Cover

1. Eine neue Mitschülerin

„Wo sind Ninchen?“, fragte Johann, Emilys anderthalb jähriger Halbbruder. „Die sitzen in der Transportbox, solange ich ihren Stall sauber mache“, versuchte Emily ihm zu erklären. „Will streicheln“, sagte er und grabschte nach Emilys flauschiger Weste. „Gleich, wenn ich fertig bin, dann darfst du sie streicheln“, sagte sie sanft und streichelte über seine weißblonden Kringellocken. Johanns Mundwinkel fingen an zu zittern und Tränen traten in seine himmelblauen Augen. Bevor er anfing zu weinen, gab ihm Emily seinen Plüschhund, den sie gemeinsam Eddy getauft hatten. Ab diesem Moment war er wieder ruhig und krabbelte auf den Stufen des Wohnwagens herum. Emily schaufelte währenddessen das Kaninchenstreu in die Schubkarre. Eigentlich hatten ihr die Zwillinge ihr versprochen dabei zu helfen. Doch im letzten Moment fiel ihnen ein, dass sie an diesem Nachmittag noch ein Hockeyspiel hatten. So blieb das Ausmisten wieder an Emily hängen.

 

Ihr machte es nichts aus, dass sie sich ein wenig mehr um die Kaninchen und den Wohnwagen kümmerte als ihre Freundinnen. Ganz im Gegenteil sie genoss die Zeit, die sie in ihrem Bandenquartier verbrachte. In letzter Zeit nahm sie auch öfter Johann mit, der es dort genauso gerne mochte wie sie. Endlich war es geschafft. Emily brachte die letzte Fuhre zum Komposthaufen. „Jetzt können wir die Kaninchen streicheln!“, meinte sie gut gelaunt. Vorsichtig holte sie Nanni aus der Transportbox und setzte sich mit ihr neben ihren Bruder. Die kleinen dicken Fingerchen des kleinen Jungen vergruben sich tief in dem weichen Fell. Nanni schien es nicht viel auszumachen. Ob Hanni sich dies hätte gefallen lassen? Ganz bewusst hatte sie die ruhigere und geduldigere Nanni zum Streicheln heraus genommen.

 

Mit Schrecken stellte sie fest, dass es bereits kurz nach sieben war, als Emily ihr neues Smartphone zückte. Verdammt, sie war schon über eine halbe Stunde zu spät dran. Eigentlich hatte sie Patricia versprochen um halb sieben wieder mit ihm zuhause zu sein. „Komm Johann, wir müssen nach Hause“ sagte sie und packte den Stoffhund wieder in ihren Rucksack. „Will Ninchen streicheln“, murmelte er und war kaum vom Kaninchenstall wegzubekommen. „Wir müssen los, sonst schimpft deine Mama ganz doll“, versuchte sie ihm klar zu machen. Nur widerwillig ließ er sich in den Kindersitz von Patricias Fahrrad heben. Kaum saß er im Sitz, nickte er ein. „Geht doch!“, murmelte Emily zufrieden und stieg auf den Sattel.

 

Zu ihrem Glück waren die Straßen ziemlich leer, sodass sie sehr flott vorankam. Johanns Mutter war zu ihrer Überraschung gar nicht verärgert, dass sie fast eine Stunde zu spät. „Magst du noch mit uns Abendbrot essen?“, fragte sie freundlich, „Ich habe einen Salat mit Hähnchenstreifen und warmen Kräuter-Baguette gemacht“ Dazu konnte Emily nicht nein sagen. „Wo ist eigentlich Papa?“, wollte sie wissen. „Der muss heute noch ein paar Überstunden machen, aber er wird gleich kommen“, meinte Patricia, während sie in der Küche den Tisch deckte. Da ihr Vater immer noch auf der Arbeit war, fingen Emily, Patricia und Johann ohne ihn an zu essen. Johann bekam im Gegensatz zu seiner großen Schwester und seiner Mutter Kartoffelbrei mit Erbsen und Möhren. „Morgen fängt doch wieder die Schule an oder?“, sagte Patricia beim Essen. „Leider“, seufzte Emily und schlug die Augen nieder. Die Osterferien ohne den Schulstress und die ewigen Hausaufgaben waren sehr erholsam gewesen, obwohl Emily zwischendrin wegen ihrer schlechten Noten zur Nachhilfe geschickt wurde.

 

Trotzdem gab es ein paar herrliche Tage, an denen Kiki und Tessa zu Besuch waren. Die Freundinnen gingen zusammen reiten, unternahmen eine lange Fahrradtour, gingen ins Kino und verbrachten viel Zeit im Wohnwagen. Nun war die sorgenfreie Zeit, in dem die Roten Siebenerinnen unbeschwert ihre Seele baumeln lassen konnten vorbei. „Freust du dich denn gar nicht auf deine Freundinnen?“, hakte Patricia nach. „Meine Freundinnen habe ich die Ferien über fast täglich gesehen“, schüttelte Emily den Kopf und fügte hinzu, „Ich finde die Schule momentan sehr stressig und schwierig. Im Vergleich zu den letzten Jahren wird viel mehr abverlangt und wir müssen immer mehr Stoff in kürzerer Zeit schaffen“ „Ich kann dich verstehen“, nickte Patricia, „Ich musste auch einmal die Klasse wiederholen, als ich in der elften Klasse war“ „Hallo, ihr drei!“, Emilys Vater steckte den Kopf zur Küche hinein. „Endlich hast du es auch geschafft, Liebling“, grüßte ihn Patricia und gab ihm einen Kuss.

 

Am nächsten Morgen legte Emily einen Sprint zur Bushaltestelle hin. Seit ihr Motorroller wegen defekten Lichtes in der Werkstatt war, war sie wieder auf den Bus angewiesen. Aus dem Augenwinkel sah sie einen Bus von der Haltestelle abfahren. Ob das ihrer war? Beim genaueren Betrachten war es ihr Bus. „So ein Shit!“, schimpfte sie leise und drehte sich entnervt zum Fahrplan um. Der nächste Bus kam erst in zwanzig Minuten und dann käme sie erst direkt zu Schulbeginn an. „Gleich auch noch am ersten Schultag zu spät kommen, so fängt es echt gut an!“, dachte sie. Mit gelangweilter Miene setzte sie ihre Kopfhörer auf und spielte über ihr Handy ihr neues Lieblingslied ab. Nach einer gefühlten Stunde kam der Bus, der noch fast leer war. Normalerweise fuhren Aylin und Vivien mit dem gleichen Bus, sicherlich waren sie mit dem Vorigen gefahren. Auf einmal vibrierte ihr Handy. Lotta hatte ihr eine Nachricht geschickt. „Wo bleibst du? In fünf Minuten beginnt der Unterricht“, schrieb ihre Freundin. „Ich bin gleich da, habe nur den Bus verpasst“, antwortete sie schnell, bevor die Haltestelle Altstädtisches Gymnasium kam.

 

Als der Bus hielt, drängelte sich Emily an einem Haufen Fünft- und Sechstklässler vorbei und rannte über den Schulhof. Hoffentlich hatte es noch nicht geklingelt. Gerade als sie die Eingangstür erreichte, ertönte der Gong. Erleichtert strich sich Emily eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht. Drinnen in der Pausenhalle war es proppenvoll. Hunderte Schüler und Lehrer waren auf dem Weg zu ihren Klassenräumen. Mitten in der Schülermenge entdeckte sie einen Rotschopf. „Hey Fianna, warte auf mich!“, rief sie. „Wo kommst du noch her?“, drehte sich ihre Freundin überrascht um. „Ich habe den Bus verpasst“, japste Emily und hakte sich bei ihr unter. „Ich habe im Bad getrödelt“, erzählte Fianna, „Als ich auf die Uhr sah, war es schon halb Acht. Auf meinem Fahrrad habe ich einen gefühlten Streckenrekord hingelegt“ Emily konnte ihr das ansehen. Fiannas Wangen glühten immer noch. Vor dem Klassenzimmer warteten bereits Lotta und die Zwillinge auf sie. „Da sind sie endlich!“, bemerkte Lotta halblaut. „Wir dachten schon, ihr wolltet euch heute noch mal ausruhen“, grinste Annemieke. „Und Extraferien in Anspruch nehmen“, fügte Mathilda hinzu.

 

„Hoffentlich hat die Zierske nicht die Arbeiten dabei“, murmelte Emily leise. „Gibt es überhaupt jemanden, außer Pauline und Jacob, der die Arbeiten wieder haben will?“, stellte Fianna die Frage in den Raum. „Wir garantiert nicht“, schüttelten die Zwillinge so heftig ihre Köpfte, dass ihre Locken wild umher flogen. „Warum nicht? Ich freu mich schon tierisch auf meine verpfuschte Arbeit“, triefte Lottas Stimme vor Ironie. „Sie kommt!“, wisperte Fianna und tickte Emily an. Die Mathelehrerin kämpfte sich mit einer schweren Tasche über den Flur und musste sich an den Schülern der benachbarten Klasse vorbei schieben. „Bestimmt sind da die Arbeiten drin!“, raunte Mathilda. Allein bei diesem Gedanken wurde Emily schon richtig mulmig und starrte auf den beigen Fußboden. „Unsere Arbeiten werden wahrscheinlich auch nicht besser sein“, wisperte Annemieke und griff nach ihrer Hand.

 

„Guten Morgen, liebe 9a! Die Ferien sind zwar vorbei, trotzdem habe ich es nicht geschafft, alle Klassenarbeiten zu korrigieren. Deshalb gibt es sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder“, begrüßte Frau Zierske die Klasse und schrieb gleich schon die erste Aufgabe an die Tafel. „Muss sie gleich wieder in diesem Tempo loslegen?“, murrte Anja, die links neben Emily saß. Gerade als die Schüler das Tafelbild abschrieben, klopfte es an der Tür. Herr Fiedler trat herein und hatte ein Mädchen mit einem hellblonden Pferdeschwanz im Schlepptau. Es trug eine weinrote Strickjacke, einen karierten Rock, eine schwarze Strumpfhose und dunkelblaue Ballerinas. Auf dem ersten Blick sah die Neue sehr fröhlich und auch wenig crazy aus. „Darf ich euch ganz kurz unterbrechen“, bat Herr Fiedler, „Ihr bekommt eine neue Mitschülerin, ihr Name ist Corinna Segerling. Sven und Jule, könntet ihr euch als Klassensprecher um sie kümmern?“ „Corinna, du kannst sich gleich zwischen Emily und Jule in die erste Reihe setzen“, sagte Frau Zierske und der neuen Schülerin kurz die Hand. Nachdem sich das neue Mädchen gesetzt hatte, drehte sich die Mathelehrerin wieder zur Tafel um.

 

„Ich heiße Emily Heuberger“, wisperte Emily ihrer neuen Sitznachbarin zu. „Nett dich kennen zu lernen“, erwiderte Corinna. „Reden könnt ihr immer noch in der Pause“, unterbrach Frau Zierske das Gespräch sofort. „Wieso machen wir jetzt keine Vorstellungsrunde?“, meldete sich Sven, „Die neue Schülerin kennt hier noch gar keinen“ „Das könnt ihr immer noch bei eurem Klassenlehrer machen, den ihr gleich noch zwei Stunden habt“, lehnte die Lehrerin ab. „Ist die immer so griesgrämig drauf?“, wollte Corinna wissen, als die Mathelehrerin zum Kopieren den Klassenraum verlies. „Meist schon“, nickte Emily, „Vor allem ist ihr Unterricht sehr dröge“ „Das kann wirklich noch heiter werden!“, stöhnte ihre neue Mitschülerin, „Ich kenne solche Lehrer nur zu gut“ Im nächsten Moment kam Frau Zierske mit einem Stapel Arbeitsblätter herein. Corinna tat so, als wäre sie in ihre Matheaufgaben vertieft, obwohl sie eine Blume neben der anderen in ihr Arbeitsheft zeichnete. „Als ob ich den ganzen Zettel als Hausaufgabe mache“, flüsterte Corinna Emily ins Ohr. Frau Zierske warf den beiden Mädchen einen mahnenden Blick, aber wies Corinna nicht zurrecht.

 

„Wer sind eigentlich deine Freundinnen?“, fragte Corinna als die Pause begonnen hatte. „Moment, ich zeige sie dir“, erwiderte Emily und steuerte Lotta, Fianna und die Zwillinge zu. „Ich bin Lotta Janssen“, stellte sich Lotta als Erste vor und schüttelte Corinna die Hand. Nach und nach stellten sich die anderen auch vor. „Man sieht, dass ihr Zwillinge seid“, sagte Corinna zu Annemieke und Mathilda. „Bis nicht vor allzu langer Zeit konnte man sie nur schwer unterscheiden, da sie immer das Gleiche trugen“, erzählte Lotta. „Falls du Probleme hast, kannst du dich immer an mich wenden, Corinna“, bot Annemieke an, „Ich bin Beratungsschülerin“ „Darf ich euch um eins bitten“, unterbrach Corinna, „Bitte nennt mich Coco, ich wurde immer so genannt. Jedes Mal wenn ich Corinna gerufen werde, denke ich, dass jemand sauer auf mich ist“

 

„Meinetwegen nennen wir dich Coco. Der Name hört sich fetzig an und passt auch total gut zu dir“, fand Mathilda. „Was hältst du davon, wenn wir dir eine persönliche Schulführung anbieten?“, schlug Fianna vor. „Danke, ihr seid so nett!“, lächelte Corinna. „Wollt ihr nicht langsam auch in die Pause gehen?“, drängte Frau Zierske, „Ich muss den Raum abschließen und wollte damit nicht warten, bis die Pause vorbei ist“ „Wir gehen schon!“, rief Emily und holte einen Apfel aus ihrer Tasche. Vor dem Klassenraum warteten bereits Aylin und Vivien auf sie. „Nanu, seid wann habt ihr eine Neue im Bunde?“, wunderte sich Vivien und musterte Corinna. „Das ist eine neue Mitschülerin, sie heißt Corinna Segerling, auch Coco genannt“, stellte Fianna ihren beiden Freundinnen die neue Mitschülerin vor. „Ich bin Aylin und neben mir ist Vivien“, lächelnd gab Aylin dem neuen Mädchen die Hand.

 

Zu acht gingen sie die Treppe hinunter zur Pausenhalle. „Woher kennt ihr euch so gut untereinander?“, staunte Corinna, als die Roten Siebenerinnen ihr den Schulhof zeigten. „Wir waren mit ihnen in der gleichen Klasse, bis wir die achte Klasse wiederholt haben“, meinte Vivien. „Ach so, das wusste ich nicht“, lächelte Corinna. „Kommt, wir müssen ihr noch Fachräume zeigen und haben nur noch fünf Minuten“, drängte Mathilda und zog ihre Zwillingsschwester und Emily hinter sich her. „Können wir das nicht ein anderes Mal machen?“, entgegnete ihr Fianna. „Ihr braucht es mir nicht jetzt zeigen“, meinte Corinna, „Ich werde euch einfach hinterher gehen, wenn es so weit ist“ Ein Ball streifte haarscharf ihren Kopf. Vor Schreck ließ sie einen Schreier los und klammerte sich an Emilys Arm fest. „Alle okay bei dir, Coco?“, fragte Emily besorgt. „Entschuldigung, habe ich dich getroffen?“, kam Sven auf sie zugelaufen. „Nur fast“, gab Corinna Entwarnung. „Das wollten wir wirklich nicht“, beteuerte Sven und lief zu seinen Kumpels zurück. „Was war das für einer?“, machte das neue Mädchen ein argwöhnisches Gesicht.

 

„Das war nur Sven, einer dieser Fischköpfe“, erklärte Mathilda. „Wer sind denn die Fischköpfe?“, wunderte sich Corinna. „Nur ein paar Idioten aus unserer Klasse“, erwiderte Annemieke und musste dabei schelmisch grinsen. „Ach so schlimm sind die auch nicht“, meinte Lotta, „Inzwischen sind sie für uns fast schon so etwas wie Freunde“ „Aber nicht immer, sondern nur manchmal“, fügte Fianna wie aus der Pistole geschossen dazu. „Vor einigen Jahren haben wir Mädchen uns dauern mit den Jungs in die Haare bekommen. Da ging es nicht immer zimperlich zu“, erzählte Emily. „Ich kann es mir vorstellen, denn ich war schon mal in einem Internat. Dort haben sich Jungs und  Mädchen in der fünften bis zur siebten Klasse gegenseitige Streiche gespielt“, erinnerte sich Corinna. „Bei uns war das auch nicht anders“, meinte Emily, „Doch irgendwann ist dieses gegenseitige Bekriegen total kindisch“ „Stimmt wohl“, nickte Corinna, „In der siebten Klasse hatten wir sogar schon unsere ersten Pärchen“

 

„Wir ihr bereits wisst, haben wir eine neue Schülerin unter uns“, begann Herr Fiedler seine Doppelstunde Geschichte und holte Corinna nach vorne. „Mein Name ist Corinna Segerling, ich bin fünfzehn Jahre alt und habe elf Jahre in Dortmund gewohnt, obwohl ich in Berlin geboren worden bin. Seit drei Jahren wohnen meine Eltern hier am Stadtrand und ich bin die letzten Jahre in einem Internat zur Schule gegangen“, stellte sich die neue Schülerin ausführlich vor. „Was sind deine Vorlieben und Hobbys?“, hakte der Klassenlehrer nach. „Ich finde es toll kreativ zu sein, indem ich male, nähe und bastle. Zudem liebe ich Hiphop, Tennis, Backen und Reiten“, erzählte sie. Nun waren die Schüler an der Reihe sich vorzustellen.

 

„Die sieht so aus, als ob sie sich die Klamotten selber näht!“, lästerte Katja hinter Emily. „Bestimmt ist sie so verrückt, wie sie schon aussieht!“, raunte Neele. „Seid doch endlich mal ruhig!“, nahm Emily Corinna vor den Mitgliedern des Tussenkomitees in Schutz. Katja, Anja, Neele und Saskia sahen ihre neue Mitschülerin immer noch schräg von der Seite an, was Emily ziemlich aufregte. „Hört auf so blöd zu glotzen!“, zischte sie. Nachdem die Vorstellungsrunde beendet war, fuhr Herr Fiedler mit dem Unterricht fort. „Falls du etwas nicht weißt oder davon noch nie etwas gehört hast, dann kannst du uns immer fragen“, wandte er sich noch einmal an Corinna, die nur kurz nickte. Pauline, Finn, Freya und Thomas meldeten sich freiwillig zum Vorlesen. Emily zögerte einen Augenblick, bis auch ihre Hand hob. Die mündliche Mitarbeit dadurch aufzubessern konnte nicht verkehrt sein.

 

 

2. Eine neue Freundin

 Corinna lebte sich innerhalb weniger Tage in der neuen Klasse ein. Rasch freundete sie sich mit den Roten Siebenerinnen an. „Hoffentlich habt ihr Coco noch nicht verraten, dass wir eine Bande sind“, sagte Mathilda, als sich an einem Morgen an der Tischtennisplatte trafen. „Quatsch, selbstverständlich haben wir das nicht!“, fuhr Fianna herum. „Wieso soll das so schlimm sein? Habt ihr Angst, dass sie uns nicht mehr ernst nimmt, wenn sie das erfährt?“, zog Lotta die Augenbrauen hoch. „Nein, es geht darum, dass garantiert bei uns Mitglied werden will, wenn sie weiß, dass wir eine Bande sind“, erklärte ihr Mathilda. „Ich weiß gar nicht, was daran so falsch ist, dass wir ein neues Mitglied aufnehmen“, meldete sich Emily zu Wort, „Ich mag Corinna wirklich gerne. Ich hätte nichts dagegen, wenn sie fest zu uns gehört“

 

„Ich mag sie auch, aber wir kennen sie nicht lange genug. Wir nehmen nur neue Mitglieder auf, wenn sie sich beweisen konnten oder wir ihnen zu hundert Prozent vertrauen können“, hielt ihr Annemieke entgegen. „Ich musste mich zumindest nicht beweisen“, warf Lotta ihr einen spöttischen Blick zu. „Da kommt sie!“, zischte Fianna. „Hey, Chicas!“, winkte Corinna ihnen zu. Wie immer war sie kunterbunt gekleidet, trug bunte Haarbänder, glitzernde Spangen, Armbänder und Schuhe, auf denen bereits einige Freunde unterschrieben hatten. Gut gelaunt umarmte sie jedes der Mädchen zur Begrüßung. „Habt ihr heute Lust mit mir nach der Schule Pizza zu essen?“, fragte sie. „Von mir aus gerne“, nickte Lotta. „Ich komme auch mit“, verkündete Emily begeistert. „Ich habe leider kein Geld dabei“, seufzte Aylin. „Kein Problem ich lade euch Sieben zu einer Pizza und einem Getränk ein“, lachte Corinna und klopfte ihr auf die Schulter.

 

Nach der Schule trafen sich die Mädchen in der Pausenhalle. „Ich glaube, wir müssen nach Hause“, sagte Annemieke zu ihrer Schwester. „Wieso das?“, entrüstete sich Mathilda. „Wir haben gar nicht bescheid gesagt, dass wir nicht zum Essen kommen“, meinte Annemieke. „Ich werde jetzt zuhause anrufen und sagen, dass wir mit einer Freundin in der Stadt essen“, zückte Mathilda ihr Smartphone. „Lange Zeit habe ich aber nicht, um vier Uhr habe ich Schwimmtraining“, wandte sich Lotta an Corinna. „Das wird schon klar gehen, wir werden auf jeden Fall früher mit Essen fertig sein“ Emily war insgeheim froh, dass sie sich weder von Zuhause abmelden, noch zu irgendeinem Training musste.

 

„Wollen wir nicht endlich losgehen, ich habe einen enormen Kohldampf!“, drängte Fianna. „Geht ihr nun mit oder nicht“, schaute Corinna Lotta und die Zwillinge an, die es mit einem Nicken bejahten. „Wo gehen wir eigentlich hin?“, wollte Vivien wissen. „Ich habe letztens in der Stadt einen Italiener gesehen, der Da Vinci heißt“, erwiderte Corinna. „Du gehst mit uns in richtiges Restaurant?“, war Emily baff, „Ist das denn nicht viel zu teuer?“ „Kein Problem, ich habe genug Geld dabei. Papa hat mir 200€ mitgegeben“ „Warum ausgerechnet so viel?“, zog Annemieke die Stirn in Falten. „Papa hat mir gesagt, dass ich meine neuen Freunde zum Essen einlade und das tue ich jetzt auch“ „Woher habt ihr sowie Geld? 200€ ist wirklich nicht gerade wenig“, hakte Aylin nach. „Ach, ich habe euch noch gar nicht erzählt, dass mein Vater der Besitzer eine mittelgroßen Supermarkt-Kette ist. Geld ist bei uns auf keinen Fall Mangelware“, meinte sie.

 

„Man hätte dir aber nicht auf dem ersten Blick angesehen, dass du so reiche Eltern hast“, war Emily der Meinung. „Darauf lege ich in dieser Schule auch wert“, meinte Corinna, „Ich will bei euch in der Klasse nicht den Ruf als verwöhntes Millionärskind haben. Das hatte ich schon einmal gehabt, worauf mich meine Klassenkameraden ziemlich ausgegrenzt und mir blöde Bemerkungen hinterher gerufen haben. Außerdem mag ich es nicht mit Reichtum zu prahlen“ „Hey, wenn hier noch länger herum stehen, wachsen wir noch fest!“, nörgelte Mathilda und steuerte auf die Schultür zu. Die anderen Mädchen folgten ihr. „Das wird sicher ein richtig cooler Nachmittag mit euch!“, freute sich Corinna. Auf der Straße hakte sie sich bei Emily und Fianna ein. „Ist es noch lange bis zur Pizzeria?“, fragte Aylin. „Das sind maximal noch zehn Minuten“, versicherte ihr Corinna. „Wisst ihr schon, was für eine Pizza ihr nehmt?“, fragte Fianna in die Runde. „Das weiß ich jetzt doch noch nicht“, zuckte Vivien mit Achseln. „Das könnt ihr gleich immer noch entscheiden, bestimmt haben die dort eine große Auswahl“, sagte Corinna. Die besagte Pizzeria lag direkt hinter dem Brunnen am Rathaus. „Die werden sich bestimmt wundern, wenn wir das Restaurant mit unseren Schulsachen stürmen“, murmelte Lotta. „Wenn die uns doof anstarren, das ist mir das total schnuppe“, meinte Mathilda. Corinna schob sich an die Spitze der Gruppe und führte ihre neuen Freundinnen in das Restaurant.

