Aylin das Gesicht. „Du musst davon nichts trinken“, sagte Ricardo, „Für euch Mädchen haben wir Waldmeister- und Himbeerlimonade besorgt“ „Das ist eindeutig besser“, klang Kiki überzeugter, „Denn Bier ist mir zu bitter“
Zu dritt oder zu viert saßen die Jugendlichen auf Decken um das Lagerfeuer herum. Abwechselnd brieten sie die Würstchen und die Stockbrote über dem Feuer. Fianna malte sich mit einem Stift ein schwarzes Muster auf ihren Unterarm. „Was tust du da?“, wurde Vivien neugierig, die neben ihr saß. „Ich male mir ein Tattoo“, murmelte ihre Freundin. „Cool, solche Tattoostifte habe ich bereits im Onlineshop gesehen“, schaute ihr Lotta über die Schulter. „Fianna, malst du mir auch ein Tattoo?“, hielt ihr Annemieke den Arm hin. „Einen kleinen Moment, ich kann dir mal meinen zweiten Stift geben und dann könnt ihr euch so viel bemalen wie ihr wollt“, rückte Fianna den zweiten Tattoostift raus. „Wisst ihr, ich wollte mir schon länger ein Tattoo zusammen mit Raffael stechen lassen, aber meine Eltern sind strikt dagegen“, seufzte Annemieke. „Schwesterherz, willst du das wirklich?“, räusperte sich Mathilda, „Ich mag sowas gar nicht und wenn du es entfernen willst, ist es ziemlich teuer“ „Wir sind zwar Zwillinge, aber wir müssen nicht alle Vorlieben miteinander teilen“, meinte ihre Schwester.
„Genau, ihr habt jetzt auch unterschiedliche Haarfarben“, warf Aylin ein. „Stimmt, noch vor zwei oder drei Jahren saht ihr euch zum Verwechseln ähnlich“, nickte Lotta. „Ich konnte euch anfangs auch nie auseinander halten“, gab Vivien zu, „Ihr saht in den ersten Wochen für mich total gleich aus“ „Aber ich erinnere mich zu gerne an eure Verwechselungsspiele“, grinste Kiki. „Oh ja, ihr habt uns nicht nur einmal durch den Kakao gezogen“, sagte Jannis, „Als wir in der sechsten Klasse auf Klassenfahrt waren und den Biobauernhof besucht haben, hat sich Annemieke als ihre Schwester ausgegeben und Mathilda war mit einem Mal lammfromm“ „Oh man, das war was!“, gickerte Annemieke, „Und ich bin dafür auf dem Misthaufen gelandet“ „Aber du hattest damals auch ein ziemlich freches Mundwerk und hast uns mit Stroh beworfen, Annemieke“, sah Max sie eindringlich an. „Ich kann mich noch daran erinnern, wie ihr unseren Französischlehrer in der achten Klasse am laufenden Band veräppelt habt“, erzählte Vivien, „Besonders wenn Matti keine Lust hatte Vokabelteste an der Tafel zu schreiben, haben die Zwillinge kurzerhand die Rollen getauscht und Micky stand für sie an der Tafel“
Während sie noch eine Weile am Feuer saßen, schwelgten sie noch eine Weile in den Erinnerungen aus den vergangenen Jahren. „Manchmal wünschte ich, dass unser Bandenleben nie ein Ende hat“, schloss Kiki die Augen, „Diese Zeit ist einfach unvergesslich“ „Trotzdem wird es mal ein Ende haben, schließlich schreitet die Zeit voran und wir werden alle nicht jünger“ „Wo seht ihr euch in ein paar Jahren nach dem Abitur?“, fragte Michael in die Runde. „Ich werde Tiermedizin studieren“, antwortete Annemieke als erste, „Schon als Kind wollte ich Tierärztin werden“ „Entweder ich studiere BWL oder Jura“, überlegte Lotta, „Aber ganz kann ich mich noch nicht entscheiden“ „Vielleicht schaffe ich es später professionell Fußball zu spielen“, mischte sich Sven in das Gespräch ein. „Das meinst du wohl nicht im Ernst“, sah Ömer ihn spöttisch an. „Ach was!“, lachte Sven, „Es wäre nur zu schön samstags die Sportschau einzuschalten und sich selber spielen zu sehen“
Am frühen Abend machten sich Piranhas und Rote Siebenerinnen auf den Weg. Im Wald war es deutlich kühler und angenehmer als auf dem Campingplatz. Vivien sog die frische nach feuchter Erde riechender Luft tief in ihre Lungen ein. Ferien, schönes Wetter, unterwegs mit den besten Freundinnen zum Festival: So konnte das Leben sein! „Juhu, gleich geht es los!“, machte Lotta einen kleinen Luftsprung. Jeder war wegen des bevorstehenden Festivals aufgeregt. Fianna hatte sich wieder mit Mathilda und Kiki vertragen. Gutgelaunt hatte sie sich bei den beiden Freundinnen eingehängt. Die drei Mädchen plauderten ununterbrochen und lachten viel. Von den Zankereien war ihnen nicht mehr viel anzumerken. „Zum Glück ist dieser hässliche Streit aus dem Weg geräumt“, war Annemieke erleichtert, die ständiges Gezanke in ihrem Umfeld nicht leiden konnte. „Na endlich, man konnte es kaum noch aushalten, wie Matti und Carrot sich vorhin die ganze Zeit angegiftet haben“, konnte Vivien dem nur zustimmen, die Zickereien am Vormittag waren ihr ziemlich auf die Nerven gegangen und hatten die Stimmung getrübt.
Felix und Jonny kamen nicht mit zum Konzert, da sie sich ein Fußballspiel im nächstgelegenen Biergarten anschauen wollten. „Was habt ihr euch auf die Arme gemalt?“, sah Ömer die Bandenmädchen verwundert an. „Du Blitzmerker, fällt dir erst jetzt auf, dass wir uns Fiannas sensationellen Tattoostift ausgeliehen haben?“, konnte sich Lotta einen Kommentar nicht verkneifen. „Haha, denkt ihr, dass Ömer was von seiner Umwelt mitbekommt?“, nahm Jannis ihn hoch, wofür er einen Seitenhieb verpasst bekam und die Jungs scherzhaft miteinander kämpften. „Seht mal, an dieser Uferstelle haben wir vor wenigen Tagen die betrunkenen Mädchen aufgegabelt“, bemerkte Ricardo. „Zum Glück ist dort gerade keiner“, fiel Emily ein Stein vom Herzen, die auf solch eine Begegnung gut verzichten konnte. „Yeah, wir können die Musik schon von hier hören!“, leuchteten Mathildas Augen. „Kunststück, es ist auch ziemlich laut!“, schaute Jannis leicht spöttisch drein. „Dann auf in die Schlacht, Leute!“, schob Lotta sich und ihre Freunde durch eine Ansammlung von gefühlt hunderttausend Menschen.
„Hier, damit wir uns wieder finden“, holte Kiki eine Packung Knicklichter aus ihrer Umhängetasche, die sich die Freunde um ihre Handgelenke machten. Grün, orange, pink, gelb: In allen Farben leuchteten die Knicklichter. Lotta holte ihr Handy hervor und schoss sämtliche Fotos. „Hier habt ihr schon mal die Karten“, drückte Emily ihren Freunden die Tickets in die Hand. „Und die Musik ist so toll!“, schwärmte Aylin, „Rosalynn Nightwish, meine Lieblingssängerin soll heute Abend auch auftreten“ „Oh nein, nicht schon wieder diese weichgespülte Girliemusik“, tat Ömer so, als hielte er sich die Ohren zu. „Deinen Rapmist kann sich auch keiner antun, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen davon zu tragen“, konterte Aylin. Synchron begannen die Zwillinge im Takt der Musik mitzuwippen. Gut gelaunt stimmten Kiki, Fianna und Emily mit ein. „Wie das aussieht!“, prustete Vivien los. „Jetzt lasst das, das sieht wirklich zu ulkig aus!“, verdrehte Lotta die Augen.
Die Freunde brauchten einen Moment bis sie sich auf dem Festivalgelände zurrecht fanden. Hier wimmelte es nur von Menschen, Bratwurstbuden und Bierwagen. „Cool, die Bühne ist sogar auf dem Wasser!“, stellte Kiki begeistert fest. „Geil, hier gibt es sogar Cocktails aus Eimern!“, rief Lotta und bekam ganz große Augen vor Begeisterung. „Yeah, wir trinken nachher zusammen Sangria!“, gab ihr Max einen Highfive. „Aber jetzt doch nicht!“, bremste Emily den Elan ihrer Freunde, „Wir wollen doch nicht schon um halb neun hacke sein oder?“ „Ach was, dafür haben wir nachher immer noch genug Zeit“, meinte Sven. „Wenn das mit Alkohol ist, trinke ich nicht mit“, schüttelte Aylin den Kopf. „Aylin, es gibt auch alkoholfreie Cocktaileimer“, wandte sich Fianna an sie, „Und jetzt komm, deine Lieblingssängerin steht auf der Bühne. Du willst ihren Auftritt nicht verpassen“ Rosalynn Nightwish war erst letztes Jahr durch eine Casting Show bekannt geworden und hatte am Anfang dieses Jahres ihr erstes Album veröffentlicht. Selbstverständlich hatten sich alle Roten Siebenerinnen das Album geholt und Rosalynns Lieder liefen bei fast jedem Bandentreffen.
„Gib nicht auf!“ war einer der Lieblingssongs der Mädchen. Lotta, Kiki und die Zwillinge kannten den Text des Songs bereits auswendig und sangen laut mit. Als Aylin zu singen begann, verstummten die anderen Freundinnen. Ihre Freundin hatte so eine schöne glockenhelle Stimme, dass sie sich das nicht entgehen lassen wollten. Durch die Menschenmasse bahnten sich die Piranhas und die Roten Siebenerinnen ihren Weg in Richtung Strand. Gerade als sie einen guten Platz gefunden hatten, stimmten Rosalynn und ihre Band ihr bekanntestes Lied „Nur du bist du“ an, womit sie berühmt wurde. „Nur du bist du, wenn du an dich glaubst. Nur du bist du, wenn du dir vertraust!“, trällerten die Bandenmädchen mit und tanzten ausgelassen umher. „Wann hatte dieses Gesäusel ein Ende?“, stöhnte Michael, „Die ist Musik für Mädchen in der Vorpubertät“ „Warte ab, gleich kommt noch Revolverheld“, sah Max deutlich zuversichtlicher aus. Vivien fand es schade, dass Rosalynn Nightwish nur vier Songs in petto hatte.