 

„Was kann ich für meine Senioritas tun?“, kam ein junger Kellner mit rabenschwarzen Haaren auf sie zu. „Hätten Sie einen Tisch für acht Personen?“, fragte Corinna freundlich. „Kommen Sie bitte einmal mit“, forderte der Kellner sie auf, „Dahinten haben wir noch einen freien Tisch“ „Vielen Dank!“, lächelte Corinna. „Da vorne sind die Garderoben, dort können Sie ihre Jacken aufhängen und ihre Taschen abstellen“, deutete der junge Mann in die Richtung der Garderoben. „Der sieht sogar richtig knuffig aus!“, flüsterte Lotta Emily ins Ohr. Seitdem sie nicht mehr mit Freddy zusammen war, versuchte sie vielen Jungs und Männern schöne Augen zu machen. „Kommt, nehmt erstmal Platz!“, winkte Corinna ihre Freundinnen zu sich rüber. Die Mädchen bestellten sich zuerst die Getränke, bevor sie die Speisekarte studierten. „Ich weiß nicht, was ich nehmen soll“, seufzte Lotta, „Soll ich die Pizza mit Thunfisch oder Pilzen essen? Ich mag beides sehr gerne“ „Mach einfach ene meine muh“, schlug Mathilda vor.

 

Emily hatte sich bereits für eine Pizza mit Schinken und Rucola entschieden. „Sag mal, wie ist es eigentlich in einem Internat?“, wollte Annemieke wissen, nachdem sie bestellt hatten. „Einerseits ist es toll mit seinen Freunden unter einem Dach zu leben und die fetzigsten Partys zu feiern, auf der anderen Seite sind die Lehrer und das Internatspersonal sehr streng“, erzählt Corinna. „Mit wie vielen Leuten hat man sich ein Zimmer geteilt?“, fragte Aylin neugierig. „Ich habe mir mit meinen beiden besten Freundinnen Janna und Leonie das Zimmer geteilt“, erwiderte sie. Die Roten Siebenerinnen lauschten Corinnas Internatsgeschichten mit großer Neugier. Emilys Augen begannen zu funkeln, als Corinna von originellen Streichen und Mitternachtsfeten unter den Mitschülerinnen erzählte. „Manchmal fände ich auch cool, wenn wir alle zusammen ein Internat besuchen würden, dann hätte ich nicht dauernd Stress mit meiner Mutter“, sagte Lotta sehnsuchtsvoll. „Wenn wir ein Internat besuchen würden, dann muss aber auch Kiki dabei sein“, meinte Mathilda. „Wer ist denn Kiki?“, wollte Corinna wissen. „Das ist eine gute Freundin von uns, die vor fast einem halben Jahr nach Mainz gezogen ist und in unsere Klasse gegangen ist“, erwiderte Emily.

 

„Kiki, was ist das für ein Name?“, wunderte sich Corinna. „Eigentlich heißt sie Kristina“, sagte Aylin, „Aber bei uns heißt sie nur Kiki“ „Auf jeden Fall ist das ein ziemlich cooler Spitzname, genauso wie Coco“, fand Corinna, „Habt ihr denn auch Spitznamen?“ „Fast jeder, außer ich“, antwortete Aylin. „Die Zwillinge nennen wir Matti und Micky. Emily wird öfters Lily genannt und Vivien einfach nur Vivi. Fianna nennen wir manchmal wegen ihrer roten Haare Carrot. Eigentlich heiße ich Carlotta, aber ich werde nur Lotta gerufen“, zählte Lotta die Kose- und Spitznamen ihrer Freundinnen auf. Kaum waren die Mädchen ein intensives Gespräch vertieft, kamen die ersten Pizzas. „Lasst euch es schmecken“, wünschte Corinna ihren neuen Freundinnen einen guten Appetit. Erst jetzt merkte Emily, wie hungrig sie war, schließlich hatte sie außer einem Apfel und einem Müsliriegel noch nichts gegessen. „Noch mal vielen Dank, dass du uns eingeladen hast, Coco!“, sagte Vivien, nachdem sie ihren ersten Bissen heruntergeschluckt hatte. „Kein Ding, unter guten Freundinnen ist das so üblich!“, lachte Corinna.

 

Am kommenden Freitag beschlossen die Roten Siebenerinnen in den Wohnwagen einzuladen. Da Rachel mit einem gebrochenen Arm im Krankenhaus lag und Annika mit ihrer Klasse in Rom war, fiel das Reiten an diesem Tag aus. „Du weißt wahrscheinlich nicht, dass wir eine Bande sind“, sagte Emily auf dem Schulhof zu Corinna. „Nein, das wusste ich nicht“, war ihre neue Freundin erstaunt, „Wie heißt ihr denn?“ „Die Rote Sieben“, antworteten Mathilda und Fianna gleichzeitig. „Warum ausgerechnet die Rote Sieben? Seid ihr nicht eigentlich zu acht?“, stutzte Corinna. „Mittlerweile schon, als wir Vivien vor einem Jahr bei uns aufgenommen haben“, erwiderte Emily, „Als wir die Bande vor drei Jahren gegründet haben, waren wir nur zu siebt“ „Hat es einen bestimmten Grund, dass ihr die Bande gegründet haben?“, hakte Corinna nach.

 

„Wir haben uns mit ein paar Freundinnen zusammengeschlossen, während wir vor drei Jahren auf einer Klassenfahrt waren und ziemlich heftige Probleme mit einer Jungenbande hatten, die sich die Piranhas nennen. Damals war ich ganz neu in der Klasse und hatte schon am ersten Tag mit diesen Jungs. Kiki hatte die Idee, dass wir uns gemeinsam strategisch gegen die Jungs verteidigen. Gleich am ersten Abend haben wir die Rote Sieben gegründet“, erzählte Lotta. „Die Piranhas sind sicher die Jungs um Sven und Jannis“, vermutete Corinna. „Genau die“, nickte Vivien. „Wisst ihr, ich finde es toll, dass ihr eine Bande seid, auch wenn ihr alle schon mindestens vierzehn oder fünfzehn seid“, klang ihre neue Freundin beeindruckt, „Ich hatte im Internat auch sowas Ähnliches, aber ohne irgendwelche Rituale und Bandenbuch. Zumindest haben Rebecca, Beatrice, Mary, Leonie, Janna und ich sehr viel Zeit miteinander verbracht“ „Na, habt ihr nun ein Mitglied mehr?“, fragte Jannis neugierig. „Was geht dich das an?“, erwiderte Mathilda schnippisch. „Wir dachten, ihr hättet Kiki gegen Corinna ausgetauscht“, meinte Sven, der neben Jannis stand. „Wer behauptet denn so einen Quatsch!“, fuhr ihn Annemieke von der Seite an.

 

„Hey, seid doch nicht gleich so kratzbürstig! Es war doch nur eine Vermutung“, beschwichtigte Jannis die Mädchen. „Wisst ihr was, Jungs!“, trat Fianna vor die beiden Piranhas, „Ich glaube, ihr seid in diesem Moment ein wenig überflüssig“ „Immer wieder freue ich mich, über eure ausgesprochene Freundlichkeit uns gegenüber!“, gab Sven ironisch zurück und dampfte mit seinem Kumpel ab. Die Zwillinge lächelten zuckersüß und winkten ihnen hinterher. „Seid ihr immer so dermaßen von ihnen genervt?“, tickte Corinna Emily an. „Manchmal wollen wir doch lieber unter sein“, gab Emily zu. „Dann sind diese Zickereien bei euch schon Usus“, schlussfolgerte ihre Freundin. „Vor einigen Jahren als wir in der sechsten und siebten Klasse waren, war es noch viel schlimmer. Damals haben wir uns richtig bekriegt und uns gegenseitig Streiche gespielt“, erzählte Fianna. „Das war bei uns nicht viel anders“, meinte Corinna, „Doch ab der achten Klasse waren die Jungs auf einmal sehr interessant und mit vierzehn hatte ich meinen ersten Freund, mit dem ich vor einem halben Jahr Schluss gemacht habe“

 

Um halb Vier trafen sich die Mädchen mit Corinna auf dem Schulhof, um mit ihr zum Wohnwagen zu fahren. „Ich bin schon sehr gespannt, wie es in eurem Wohnwagen aussieht“, freute sie sich. Die Mädchen schwangen sich auf ihre Fahrräder. „Komm Micky, nimm meine Hand!“, forderte Corinna Annemieke auf, die direkt neben ihr fuhr. „Beim Fahrradfahren?“, erwiderte sie ungläubig. „Komm schon!“, streckte Corinna die Hand nach ihr aus. „Na gut!“, nickte Annemieke und nahm ihre Hand. Die anderen Mädchen taten es ihr gleich. Emily und Aylin purzelten fast von ihren Rädern als sie versuchten Hand in Hand zu fahren und ließen es nach ein paar Metern bleiben. Vor ihnen verlor Annemieke ihr Gleichgewicht und kam mit ihrem Lenker gegen ein Auto. „Kannst du nicht aufpassen?“, herrschte der Fahrer sie an. „Das war nicht mit Absicht“, stammelte sie. „Ich habe eure Kinderreihen doch gesehen. Im Straßenverkehr hat man nicht herum zu albern. Ist dir nicht bewusst, dass das ziemlich gefährlich war! Du hättest genauso gut unter meinem Auto landen können“, fuhr der Mann im gleichen unfreundlichen Ton fort.

 

„Wissen Sie was, wieso regen Sie sich eigentlich so auf?“, baute Corinna vor ihm auf, „Ihr Auto hat noch nicht einmal eine sichtbare Schramme“ „Du hast mir gar nichts zu sagen!“, knurrte der Autofahrer und ließ die Fensterscheibe wieder hochfahren. „So ein Idiot!“, fauchte Corinna und tippte sich gegen die Stirn. Mit quietschenden Reifen fuhr der unfreundliche Typ davon. „Dass sich manche Leute wegen jeder Nichtigkeit aufregen müssen“, schüttelte Lotta den Kopf. „So sind halt viele Erwachsene“, seufzte Mathilda. „Nicht alle, nur manche“, entgegnete ihr Emily. Ohne viel zu reden fuhren die Freundinnen durch den Stadtpark und nahmen die kleine Seitenstraße in Richtung des Schrebergartenvereins. „Ihr habt euren Wohnwagen also in einem Schrebergarten stehen“, klang Corinna erstaunt. „Na klar, wo denn sonst!“, drehte sich Fianna zu ihr um. „Gleich sind wir da!“, rief Emily und fuhr an die Spitze. Sie wollte Corinna unbedingt den Wohnwagen zeigen, da es streng genommen ihrer war. Vor dem Gartentor stiegen die Mädchen von ihren Rädern und schoben sie in den Garten. „Das sieht hier richtig paradiesisch aus!“, schwärmte Corinna. „Gleich wirst du noch gespannter sein, Coco!“, prophezeite ihr Mathilda.

 

„Ich werde ihr den Wohnwagen zeigen!“, eilte Emily herbei und schloss die Wohnwagentür auf. „Das übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe!“, rief Corinna begeistert und betrachtete die vielen Poster und Bilder an den Wänden. „Du wirst dich staunen, wieso hier so Bilder hängen. Das sind die Fotos aus den letzten Jahren von unserem Reiturlaub und den ganzen anderen Abenteuern“, sagte Emily, die neben ihre Freundin trat. „Ihr scheint ja schon viel erlebt zu haben“, murmelte Corinna und fügte sehnsüchtig hinzu, „Ich wäre so gerne eine von euch“ „Dazu muss man erst eine Aufnahmeprüfung machen oder sich in einem Abenteuer beweisen“, meinte Fianna. „Ich musste keine Aufnahmeprüfung machen“, wisperte Aylin leise, wofür sie einen leichten Stoß von Mathilda kassierte. „Wir mögen dich sehr gerne“, begann Emily, „Aber wir müssen dich erst besser kennen, schließlich gehst du erst seit anderthalb Wochen in unserer Klasse“ „Ich verstehe das“, nickte Corinna.

 

„Was hält ihr davon, wenn wir zusammen Schmuck machen?“, schlug Corinna vor, während sie Tee tranken. „Wir haben doch gar nichts da, womit wir Schmuck machen könnten“, meinte Mathilda. „Doch ich habe eine Kiste voller Perlen und bunter Schnüre“, widersprach ihr Corinna zog eine Box aus ihrem blauen Rucksack. „Wie cool!“, klang Fianna begeistert. Emily zog ein blaues Band aus einer Schachtel und fädelte bunte Perlen auf. „Flechte dir dieses wunderschöne Band doch einfach in die Haare“, gab ihr Corinna den Tipp. Die Mädchen knüpften bunte Bänder, fertigten Schlüsselanhänger an und flochten sich gegenseitig Bänder in die Haare. „Wir sehen fast schon aus wie Hippies!“, fand Aylin, die sich aus mehreren Kordeln einen Gürtel geflochten hatte, der ihr langes schwarzes Oberteil zusammenhielt. „In zwei Wochen werde ich sechzehn und ich wollte mit euch meinen Geburtstag groß feiern“, kündigte Corinna an.

 

„Machst du eine Mottoparty?“, bekam Annemieke ganz große Augen. „Das wäre eine tolle Idee“, fand Corinna, „Ich werde meine Party draußen am Pool feiern, dazu passt das Motto: Ein Tag am Strand am besten“ „Das hört sich viel versprechend an“, fand Emily, „Aber müssen wir im Bikini rumlaufen, wenn es noch zu kalt ist?“ „Das müsst ihr nicht“, meinte Corinna, „Schließlich lauft ihr auch nicht in Badeklamotten rum, wenn ihr im Herbst an der Nordsee seid. Zieht euch dem Wetter entsprechend an“ „Lädst du außer uns noch jemanden ein?“, wollte Vivien wissen. „Ich finde die Piranhas ziemlich sympathisch, deswegen wollte ich sie wahrscheinlich auch einladen“, überlegte Corinna, „Zudem wollte ich noch zwei gute Kumpels einladen, die ihr noch nicht kennt. Sie heißen Maurice und Lars“ „Das wird bestimmt eine große Party“, staunte Aylin. „Klar, schließlich wird man nur einmal in seinem Leben sechzehn“, lachte Corinna.

 

„Ich hätte schon das passende Outfit für deine Poolparty, Coco!“, rief Lotta und trommelte euphorisch auf dem Tisch herum, „Ich habe noch ein oranges Strandkleid“ „Müsst ihr darum jetzt schon eure Köpfe zerbrechen?“, zog Mathilda die Augenbrauen hoch. „Das frage ich mich auch, schließlich ist das noch lange hin und ihr wisst doch noch gar nicht, wie das Wetter wird“, pflichtete ihr ihre Zwillingsschwester bei. „Willst du wirklich die Chaoten von den Piranhas einladen?“, beugte sich Mathilda zu Corinna über den Tisch und musste breit grinsen. „Wieso? Ich dachte, die wären ganz in Ordnung“, machte ihre Freundin ein verdutztes Gesicht. „Du weißt doch, wie gerne wir uns mit den Fischköpfen kabbeln“, fuhr Mathilda fort. „Ach was, so schlimm ist das nicht lange nicht mehr“, mischte sich Lotta ein, „Coco, du kannst uns ohne Probleme zusammen mit den Piranhas einladen“

 

Die Mädchen unterhielten sich eine ganze Weile über die Cocos Geburtstagsparty, bis sie langsam Hunger bekamen. „Lotta, Aylin und ich haben noch eine Überraschung für heute vorbereitet“, holte Fianna zwei große Boxen aus ihrer Umhängetasche. „Überraschung? Was denn für eine Überraschung“, weiteten sich die Augen der Zwillinge vor Neugierde. „Wir wollen Pizza machen“, sagte Aylin und stellte eine große Dose mit passierten Tomaten und eine Packung geraspelten Käse auf den Tisch. „Wow, was ihr immer aus dem Hut zaubern könnt!“, rief Vivien begeistert. „Und ich habe noch Mais, Thunfisch, geschnittene Paprika, gekochten Schinken, Salami und Zwiebeln dabei, womit ihr eure Pizzastücke belegen könnt“, meinte Lotta und stellte ihre Sachen hinzu.

 

Annemieke kramte unter der Spüle herum und holte zwei Backbleche heraus. „Dank des neuen Ofens passen nun sogar zwei Bleche gleichzeitig in den Ofen“, sagte Emily, während sie ihre Pizza belegten. „Ich kann es kaum noch abwarten, bis unsere Bandenpizza endlich fertig ist“, drückte Mathilda sich fast die Nase an der Backofentür platt. Heimlich knipste Fianna mit einem leisen Kichern ein Foto von ihr und schickte es Kiki. „Bist du hinterhältig!“, stürzte sich Mathilda auf sie, die es gemerkt hatte, dass sie fotografiert wurde und fing sich an freundschaftlich mit Fianna zu kabbeln. „Hey, ihr habt fast das Geschirr herunter geschmissen!“, bremste Emily die beiden Wirbelwinde. Langsam machte sich ein köstlicher Pizzageruch im ganzen Wohnwagen breit, sodass allen das Wasser im Munde zusammenlief.

 

Um kurz nach halb acht verabschiedeten sich Vivien und Fianna, die schon früher nach Hause mussten. „Hast du gleich noch Lust zu meinem Pferd zu fahren?“, fragte Emily Corinna. „Klar, ich liebe Pferde“, nickte sie, „Meine Stiefmutter hat auch zwei Pferde, die ich ab und zu auch reiten darf“ „Wieso hast du eine Stiefmutter?“, horchte Lotta auf. „Meine leibliche Mutter ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen als ich gerade elf war“, erzählte Corinna. „Das tut mir richtig Leid für dich!“, nahm Annemieke sie in den Arm. Corinna musste schlucken und blinzelte eine Träne weg.

 

„Darf ich eine Runde reiten?“, fragte Corinna, nachdem sie zu zweit Emilys Pferd geputzt und versorgt hatten. „Klar, von mir aus darfst du noch ein paar Runden reiten“, nickte Emily, „Die Halle ist im Moment sowieso frei“ Emily holte den Sattel aus der Sattelkammer und legte ihn auf Jazz Rücken. Corinna half ihr dabei, den Bauchgurt festzuzurren. Emily führte Jazz am Zügel in die Halle. „Jetzt kannst du“, nickte sie ihrer Freundin zu, die sich die Steigbügel passend einstellte. Elegant schwang sich Corinna in den Sattel. Emily beobachtete ihren Sitz und ihre Zügelhaltung. Zu ihrem Erstaunen gab es nichts daran auszusetzen. Corinna ließ Jazz antraben und setzte in einen seichten Galopp über.

 

Emily hätte nicht gedacht, dass sie eine so sichere und erfahrene Reiterin ist. „Genug geritten, Coco!“, rief sie nach ein paar Minuten, „Nun will ich auch mal“ „Na klar!“, erwiderte ihre Freundin und ließ Jazz zum Schritt durchparieren. „Dein Pferd ist ein richtiger Traum“, schwärmte sie, als sie abstieg. Emily lächelte nur und setzte sich kerzengerade auf Jazz Rücken. In keiner Sache wollte sie ihrer Freundin nachstehen. Als sie mit Jazz angaloppieren wollte, brach er ein Stück zur Seite aus, sodass sich Emily am Sattel festhalten musste, um nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren. „Warum lässt er sich von Coco besser reiten als von mir?“, ärgerte sich Emily insgeheim ein bisschen.

3. Eine tolle Poolparty

 

Corinnas Geburtstag rückte immer näher. Trotzdem wusste Emily nicht, was sie ihr schenken sollte. Irgendwelche Gutscheine wollte sie ihr auch nicht schenken. Deshalb zog sie Annemieke zu Rate, die immer ein paar gute Ideen auf Lager hatte und wusste, was man wem am besten schenken konnte. „Wir können ein buntes Halstuch gestalten, welches wir mit Batikfarbe einfärben und anschließend mit Perlen verzieren können. Ich habe alle zuhause, was wir dazu brauchen. Doch du müsstest nur noch ein weißes Halstuch besorgen“, schlug ihre beste Freundin vor. „Weißt du, was überhaupt Cocos Lieblingsfarbe ist?“, hakte sie nach. „Soweit ich weiß, mag sie auf jeden Fall sehr leuchtende Farben“, dachte Annemieke nach. „Wollen wir uns heute nach der Schule treffen?“, fragte Emily, „Dann können wir uns genauer überlegen, wie ihr Halstuch aussehen soll“ „Warum nicht?“, nickte Annemieke, „Matti ist sowieso nicht da, weil sie wegen ihrer Kniebeschwerden zum Arzt geht“

 

„Abgemacht! Um halb vier bei dir?“, erwiderte Emily. Im nächsten Moment klingelte es zur fünften Stunde. „Worüber habt ihr gerade geredet?“, stieß Corinna zu ihnen. „Das betraf nur dein Geschenk“, antwortete Annemieke knapp. „Ach so, dann will ich das gar nicht wissen“, erwiderte Corinna und hakte sich bei den beiden Freundinnen unter. „Na, da kommt unser Hippie-Girl wieder!“, machte Katja eine schneidende Bemerkung. „Was hat es dich zu interessieren, wie ich mich kleide?“, schoss Corinna wütend zurück. „Wir können wir sogar stilistisch beraten“, lächelte Jolanda zuckersüß. „Ich brauch eure billige Beratung nicht. Ich laufe so rum, wie ich will“, fauchte Corinna und drehte den Zicken abrupt den Rücken zu. „Lass dich von den Ziegen nicht klein kriegen“, flüsterte Mathilda ihr ins Ohr.

 

„Freust du dich auch schon so doll auf die Party wie wir?“, fragte Annemieke, als die beiden Freundinnen auf die Terrasse gingen, um gemütlich eine Tasse Latte Macchiato zu schlürfen. „Na klar, ich bin schon ziemlich gespannt, was sie arrangieren wird“, erwiderte Emily. „Ich bin auch gespannt, wie das Halstuch aussieht, wenn es trocken ist“, murmelte Annemieke, die alle zwei Minuten auf ihre Armbanduhr guckte. „Findest du, dass es reicht, wenn wir ihr zusammen dieses Halstuch schenken?“, fragte Emily nach einer Weile. „Eigentlich schon“, nickte ihre Freundin, „Matti und ich werden ihr sowieso noch einen Kuchen backen“ „Ich glaube, schenke ihr noch einen Topf Glücksklee“, überlegte Emily laut. „Die Idee ist gar nicht mal schlecht“, fand Annemieke, „Glücksklee zu schenken ist ziemlich originell“

 

Die Freundinnen lehnten sich in ihren Gartenstühlen zurück und ließen sich die Sonne auf den Pelz brennen. „Buh!“, Mathilda überraschte die beiden Mädchen, die fast auf ihren Gartenstühlen eingeschlafen waren. „Oh mein Gott, hast du uns aber erschreckt!“, schnappte Annemieke nach Luft. „Ich bin schneller wieder da, weil ich nicht warten musste. Vor mir war nur ein weiterer Patient dran“, erzählte Mathilda und fragte, „Was macht ihr gerade Schönes?“ „Och, wir warten nur, bis unser Halstuch trocken ist“, murmelte Annemieke. „Welches Halstuch?“, hakte ihre Schwester nach. „Wir gestalten zusammen ein Halstuch, welches wir Coco schenken wollen“, erwiderte Emily. „Wisst ihr, was für sie habe?“, griff Mathilda in ihre Tasche und zog einen Traumfänger mit glitzernden Perlen heraus. „Der ist aber schön!“, fanden Emily und Annemieke. „Ich habe Mama extra darum gebeten, dass wir kurz in die Stadt fahren“, fuhr Mathilda fort und setzte sich zu ihnen. „Was hängt im Keller auf der Wäscheleine?“, kam die Mutter der Zwillinge auf die Terrasse. „Ach, das ist nur unser Halstuch, dass wir selbst eingefärbt haben“ „Ich habe das erst für einen alten Lappen gehalten“, lachte ihre Mutter los, „Eigentlich wollte ich das zuerst entsorgen, deswegen frage ich euch“ „Wenn du hast gemacht hättest, hätte ich dich gekillt, Mama!“, rief Annemieke lachend.