Doch Revolverheld gefiel ihr ebenfalls sehr gut. „Lass uns hier raus! Hinter Hamburg, Berlin oder Köln! Hört der Regen auf Straßen zu füllen. Hör’n wir endlich mal wieder das Meer und die Wellen. Lass uns gehen, lass uns gehen, lass uns gehen! Hinter Hamburg, Berlin oder Köln! Hör’n die Menschen auf Fragen zu stellen. Hör’n wir endlich mal wieder das Meer und die Wellen. Lass uns gehen, lass uns gehen, lass uns gehen!“, sangen die Roten Siebenerinnen lauthals mit und hüpften auf und ab. Als es später wurde besorgten sich die Freunde zwei große Cocktaileimer mit langen bunten Strohhalmen. Die Rote Sieben saß im weichen Gras um einen Eimer mit alkoholfreier Pina Colada herum, während die Jungs sich 10 Liter Sangria gönnten. „Passt auf, Fischköppe!“, lachte Lotta, „Nicht dass, ihr gleich so einen im Kahn habt, dass wir euch zum Campingplatz zurück tragen müssen“ „Du kannst uns gerne helfen“, bot Ricardo kameradschaftlich an, „Da ist noch viel Sangria übrig für euch“
Zu später Stunde gingen alle Lichter aus und die Musik verstummte. „Jetzt geht das Feuerwerk los!“, raunte Emily ihren Freundinnen zu. „Was für ein großartiger Abend“, legte Annemieke ihre Arme zufrieden um Emily und Vivien. „Sagt mal Cheese!“, konnte es Lotta nicht unterlassen ein Foto von ihnen zu schießen. Mit einem Knall explodierte die erste Rakete am rabenschwarzen Nachthimmel. Silberne und goldene Funken breiteten sich über den ganzen Himmel aus und spiegelten sich im Wasser. Die Mädchen holten ihre Handys raus und filmten das Spektakel. Vivien war glücklich wie lange nicht mehr und hielt Aylins Hand ganz fest. Freude gemeinsam zu erleben und zu teilen war das Schönste was es gab.
Minutenlang schossen blaue, rote, grüne, violette, silberne und goldene Feuerwerkskörper in den Himmel. Am besten gefielen Vivien jedoch der Goldregen, der alles in ein goldiges Licht hüllte. „Ein Abend für die Ewigkeit! Dafür hat sich das Geld gelohnt“, lautete Mathildas Statement. Nachdem Feuerwerk sorgte ein DJ, der House- und Technomusik auflegte für gute Stimmung. Das Festival hatte sich auf jeden Fall gelohnt. „Das war längst nicht unser letztes Festival, nicht wahr Mädels!“, rief Fianna gegen die Lautstärke an. „Auf keinen Fall!“, gab ihr Kiki einen Highfive. „Ihr seid einfach die Tollsten, mit denen man die besten Sachen machen kann!“, überschlug sich Lotta fast vor Euphorie.
Am nächsten Morgen wachte Vivien um kurz nach acht auf. Das Vibrieren ihres Handys hatte sie geweckt. Ihre Mutter wollte wissen, ob sie das Festival gut überstanden hatte und sie wieder heile zum Campingplatz zurückgekommen war. „Alles gut, Mama! Das Festival war spitzenmäßig und ihr waren wieder kurz vor ein Uhr wieder am Campingplatz. Lg Vivi!“, antwortete sie schnell. Wieder war Fiannas Schlafsack leer. Bestimmt hing sie wieder mit Felix und Jonny rum. Als sie ihren Kopf aus dem Zelt steckte, sah sie ihre rothaarige Freundin mit den beiden Männern am Strand Fußball spielen. Da Vivien nicht mehr länger schlafen konnte, machte sie alleine einen Spaziergang über den Campingplatz. Heute schien wieder die Sonne, doch im Gegensatz zu den letzten Tagen war es ziemlich drückend.
Wahrscheinlich würde es im Laufe des Tages noch ein Unwetter oder zumindest Regen geben. Obwohl Vivien nur ein leichtes trägerloses Sommerkleid trug, war ihr richtig warm. Definitiv war dieser Tag zum Baden und fürs Eis essen gemacht. Um diese Uhrzeit war fast noch nichts los. Aus manchen Zelten drang ein leises Schnarchen zu ihr rüber. Vereinzelt zogen eine handvoll Schwimmer ihre Bahnen im See und auf dem angrenzenden Waldweg führten Spaziergänge ihre Hunde Gassi. Hinten auf dem Holzsteg entdeckte sie Annemiekes blonden Lockenschopf. Warum war ihre Freundin bereits so früh auf den Beinen? Sonst schliefen Kiki und die Zwillinge immer bis mindestens neun Uhr. Sie schaute sich um, ob sich Kiki und Mathilda irgendwo in ihrer Nähe herumtrieben. Nein, Annemieke saß mutterseelenallein auf dem Steg.
Vivien fand, dass ihre Freundin irgendwie traurig aussah. „Micky!“, flüsterte sie. Doch Annemieke rührte sich nicht. „Annemieke!“, wiederholte sie etwas lauter. „Ja, was ist denn?“, drehte sich ihre Freundin zu ihr um. „Du siehst so traurig aus“, sagte Vivien und setzte sich neben sie. „Traurig trifft es nicht ganz, ich bin eher nachdenklich“, seufzte Annemieke und schaute auf die kleinen Wellen im Wasser. „Na komm schon, rede dir deinen Kummer von der Seele“, stupste Vivien sie sanft an. Annemieke war gewiss nicht diejenige, die ihr Herz immer auf der Zunge trug und behielt viele Dinge für sich. So war es auch letztes Jahr als sich ihre Eltern sich dauernd gestritten hatten und es beinahe zur Trennung kam. Erst im letzten Moment erfuhren die Freundinnen davon. „Mein Vater will vielleicht eine besser bezahlte Stelle in Berlin annehmen“, eröffnete ihr Annemieke nach einer kurzen Pause. „In Berlin?“, wurden Viviens Augen fast tellergroß. „Doch, er hat die Stelle vor wenigen Wochen angeboten bekommen und soll sich bis Ende diesen Monats entscheiden, ob er das Angebot annimmt“, nickte ihre Freundin. „Oh Gott, werdet ihr auch nach Berlin ziehen? Nein, das darf nicht wahr sein! Was ist unsere nur, wenn die lustigen Zwillingsmäuse auch noch wegziehen. Zumal Kiki in Mainz wohnt, Emily nach Kaiserslautern zieht und Lotta für ein Jahr in die USA geht“, wurde Vivien bei dem Gedanken unwohl.
„Nein, Papa wird sich dort eine Wohnung suchen und wir bleiben mit Mama hier“, meinte Annemieke und fügte niedergeschlagen hinzu, „Ich will nicht, dass meine Familie auseinander gerissen wird. Papa wird mir fehlen, wenn ich ihn höchstens nur noch an Wochenenden und Feiertagen sehe“ Vivien konnte sie nur zu gut verstehen, denn die Eltern der Zwillinge hatten in letzter Zeit viel durchmachen müssen. Wenigstens ließen sie sich nicht scheiden. Mehr wollte Annemieke ihr doch nicht preisgeben und stand auf. „Hey, wo gehst du hin?“, lief ihr Vivien nach. „Ich muss mir einfach die Beine vertreten und diesen verdammten Gedanken los werden, sonst werde ich den ganzen Tag nicht mehr glücklich“ „Ich gebe dir einen Tipp, lass das nicht so nah an dich heran und versuch das einfach zu vergessen“, nahm Vivien ihre Hand. „Wie denn? Du kannst dich doch gar nicht in meine Situation hineinversetzen, dein Vater lebt doch gar nicht mehr. Du versteht das nicht!“, erwiderte Annemieke ungewollt barsch und riss sich von ihr los.
„Aber das war doch nicht so gemeint“, stammelte sie unbeholfen, „Ich wollte dir nur den Tipp geben, dass du nicht die ganze Zeit nur am Grübeln bist“ „Nimm es mir nicht übel, aber ich will einen Moment alleine sein“, drehte sich ihre Freundin um. Als Vivien kehrt machte, kam ihr Mathilda entgegen. „Hast du mitbekommen, dass es deiner Schwester nicht sonderlich gut geht?“, sprach Vivien sie an. „Klar, sie hat vorhin im Zelt auch fast geweint“, nickte Mathilda, „Sie will auf keinem Fall von unserem harmonischen Familienleben loslassen. Guck mal, mir macht das längst nicht so viel aus wie ihr, wenn Papa nach Berlin geht. Ich finde, dass das sogar eine Chance für ihn und für uns ist. Er hat uns versprochen, wenn er diesen Job annimmt, kauft er uns ein Ferienhaus in Portugal oder Spanien“ „Wirst du deinen Vater nicht vermissen?“, hakte Vivien. „Klar, aber er kommt immer noch an den Wochenenden zurück uns“, meinte ihre Freundin.
„Wie sieht der Tagesplan für heute aus?“, fragte Lotta beim gemeinsamen Frühstück. „Ich habe gedacht, wir könnten eine Fahrradtour machen“, schlug Annemieke vor, dessen schlechte Laune sich wieder gelegt hatte. „Die Idee ist klasse!“, fand Aylin. „Irgendwie habe ich keine große Lust, ich bin total müde“, gähnte Emily. „Ich komm wohl gerne mit“, sagte Lotta zu. „Ich würde auch gerne mitfahren, aber ich fahre gleich mit Matti, Sven und Jannis Lenny im Krankenhaus besuchen“, meinte Kiki. „Okay, dann fahren Aylin, Vivi, Lotta und ich alleine“, plante Annemieke weiter, „Hier in der Nähe gibt es einen schönen Aussichtspunkt, dort waren wir vor zwei oder drei Jahren mit unseren Eltern gewesen“ „Annemieke, du hast vergessen Fianna zu fragen, ob sie mitkommen will“, unterbrach Aylin sie. „Ne, ich bleibe hier“, lehnte Fianna ab, „Felix und Jonny haben mich später zum Mittag essen eingeladen“ „Wollen wir die Piranhas fragen, ob sie mitkommen wollen?“, wandte sich Lotta an Aylin und Annemieke. „Ach lass mal, wir Mädels wollen auch mal für uns sein“, erwiderte Annemieke und fragte, „Wer hilft mir den Proviant einzupacken?“ „Gleich, wenn ich fertig bin“, stopfte sich Aylin ihr Käsebrötchen fast auf einmal in den Mund.
„Wollt ihr euch sofort auf den Weg machen?“, fragte Mathilda. „Erst gegen Mittag“, meinte ihre Zwillingsschwester, „Ich will auf jeden Fall noch mal in den See hüpfen. Kommt jemand mit?“ „Na klar, ich bin dabei“, sprang Kiki auf und folgte ihr. Die anderen Mädchen folgten ihrem Beispiel und zogen sich in ihren Zelten um. „Hach, ist das erfrischend!“, ließ sich Emily ins Wasser fallen. Vivien brauchte einen Moment bis sie sich an die Wassertemperatur gewöhnt hatte. Wenig später planschte die gesamte Bande im flachen Wasser, das durch die Sonneneinstrahlung der vergangenen Tage ziemlich warm geworden war. „Hi, Mädels!“, winkte ihnen Felix zu, der mit Jonny im Schlepptau auf sie zugewatet kam. „Oh man, nicht die schon wieder“, verdrehte Mathilda genervt die Augen. „Hallo“, grüßte Emily zurück. „Lust auf ne Partie Wasserball?“, warf Jonny einen aufgeblasenen Wasserball in die Luft. „Von mir aus gerne“, klang Lotta nicht abgeneigt. Vivien machte es sogar Spaß sich mit den älteren Jungs und ihren Freundinnen den Ball zu zuwerfen und sich wilde Verfolgungsjagden zu liefern. Selbst Kiki und Mathilda, die Felix und Jonny als Eindringlinge betrachteten, kamen auf ihre Kosten und jauchzten vor Vergnügen, wenn sie Wasserspritzer abbekamen.
Kurz bevor die Mädchen zu ihrer Radtour aufbrachen, kam Annemieke mit einem reuevollen Gesicht auf Vivien zu. „Es tut mir leid, dass ich vorhin so abweisend zu dir war, obwohl du mich trösten wolltest“, sagte sie. „Ach, das ist nicht so wild“, legte Vivien ihrer Freundin die Hand auf die Schulter, „Irgendwie kann ich deine Sorge verstehen, es ist nicht schön, wenn die Familie auseinander zieht“ Kurz nahmen sich die beiden Mädchen in den Arm und stiegen auf ihre Fahrräder. „Hier ist es deutlich frischer!“, stellte Lotta fest, als sie zu viert durch den Wald radelten. „Stimmt, in der Sonne hat man es kaum ausgehalten“, nickte Aylin. Vivien ließ ihre halblangen Haare im Fahrtwind flattern. Es war wirklich kein Vergleich zum Campingplatz, der überwiegend in der Sonne lag. „Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind! Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind!“, begann Lotta vor sich hin zu singen. „Nein, Lotta, davon kriege ich einen Ohrwurm, den ich nie los werde“, rief Annemieke. Vivien entdeckte zwischen den Bäumen etwas, das ein hellbraunes Fell hatte und sich bewegte. „Bleibt stehen!“, raunte sie ihren Freundinnen zu. „Was ist los?“, kam Aylin mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Vor den erstaunten Freundinnen hoppelte ein Reh über den Waldweg und hielt kurz inne, um die Mädchen genauer zu beäugen. „Ist euch aufgefallen, dass dieses Reh kaum Schau vor Menschen hat?“, fiel Lotta auf. „Warum auch? Bei uns steht heute kein Rehbraten auf dem Speiseplan“, grinste Annemieke.
„Was! Es ist schon drei Uhr!“, staunte Aylin, als die Mädchen ihre Fahrräder abgestellt hatten und die letzten Meter zu den Sandsteinklippen zu Fuß gingen. „Klar, wir waren irre lange unterwegs“, drehte sich Vivien zu ihr um. „Ich habe bereits jetzt schon Hunger“, machte sich Lotta an Annemiekes Rucksack zu schaffen. „Finger weg!“, drehte sich ihre Freundin auf der Stelle um und hielt ihr Handgelenk fest. „Nie gönnst du mir was!“, tat Lotta beleidigt und zog sie spielerisch an den Locken. Annemieke ließ das nicht auf sich sitzen und begann Lotta durchzukitzeln. „Micky, ich bring dich um! Hier haben wir die passende Gelegenheit, um dich die Klippen herunter zu schubsen“, kreischte sie und versuchte Annemiekes flinken Hände zu packen. Das Jauchzen und Lachen übertönte das Singen der Vögel. „Micky und Lotta, wie im Kindergarten!“, murmelte Aylin leise vor sich hin. Vivien eilte voraus und suchte sich einen besonders schönen Picknickplatz auf einem Sandsteinplatteau an, wo sie den besten Ausblick hatten. Wald, Lichtungen und Hügel soweit das Auge reichte! Nur am Horizont erkannte man zwei Kirchtürme und ein paar Windräder.
„An eurer Stelle würde ich aufhören zu kabbeln! Wie ihr seht, geht es hier über hundert Meter in die Tiefe“, rief sie ihren Freundinnen zu. Nun war auch Aylin in die Albereien involviert und kitzelte Annemieke an den Seiten. „Jetzt ist mal gut, Mädels!“, wiederholte Vivien. „Okay, Time out!“, beendete Lotta das Spiel und ließ sich neben Vivien auf der Picknickdecke nieder. Den Mädchen lief das Wasser im Munde zusammen, als die belegten Sandwichs, Salamis, Bananen, Pfirsiche, Joghurtdrinks und Cookies aus den Rucksäcken geholt wurden. „Was für ein Festmahl!“, leuchteten Viviens Augen. „Festmahl? Das ist doch nur ein ganz banales Picknick“, bemerkte Lotta. „Egal, nach dem anstrengenden Aufstieg ist dieses Picknick mit dem Superausblick die beste Belohnung, die man haben kann“, war Annemieke der Meinung und stopfte sich eine ganze Salami auf einmal in den Mund. „Manno, das war die letzte Wurst!“, beschwerte sich Lotta. „Keine Panik, Nachschub haben wir mehr dabei“, holte Vivien eine Packung Wiener Würstchen aus ihrer Tasche. Begeistert griffen die Mädchen zu, nur Aylin verschmähte die Fleischware und blieb lieber bei ihren Keksen.
Mit vollen Bäuchen dösten die Mädchen eine Weile ein. Vivien schreckte hoch, als ihr ein Insekt um die Ohren summte. Gähnend richtete sie sich auf und schaute auf ihr Handy. Inzwischen hatte sie über zwanzig neue Nachrichten, von denen die Hälfte aus dem Roten-Sieben-Chat stammte. „Hi, Lennart geht es wieder einigermaßen gut. Er darf in zwei Tagen das Krankenhaus verlassen!“, schrieb Kiki, „Gleich auf dem Rückweg gibt es für Matti, Sven, Jannis und mich ein großes Eis und wir machen noch mal am Wisentgehege halt. Bis nachher! Hoffentlich habt ihr gerade viel Spaß auf eurer Fahrradtour“ Kurzerhand machte Vivien ein Foto von ihren schlafenden Freundinnen und stellte das Bild in die Gruppe.
„Oh man, wie lange haben wir gepennt?“, wachte Lotta auf. „Bestimmt fast eine ganze Stunde“, murmelte Vivien. Nun war auch Aylin hellwach. „Wir müssen gleich nach Hause, sonst kommen wir erst sehr spät zurück“, sagte sie. „Wollen wir Micky wecken?“, grinste Lotta mit einem Blick auf ihre Freundin, die sich wie ein Kätzchen zusammen gerollt hatte. Sie holte eine Wasserflasche aus der Tasche, schüttelte sie und richtete die Öffnung auf Annemiekes Kopf. Es zischte als Lotta den Verschluss aufschraubte und die gefühlte Hälfte spritzte Annemieke ins Gesicht. „Was ist das?“, saß sie in Bruchteilen von Sekunden auf und atmete vor Schreck tief durch. „Das war die Weckfunktion a la Lotta Jansen“, prustete Vivien los und steckte Lotta und Aylin mit an. „Haha, sehr witzig!“, strich sich Annemieke eine nasse Strähne hinters Ohr.
„Endlich wieder da!“, seufzte Aylin und ließ sich vor ihrem Zelt ins weiche Gras fallen. Eine alte Eiche spendete den notwendigen Schatten. „Ich werde morgen einen großen Muskelkater haben, aber dass Micky uns alle Hügel rauf und runter jagen musste“, gähnte Vivien und lehnte sich gegen Aylins Rücken. „Habt ihr Durst?“, reichte Annemieke ihnen zwei kleine Flaschen Himbeerlimonade. „Cool, wo hast du die hergezaubert?“, strahlten Aylins Augen. „Vom Kiosk, die gab’s heute im Sonderangebot“, meinte ihre Freundin und setzte sich neben sie. „Übrigens, die Fahrradtour war wunderschön“, sagte Vivien, „Das Ziel hast du gut ausgesucht, aber nur das ständige Rauf und Runter war echt anstrengend“ Die drei Mädchen öffneten ihre Limonadenflaschen und prosteten sich gegenseitig zu. „Na, hattet ihr einen schönen jungsfreien Tag?“, stand Michael aus dem Nichts vor ihnen. „Oh ja, es war wunderbar!“, schwärmte Aylin.
„Habt ihr uns wirklich nicht vermisst?“, setzte Michael einen Dackelblick auf. „Nö, wer soll euch Chaoten schon vermisst haben?“, entfuhr es Vivien keck. „Pöh, da ist man schon nett zu den Schnitten und sie wissen es noch nicht einmal zu würdigen“, trat Max vor die Mädchen. „Vielleicht sollen wir doch alte Zeiten auferstehen lassen“, lugte Ömer hinter Max Schulter hervor, „Manchmal waren diese Bandenrivalitäten echt unterhaltsam“ „Stimmt, das war schon manchmal echt witzig“, kicherte Annemieke. „Willst du damit auf unser verunstaltetes Bandenquartier anspielen, Kaaskopp?“, räusperte sich Michael. „Nenn mich noch einmal so und…“, drohte ihm Annemieke, pflückte ein paar Grashalme und warf sie in seine Richtung. „Die pinken Fenster und das lustige Banner mit den Ballettmäusen war schon echt originell“, gickerte Aylin los. Vivien konnte bei dem Thema nicht mitreden. Sie war erst zu der Bande gestoßen, als der Bandenkrieg beigelegt war.
„Habt ihr Fianna und Emily gesehen?“, kam Lotta im Bikini auf sie zugelaufen. Sie war klatschnass. Das Wasser tropfte aus ihren Haaren. „Nein“, schüttelte Aylin den Kopf, „Ich habe Fianna seit Stunden nicht mehr gesehen und sie hat noch nicht mal auf meine Nachrichten geantwortet“ „Kommt, wir gehen sie suchen“, zog Annemieke Aylin und Vivien vom Boden hoch. „Michi, hast du eine Ahnung, wo unsere beiden Freundinnen abgeblieben sein könnten?“, fragte Lotta Michael. „Keine Ahnung, wir sind auch gerade von einer Fahrradtour wieder gekommen“, zuckte er mit den Achseln. Die Jugendlichen begannen sich auf die Suche nach den beiden Mädchen zu machen. „In den Zelten verstecken sie sich nicht“, machte Aylin ein etwas ratloses Gesicht. „An der Tischtennisplatte, auf dem Steg und am Kiosk sind sie auch nicht“, kam Annemieke außer Atem wieder. Lotta und Michael trommelten ihre Freunde zusammen. „Seht mal, dahinten kommen Kiki und co wieder“, raunte Vivien und zeigte auf ihre Freunde.
„Matti und Kiki, ihr müsst mal schnell her kommen!“, rief Annemieke und formte mit ihren Händen einen Schalltrichter. „Was ist euer Anliegen?“, kam Kiki auf die Freunde zugeeilt und stolperte fast, da sie einmal mit ihren Flipflops im hohen Gras hängen blieb. „Habt ihr Emily und Fianna gesehen?“ „Nein, warum sollen sie denn nicht hier auf dem Campingplatz sein?“, meinte Mathilda. „Wir suchen sie schon seit Minuten und können sie nicht finden“, sagte Aylin. „Quatsch, eure beiden Freundinnen werden sich hier irgendwo herumtreiben“, fiel ihr Jannis ins Wort. „Trotzdem können wir sie nicht finden“, sagte Annemieke leicht hitzig, „Es wäre schön, wenn Fianna mal an ihr Handy geht. Wieder versuchte Annemieke sie anzurufen. „Ich hör was!“, wisperte Aylin. „Ich höre es auch“, nickte Vivien, „In unserem Zelt klingelt ein Handy“ Voller Neugierde öffnete Vivien den Reißverschluss ihres Zeltes. Tatsächlich lag auf Fiannas Kopfkissen ein Handy, welches ununterbrochen bimmelte.