 

„Ist alles noch mal gut gegangen!“, schmunzelte ihre Mutter und schlug vor, „Ihr könntet euer Halstuch mit dem Föhn trocknen, dann geht es wesentlich schneller“ „Die Idee ist klasse“, klang Annemieke begeistert und sprang auf. Emily lief ihr hinterher in den Trockenraum, wo das Halstuch auf der Wäscheleine hing. Annemieke holte den Föhn aus dem Badezimmer und innerhalb kürzester Zeit war ihr selbst gestaltetes Halstuch trocken. „Das sieht wirklich aus wie ein Regenbogen!“, schwärmte Emily und fuhr mit ihren Fingern über den seidenen Stoff. „Jetzt kommen nur noch die Perlen“, murmelte ihre Freundin. „Dabei kann ich euch auch helfen“, wie aus dem Nichts stand Mathilda hinter ihnen und jagte ihnen aus den nächsten Schrecken ein. „Nein, du mit deinen Wurstfingern wirst nicht die Perlen auf das Tuch nähen“, bestimmte Annemieke sofort. „Pöh, wenn ihr meine Hilfe nicht braucht, dann geh ich wieder“, schmollend trollte sich ihre Schwester wieder.

 

Gut gelaunt schwang sich Emily am Samstagabend auf ihren Roller und gab Corinnas Straße in das Navigationssystem ein. Corinna wohnte tatsächlich ganz am anderen Ende der Stadt in einem Nobelviertel, in dem sie selbst nie unterwegs war. Dementsprechend lange dauerte die Fahrt. Vorbei ging es an der Hauptstraße, dem Bahnhof, dem neuen Einkaufszentrum und dem alten Stadttor. Die Häuser wurden immer luxuriöser und die Hecken in den Vorgärten immer höher. Corinnas Haus lag in einer ruhigen Seitenstraße. Vielmehr war es eine Villa. „Hallo, Lily!“, rief Corinna überschwänglich, als sie die Tür öffnete. Ihre Freundin hatte sich für die Party richtig herausgeputzt. Sie trug ein schulterfreies türkises Top, einen bunten Wickelrock, lila Ballerinas und schillernde Muschelohrringe. Gerade als Emily ihr gratulieren wollte, sagte Corinna, „Nein, ich habe doch erst morgen Geburtstag, deshalb will ich mit euch hineinfeiern“ Corinna zeigte ihr die riesige Terrasse mit dem Pool.

 

„Die erste Rote Siebenerin!“, rief Jannis, der mit Sven, Lennart und Max an einem der runden Tische saß. „Was ihr seid auch da!“, entfuhr es Emily, die ganz vergessen hatte, dass die Piranhas auch eingeladen waren. „Doch, wir sind fast in ganzer Bandenstärke vertreten, nur Ömer und Ricardo können heute nicht kommen“, meinte Max. Am Nachbartisch saßen zwei fremde Jungs, die beide Kappys trugen. „Ich bin Lars“, stellte sich der Größere der beiden vor und gab Emily die Hand. „Ich bin Maurice“, sagte der Junge mit den halblangen dunklen Haaren und dem Nasenpiercing. „Mein Name ist Emily“, lächelte Emily. „Ah, dann bist du in ihrer neuen Klasse“, vermutete Lars. „Ganz genau“, nickte Emily und ließ ihren Blick über die Terrasse und den Garten schweifen. Noch nie hatte sie so einen großen Garten gesehen. Eher glich das hier einer kleinen Parkanlage. Rings um den Pool waren Palmen und andere subtropische Pflanzen in die Beete gepflanzt. Plötzlich wurde Emily von hinten am Arm gepackt, sodass sie sich ziemlich verjagte.

 

„Ich bin es nur!“, lachte Lotta. Hinter ihr standen Vivien, Aylin und Fianna. Sie trugen alle Hotpants oder farbenfrohe Strandkleider. „Seid ihr zusammen gekommen?“, fragte Emily. „Na klar, Papa hat sie auf den Weg hier her eingesammelt“, erwiderte Lotta. „Fehlen nur noch Matti und Micky“, sagte Corinna. „Die werden gleich kommen, die hatten nur noch ein Hockeyspiel“, antwortete Vivien. „Helft ihr mir, die Fackeln und Kerzen anzuzünden?“, bat Corinna und drückte den Mädchen Feuerzeuge in die Hand. „Ich zeige noch etwas!“, rief Corinna und eilte nach drinnen. Kurz darauf wurde die Terrasse von unzähligen bunten Lichtern, Scheinwerfern und Lichterketten erleuchtet. „Hier kommt richtiges Partyfeeling auf!“, schwärmte Fianna und drehte sich in ihrem hellgrünen Strandkleid. Emily und Lotta zündeten nach und nach die Fackeln an, die die Wege beleuchten sollten. „Die Zwillinge sind da!“, hörten sie Fianna rufen. Emily drehte sich um, heute hatten sich die Zwillinge fast identisch angezogen. Beide trugen bunte Faltenröcke, grüne Tops, Sonnenbrillen und farbenfrohe Stirnbänder. „Ihr seht so super aus!“, freute sich Corinna, „Nun sind wir vollständig. Maurice und Lars, die Party kann starten! Musik ab!“ Die beiden älteren Jungs setzten sich hinter das DJ-Pult und drehten die Anlage auf.

 

„Hey, guckt mal! Habt ihr das schon gesehen!“, wisperte Mathilda uns zeigte auf ein aufgebautes Büffet hinter einem Orangenbaum. „Das sieht so lecker aus!“, geriet ihre Zwillingsschwester ins Schwärmen. „Da könnte ich glatt ordentlich reinhauen! Ich sterbe gerade vor Hunger“, klang Mathilda begeistert. „Du wartest aber bis das Büffet eröffnet ist!“, hielt Annemieke sie zurück. Emily hatte inzwischen auch großen Hunger, da sie erst mittags einen Salat mit Baguette gegessen hatten. „Von mir aus könnt ihr euch jetzt nach Herzenslust bedienen“, eröffnete Corinna das Büffet. Von Lachsbaguette über Steakbrötchen, Kartoffelspalten, Pizza, Chickennuggets, Scampi-Spießen und Mozarellasticks gab es alles, was die Herzen der Gäste höher schlagen ließ. Sogar an die Desserts hatte Corinna gedacht. Auf dem Nachbartisch standen Schüsseln mit Panna Cotta, Mousse au Chocolat, Karamellcreme und Fruchtspießen. Zum Trinken gab es eine große Auswahl an Säften, Cocktails und Softdrinks, sowie alkoholischen Getränken.

 

„Coco hat sich dafür bestimmt sehr viel kosten lassen!“, staunte Aylin. „Allerdings, schließlich hat ihr Vater ziemlich viel Geld!“, nickte Emily, die sich nicht traute den ganzen Teller mit den Leckereien voll zu laden. „Bist du immer noch auf Diät?“, schaute Mathilda sie ungläubig an. „Mensch Matti, musst du immer so blöde Fragen stellen?“, knuffte Annemieke ihre Schwester in die Seite. „Setzt ihr euch mit mir an einen Tisch?“, fragte Corinna die drei Freundinnen. „Klar!“, nickte Annemieke und folgte ihr. Zu viert setzten sie sich an den Tisch in der Nähe des Pools. „Coco, das Essen schmeckt fabelhaft und dazu diese tollen Cocktails!“, lobte Mathilda, die gerade eine Pina Colada schlürfte. „Nach dem anstrengenden Spiel haben wir uns das mehr als verdient“, meinte Annemieke, die sich gerade ein Stück Pizza in den Mund schob. „Wie habt ihr überhaupt gespielt?“, erkundigte sich Corinna. „Eins null gewonnen“, sagte Mathilda mit vollem Mund. „Dazu noch auswärts in Degenheim, die gerade zweiter in der Tabelle sind“, ergänzte ihre Zwillingsschwester. „Wer hat das Siegtor erzielt?“, wollte Emily wissen. „Kim, eine Freundin von uns“, erwiderte Mathilda. „Das freut mich für euch!“, lächelte Corinna.

 

„Hey Mädels, habt ihr gleich Lust eine Runde zu tanzen?“, fragte Lennart lässig. „Na klar, warum nicht?“, nickte Corinna. Emily spürte, wie Lennart sie die ganze Zeit anschaute. Noch vor knapp einem halben Jahr war sie mit ihm zusammen, bis es zum Eklatat auf Lottas Geburtstagsparty kam. Damals hatte eine Anna, eine gute Freundin von Lotta geküsst. Von da an wollte sie von ihm nichts mehr wissen, doch inzwischen war die Wunde in ihrem Herzen wieder verheilt, sodass sie wieder mit ihm normal reden konnte. „Tanzt du mit mir?“, fragte er sie. „Meinetwegen“, erwiderte Emily in einem neutralen Tonfall. In diesem Moment machte es ihr nichts aus mit ihrem Ex-Freund zu tanzen. Jannis fragte Corinna, auf die er schon seit längerem ein Auge warf. Sven wollte unbedingt mit Mathilda tanzen, seitdem er mit Aylin Schluss gemacht hatte, war sie für ihn wieder interessant geworden.

 

Zaghaft legte Lennart seine Arme um Emilys Taille und bewegte sich mit ihr zur Musik, dennoch zog er sie nicht richtig an sich heran. Eigentlich hätte es eigentlich noch so sein können, wie vor einigen Monaten oder einem Jahr. Trotzdem spürte Emily, dass es nichts so war. Schließlich waren Lennart und sie nicht mehr zusammen und sie spürte die zaghafte Distanz zwischen ihnen. Neben ihnen tanzten Mathilda und Sven wesentlich leidenschaftlicher zusammen. Emily war sich sicher, dass aus ihnen noch ein Paar werden könnte. Schon seit der sechsten Klasse stand Sven auf Mathilda. Lotta traute sich wieder an Max heran, der sie vor knapp einem Jahr mit Katja betrogen hatte. Annemieke tanzte mit Michael, allerdings sah es ein wenig ulkig aus. Emily fand, dass die beiden so wenig zusammen passten, wie Apfelsaft und Kakao. Fianna, Vivien und Aylin standen mit Getränken in der Hand am Rand und schauten den tanzenden Paaren zu. Als nächstes legten die DJs einen fetzigeren Song auf.

 

Emily und Lennart hatten keine Lust mehr zu tanzen, deshalb gesellten sie sich zu Fianna. „Ich finde es irgendwie blöd, dass alle miteinander tanzen und niemand mit mir tanzt“, hatte Fianna schlechte Laune. „Dann lass uns doch tanzen“, schlug Lennart vor. Mit einem Mal hellte sich Fiannas Miene auf. Zu zweit verschwanden sie auf die Tanzfläche. Emily setzte sich zu Vivien und Aylin, die sich angeregt unterhielten. Auf einmal tauchten zwei fremde Jungs vor ihnen auf. „Hi, wir sind Cocos Cousins“, sagte der Junge mit den blonden Haaren. „Wie heißt ihr?“, fragte Vivien. „Ich bin Manuell und das ist mein Bruder Simon“, erwiderte der andere Typ mit den kurz geschnittenen aschblonden Haaren. „Habt ihr Bock auf einen Tanz?“, fragte sein Bruder. „Gerne“, strahlte Vivien und ließ sich von dem blonden Jungs wegführen.

 

Aylin wurde von Simon an die Hand genommen. Emily stand auf, um sich einen Drink zu nehmen. Inzwischen hatten auch Annemieke und Michael aufgehört zu tanzen, stattdessen genossen sie einen Cocktail. Gerade als sich Emily einen roten Cocktail eingießen wollte, zog Annemieke sie am Arm. „Pass auf, der ist mit Wodka. Ich habe mir auch davon eingeschüttet und ich mochte das nicht. Ich habe den Inhalt meines Glases heimlich in die Rabatten geschüttet“, raunte ihr ihre beste Freundin zu. Emily nickte und griff nach der Kanne mit Pina Colada. „Weißt du was, ich habe den Eindruck, dass Matti und Sven den ganzen Abend nicht mehr zu trennen sind“, wisperte Emily. „Den Eindruck habe ich auch“, pflichtete ihr Annmieke bei, „Aber ich gönne Matti einen Freund, auch wenn ich Single bin“

 

„Ich habe noch Überraschung parat!“, offenbarte Corinna gegenüber Emily und Fianna. „Was denn für eine?“, schaute Fianna sie neugierig an. „Kommt mit!“, forderte Corinna die beiden Freundinnen auf und ging mit ihnen ins Wohnzimmer. „Heute Vormittag ist diese Kiste gerade noch rechtzeitig angekommen“, murmelte Corinna und schnitt die Kiste mit einem Küchenmesser auf. Lauter bunte Farbbeutel kamen zum Vorschein. „Was ist das denn?“, machte Emily ein skeptisches Gesicht, „Willst du mit uns Paintball spielen?“ „Ach Quatsch, das ist gefärbtes Maismehl“, entgegnete ihr Corinna. „Kann man damit Bodypainting machen“, fingen Fiannas Augen an zu leuchten.

 

„Eigentlich soll man die Farbbeutel aufreißen und den Inhalt in die Luft werfen. Aber wenn man das Farbpulver mit Wasser mischt, kann man sich damit auch anmalen“, erklärte ihr Corinna. „Das klingt verlockend“, klang Fianna begeistert. Zu dritt trugen die Freundinnen die schwere Kiste nach draußen. „Alle mal herhören!“, schnappte sich Corinna das Mikrofon, „Ihr bekommt gleich mehrere bunte Farbbeutel. Wenn der Countdown bei dem folgenden Lied runtergezählt ist, reißt ihr eure Beutel auf und werft den Inhalt in die Luft“ „Kann man die Farbe überhaupt noch aus den Kleidern heraus waschen?“, fragte Aylin skeptisch. „Klar doch, das ist Reismehl“, meinte Corinna und begann die Farbbeutel zu verteilen. Emilys Blick wanderte wieder unfreiwillig zu Mathilda und Sven, die immer noch die Köpfe zusammen steckten. Offenbar hatte es heute Abend richtig zwischen ihnen gefunkt.

 

Gleich beim ersten Countdown wurden Emily und ihre Freundinnen in eine bunte Farbwolke eingehüllt. Der feine Staub setzte sich auf Emilys weißes T-Shirt ab, auch die Partygäste um sie herum waren kunterbunt. Corinna drängte sich in den Vordergrund und zeigte alle Moves, die sie drauf hatte. Lars filmte die tanzenden Jugendlichen mit Corinnas Smartphone. Emily kam sich beinahe wie in einem Werbespot vor. Wieder wurde der Countdown gezählt und dutzende Farbbeutel flogen in die Luft. Auf einmal spürte Emily etwas Feuchtes in ihren Haaren. „Igitt Michael!“, kreischte sie. „Ich wollte nur gucken, ob du etwas merkst“, grinste er schadenfroh. Emily entriss ihm den Farbbeutel, dessen Inhalt er mit Wasser vermischt und über ihrem Kopf entleert hatte. „Wegen dir habe ich jetzt rote Haare!“, beschwerte sie sich.

 

„Wieso? Dir steht die neue Haarfarbe!“, erwiderte der Piranha frech. „Na warte!“, rief Emily. Sie packte ihn an den Armen und zog ihn in Richtung Pool. „Du willst mich wohl nicht in den Pool werfen!“, wehrte er sich. „Das hatte ich gerade vor“, grinste Emily fies. „Das tust du nicht!“, wurde Michaels Stimme bedrohlich leise. „Sieh mal einer an, wer sich da kabbelt!“, bemerkte Fianna. Im nächsten Moment landeten Michael und Emily zu zweit in den kühlen Fluten. Prustend tauchten sie wieder auf. „Schaut mal, Emily und Michi sind in den Pool geflogen!“, krakelte Lotta, die mindestens schon ein oder zwei alkoholhaltige Cocktails getrunken haben musste. Wütend kletterte Emily aus dem Pool.

 

„Ich kann euch trockene Sachen zum Anziehen geben“, eilte Corinna herbei und führte die beiden begossenen Pudel ins Haus. Dankend folgte ihr Emily in Corinnas Zimmer. „Hier zieh das Kleid an, das ist mir zu groß“, legte ihr Corinna ein blauweiß gestreiftes Matrosenkleid hin. „Darf ich noch eben duschen, ich habe immer noch die Farbe in meinen Haaren“, bat Emily. „Selbstverständlich!“, nickte ihre Freundin und führte sie in ein riesiges Badezimmer. „Soll ich dir ein Bad mit Rosenblüten einlassen?“, bot ihr Corinna an. „Nicht nötig, eine normale Dusche reicht auch“, lehnte Emily ab. Corinna verließ das Badezimmer und Emily stellte die Dusche an. Das warme Wasser tat richtig gut. Erst jetzt merkte Emily, wie kalt ihr gerade war. Seitdem es dunkel geworden war, war es nicht einmal mehr halb so warm wie am Tag.

 

Emily schaffte es sich noch rechtzeitig bis Mitternacht anzuziehen und die Haare zu föhnen. Zehn Minuten vor Zwölf ging sie wieder auf die Terrasse. „Hast du ein neues Kleid, Lily?“, staunte Lotta. „Nein, das hat mir Coco geliehen“, schüttelte sie den Kopf. „Darin siehst du richtig gut aus, Emily“, fand Lennart. Zum ersten Mal nach ihrer Trennung machte er ihr wieder ein Kompliment. „Wir müssen unser Geschenk holen!“, fasste Annemieke sie an der Hand. „Wo hast du es hingelegt?“, fragte Emily. „In die Küche, wo es Coco nicht sofort findet“, erwiderte ihre Freundin. Annemieke hob ein kleines rotes Päckchen auf. Die beiden Freundinnen schlichen wieder nach draußen und legten ihr Geschenk auf den Gabentisch neben dem Büffet. Corinnas Geburtstag rückte von Minute zu Minute näher.

 

„Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, null!“, zählten Corinnas Freunde laut den Countdown runter. „Happy Birthday to you! Happy Birthday to you! Happy Birthday, liebe Coco! Happy Birthday to you!”, sangen die Freunde im Chor. Die Roten Siebenerinnen gratulierten ihrer Freundin herzlich und reichten ihr die Geschenke, die sie nach und nach auspackte. Corinna freute sich sehr über das selbst gestaltete Halstuch. „Danke, das ist das originellste Geschenk, was ich je von meinen Freunden bekommen habe“, fiel sie Annemieke und Emily um den Hals. Manuell und Simon gingen mit einem Tablett mit Sektgläsern herum. Emily spielte einen Moment mit dem Gedanken, ob sie mit Sekt oder Orangensaft anstoßen sollte. Schließlich musste sie wieder mit dem Roller nach Hause fahren. „Kann ich ein Glas mit einer Hälfte Orangensaft und der anderen Hälfte Sekt haben?“, fragte sie. „Klar, das ist kein Problem“, nickte einer der Cousins und kam mit einem neuen Glas wieder.

 

„Ich trinke keinen Alkohol“, sagte Aylin entschlossen. „Komm trink doch einen mit!“, stieß Lotta sie seicht in die Seite. „Nein, ich darf keinen Alkohol trinken, weil ich Muslimin bin“, erwiderte Aylin und nahm sich ein Glas Orangensaft. Bis auf Aylin und Vivien griffen alle Roten Siebenerinnen zum Sekt. Klirrend stießen sie auf Corinnas sechzehn Lebensjahre an. Lars und Manuell machten wieder die Musik an. Corinna zog Emily und Mathilda in die Mitte der Tanzfläche und tanzte ausgelassen mit ihnen. „Fianna ist schlecht!“, rief Aylin aufgeregt. „Was hat sie?“, horchte Corinna auf und los Emilys Hand los. „Sie musste sich gerade übergeben“, antwortete Vivien. „Wo ist sie?“, fragte Corinna. „Auf der Toilette“, antworteten Vivien und Aylin gleichzeitig. Emily folgte Corinna, Aylin und Vivien ins Haus. Im Flur kam ihnen eine blasse und zitternde Fianna entgegen, die von Lotta gestützt wurde. „Das war alles nur meine Schuld, weil ich sie dazu überredet habe Sex on the Beach zu trinken“, jammerte Lotta. „Ist dir immer noch schlecht, Carrot?“, besorgt legte Corinna ihr den Arm auf die Schulter. Fianna nickte nur. „Am besten rufen wir ihre Eltern an, dass sie abgeholt wird“, schlug Emily vor. „Das werde ich für sie machen“, meinte Lotta.

 

Zu später Stunde spielten die bis zu letzt gebliebenen Partygäste Wahrheit oder Pflicht. In der Mitte lag eine Sektflasche, die gedreht wurde. Auf den der Flaschenhals zeigte, der musste ein Kärtchen mit einer Aufgabe ziehen. Lennart war zuerst dran und sollte jemanden küssen, den er am liebsten mochte. Ohne zu zögern steuerte er auf Emily zu und drückte ihr einen Schmatzer auf die Lippen, der nach Sekt und Wodka schmeckte. Angewiderte drehte sich Emily weg und wischte unauffällig seinen Kuss wieder weg. Einen so unangenehmen Kuss von ihm hatte sie nicht in Erinnerung gehabt. Als nächstes zeigte, die Flasche auf Lotta, die ein Glas auf ihrem Kopf balancieren musste. Nach wenigen Sekunden fiel das Glas auf den Boden und zerbrach.

 

Lotta drehte die Flasche, die diesmal auf Sven zeigte. „Was musst du machen?“, stupste Jannis ihn an. „Eine Person in den Pool schmeißen, die ich am meisten liebe“, erwiderte sein Kumpel und steuerte auf Mathilda zu, die sich mit schreckensgeweiteten Augen hinter dem Rücken ihrer Schwester versteckte. „Du kannst mir nicht entkommen, Matti!“, feixte Sven und hob sie hoch. Mathilda kreischte und strampelte mit den Beinen, als Sven sie zum Pool trug. Mit einem Platsch landete sie im Wasser. „Die dritte Person, die im Pool gelandet ist“, bemerkte Lotta trocken. Mathilda spuckte einen Schwall Wasser, als sie wieder auftauchte. „Kann ich andere Klamotten bekommen?“, fragte sie Corinna mit klappernden Zähnen. „Gerne“, nickte diese und ging mit ihr ins Haus. „Was für ein origineller Liebesbeweis!“, flüsterte Annemieke Emily ins Ohr.

4. Corinna hat eine Idee

 In der kommenden Woche fand die Projektwoche statt. Emilys Klasse und die Klasse von Aylin und Vivien wollten zusammen das Jugendzentrum in der Stadt verschönern. Emily freute sich schon sehr auf die Tage ohne Hausaufgaben und Schulstress. Zudem mussten sie erst um neun Uhr da sein, was für Emily eine Stunde Schlaf mehr bedeutete. Gleich am Montagmorgen durften sich die Schüler für eine Arbeitsgruppe entscheiden. „Was wollt ihr machen?“, fragte Lotta in die Runde. „Ich trage mich für die Gestaltung der Flure ein“, sagte Corinna sofort. „Ich auch“, meinte Annemieke. „Nehmt ihr es mir übel, wenn ich mich für die Gartengruppe eintrage?“, wandte sich Mathilda an ihre Freundinnen. „Wieso willst du nach draußen und Steine kloppen?“, sah Corinna sie unverständnisvoll an. „Weil ich mit Sven in eine Gruppe möchte“, erwiderte Mathilda. „Bist du schon mit ihm zusammen?“, stocherte Corinna nach, wofür sie sich einen bösen Blick einhandelte.

 

Fianna, Aylin und Vivien entschieden sich ebenfalls für die Gartengruppe. „Habt ihr euch für die Gestaltung der Flure eingetragen?“, fragte Frau Beermann, eine junge Kunstlehrerin, die Emily nur vom Sehen her kannte. Einige der Schüler nickten. Frau Beermann zählte nach, wie viele sich für den Flur entschieden hatten. Insgesamt wollten zwanzig Schüler den Flur verschönern. „Dann kommt mit! Frau Nilsen, Herr Brick und ich werden euch über die Tage betreuen“, sagte sie freundlich und ging in Richtung Treppen. Emily, Corinna, Lotta und Annemieke gingen Hand in Hand die Stufen hoch. „Meine Güte, sieht das hier öde aus!“, bemerkte Corinna abfällig. „Aus dem Grund sind wir auch hier“, drehte sich Frau Beermann zur ihr um. Im Flur des ersten Stocks reihte sich ein Grauton an den nächsten.