Ohne zu zögern nahm sie es mit und lief mit dem Corpus Delicti zu der Gruppe zurück. „Fiannas Handy!“, fiel Lotta aus allen Wolken. „Warum ist ihr Handy da und Fianna nicht?“, machte Mathilda einen ratlosen Eindruck. „Wahrscheinlich hat sie es im Zelt vergessen“, meinte Kiki. „Ich rufe jetzt mal Emily an“, wählte Aylin Emilys Nummer. „Und kannst du sie erreichen?“, fragte Vivien nach einer Weile. „Nein, es geht nur ihre Mailbox dran“, seufzte ihre beste Freundin. „Ich versuche es auch noch mal“, beschloss Annemieke und stöhnte wenig später, „Es ist zum Mäusemelken, wieder nur die Mailbox!“ „Vielleicht hat sie ihr Handy auf lautlos“, dachte Kiki nach. „Eigentlich nicht“, wusste Vivien, die Emilys Handy oft genug bimmeln hörte. „Sind wir hier in einem Funkloch?“, überlegte Aylin. „Ne, hier haben wir sehr guten Empfang“, meinte Sven. „Dann muss Emily in einem Funkloch sein“, schlussfolgerte Kiki, „Dann macht sie gerade eine Spritztour um den See“ „Ach was, ihr Fahrrad ist doch hier“, puffte Mathilda sie leicht in die Seite. „Aber Emily hätte uns doch Bescheid gesagt, wenn sie unterwegs wäre“, war Annemieke misstrauisch.
„Lasst uns Suchtrupps bilden, es bringt uns nichts, wenn wir uns stundenlang die Münder fusselig reden“, schlug Lotta vor, „Wir sind zu zwölf und zwölf kann man durch vier teilen. Also vier Gruppen mit je drei Personen“ Die Idee kam gut an. Spontan wurden vier Gruppen gebildet. Vivien suchte mit Kiki und Lotta den gesamten Uferbereich ab. „Vielleicht sind Emily und Fianna nicht zusammen verschwunden“, überlegte Lotta. „Ich bin mir sicher, dass sie nicht weit weg von hier sind“, war Kiki überzeugt. „Ich weiß, dass Fianna gerne mit Felix Wasserski fährt“ „Dann gehen wir mal zur Wasserskianlage“, gab Kiki die Richtung vor, „Ich kann mir vorstellen, dass Fianna und Felix Wasserski fahren und Emily ihnen zuguckt“ An der Wasserskianlage abseits des Campingplatzes war Hochbetrieb. Junge Männer beeindruckten auf Wakeboards mit atemberaubenden Kunststücken, sportliche Frauen in Bikinis flitzten auf Wasserskiern über die Wasseroberfläche und im Biergarten saßen ältere Herren, die sich in einer ohrenbetäubenden Lautstärke unterhielten und zwischendrin laut lachten.
„Wenn Fianna hier wäre, hätten wir sie garantiert gesehen“, ließ Kiki ihren Blick über das Wasser schweifen. „Stimmt, Fiannas roten Haare hätte man erkannt“, dachte Vivien bei sich. „Hier sind sie definitiv nicht“, sagte Lotta nach einer Weile. Plötzlich klingelte Kikis Handy. Vielleicht war das Emily hoffte Vivien. „Hi, hier ist Kiki. Wir suchen sie gerade bei der Wasserskianlage“, meldete sich Kiki, „Was? Der Wohnwagen von Felix und Jonny ist weg, ist das euer Ernst?“ Ihr entglitten sämtliche Gesichtszüge: Offenbar keine guten Nachrichten! „Wer war das?“, fragten Lotta und Vivien gleichzeitig, als Kiki aufgelegt hatte. „Matti“, erwiderte sie, „Aylin, Micky und sie haben festgestellt, dass Felix Wohnmobil verschwunden ist“ „Oh Gott!“, wurde Vivien ganz bleich. Mit einem Mal war ihr speiübel. „Kommt Mädels, wir treffen uns am Steg. Matti hat so eben eine Krisensitzung einberufen“, zog Kiki Vivien und Lotta hinter sich her.
„Mit unseren Fahrrädern um den ganzen See zu fahren und sie zu suchen wäre“, sagte Ömer. „Ne, ich habe noch eine viel bessere Idee“, warf Vivien ein, „Wir haben die anderen Camper noch nicht gefragt“ „Ach ja, auf die Idee hätten wir auch früher kommen können“, meinte Kiki. In Kleingruppen klapperten die Jugendlichen alle Zelte und Wohnwagen ab. „Tut mir leid, ich habe kein rothaariges Mädchen und ihre Freundinnen während der letzten beiden Stunden gesehen“, sagte eine Seniorin, die mit ihrem Mann vor ihrem Wohnwagen einen Tee trank. „Lasst uns die jungen Leute an der Feuerstelle fragen“, raunte Kiki ihren Freundinnen zu. „Hallo, habt ihr einen Moment Zeit?“, fragte Lotta die Studenten, „Wir wollen euch fragen, ob ihr ein rothaariges Mädchen und ein Mädchen mit schulterlangen braunen Haaren gesehen habt?“ „Hm, hier liefen mindestens zwei oder drei Mädchen mit roten Haaren rum und ebenso viele braunhaarige Mädchen“, meinte eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren. „Was hatten eure Freundinnen an?“, fragte ihre Freundin. „Ich glaube Fianna hatte ein grüngelbes Top an“, überlegte Aylin. „Ich habe vorhin ein rotblondes Mädchen mit einem neongelben Top gesehen, aber das ist schon mehr als drei Stunden her“, sagte ein Typ mit einem Basecap. „War jemand bei ihr?“, forschte Vivien nach. „Nicht, dass ich wüsste“, überlegte der junge Mann, „Ich habe eure Freundin nur kurz über den Campingplatz huschen gesehen“ Anschließend gingen Vivien und ihre Freundinnen zu einem Zelt einer Familie mit zwei Kindern. „Wir sind erst vor einer halben Stunde angekommen, von daher kann ich euch leider keine Auskunft geben“ „Mist, schon wieder kein Erfolg!“, schimpfte Kiki leise, als sie fort gingen.
„Habt ihr wenigstens ein bisschen mehr herausfinden können?“, fragte Kiki die Zwillinge und die Piranhas. „Nein, teilweise wollten uns einige Leute keine vernünftige Antwort geben oder sie haben angeblich niemanden gesehen“, brummte Mathilda niedergeschlagen. „Ich verstehe nicht, warum niemand etwas gesehen haben will“, mischte sich Frust in Kikis Stimme. „Kommt Freunde, wir schwingen uns auf die Räder und fahren um den See“, blies Jannis zum Aufbruch. „Ihr könnt meinetwegen um den See fahren, aber meine Freundinnen und ich bleiben hier“, beschloss Kiki. „Ihr könnt ruhig schon mal losfahren“, wandte sich Lotta an die Jungs, „Sagt ihr uns Bescheid, wenn ihr sie gefunden habt?“ „Aber selbstverständlich!“, versicherte ihnen Michael. Die sechs Piranhas fuhren davon und entfernten sich, sodass sie nach einigen hundert Metern nicht mehr zu sehen waren. „Vielleicht sind sie schwimmen gegangen“, überlegte Aylin mit dem Blick auf den See, der in der tief stehenden Sonne glitzerte. Noch immer war es warm und im Gegensatz zu den letzten Tagen zudem sehr drückend. „Bitte, lasst sie nicht ertrunken sein“, bettelte Vivien, der bei dem Gedanken ganz übel wurde. „Ach was, das sind sie mit Sicherheit nicht“, schüttelte Annemieke den Kopf. „Trotzdem möchte ich auf den See hinaus schwimmen und gucken, ob sie sich dort herumtreiben“, sagte Lotta und eilte in Richtung Strand.
„Halt, du bleibst schön hier und schwimmst nicht auf den See hinaus“, hielt Mathilda sie am Handgelenk fest, „Eine dritte Vermisste an diesem Abend brauchen wir nicht“ „Vielleicht sind Fianna und Emily doch mit Felix und Jonny fort gefahren“, kam Aylin der Gedanke. „Rede doch nicht so einen Blödsinn, als ob Emily und Fianna freiwillig zu denen ins Wohnmobil steigen und davon fahren ohne uns Bescheid zu sagen“, tippte sich Mathilda gegen die Stirn. „Bei Fianna kann ich mir es fast schon vorstellen, aber Emily würde niemals bei denen mitfahren“, sagte ihre Zwillingsschwester. „Wisst ihr was, ich rufe jetzt Jannis an“, beschloss Lotta, „Vielleicht sind sie inzwischen weiter als wir“ „Und ich rufe die Polizei“, holte Kiki ihr Handy aus der Hosentasche und entfernte sich ein paar Schritte von ihren Freundinnen. Vivien kam es wie eine Ewigkeit vor, wie lange ihre Freundin mit den Polizisten telefonierte. Nach einer Weile ging Mathilda zu ihr hin, um herauszufinden, was gerade Sache war.
In weniger als zehn Minuten trafen vier Polizisten, darunter ein Polizeitaucher, am Campingplatz ein. Eine Polizistin hielt einen Spürhund an der Leine. „Können Sie das Aussehen ihrer Freundinnen beschreiben?“, wandte sich einer der Beamten an die Mädchen. „Emily Heuberger hat braune gewellte Haare, die ihr ungefähr bis zur Schulter reichen. Sie ist circa 1,76m groß, normal gebaut und trägt heute ein dunkelblaues Sommerkleid, das ihr bis zu den Knien reicht“, beschrieb Annemieke ihre beste Freundin. „Fianna O’Hara ist etwa 1,67m groß und hat lange rotblonde Haare. Sie ist schlank und hat im Gesicht viele Sommersprossen. Heute trägt sie ein hellgrünes Top und einen weißen Rock“, fing Lotta an Fianna zu beschreiben. Der Polizist machte sich Notizen, während sein Kollege Kiki und Mathilda fragte, wie sie die beiden Vermissten bereits gesucht hatten. „Ein paar Freunde von uns fahren mit dem Fahrrad am Seeufer entlang, um sie zu suchen“, berichtete Mathilda. Im Hintergrund wurde ein Polizeiboot zu Wasser gelassen. Garantiert wollten die Polizisten den See durchforsten, was sich die Freundinnen zuvor nicht getraut hatten. Seit einigen Minuten fühlte sich Vivien komisch und ihr war schwindelig vor Angst und Aufregung. Sie musste sich kurz auf den Boden setzen. „Ist alles okay mit dir?“, hockte sich Kiki neben sie. „Mir ist gerade schwindelig“, murmelte Vivien, „Es ist einfach zu viel für mich“ „Trink am besten einen Schluck Wasser“, redete ihre Freundin auf sie und beauftragte Annemieke eine Wasserflasche zu holen.