 

„Wir haben Flure auf drei Etagen, deshalb werden wir euch in drei Gruppen aufteilen“, fuhr Frau Beermann fort. „Wir bleiben auf jeden Fall zusammen“, wisperte Corinna und zog ihre Freundinnen näher zu sich. „Ich sehe, ihr vier wollt auf jeden Fall zusammenarbeiten“, meinte die Kunstlehrerin. Emily und ihre Freundinnen nickten eifrig. „Wir wollen in jedem Flur eine andere Landschaft gestalten. Unten soll eine Landschaft mit Schnee und Tannen entstehen, im ersten Stock eine Wüste und im obersten Geschoss ein Dschungel“, übernahm Frau Nilsen das Wort. „Kommt, wir nehmen den Dschungel wisperte Corinna und zeigte auf. „Habt ihr schon einen speziellen Wunsch?“, nahm die Lehrerin sie dran. „Meine Freundinnen und ich wollen unbedingt den Dschungel machen“, meinte Corinna.

 

„Wir wollen auch den Dschungel nehmen“, zeigten Katja und Anja auf. Gerade diese beiden Zicken hatten Emily noch gefehlt. Zu sechst gingen sie mit Frau Nilsen hinauf in den zweiten Stock. Hier sahen sie Wände sogar noch schlimmer aus als unten. Irgendjemand hatte sie vor geraumer Zeit in einem schimmligen Grün gestrichen. Nachdem sich die Mädchen ihre Kittel angezogen und den Boden mit Zeitung ausgelegt hatten, stellte ihnen Frau Nilsen mehrere Eimer mit weißer Farbe hin. „Zuerst werden wir die Wände und die Decke komplett weiß strichen. Nach der Mittagspause, wenn die Farbe getrocknet ist, fangen wir mit der Gestaltung an. Voller Motivation machten sich die Mädchen an die Arbeit. Nach und nach wurde der Flur immer weißer.

 

Einmal stieß Annemieke versehentlich einen Farbeimer um. „Kannst du nicht aufpassen!“, herrschte Katja sie an. Gerade als Annemieke zurückschießen wollte, kam ihr Corinna zur Hilfe. „Wieso beschwerst du dich eigentlich? Deine teuren Chucks haben keine Spritzer abbekommen“, fuhr sie Katja in dem gleichen unfreundlichen Ton an. „Regt euch nicht wegen der auf!“, wandte sich Emily an ihre beiden Freundinnen. „Das tun wir auch nicht!“, versicherte ihr Annemieke. „Dass ihr immer irgendwelche Kommentare raus hauen müsst!“, schnaubte Katja. „Wieso? Du hast doch gerade angefangen“, hielt ihr Lotta vor. Wütend pinselte Katja weiter. „Das sieht schon mal sehr gut aus!“, begutachtete Frau Nilsen, „Ihr könnt wahrscheinlich schon ein wenig eher Pause machen“

 

Unten trafen sie ihre anderen Freundinnen wieder. „Wir durften auch schon früher Pause machen“, verriet ihnen Mathilda. „Was hält ihr davon, wenn wir uns nach draußen setzen und ein Picknick machen?“, schlug Corinna vor. „Das ist klasse! Vor allem bei diesem grandiosen Wetter“, nickte Fianna. „Wir müssen uns aber nur noch die Hände waschen“, meinte Vivien, „Dadurch dass wir neue Beete angelegt haben, haben wir uns unsere Hände ziemlich eingesaut“ Nachdem sich Vivien und ihre Freundinnen die Hände gewaschen hatten, gingen die Roten Siebenerinnen vor die Tür. „Wann werde ich in eure Bande aufgenommen?“, fragte Corinna, als die Mädchen sich auf den Rasen gesetzt hatten und ihr Essen auspackten.

 

„Frühestens übernächsten Freitag“, meinte Mathilda, „Dort wird auch Kiki da sein, sie ist diejenige, die neue Mitglieder aufnimmt“ „Ich kenne sie noch gar. Wie ist sie eigentlich und wie sieht sie aus?“, fragte Corinna. „Sie ist ungefähr so groß wie Fianna, hat lange schwarze Haare, dunkle Augen und ist schlank“, versuchte Lotta Kiki in wenigen Worten zu beschreiben. „Zudem ist sie sehr selbstbewusst und setzt sich sehr für ihre Freundinnen ein“, ergänzte Emily. „Du wirst sie Freitag kennen lernen“, sagte Annemieke, „Sie will Freitag zur Wiedereinweihung des Jugendzentrums kommen“ „Ich bin schon sehr gespannt, wer sie ist. Bestimmt ist sie genauso cool und aufgeweckt wie ihr“, klang Corinna neugierig. „Oh ja, es gibt einfach keine bessere Freundin als Kiki“, fand Mathilda, „Es ist so bitter, dass sie weggezogen ist. Ich vermisse sie ziemlich“

 

Nachdem die Mädchen gegessen hatten, erkundeten sie die Umgebung. „Seht ihr das, da ist ja eine Turnhalle“, zeigte Corinna auf eine halbmarode Sporthalle. „Ich wusste gar nicht, dass zu dem Jugendzentrum eine Sporthalle gehört“, wunderte sich Vivien. „Offenbar doch“, nickte Fianna. „Seht ihr das Gerüst?“, flüsterte Corinna, „Da kann man sicher sehr gut hinauf klettern“ Corinna zeigte den Mädchen, wie einfach es war das Gerüst hochzuklettern. „Komm wieder runter, Coco!“, zischte Aylin, „Das ist nicht gerade ungefährlich!“ „Ach was, das ist doch total stabil“, schüttelte Corinna den Kopf. „Wenn ein Lehrer sieht, dass du da oben herumturnst, wirst du mächtig Ärger kriegen“, meinte Annemieke.

 

„Ich weiß gar nicht, was ihr habt, dort oben hat man bestimmt eine tolle Aussicht“, entgegnete ihnen Mathilda und kletterte ebenfalls hoch. Fianna und Lotta taten es ihr nach. „Die sind alle wie Affen!“, sagte Emily kopfschüttelnd zu Annemieke. „Allerdings!“, nickte ihre Freundin, „Wenn ihnen da etwas passiert, sind sie nicht mehr versichert“ „Hey, da oben hochzuklettern ist voll easy!“, rief Fianna zu ihnen runter. „Trotzdem tue ich es nicht!“, entgegnete ihr Aylin scharf. „Lass uns lieber wieder gehen“, drängelte Vivien, „Die Pause ist gleich wieder vorbei“ Hastig kletterten Corinna und die anderen drei Mädchen wieder vom Dach herunter. Auf Zehenspitzen schlichen sie durch das Dickicht und hofften, dass niemand sie bemerkte.

 

Gerade noch rechtzeitig erschienen Emily und ihre Freundinnen im zweiten Stock. „Sind die Wände inzwischen trocken?“, fragte Annemieke atemlos. „Schon seit einer halben Stunde“, erwiderte Anja gelangweilt. „Wegen euch mussten wir auch noch warten“, missbilligend schaute Katja sie an. Die Freundinnen zogen sich schnell ihre Kittel über und machten sich wieder an die Arbeit. Zuerst zeichneten die Mädchen mit dicken Bleistiften die Umrisse der Tiere und Pflanzen. Um die Decke zu kommen, brauchten sie eine Leiter. Emily war diejenige die zur Deckengestaltung beordert wurde, da sie die Größte von allen war. „Bestimmt kommen wir heute nicht mehr zum Malen“, brummte Katja. „Meine Güte, wir haben doch noch vier Tage Zeit“, drehte sich Annemieke zu ihr um, „Auf jeden Fall werden wir bis dahin fertig“ „Wenn du meinst“, sagte Katja mit zusammengebissenen Zähnen. „Dass die immer so eine miesepetrige Laune haben muss“, flüsterte Corinna Emily ins Ohr.

 

„Wisst ihr was, mir kam gestern Abend eine gute Idee“, sagte Corinna, als sie am nächsten Tag Pause machten. „Was denn?“, horchte Lotta neugierig auf. „Wir könnten am Freitag oben auf dem Dach eine kleine Party feiern“, fuhr Corinna fort, „Ich habe bereits Lars und Maurice gefragt, ob sie kommen wollen und beide waren von der Idee begeistert. Sie wollen sogar Chips, Süßigkeiten und Getränke mitbringen“ „Das klingt richtig lustig!“, fand Lotta. „Ich werde auch dabei sein“, begannen Fiannas grünen Augen an zu leuchten. „Und ich erst!“, setzte Mathilda oben drauf. „Spinnt ihr? Wollt ihr von der Schule fliegen?“, tippte sich Aylin gegen die Stirn. „Dass du auch immer gegen alles sein musst!“, fuhr Corinna sie an. „Ich bin nicht gegen alles!“, wehrte sich Aylin rigoros, „Ich finde, ihr plant etwas sehr Gefährliches“ „Der Meinung bin ich auch“, meldete sich Annemieke zu Wort. „Manchmal seid ihr richtige Spaßverderberinnen, Aylin und Micky!“, fauchte Mathilda. „Im Gegensatz zu euch sind sie wenigstens vernünftig!“, nahm Vivien sie in Schutz. „Stellt euch vor, jemand würde von auch vom Dach fallen“, redete Aylin auf ihre Freundinnen ein. „Ach was, so dämlich sind wir nicht, dass wir vom Dach fallen“, schnitt ihr Mathilda das Wort ab. „Außerdem können wir alle klettern“, fügte Fianna hinzu.

 

„Was ist mit dir, Lily?“, stupste Corinna sie an. „Ich weiß es noch nicht“, zuckte Emily mit der Schulter. „Komm schon, ein wenig Spaß muss sein!“, puffte ihre Freundin sie leicht in die Seite. „Ich überlege es mir bis morgen, Coco“, sagte sie schließlich. „Okay, dann sind wir zumindest schon mal zu viert oder zu fünft“, klang Corinna wieder etwas zufriedener. „Was hält ihr davon, wenn wir die Piranhas fragen, ob sie Lust auf eine lustige Sause auf dem Dach haben?“, schlug Lotta vor. „Ich werde gleich Sven fragen“, sagte Mathilda. „Sag ihm, dass die Piranhas niemanden davon erzählen, Matti“, drehte sich Corinna zu ihr um. „Na klar!“, versicherte ihr Mathilda. Annemieke zog Emily ein Stück von der Gruppe weg. „Du willst da nicht wirklich mitmachen oder?“, redete sie auf Emily ein. „Ich weiß es wirklich noch nicht“, gestand Emily, „Auf der anderen Seite hört sich das ganz lustig an, aber gleichzeitig auch sehr waghalsig“

 

„Ich will dir eins sagen“, wurde Annemiekes Stimme sehr leise und eindringlich, „Wenn du den Scheiß mitmachst, bist du für längste Zeit meine beste Freundin gewesen. Stell dir vor, was für schlimme Unfälle passieren können. Ihr könnt vom Dach stürzen oder durch das Dach brechen. Das Gebäude sieht nicht mehr sehr stabil und Vertrauens erweckend aus“ Emily war einen Augenblick sprachlos. Bestimmt wollte Annemieke nur, dass sie sich nicht unnötigerweise in Gefahr begab. „Worüber habt ihr gerade gesprochen?“, kam Corinna auf sie zu. „Das geht dich nichts an“, sagte Annemieke nur. „Was hast du eigentlich, Micky?“, funkelte Corinna ihre Freundin wütend an. „Ich finde deine Idee einfach nur total bescheuert“, erwiderte Annemieke ehrlich. Beleidigt kehrte ihr Corinna den Rücken zu. „Dass sie Coco es nicht verknusen kann, dass man einmal nicht ihrer Meinung ist“, beklagte sich Annemieke bei Emily. „Hoffentlich wird sie mir nicht die Freundschaft kündigen, wenn ich nein sage“, murmelte Emily nur. „Ich lass mich nicht mehr von ihrer Meinung beeinflussen“, schnaubte ihre beste Freundin.

 

Am nächsten Tag wartete Corinna bereits an der Tür auf sie. „Wie hast du es dir überlegt?“, fragte sie Emily als erstes. „Nimmst du es mir übel, wenn ich nein sage“, sagte Emily nach kurzem Zögern. „Wetten Micky und Aylin haben stundenlang auf dich eingeredet oder dir den Kopf gewaschen?“, erwiderte Corinna barsch. „Ich habe wirklich viel darüber nachgedacht“, begann Emily, „Uns kann wirklich etwas Schlimmes passieren. Überleg mal, was wäre wenn das Gerüst nachgibt oder wir durch das Dach brechen?“ „Was redest du da für einen Blödsinn?“, blaffte Corinna sie von der Seite an, „Das Dach ist dick genug und das Gerüst wackelt kein bisschen“ „Wenn du es besser weißt, dann schmeiß doch diese blöde Party!“, erwiderte Emily gereizt. „Wir werden auch viel Spaß ohne Micky, Vivien, Aylin und dich haben! Ich habe gedacht, dass ihr gute Freundinnen seid, stattdessen lässt ihr mich hängen!“, gab Corinna bissig zurück. „Blöde Kuh!“, zischte Emily und drehte sich abrupt um. Zum Glück kam in diesem Moment Annemieke. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, dass ich gerade ich gerade Stress mit Coco hatte!“, sagte sie zu ihr, nachdem sie Annemieke zur Begrüßung umarmt hatte. „Sehr gut, dass du dich nicht von ihr unter Druck setzen lässt“, lobte ihre Freundin.

 

„Wo ist eigentlich Matti?“, wollte Emily wissen. „Die steht dahinten bei Sven“, meinte Annemieke. „Habt ihr euch eigentlich auch gefetzt wegen der Dachparty?“, hakte Emily nach. „Oh ja, sogar ziemlich heftig“, nickte sie, „Gestern Abend haben wir uns so derbe in die Haare gekriegt, dass unsere Eltern dazwischen gegangen sind. Mathilda wirft mir bei jeder Gelegenheit vor, dass ich eine Spaßbremse sei und an nichts Lustiges mehr denken könnte“ „Bestimmt wollen eure Eltern auch nicht, dass ihr auf das Dach klettert und dort oben feiert“, meinte Emily. „Natürlich nicht“, erwiderte Annemieke, „Sie haben gestern auf Matti eingeredet, dass sie bei der Sache auf keinen Fall mitmachen soll. Doch so wie ich sie kenne, nimmt sie davon nichts an“ „Wieso stehen die Piranhas dazu?“, wollte sie wissen.

 

„Laut Mathilda waren sie von der hirnrissigen Idee total begeistert, nur Michael weigert sich dort hochzuklettern. Max hat angekündigt, dass er eine große Kiste Bier und eine Flasche Wodka mitnimmt“, erzählte ihre Freundin. „Wie bitte? Wollen die auf dem Dach etwa ein Saufgelage veranstalten?“, war Emily total fassungslos. „Stell dir vor, was passieren könnte, wenn die betrunken auf dem Dach herumturnen“, ereiferte sich Annemieke, „Ich habe schon richtig Angst, dass ihnen etwas passiert“ „Nicht nur du“, brummte Emily. „Psst, nicht so laut!“, zupfte Annemieke sie am Ärmel, „Da kommen Katja und die anderen Zicken“ „Würdest du sie im Notfall verpfeifen?“, fuhr Emily im Flüsterton fort. „Natürlich nicht“, schüttelte Annemieke den Kopf, „Schließlich sind sie immer noch unsere Freundinnen. Wenn wir sie verpetzen, werden sie es uns garantiert sehr übel nehmen. Auf jeden Fall werde ich Kiki einweihen und ihr sagen, dass sie auf keinen Fall dabei mitmacht“

 

Während die Mädchen den Flur immer mehr in einen Dschungel verwandelten, redete Corinna kaum noch ein Wort mit Emily und Annemieke. Stattdessen steckten Lotta und sie die ganze Zeit die Köpfe zusammen und tuschelten leise vor sich hin. „Kann es sein, dass euch Corinna gerade ziemlich ignoriert?“, stupste Anja Emily von der Seite an. Emily nickte nur stumm. Keines Falls wollte sie gegenüber Anja nur ein Fitzelchen von dem Geheimnis der bevorstehenden Dachparty preisgeben. „Sieh mal, Lotta! Wie findest du eigentlich meine Orchidee?“, tickte Corinna ihre Freundin an. „Die sieht spitzenmäßig aus!“, fand Lotta. „Auf jeden Fall noch besser als Mickys Tiger, der eher einer Hyäne ähnlich sieht“, lästerte Corinna halblaut.

 

„Weißt du, ich weiß nicht, was Coco hat“, wandte sich Emily an Annemieke, „Ich finde dein Tiger sieht aus, als springt er gleich aus der Wand“ „Danke, du findest immer die richtigen Worte“, lächelte ihre Freundin. „Wir lassen uns auf keinen Fall von Corinna unterkriegen“, flüsterte Emily ihr ins Ohr. Während die anderen Mädchen fleißig ihre Pinsel schwangen, tuschelten Lotta und Corinna munter miteinander. „So werden wir nie fertig!“, beschwerte sich Katja, „Nimmt euch ein Beispiel an euren Freundinnen, die wenigstens vernünftig arbeiten“ „Du hast uns gar nichts zu sagen, damit das für alle Male klar ist“, erwiderte Corinna zickig. „Sollen wir den Lehrern sagen, dass wir die Arbeit alleine gemacht haben?“, mischte sich Anja ein. „Petz nur, wenn du petzen möchtest!“, kniff Lotta die Augen zusammen.

5. Die Dachparty

 Merkwürdigerweise war Corinna am Freitag wieder freundlicher zu Emily und Annemieke. Am frühen Nachmittag holten sie gemeinsam Kiki vom Bahnhof ab. Noch bevor die Roten Siebenerinnen zum Grillen im Jugendzentrum gingen sie mit Kiki und Corinna zur Reitstunde. Es war bereits das zweite Mal das Corinna zum Reiten mitkam. Emily war erstaunt, wie gut Kiki und Corinna sich verstanden. Sie unterhielten sie so angeregt, dass weder Lotta noch Mathilda dazwischenkamen. „Kiki, ich muss dir etwas sagen“, zog Emily ihre Freundin beiseite. „Was ist denn?“, war Kiki irritiert. „Hast du schon davon gehört, dass Coco heute Abend eine Dachparty auf einer maroden Turnhalle machen will?“, raunte Emily. „Klar, das haben mir Matti und Micky mir bereits vor Tagen geschrieben“, nickte Kiki. „Machst du da mit?“, bohrte Emily nach.

 

„Hm, so sicher bin ich mir da noch nicht“, zuckte sie mit der Schulter. „Mach das bloß nicht“, warnte Emily sie, „Ein paar von Piranhas haben bereits angekündigt Bier mitzubringen“ „So schätze ich die Piranhas ein“, rollte Kiki mit den Augen und meinte, „Ich sollte lieber doch die Finger von der verrückten Party lassen. Ich will nicht besoffen vom Dach stürzen“ „Richtig so!“, klopfte Emily ihr lobend auf die Schulter. „Was tuschelt ihr da?“, kam Corinna auf sie zu. „Nichts wir haben nur ein bisschen über die Schule geredet“, schwindelte Kiki ohne rot zu werden. „Haben wir noch Zeit uns ein Weilchen in den Wohnwagen zu setzen?“, fragte Lotta. „Nicht nennenswert, am besten machen wir uns sofort auf den Weg zum Jugendzentrum“, meinte Mathilda, „Bereits in einer halben Stunde müssen wir da sein“ „Ich bin schon sehr gespannt, was ihr daraus gemacht habt“, freute sich Kiki, „Ich habe das Gebäude noch als sehr grau und triste in Erinnerung“

 

Die meisten Schüler und Lehrer waren schon anwesend. In der Mitte des neu gestalteten Lagerfeuerplatzes brannte bereits ein Feuer, über dem ein Schwenkgrill hing. Um das Feuer herum standen mehrere Bänke. „Hey, ich hätte nie gedacht, dass die sich auch wieder blicken lässt!“, bemerkte Jannis mit einem Blick auf Kiki. „Falls du gedacht hättest, dass ich die Löffel abgegeben hätte, dann muss ich dich tierisch enttäuschen“, erwiderte sie in einem sarkastischen Tonfall. „Trotzdem toll dich wieder zu sehen, Kiki!“, begrüßte Sven sie. Die Freundinnen setzten sich zu neunt auf zwei Bänke. „Ich freue mich, dass ihr und auch gute Freunde gekommen seid und wir zusammen einen schönen Abend haben werden. Viele Kinder und Jugendliche werden sich sehr über das verschönerte Jugendzentrum freuen und das wollen wir heute Abend feiern“, begrüßte Herr Fiedler die anwesenden Schüler.

 

„Am meisten freue ich mich auf unsere verrückte Dachparty“, flüsterte Corinna Lotta ins Ohr. Herr Brick holte seine Gitarre heraus und stimmte ein Westernlied an. „Es ist richtig schön geworden! Da habt ihr euch wirklich viel Mühe gegeben“, schwärmte Kiki. „Warte nur, bis du die Flure gesehen hast“, meinte Emily. „Auf jeden Fall möchte ich den Flur sehen, den ihr gestaltet habt“, erwiderte ihre Freundin. Kurz darauf gab es die ersten Würstchen und Steaks, dazu gab es Baguette und alkoholfreie Getränke. Als Emily zum ersten Mal von ihrer Wurst abbiss, spürte sie wie hungrig sie inzwischen war. Corinna, Lotta und Mathilda warfen sich beim Essen die ganze Zeit verdächtige Blicke zu. Dann verschwanden Max, Sven und Lennart um die Ecke. Einen Augenblick später standen auch Corinna und Lotta auf. Mathilda und Fianna folgten ihnen, als sie mit dem Essen fertig waren. Emily, Kiki und Annemieke machten keine Anstalten sich zu bewegen. „Am liebsten würde ich ihnen hinterherlaufen und mich ihnen in den Weg stellen, aber irgendwie traue ich mich nicht“, seufzte Annemieke leise. „Wollt ihr auch ein Stockbrot machen?“, fragte Pauline und hielt ihnen die Schüssel mit dem Teig hin. „Danke, das ist nett von dir“, erwiderte Emily freundlich und wickelte einen Klumpen Teig um ihren Stock.

 

„Ich bete, dass nichts passiert“, hoffte Aylin während sie ihre Stockbrote über dem Feuer brieten. „Ich fand das Ganze sowieso von Anfang an leichtsinnig“, meinte Kiki. „Wisst ihr, wo einige von euren Klassenkameraden geblieben sind?“, wollte Herr Fiedler wissen. „Ich glaube, die sind nur kurz auf der Toilette“, log Annemieke. „Aber so viele auf einmal?“, machte ihr Klassenlehrer ein ungläubiges Gesicht. „Warum nicht?“, zuckte Emily mit den Achseln. „Könnt ihr sie bitte suchen gehen?“, bat er Annemieke und sie. „Das tun wir“, versicherte ihm Annemieke. „Ich komme mit“, schloss sich Kiki den beiden Freundinnen an. „Nun sind sie schon knapp eine Stunde weg“, machte Annemieke ein sorgenvolles Gesicht. „Da wird nichts Schlimmes passiert sein, das hätten wir schon längst gemerkt“, redete Kiki beruhigend auf sie ein und nahm ihre Hand. Es war mittlerweile halbdunkel. Beinahe wäre Emily über eine Wurzel gefallen, wenn Annemieke sie nicht im letzten Moment gepackt hätte.