Die Polizisten suchten noch eine ganze Weile auf dem Campingplatz und auf dem See. Trotzdem fehlte von den beiden Mädchen jede Spur. Bereits kurz nach halb neun bezog sich der Himmel und ein leichter Wind kam auf. Eine halbe Stunde kamen die Piranhas wieder. „Tut mir leid, wir haben sie nicht finden können“, war Sven total ratlos und machte einen erschöpften Eindruck. „Weiß der Teufel, wo sie stecken? Sie sind jedenfalls wie vom Erdboden verschluckt“, platzte es frustriert aus Ricardo raus. „Was nun? Ist ihnen doch etwas Schlimmes passiert?“, war Vivien total geschockt und musste gegen ihre aufsteigenden Tränen ankämpfen. Wortlos nahm Aylin sie in den Arm. Lotta entfernte sich ein Stück von der Gruppe und schlich hinter einen Busch, damit niemand mitbekam, dass sie leise weinte. „Wir können es nicht ändern“, seufzte Mathilda, „Könnte ich zaubern, würde ich sie auf die Stelle hier her zaubern“
„Warum ist Lotta weg?“, wurde Annemieke unruhig. „Sie ist nur hinter den Busch gegangen“, meinte ihre Schwester. Annemieke entfernte sich von ihren Freunden, um nach Lotta zu schauen. „Der letzte Abend hätte wesentlich schöner sein können“, schlug Kiki die Augen nieder. „Definitiv, ich habe den Eindruck wir stecken mitten in einem Albtraum“, pflichtete ihr Mathilda seufzend bei. „Wenn ihr wollt, können wir uns noch ein paar Würstchen grillen?“, schlug Michael vor. „Nein danke, kein Hunger!“, murrten die Mädchen schlechtgelaunt. „Michi, wie kannst du immer nur ans Essen denken?“, zog Max seinen Kumpel auf. Einen Augenblick kamen Annemieke und Lotta Arm in Arm wieder. Anhand Lottas verquollener Augen war zu sehen, dass sie gerade geweint hatte.
Je später es wurde, umso mehr zog sich der Himmel zu und es wurde früh dunkel. Im hohen Gras sahen die Freunde ein kleines Glühwürmchen leuchten. Die Luft war immer noch zum Schneiden dick. „Das sieht ganz danach aus, als ob es heute Nacht gewittern wird“, machte Ricardo ein sorgenvolles Gesicht. „Na und? Unsere Zelte sind doch wasserfest“, war Ömer unbeeindruckt. „Trotzdem willst du nicht unter einen hauchdünnen Zeltplane schlafen, wenn Blitz, Donner, Regen und Sturm über dir toben“, meinte Jannis. „Es gibt im Gebäude, wo die Sanitärräume sind, auch einen Aufenthaltraum für solche Fälle“, warf Kiki ein. „Hoffentlich kein Gewitter!“, flehte Aylin leise, sodass es nur Vivien hören konnte. „Ich hoffe auch, dass es maximal nur Regen gibt“, sagte sie zu ihrer besten Freundin. Wieder kam eine heftige Windböe auf und fegte über die Zelte hinweg. „Ich glaube, ich geh ins Zelt“, machte Annemieke auf dem Absatz kehrt, „Mir wird es hier zu ungemütlich“ „Ich schließe mich ihr an“, beschloss Kiki und ging langsam davon. „Kiki, Matti und Micky, wollt ihr nicht zu uns ins Zelt kommen?“, schlug Lotta vor, „Ohne Emily und Fianna ist es dort so unbehaglich“
„Okay, wir bringen dann nur noch unsere Schlafsachen und eine Luftmatratze mit“, hörten sie Kikis Stimme aus dem Zelt. Die Piranhas und die Rote Siebenerinnen wünschten sich eine gute Nacht, bevor sie in ihre Zelte verschwanden. Zu sechst war es in Lottas Familienzelt doch ein wenig eng und es hätte gemütlich sein können, wenn die Mädchen nicht so eine derbe Angst um ihre beiden vermissten Bandenschwestern hätten haben müssen. „Habt ihr noch etwas zu essen oder zu trinken? Ich habe irgendwie doch Hunger“, richtete sich Annemieke in ihrem Schlafsack auf. „Moment, wir können in meiner Tasche nachschauen“, machte Lotta mit ihrer Taschenlampe Licht. „Ich habe noch zwei Flaschen Cola und eine Tüte Weingummi“, fiel Vivien ein. „Cool, nur her damit!“, forderte Mathilda, die eine Packung Oreos aus Lottas Fahrradtasche zog. Die Mädchen krochen aus ihren Schlafssäcken und setzten sich im Kreis hin. Sie ließen die Colaflaschen kreisen, knabberten an den Kakaokeksen herum und verdrückten immer wieder ein paar Gummibärchen. Süßkram war das, was ihren angespannten am besten tat.
Draußen fing es leicht an zu regnen und immer wieder fegte ein kräftiger Wind durch die Baumwipfel. „Gut, dass wir jetzt im Zelt sitzen“, murmelte Aylin, „Draußen ist es momentan ziemlich unangenehm“ „Ich habe nichts gegen leichten Landwind und das Rascheln der Blätter einzuwenden“, gähnte Mathilda und kuschelte sich an ihre Schwester. „Ich probiere es noch mal, vielleicht geht Emily jetzt an ihr Handy“, sagte Lotta auf einmal. Es tutete mehrmals und Vivien wusste Bescheid, dass Emily nicht an ihr Handy ging. „So ein verdammter Mist!“, schimpfte Lotta, „Ich wette mit euch, dass Emily ihr Handy verloren hat“ „Oder sie hat es nicht an“, fügte Annemieke hinzu. Nun war Aylin diejenige, die anfing zu schniefen und sich mit einem Taschentuch die Tränen von den Wangen tupfte. Vivien und Kiki schlossen sie in ihre Arme. „Oh man, es ist zum Heulen und Fluchen gleichzeitig“, stöhnte Lotta. „Mir macht es arge Bedenken, dass Fianna und Emily bei diesem Wetter höchst wahrscheinlich noch draußen sind“, hörte sich Kiki sehr unbehaglich an. Um kurz nach elf beschlossen die Mädchen das Licht zu löschen und zu schlafen.
Vivien konnte lange Zeit nicht einschlafen. Eingeengt lag sie zwischen den Zwillingen, die mindestens schon vor einer halben Stunde eingeschlafen waren und gleichmäßig atmeten. Ab und zu hörte sie, wie Kiki etwas Unverständliches im Schlaf vor sich hin murmelte und Aylin leise schnarchte. Vivien versuchte es mit Zehenwackeln, Fingergymnastik und Schäfchenzählen, wovon sie nicht müder wurde. Genervt wälzte sie sich von der einen Seite auf die andere. Einen Augenblick später schaute sie auf ihrem Handy nach, wie spät es war. Sechs Minuten nach Mitternacht zeigte ihre Handyuhr an. „Kannst du auch nicht schlafen?“, flüsterte Lotta auf einmal und richtete sich auf. „Ne, ich bin gerade überhaupt nicht müde“, erwiderte Vivien leise. Die beiden Mädchen drehten sich auf den Bauch rückten mit ihren Köpfen so nah zusammen, wie sie nur konnten. Auf keinen Fall wollten sie ihre Freundinnen wecken. „Ich bin die ganze Zeit schon unruhig und hibbelig, sodass mir fast schon schlecht ist“, fuhr Lotta fort. „Geht mir nicht anders, ich mache mir auch die ganze Zeit Gedanken“, murmelte Vivien.
„Fianna und Emily geben noch nicht mal ein einziges Lebenszeichen von sich und zu allem Überfluss hat Fianna ihr Handy hier gelassen. Es ist doch nicht normal, dass unsere Freundinnen seit Stunden vermisst werden und kein Geier weiß, wo sie sind. Anfangs habe ich gedacht, dass sie uns ein bisschen veräppeln wollten, aber kann gar nicht sein. Spätestens nach einer halben Stunde wären sie wieder hier erschienen“, wisperte ihre Freundin. Draußen grummelte es in der Ferne. „Mist, gewittert es hier?“, bekam Vivien eine Gänsehaut. Blitz und Donner auf dem Campingplatz war alles andere als angenehm. „Ach was, das ganz weit weg. Das zieht mit großer Wahrscheinlichkeit an uns vorbei, sodass wir davon nichts mitbekommen“, konnte Lotta sie beruhigen. „Es muss an uns vorbei ziehen, ich will nicht vom Blitz gegrillt werden“, raunte Vivien. Dabei wusste sie selbst, wie unwahrscheinlich es war vom Blitz getroffen zu werden. Der Regen begann stärker auf das Zeltdach zu prasseln. Zum Glück war das Zelt wasserdicht.
„Lass uns versuchen zu schlafen, langsam werde ich doch müde. Wir brauchen den Schlaf, denn morgen müssen wir den ganzen Weg wieder nach Hause fahren. Gute Nacht, Vivi!“, gähnte Lotta und drehte sich auf die Seite. Vivien legte ihr Handy beiseite. Im nächsten Moment leuchtete es kurz leicht auf, fast wirkte es wie ein Flackern. War das wirklich ein Wetterleuchten? Vivien wartete darauf den Donner zu hören und begann zu zählen. Als sie bereits bei vierzig angekommen war, hörte sie auf zu zählen. Vielleicht war das gerade eben doch kein Blitz. Beruhigt kuschelte sie sich in ihren Schlafsack und schloss die Augen. Schließlich schaffte sie es doch einzuschlafen. Jedoch schlief sie sehr unruhig und wachte jedes Mal auf, wenn sie schlecht träumte oder der Wind in den Bäumen raschelte.
Um kurz nach vier erhellte ein Blitz den Campingplatz, worauf ein ohrenbetäubender Donner folgte. Mit einem Mal waren alle Roten Siebenerinnen wach geworden. „Oh Gott, da kriegt man fast einen Herzstillstand!“, meinte Lotta. „Nicht nur das, man wird davon auch noch halb taub“, fügte Mathilda hinzu. „Wir müssen uns irgendwo unterstellen“, sagte ihre Zwillingsschwester, „Das Gewitter ist schon ziemlich nah und im Zelt ist es mir zu gefährlich“ „Aber wohin sollen wir gehen?“, flüsterte Aylin. „Du weißt doch, dass im Duschhaus auch ein großer Aufenthaltsraum ist“, klärte Annemieke sie auf. „Ich bin auch dafür, dass wir uns dort hin begeben“, schloss Vivien sich Annemiekes Meinung an. Ein heftiger stürmischer Wind rüttelte an den Zeltwänden und der nächste Blitz machte die Nacht zum Tage. Diesmal donnerte es nicht ganz so heftig. Hastig zogen sich die Freundinnen um. „Vergesst auf keinen Fall eure Wertsachen, eure Jacken, eure Schuhe und was euch sonst noch so wichtig ist“, sagte Kiki vor dem Verlassen des Zeltes. Die Zwillinge waren die ersten, die aus dem Zelt schlüpften und über den Rasen flitzten.
Rasch verlor Vivien sie aus den Augen. Lotta folgte ihnen uns hatte sie mit ihren langen Beinen an der Tischtennisplatte eingeholt. Aylin war diejenige, die am meisten zögerte. „Nun komm schon, du kannst doch hier nicht ausharren!“, redete Vivien auf sie ein. Es begann zu regnen. „Hey, wo bleibt ihr?“, kam Kiki wieder zurück gelaufen. „Aylin will nicht mitkommen und ich will auch nicht, dass sie alleine zurückbleibt“, erwiderte Vivien. „Aylin, dir kann nichts passieren“, legte Kiki der kleinsten Roten Siebenerin die Hand auf den Arm. „Aber ich habe euch keine Lust durch den strömenden Regen zu laufen“, nörgelte Aylin, „Ich werde pitschnass sein, wenn wir im Aufenthaltsraum angekommen sind“ „Du kommst mit, auch wenn wir dich durch den Regen tragen müssen“, war Kiki deutlich hartnäckiger als Vivien.