 

„Hey, sieh mal einer an, wer da kommt!“, rief Sven vom Dach zu ihnen herunter. „Kommt ihr nun doch herauf?“, fragte Corinna. „Kommt hoch, hier oben ist es echt toll“, lockte Lotta ihre Freundinnen am Boden. „Ich bleibe hier unten stehen“, sagte Kiki sofort. „Emily und ich kommen nur mal kurz gucken“, nickte Annemieke und begann das Gerüst hinaufzuklettern. Emily folgte ihr mit einem flauen Gefühl im Magen und klammerte sich vor Angst an den Eisenstäben fest. Einmal blieb fast ihr Herz stehen, als eines der Bretter leicht wackelte. Nachdem sie ein paar Male tief durchgeatmet hatte, kletterte sie weiter. Als sie oben auf dem Dach stand, kamen ihr vor Erleichterung fast die Tränen. Zudem war von hier oben der Sonnenuntergang richtig gut zu sehen. „Ich wusste doch, dass ich auf euch zählen kann. Ihr seid halt doch richtig gute Freundinnen“, fiel ihnen Corinna überschwänglich um den Hals.

 

Mitten auf dem Flachdach saßen auch die anderen Jugendlichen, darunter auch Lars und Maurice, die Emily auf ihrem Geburtstag gesehen hatte. Neben ihnen lagen unzähligen Flaschen und Chipstüten. In der Mitte stand eine Wasserpfeife. „Oh nein, jetzt rauchen sie auch noch Shisha“, seufzte Annemieke leise. „Kommt, setzt euch dazu!“, lächelte Fianna und rückte ein Stück näher zu Lotta, damit Annemieke und Emily auch noch in den Kreis passten. „Wollt ihr auch einen Likör?“, bot Maurice ihnen zwei kleine Fläschchen an. „Nein danke“, lehnte Annemieke sofort ab. „Aber hier von kannst du dich bedienen“, hielt ihr Fianna eine Tüte mit Nachos hin. „Ihr sollt sofort runterkommen“, redete Emily eindringlich auf ihre Freunde ein, „Herr Fiedler sucht euch schon“ „Wirklich?“, machte Corinna ein desinteressiertes Gesicht. „Wenn ihr nicht sofort kommt, dann gibt es für euch alle einen tierischen Ärger!“, wurde Annemieke wütend. „Na und? Ihr könnt doch wieder gehen, wenn es hier oben nicht gefällt“, meinte Corinna und nahm einen Schluck aus ihrer Bierflasche. Emily spürte, dass sie bereits jetzt schon angetrunken war.

 

„Ich will runter, mir ist schlecht und ich bin müde“, gähnte Mathilda halbverschlafen und stand auf. Emily fiel an ihrem unsicheren Gang sofort auf, dass sie etwas getrunken haben musste. „Matti, geh nicht alleine!“, rief ihr Annemieke hinterher, doch ihr Zwilling hörte nicht auf sie. „Matti, wir klettern gemeinsam runter!“, rannte ihr Sven hinterher. Gerade vor der Dachkante bekam er sie am Arm zu fassen. „Fast wäre sie vom Dach gestürzt!“, war Annemieke aufgebracht. „Und das weil sie schon halb betrunken ist“, fügte Emily hinzu. „Matti war noch in ihrem Leben angetrunken, sie hat höchstens mal auf Geburtsagen oder an Silvester mal ein Glas Sekt getrunken. Nie im Leben würde sie sich so dermaßen besaufen“, sagte ihre beste Freundin mit Tränen in den Augen. Die beiden Freundinnen gingen nachschauen, wie Sven und Mathilda langsam das Gerüst herunter gekletterten. „Das kann nicht gut gehen!“, wisperte Annemieke und hielt krampfhaft Emilys Hand fest. „Coco hat gelogen“, zischte Emily, „Von wegen dieses Gerüst ist stabil. Es gibt mindestens zwei wacklige Bretter“

 

Mathilda und Sven waren noch nicht einmal auf der Hälfte angekommen. „Sieh mal, wie unsicher sie sich bewegt!“, bekam es Annemieke mit der Angst zu tun. Mathilda bewegte sich wirklich wie eine alte Frau und wirkte komplett orientierungslos. Sven half ihr und hielt sie am Arm fest. Im nächsten Moment begann das Brett zu wackeln, Mathilda verlor das Gleichgewicht und stürzte meterweit in die Tiefe. Mit einem dumpfen Aufprall landete sie in einem Busch. Sven, der versucht hatte sie zu halten, stürzte auf das darunter liegende Brett und krachte mit dem Kopf gegen einer der Metallstangen. „Neeeeeiiiiiin!“, stieß Annemieke einen lang gezogenen Schreckensschrei aus. „Was ist passiert?“, kam Fianna herbei gerannt. „Matti ist in die Tiefe gestürzt“, erwiderte Annemieke unter Schock. „Oh nein, das kann doch nicht wahr sein!“, war Lotta den Tränen nahe. „Wir müssen sofort runter zu ihr!“, rief Emily. Zitternd kletterte sie zusammen mit Annemieke das Gerüst herunter. Diesmal ging es viel schneller. Corinna, ihre Freundinnen und die Piranhas folgten ihr. „Ich habe Matti bereits gefunden! Sie ist nicht ansprechbar“, rief ihnen Kiki zu. „Scheiße, ist sie etwa tot?“, verlor Annemieke ihre Nerven. „Nein, nur bewusstlos!“, konnte Kiki sie beruhigen.

 

Mathilda lag bewusstlos auf dem Boden und blutete stark aus einer Wunde am Kopf. „Verdammt, ich muss Hilfe holen!“, rief Corinna aufgebracht und rannte mit Lars und Maurice davon. „Matti, ich komme schon“, rief Sven, der sich ein Taschentuch auf seine blutende Wunde an der Stirn gepresst hatte. Fianna rief währenddessen den Krankenwagen. Besorgt beugten sich Sven, Annemieke, Lotta und Kiki über ihre schwer verletzte Freundin. „Lasst mich das mal machen!“, meinte Emily, die vor wenigen Monaten für ihren Motorradführerschein einen Erstehilfekurs belegt hatte. Zuerst prüfte sie den Puls, der schon ziemlich schwach war und die Atmung. Emily war mehr als erleichtert, dass Mathilda noch eigenständig atmen konnte. Dann drückte sie mehrere Taschentücher auf einmal auf die blutende Kopfwunde. „Matti, bitte wach auf!“, bettelte Annemieke, die ihre Schwester sanft an der Schulter berührte. Doch ihr Zwilling sagte keinen Ton und hatte die Augen geschlossen.

 

Emily versuchte Mathilda in die stabile Seitenlage zu bringen, damit sich ihr Kreislauf wieder stabilisierte. „Pass auf, sie könnte wohlmöglich an der Wirbelsäule verletzt haben“, warnte Annemieke sie. „Wo bleibt eigentlich Corinna?“, wurde Kiki unruhig und lief zurück. Im nächsten Moment kamen Aylin und Vivien mit schreckensgeweiteten Augen herbei gelaufen. „Das sieht ganz übel aus!“, jammerte Vivien. „Ich wusste doch, dass das kein gutes Ende nimmt“, klang Aylin verzweifelt. Im nächsten Moment kam Herr Fiedler angerannt. „Lasst mich mal nach ihr sehen“, drängelte er sich zwischen den Schülern durch und kniete sich vor Mathilda nieder. Im nächsten Augenblick kamen die ersten Sanitäter mit einer Bahre. Herr Fiedler und die Schüler machten ihnen Platz, damit die Sanitäter ungestört arbeiten konnten. Sie legten Mathilda vorsichtig auf die Bahre und schoben sie in den Krankenwagen. Auch Sven, der nur eine blutende Wunde hatte, wurde zum Krankenwagen geführt. „Wir gehen zurück zum Lagerfeuerplatz, Mathilda ist jetzt in guten Händen“, wandte sich der Klassenlehrer an seine Schüler. Aus dem Augenwinkel sah Emily den Krankenwagen davon fahren.

 

Zu ihrem größten Entsetzen waren Corinna und ihre beiden Kumpels nirgendwo auffindbar. „Wie konnte sich die Hexe nur aus dem Staub machen?“, tobte Fianna. „Weil sie eine feige Kuh ist!“, eiferte sich Lotta, der vor Wut die Tränen kamen. Am Lagerfeuerplatz warteten bereits zwei Polizisten auf sie. Jannis, der noch am besten klar denken konnte, beschrieb den Beamten den Vorfall. Die anderen Schüler standen so dermaßen unter Schock, dass sie sich nicht zum Unglück  äußern konnten. Annemieke, die neben Emily saß, bebte am ganzen Körper und schien starr vor Schreck zu sein. Erst als Emily sie fest in den Arm nahm, brachen bei ihr alle Dämme und sie begann bitterlich zu weinen. „Ich möchte nicht, dass Matti stirbt“, sagte Annemieke mit tränenerstickter Stimme. „Sie wird auf keine Fälle sterben“, redete Emily beruhigend auf sie ein und streichelte über ihre hellen Locken.

 

„Dann wird sie wahrscheinlich querschnittsgelähmt sein und nie wieder laufen können“, schluchzte sie auf. Lotta und Kiki, die sich neben ihnen in den Armen hielten, weinten ebenfalls. „Annemieke, deine Mutter kommt gleich und holt dich ab“, sagte Herr Fiedler und legte seine Hand seicht auf ihre Schulter. Annemieke nickte schluchzend und verbarg wieder ihr Gesicht in ihren Händen. Einen Moment später kam die Mutter der Zwillinge. „Wie konnte das nur passieren?“, wandte sie sich fassungslos an den Klassenlehrer. „Ein Teil meiner Schüler war auf einmal verschwunden. Ich habe einige meiner Schüler beauftragt sie zu suchen, dann kommen auf einmal mehrere von meinen Schülern und berichten, dass Mathilda bei einer Party auf dem Turnhallendach in die Tiefe gestürzt ist“ „Wieso haben Sie das nicht früher gemerkt?“, machte ihm Frau ter Steegen Vorwürfe.

 

„Ich war nicht immer anwesend, da ich immer wieder Nachschub an Getränken und Essen holen musste. Ich gebe zu, dass ich es zu spät gemerkt habe“, rechtfertigte sich der Klassenlehrer. „Wie lange musste meine Tochter auf professionelle Hilfe warten?“, hakte sie weiter nach. „Laut einer Mitschülerin etwa acht bis zehn Minuten“, erwiderte Herr Fiedler. Im nächsten Moment drehte sich Frau ter Steegen von ihm weg. Emily konnte sehen, dass sie ihr die Tränen kamen. Annemieke lief zu ihrer Mutter, umarmte sie und weinte noch heftiger. „Einfach unglaublich, wie das passieren konnte“, sagte Vivien mit zittriger Stimme und wischte sich mit einem Taschentuch über ihr tränennasses Gesicht. „Am schlimmsten ist immer noch, dass sich Corinna einfach so aus dem Staub gemacht. Sie hätte Matti lieber verrecken lassen, als zuzugeben, dass sie die Drahtzieherin dieser unmöglichen Party ist“, war Emily schwer enttäuscht. „Emily, Mama bietet dir an, dass sie dich nach Hause bringt“, rief Annemieke. „Das ist nett von euch!“, bedankte sich Emily. Als sie beim Auto angekommen waren, hatten sich Annemieke und ihre Mutter wieder einigermaßen beruhigt. „Mama, Emily war diejenige, die erste geleistet hat und die richtigen Handgriffe konnte“, erzählte Annemieke. „Vielen Dank, dass du Matti so gut helfen konntest“, bedankte sich Frau ter Steegen mit bebender Stimme.

 

Eine Stunde später lag Emily in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen. Dieser schlimme Unfall ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie hoffte und bangte darum, dass ihre Freundin keine all zu schweren Verletzungen hatte und nicht in Lebensgefahr schwebte. Am meisten schockiert war sie allerdings von Corinnas unverantwortlichen und ignoranten Verhalten. Eigentlich hatte Emily Corinna für eine gute Freundin gehalten, bis die Dachparty kam und sie ihr wahres Gesicht gezeigt hatte. Wie konnte sie Mathilda nur so betrunken machen, dass sie vom Dach stürzte? Ein paar Tage zuvor hatten die Roten Siebenerinnen versprochen sie in ihre Bande aufzunehmen, doch nun war dieser Plan endgültig erledigt. Mit Corinna würde niemand von der Roten Sieben noch freiwillig ein Wort wechseln.

 

Um kurz nach zwei bekam sie eine Nachricht von Annemieke. „Matti geht es wieder etwas besser, sie ist nicht mehr in Lebensgefahr. Trotzdem wird sie zur Beobachtung bis morgenfrüh auf der Intensivstation bleiben. Die Verletzungen sind nicht so schlimm, wie die Ärzte befürchtet hatten. Sie hat einen angebrochenen Lendenwirbel, ein Schädelhirntrauma und ein gebrochenes Bein. Auf jeden Fall wird sie wieder laufen können, trotzdem wird sie für ein paar Tage im Rollstuhl sitzen müssen. Lg Micky! Ps: Morgen treffen wir uns vormittags am Wohnwagen“, hatte ihre Freundin ihr mitzuteilen. Emily fiel ein Stein vom Herzen. Vor Erleichterung traten ihr Tränen in die Augen, die ihr über die Wangen liefen.

6. Corinna ist doch keine Freundin

 Gleich am Montag hatten sie in den ersten beiden Stunden Herr Fiedler. Anstelle mit den Schülern Unterricht zu machen, wollte er den Vorfall von Freitag besprechen. „Ich bin immer noch sehr geschockt, wie das passieren konnte“, begann er. Die Schüler sahen ihn halb reuevoll, halb verunsichert an. „Ihr seid mittlerweile in der neunten Klasse. Eigentlich hättet ihr wissen müssen, wie gefährlich es ist einfach so auf Dächer zu steigen. Viel schlimmer finde ich, dass dabei Alkohol getrunken und geraucht wurde. Bei Mathilda hatten die Ärzte 1,4 Promille im Blut festgestellt. Ihr müsstet doch wissen, dass Alkohol auf Schulveranstaltungen strikt verboten ist“, fuhr er fort. „Ich muss eins klarstellen“, zeigte Annemieke auf, „Meine Schwester besäuft sich nicht“

 

„Darüber kann ich mir schlecht ein Urteil bilden“, meinte ihr Klassenlehrer, „Die Tatsache ist, dass in ihrem Blut Alkohol nachgewiesen werden konnte. Weiß jemand ob sie wirklich viel getrunken hat?“ „Ich meine, sie hat ein Bier gemischt mit Cola getrunken und dann wurde ihr mehrmals nachgeschenkt“, erinnerte sich Lotta. „Weißt du genau, was man ihr nachgeschenkt hat?“, hakte Herr Fiedler nach. „Ich habe das nicht so genau beobachtet“, erwiderte Lotta. „Ich weiß nicht genau, wer bei der Party auf dem Turnhallendach mitgemacht hat“, nahm der Klassenlehrer wieder den roten Faden auf, „Ihr könnt es mir gleich sagen, trotzdem möchte ich, dass sich derjenige oder diejenige meldet der diese Idee hatte auf dem Dach zu feiern. Derjenige soll nach der Stunde zu mir kommen“ In der Klasse war es nun so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Einige der Roten Siebenerinnen linsten zu Corinna rüber, die mittlerweile zu einer Salzsäule erstarrt war und sich nicht traute ihren Mitschülern in die Augen zu gucken.

 

Emily hatte in dem Moment große Lust zu sagen, wer die wahre Drahtzieherin war. Gleichzeitig hasste sie es ihre Mitschüler zu verpfeifen. Auch ihre Mitschüler machten keine Anstalten sich zu melden und zu sagen, dass Corinna die Party Tage im Voraus geplant hatte. „Wer von euch hat den Alkohol mitgebracht?“, wollte Herr Fiedler wissen. „Ich habe eine Kiste Bier mit hoch geschleppt“, zeigte Max freiwillig auf. „Und glaubst du, dass das eine gute Idee war?“, sah ihn der Klassenlehrer stirnrunzelnd an. „Ehrlich gesagt, war das mehr als riskant“, erwiderte Max kleinlaut. „Da kann ich dir nur Recht geben“, nickte Herr Fiedler. Emily wusste ganz genau, dass Corinnas Kumpels die harten Alkoholika mitgebracht hatten. Garantiert hatten sie Mathilda Wodka oder Schnaps in ihre Limonade gemischt, weswegen sie am Ende so betrunken war. Schließlich waren auch Lotta und Fianna am Freitag leicht angetrunken gewesen.

 

„Ich gebe euch bis Freitag Zeit“, wandte sich Herr Fiedler wieder an die gesamte Klasse, „Ich möchte bis dahin wissen, wer die Party geplant hat und wer dabei gewesen ist. Über die Sanktionen werde ich noch mit der Schulleitung sprechen. Auf jeden Fall steht fest, dass die Fahrt in den Freizeitpark am Ende dieses Schuljahres gestrichen wird“ Ein Stöhnen machte sich in der Klasse breit. „Wie bitte, das kann doch nicht sein!“, regte sich Jolanda in der letzten Reihe auf, „Meine Freundinnen und ich waren doch gar nicht dabei gewesen. Somit bestrafen Sie auch die Schüler, die bei diesem Schwachsinn nicht mitgemacht haben“ „Ich kann verstehen, dass du über diese Entscheidung enttäuscht bist“, sah Herr Fiedler verständnisvoll an, „Dennoch hat ein gewisser Teil von euch bei der Dachparty mitgemacht und manchmal müssen diejenigen, die dabei gewesen sind, zu spüren bekommen, dass sie mit ihrem Verhalten andere dadurch schädigen“ Wieder stöhnten einige Schüler. Mit einem Mal hoben die Piranhas gleichzeitig ihre Hände. „Wir wollten nur sagen, dass wir alle mitgemacht haben“, sagte Jannis. „Wir auch!“, zeigten Lotta und Fianna auf. „Ich freue mich darüber, dass ihr den Mut habt, es offen zuzugeben, dass ihr dabei ward“, erwiderte Herr Fiedler anerkennend.

 

„Das ist doch klar“, meinte Sven, „Wir tragen alle die Schuld dafür, dass dieser schlimme Unfall passiert ist. Wären wir nicht auf das Dach gestiegen, hätte sich Mathilda auch nicht schwer verletzt“ Nur Corinna wagte es sich nicht zu melden. Emily sah, dass sich ihre Sitznachbarin keinen Zentimeter bewegte. „Laut der Ärzte wäre Mathilda höchst wahrscheinlich tot oder querschnittsgelähmt gewesen, wenn sie nicht in den Busch gestürzt wäre. Der Busch hat den Aufprall erheblich abgebremst, sodass ihre Verletzungen doch nicht so schlimm gewesen, wie man befürchtet hatte. Es wäre nicht auszumalen gewesen, wenn sie so auf den Boden gefallen wäre. Das hätte niemand von uns verantworten können“, holte ihr Klassenlehrer zu einem Vortrag aus. Alleine bei dem Gedanken, dass Mathilda hätte sterben können, traten Emily Tränen in die Augen. In Annemiekes und Fiannas Augen glitzerten ebenfalls Tränen. Sogar Pauline, die öfter nah am Wasser gebaut hatte und ihre beste Freundin Freya weinten fast.

 

„Wetten diese feige Kuh traut sich nicht zuzugeben, dass sie diese bescheuerte Party geplant hat?“, ereiferte sich Annemieke als sie mit ihren Freundinnen in der Pause auf den Schulhof ging. „Garantiert nicht“, schüttelte Lotta den Kopf, „Dafür hat sie zu wenig Mumm“ „Hätte ich vorher gewusst, was für eine falsche Schlange sie ist, dann hätte ich mich niemals mit ihr angefreundet. Nun kann sie uns gestohlen bleiben“, klang Annemieke frustriert. „Leider kann man nicht immer wissen, wie Personen ticken, die man noch nicht lang genug kennt“, fügte Lotta enttäuscht hinzu. „So eine wie Corinna nehmen wir auf keinen Fall mehr in unsere Bande auf“, sagte Emily entschlossen. „Selbstverständlich nicht“, bekräftigte Fianna, „Schon schlimm genug, dass sie Matti nicht geholfen hat, zudem will sie keine Verantwortung übernehmen“ „Was für ein Glück, dass wir sie vorher nicht aufgenommen haben“, meinte Annemieke.

 

Neben der alten Eiche warteten bereits Aylin und Vivien auf sie. „Was hat euer Klassenlehrer gerade zu dem Unfall von Freitag gesagt?“, fragte Vivien als erstes. „Er hat uns ellenlange Vorträge gehalten“, antwortete Lotta knapp. „Über die Strafe wird es sich noch mit der Schulleitung beraten“, meinte Fianna. „Immerhin haben Fianna, Lotta und die Piranhas zugegeben, dass sie bei der Dachparty mitgemacht haben“, murmelte Annemieke. „Was ist mit Corinna? Hat sie sich schon freiwillig gemeldet?“, hakte Aylin nach. „Die hat sich natürlich noch nicht gemeldet und garantiert wird sie auch nicht zu Herrn Fiedler gehen und sagen, dass sie die Idee dazu hatte“, erwiderte Emily voller Verachtung. „Das ist total daneben! Erst ist sie an dem Abend einfach abgehauen und dann möchte sie mit der Sache nichts mehr zu tun haben“, fand Vivien. „Offenbar kann sie keine Fehler einsehen“, seufzte Lotta. „Gab es sonst noch Strafen?“, fragte Vivien. „Die Fahrt in den Freizeitpark wird uns gestrichen“, erwiderte Annemieke mit düsterer Miene. „Schlimm, dass ihr darunter alle leiden müsst“, meinte Vivien.

 

„Wie geht es Mathilda inzwischen?“, erkundigte sich Aylin. „Ihr geht es schon wieder etwas besser, gestern Nachmittag konnte sie die Intensivstation entlassen. Allerdings muss sie vier Wochen lang ein Stützkorsett tragen und kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen, da sie sich das rechte Bein gebrochen hat. Zudem bekommt sie viele Schmerzmittel, weil sonst die Schmerzen nicht auszuhalten wären“, erzählte Annemieke. „Ach du Schreck, musste sie operiert werden?“, erbleichte Aylin. „Das zum Glück nicht, weil ihr Lendenwirbel nur angeknackst war“, meinte Annemieke, „Trotzdem haben sie Matti in den ersten Stunden intensiv beobachtet, vor allem wegen ihrer Kopfverletzungen und da sie für ein paar Stunden nicht ansprechbar war“ „Um Himmels Willen hat sie im Koma gelegen?“, fragte Vivien geschockt. „Nein, so schlimm war das nun auch nicht!“, schüttelte Annemieke den Kopf, „Trotzdem hatten die Ärzte anfangs Sorgen, dass der Druck im Schädel steigt und Matti eventuell eine Hirnverletzung erlitten haben könnte. Zum Glück war das nicht der Fall. Laut der jetzigen Prognosen wird sie keine bleibenden Schäden davon tragen“ „Da bin ich aber froh!“, fiel Aylin ein Stein vom Herzen.

 

„Sieh mal wer da kommt!“, stieß Fianna ihre Freundinnen an. Ganz alleine kam Corinna auf die Bandenmädchen zu geschlichen. Sie wirkte ohne Freundinnen nicht einmal halb so cool und fröhlich wie sonst. Aylin, Vivien und Annemieke drehte ihr schnell den Rücken zu. „Es tut mir Leid!“, begann Corinna mit reuevoller Stimme. „Warum kommst du erst jetzt angeschlichen? Glaubst du, du könntest jetzt wieder mit uns befreundet sein? Du hast diese blöde Party angezettelt und dann hast du dich auch noch aus dem Staub machen“, drehte sich Annemieke mit zornesroten Gesicht zu ihr um. „Sorry, aber ich war an diesem Abend total durch den Wind“, sagte Corinna kleinlaut. „Das hat man gemerkt!“, erwiderte Lotta schnippisch. „Du und deine dämlichen Kumpels habt den Alkohol besorgt! Gib zu, dass du diejenige warst, die Matti betrunken gemacht hat!“, brauste Fianna auf.