Mittlerweile blitzte und donnerte es im Sekundentakt. Die Windböen verwandelten sich zunehmend in einen Sturm. Vivien und Kiki ließen ihrer Freundin keine Wahl. Sie nahmen Aylin an die Hand und rannten zu dritt, so schnell sie konnten über den Campingplatz. „Gleich sind wir da, Mädels!“, spornte Kiki die Freundinnen an. „Ich kann nicht so schnell“, ächzte Aylin, „Ich kriege Seitenstechen!“ „Komm schon, noch ein Sprint und dann haben wir es geschafft!“, ließ Kiki nicht locker. Auch Vivien keuchte wie eine alte Dampflok. Sprinten war noch nie ihre Stärke, weswegen sie bei jeder Gelegenheit darauf verzichtete. Inzwischen war das Gras so nass, dass die Freundinnen höllisch aufpassen mussten, dass sie nicht ausrutschten. „Mensch, da seid ihr!“, empfing Lotta sie an der Tür zum Aufenthaltsraum. Im Raum mit den vielen Tischen herrschte großer Andrang. Nicht nur die Bandenmädchen hatte es bei diesem Unwetter aus den Zelten vertrieben. Hier versammelte sich gerade der halbe Campingplatz. Die Zwillinge saßen mit den Piranhas an einem Tisch. „Kommt mal schnell her!“, rief Mathilda aufgeregt. „Wir sehen gerade, dass Emily uns vor einer Stunde eine Nachricht geschickt hat“, fügte Annemieke hinzu.
„Emily hat sich tatsächlich gemeldet?“, konnte Kiki es kaum glauben. „Anscheinend schon, sonst wären die Zwillinge nicht so aus dem Häuschen“, bestätigte Jannis. „Passt mal auf, Emily und Fianna waren bei Felix und Jonny zum Mittagessen eingeladen. Plötzlich wurden Emily und Fianna so müde, dass sie eingeschlafen sind. Bestimmt haben sie mehrere Stunden geschlafen haben. Als es bereits nach Mitternacht war, wachte Emily im Wohnwagen der Beiden auf. Erst wusste sie nicht, wo sie genau war und schaute aus dem Fenster. Sie befanden sich auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte“, berichtete Annemieke ausführlich. „Wie kann denn das sein?“, wurde sie von Michael unterbrochen. „Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass eure beiden Freundinnen in deren Wohnwagen in einen tiefen Schlaf fallen und erst aufwachen, als so ganz woanders sind“, stieß Ricardo ungläubig aus. „Hey, jetzt lasst doch Micky zuende reden und unterbrecht sie nicht dauernd!“, rief Mathilda ungehalten. „Emily meint, dass Schlafmittel im Spiel gewesen seien, die man ihnen unter das Essen und in die Getränke gemischt hat“, fuhr Annemieke fort.
„Wisst ihr eigentlich, wo Fianna und Emily sich gerade befinden?“, forschte Jannis nach. „Sie wurden zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht“, erwiderte Lotta, „Zudem werden einige Getränke und das Essen auf auffällige Substanzen untersucht“ „Wie kann man nur so hinterhältig sein?“, schäumte Aylin vor Wut. „Hey, kann ich mal bitte zuende erzählen?“, verschaffte sich Annemieke erneut Verhör. „Klar, schieß los, Micky!“, meinte Sven. „Als Emily entdeckte, dass sie auf dem Parkplatz standen, öffnete sie das Fenster und schaute, ob sie ein Ortsschild entdeckte. Dann kamen zwei junge Frauen an dem Wohnwagen vorbei. Emily fragte sie, wo sie gerade sei und dann meinte die eine Frau, dass sie kurz vor Münster sei. Emily verständigte darauf schockiert die Polizei, die Fianna und sie aus dem Wohnwagen befreiten. Felix und Jonny wurden im benachbarten Schnellrestaurant verhaftet. Emily und Fianna wurden darauf ins Krankenhaus gebracht, wo Emily schon verhört werden konnte“, schloss sie ihre Erzählung ab.
„Oh mein Gott, das wird immer abstruser!“, war Ömer außer sich. „Aber was für ein Motiv könnten Felix und Jonny gehabt haben?“, warf Jannis in die Runde. Nun konnte Vivien ordentlich ausholen, da Fianna ihr einiges von Felix erzählt hatte. „Fianna hat mir vor wenigen Tagen erzählt, dass sich Felix und sie ineinander verguckt haben. Felix wollte sie dazu überreden, dass sie mit ihm noch ein paar weitere Tage verbringt und mit ihm nach Hamburg fährt. Fianna sagte ihm, dass sie das nicht könne und ihre Eltern ihr das nicht erlaubten“, erzählte sie. „Trotzdem ein Ding der Unmöglichkeit, jemanden einfach zu entführen“, schnaubte Kiki, die gerade eine ellenlange Nachricht an Emily schrieb. „Offenbar ist Felix richtig mit Fianna durchgebrannt“, kommentierte Jannis trocken, „Nur weiß der Geier, warum er Emily gleich mitgenommen hat“ „Ganz einfach, damit sie keine Zeugen haben“, schlussfolgerte Kiki. „Leider haben die beiden Idioten sich einen sehr günstigen Zeitpunkt ausgesucht, um mit ihnen davon zu führen, gerade wo niemand von uns da war“, ärgerte sich Mathilda.
Am nächsten Morgen bauten die beiden Banden ihre Zelte ab und verstauten ihr Gepäck auf den Fahrrädern oder auf den Anhängern. „Was für eine Nacht!“, stöhnte Michael, „Ich bin jetzt schon k.o.“ „Aber hängen lassen kannst du dich erst zuhause“, meinte Max, der eine Fahrradtasche befestigte. „Oh je, meine Augenringe übersieht keiner“, klagte Lotta beim Zähneputzen, als sie sich im Spiegel sah. „Lotta, wir sehen nicht besser aus“, sagte Mathilda, die noch den Zahnpastaschaum im Mund hatte. „Wir haben seit dem Gewitter kein Auge mehr zu bekommen“, mischte sich Kiki in ihr Gespräch ein. „Dabei sehne ich mich gerade so nach einem weichen Bett“, gähnte Vivien. „Wer tut das nicht?“, murmelte Aylin, deren Locken in alle Himmelsrichtungen vom Kopf abstanden. „Mädels, Fahrradfahren an der frischen Luft weckt bekanntlich Lebensgeister“, versuchte Annemieke die verschlafenen Freundinnen etwas wach zu rütteln. „Heute weckt keiner meine Lebensgeister!“, murrte Lotta. Um halb zehn fuhren die Roten Siebenerinnen gemeinsam mit den Piranhas in Richtung Heimat. Während der Fahrt redeten die Freunde kaum miteinander und die Stimmung war nicht mal halb so gut, wie auf der Hinfahrt. Dazu trug auch das Wetter bei. Zwar nieselte es nur leicht, aber der Himmel war mit blaugrauen Wolken verhangen und es hatte sich deutlich abgekühlt. Nicht umsonst trugen die Jugendlichen Regenjacken, lange Hosen und feste Schuhwerk.
Ein paar Tage später trafen sich die Bandenmädchen daheim im Wohnwagen. Fianna und Emily mussten zig Umarmungen über sich ergehen lassen, als wäre sie schon hunderte Jahre fort gewesen. Kiki, Emily, Fianna und die Zwillinge hatten ordentlich gebacken und viel Tee gekocht. „Das war echt eine knappe Kiste“, sagte Fianna zu ihren Freundinnen, „Wenn Emily nicht dabei gewesen wäre und mit ihrem Handy die Polizei gerufen hätte, wäre ich mit Felix und Jonny bis nach Hamburg gefahren und ich hätte mir nicht ausmalen wollen, was sie mit mir gemacht hätten“ „Ich bin mit Fianna zu ihnen in den Wohnwagen gegangen, weil mir sonst langweilig geworden wäre. Sowieso hatte mich Felix zum Essen eingeladen“, meinte Emily. „Mir kam es komisch vor, dass vor allem die Limonade einen bitteren Nachgeschmack hatte“, fuhr Fianna fort, „Ich habe mir nichts dabei gedacht und habe davon immer mehr getrunken“
„Das war bestimmt das Schlafmittel“, warf Lotta ein. „Vor allem habe ich dadurch mehr als zehn Stunden geschlafen“, sagte Fianna. „Oha, das ist schon echt heftig!“, schnappte Vivien nach Luft. Noch immer waren die Bandenmädchen darüber fassungslos, was zweien von ihren Bandenschwestern widerfahren war. „Jetzt können sie sich auf eine dicke Anzeige wegen Entführung gefasst machen“, schnaubte Emily. „Am besten lässt man sie Jahre in einem düsteren Kerker bei Wasser und Brot hausen“, fügte Mathilda hasserfüllt hinzu. „Immerhin ist nichts Größeres passiert. Emily war in der Situation unheimlich geistesgegenwärtig und hat die Polizei gerufen. Ich glaube, ich wäre vor Angst gestorben, wenn ich mich mitten in der Nacht in einem fremden Wohnwagen wieder gefunden hätte“, meldete sich Lotta zu Wort. „Genau, wir sitzen zu acht hier am Tisch und sind vollständig“, klang Kiki zufrieden. „Auf die Rote Sieben!“, stießen die Freundinnen mit ihren Teetassen an.
Mit leuchtenden Augen machten sie sich über das Kuchen- und Tortenbuffet her. Zu allem Überfluss war Lotta dabei Waffeln zu backen. „Das schaffen wir doch nie alles heute“, war Aylin der Meinung, „Eher wird uns von dem Süßkram schlecht“ „Uns wird davon nicht schlecht“, widersprach ihr Mathilda, „Wir haben Hunger, da wir kein Mittagessen hatten“ „Yeah, wir stopfen uns voll bis zum Umfallen, sodass wir kugelrund werden und man uns wie Fässer nach Hause rollen kann!“, grinste Emily und vertilgte mit einem Mal ihre Waffel. „Hurra! Fettleibigkeit, Diabetes und Zuckerschock sind auf dem Weg!“, scherzte Lotta und erntete ein paar Lacher ihrer Freundinnen. Oreotorte, Karamellbrownies, Zimtwaffeln, Apfelkuchen und Puddingkuchen mit Blaubeeren: All das sah zum Anbeißen aus. „Weißt ihr, was ich am Bandenleben mag?“, sagte Vivien, „Jedes Mal warten solche tollen Leckereien auf uns. Es ist ein wahrer Gaumenschmaus!“ „Tja, wir geben uns dafür viel Mühe“, schmunzelte Lotta. „Wir hätten uns vor viereinhalb Jahren auch die lustigen Cupcakes nennen können“, warf Fianna ein, „Wir haben mit Kiki und Micky zwei ambitionierte Bandenbäckerinnen“
„Wenn das so ist, wie du das sagst“, klimperte Annemieke ihren Wimpern, „Wie wäre es, wenn man mir pro Kuchen einen geringen Lohn zahlt? Schließlich stecken hinter meinen Kuchen und Torten ein bis zwei Stunden Arbeit“ „Pah, du willst doch nicht innerhalb der Bande dafür abkassieren!“, sprang Lotta entrüstet auf. „Lotta, hast du Ironie dahinter nicht verstanden?“, lachte Emily, „Als ob Micky dafür wirklich Geld verlangt“ „Dachtest du, ich hätte das Ernst gemeint?“, schaute Lotta sie leicht irritiert an. „Das sagen sie alle“, sagte Fianna frech. Vivien war nach einem Stück Oreotorte und einem Stück Apfelkuchen pappsatt. Liebend gern hätte sie noch von Lottas lecker riechenden Waffeln probiert, aber es ging kein Krümel mehr in sie hinein. Plötzlich klingelte Annemiekes Handy. „Bitte nicht unsere Eltern!“, hoffte Mathilda, „Ich habe immer noch nicht den Rasen gemäht, obwohl ich es eigentlich schon vorgestern machen wollte“ „Manchmal bist du wirklich eine faule Socke!“, neckte Kiki sie, worauf sie einen leichten Stoß in die Seite bekam.
Annemieke ging zum Telefonieren in den Garten und kam einen Augenblick später freudestrahlend wieder. „Was ist nur in dich gefahren, Schwesterchen?“, fragte Mathilda, die zum Kühlschrank ging und eine neue Flasche Zitronensprudel holte. „Raffi kann ein duales Studium in Ludwigshafen anfangen und das ist gar nicht weit weg von hier!“, sprühten die Augen ihrer Schwester vor Freude Funken. „Super, dann kannst du ihn viel häufiger sehen!“, teilte Mathilda ihre Freude mit ihr. Fröhlich fielen sich die Schwestern in die Arme und wirbelten wild umher. „Yippie, es gibt einen Grund zu feiern!“, sprang Lotta auf und machte ein fröhlich klingendes Lied auf ihrem Handy an. Fianna und Vivien begannen ebenfalls wild zu tanzen. „Hey, ihr Übermütigen!“, rief Emily, „Tanzt draußen weiter, bevor ihr hier alles kaputt wirbelt“
Nun hielt es die gesamte Bande nicht mehr auf den Stühlen. Lachend rannten sie in den Garten und tobten sich aus, bis sie aus der Puste waren. „Man, muss uns für total bescheuert halten“, keuchte Aylin, „Wir sehen gerade nicht aus, wie sechzehn- siebzehnjährige junge Mädchen, die fast erwachsen sind, sondern mindestens zehn Jahre jünger“ „Erwachsen sind wir lange noch nicht. Aber das Micky demnächst ihren Freund öfter sehen kann, musste mal ein bisschen gefeiert werden“, gluckste Mathilda, die von dem Sturz auf dem Rasen grüne Grasspuren auf der Hose hatte. „Mädels, macht euch für nachher schick“, redete Kiki den Bandengirls ins Gewissen, „Wie ihr wisst, wir sind in einem Nobelrestaurant eingeladen und dort müssen wir angemessen erscheinen“ „Ai ai Käpt’en!“, sagten die Zwillinge wie aus einem Mund.
Es war halb sechs, als Vivien zuhause ankam. Grübelnd stand sie vor ihrem Kleiderschrank. Was sollte sie anziehen? Zu edel sollte es nicht sein, daher war das Konfirmationskleid fehl am Platz. Das lange glitzernde hellgrüne Top passte auch nicht, das würde zu sehr nach Party aussehen. Da war noch ein kariertes Hemd in all möglichen Grün- und Blautönen. Das passte! Dazu zog sie eine dunkelblaue Röhrenjeans und ein schlichtes weißes Top an. Endlich fertig oder eher fast! Etwas Schminke und Schmuck durften es sein. Ohne nachzudenken entschied sie sich für eine silberne Kette mit einem Seesternanhänger. Bei den Ohrringen war diese Frage nicht so einfach. Als erstes stachen ihr die weißen Federohrringe ins Auge, die ihr Kiki einst vor zwei Jahren gebastelt hatte. Nein, das wäre zu auffällig, daher auf keinen Fall hängende Ohrringe. Deshalb wählte sie türkisfarbene Perlenstecker. Nun kam die Schminke als I-Tüpfelchen. Vivien schminkte sich so dezent, sodass man kaum sah, dass sie sich Schminke aufgetragen hatte. Lotta hatte es ihr beigebracht, die sonst in allen Styling- und Modefragen die Expertin war. Ihre Haare kämmte sie nur und ließ sie offen, bis auf eine kleine Spange, die ihr den halblangen Pony aus dem Gesicht hielt.
Jetzt blieb nur eine Frage offen: Welche Schuhe sollte sie tragen? Ihre neonfarbenen Turnschuhe, an denen immer noch die Grashalme klebten, konnte sie vergessen. Sandalen passten nicht zu langen Jeans. Stimmt, sie hatte da noch schwarze Schuhe, die schlicht und elegant aussehen. Da sie diese Schuhe kaum trug, waren sie noch sauber. Genau das richtige für einen Gang in ein Nobelrestaurant! Jetzt noch eine zierliche Handtasche und der Ausgehlook war perfekt. Gut gelaunt stieg sie auf ihr Rad und fuhr los. Hinter der Schlossstraße bog sie nach links auf den Stadtring ab und von dort radelte sie durch den Stadtpark. Nur noch durch ein paar Altstadtgassen schieben und schon war sie da. Merkwürdigerweise war sie die allererste, die am Stadtbrunnen auf ihre Freundinnen wartete. Es vergingen mehrere Minuten und keine ihrer Bandenschwestern kam. „Vielleicht haben sie mir einen falschen Treffpunkt genannt“, schoss es ihr durch den Kopf und sie merkte, dass sie wütend wurde. Doch sowas würden ihre besten Freundinnen niemals machen. Kurzerhand rief sie Kiki an. „Wir treffen uns doch um sieben Uhr und nicht um halb sieben“, sagte ihre Freundin. Na toll, nun konnte sie noch zwanzig weitere Minuten alleine die Zeit totschlagen, bis die anderen Roten Siebenerinnen kamen.
Kiki, Lotta und die Zwillinge kamen zusammen. „Wow, ihr habt alle Kleider an!“, entfuhr es Vivien. „Klar, das ist ein passender Anlass!“, nickte Mathilda, die eine gute Figur in einem blauen Sommerkleid machte. Ihre Zwillingsschwester hatte ein trägerloses weißes Kleid mit roten Mohnblumen an, dazu trug sie goldene Kreolen und schwarze Sandalen. Kiki sah in ihrem schwarzen Cocktailkleid richtig elegant aus und hatte sich einen silbernen Haarreif in ihre schwarzen Haare geschoben und betonte ihren Style mit glitzernden Kristallohrsteckern. Am festlichsten sah immer noch Lotta aus, die ihre blonden Haare mit Haarnadeln hochgesteckt hatte und ihr Zebrasteifenkleid vom Frühlingsball trug. Ein silbernes Pandora-Armband zierte ihr rechtes Handgelenk und an ihren Ohrläppchen hingen zierliche Kristallohrhänger. Zu Überraschung der Freundinnen stöckelte sie auf Absätzen über das Kopfsteinpflaster. „Kannst du damit überhaupt laufen?“, fragte Vivien. „Klar, kann ich das!“, nickte ihre Freundin und tat so, als wäre das selbstverständlich. Nun kam Emily um die Ecke, die eine hübsche Bluse und eine schwarze Jeans trug.
„Oh, ich dachte schon, ich wäre zu spät, daher bin ich von der Bushaltestelle hier her gerannt“, sagte sie außer Atem. „Du bist sogar auf die Minute pünktlich!“, guckte Kiki auf ihr Handy. Nun fehlten nur noch Aylin und Fianna. „Sie sollten mindestens in zehn Minuten da sein. Der Fußweg bis zum Restaurant dauert bestimmt eine Viertelstunde und wir wollten uns mit Yannicks Eltern um halb acht treffen“, wurde Emily leicht unruhig und drehte an ihren grünen Edelsteinohrsteckern. Gerade als sich die Mädchen Gedanken um ihren Verbleib machten, tauchten Fianna und Aylin in der Fußgängerzone auf. „Hey, da seid ihr ja!“, winkte Emily ihnen zu. „Sorry, wir haben den Bus verpasst“, entschuldigte sich Fianna. „War es geplant, dass ihr im Partnerlook geht?“, traute sich Mathilda die beiden Freundinnen zu fragen. „Irgendwie schon“, nickte Aylin, „Ich war gerade noch bei Fianna zuhause“ Vivien fiel auf, dass beide Mädchen bunte wehende Röcke und farbenfrohe Oberteile anhatten. Zudem hatten sie sich bunte Bände in die Haare geflochten und trugen weiße Blütenohrringe, die im Wind hin und her baumelten.
„Damit seht ihr wirklich ein wenig wie Hippies aus“, fand Lotta. „Aber das steht ihnen“, lächelte Annemieke und fügte hinzu, „Wir müssen nicht alle so overdressed sein wie du, Lotta“ „Ich weiß genau, wo das Restaurant liegt. Es ist in der Neustadt“, hatte Emily das Restaurant gegoogelt. „Oh je, müssen wir jetzt noch bis zur Neustadt laufen? Bis dahin werde ich tausende Blasen haben“, motzte Lotta. „Ich sag doch, dass solche Stelzen unpraktisch“, sagte Mathilda mit einem Blick auf ihre hohen Absätze, auf denen Lotta riesig aussah. „In Prinzip hätten wir uns auch am Busbahnhof treffen können“, meinte Kiki, „Dann hätten wir nicht mehr so weit zu laufen“ „Aber jetzt füge ich mich dem Schicksal“, schritt Lotta energisch voran und hakte sich bei Emily und Kiki unter. Vivien staunte immer noch, dass sie so sicher auf den Dingern laufen konnte. Sie selber wäre damit bestimmt schon hingefallen.
Das Restaurant Amazonas befand sich in einem neuen Einkaufzentrum in der obersten Etage. „Ich sehe Yannicks Eltern“, wisperte Fianna aufgeregt und deutete auf eine große blonde Frau, die vor der Bar stand. „Hallo, es freut mich, dass ihr gekommen seid!“, lief die Frau, die Yannicks Mutter war, auf sie zu und lächelte freundlich. „Guten Abend“, gab Kiki ihr die Hand. „Schön euch zu sehen, mein Name ist Carina Gosling. Darf ich euch duzen?“ „Aber natürlich dürfen sie das? Wir sind erst sechzehn oder siebzehn“, nickte Lotta und lachte, „Wir fühlen uns immer so alt, wenn man uns siezt“ „Okay, ihr dürft mich aber auch duzen“, meinte Carina Gosling und führte die Mädchen auf eine große Dachterrasse. Die Goslings hatten einen großen Tisch für zehn Personen reserviert. „Hi, ich bin Hendrik Gosling!“, gab er jeder Roten Siebenerin die Hand. „Nett, Sie kennen zu lernen“, lächelte Kiki. „Wie wäre es, wenn ich euch das Du anbiete“, lachte er herzlich.
„Ist Yannik gar nicht dabei?“, fragte Fianna. „Nein, er ist bei meinen Eltern, da er noch zu jung ist, um diese Uhrzeit im Restaurant zu sitzen. Er geht schon um halb sieben ins Bett“ „Das Ambiente ist Top!“, lobte Lotta mit einem Blick auf den Brunnen, die vielen exotischen Pflanzen und die Bambusfackeln. „Es freut mich, dass wir eine Location ausgesucht haben, die euch gefällt“, war Carina Gosling zufrieden. Als nächstes wurden die Speisekarten verteilt. „Was dürfen wir nehmen und wie teuer darf es maximal sein?“, fragte Aylin vorsichtig. „Ihr könnt das nehmen worauf ihr Lust habt, also: Salat, Hauptspeise und Nachtisch“, erwiderte Hendrik Gosling. „Ach ja, trinken dürft ihr, soviel ihr wollt“, fügte seine Frau hinzu. „Danke, das ist unglaublich nett von euch“, bedankte sich Annemieke. „Bitteschön, ihr seit doch Yannicks Retterinnen. Warum sollen wir euch dann nicht dementsprechend danken?“, zwinkerte ihr Carina Gosling zu.
„Ich weiß nicht, was ich nehmen soll. Alle Gerichte klingen außerordentlich lecker“, war Mathilda total unschlüssig und spielte mit ihren gepunkteten Federohrringen. „Die Entscheidung kann ich dir auch nicht abnehmen“, murmelte Lotta, die mit dem Garnelenteller liebäugelte. „Nimm doch auch das Lachsfilet auf zartem Spinat mit Rosmarinkartoffeln“, stieß Annemieke ihre Schwester an. „Okay, weil wir Zwillinge sind, nehmen wir heute ausnahmsweise das Gleiche“, nickte Mathilda und klappte ihre Karte zu. Vivien hatte sich vornherein für das Hähnchenfilet in Kokoskruste mit Curryreis und Ananas entschieden. Der Kellner kam und nahm die Bestellungen auf. Während das Ehepaar und die Freundinnen auf das Essen warteten, gab es viel Gesprächsstoff.
Hauptsächlich ging es um Fiannas und Emilys Entführung. „Man hat euch wirklich einen Cocktail von verschiedenen Schlafmittel unter das Essen und die Getränke gemischt?“, klang Hendrik Gosling immer noch ungläubig. „Ja, die Konzentration muss ziemlich hoch gewesen“, begann Emily zu erzählen, „Wir sind für mehrere Stunden in einen tiefen Schlaf gefallen und wachten auf, als wir mitten in der Nacht auf einem Autobahnrastplatz standen“ „Woher wusstet ihr, wo ihr ward?“, erkundigte sich Carina Gosling neugierig. „Ich habe ein Fenster einen Spalt geöffnet und zwei Passantinnen gefragt, wo wir sind. Kurz darauf habe ich die Polizei mit meinem Handy angerufen“, fuhr Emily fort.
„Wir haben hier dreimal Mangorucolasalat“, blieb eine Kellnerin an ihrem Tisch stehen, worauf Kiki, Lotta und Carina Gosling ihre Hände hoben. „Dreimal Tomate-Mozarella und einmal Griechischer Bauernsalat“, kam ein zweiter Kellner an den Tisch. Diesmal meldeten sich Vivien, Hendrik Gosling und die Zwillinge. Zum Schluss bekamen Emily und Vivien einen Salat a la Kolumbus mit Ananas, Paprika, grünem Salat und Sprossen. „Supi, das ging ja schnell“, piekte Carina Gosling das erste Stück Mango auf. Plötzlich holte ihr Mann etwas aus seinem Rucksack. Vor Emily und Kiki stand nun eine kleine, in Geschenkpapier eingepackte Schachtel. „Oh, ich hätte das fast vergessen“, grinste seine Frau, „Yannick, hat euch noch ein Geschenk gemacht“ „Vielen Dank!“, lächelte Lotta.
„Darf ich es auspacken?“, langte Mathilda quer über den Tisch. „Nein Schwesterherz, du zerreißt immer das Geschenkpapier in winzige Fetzen“, zog Annemieke die Hand ihrer Schwester weg. „Genau, Konfetti ist in so einem Restaurant fehl am Platz“, machte Emily beim Necken mit. „Pah, ihr seid aber auch fies!“, verschränkte Mathilda die Arme vor der Brust und schmollte einen Augenblick. „Ärgert ihr euch immer gegenseitig?“, grinste Carina Gosling amüsiert. „Oh ja, das macht irgendwie richtig Spaß“, lachte Kiki und packte das Geschenk aus, sodass das Geschenkpapier fast heile blieb. „Eine Tasse!“, rief sie erstaunt. „Die hat Yannick ganz alleine gestaltet“, schwang ein gewisser Stolz in Carina Goslings Stimme mit. „Ich finde sie ist phänomenal und ganz originell geworden“, fand Kiki. „Man kann drei Strichmännchen erkennen. Aber das andere sind eher bunte Striche und Kringel“, sagte Fianna belustigt. „Auf jeden Fall schön bunt geworden“, grinste Mathilda, sodass sich ihre Sommersprossen kräuselten.
„Ob man daraus auch zu acht trinken kann?“, überlegte Vivien. „Aber sicher!“, nickte Lotta, „Ich habe zuhause noch längere Strohhalme und damit ist das möglich“ „Cool, die müssen wir demnächst unbedingt zusammen einweihen“, leuchteten Aylins dunklen Augen. Gerade als sie sich über die bunte Tasse freuten, kamen drei Kellner mit den Hauptgerichten. Den Mädchen machten große Augen. „Da verzehnfacht sich der Hunger, wenn man das sieht!“, schwärmte Lotta mit einem Blick auf ihre Garnelenspieße. Nur Aylin, die seit wenigen Monaten eine reine Vegetarierin war, nahm ein vegetarisches Nudelgericht mit grüner Soße und Tofustückchen. „Dann lasst euch es schmecken!“, wünschten ihnen die Goslings einen guten Appetit. „Das schmeckt wie ein Gedicht!“, schwärmte Emily über ihre mit Hähnchenfleisch und Ananas gefüllten Wraps. „Dem kann ich nur zustimmen“, nickte Kiki, die ihre mit Thunfisch gefüllten Burritos genoss. „Wie im Fünf-Sterne-Restaurant!“, lautete Lottas Statement. „Fünf Sterne? Ist das nicht etwas übertrieben?“, lachte Hendrik Gosling, der mit seinen Country-Rippchen zugange war. „Ihr habt auf jeden Fall ein richtig tolles Restaurant ausgesucht“, schwärmte Mathilda.
„Was hält ihr davon, wenn ihr euch überraschen lasst, was es zum Nachttisch gibt?“, fragte Carina Gosling die Mädchen. „Von mir aus, ich lass mich darauf ein“, nickte Annemieke und bestellte sich eine neue Ananasschorle. Zufrieden lehnte sich Vivien zurück. Das Kokoshünchen hatte himmlisch geschmeckt und bestimmt wartete nun eine weitere grandiose Überraschung auf sie. Die Goslings waren sehr großzügig und offenbar mangelte es ihnen nicht an Geld. Wie die Mädchen erfahren hatten, arbeitete Hendrik Gosling in einem Aufsichtsrat eines großen Unternehmens und seine Frau war Architektin. Es stellte sich heraus, dass die Goslings Lottas Vater kannten, da sie mit ihm schon mal Geschäfte abgeschlossen hatten.
Gerade als sie mitten im Gespräch waren, wurde eine riesige Dessertplatte an ihren Tisch gerollt. Der Kellner entzündete ein paar bunte Partyfontänen und Wunderkerzen. Geistesgegenwärtig zückte Lotta ihr IPhone und machte ein paar Schnappschüsse. „Mascarpone-Creme mit Himbeeren, exotischer Obstsalat, Papaya-Mango-Creme, Tiramisu, Mousse au chocolat und Creme Brulee!“, zählte Mathilda voller Begeisterung auf und lud sich eine riesige Portion auf ihren Teller. „Da ist für jeden etwas dabei!“, lachte Carina Gosling. „Ich würde sagen, die Überraschung ist gelungen“, sagte Emily halblaut vor sich hin. Vivien kam sich vor wie im Paradies. Der Nachtisch übertraf noch deutlich die Hauptgerichte.
Hi Niels,
Sorry, dass ich mich heute erst wieder melde. Ich hatte eine aufregende Woche hinter mir. Meine besten Freundinnen und ich, sowie eine befreundete Jungenbande waren am Sterntalersee zelten. Eigentlich sollte es ein entspannter Start in die Sommerferien werden. Wir haben uns schon Wochen vorher riesig darauf gefreut. Gleich am ersten Abend trafen wir auf ein paar betrunkene Jugendliche, die ziemlich aggressiv waren und zwei jüngere Mädchen zum Saufen animiert haben. Daraufhin haben wir die Polizei geholt, worauf die älteren Jugendlichen geflüchtet sind. Nur einen Tag später haben wir den See mit Tretbooten erkundet. Plötzlich entdeckten wir einen kleinen Jungen, der in Seenot geraten war und um sein Leben kämpfte.
Lotta, unsere beste Schwimmerin, zögerte keine Sekunde und sprang ins Wasser. Wir holten den Jungen, der Yannick hieß, zu uns aufs Boot und klopften ihn auf dem Rücken, damit er wieder richtig atmen konnte. Seine Eltern luden für die darauf folgende Woche aus dem Dank in ein teures Restaurant ein. Die restliche Zeit verbrachten wir mit Schwimmen, Grillen, Lagerfeuer, Chillen am Strand, Tischtennis, Volleyball und Fahrradtouren. Es stand sogar ein Festivalbesuch an einem Abend auf dem Programm, wo es am Ende noch ein wunderschönes Feuerwerk zu sehen gab.
Das Schlimmste kam zum Schluss. Als ich mit drei Freundinnen von einer Radtour wieder kam, stellten wir fest, dass zwei Bandenschwestern von uns fehlten. Wir suchten sie überall und riefen die Polizei, doch keiner konnte sie finden. In der Nacht zog auch noch ein Gewitter auf, sodass wir in einen Aufenthaltraum gehen mussten. Glücklicherweise meldete sich eine der vermissten Freundinnen bei uns und teilte uns mit, dass sie in einem Wohnwagen von zwei Bekannten eingesperrt waren und sie mittlerweile auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte waren. Zuvor waren unsere beiden Freundinnen eingeschlafen, da die beiden Männer ihnen Getränke und Speisen mit Schlafmittel versetzt hatten, die unsere Freundinnen gegessen hatten. Zum Glück konnte Emily, die im Wohnwagen aufgewacht war, die Polizei rufen und somit hatte sie Entführung ein glimpfliches Ende. Trotzdem hoffe ich, dass die beiden Perverslinge ein paar Jahre hinter Gitter verbringen können!
Gestern waren wir bei den Eltern des kleinen Jungs, den wir aus dem See gerettet haben, zum Essen in einem teuren Restaurant eingeladen. Amazonas hieß es, dort gab es eine große Dachterrasse und viele leckere Speisen aus aller Welt, die wirklich 1a waren.
Deine Vivi
PS: Wir können uns, wenn du Zeit hast, in Frankfurt treffen. Du müsstest jetzt auch Ferien haben J
Zutatenliste
Für 12 Muffins
So geht’s
Heidelbeeren vor dem Backen waschen und die Form einfetten. Den Ofen auf 200 Grad (Umluft) vorheizen. Das Ei mit dem Rübensirup und dem Vanillezucker schaumig schlagen. Nach und nach die anderen Zutaten hinzugeben und gut miteinander verrühren. Wer mag, kann noch ein wenig Mandelaroma in den Teig rühren. Nun füllt ihr die Formen zur Hälfte und lasst sie im Backofen ca. 15-20 Minuten goldbraun backen.
Gutes Gelingen und guten Hunger (in der Schule, beim Sport, auf Reisen oder auch einfach nur Zuhause)!
Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.
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Tag der Veröffentlichung: 14.03.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine treusten Leser: Anika, Anna, Sarja, Betty, Lenny und meinem Schatz Chris!!!
Nochmal Danke an Betty für die ehrlichen Kritiken und auch vielen Dank an Lenny, die meinen Bandenmädchen ein Gesicht verleiht!