 

„Das stimmt doch gar, nie im Leben hätten wir sie gezwungen Alkohol zu trinken“, wehrte sich Corinna. „Na klar, aber ihr habt uns das Zeug doch auch angedreht!“, fiel ihr Annemieke ins Wort. „Weißt du was, dass du in unsere Bande aufgenommen wirst, kannst du voll vergessen! Keiner von uns möchte mit dir etwas zu tun haben“, baute sich Emily vor Corinna auf. „Wer hat denn gesagt, dass ich Mitglied bei euch albernen Hühnern sein will?“, bemerkte Corinna abfällig. „Nenn uns noch einmal alberne Hühner?“, wurde Fianna sauer und packte sie am Handgelenk. „Pack mich nicht an, du rothaarige Bestie!“, schleuderte Corinna ihr ins Gesicht. Das war zu fiel für Fianna. Emily wusste ganz genau, dass das Fiannas wunder Punkt war. Ihre Freundin hasste nichts mehr, als wegen ihrer Haarfarbe gehänselt zu werden. Wutentbrannt schubste Fianna ihre Kontrahentin gegen den Baum, wofür Corinna sie heftig an den Haaren zog und ihr gegen das Schienbein trat. „Lass Fianna gefälligst in Ruhe!“, mischte sich Emily ein und trennte die Streithennen voneinander. „Ihr steht eh alle auf Fiannas Seite! Ihr könnt mich mal! Ihr seid die schlimmsten Zicken, die ich jemals kennen gelernt habe“, schrie Corinna.

 

„Hör auf so herumzuschreien, wie ein kleines Kind!“, wies Emily sie zurrecht. „Das du es dir mit uns verdorben hast, ist auch deine Schuld, Corinna! Du bist diejenige, die freitags einfach abgehauen ist und jetzt willst du noch nicht einmal zugeben, dass die Party deine Idee war“, sagte Aylin ruhig. „Wie oft müsst ihr mir das noch vorwerfen?“, zitterte Corinnas Stimme. „Solange, bis du kapiert hast, dass du einen Fehler gemacht hast und dich freiwillig bei Herrn Fiedler meldest“, erwiderte Fianna kühl. „Darauf könnt ihr lange warten!“, zeigte ihnen Corinna einen Vogel. „Ich hätte sehr große Lust Herrn Fiedler zu sagen, dass du die Drahtzieherin bist, wenn du zu feige bist um dich selbst zu melden“, trat Emily bedrohlich nahe an Corinna heran. „Was habt ihr eigentlich? Ihr habt doch alle mitgemacht!“, ballte Corinna ihre Hände zu Fäusten. „Im Gegensatz zu dir haben wir bereits zugegeben, dass wir dabei waren“, entgegnete ihr Fianna scharf. Corinna, die Emilys und Fiannas Schimpfkanone nicht ertragen konnte, schlich mit hängendem Kopf davon.

 

Corinna wischte sich in der Mathestunde über die Augen. Weinte sie etwa? Tatsächlich! Die Tränen hatten ihr Make-up total verwischt. Offenbar konnte sie es nicht verkraften, dass alle Freundinnen sich von ihr abwandten. Emily versuchte kein Mitleid zu entwickeln. Normalerweise bekam sie schnell Mitleid, wenn jemand traurig war oder weinte. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Frau Zierske. „Es geht schon“, versicherte ihr Corinna mit rot verquollenen Augen. „Willst du doch nicht lieber ein paar Minuten an die frische Luft gehen? Vielleicht geht es dir dann besser“, bot ihr die Mathelehrerin an. Corinna nahm das Angebot dankend an und schlich lautlos aus dem Klassenzimmer. Niemand ging ihr hinterher. Normalerweise wurden immer Schüler von einem Freund oder einer Freundin begleitet, wenn es ihnen schlecht ging.

 

Diesmal ignorierte es die ganze Klasse, dass Corinna nach draußen ging. Innerhalb kürzester Zeit war aus einer der beliebsteten Schülerinnen eine totale Außenseiterin geworden. Noch nicht einmal Pauline und ihre Freundinnen schenkten Corinna Aufmerksamkeit. Emily konnte sich nur schwer auf die Aufgaben konzentrieren. Unzählige Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum. War Corinna genauso wie Teresia? Es war schon knapp zwei Jahre her, dass Teresia dafür gesorgt hatte, dass ihre Bande fast zerbrach. Glücklicherweise hielt die Rote Sieben nun zusammen. Nach zehn Minuten kam Corinna wieder, inzwischen hatte sie ihr Gesicht gewaschen und ihr Make-up gerichtet. „Geht es wieder?“, erkundigte sich Frau Zierske. Corinna nickte stumm.

7. Ärger für Emily

 Zwei Tage später kam Emilys Mutter in aufgeregt in ihr Zimmer. „Die Mutter von Annemieke und Mathilda hat angerufen, sie ist stinksauer, weil du angeblich ihre Töchter im Internet beleidigt und bloßgestellt hast“, sagte sie und setzte sich auf Emilys Bett. „Wie bitte? Was soll ich getan haben?“, sah Emily irritiert von ihren Geschichtshausaufgaben auf. „Angeblich hast du über dein Profil Annemieke und Mathilda ziemlich beschimpft“, meinte ihre Mutter. „Das habe ich nicht getan, schließlich gehören die Zwillinge zu meinen besten Freundinnen“, war Emily total geschockt. „Ich weiß nicht, was da Wahres dran sein soll“, zuckte ihre Mutter mit der Schulter, „Zumindest hat sich Frau ter Steegen ziemlich aufgeregt, weil du Mathilda angeblich als Schlampe bezeichnet hättest und über Annemieke geschrieben hättest, dass sie zu hässlich sei, um einen Kerl abzukriegen und jeden Tag Gras raucht“

 

„Das habe ich nicht getan“, schüttelte Emily heftig den Kopf, „Ich schreibe sowas nicht über meine Freundinnen und außerdem war ich in den sozialen Netzwerken, in denen ich angemeldet bin, in letzter Zeit kaum online. Ich lade noch nicht einmal Bilder von mir hoch, wie es meine Freundinnen tun“ „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass Facebook, Whatsapp, ICQ und co nicht ganz ohne sind. Warum hast du dich da überhaupt angemeldet?“, hielt ihre Mutter ihr vor. „Es waren Lotta und Fianna, die mich überredet haben bei Facebook und co beizutreten, immerhin sind alle aus unsere Bande dort angemeldet“, erwiderte Emily. „Ich glaube dir, dass du deine Freundinnen weder beleidigst noch bloßstellst. Ich verstehe nicht, was Frau ter Steegen hat“, schlug ihre Mutter wieder einen sanfteren Tonfall an. Emily war insgeheim froh, dass ihre Mutter ihr glaubte.

 

Emily verstand die Welt nicht mehr. Wie versteinert saß sie auf ihrem Schreibtischstuhl und schaute aus ihrem Fenster. Wieso wurde sie bezichtigt, Annemieke und Mathilda beleidigt zu haben? Wieso schickten die Zwillinge ihre Mutter vor, anstatt sich selber bei ihr zu melden? Im nächsten Moment vibrierte ihr Handy. Mit zittrigen Fingern nahm sie es in die Hand. Sie hatte gleich zwei Nachrichten bekommen, eine von Fianna und die andere von Lotta. „Wieso postest ein Bild von mir in aller Öffentlichkeit, wo ich mich auf Corinnas Geburtstag übergeben musste und schreibst drunter, dass ich Weltmeisterin im Kotzen bin? Mindestens ein zehn Leute machen sich jetzt schon lustig über mich. Ich habe gar nicht gedacht, dass du so gemein sein kannst, Emily!“, schrieb Fianna.

 

Emily traute sich beinahe nicht Lottas Nachricht zu öffnen. „Ich habe erst gerade gesehen, was du im Internet mit mir und unseren Freundinnen abziehst. Micky hat mich vorhin darauf aufmerksam gemacht. Warum tust du erst so nett und fängst an uns zu beleidigen? Was haben wir dir getan? Gerade hast du Bilder von uns hochgeladen, wie wir auf dem Dach der Turnhalle sitzen. Zudem hast du ein Bild von mir gepostet, wo ich einen tiefen Ausschnitt trage und ich eine Flasche Bier in der Hand halte. Dann hast du auch noch kommentiert, dass ich in meiner Freizeit auf den Strich gehe, weil ich momentan keinen Freund habe. Ich finde das total daneben von dir! Sowas tut man nicht! Ist dir nicht bewusst, dass wir dich deswegen anzeigen können? Obwohl wir ziemlich sauer sind, wollen wir erstmal auf eine Anzeige verzichten. Bereits die Schwachmaten aus unserer Parallelklasse machen sich ziemlich lustig über uns und setzen genauso bescheuerte Kommentare unter deine Posts!“, wurde Lotta wesentlich deutlicher als Fianna.

 

Emily konnte es nicht fassen, wieso dutzend Vorwürfe auf sie einprasselten. Warum fielen urplötzlich ihre eigenen Freundinnen über sie her? Schon seit Tagen war sie nicht mehr in den Netzwerken unterwegs gewesen. Dort hatte sie sich nur angemeldet, weil ihre Freundinnen sie lang genug überredet haben. Mit zittrigen Fingern loggte sie sich ein. Auf ihrem Account gab es schon seit Wochen keine News mehr. Was hatten ihre Freundinnen bloß? Emily schaute nach, ob es noch andere User gab, die ebenfalls Emily Heuberger hießen. Zu ihrem größten Entsetzen stellte sie fest, dass der dritte Suchvorschlag ein Profilbild von ihr selbst hatte. Aber das konnte gar nicht sein, sie hatte sich doch nicht noch einmal angemeldet. Mit klopfenden Herzen ging sie auf das Profil. Allerdings musste sie eine Freundschaftsanfrage verschicken, um die Fotos und Einträge auf der Pinnwand zu sehen. Emily schrieb eine Rundmail an alle ihre Freundinnen, dass sie mit den angeblichen Beleidigungen und Bloßstellungen nichts zu tun hatte. „Hör auf zu lügen, du hast schon genug Schaden angerichtet!“, antwortete Annemieke als erste. Die Worte ihrer besten Freundin trafen sie härter als jede Ohrfeige. Emily hätte am liebsten geweint, doch der Schock hinderte sie daran.

 

Am nächsten Tag nahm sich Emily vor die Tatsachen richtig zu stellen und fuhr mit ihrem Motorroller etwas früher los als sonst. Nur Finn, Lennart, Saskia, Sina und Jule warteten vor dem Klassenraum. Von ihren Freundinnen war noch keine Spur zu sehen. Aus Erfahrung wusste Emily, dass sie oft auf dem letzten Drücker kamen. Mit einem flauen Gefühl im Magen angelte sie ihr Handy aus ihrer Jackentasche. Es gab glücklicherweise keine neuen Nachrichten. Um sicher zu gehen ob es wirklich keine Neuigkeiten gab, loggte sie sich kurz bei Facebook ein. Auch dort hatte ihr niemand mehr geschrieben und zudem hatte die andere Emily Heuberger noch nicht ihre Freundschaftsanfrage angenommen. Als sie hochguckte, sah sie Annemieke mit Lotta und Fianna den Gang entlanglaufen. Anders als sonst machten ihre Freundinnen einen großen Bogen um sie. Nachdem Emily ihr Handy wieder verstaut hatte, fasste sie sich ein Herz und schritt auf ihre Freundinnen zu.

 

„Was willst du eigentlich von uns, du Gerüchtestreuerin?“, funkelte Lotta sie wütend an. „Ich habe diesen Mist gar nicht geschrieben. Das ist gar nicht mein Profil. Ich weiß gar nicht, wovon ihr redet“, blieb Emily ruhig. „Das glaube dir nicht! Du hast doch diese ganzen peinlichen Bilder von uns auf deine Pinnwand gepostet“, schnitt Fianna ihr das Wort ab. „Micky, glaubst du mir wenigstens?“, schaute Emily ihre beste Freundin beinahe schon bettelnd an. „Halt deine Klappe!“, fuhr Annemieke sie an, „Ich rede mit dir kein Wort mehr“ „Ich käme nie im Leben auf den Gedanken dich und Matti zu beleidigen“, verteidigte sich Emily verzweifelt. „Oh doch, das hast du getan und nicht nur einmal. Rate mal, wieso unsere Mutter gestern deine Mutter angerufen hat!“, wurde Annemieke laut, „Wie kannst du nur auf deine Pinnwand posten, dass du Mathildas Unfall lustig findest und sie dann auch noch als Schlampe bezeichnest. Über mich hast du geschrieben, dass ich zu hässlich wäre einen Freund zu finden und deshalb meine Liebesdienste im Internet anbiete. Du hast meine Handynummer auf deine Pinnwand geschrieben, sodass es jeder sehen kann“ „Das stimmt alles überhaupt nicht“, stammelte Emily und spürte, wie sich Tränen in ihren Augenwinkeln sammelten.

 

„Doch, du willst es bloß nicht zugeben!“, fiel ihr auch noch Sven in den Rücken, „Mathilda ist meine Freundin und wenn du sie und ihre Zwillingsschwester noch länger fertig machst, kriegst du es mit uns allen zu tun. Es ist eine Frechheit, dass du dich darüber lustig machst, dass Mathilda vom Dach gestürzt ist“ „Ich habe diese ganzen Schmähungen wirklich nicht gepostet, sowas würde ich nicht tun. Annemieke ist seid fast vier Jahren meine beste Freundin, mit Matti und den anderen bin ich auch sehr gut befreundet“, wiederholte Emily. „Du bist alles andere, aber keine Freundin und schon gar keine beste Freundin!“, schrie Annemieke sie an und stieß Emily von sich weg. Ihre Mitschüler drehten sich erstaunt zu ihr um. Für sie war es ungewohnt, dass die sonst so friedliche und besonnene Annemieke so in Rage geriet. Verzweifelt rang Emily nach Worten. Mit Annemieke und ihren anderen Freundinnen konnte sie sowieso nicht mehr reden, da sie Emily am liebsten aufspießen wollten. Krampfhaft versuchte Emily ihre Tränen zurückzuhalten, was ihr in diesem Moment nicht gelingen wollte. Mit einem Taschentuch wischte sie sich über ihre feuchten Wangen. Corinna stand abseits der Schülergruppen und verzog keinen Mundwinkel.

 

„Was ist eigentlich los?“, fragte Freya, die den Streit beobachtet hatte. „Nichts!“, antwortete Emily mit niedergeschlagenen Augen. „Das kann nicht sein. Ich habe gehört, dass du angeblich ein neues Profil hast“, meinte Pauline, die neben Freya stand. „Das ist nicht mein neues Profil“, fuhr Emily dazwischen. „Mir hat gestern eine Emily Heuberger einen Freundschaftsantrag gemacht“, meinte Freya. „Hast du ihn angenommen?“, fragte Emily stirnrunzelnd. „Habe ich“, nickte Freya, „Ich dachte wirklich, dass du das wärst. Schließlich habe ich mich gewundert, wieso du deine Freundinnen so beleidigt und so merkwürdige Bilder hochgeladen hast. Das kommt mit irgendwie spanisch vor“ „Darf ich mal das Profil sehen?“, verlangte Emily. Freya zeigte ihr das besagte  Profil auf ihrem Smartphone, Emily fiel aus allen Wolken und konnte nicht glauben, was sie gerade sah. „Diese Fotos habe ich nicht gemacht und auf keinen Fall stelle ich meine Freundinnen so dermaßen bloß“, geriet sie vor Empörung ins Stottern.

 

„So schätze ich dich auf nicht ein“, sagte Pauline sofort. „Irgendwer muss ein Fakeprofil von mir erstellt haben“, regte sich Emily auf. „Ich wüsste auch nicht, wer das gewesen sein könnte“, zuckte Pauline mit der Schulter. Frau Zierske kam den Gang herauf. Ausgerechnet heute wollte sie mit der Klasse eine Lernkontrolle schreiben. Emily war momentan nicht nach Schule Zumute und schon gar nicht nach Mathe. Am liebsten würde sie sich auf ihren Roller schwingen, nach Hause fahren und sich in ihrem Bett verkriechen. Gerade wo sie sich so heftig mit ihren Freundinnen gezofft hatte, war der Tag sowieso schon gelaufen. Annemieke und Lotta warfen ihr bitterböse Blicke zu, während sie den Klassenraum betraten. Dass Emily immer noch neben Corinna sitzen musste, machte die Sache auch nicht besser. Frau Zierske teilte die ersten Blätter aus, die sie umgedreht auf die Tische der Schüler legte.

 

„Ihr habt genau eine Schulstunde Zeit“, sagte sie und schrieb die genaue Abgabezeit an die Tafel. Emily bekam fast gar nichts zustande. Krampfhaft versuchte sie sich an die Formeln aus der letzten Stunde zu erinnern, die sie in der letzten Stunde extra wiederholt hatten. Trotzdem war gerade alles bei ihr gelöscht. Zudem nagte der Zoff mit ihren Freundinnen ziemlich an ihr. Am schlimmsten war, dass Annemieke sie gerade eben so hart angegangen war. Zwar hatte sich Emily schon öfter mit ihr gezankt, aber noch nie in diesem Ausmaß. Zudem hatte sie noch nie die gesamte Bande gegen sie gestellt. Zehn Minute vor Abgabe gab Emily auf und legte ihr Blatt auf das Lehrerpult und ging vor die Tür. Garantiert hatte sie diesen Test wieder vergeigt. Nach dem Schuljahr wollte sie sowieso auf die Realschule wechseln, da das Gymnasium mittlerweile beinhart geworden war. Der Rest des Schultages lief nicht viel besser, sogar Aylin und Vivien behandelten Emily plötzlich wie Luft. Nur die Tatsache, dass sich Emily in den großen Pausen zu Pauline, Freya, Sina und Jule in der Cafeteria an den Tisch setzen durfte, konnte den Tag nur noch halbwegs retten.

 

Am späten Abend rief Kiki bei ihr an. „Kommst du morgen auch zum Bandentreffen?“, fragte sie. „Hm, ich weiß nicht“, war Emily unentschlossen, „Ich fürchte, die anderen wollen mich nicht mehr sehen“ „Ich habe schon davon gehört, was vorgefallen ist“, meinte Kiki, „Micky und Lotta haben mir schon einige Screenshots geschickt. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass du unsere Freundinnen so dermaßen beleidigst und solche falschen Gerüchte verbreitest“ „Das habe ich auch nicht getan“, sagte Emily sofort, „Ich weiß nicht, wer das getan haben könnte. Seitdem dieses vermeintliche Profil von mir erstellt worden ist, sind aus meinen Freundinnen urplötzlich Feindinnen geworden“ „Ich werde mich mal dahinter klemmen“, versprach ihr Kiki, „Ich habe dieses Profil gerade aufgerufen, aber ich kann keine Einträge einsehen, weil ich diese Emily Heuberger nicht in meiner Freundesliste habe. Merkwürdig ist, dass du auf dem Profilbild zu sehen bist“

 

„Trotzdem habe ich mit diesem beschissenen Account nichts zu tun“, betonte Emily erneut. „Ich glaub dir doch“, erwiderte ihre Freundin, „Mir kommt es sowieso merkwürdig vor, dass du dich bereits zweimal angemeldet hast und dein angeblicher Account erst seit Dienstag existiert“ „Ich habe davon erst seit gestern gewusst, als unzählige Wutnachrichten und Anrufe bekommen habe. Heute in der Schule haben sowohl meine Freundinnen, als auch die Piranhas mich komplett wie Luft behandelt. Corinna hat sich natürlich ebenfalls gegen mich gestellt und behauptet, dass ich diese Lügen und schlimmen Bilder verbreiten würde“ „Mir war diese Corinna von Anfang an suspekt, als sie mir Freitag von dieser merkwürdigen Party erzählte“, fand Kiki und ergänzte, „Ich habe beinahe das Gefühl, dass sie dahinter stecken könnte“ „Glaubst du das wirklich?“, hakte Emily nach. „Entweder war es sie selbst oder sie hat eine Person auftragt diesen Account zu erstellen. Schließlich wird sie eine irre Wut auf dich gehabt haben, als du ihr Montag ordentlich die Meinung gegeigt hast“, vermutete ihre Freundin. „Das könnte durch aus möglich sein“, murmelte Emily. „An deiner Stelle würde ich zur Polizei gehen, bevor diese Sache noch mehr aus den Fugen gerät“, riet ihr Kiki. „Wie denn? Ich habe doch keine Beweise. Die andere Emily Heuberger hat meine Freundschaftsanfrage noch nicht angenommen und somit kann ich die Pinnwand nicht einsehen“, seufzte sie tief.

 

„Vielleicht geht jemand mit dir zur Polizei, der freien Zugang zu ihrer Pinnwand hat“, schlug Kiki vor. „Am liebsten würde ich Lotta, Fianna, Aylin, Vivien oder die Zwillinge fragen, doch gerade kann ich mich an keine von ihnen wenden“, war Emily frustriert. „Vielleicht kannst du jemand anderes aus der Klasse fragen?“, fasste Kiki nach. „Da kämen nur noch Freya, Pauline und ihre Freundinnen in Frage“, meinte Emily. „Dann frag doch eine von ihnen, ob sie der Polizei die nötigen Beweise vorlegt. Du musst unbedingt aktiv werden, bevor der Zug schon abgefahren ist“, ermunterte Kiki sie. „Ich schau mir erstmal an, wie sich das weiter entwickelt“, erwiderte Emily. Viel länger konnten die beiden Freundinnen nicht miteinander sprechen, schließlich war es schon kurz nach elf und der Wecker klingelte jeden Morgen um sieben Uhr. Emily versprach Kiki, dass sie morgen trotzdem zum Reiten kommen würde, auch wenn sie Ärger mit dem Rest der Roten Sieben hatte. Auf jeden Fall wollte Emily unbedingt Kiki sehen, die wegen ihren neuen Freundinnen in Mainz nicht mehr jedes Wochenende kam.

 

Auf ihrem Nachttisch stand ein kleines eingerahmtes Foto von ihrer Bande, welches sie vor drei Jahren gemacht hatten, als sie gerade in den Wohnwagen eingezogen waren. Emily erkannte sich, wie sie als damalige Dreizehnjährige in die Kamera grinste, dabei hatte sie lässig ihre Arme um Lotta und Annemieke gelegt. Damals waren die anderen Bandenmädchen noch ihre besten Freundinnen, mit denen sie viel lachen konnte und mit ihnen durch dick und dünn ging. Wie konnte es sein, dass auf einmal alles so schnell vorbei war? Emily war immer noch entsetzt darüber, dass seit gestern unaufhörlich neue Vorwürfe sie einprasselten und sie noch nicht einmal einsehen konnte, was sich momentan auf ihrem Fakeaccount abspielte. Trotzdem hatte sie Bammel davor die Polizei einzuschalten, da sie befürchtete, dass sie noch mehr Ärger haben könnte, als sie bereits schon hatte. Der Wecker zeigte bereits fünf Minuten vor Mitternacht an, trotzdem konnte sie nicht einschlafen. Tausend Gedanken und Ängste jagten durch ihren Kopf, die sich dauerhaft im Kreis drehten. Was würde passieren, wenn sie wieder zur Außenseiterin wird und gemobbt werden würden?

 

Bereits vor einigen Jahren hatte sie dies in ihrer alten Klasse erlebt. Damals hatte sie kaum Freunde gehabt und wurde von ihren Mitschülern sehr häufig beschimpft und verspottet. Als sie die sechste Klasse wiederholte, dachte sie in Kiki, Mathilda und Annemieke richtig gute Freundinnen gefunden zu haben. Als sie die Bande gegründet hatte, dachte Emily, sie sei sicher vor Beschimpfungen, Anfeindungen und Ausgrenzung. Jahrelang hatte ihr die Bande sehr viel Halt gegeben. Umso schlimmer, dass all ihre Freundinnen sich von ihr abwandten und  ihr sogar in den Rücken fielen. Am schlimmsten war immer noch, dass Annemieke nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Seit Jahren war sie ihre erste und allerbeste Freundin in der Schule gewesen. Annemieke war diejenige, die Emily damals ermuntert hatte, auf ihre Mitschüler zuzugehen und neue Freundschaften zu knüpfen. Nun schien ihre Freundschaft Geschichte zu sein. Im Moment war Kiki ihre einzige Freundin. Wieso musste sie ausgerechnet in Mainz wohnen? Das war doch viel zu weit weg, dabei brauchte sie ihre Freundin in diesem Augenblick sehr dringend.

 

Am nächsten Morgen verschlief Emily glatt eine Stunde, nachdem sie ihren Wecker ausgestellt hatte und wieder eingeschlafen war. Ohne zu frühstücken und sich sie Zähne zu putzen, schwang sie sich auf ihren Motorroller. Als sie das Klassenzimmer erreicht hatte, begann die zweite Stunde. „Sorry, dass ich zu spät bin“, entschuldigte sie sich. „Setz dich nur!“, meinte Herr Fiedler, der ein Tafelbild zum Thema spanischer Kolonialismus an die Tafel malte. Emily spürte die giftigen Blicke von Annemieke, Lotta und Fianna in ihrem Rücken. Trotzdem versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen und packte ihre Mappe aus. „Wenn das noch so lange weitergeht, kann dieses Schuljahr noch heiter werden!“, dachte sie Gedanken versunken. „Emily, was kannst du zum Vorsprung der Portugiesen gegenüber der spanischen Krone in Sachen Entdeckungsfahrten sagen?“, richtete Herr Fiedler seinen Blick auf sie.

 

„Wie bitte? Können Sie die Frage wiederholen?“, schreckte Emily hoch. Geduldig wiederholte der Klassenlehrer die Frage. „Portugal hat die Schlachten gegen die Mauren wesentlich früher gewonnen als Spanien, somit konnte sich das portugiesische Königshaus eher auf die Entdeckungsfahrten konzentrieren. Dazu kam, dass Portugal eine große Knappheit an Rohstoffen und Edelmetallen hatte. Das war der Grund, wieso die Entdeckungsfahrten finanziell unterstützt worden sind, damit wieder genügend Rohstoffe bezogen werden konnten. In Spanien dauerte die Reconqista länger und die spanischen Könige haben die anfangs abgelehnt die Erkundungsfahrten zu unterstützen“, antwortete Emily und war sehr erstaunt, wie viel sie noch wusste. Herr Fiedler nickte zufrieden.

 

Am Nachmittag fand wieder der Reitunterricht statt. Emily hatte keine große Lust auf Annemieke und co zu treffen, die sie seit zwei Tagen wie eine Verbrecherin behandelten. Ihre einzige Motivation dort hinzugehen war, Kiki wieder zu sehen. Schweigend bürstete Emily Jazz Mähne und beobachtete, wie die anderen Mädchen sich angeregt unterhielten und herumalberten. Plötzlich starrte Annemieke wie angewurzelt auf ihr Smartphone und ließ ihren Striegel fallen. „Was glaubst du, was du dir erlauben kannst?“, schritt sie auf Emily zu. „Hä? Ich habe doch gar nichts gemacht!“, erwiderte Emily gereizt. „Hör auf dich da rauszureden!“, blaffte Annemieke und hielt Emily ihr Handy direkt unter die Nase. Emily konnte nicht fassen, was sie sah. „Micky liebt es über alles Schwänze anderer Männer zu lutschen!“, stand auf ihrem Fakeprofil, darunter war ein Bild eines Penis zu sehen. „Lieber würde ich mir die Hände abhacken, als so etwas Dreckiges zu posten!“, entfuhr es Emily angewidert. „Ich bin deine Lügen leid. Nachher zeige ich das meinen Eltern. Du kannst dich schon einmal auf eine Anzeige gefasst machen!“, schrie ihr ihre ehemals beste Freundin ins Gesicht.

 

„Hör auf so herumzuschreien, Annemieke!“, raunte Kiki, „Du machst möglicherweise die Pferde nervös!“ „Ich kann es nicht fassen, wie man so gemein sein“, begann Annemiekes Stimme zu zittern. Nur mit Mühe konnte sie sich das Weinen verkneifen. „Ich finde es auch total daneben, was Emily mit uns und besonders mit dir abzieht“, legte Aylin die Arme um sie. „Am besten schmeißen wir dich direkt aus der Bande raus, Emily!“, sagte Lotta zynisch. „Mädels, nun mal halblang!“, ging Kiki dazwischen, „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass Emily so etwas Schlimmes tut. Das ist überhaupt nicht ihre Art!“ „Aber das Profil von ihr ist echt!“, widersprach ihr Fianna, „Sie hat uns geschrieben, dass sie sich neu angemeldet hat und zudem lädt sie Fotos von sich hoch“ „Bevor wir jemanden verurteilen können, müssen wir der Sache erstmal auf den Grund gehen“, beharrte Kiki. „Eigentlich hat Kiki Recht. Ehrlich gesagt kann ich mir auch nur schwer vorstellen, dass Emily zu solchen Gemeinheiten in der Lage ist“, meldete sich Vivien zu Wort, wofür Fianna und Annemieke sie finster anguckten. Wenigstens hielten wieder zwei Freundinnen zu Emily.

 

Emily ging nach dem Reiten mit Jazz für anderthalb Stunden ins Gelände. Auf keinen Fall wollte sie mit den Bandenmädchen im Wohnwagen Kuchen essen und die düsteren Blicke über sich ergehen lassen. Heute war das Wetter wunderbar und auf jeden Fall wollte sie die Sonne zusammen mit Jazz genießen. „Wenigstens ist noch mein bester Freund!“, dachte sie bekümmert und spürte Tränen in den Augen brennen. In den letzten Tagen kamen ihr sowieso schnell die Tränen. Nachdem Emily die Box ihres Pferdes ausgemistet hatte, brachte sie Jazz auf die Weide. Mittlerweile war es kurz vor acht. Emily juckte es noch mal im Wohnwagen nachzuschauen, ob die Bandenmädchen dort immer noch waren.

 

Als sie im Schrebergarten eintraf, fand sie keines der Mädchen vor. Wie verlassen und still es hier sein konnte. Normalerweise war immer munteres Geplapper und Gekicher zu hören, wenn die Roten Siebenerinnen da waren. Ohne sie war es angenehm ruhig, doch ohne sie fehlte auch etwas und ihr Bandenquartier wirkte wie ein unfertiges Puzzle. Im Wohnwagen standen noch einige halbvolle Limonadenflasche und Kekspackungen auf dem Tisch. Nicht einmal das Geschirr wurde weggeräumt. Offenbar waren die Roten Siebenerinnen ohne aufzuräumen wieder nach Hause gegangen. Emily schnappte sich einen Handfeger und kehrte die Kekskrümel zusammen. „Wenn sie noch mal meinen Wohnwagen so dreckig hinterlassen, dann zeige ich es ihnen“, war sie verärgert.

8. Wer ist der Dieb?

Am Montag kam Mathilda wieder zur Schule, allerdings musste sie wegen ihres gebrochenen Beines auf Krücken gehen. Freudig umschwärmten ihre Freundinnen sie und unterschrieben auf ihrem Gips. Auch die anderen Klassenkameraden freuten sich, dass sie wieder da war. Emily traute sich weder an Mathilda noch an die anderen Freundinnen heran. Eigentlich wollte sie auch unterschreiben, doch bestimmt hatte Mathilda etwas dagegen. Auffällig war, dass Sven keinen Millimeter von ihrer Seite wich. Emily war sich sicher, dass die Beiden nun zusammen waren. Er trug seine Freundin sogar die Treppe hoch. „Wo ist eigentlich mein Politikbuch?“, fragte Lotta beunruhigt, als Herr Fiedler den Klassenraum aufgeschlossen hatte. „Ich habe es zumindest nicht“, meinte ihre Sitznachbarin Fianna.

 

„Ich habe es extra in mein Fach gelegt, weil wir keine Hausaufgaben aufhatten und nun liegt es nicht mehr dort“, jammerte Lotta. „Warum guckst du nicht nach, ob es nicht in der Tasche ist?“, beugte sich Mathilda zu ihr rüber. „Da ist es doch auch nicht?“, murrte Lotta. Nachdem Herr Fiedler sie begrüßt hatte, wollte er mit den Schülern eine neue Sitzordnung einführen. Anstatt die U-Form der Tische beizubehalten, ließ er die Klasse an Gruppentischen sitzen. Im Gegensatz zu vorher durften die Schüler sich aussuchen, neben wem sie sitzen wollten. Lotta, Fianna und die Zwillinge mit Sven und Lennart reservierten den hintersten Gruppentisch am Fenster für sich. „Na toll, bei ihnen habe ich keinen Platz mehr!“, dachte Emily bekümmert. „Komm doch zu uns!“, zupfte Sina sie am Ärmel, „Wir haben einen freien Zweiertisch“ Emily lächelte sie dankbar an. Nun hatte nur Corinna keinen freien Platz gefunden und stand wie ein Ausrufezeichen im Raum. Mit zusammengebissenen Lippen ließ sie sich neben Emily nieder, da sonst kein Platz mehr frei war.

 

„Hat jemand meinen Nagellack gesehen?“, fragte Jolanda. „Wann hast du ihn zuletzt gehabt?“, wollte Saskia wissen. „Gerade eben, bevor wir die neue Sitzordnung hatten. Ich habe ihn auf meinem alten Tisch liegen lassen“, erwiderte ihre Freundin. „Prima, jetzt finde ich meinen Taschenrechner nicht mehr und gleich haben wir Mathe“, ärgerte sich Jannis. „Kann es sein, dass fast allen von euch irgendwas fehlt?“, sagte Corinna auf einmal. „Kommt mir so vor“, nickte Neele, „Von meinem Taschenspiegel fehlt jede Spur“ „Ich habe leider auch nicht die leiseste Ahnung, wo die Sachen sein könnten“, zuckte Corinna mit den Schultern. „Wie kann es sein, dass auf einmal jedem etwas fehlt?“, richtete sich Freya in der Pause an Emily. „Ich weiß es auch nicht“, seufzte sie, „Anscheinend haben wir einen Dieb in der Klasse“

 

„Das kommt mir auch so vor“, sagte Pauline, „Aber wer tut so etwas?“ „Ich traue es hier keinem zu, noch nicht mal dem Tussenkomitee“, meinte ihre Freundin Jule. „Vielleicht könnte es auch Corinna gewesen sein“, überlegte Emily, „Sie hat einen richtig guten Grund dazu, uns zu hassen. Schließlich zeigt ihr inzwischen die ganze Klasse die kalte Schulter“ Kaum als von Corinna die Rede war, entdeckte Emily sie zusammen mit Nadine, Carolin, Esra und Linda. Offenbar verstand sie sich prima mit den Zicken aus der Parallelklasse. „Wisst ihr was?“, raunte Pauline ihren Freundinnen zu. „Was denn?“, drehte sich Sina zu ihr um. „Ich habe einen kleinen Verdacht“, fuhr Pauline fort, „Ich habe gestern gesehen, dass diese Mädchen die gemeinsten Bemerkungen unter die blöden Posts gesetzt haben“ „Wirklich?“, runzelte Jule die Stirn. „Seht nur!“, hielt Sina ihren Freundinnen ihr Iphone hin. „Der Großteil der Kommentare kommt wirklich von Linda Merger, Esra Talas und Justin Engels“, meinte Freya und scrollte immer weiter runter. „Um Himmels willen, wie viele Einträge dort inzwischen sind!“, war Emily total fassungslos. „Glaubt ihr, dass Corinna oder jemand aus der Parallelklasse dahinter steckt?“, wisperte Jule.

 

„Ich habe das Gefühl, dass es so sein könnte“, nickte Sina. „Aus unserer Klasse wird es keiner gewesen“, war Pauline überzeugt, „Noch nicht einmal Anja, Jolanda und co haben diese Sachen kommentiert“ „Waren es nur Leute aus der Parallelklasse?“, hakte Emily nach. „Nicht nur die, sondern auch ein paar Jungs aus der zehnten Klasse, mit denen Corinna seit neustem flirtet“, wusste Freya. „Oh nein, irgendjemand von ihnen muss wohl den Fakeaccount erstellt haben“, kam in Emily der Verdacht hoch. „Geh auf jeden Fall zur Polizei!“, riet ihr Freya. „Aber ich habe doch keine Beweise. Ich kann die Pinnwand der andere Emily Heuberger nicht einsehen, da meine Freundschaftsanfrage immer noch nicht angenommen wurde“, jammerte Emily. „Okay, dann gehe ich mit dir morgen zur Polizei“, erklärte sich Freya bereit, „Heute habe ich leider keine Zeit, da ich mit Mama zu Ikea fahre und anschließend noch Tennis habe“ Emily wäre ihr am liebsten aus Dankbarkeit um den Hals gefallen. Inzwischen fühlte sich Freya nicht mehr wie irgendeine Klassenkameradin an, mit der sie fast nichts zu tun hatte, sondern wie eine sehr gute Freundin.

 

In der darauf folgenden Mathestunde platzte die nächste Bombe, als Frau Zierske zum Kopieren ging. „Seht mal, was ich gefunden habe“, rief Corinna triumphierend und hob Fiannas Tasche hoch. „Pack meine Tasche nicht an!“, schrie Fianna wütend und schubste Corinna weg. „Ich habe nur ein paar Sachen gefunden, die dir offenbar nicht gehören. Darunter Lottas Buch“, fuhr Corinna mit ruhiger Stimme fort. „Warum steckst du einfach so meine Sachen ein und sagst mir davon nichts!“, drehte sich Lotta sich abrupt zu Fianna um. „Ich habe nichts eingesteckt oder jemanden etwas weggenommen“, betonte Fianna und zog mit bleichem Gesicht ein Notizbuch von Annemieke aus ihrer Tasche. „Aha, du hast also mein Notizbuch gehabt! War es denn wenigsten interessant, was da drin stand?“, rümpfte Annemieke verächtlich die Nase. „Das habe ich nicht extra eingesteckt“, schüttelte Fianna den Kopf.

 

„Ich habe es seit Freitag gesucht und nicht gefunden“, verengten sich Annemiekes Augen zu Schlitzen, „Du bist nicht nur eine Schnüfflerin, offenbar hast du auch noch darin herumgekritzelt! Ich hätte niemals gedacht, dass du so dreist sein kannst, Fianna! Das sage ich nachher meinen Eltern und unserem Klassenlehrer“ „Nein, das habe ich wirklich nicht getan! Ich finde es widerwärtig meine Freundinnen zu bestehlen“, wehrte sich Fianna, die inzwischen puterrot angelaufen war. „Seht mal, was wir in Fiannas Fach gefunden haben!“, rief Sven, „Darin liegen ein Taschenrechner von Jannis, ein Taschenspiegel, eine Nagellackflasche, ein Goldstift, Lottas Tacker und mein Englischbuch“ „Gut zu wissen, wer die Diebin ist!“, bemerkte Anja halblaut. „Ich hätte niemals gedacht, dass du deine Klassenkameraden bestielst. Eigentlich habe ich dich für eine sehr gute Freundin gehalten“, wandte sich Mathilda enttäuscht an Fianna. „Ich bin keine Diebin!“, funkelte Fianna ihre Klassenkameraden wütend an. „Natürlich bist du das, sonst hätten wir unsere Sachen nicht alle bei dir gefunden!“, rief Jolanda verärgert.

 

„Ist das eigentlich ein Zufall, dass Donnerstag in Kunst auch mein Tuschkasten verschwunden war?“, meldete sich Katja zu Wort. „Na klar, schließlich waren meine Pinsel schließlich auch weg“, meinte Corinna. „Ich habe euch nicht bestohlen, damit das für ein und alle Male klar ist!“, explodierte Fianna rannte nach draußen. Die Tür landete krachend im Schloss. „Nanu, da ist aber eine tierisch sauer!“, grinste Corinna hämisch, wofür ihr Emily am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Kurz darauf kam Frau Zierske mit einem Stapel Arbeitsblättern wieder. Ihr fiel sofort auf, dass der Platz neben Lotta frei war. „Wo ist Fianna hingegangen?“, wollte sie wissen. Frau Zierske duldete es im Normalfall nicht, dass ihre Schüler mitten im Unterricht zur Toilette gingen. „Sie ist einfach so nach draußen gerannt“, zuckte Lennart mit den Achseln. „Vielleicht ging es ihr nicht so gut“, vermutete die Mathelehrerin, „Deshalb sollten ein oder zwei von euch sie suchen gehen“ Freya zeigte als erste freiwillig auf und nach kurzem Zögern hob auch Emily ihre Hand.

 

Zu zweit guckten sie auf dem Mädchenklo nach. „Fianna, bist du hier irgendwo?“, steckte Emily ihren Kopf zur Tür hinein. „Nein, hier ist sie nicht“, schüttelte Freya den Kopf, „Lass uns weitersuchen“ Während sie die Treppe hinunterliefen, hörten sie unten ein verdächtiges Schniefen. Schneller als sie gedacht hatten, fanden sie unter der Treppe eine weinende und zusammengekauerte Fianna vor. Nur zaghaft trauten sich die Mädchen ihr näher zu kommen. „Fianna, hörst du uns?“, kam ihr Emily näher. Fianna schluchzte noch heftiger als gerade eben. Freya und Emily blieben einen Moment stehen und warteten bis sich Fianna regte. „Ihr haltet mich doch eh alle für eine Diebin, also verschwindet wieder! Ich werde sowieso einen Riesenärger kriegen und vielleicht sogar von der Schule fliegen“, schnäuzte sie sich.

 

„Wer sagt denn, dass du eine Diebin seiest?“, hielt ihr Freya ein Taschentuch hin. „Alle sagen es, selbst meine Freundinnen!“, erwiderte sie mit erstickter Stimme. „Wenn ich ehrlich bin, dann glaube ich nicht, dass du die anderen bestohlen hast“, begann Emily und berührte Fianna seicht an der Schulter. „Natürlich habe ich es nicht getan“, sah Fianna zu ihnen hinauf, „Ich finde Klauen total daneben und ich habe gelernt, dass man sowas nicht tut“ Ganz rote und verquollene Augen hatte sie. Schniefend wischte sie sich ihre letzten Tränen weg. Emily schlug vor, dass sie erstmal zur Toilette gingen, damit sie sich ihr Gesicht waschen konnte. Fünf Minuten später kam Fianna wieder. Sie versuchte zaghaft zu lächeln, obwohl ihre Wangen immer noch stark gerötet waren. „Ich habe bereits mitbekommen, was passiert ist“, sagte Frau Zierske, als sie wieder den Klassenraum betraten. „Fianna, stimmt das, was deine Klassenkameraden behaupten?“, wollte sie wissen. „Das ist nicht wahr!“, erwiderte Fianna entrüstet, „Ich war selbst sehr verwundert, als ich die Sachen von meinen Mitschülern in meiner Tasche und in meinem Fach entdeckt habe. Ich habe auf keinen Fall meine Mitschüler bestohlen“ „Aha, das sagst du nur so!“, blaffte Lotta. „Ruhe!“, rief Frau Zierske genervt. Im Anschluss folgte ein ellenlanger Vortrag über die Regeln des Zusammenlebens und der Moral.

 

Emily war insgeheim froh, dass Frau Zierske sie nicht direkt bezichtigte die Diebstähle begangen zu haben. In der Pause holte Emily Fianna zu sich und Freya. Seitdem Emily Fianna versichert hatte, dass sie nicht die Diebin ist, war sie mit einem Mal wieder viel freundlicher. „Wie wollt ihr den anderen beweisen, dass ich nicht gestohlen habe?“, wollte Fianna wissen. „Ganz einfach, wir legen einen Gegenstand offen irgendwo hin und dann lauern wir ihr auf. Aus dem Versteck filmen wir, wer den Gegenstand mitnimmt und bei Fianna in die Tasche tut“ „Ich hätte auch eine Idee, was wir da nehmen könnten“, wusste Emily, „Ich habe zuhause noch eine schöne Kette mit einem goldenen Schlüsselanhänger“ „Meinetwegen können wir auch deine Kette nehmen“, nickte Freya, „Wir könnten sie in der großen Pause auf den Tisch vor unseren Klassenraum legen. Daneben stellen wir Fiannas Tasche ab“ Emily gab ihren beiden Freundinnen einen Highfive. Lotta und die Zwillinge, die gerade an ihnen vorbei kamen, warfen ihnen herablassende Blicke zu.

 

Am Nachmittag fuhr Emily wieder zum Reiterhof. Annika hatte sich Zeit genommen, um mit ihr auszureiten. „Hat sich das mit deinen Freundinnen wieder eingerenkt?“, erkundigte sich ihre Cousine. „Noch nicht, aber dank einer neuen Freundin in meiner Klasse wird sich das bald wieder einrenken“, erwiderte Emily. „Wie heißt sie denn?“, fragte Annika. „Freya“, antwortete sie knapp. „Von Freya hast noch nie etwas erzählt“, murmelte Annika und scheuchte eine Fliege weg, die sich auf Princess Hals setzen wollte. „Sie will mit mir morgen zur Polizei gehen“, fuhr Emily fort. „Warum gehst du da nicht alleine hin?“, wunderte sie sich. „Ganz einfach, weil ich die Pinnwand meines Fakeaccounts nicht einsehen kann, weil meine Freundschaftsanfrage  noch nicht angenommen wurde“, meinte Emily, die gerade Jazz Hufe auskratzte.

 

„Derjenige, der das gemacht hat, wird wohl ziemlich raffiniert vorgegangen sein“, sagte Annika, „Aber längst nicht raffiniert genug. Die Polizei kann immer noch die IP-Adresse des Täters herausfinden“ Emily freute sich schon auf den bevorstehenden Tag, an denen die Wahrheit ans Licht kommen sollte, trotzdem war sie auch ziemlich nervös. Seit fast einer Woche war sie mit ihren besten Freundinnen im Clinch, die immer noch glaubten, dass Emily hinter dem besagten Account steckte. Nachdem die beiden Cousinen ihre Pferde gesattelt hatten, ritten sie vom Hof. Auf den Feldern und im Wald konnte sich Emily für ein paar Momente unbeschwert und frei fühlen, sodass sie kurzzeitig ihre Sorgen komplett vergaß.

 

9. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen

In der ersten großen Pause des nächsten Tages legte Emily ihre Kette auf das Pult neben dem Klassenraum. Zusammen mit Freya und Fianna verschanzte sie sich hinter einem Kunstwerk. Je länger die Freundinnen warten, desto mehr verloren sie die Hoffnung, dass jemand die Kette vom Tisch nahm. Schließlich klingelte es zum Pausenende. Fianna seufzte enttäuscht. „Egal, wir versuchen es in der nächsten Pause noch mal. Irgendwann wird der Fisch schon anbeißen“, munterte Freya sie auf und strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares aus ihrem Gesicht. In der nächsten Pause nahmen die drei Freundinnen wieder die gleiche Position ein. Freya hatte ihre Handykamera schussbereit.

 

„Nur noch fünf Minuten und hier ist immer noch niemand aufgetaucht“, murmelte Fianna. „Vielleicht kommen sie doch noch, Corinna müsste die Kette schon längst gesehen haben“, raunte ihr Freya zu. Gerade als sie die Hoffnung fast begraben hatten, kamen Corinna und Esra um die Ecke. Freya drückte auf den Auslöser ihrer Handykamera. Corinna gab ihrer Freundin aus der Parallelklasse ein Zeichen, dass sie die Kette holen sollte. Währenddessen hob Corinna Fiannas Tasche auf und Esra ließ die Kette hineinfallen. „Wie ich prophezeit habe, der Fisch hat angebissen!“, strahlte Freya über beide Backen. Fianna drückte vor Freude ihre Hand. Emily und ihre Freundinnen warteten kurz bis die Luft wieder rein war und flitzten nach draußen. Unbedingt wollten sie den anderen Freundinnen ihren frischen Beweis zeigen. Da Lotta, Aylin, Vivien und die Zwillinge wie immer neben der alten Eiche standen, konnten die Freundinnen sie schnell finden.

 

„Was wollt ihr?“, knurrte Lotta. „Wir haben einen frischen Beweis!“, platzte es aus Emily heraus. Noch bevor die anderen Mädchen etwas erwidern konnten, hielt Freya ihnen das Handy unter die Nase und spielte das Video ab. „Das ist ja unglaublich! Wie kann man sowas tun?“, blieb Mathilda die Spucke weg. „Wie kann Corinna nur so perfide sein?“, war ihre Zwillingsschwester wie vom Donner gerührt. „Irgendwie konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass Fianna klaut“, meinte Aylin sofort. „Das müssen wir unbedingt Herrn Fiedler zeigen, den wir gleich haben“, sagte Annemieke aufgebracht. „Tut mir leid, dass ich dich so verdächtigt habe“, schloss Lotta Fianna in ihre Arme. Nach und nach entschuldigten sich die Freundinnen bei ihr, denen es offenbar unangenehm war, dass sie Fianna eines falschen Verdachts bezichtigt hatten. Kurz darauf beendete der Gong die Pause. Emily hakte sich auf den Weg nach drinnen bei Freya ein.

 

„Wir haben schon ein eine Fliege erschlagen, heute Nachmittag wird die nächste folgen“, raunte sie ihr glücklich zu. Trotzdem fiel Emily auf, dass Lotta und die Zwillinge sie genauso ignorierten wie vorher. Herr Fiedler war bereits da, als die Mädchen kamen. „Dürfen wir Ihnen etwas zeigen?“, bat ihn Freya, „Es geht um die Vorwürfe, dass Fianna in den letzten Tagen geklaut haben soll“ „Du kannst es mir jetzt kurz zeigen“, nickte er. Mit versteinerter Miene schaute er sich das Video an. „In Wirklichkeit will Corinna die ganzen Diebstähle Fianna in die Schuhe schieben. Gerade eben haben wir eine Kette von mir auf den Tisch gelegt und gewartet, was passiert. Nach einer Weile kamen Corinna und eine Schülerin aus der Parallelklasse, sie haben die Kette in Fiannas Tasche gelegt“, erklärte Emily ihrem Klassenlehrer. Nachdem er die Klasse begrüßt hatte, knöpfte er sich Corinna vor.

 

„Mir ist zu Ohren gekommen, was in den letzten Tagen passiert ist. Was hast du dir dabei gedacht, einer Mitschülerin mehrere Diebstähle in die Schuhe zu schieben?“, begann er. „Ich war wütend auf Fianna, nachdem ich mich heftig mit ihr gestritten habe“, sagte Corinna mit einem dicken Klos im Hals. „Ist das deiner Meinung nach ein gerechtfertigter Grund, dass du dich ihr gegenüber so unmöglich verhalten kannst?“, fuhr er fort. Kleinlaut schüttelte die Schülerin den Kopf. „Hast du schon einmal etwas davon gehört, dass sich solche Sachen nicht gehören? In meinen Augen ist dein Verhalten sehr unaufrichtig und hinterhältig. Du wirst dich auf der Stelle bei Fianna entschuldigen!“, wies er sie zurecht. „Ich muss Ihnen noch etwas sagen, was viel schlimmer ist“, begann Corinna, „Ich habe die Party auf dem Turnhallendach geplant. Ich habe all meine Freundinnen dazu überredet und meinen Kumpels gesagt, dass sie den Alkohol besorgen sollen“ Ihren Mitschülern blieben vor Staunen die Münder offen stehen. Emily hätte nicht gedacht, dass sich Corinna doch noch stellen würde. „Mit dir werde ich nach der Stunde noch ein Wort reden“, meinte Herr Fiedler streng und drehte sich wieder zur Tafel um. Neben Emily hatte Corinna ihren Kopf auf den Tisch gelegt und weinte leise. Emily war viel zu wütend und empört, um mit ihr ein Fitzelchen Mitleid zu haben.

 

Am Nachmittag trafen sich Emily und Freya in der Stadt. Das Polizeigebäude war ganz in der Nähe. Die beiden Mädchen mussten zuerst eine Nummer ziehen und knapp eine halbe Stunde, bis sie aufgerufen wurden und zur Rezeption durchgelassen wurde. „Wie sind eure Namen?“, fragte eine junge Beamtin mit einem Pferdeschwanz. „Mein Name ist Freya Schilling“, sagte Freya als erste. „Ich bin Emily Heuberger“, nickte Emily kurz. „Was ist euer Anliegen?“, fuhr die Polizistin in dem gleichen steifen Tonfall fort. „Es geht um Cybermobbing“, begann Emily und dachte angestrengt nach, wie sie es am besten formulieren sollte. „Ich habe im Verdacht, dass eine Person in meinem Namen einen Facebookaccount erstellt hat und darüber meine Freunde beleidigt. Deshalb bin ich gekommen, um eine Anzeige zu machen“, sagte sie schließlich. Die Beamtin machte sich einige Notizen. „Ich bin eine Freundin von ihr und ich konnte einige Screenshots machen“, zückte Freya ihr Handy. „Moment, mein Kollege kommt gleich“, nickte die Frau und fragte die beiden Mädchen nach ihrem Alter.

 

Kurz darauf kam er mittel alter Polizist mit dunklen kurz geschnittenen Haaren, der den Mädchen herzlich die Hände schüttelte. Emily fand ihn sofort lockerer und sympathischer als die Dame an der Rezeption. „Setz euch erstmal und schnauft kurz durch“, sagte er zu den beiden Mädchen. Emily und Freya setzten sich gegenüber von ihm hin. „Wie ich bereits mitgekommen habe, geht es bei euch um einen Fall von Cybermobbing“, eröffnete er das Gespräch. „Vor knapp einer Woche beschwerte sich die Mutter von zwei Freundinnen, dass ich ihre Töchter über Facebook beleidigt hätte. Wenig später bekam ich zwei weitere Nachrichten von Freundinnen, die ebenfalls wütend waren, weil ich sie auch beleidigt und mit Bildern bloßgestellt haben soll. Ich habe mich in meinen eigenen Account eingeloggt und ein zweites Profil mit einem Profilbild von mir gefunden, welches definitiv nicht von mir stammte. Am nächsten Tag wollte ich meinen Freundinnen sagen, dass ich sie nicht beschimpft habe, doch niemand von ihnen wollte es mir glauben. Von Tag zu Tag wurde zunehmend mehr ignoriert und mit neuen Vorwürfen konfrontiert“, erzählte Emily.

 

„Ich kann Ihnen das Profil zeigen“, sagte Freya und legte ihr Smartphone auf den Tisch. „Am besten loggst du dich hier in einen von unseren Rechnern ein“, meinte der Polizist. Einen Augenblick später starrten sie zu dritt auf den Flachbildschirm. Zum ersten Mal wurde Emily das gesamte Ausmaß bewusst. Was für peinliche Bilder man auch von ihr hochgeladen hatte! Emily hätte sich am liebsten in den nächsten Mülleimer übergeben. Freya scrollte weiter. Eine Beleidigung reihte sich an die nächste. „Es ist sehr gut, dass ihr gekommen seid“, holte der Polizist tief Luft, „Das hier ist eindeutig der Tatbestand Beleidigung, übler Nachrede und Missbrauch fremder Daten, sowie die Erstellung eines falschen Accounts auf einen fremden Namen“ „Werden die Personen, die die gemeinen Kommentare verfasst haben auch belangt?“, wollte Emily wissen. „Da es sich um Beleidigung handelt, werden auch sie strafrechtlich verfasst und ich gehe davon aus, dass sie in der neunten Klasse mindestens alle schon vierzehn Jahre alt sind“, nickte der Beamte.

 

„Auf welche Schule geht ihr eigentlich?“, wollte er wissen. „Wir besuchen momentan das Altstädtische Gymnasium“, antwortete Emily. „Wir werden so schnell wie möglich mit der Schulleitung Kontakt aufnehmen“, nickte er und schrieb mit. „Wann werden wir bescheid bekommen, wer es war?“, hakte Freya nach. „Wir werden einen Spezialisten beauftragen, die IP-Adressen derjenigen herauszufinden, die sich auf diesem Account eingeloggt haben und die Beleidigungen geschrieben haben. Dank neuster Technik bekommen wir jedes kleine Detail heraus“, meinte der Polizist. Nach einer Stunde waren die Mädchen fertig. „Ich verstehe nicht, wie Leute so dumm sein können“, sagte Freya kopfschüttelnd, „Die Leute denken, sie wären anonym hinter ihren Rechnern, dennoch hinterlassen doch einen enormen Fußabdruck im Internet“

 

„Zumindest können sie jetzt überführt werden“, war Emily zufrieden, „Ich möchte mich endlich wieder mit Micky, Lotta und co vertragen“ „Das wünsche ich mir für dich auch“, nickte Freya, „Noch nie habe ich Annemieke so garstig erlebt wie jetzt. Sonst ist sie eigentlich eine ganz liebe und besonnene Seele. Aber bei den ganzen Beleidigungen kann ich mir vorstellen, dass sie so reagiert hat“ „Am meisten bin ich davon geschockt, was für miese Beschimpfungen sich der derjenige einfielen ließ, um meine Freundinnen fertig zu machen“, stieg in Emily die Wut hoch. Sowieso war die letzte Woche für sie nur ein einziger großer Alptraum gewesen.

 

10. Freundinnen für immer

 Am nächsten Morgen kam Herr Fiedler mit einem ernsten, aber auch sehr wütenden Gesicht in die Klasse. „Was ich gestern Abend erfahren musste, schockiert mich zutiefst und macht mich sehr wütend“, begann er und ließ das Klassenbuch auf den Tisch knallen. Die Schüler waren verstummt und saßen starr auf ihren Stühlen. „Die Polizei hat uns mitgeteilt, dass Corinna und ein Freund von ihr einen falschen Facebookaccount im Namen von Emily erstellt haben, über den sie Emilys Freunde beleidigt und bloßgestellt haben“, offenbarte der Klassenlehrer die Tatsache vor den Schülern. Corinna saß bewegungslos an ihrem Tisch und bewegte ihre Miene um keinen Millimeter. Emily hatte erwartet, dass ihre Sitznachbarin wieder in Tränen ausbrach. Stattdessen legte eine gleichgültige Miene auf. In diesem Moment hatte Emily größte Lust Corinna gegen die Wand zu werfen.

 

Knapp sieben Tage lang hatte ihr die falsche Ziege ihr das Leben zur Hölle gemacht und die Freundschaft zwischen den Roten Siebenerinnen zerstört. „Corinna, was kannst du dazu sagen?“, sah Herr Fiedler sie scharf an. „Ich wollte mich an Emily rächen, nachdem sie mich aus dem Freundeskreis ausgeschlossen hatte. Nachdem die Dachparty gewesen war, war niemand mehr gut auf mich zu sprechen. Ich war sehr neidisch auf Emily und ihre Freundinnen, die bei jeder Gelegenheit wie Pech und Schwefel zusammengehalten haben. Ich konnte es nicht länger ertragen außen vor zu sein. Deswegen habe ich mir zusammen mit einem Kumpel diesen hinterhältigen Plan zurechtgelegt“, gab Corinna ehrlich zu und musste schlucken. Die anderen Schüler sahen sie aus einer Mischung von Sprachlosigkeiten und grenzenloser Wut an.

 

„Es tut mir so leid, dass ich dich eine Woche lang so mies behandelt habe. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich schäme. Dabei bist du doch meine beste Freundin“, fiel ihr Annemieke in der Pause um den Hals. Emily hätte wirklich einen Grund um wütend auf Annemieke zu sein, da ihre Freundin sie in den letzten Tagen bei jeder Gelegenheit angeschnauzt hatte. Doch in ihrem Moment war sie mehr als glücklich, dass sie ihre beste Freundin wieder hatte. „Ich finde es hundsgemein, was dir und Fianna wieder fahren ist. Dann auch noch diesen ganzen blöden Beleidigungen auf Facebook“, schniefte Mathilda mit Tränen in den Augen. „Fang bloß nicht an zu heulen, Matti! Tränen hatten wir in letzter Zeit schon genug“, stieß Fianna sie an, worauf sich Mathilda beherrschte und ihre aufsteigenden Tränen wegblinzelte.

 

„Lasst uns Corinna vergessen“, sagte Lotta in die Runde. „Was für ein Glück, dass wir Corinna noch nicht in unsere Bande aufgenommen haben“, entfuhr es Fianna erleichtert. „Am meisten müssen wir uns aber bei Freya bedanken“, sagte Emily, „Ohne sie, wäre vermutlich unsere Freundschaft komplett zerbrochen“ „Wir holen sie eben!“, riefen Fianna und Lotta. Zu zweit sprinteten sie zum anderen Ende des Schulhofes, wo sich Freya mit ihren anderen Freundinnen unterhielt. Strahlend kamen sie einen Moment später wieder zurück. „Es freut mich, dass alles gut gegangen ist“, lächelte Freya. „Du bist eine richtig kluge Spürnase, Freya! Ohne deine Detektivarbeit wäre die Rote Sieben immer noch ein Scherbenhaufen“, klopfte ihr Mathilda lobend auf die Schulter. „Wisst ihr was, ich habe noch etwa 70 Euro von meinem Taschengeld auf dem Konto. Was hält ihr davon, wenn wir zusammen bei Starbucks einen Milchshake trinken?“, schlug Emily vor. „Was ist mit Freya?“, fragte Annemieke. „Sie ist selbstverständlich auch eingeladen“, nickte Emily, „Am liebsten würde ich Pauline, Sina und Jule auch einladen, aber das wird mir wiederum zu teuer“ Kurz darauf zog Corinna mit ihren neuen Freundinnen an ihnen vorbei und durchstach sie mit wütenden Blicken, als wollte sie die Roten Siebenerinnen aufspießen.

 

„Sie hat sich weder bei Matti, Emily noch Fianna entschuldigt!“, raunte Aylin ihren Freundinnen empört zu. „Ich hoffe nur, dass Corinna ihre gerechte Strafe bekommt“, bemerkte Mathilda. „Oh ja, sie muss schon wegen drei Delikten unbedingt von der Schule fliegen!“, ereiferte sich Lotta. „Am Schlimmsten finde ich es immer noch, dass wir uns so dermaßen in Corinna täuschen konnten. Dabei war sie bis zur Dachparty wirklich eine gute, wenn auch leicht durchgedrehte Freundin“, seufzte Annemieke. „Wahrscheinlich wird sie dann wieder von ihrem Vater in eines dieser Nobelinternate gestopft, wo nur schlecht erzogene Kinder angenommen werden“, spottete ihre Zwillingsschwester, worauf ihre Freundinnen schadenfroh lachten. „Am besten noch mit gruseligen Lehrern“, fügte Freya hinzu. „Grausamen Essen und hunderten Spinnen in ihrem Schlafzimmer“, fügte Fianna hinzu. Wieder bekamen die Freundinnen so einen Lachkrampf, dass sie sich gegenseitig stützen mussten.

 

Am Abend trafen sich die Roten Siebenerinnen im Starbucks vor der alten Rathauskirche. Emily hatte ihnen zuvor per Telefon einen Tisch mit acht Plätzen reserviert. „Mensch Vivi, wie siehst du aus?“, stieß Mathilda verwundert aus, als ihre Freundin über den Marktplatz schlenderte. Vivien sah wirklich vollkommen verändert aus. Ihre schulterlangen Haare hatte sie sich auf Kinnhöhe abschneiden lassen und sich zudem einige fuchsrote Strähnen färben lassen. Zudem trug sie einen trendigen Seitenscheitel mit einem halblangen Pony. Am auffälligsten war allerdings immer noch, dass sie keine Brille mehr trug. „Hast du deine Brille zuhause vergessen?“, stieß Fianna sie an. „Ne, ich habe ab jetzt Kontaktlinsen und das noch pünktlich vor meiner Geburtstagsfeier“, sagte Vivien stolz. „Stimmt du, hattest gestern Geburtstag! Alles Gute nachträglich!“, fiel Emily ein. „Na na na, sag bloß du vergisst jetzt die Geburtstage der Bandenmitglieder, Lily!“, zog Annemieke sie auf, wofür Emily sie leicht in die Seite puffte.

 

„Du sieht spitze aus!“, fand Lotta. „Wann kommt Freya eigentlich?“, sah Aylin auf die Kirchturmuhr. „Dahinten kommt sie doch schon“, nickte ihr Annemieke zu. „Was für eine Ehre mit der angesagten Bande durch die Straßen zu ziehen und die Umgebung unsicher zu machen!“, grinste  Freya die Bandenmädchen zur Begrüßung an. „Wehe, du sagst was Falsches!“, rief Mathilda ihr tadelnd zu und lachte herzlich. „Wir sind vollständig!“, stellte Emily fest, „Lasst uns gehen, ich habe einen riesigen Durst!“ „Nicht nur du!“, drehte sich Aylin zu ihr um. Es war doch keine schlechte Idee einen Tisch vorzubestellen, drinnen war es schon ziemlich voll. Ganz hinten in der Ecke war ein freier Tisch, den Emily für sich und ihre Freundinnen bestellt hatte. Fröhlich schwatzend setzen sie sich hin. Freya, die kein Bandenmitglied war, wirkte zwischen den Mädchen, als wäre sie seit Jahren eine Rote Siebenerin. „Eigentlich müsste man so ein kluges Mädchen wie dich bei uns anheuern, Freya“, meinte Fianna. „Das ist wirklich nett von euch, aber ich habe wahrscheinlich zu wenig Zeit für euch“, klang Freya verlegen.

 

„Wieso zu wenig Zeit?“, stieß Mathilda sie an. „Ich habe ziemlich viele Hobbys. Ich spiele Tennis, gehe in den Ruderclub und spiele neben bei als Schlagzeugerin in einer Band“, erzählte ihre Mitschülerin. „Dass du Schlagzeug spielst wusste ich nicht“, war Annemieke überrascht. „Ihr seid mir doch nicht böse, dass ich euch nicht beitreten will oder?“, hakte Freya nach, „Ich habe freitags immer rudern und danach treffe ich mich immer mit meiner Band. Wie mir Emily bereits erzählt hat, ist Freitag immer euer Bandentag“ „Ach was, natürlich sind wir dir nicht böse“, beruhigte sie Emily. „Trotzdem können wir miteinander befreundet sein“, nickte Freya. „Na logo!“, gab ihr Fianna einen Highfive. Im nächsten Moment kamen die Milchshakes, sowie die Mini-Donuts und Schokomuffins, die sie sich bestellt hatten. „Auf unsere Versöhnung!“, hob Emily ihren Milchshake in die Höhe und stieß mit ihren Freundinnen an. Nur schade, dass Kiki gerade nicht dabei sein konnte.

 

Nachdem sich die Mädchen bei Milchshakes und Kuchen im Cafe amüsiert hatten, fiel Emily ein, dass sie noch dringend die Kaninchen versorgen musste. Annemieke erklärte sich ihr dabei zu helfen. Emily konnte es schlecht in Worte fassen, wie glücklich sie war, dass die Eiszeit mit Annemieke vorüber war. „Als ich Mathilda im Krankenhaus zum ersten Mal die ganzen Beleidigungen und Schmähungen gezeigt habe, war so verletzt gewesen, dass sie in Tränen ausgebrochen ist. Gerade deswegen war ich auch so wütend auf dich gewesen“, erzählte Annemieke. „Ich bin einfach froh, dass dieser Alptraum ein Ende hat“, war Emily erleichtert.

 

„Nicht nur du“, pflichtete ihre Freundin ihr bei, „Trotzdem ist es ein wenig schade, dass wir Freya nicht unserer Bande beitreten will. Andererseits wäre es zu neunt in unserem Wohnwagen viel zu eng geworden“ „Da sagt du was!“, nickte Emily, „Allein wenn Tessa kommt, müssen wir uns schon fast stapeln“ Annemieke holte eine kleine Schachtel aus ihrer Handtasche. „Ich habe noch etwas für dich zur Wiedergutmachung“, strahlte sie. „Du brauchst mir doch nichts zur Wiedergutmachung schenken!“, lachte Emily. „Ich möchte trotzdem, dass du einmal den Deckel abhebst“, beharrte Annemieke. Emily zählte innerlich bis drei, bis sie die Schachtel öffnete. Eine wunderschöne Rosenbrosche aus Fimo kam zum Vorschein. „Ist das Brosche?“, freute sich Emily und fiel ihrer Freundin um den Hals. „Die kannst du dir gleich anstecken, sicher passt sie gut zu deinem Hemd“, nickte sie.

 

Extra: Tagebucheintrag von Emily

 Liebes Tagesbuch!

 

Manchmal gibt es Tage, die unvergesslich sind. Gestern war Corinna zum letzten Mal in der Schule. Der Schulleiter hat ihr nahe gelegt die Schule zu wechseln. Jetzt will ihr Vater nach Amerika in eines dieser sauteuren Collages verfrachten. Von Freya habe ich gehört, dass Corinna zuvor vom Internat verwiesen worden ist, weil sie einer Mitschülerin das Leben zur Hölle gemacht  hat und zu oft beim Alkoholtrinken erwischt worden ist. Freyas Vater kennt den von Corinna, da sie früher im gleichen Betrieb gearbeitet haben, bis sich Herr Segerling selbstständig gemacht hat und seine eigene Supermarktkette gegründet hat. Meine Freundinnen und ich sind immer noch sehr empört, wieso die falsche Schlange bei uns in der Klasse gelandet ist. Hätten wir vorher gewusst, wie Corinna wirklich ist, hätten wir niemals unsere Freundschaft angeboten. Noch schlimmer, dass wir sie fast in unsere Bande aufgenommen haben.  Niemand von uns wird Corinna eine Träne nachweinen. Ganz im Gegenteil wird endlich wieder Ruhe einkehren. Momentan verabrede ich mich auch vermehrt mit Freya und ihren Freundinnen. Sie sind alle sehr liebenswerte Mädchen. Trotzdem würde unser Wohnwagen platzen wenn wir sie alle in unsere Bande aufnehmen würden.

 

 

Schade ist, dass sich meine Zeit in der Klasse dem Ende nähert. Auch wenn ich die Klasse nur haarscharf bestehe, werde ich in der Realschule meine mittlere Reife machen und dann auf der Fachoberschule mein Fachabitur. Auf jeden Fall werde ich meine Klasse sehr vermissen, das weiß ich jetzt schon. Besonders meine Bande natürlich, sowie meine neue Freundin Freya und sogar die Piranhas, alias Fischköppe werden mir sehr fehlen. Nur um die Mädchen vom Tussenkomitee wäre es nicht zu schade, in letzter Zeit sind sie uns mit ihren schnippischen Bemerkungen ziemlich auf den Geist gegangen. Trotzdem werde ich mich mit meinen Freunden weiterhin so häufig treffen, wie es nur geht. Schließlich habe ich mit ihnen schon so viel erlebt.

 

Deine Emily

 

Ps: Morgen trete ich mit Jazz zum ersten Mal bei einem Vielseitigkeitswettbewerb an. Ich bin zwar etwas aufgeregt, aber dennoch freue ich mich schon darauf!

 

 Endlich wieder mit Micky versöhnt. Sie hat mir während des Streits so gefehlt. Immerhin ist diese blöde Corinna nicht mehr da und unsere Freundschaft ist dafür umso stärker geworden. 

Rezept: originelle Bandenpizza

 Zutatenliste für ein Blech (ca. 4 Personen)

  • 500g helles Mehl
  • 10g Hefe oder 1 Päckchen Trockenhefe
  • 3-4 EL Olivenöl
  • 1 EL italienische Kräuter
  • 1-3 Priesen Salz
  • 250ml lauwarmes Wasser
  • 1 Dose Pizzatomaten
  • 1 Packung geriebener Käse (z.B. Mozarella)
  • Zutaten zum Belegen (z.B. Salami, Schinken, Ananas, Thunfisch, Mais, Paprika, Zwiebeln,…)

 

So geht’s

Ihr löst die Hefe im warmen Wasser auf. In einer Schüssel vermischt ihr das Mehl mit den Gewürzen und dem Salz. Dann gebt ihr das Wasser zum Mehl dazu und vermengt es vorsichtig, bis ihr das Olivenöl dazugebt. Nun muss der Teig an einem warmen Ort eine Dreiviertelstunde lang an einem warmen Ort gehen. Nun wird der Teig auf dem Backblech ausgerollt und ihr bestreicht ihn mit den Pizzatomaten. Jetzt kann die Pizza mit den Zutaten eurer Wahl belegt werden. Zum Schluss kommt der Käse obendrauf und wenn ihr mögt, könnt ihr noch ein paar Gewürze (z.B. Oregano oder Rosmarin) rüberstreuen. Jetzt kommt die Pizza in den auf 200 Grad vorgeheizten Ofen und wird ca. 30-35 Minuten goldbraun gebacken.

Buon appetito und macht euch einen schönen Mädelsabend (oder Kumpelsabend) mit einem leckeren Highlight!

 

Widmung

Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.

 

Wir sind zudem auch noch zu finden bei

-Instagram: die_rote_sieben

-Facebook: Die Rote Sieben

-YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=zNzLspHmDTU

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.03.2015

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /