Mit einem spannenden Buch saß Lotta auf ihrem Bett und hörte nebenbei leise Musik. Ein langer anstrengender Schultag lag hinter ihr und sie hatten in den letzten beiden Schulstunden eine Physikarbeit geschrieben, bei der Lotta kein gutes Gefühl hatte. Bamm Bamm! Und noch mal Bamm! Es machte mehrmals Rumms. Bestimmt war Leon dabei wieder im Flur Fußball zu spielen, was ihm normalerweise Mama strikt verbot. Angenervt stürmte Lotta zur Tür. „Hör endlich auf damit! Ich will mich wenigstens eine halbe Stunde ausruhen“, rief sie ihren kleinen Bruder zur Räson. „Wieso? Heute ist doch Freitagnachmittag und du kannst dich noch das ganze Wochenende über ausruhen“, widersprach ihr Leon und tat so, als hätte er nichts Schlimmes gemacht. „Haha, sehr witzig!“, zischte Lotta. „Na gut, wenn du unbedingt willst, spiele ich draußen weiter“, meinte ihr zehnjähriger Bruder.
Gerade als sie wieder tief in ihrem Roman vertieft war, riss ein lautes Krachen sie aus ihren Gedanken. Lotta sprang auf und lief zum Fenster. Unten stand Leon und schoss den Ball gegen das Garagentor. „Das kann doch nicht wahr sein!“, seufzte sie kopfschüttelnd. Diesmal hatte sie keine Lust ihrem Bruder eine Standpauke zu halten, obwohl sie sich wünschte, dass sein Ball sich plötzlich in Luft auflöste. Sie versuchte sich stattdessen wieder auf das Lesen zu konzentrieren. Einen Augenblick später schepperte es. Es muss wohl ein Blumentopf gewesen sein, der daran glauben musste. Nicht einmal eine halbe Minute später kam ihre Mutter schimpfend aus dem Haus gelaufen. „Leon, du kommst sofort rein und gehst auf dein Zimmer! Über den entstandenen Schaden werden wir nachher noch reden“, hörte sie ihre Mutter toben. Kurz darauf war es wieder traumhaft ruhig.
Ein Blick auf ihren Wecker verriet, dass es schon zehn Minuten vor Drei war. „Oh verdammt, wir müssen los und Kiki vom Bahnhof abholen“, fiel ihr schlagartig ein. Lotta warf ihr Buch auf das Bett und rannte polternd die Treppe hinunter. „Lotta, musst du so einen Krach machen? Ich will nur für eine Viertelstunde die Augen zu machen“, beschwerte sich ihre Mutter aus dem Wohnzimmer. „Mama, wir müssen Kiki vom Bahnhof abholen und wir sind schon ziemlich spät dran“, erinnerte Lotta sie. „Verdammt, das habe ich glatt vergessen“, sagte ihre Mutter und stand hastig vom Sofa auf. Typisch, dass Erwachsene die wichtigste Dinge vergessen mussten! „Wann kommt sie an?“, fragte ihre Mutter als sie sich ihre Schuhe anzog. „Um Viertel nach Drei, falls der Zug keine Verspätung hat“, murmelte Lotta. Fünf Minuten später saßen sie im Auto und fuhren im flotten Tempo die Hauptstraße entlang.
„Mama, fahr nicht so schnell, an der Kreuzung steht ein Blitzer“, ermahnte Lotta ihre Mutter eindringlich. „Keine Panik, Schatz! Das weiß ich schon längst und dort fahre ich auf keinen Fall sechzig“, erwiderte diese. Wenigstens bewirkten Lottas Worte, dass ihre Mutter vor der nächsten Ampel abbremste und mehr Acht auf die anderen Verkehrsteilnehmer gab. „Überall sind die Straßen verstopft, es gibt kein Durchkommen“, fluchte sie. „Wie immer um diese Uhrzeit!“, bemerkte Lotta trocken und schaute aus dem Fenster. Zwei Mädchen in Regenmänteln, die mit ihren Fahrrädern rechts an ihnen vorbei fuhren, winkten ihr zu. „Wer war das?“, wollte ihre Mutter wissen. „Vivien und Aylin“, murmelte Lotta, „Wahrscheinlich werden sie vor mir am Bahnhof sein, während wir uns durch den Stau kämpfen müssen“ Die Uhr im Auto zeigte schon fünf Minuten nach Drei an. „Mist, wir werden zu spät sein!“, schimpfte Lotta. „Ach was, der Bahnhof befindet sich nur eine Straße weiter. Wenn wir gleich rechts abbiegen, sind wir da“, entgegnete ihr ihre Mutter.
In der Bahnhofsstraße parkten unzählige Autos, sodass Lottas Mutter keine Chance hatte ihr Auto zu parken. „Mama, versuch doch auf dem Parkplatz des Supermarktes zu parken, dort müsste noch etwas frei sein“, schlug sie vor. „Dann müssten wir fünf Minuten zu Fuß gehen und sind erst recht zu spät“, schüttelte ihre Mutter den Kopf. „Kannst du mich an dieser Stelle rauslassen?“, bat Lotta, „Ich laufe schon mal in Richtung Bahnsteig, während du einen Parkplatz suchst“ „Okay, ich komme in fünf Minuten“, sagte ihre Mutter. Lotta knallte die Autotür hinter sich zu und rannte los. Ein junger Mann sah ihr staunend hinter. Mit ihren langen Beinen war Lotta wirklich sehr flink und umkurvte den Bahnhofsimbiss. Die Bahnhofsuhr zeigte gerade genau Viertel nach Drei an. Lotta legte noch einen Zahn zu, um Kikis Ankunft auf keinen Fall zu verpassen.
Auf dem Bahngleis warteten schon die anderen Bandenmädchen. Lotta hoffte, dass Kiki noch nicht angekommen war. Keuchend und mit hochrotem Kopf blieb sie vor ihren Freundinnen stehen. „Na, wo kommst du denn her? Du pfeifst wirklich aus dem letzten Loch“, wurde sie von Mathilda begrüßt. „Wir haben gerade eine Wette abgeschlossen, ob du zu spät kommst“, fuhr Annemieke grinsend fort. „Wer hat gewonnen?“, erkundigte sich Lotta. „Ich natürlich“, zeigte Annemieke auf sich. „Hätte dieser blöde Zug nicht zehn Minuten Verspätung, hätte ich gewonnen“, unterbrach Mathilda ihre Schwester abrupt. „Pöh, du gönnst mir ja nie etwas!“, erwiderte Annemieke mit gespielter Empörung, worauf die Mädchen anfingen zu kichern. „Wir haben dich gerade gesehen“, stupste Aylin Lotta von der Seite an.
„Wenigstens habt ihr mit euren Fahrrädern nicht im Stau gestanden und hattet keine Probleme einen Parkplatz zu finden“, bemerkte Lotta. „Der Zug fährt ein!“, jubelte Fianna und hüpfte aufgeregt umher. Die übrigen Roten Siebenerinnen wurden von ihrer Freude angesteckt. „Tatsächlich, jetzt sehe ich ihn auch“, meinte Emily und stellte sich auf die Zehenspitzen. Mit einem lauten Quietschen bremste der Zug langsam ab. Die Türen der Waggons öffneten sich erst, als der Zug richtig stand. Sofort hielten die Mädchen Ausschau nach ihrer Freundin. Eine sechsköpfige Familie kam ihnen mit einem Kinderwagen entgegen. Ein junges Paar küsste sich vor ihren Augen und eine Seniorin schob mit ihrem Rollator an ihnen vorbei. Kiki konnte keine von ihnen entdecken, bis Mathilda von der Tarantel gestochen los rannte. „Hey, warte doch!“, rief ihr Annemieke japsend hinterher. „Kiki!“, schrieen Vivien und Emily. Nun stürmte die ganze Mädchenbande los. Lotta stieß mit einem älteren Herrn zusammen. „Diese respektlose und unachtsame Grünzeug!“, fluchte er. „’Tschuldigung!“, rief sie ihm hinterher.
„Kiki ist wieder da, wieder da!“, sang Mathilda fröhlich und schlang ihre Arme um ihre beste Freundin. Bald darauf fanden sich die Mädchen in einer festen Bandenumarmung wieder. „Kaum betrete ich Freudenburger Boden, werde ich von allen Seiten erdrückt“, lächelte Kiki. Es war mittlerweile einen Monat her, als sie Kiki das letzte Mal gesehen hatten. Eigentlich wollte Kiki ihre Freundinnen schon vorher besuchen, aber immer wieder kam ihr der Geburtstag eines Verwandten, eine Grippe und zuletzt eine Klassenarbeit dazwischen. Den Bandenmädchen kam es bereits wie eine halbe Ewigkeit vor. „Kiki, wo hast du deinen Gips gelassen?“, fragte Emily, der es als Erste auffiel, dass Kiki keinen Gips mehr an ihrem Arm trug. „Der wurde mir vor fünf Tagen abgenommen“, erwiderte ihre Freundin. „Kannst du heute überhaupt am Reiten teilnehmen?“, wollte Annemieke wissen, die ein wenig skeptisch drein schaute. „Das wird wohl gehen, auch wenn ich nur im Schritt reite“, nickte Kiki. Als die Mädchen fröhlich plaudernd am Fahrkartenautomaten vorbei gingen, wurden sie von Lottas Mutter abgefangen. „Hallo Kiki, schön dich wieder zu sehen!“, gab Lottas Mutter ihr die Hand. „Hallo Frau Jansen, ich freue mich ebenfalls zwei Tage bei euch zu Besuch zu sein“, antwortete Kiki strahlend. „Mama, wo hast du das Auto abgestellt?“, fragte Lotta. „Ich bin deinem Rat gefolgt und habe unseren Wagen vor dem Supermarkt abgestellt“, schmunzelte ihre Mutter und nahm Kiki eine Tasche ab. „Kommt ihr gleich um Vier Uhr zum Reitstall?“, drehte sich Emily zu ihnen um, bevor sie gingen. „Klaro!“, antwortete Lotta.
Zuhause blieb ihnen nicht die Zeit das Gästebett für Kiki zu beziehen. Lotta packte ihren Rucksack und holte die Fahrräder für sich und ihre Freundin aus der Garage. „Ich bin schon sehr gespannt, ob die Vierbeiner mich nach sechs Wochen wieder erkennen“, sagte Kiki als sie auf Lottas altes Kinderfahrrad stieg. „Und ich bin gespannt, ob du dich noch auf dem Rücken eines Pferdes halten kannst“, warf Lotta Kiki einen neckischen Blick zu. „Als ob man das verlernt!“, erwiderte Kiki. Gerade als die beiden Freundinnen aus der Spielstraße kamen und auf den Stadtwall abbiegen wollten, fing es an zu schütten. „Bah, dieses widerliche Wetter!“, klagte Lotta. „Ich bin sicherlich durchnässt und halberfroren, wenn wir ankommen“, bibberte ihre Freundin. „Eigentlich müsste es Ende November viel kälter sein“, meinte Lotta. „Mir wäre Schnee auch viel lieber als diese graue Regenwetter“, pflichtete ihr Kiki bei. Als sie den Reiterhof erreichten, begann es bereits zu dämmern. In den Gassen des Reitstalls, war es angenehm warm und trocken. „Hallo Kiki, ich freue mich, dass du dich mal wieder sehen lässt“, kam ihre Reitlehrerin Rachel gutgelaunt auf Kiki zu und gab ihr die Hand. „Hallo Rachel!“, grüßte Kiki zurück. „Wie geht es deinem Arm?“, erkundigte sich Rachel. „Er ist prima verheilt. Der Gips wurde mir vor einer Woche abgenommen und ich konnte gestern wieder am Sportunterricht teilnehmen“, erzählte Kiki.
„Ist es schlimm für dich, wenn ich dich heute Gustav reiten lassen?“, fragte die Reitlehrerin, „Schließlich ist er das ältestes und ruhigste Pferd im ganzen Stall“ „Damit habe ich gar kein Problem“, meinte Kiki, „Ich will sowieso lieber vorsichtiger sein, bevor ich vom Pferd falle und mir den Arm noch einmal breche“ Lotta holte Sunshine aus seiner Box und kratzte ihm die Hufe aus. Seit einigen Reitstunden hatte sie die Erlaubnis ihr eigenes Pferd zu reiten. Sunshine hatte sie zwei Wochen nachträglich zu ihrem Geburtstag von ihren Großeltern bekommen und war nun bei Emilys Tante untergebracht, weswegen Lotta täglich zum Hof fuhr. Seit fast einem Jahr nahmen Emily und sie am Springunterricht teil, doch trotzdem waren sie jeden Freitagnachmittag wegen ihrer Freundinnen beim normalen Reitunterricht dabei. „Bald kriege ich auch mein eigenes Pferd“, sagte Emily zu Lotta. „Wirklich? Das ist ja cool“, freute sich Lotta. „Dafür habe ich Rachel hoch und heilig versprochen, dass ich mich aufopferungsvoll um das Pferd kümmere. Trotzdem ist meine Mutter dagegen, weil sie Bedenken hat, dass ich wegen dem Pferd die Schule vernachlässigen werde“, meinte Emily. „Soll ich dir beim Aufsatteln helfen?“, bot Lotta Kiki an. „Nein danke, das geht auch so“, lehnte ihre Freundin ab. Die Zwillinge waren zuerst fertig und führten Lanzelot und Nelly in die Reithalle.
Sunshine schien mit einigen Schulpferden noch nicht richtig Freundschaften geschlossen haben, weswegen sie nicht direkt hinter Mathilda reiten konnte. Jedes Mal wenn Lotta zu dicht auf ritt, schnappte Sunshine nach Lanzelot. „Musst du mit Sunshine hinter mir reiten? Schließlich macht er Lanzelot die ganze Zeit nervös“, meckerte Mathilda. „Lotta, reite am besten hinter Gustav“, rief ihr Rachel zu, die das Problem erkannt hatte. Gustav war nicht nur das älteste Pferd, sondern gleichzeitig auch das langsamste. Lotta spürte Sunshines Bewegungsdrang und musste ihn ständig zügeln. „Kann ich ein paar Runden mit ihm galoppieren?“, fragte sie die Reitlehrerin. „Von mir aus gerne, aber bitte halte genügend Abstand zu den anderen Pferden“, gab Rachel ihr okay. Sunshine war dankbar als er sich trabend von der Abteilung absetzen durfte und fiel in einen seichten Galopp.
Vor ihnen lag eine Stange, die der Wallach mit einem ordentlichen Sprung überquerte. Lotta war darauf nicht gefasst gewesen und musste sich vorne am Sattel festklammern, um nicht den Halt zu verlieren. „Bravo!“, klatschten einige ihrer Freundinnen, die immer noch in der Abteilung am Rande der Reitbahn entlang trabten. Nach einigen Runden verlor Sunshine seinen Bewegungsdrang, sodass Lotta wieder direkt hinter Kiki reiten konnten. Gustav zockelte gemütlich vor dem großen Spiegel entlang und dachte nicht im Geringsten daran einen Tacken schneller zu werden. Als die anderen Reiterinnen zwei Runden galoppierten, stellte sich Kiki mit ihm in die Mitte der Reithalle. Sunshine wollte diesmal wieder die Spitze erlangen und wollte sich an Nelly und Sammy vorbei mogeln. „Du altes Rennpferd“, raunte Lotta dem Wallach zu und drosselte ihn. Einen Reiter in einer Abteilung zu überholen, konnte sehr gefährlich werden, da sich das überholte Pferd erschrecken und mit den Hufen nach dem anderen Pferd treten konnte. „Es war traumhaft wieder auf einem Pferd zu sitzen!“, schwärmte Kiki und hielt Gustav eine Mohrrübe hin. „Gibt es in Mainz keine Reitschule?“, fragte Vivien. „Bis jetzt habe ich mich noch nicht danach erkundigt“, antwortete sie.
„Aber du hast bestimmt Mitschülerinnen, die reiten oder?“, mischte sich Fianna ins Gespräch ein. „Genau zwei, nämlich Michelle und Sophia“, erwiderte Kiki. „Vielleicht könntest du sie, fragen ob, sie dich einmal zum Reitunterricht mitnehmen wollen“, meinte Fianna. „Ich weiß nicht“, machte Kiki ein skeptisches Gesicht, „Wenn ich ehrlich bin, habe ich kein gutes Bild von ihnen. Ich finde sie kommen in der Schule arrogant und zickig rüber“ „Mädels, nicht trödeln!“, rief Mathilda zu ihnen herüber, „Ich habe einen tierischen Kohldampf“ „Wer als erster beim Wohnwagen ist!“, rief ihre Zwillingsschwester. „Pah, ich lass mich von euch nicht hetzen“, entgegnete Emily den Zwillingen. „Und was ist, wenn wir die Lebkuchen und die Süßigkeiten ohne euch verputzen?“, erwiderte Mathilda keck. „Mein Gott, sied ihr heute kindisch drauf!“, stöhnte Lotta genervt. Eigentlich mochte sie Zwillinge sehr gerne, aber manchmal übertrieben sie es mit ihren Albereien und Spielchen, sodass sie ab und zu Lottas Nerven strapazierten. „Na gut, dann futtern wir die Leckereien eben alleine“, meinte Annemieke. „Halt, ihr könnt mir helfen Caruso die Hufe auszukratzen“, spannte Aylin die Zwillinge für sich ein.
Fast eine halbe Stunde saßen die acht Freundinnen beim Kerzenschein in ihrem gemütlichen Bandenquartier. Der Regen prasselte auf das Wohnwagendach. Lotta war mehr als glücklich wieder im Warmen und Trocknen zu sein. Fianna und Emily rissen mehrere Packungen Spekulatius, Lebkuchen, gebrannte Mandeln, Dominosteine und Weingummi auf. „Wenn wir das alles futtern, kriegen wir bestimmt irgendwann“, bemerkte Emily mit dem Blick auf den großen Berg von Naschkram. „Mensch, zerbreche dir deswegen doch nicht gleich den Kopf, Lily!“, fiel ihr Annemieke ins Wort. „Ganz genau!“, rief Mathilda fröhlich, „Zuckerschock ahoi!“ Die Mädchen langten ordentlich zu. Lotta bekam von dem süßen Zeug nach kurzer Zeit ziemlichen Durst und verbrannte sich ihre Zunge an dem heißen Roibuschtee.
Tock tock tock! „Was war das?“, flüsterte Vivien ängstlich, die vor Schreck ihre halbe Tasse verschüttet hatte. Wieder klopfte es an der Wohnwagentür. „Hast du nicht abgeschlossen?“, raunte Mathilda Kiki zu. „Soll ich aufmachen?“, meldete sich Fianna zaghaft zu Wort und schlich auf Zehenspitzen in Richtung Tür. „Es ist nur Tom“, wandte sie sich entwarnend an ihre Freundinnen und ließ ihren Zwillingsbruder herein. „Tom!“, rief Kiki außer sich und warf sich in seine Arme. „Habe ich mir doch gedacht, dass meine Kiki hier ist“, grinste er verschmitzt und gab seiner Freundin einen Kuss. „Ich habe dich so vermisst“, sagte sie. „Ich dich aber auch“, meinte Tom. „Eine zarte Liebe findet wieder zusammen“, bemerkte Mathilda leise, weswegen sie von Lotta einen schrägen Blick erntete.
Exakt ein Wochenende später feierte Emily ihren sechzehnten Geburtstag und lud ihre Freundinnen dazu in die Eishalle ein. Sogar Kiki, die diesmal bei den Zwillingen übernachtete, konnte kommen. Da an diesem Samstagnachmittag das Nikolausfest stattfand, war es auf der Eisbahn brechend voll. Die Halle war überall mit Adventskränzen und Tannenbäumen geschmückt. Aus den Lautsprechern dudelte die alljährliche Weihnachtsmusik. Die Roten Siebenerinnen, bis auf Vivien drehten beschwingt ihre Runden. „Ah Hilfe! Ich verliere mein Gleichgewicht!“, quiekte sie, die heute zum ersten Mal auf dem Eis stand und sich an der Bande entlang angelte. „Warte, ich zeige es dir“, bot Lotta ihr an. „Das machen wir schon!“, riefen die Zwillinge gleichzeitig, die leichtfüßig über das Eis glitten.
„Nein, ich habe es ihr zuerst angeboten“, konterte Lotta und nahm Viviens Hand. „Nicht so schnell“, sagte Vivien ängstlich und wankte bedrohlich hin und her. „Du hebst einen Fuß an und setzt ihn vor den anderen, dabei beugst du ganz leicht deinen Oberkörper nach vorne. Dann holst du wieder Schwung und stößt dich wieder ab“, erklärte Lotta ihrer Freundin. Vivien probierte es aus und schaute sie fragend an. „Genau so, aber du brauchst ein bisschen mehr Schwung“, nickte Lotta. „Hey, habt ihr Lust auf ein Verfolgungsrennen?“, kam Kiki von hinten angerauscht. „Nein im Moment nicht“, schüttelte Lotta den Kopf, „Ich bringe Vivien gerade das Fahren bei“ „Dann eben nicht“, erwiderte Kiki und flitzte Fianna und den Zwillingen hinterher. Vivien wurde von Schritt zu Schritt mutiger und schaffte es nach fast zwei Runden erstmals ein paar Schritte alleine zu fahren, bis sie wieder nach Lottas Hand griff.
Nach einer halben kam die Eismaschine und somit mussten alle Schlittschuhfahrer von der Eisfläche runter. Die Roten Siebenerinnen nutzten die Pause, um Emilys mitgebrachten Kuchen zu essen und dabei heißen Apfelzimttee zu trinken. „Ich glaube mich tritt ein Pferd“, flüsterte Annemieke ihrer Zwillingsschwester ins Ohr. „Was hast du?“, erwiderte Mathilda überrascht. „Die Piranhas sind auch da“, wisperte Annemieke. „Oh je, das hat mir gerade noch gefehlt!“, stöhnte Aylin. Lotta wusste, dass Sven vor fast zwei Wochen aus heiterem Himmel mit ihrer Freundin Schluss gemacht hatte. Seit dem ging Aylin ihm aus dem Weg, so gut sie konnte. „Na, Bandengirls!“, zwinkerte ihnen Jannis zu und grinste frech. „Hallo Fischköppe!“, erwiderten Mathilda und Kiki lauthals. „Ach Kiki, du lässt dich auch wieder in Freudenburg blicken!“, entfuhr es Sven überrascht. „Wir hätten gedacht, du wärst ewig von uns gegangen“, setzte Michael oben drauf. „Halt die Klappe, Michi!“, fuhr ihm Annemieke über den Mund. „Werd nicht so frech wie deine Schwester!“, knurrte der kleine pummlige Junge.
„Nö, wir sind sonst ganz lieb!“, setzte Fianna ein zuckersüßes Lächeln auf. „Aha, hinter einem Lächeln verbirgt sich das Böse“, bemerkte Ricardo und sah Fianna fest in die Augen. „Wieso starrst du mich so an?“, fragte Fianna ihren Ex-Freund irritiert. Eine Durchsage, dass die Bahn nun wieder freigegeben sei, unterbrach die Neckereien der beiden Banden. „Yes, wir können wieder auf das Eis!“, jubelte Emily. „Lass uns versuchen, zu acht eine Kette zu bilden“, schlug Kiki mit leuchtenden Augen vor. „Klar, ich bin dabei!“, rief Mathilda begeistert. „Auf geht’s, Mädels!“, raunte Emily ihren Freundinnen zu. Sie griff nach den Händen von Lotta und Annemieke. Zu acht in einer Reihe zu fahren, gestaltete sich als keine leichte Aufgabe. „Ihr seid viel zu schnell, ich falle gleich!“, rief Vivien panisch, als Fianna sie hinter sich her zog. „Ob das gut geht?“, bemerkte Lennart mit einem hämischen Grinsen und schnitt Mathilda von der Seite. „Idiot!“, fauchte sie und versuchte ihr Gleichgewicht wieder zu finden. „Du meinst wohl Fischkopp!“, wurde sie von ihrer Zwillingsschwester verbessert.
„Mehr Tempo bitte!“, rief Kiki beschwingt. „Aaahh nein!“, protestierten Vivien und Aylin gleichzeitig. Kiki und Fianna beschleunigten ihr Tempo und zogen die anderen Mädchen mit sich. Kreischend und lachend schlitterten sie der nächsten Bande entgegen. „Stopp, wir müssen anhalten!“, rief Emily und bohrte ihre Hacke in das Eis. Annemieke verlor zuerst ihr Gleichgewicht, dabei riss sie Emily und Mathilda mit zu Boden. Kurz darauf lag die gesamte Bande kichernd auf dem Eis. „Das war doch keine gute Idee“, gab Kiki zu, während sie sich aufrappelte. „Gewiss nicht“, kam ein Kommentar von Max, der zu den Mädchen hinabschaute. „Halt dein Maul!“, zischte Lotta. Obwohl die Trennung mittlerweile ein halbes Jahr her ist, nahm Lotta ihm es immer noch ein wenig übel, dass er sie auf der Kanufahrt mit Katja betrogen hatte. „Man werd doch nicht gleich so hysterisch, Lotta!“, erwiderte Max. „Kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen?“, knurrte sie, „Schließlich feiert…“ Weiter kam sie nicht, da ihr Mathilda die Hand auf den Mund presste. „Verrat den Fischköppen doch nicht alles!“, flüsterte ihre Freundin ihr ins Ohr.
Um halb zehn hatten die Freundinnen genug, da ihnen die Füße wehtaten und Fianna sich bei einem Wettrennen den Knöchel leicht verstaucht hatte. Draußen wurden sie von einem eisigen Wind aus nördlicher Richtung empfangen. „Ich glaube es friert heute Nacht“, murmelte Annemieke und zog den Schal noch enger. „Auf jeden Fall, sie haben fünf Grad minus vorausgesagt“, meinte Kiki. „Trotzdem viel zu kalt!“, bibberte Aylin und hüpfte auf der Stelle. Aufgrund des Wetters waren die Freundinnen von der Innenstadt aus mit dem Bus hier her gefahren. „Stehen wir an der richtigen Bushaltestelle?“, fragte Annemieke. „Nein, wir sind doch vorhin hier ausgestiegen“, meinte Mathilda, „Oder willst wirklich nach Baudorf fahren, Micky?“ „Nein, darauf verzichte ich gerne“, schüttelte ihr Zwilling den Kopf. Als die Bande die Straßenseite wechselte rutschte Lotta beinahe auf der glatten Straße aus. „Manno Mann, ich hätte nicht gedacht, dass die Straßen so glatt sind“, entfuhr es ihr erschrocken.
Während die Bandenmädchen auf den Bus warteten und sich in der Kälte die Beine in den Bauch standen, drang ein leises Fiepen aus der Dunkelheit zu ihnen durch. Sofort verstummten die Freundinnen. „Was war das?“, flüsterte Fianna ganz aufgeregt. Wieder ertönte dieses fiepende und jaulende Geräusch, wobei Lotta ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. „Es kommt aus dem Gebüsch“, wisperte Annemieke. „Soll ich nachschauen?“, fragte Mathilda. „Ach, was soll da schon großartig sein?“, wägte Emily ab und wandte dem Geschehen desinteressiert den Rücken zu. Das Jaulen wurde zunehmend lauter. „Ich geh schon“, flüsterte Mathilda, die die Mutigste von allen war und verschwand im Gebüsch, sodass nichts mehr von ihr zu sehen war. „Hoffentlich hat die Dunkelheit sie nicht verschluckt“, gab Annemieke mit einem ängstlichen Blick zu Bedenken. „Diesen Fiepen kommt aus einem großen Karton. Verdammt noch mal, das Ding ist sowas von schwer, das ich es nicht alleine tragen kann“, meldete sich Mathildas Stimme aus dem Busch. „Warte, wir helfen dir“, rief Kiki und kletterte mit Lotta durch ein Labyrinth aus dürrem Geäst hinweg.
„Das sind bestimmt Hunde- oder Katzenbabys drin“, vermutete Kiki. „Eher Welpen“, sagte Lotta. Zu dritt zerrten sie den großen Karton zur Bushaltestelle. Neugierig bildeten die Mädchen einen Kreis drum herum, als Lotta vorsichtig den Deckel abhob. „Oh wie süß, das sind ja Hundebabys!“, rief Emily voller Entzücken. Auch ihre Freundinnen gerieten ins Schwärmen und kriegten sich kaum wieder ein. „Ist euch noch gar nicht aufgefallen, wie dreckig ihr Fell ist und außerdem zittern sie vor Kälte“, unterbrach Annemieke die Schwärmerei. „Doch, wo du es sagst schon“, sagte Aylin leise. Lotta zählte nach, es waren fünf kleine Welpen. Ein kleiner Welpe sah die Mädchen mit großen braunen Kulleraugen an und fing wieder an zu winseln, diesmal viel verzweifelter als gerade eben. „Zu wem gehören die Welpen eigentlich?“, fragte Vivien nach einer Weile. In Lotta kam ein schlimmer Verdacht auf. „Bestimmt wurden die Tiere ausgesetzt“, sagte sie leise, „Und das auch noch bei dieser Eiseskälte“ Den Freundinnen blieb vor Entsetzen die Spucke weg. Schweigend tauschten sie untereinander ratlose Blicke aus.
„Welcher Unmensch tut solchen unschuldigen Wesen sowas nur an?“, fing Mathilda an sich aufzuregen. „Genau, solche Menschen sollen in der Hölle schmoren. Wozu haben es hilflose Welpen verdient, so behandelt zu werden?“, ereiferte sich ihre Zwillingsschwester. Lotta konnte im Halbdunkeln erkennen, dass in Annemiekes Augen Tränen glitzerten. „Wahrscheinlich wären die Kleinen verhungert oder erfroren, wenn wir sie nicht gefunden hätten“, sagte Emily mit erstickter Stimme. Vivien und Fianna brachen bei diesem Gedanken in Tränen aus. Auch Lotta musste sich zusammenreißen, um nicht zu weinen. „Wie kann diese Welt so ungerecht sein?“, schniefte Fianna in Emilys Armen. „Kommt Leute, es bringt nichts, wenn wir hier herumzustehen und heulen!“, meinte Kiki, die am meisten ihre Fassung bewahrt hatte. „Wir müssen etwas tun, wir können die armen Welpen nicht in der Kälte verkommen lassen“, rief Mathilda entschlossen.
„Wir werden sie mitnehmen“, beschloss Kiki. „Aber wer von uns nimmt fünf Welpen auf?“, zog Annemieke die Augenbrauen hoch. „Ich würde gerne einen nehmen, aber das erlauben uns unsere Eltern nicht“, sagte Mathilda nachdenklich. „Natürlich nicht, Mama hat doch eine Hundehaarallergie“, fiel ihr ihre Schwester ins Wort. „Kiki, willst du nicht einen Welpen mit nach Mainz nehmen?“, stupste Lotta ihre Freundin an. „Ich glaube ein Hund ist schon genug für uns und meine Mutter wäre sicherlich nicht erbaut, wenn ich einfach so ein Tier mit nach Hause bringe“, lehnte Kiki ab. „Ich würde gerne einen dieser niedlichen Welpen adoptieren“, meldete sich Emily zu Wort, „Aber leider haben wir eine Katze und daher geht das nicht“ „Warum können wir sie nicht im Wohnwagen unterbringen?“, mischte sich Vivien ein.
„Das ist keine gute Idee, nicht dass die kleinen Racker unser Bandenquartier als Toilette benutzen und uns die Bude auf den Kopf stellen“, widersprach Lotta ihr. „Aber eine andere Lösung gibt es aber nicht“, jammerte Vivien. Während die Roten Siebenerinnen eifrig im Bus weiter diskutierten, hatte Aylin einen Geistesblitz. „Wir können die Welpen doch zu Emilys Tante bringen, die hat ein Herz für Tiere und außerdem genügend Platz für die Tiere“, erläuterte sie ihren Freundinnen die Idee. „Bravo Aylin, manchmal überragen deine Einfälle wirklich alles!“, anerkennend klopfte Mathilda ihr auf den Rücken. „Wenn wir wirklich zu Rachels Hof wollen, müssen wir gleich in die Linie 7 umsteigen“, meinte Emily. „Ich kann leider nicht mitkommen, ich muss um zehn Uhr zuhause sein“, sagte Aylin enttäuscht. „Wir müssen ebenfalls um diese Zeit wieder zuhause sein“, meinten die Zwillinge. Fianna und Vivien hatten keine Lust sie zu begleiten. Am Ende blieben nur noch Lotta und Emily übrig.
An der nächsten Bushaltestelle verabschiedeten sie sich von ihren Freundinnen und stiegen aus. „Na toll, der Bus kommt erst in zehn Minuten“, mürrisch starrte Emily auf den Boden. „Bis dahin sind die Welpen schon halberfroren“, meinte Lotta. „Lasst uns sie wärmen“, schlug ihre Freundin vor und nahm zwei Hundebabys aus dem Karton. Lotta setzte die anderen Drei auf ihren Schoß. „Alt sind sie noch nicht“, stellte sie fest. „Wahrscheinlich wurden sie zu früh von der Mutter weggenommen“, brummte Emily. Nach einer Wartezeit von etwa zwanzig Minuten kam der Anschlussbus endlich, nachdem er sich zehn Minuten verspätet hatte. „Dass wir wegen dieser blöden Busse doppelt so lange warten müssen“, schimpfte Emily leise. Lotta nickte nur und rieb ihre klammen Finger aneinander. „Nächste Haltestelle Haselbach“, ertönte es aus den Lautsprechern. „Wir müssen gleich raus“, stupste Emily sie an. Nach fünf Minuten hielt der Bus an und entließ die Mädchen wieder in die klirrende Kälte. „Verdammt, mir rutscht dieser blöde Karton aus den Händen, weil meine Finger so kalt sind“, ärgerte sich Lotta.
„Warum ziehst du dir nicht deine Handschuhe an?“, fragte Emily sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Stimmt, das habe ich total vergessen“, fasste sich Lotta an den Kopf. Nachdem sich sie ihre Handschuhe angezogen hatte, stapften die beiden Freundinnen mit dem Karton weiter. „Sonst war der Weg nicht so lang“, ächzte Lotta. „Das kommt dir nur so vor, weil wir schwer zu tragen haben“, meinte Emily. Nach einem halben Kilometer Fußmarsch stellten sie den Karton vor der Haustür und klingelten. Nach einer Weile öffnete ihnen Annika die Tür. „Was macht ihr hier?“, fragte sie die beiden Mädchen überrascht. „Wir haben fünf ausgesetzte Welpen gefunden“, begann Emily. „Wirklich? Zeigt mal her?“, wurde ihre Cousine neugierig und forderte sie auf mit ins Haus zu kommen.
„Mama, Emily und Lotta haben fünf verwahrloste Hundebabys gefunden“, rief Annika. „Hallo Emily und Lotta“, begrüßte Rachel die Mädchen, bevor sie einen Blick in den Karton warf. „Wen habt ihr da mitgebracht?“, fragte Emilys Tante mit einem strahlenden Lächeln und begann die Hundebabys zu kraulen. „Fünf ausgesetzte Welpen, die wir an der Bushaltestelle gefunden haben“, antwortete Lotta. „Wirklich? Wer tut denn sowas?“, machte Rachel ein betroffenes Gesicht. „Ich wollte fragen, ob wir sie bei dir lassen können“, begann Emily. „Für wenige Tage ist es okay, aber mir sind fünf junge Hunde auf Dauer zu viel“, meinte ihre Tante. „Aber für heute Nacht geht es oder?“, versicherte sich ihre Nichte. „Für heute und morgen schon“, meinte Rachel. „Gott sei dank!“, atmeten die beiden Freundinnen erleichtert auf.
„Helft ihr mir, die Kleinen zu waschen und zu füttern?“, wandte sich Rachel an Annika, Lotta und Emily. Die Mädchen waren sofort dabei und folgten Rachel über den Hof zur Waschküche. Annika ließ warmes Wasser in einen Zuber laufen, während Emily mit einem Stapel alter Handtücher herein kam. Die Wärme bewirkte Wunder, kaum saßen die Welpen in der Wanne, wurden sie gleich putzmunter und versuchten Lotta den Schwamm aus der Hand zu reißen. „Ne ne, das ist meiner oder will ich euch sonst sauber kriegen?“, sagte sie lachend. „Ich glaube, unsere Vierbeiner sind nun sauber genug“, meinte Rachel und setzte die Handybabys nebeneinander auf die Handtücher. Nun hatten sie und die Mädchen viel zu tun, um ihre tierischen Freunde trocken zu rubbeln.
„Ich hätte nie gedacht, dass es so schöne Tiere sind?“, sagte Emily zu Lotta. „Das sind sogar reinrassige Hunde“, meinte Rachel, „Ich verstehe nicht, wie man solch kostbare Geschöpfe in der Kälte erfrieren lassen kann“ Annika raschelte mit einer großen Packung Hundefutter. Sofort begann der Welpe, der auf Lottas Schoß saß, mit dem Schwanz zu wedeln. „Seht mal, wie hungrig sie sind“, wisperte Emily. Kaum hatte Rachel das Futter auf zwei Näpfe verteilt, stürzten sich die Hundebabys darauf. Zufrieden lehnten sich Emily und Lotta gegen die Wand und schauten den Vierbeinern beim Fressen und Trinken zu. „Ihr habt gute Arbeitet geleistet!“, zwinkerte Rachel den Mädchen zu. „Ohne euch beide wären sie vermutlich gestorben“, fügte Annika hinzu.
Am nächsten Tag klingelte es bei Lotta kurz nach dem Frühstück. „Hi Lily, was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht. „Wir bringen die Welpen ins Tierheim“, erwiderte Emily. „Was?“, Lotta riss entsetzt die Augen auf. „Die kleinen Chaoten haben ein riesiges Chaos in der Waschküche angerichtet. Als Annika und Rachel heute Morgen nachsahen, lagen all mögliche Gegenstände auf dem Boden verteilt und irgendwie haben die Hunde es geschafft die Tür auf zu bekommen. Zumindest fand Rachel einen Welpen in der Sattelkammer, der dort ein Häufchen hinterlassen hat“, berichtete ihre Freundin „Ist das der Grund, wieso ihr die Hunde ins Tierheim bringt?“, hakte Lotta nach. „Natürlich nicht“, schüttelte Emily den Kopf, „Es ist einfach zu viel für uns. Rachel hat schon zwei Hunde und außerdem hat sie nicht die Zeit dazu, fünf junge Hunde zu erziehen“ „Hey, wo bleibt ihr?“, rief Rachel ungeduldig aus ihrem Auto.
„Lass uns einsteigen, Tantchen wartet nicht gerne“, raunte Emily Lotta zu. Die Welpen waren diesmal in einer größeren Transportbox untergebracht. Die Mädchen konnten sie zwar nicht sehen, aber immer wieder raschelte es hinter ihnen leise. „Hast du dir schon Gedanken über Namen gemacht?“, stupste Lotta ihre Freundin an. „Wie auch, wenn ich nicht weiß, wer ein Junge oder ein Mädchen ist“, zuckte Emily mit den Schultern. Das Tierheim befand sich etwas außerhalb der Stadt, ungefähr anderthalb Kilometer von Rachels Hof entfernt. Eine junge Frau mit einem langen braunen Pferdeschwanz kam auf sie zu. „Guten Morgen, wen haben Sie uns mitgebracht?“, begrüßte sie die Gäste, „Waren das nicht die angekündigten fünf Welpen?“ „Genau das sind sie“, nickte Rachel und gab der Frau ihre Hand.
„Dann kommen Sie doch bitte einmal mit“, forderte sie die Gäste auf. Rachel und Emily hievten die schwere Transportkiste ins Haus. „Hier rein!“, die Dame hielt ihnen die Tür auf. Lotta blieb der Mund offen stehen, als sie ihren Blick über die unzähligen Tierkäfige wandern ließ. Teilweise waren die Käfige übereinander gestapelt. Am signifikantesten war immer noch der strenge Geruch, der Lotta in der Nase stach. „Ich weiß, es ist wirklich sehr eng hier und das Gebäude ist wirklich nicht mehr im besten Zustand“, sagte die junge Frau und fügte seufzend hinzu, „Für Ihre Vierbeiner haben wir leider auch kein eigenes Gehege frei“ „Heißt das etwa, dass sie mit vielen anderen Hund zusammen gepfercht werden?“, meldete sich Emily zu Wort. „Leider können wir es nicht ändern“, zuckte sie mit den Achseln.
Emily und Lotta hatten Tränen in den Augen, als sie sich von den kleinen Welpen verabschieden mussten, die sie innerhalb kürzester Zeit in ihr Herz geschlossen hatten. „Wir werden sie auf jeden Fall mit unseren Bandenfreundinnen besuchen“, beschloss Emily auf dem Parkplatz. Lotta nickte nur und biss sich mit Mühe ihre aufsteigenden Tränen weg. „Was haltet ihr davon, wenn wir gleich einen Ausritt zur Waldkuppe machen?“, schlug Rachel zur Aufmunterung der beiden Mädchen vor. Die Idee stieß auf große Zustimmung. Sofort als Rachel ihren Wagen auf dem Hof geparkt hatte, sprangen die Freundinnen aus dem Wagen.
Sunshine freute sich riesig als er aus seiner Box herausgeholt wurde und konnte es kaum erwarten vom Hof zu traben. Lottas Gedanken kreisten trotzdem nur um die Tiere im Tierheim und unter welchen grausamen Bedingungen sie dort leben mussten. Am liebsten würde sie die Welpen eigenhändig von dort wegholen und bei sich zuhause unterbringen. Sogar auf Rachels Hof hätten sie ein besseres Leben gehabt, als in einem engen Käfig in einem dunklen stickigen Raum. Emily schien es nicht anders zu gehen, auch redete während des Rittes kaum ein Wort und schaute gedankenverloren auf die große Lichtung, die vor ihnen lag. Bestimmt wären die Welpen viel lieber bei ihnen als in einem engen Käfig eingesperrt.
Am Montagmorgen in der Schule bekam Lotta nicht viel auf die Reihe. Sie war immer noch mit ihren Gedanken bei den Welpen und den anderen Tieren im Tierheim. „Carlotta, erklär uns doch mal, wie man die quadratische Gleichung löst, die ich an die Tafel geschrieben habe?“, riss Frau Zierskes Stimme sie aus den Gedanken. „Wie bitte? Könnten Sie ihre Frage wiederholen?“, stotterte sie sich zurrecht, „Entschuldigung, aber ich habe gerade nicht aufgepasst“ „Das hat man gemerkt“, erwiderte die Mathelehrerin pikiert und nahm Katja dran. Emily, die neben ihr saß, nickte ihr aufmunternd zu. „Ich sehe, wir haben jede Menge Wiederholungsbedarf. Ich kopiere ein Arbeitsblatt, welches ihr zu Freitag bearbeiten sollt“, sagte Frau Zierske mit einem Blick auf Katjas fehlerhafte Rechnung. „Bitte, nicht noch mehr Aufgaben“, stöhnte Jannis.
„Ich sehe, dass es bei euch noch nicht sitzt, deshalb gebe ich euch die Gelegenheit zum Üben. Wenn ihr nicht endlich anfangt zu arbeiten, sehe ich für die nächste Klassenarbeit schwarz“, erwiderte die Lehrerin gereizt. „Frau Zierske, sehen Sie doch ein, dass wir kurz vor Weihnachten viel zu tun haben und noch viele Arbeiten schreiben“, zeigte Jolanda auf. „Meinst du etwa Kekse backen oder Geschenke einkaufen?“, meinte Frau Zierske und ließ einen spöttischen Unterton in ihrer Stimme mitschwingen. Jolanda errötete, in der Klasse wusste jeder, dass sie die Shoppingqueen war. „Wir müssen bis Freitag ein Referat vorbereiten und Montag schreiben wir eine Englischarbeit“, kam Saskia ihrer Freundin zuvor. „Na gut, dann streichen wir die letzten beiden Aufgaben, aber den Rest möchte ich von jedem sehen“, ging Frau Zierske auf den Kompromiss ein. Ein erleichtertes Raunen ging durch die Klasse. Es gongte zur Pause. „Wir sind erlöst?“, flüsterte Emily erleichtert. „Wurde langsam Zeit, die alte Schlange regt mich langsam derbe auf“, zischte Lotta.
In der Pause trafen sich die Roten Siebenerinnen an der Tischtennisplatte. Vivien und Aylin stießen gut gelaunt dazu. „Wir haben gerade die Mathearbeit zurück bekommen“, strahlte Vivien. „Dann lass uns wissen, was es geworden ist“, wurde Mathilda neugierig. „Zwei mal zwei“, grinste Aylin. „Wow, das ist spitze!“, gratulierte Annemieke ihren Freundinnen. „Letzte Jahr hatte ich in der Arbeit eine Fünf und diesmal habe ich mich um drei Noten gesteigert. Vielleicht bekomme ich fünf Euro als Belohnung“, fuhr Aylin fort. „Eine Zwei in Mathe hatte ich zum letzten Mal in der sechsten Klasse“, seufzte Emily. Lotta hörte sich das Gerede ihrer Freundinnen mit einem halben Ohr an. „Hey, was ist mit dir los?“, legte ihr Annemieke die Hand auf die Schulter. Lotta hob langsam ihren Kopf und sah ihre Freundin einen Moment lang schweigend an.
„Denkst du, uns ist entgangen, dass du die ganze Zeit so still bist und vor dich hin grübelst?“, fuhr Annemieke fort. Lotta holte tief Luft und überwand sich ihre Gedanken von der Seele zu reden. „Ihr erinnert euch bestimmt noch an die Welpen, die wir an der Bushaltestelle gefunden haben?“, begann sie, „Gestern haben Emily, Rachel und ich sie ins Tierheim gebracht“ „Davon haben wir nichts gewusst“, platzte es aus Mathilda heraus. „Wir wollten es euch lieber persönlich sagen“, erhob Emily ihre Stimme. „Wir hätten es trotzdem gerne gewusst. Wir gehören ebenfalls wie ihr zur Bande oder nicht?“, widersprach ihr Annemieke enttäuscht. „Wir wollten euch nicht den Sonntag mit dieser Nachricht verderben“, rechtfertigte sich Emily. „Warum sagst du nur Lotta bescheid und nicht uns?“, warf Annemieke ihr vor. Eifersucht schwang in ihrer Stimme mit. „Ich wollte Lotta dabei haben, da sie am Samstag uns geholfen hat die Welpen zu versorgen. Wir hätten nicht die ganze Bande mitnehmen können, dafür wäre unser Auto zu klein gewesen“, versuchte Emily ihr zu erklären.
„Warum habt ihr die Hunde nach nur einer Nacht ins Tierheim gebracht?“, klang Fianna verständnislos. „Sie haben ein wenig Unordnung in der Sattelkammer und im Stall angerichtet. Tante Rachel wurden die kleinen Racker zu viel“, erzählte Emily. „Als ob das ein passender Grund ist“, erwiderte Fianna verächtlich, „Tiere machen nun einmal Arbeit“ „Hey, du siehst so aus, als möchtest du uns etwas sagen“, stupste Mathilda Lotta an. „Genau das möchte ich auch“, meldete sich Lotta zu Wort, „Ich schlage vor, wir besuchen unsere vierbeinigen Freunde“ „Ich bin dabei“, pflichtete Emily bei. „Ich habe leider Tennis, daher geht es nicht“, sagte Fianna enttäuscht. „Und ich habe Bauchtanz“, meinte Aylin. „Eigentlich müsste ich für die Geschichtsklausur lernen, dennoch würde ich gerne mitkommen“, erwiderte Vivien nachdem sie einen Moment gezögert hatte. „Zwillinge, seid ihr auch dabei?“, wandte sich Emily an Annemieke und Mathilda. „Klaro, schließlich wurde die Orchesterprobe auf Mittwoch verschoben und daher hätten wir Zeit“, sprach Mathilda für beide.
Um kurz nach drei trafen sich die Freundinnen am Wohnwagen. Auch Vivien war gekommen, obwohl sie zuerst nicht wusste, ob sie kommen würde. „Auf geht’s, mir schlafen gleich vor Kälte die Füße ein“, klatschte Mathilda in die Hände. „Ich kann es kaum erwarten unsere kleinen Vierbeiner wieder zu sehen“, freute sich Annemieke. „Schade, dass Kiki, Fianna und Aylin nicht dabei sein können“, seufzte Emily. „Ach was, wir besuchen sie schließlich nicht das letzte Mal“, widersprach ihr Lotta. Nun setzte sich der Tross langsam in Bewegung. Emily, die den Weg am besten kannte, fuhr an der Spitze. Raureif überzog Büsche und Gräser und tauchte die Landschaft in ein einheitliches weißgrau. Lotta zog ihren Schal enger, denn der Fahrtwind war eisiger als sie gedacht hatte.
„Ich spür meine Finger nicht mehr“, klagte Vivien neben ihr. „Willst du meine Handschuhe haben?“, bot Emily ihr an, „Pass gut darauf auf, das sind meine Lederreithandschuhe“ „Danke“, murmelte Vivien und streifte sich Emilys Reithandschuhe über. „Ist es noch sehr weit?“, wollte Mathilda wissen. „Gleich sind wir da“, versicherte ihr Emily und bog im Wald in eine kleine Seitenstraße ab. „Meine Güte, das Tierheim liegt aber wirklich ziemlich abgelegen“, bemerkte Annemieke. Lotta erkannte die lange Auffahrt wieder, an dessen Ende sich ein kleines weißes Haus mit einem roten Ziegeldach befand. „Sieht irgendwie aus wie ein Hexenhaus“, fand Annemieke. „Das soll ein Tierheim sein?“, staunte Vivien, „Dafür sieht es aber sehr klein aus“ Die Mädchen stellten ihre Fahrräder vor der Eingangstür ab. Emily drückte auf das Klingelschild. Die junge Frau, die Lotta gestern schon gesehen hatte, machte ihnen die Tür auf. „Guten Tag, wir sind gekommen, um die fünf Welpen zu besuchen, die wir gestern hier her gebracht haben“, sprach Emily für alle. „Hallo, kommt rein. Eure tierischen Freunde freuen sich bestimmt auf ein Wiedersehen mit euch“, freute sich die Dame und führte die Mädchen durch einen engen Korridor.
„Hier ist es wirklich sehr eng und stickig“, raunte Annemieke ihrer Zwillingsschwester zu und nahm ihre Hand. „Das wäre bestimmt eine gute Location für einen Horrorfilm“, flüsterte Mathilda mit einem Blick an die schimmlige Decke. „Wir konnten doch noch ein anderes Zimmer für die Welpen finden“, fuhr die Frau fort, „Nun müssen sie nicht mehr neben den Schlangen und Reptilien hausen“ „Ist auch besser so, ich möchte als kleiner Welpe nicht so gerne von einer Python verschlungen werden“, murmelte Lotta halblaut vor sich hin. „Darüber musst du dir keine Sorgen machen. Die Terrarien sind sicher genug, dass uns keines unsere Tiere ausbrechen kann“, beruhigte sie die Frau und öffnete ihnen die Tür zu einem Raum, der von Hunden und Katzen überfüllt war. Auch hier gab es Zwinger, die von meist zwei oder drei Tieren gleichzeitig bewohnt wurden. „Die armen Tiere, sie können sich kaum bewegen“, bemitleidete Annemieke die Heimbewohner sofort. „In dem anderen Raum, wo unsere Welpen gestern noch untergebracht waren, sah es noch schlimmer aus“, flüsterte ihr Emily ins Ohr.
„Ich weiß, dass wir die Tiere nicht artgerecht halten können“, meldete sich die Frau zu Wort, die das Getuschel der Mädchen gehört hatte, „Wir haben einfach zu wenig Platz für die Tiere und momentan setzen viele rücksichtslose Tierhalter ihre Hunde und Katzen in der Kälte aus“ „Eigentlich müsste ein Anbau her“, murmelte Vivien. „Du hast sicherlich Recht, aber dafür reicht das Geld allemal nicht“, seufzte die Dame, „Wie ihr denken könnt, sind wir finanziell nicht auf Rosen gebettet. Wir sind sogar auf Futterspenden von Privatleuten und Tierhandlungen angewiesen“ Vivien und die Zwillinge begrüßten ihrer kleinen tierischen Freunde und knieten sich vor dem Zwinger nieder. Lotta und Emily verwickelten die Dame in ein Gespräch über artgerechte Tierhalten und erfuhren dabei ihren Namen. „Übrigens mein Name ist Andrea Simanski, aber nennt mich nur beim Vornamen und duzt mich. Wenn ihr mich die ganze Zeit siezt, fühle ich mich ziemlich alt“, verriet sie den Mädchen. „Ich heiße Lotta Jansen und das ist meine Freundin Emily Heuberger“, stellte Lotta sich und Emily vor.
„Ah, schön euch näher kennen zu lernen“, lächelte Andrea. „Bist du fest angestellt?“, wollte Emily wissen. „Nein, ich arbeite ehrenamtlich von Sonntag bis Dienstag hier“, erwiderte die Studentin und fragte die Mädchen, wer ihre Freundinnen seien. „Die beiden Zwillinge heißen Mathilda und Annemieke. Das kleine Mädchen neben ihnen heißt Vivien“, stellte Emily ihre Freundinnen vor. „Interessant!“, murmelte Andrea, „Seid ihr eine Art Clique?“ „Wir sind sogar eine Bande. Gerade sind wir noch nicht einmal komplett, drei von uns fehlen“, sagte Emily betont ehrlich. „Wirklich? Ihr seid eine Bande?“, die Studentin machte großen Augen und Lotta wollte in diesem Moment vor Scham am liebsten im Boden versinken. Warum musste ihre Freundin vor einer fremden Person ausplaudern, dass sie eine Bande waren? Bestimmt hielt Andrea sie jetzt für einen kindischen Haufen. „Aber wir sind keine Kinderbande, die ständig Unfug anstiftet“, fuhr Emily fort, „Vielmehr setzen wir uns für Andere ein und tun Gutes“ „Dann ist es euch zu verdanken, dass die Welpen noch leben“, lächelte Andrea, „Wollt ihr sie eigentlich nicht begrüßen? Eure Freundinnen warten bestimmt schon auf euch“
„Können wir die Welpen aus dem Zwinger holen?“, fragte Mathilda. „Genau, ich sehe die ganze Zeit, dass sie scharf auf Bewegung sind“, pflichtete Annemieke ihrer Zwillingsschwester bei. „Erstmal nicht, die Hunde werden abends und morgens von unseren Mitarbeitern für je eine halbe Stunde spazieren geführt“, schüttelte Andrea den Kopf. „Das ist viel zu wenig, ein Hund braucht mindestens anderthalb bis zwei Stunden Auslauf pro Tag“, wusste Lotta, die selber einen Hund zuhause hatte. „Wir können leider kein ausgiebiges Beschäftigungsprogramm machen, da es zu viele Tiere sind“, rechtfertigte sich die Studentin beinahe schon. „Gibt es kein Außengehege, in dem sie sich austoben können?“, wollte Mathilda wissen, „Ich habe ein Tierheim im Fernsehen gesehen, das hatte so etwas“
„Ein Außengehege war in Planung gewesen, aber die Stadt hat uns vor einem halben Jahr die finanziellen Mittel gestrichen“, der Frust aus Andreas Stimme konnten die Mädchen gut heraushören. „Eigentlich ist es eine Frechheit, dass man an Tieren spart, die häufig ein Schicksal hinter sich haben“, empörte sich Annemieke, „Schließlich möchte ich als Hund auch nicht den ganzen Tag in so einem engen Käfig eingesperrt sein“ „Du hast Recht, aber daran können wir im Moment nichts machen“, seufzte die Studentin und drückten den Mädchen ein paar Hundekekse in die Hand. Ihre kleinen vierbeinigen Freunde überschlugen sich fast vor Freude und leckten den Mädchen die Hände. „Haben sie eigentlich schon Namen?“, fragte Vivien. „Wir haben ihnen noch keine Namen gegeben, aber von mir könnt ihr ihnen Namen geben“, meinte Andrea. „Aber das müssen wir noch mit unseren Freundinnen absprechen, die nicht hier sind und außerdem brauchen wir dafür Zeit“, bremste Annemieke den Elan.
Im Wohnwagen gab es beim Teetrinken viel Gesprächsstoff. Die fünf Freundinnen zerbrachen sich die Köpfe darüber, wie sie den Tieren im Tierheim helfen konnte. Fest stand, dass große Summen Geld benötigte wurde, um die Lebensbedingen der Heimbewohner zu verbessern. Aber woher sollten sie das Geld nehmen? Annemieke rührte in Gedanken versunken in ihrem Tee und hörten ihren Freundinnen nur mit einem halben Ohr zu. „Ich habe es“, sagte sie auf einmal. „Rück raus!“, forderte ihre Zwillingsschwester sie auf und gab ihr einen liebevollen Klaps auf den Unterarm. „Los, ich will es auch wissen!“, rief Lotta neugierig. „Mathilda und ich haben vor Weihnachten zwei Benefizkonzerte in der Stadthalle. Jedes Jahr spenden wir den Erlös an eine Organisation. In den letzten beiden Jahren haben wir an ein Kinderheim in Brasilien und Chile gespendet. Doch dieses Jahr ist es noch nicht ganz klar, an wen wir das Geld spenden. Matti und ich können unseren Konzertleiter davon überzeugen, dass das Geld an das Tierheim gespendet wird“, äußerte Annemieke ihren Gedanken. „Das klingt schon mal sehr verheißungsvoll“, nickte Emily. „Mir fällt ein, dass wir nach unserer Reitvorführung beim Weihnachtsfest Ponyreiten für die Kinder anbieten könnten?“, fiel Mathilda ein. „Ich werde meine Tante überreden, dass sie den ganzen Erlös des Weihnachtfestes an das Tierheim spendet“, setzte Emily obendrauf. „Im Januar haben Emily und ich ein Springturnier, die drei bestplatzierten Reiter bekommen sogar ein Preisgeld, welches zwischen 1000€ und 500€ liegt“, fiel Lotta ein. „Ich bin dabei, ich spende auf jeden Fall mein Preisgeld, wenn ich unter die ersten Drei komme“, rief Emily begeistert.
„Na, dann gibt euch viel Mühe, Lotta und Lily! Aber ich traue euch zu, dass ihr erfolgreich sein werdet“, zwinkerte Vivien ihnen zu. „Hm, vielleicht könnten wir dazu Spenden auf dem Weihnachtsmarkt sammeln“, überlegte Annemieke. „Dafür brauchen wir einen Spenderausweis“, meinte Vivien. „Ist kein Problem, den kriegen wir“, nickte Mathilda zuversichtlich. Nur Emily schien von der Idee nicht ganz angetan zu sein. „Wie viel Stress wollt ihr euch noch machen?“, brummte sie, „Reichen euch die schulischen Belastungen nicht?“ „Ach was, die meisten Klassenarbeiten haben wir bereits im November geschrieben. Außerdem, möchtest du den Tieren helfen oder nicht?“, fuhr Annemieke ihrer besten Freundin an den Karren. „Natürlich will ich den Tieren helfen“, verteidigte sich Emily, „Aber ich will uns nicht zu viel Stress zumuten“
Lotta benachrichtigte Kiki noch am gleichen Abend von ihrem Vorhaben und schrieb ihr eine ellenlange SMS. Am folgenden Vormittag in der Schule wurden auch Fianna und Aylin über die Pläne der Freundinnen informiert. Sie waren hellauf begeistert. „Ich werde sogar meine selbst gemalten Bilder auf dem Adventsbasar verkaufen“, sagte Fianna voller Euphorie. Hinter den Bandenmädchen räusperte Anja, sie hatte schon minutenlang die Bandenmädchen beobachtet. „Darf ich eure Bandenbesprechung für einen Moment unterbrechen?“, säuselte sie. „Was willst du überhaupt von uns?“, drehte sich Mathilda abrupt um und warf ihrer Mitschülerin einen kühlen Blick zu. „Mein Gott, reagier doch nicht gleich so scharf“, meinte Katja, die neben Anja stand. „Wir wollten euch nur mitteilen, dass wir morgen in der siebten Stunde unsere selbst gebastelten Sachen für den Adventsbasar zusammentragen sollen“, fuhr Anja fort. „Vielen Dank für die Info, ich muss bis morgen auf jeden Fall meine Weihnachtskarten fertig kriegen“, wandte sich Annemieke mit einem übertriebenen Lächeln an die beiden Klassenkameradinnen. „Wollen wir Herrn Fiedler fragen, ob wir einen Teil des Erlöses an das Tierheim spenden wollen?“, schlug Fianna mit gedämpfter Stimme vor. „Na klar, versuchen können wir es“, nickte Lotta.
Am Freitag probte die Reitgruppe ihre Weihnachtsvorführung zum dritten Mal. Kiki, die das Wochenende bei Fianna verbrachte, war mit von der Partie. „Noch mal von vorne bitte“, rief Rachel und unterbrach die Musik. „Wie oft müssen wir den Anfang noch wiederholen?“, nörgelte Mathilda leise. „Ganz einfach, bis du weißt, dass du nach links reiten musst und mit Kiki die Seiten wechselst“, erwiderte ihre Zwillingsschwester. „Man könnte meinen, deine Schwester denkt für dich mit!“, neckte Kiki Mathilda, worauf diese ihr frech die Zunge rausstreckte. „Bitte, mehr Konzentration! Kiki, Mathilda und Annemieke stellt das Reden ein und konzentriert euch lieber auf die Kür!“, tadelte die Reitlehrerin die Mädchen. Zum wiederholten Mal dudelte „Rudolph the red nosed raindeer“ aus dem CD-Player. Lotta hatte bereits vom letzten Mal eine Überdosis von diesem Song.
„Wenn ich mir noch hundert Mal dieses Lied anhören muss, springe ich im Dreieck“, dachte sie genervt und trabte mit Sunshine auf ihre Position zurück. Die Reiterinnen hatten sich in zwei Reihen aufgestellt. Mit dem Beginn der Musik tauschten sie die Seiten und trabten auf dem Mittelzirkel. „Schon besser! Weiter so!“, trieb Rachel die Mädchen an. Diesmal klappte bei fast allen Reiterinnen die Drehung um die eigene Achse, nur Kims Pferd brach zur Seite aus. Die Mädchen ritten in allen Richtungen aus dem Innenzirkel heraus und galoppierten in gleichmäßigen Abständen zum Vordermann in einer großen Runde durch die gesamte Halle. „Wenigstens klappt es zum ersten Mal, auch wenn es noch kleine Schönheitsfehler gibt“, nickte Lotta ihren Freundinnen zufrieden zu. Auch ihre Reitlehrerin war mit dem Ergebnis glücklich, denn in den letzten beiden Stunden hatte sie die Mädchen wegen ihrer Unkonzentriertheit und ihrer mangelnden Disziplin häufig getadelt.
„Na, was hat Rachel zu dem Vorschlag gesagt, dass der Erlös an das Tierheim gespendet werden soll?“, fragte Kiki interessiert. „Sie hat dem zugestimmt, allerdings ist sie bereit die Hälfte des Erlöses zu spenden“, erzählte Emily, die erst vor zwei Tagen ein Konto für die Spenden eröffnet und sich einen Spenderausweis geholt hatte. „Wie war eigentlich euer Weihnachtsbasar in der Schule?“, fuhr Kiki fort. Seitdem sie nicht mehr das Altstädtische Gymnasium besuchte, war sie ganz scharf auf die Neuigkeiten aus ihrer alten Schule. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erfolgreich wir unsere Weihnachtskarten und Gelkerzen verkaufen konnten. All unsere Sachen gingen weg wie warme Semmel. Als Mathilda, Lotta und ich den Stand eine Stunde vor Schluss übernommen haben, war nur noch wenig da“, berichtete Annemieke begeistert.
„Habt ihr euren Klassenlehrer überreden können, dass er einen Teil an das Tierheim spendete?“, hakte Kiki weiter nach. „Zuerst hat sich die ganze Klasse dagegen gesträubt“, meinte Mathilda, „Schließlich haben wir zu fünft solange auf unsere Klassenkameraden eingeredet, dass sie bereit waren gerade mal zehn Euro zu spenden“ „Viel lieber wollen sie das Geld für so einen blöden Tischkicker sammeln“, übernahm Annemieke. „Wozu braucht man so einen überflüssigen Tischkicker?“, zuckte Aylin mit den Schultern. „Das war natürlich die Idee der Fischköppe“, verdrehte Fianna die Augen. „Natürlich, wer hat sonst so schwachsinnige Ideen!“, bemerkte Kiki abfällig. „Mädels, könnt ihr euch bisschen beeilen, ich sterbe gleich vor Hunger“, nörgelte Emily ungeduldig, die ihr Pferd schon längst in die Box gebracht hatte. Nun merkte auch Lotta, wie hungrig sie nach zwei Reitstunden hintereinander war.
In Windeseile brachen die Mädchen auf, nachdem sie die Pferde geputzt und versorgt hatten. Inzwischen war es nicht mehr so kalt wie in den letzten Tagen, dafür nieselte es leicht. Die Bandenmädchen waren mehr als glücklich, als sie den Wohnwagen erreicht hatten. Fianna steckte Hanni und Nanni als allererstes eine Karotte zu, die sie vorhin heimlich in der Sattelkammer stibitzt hatte. Kichernd beobachten die Zwillinge und Emily, wie die beiden Kaninchen Tauziehen mit der Möhre spielten. Aylin war bereits in den Wohnwagen gegangen und hatte heißes Wasser für den Tee aufgesetzt. Lotta suchte im Vorratsschrank nach etwas Essbarem. Wenigstens fand sie eine Packung Lebkuchen und eine Schachtel angebrochener Spekulatius vor. „All zu viel ist das nicht“, brummte sie. „Tja, das kommt davon, wenn Micky nicht bäckt“, meinte Aylin. „Brrr, ich hasse dieses nasskalte Wetter“, schüttelte sich Vivien und hängte ihren halbdurchnässten Mantel an den Haken, während Kiki ihre klammen Finger am Heizkörper neben dem Fenster wärmte. „Was? Ist nur noch so wenig zu Essen da?“, warf Mathilda einen entsetzten Blick auf den spärlich gedeckten Tisch. „Keine Bange, du kleine Raupe Nimmersatt! Ich habe vorgesorgt“, gab Kiki ihr einen freundschaftlichen Rippenstoß und zog eine Dose mit selbst gebackenen Plätzchen aus ihrer Umhängetasche. „Kiki, du bist unsere Rettung!“, rief Emily.
Nach zweiten Stunden auf dem Pferd fühlte Lotta ihre Muskeln mehr als eh und je. Rachel ließ am Samstagvormittag die Kür bis zum Erbrechen proben. Selbst die reitbegeisterte Emily hatte nun die Schnauze voll von den Proben. Lotta verbrachte eine Stunde nach dem Mittagessen auf ihrem Zimmer, bevor sie in die Küche ging und zwei Kannen Kakao kochte. Um drei Uhr war sie mit Emily, Kiki und Fianna vor dem Marktbrunnen auf dem Weihnachtsmarkt verabredet. Kurz bevor sie ihre Jacke anzog, verstaute sie neben den Plastikbechern und den Thermoskannen eine Packung Schokoriegel in ihrem Rucksack. Lotta hastete nach draußen und schwang sich auf ihr Rad, denn sie war schon spät dran. Die drei Freundinnen warteten schon bereits auf sie, als Lotta um viertel nach drei eintraf. „Warum muss es auf einmal wieder so kalt sein?“, bibberte Fianna und wärmte sich an Kiki und Emily auf. „Habt ihr unsere Freundinnen gesehen?“, fragte Lotta als erstes.
„Noch nicht, aber sie haben uns gestern geschrieben, dass sie neben dem Kinderkarussell stehen“, erwiderte Kiki. „Kommt mit, wir suchen sie“, sagte Emily beschwingt und hakte sich bei Kiki und Lotta ein. Obwohl es noch ziemlich früh am Nachmittag war, drängten sich schon Heerscharen von Menschen an ihnen vorbei. „Ich glaube, ich kriege Hunger“, wisperte Kiki, als sie den Geruch von gebrannten Mandeln wahrnahm. „Nicht nur du“, meinte Emily, „Ich kann dem Geruch von Zimtwaffeln und Bratäpfeln nicht widerstehen“ Die Freundinnen waren keine zehn Meter weit gekommen, als sie an der ersten Bude halt machten. Fianna und Emily holten sich einen Bratapfel mit Vanillesoße, während sich Kiki für eine Portion gebrannter Mandeln kaufte. Nur Lotta hatte noch keinen großen Hunger. „Wie sollen wir Micky, Matti und co in diesem großen Durcheinander finden?“, stöhnte Fianna und hakte sich bei Lotta unter. „Dort ist das Kinderkarussell!“, zeigte Emily auf ein langsam drehendes altmodisches Karussell. „Bis war dort sind, ist bestimmt eine halbe Stunde vergangen“, meinte Kiki. „Kommt, ich habe eine Abkürzung gefunden“, rief Fianna und zog Lotta mit sich. „Hey, nicht so schnell, sonst verlieren sie uns noch aus den Augen“, stolperte Lotta ihr hinterher. „Du hast einen guten Schleichweg gefunden, Carrot!“, klopfte Kiki Fianna anerkennend auf die Schulter. Zu viert bahnten sie sich ihren Weg zwischen den Buden hindurch.
Neben dem Kinderkarussell versammelte sich eine Traube von Menschen. „Ob die ganzen Leute Karussell fahren wollen?“, stieß Fianna Kiki an. Die Mädchen kämpften sich durch die Menschenmassen und blieben vor ihren musizierenden Freundinnen stehen. Aylin sang gerade „Stille Nacht“. Annemieke begleitete sie auf ihrer Klarinette, Mathilda auf ihrem Saxophon und Vivien spielte Geige. „Sie sind wirklich gut!“, raunte Kiki ihren Freundinnen zu. „Stimmt, es klingt so, als spielen sie schon seit Jahren als Band zusammen“, pflichtete Lotta ihnen bei. Als das Stück vorbei war, brandete Beifall auf. Mathilda stimmte „Rudolph the rednosed raindeer“ an. „Nicht schon wieder!“, stöhnte Lotta halblaut, „Ich werde diesen verdammten Ohrwurm nicht mehr los“ „Ich auch“, nickte Kiki, „Heute hat uns Rachel bestimmt schon zehn Mal damit gequält“ „Langsam halte ich die Proben nicht mehr aus“, murmelte Lotta. „Wieso? Du hast doch mit Matti zusammen das Lied ausgesucht“, stieß Fianna ihr in die Seite. „Leider!“, seufzte Lotta, „Aber damals fand ich das Lied noch gut“
Aylin, Vivien und die Zwillinge beschlossen eine Pause zu machen. Zu ihrem großen Glück löste sich das Gedränge vor ihnen auf, sodass sie zu ihren Freundinnen vordringen konnten. Lotta teilte die Pappbecher aus und goss jedem warmen Kakao ein. „Danke Lotta, du bist unsere Rettung!“, klopfte Mathilda ihr auf die Schulter, „Ich hatte schon einen ganz trockenen Hals“ „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele Leute Geld in unsere Spendendose geworfen haben“, erzählte Vivien aufgeregt. „Die erste Dose ist schon voll“, ergänzte Aylin. „Schaut her, ich habe etwas entdeckt“, liebäugelte Annemieke mit den Schokoriegeln, die aus Lottas Rucksack hervor lugten. Gerade als sie einen Riegel stibitzen wollte, zog Lotta ihr den Rucksack vor der Nase weg. „Finger weg, das sind meine!“, tadelte sie ihre Freundin scherzhaft und puffte sie in die Seite. „Du bist fies, Lotta! Nie gönnst du mir etwas“, zog Annemieke einen Schmollmund. „Aber du!“, konterte Lotta, „Du hast doch mehr Ähnlichkeiten mit deiner Zwillingsschwester als wir gedacht haben“ Dafür gab Annemieke ihr einen leichten Stoß und die beiden Mädchen fingen sich an zu kabbeln.
„Auseinander ihr beiden Streithennen!“, gingen Mathilda und Kiki dazwischen, die zuvor die Szene amüsiert beobachtet hatten. Lotta hatte ein Erbarmen und teilte ihre Riegel unter den Roten Siebenerinnen auf. „Habt ihr noch Lust eine Runde Karussell zu fahren?“, schlug Fianna vor. „Ist das dein Ernst?“, entgegnete ihr Emily, „Sind wir noch in der Grundschule?“ „Ach was, ich kann dich beruhigen. Ich habe vorhin ein paar Junggesellen gesehen, die ebenfalls eine Runde gefahren sind“, meinte Annemieke. „Verdammt, ich habe kein Geld mit“, jammerte Aylin. „Komm, ich gebe dir die Fahrt aus“, klopfte ihr Fianna auf den Arm. Emily erklärte sich bereit für ihre Freundinnen die Chips zu kaufen, während die anderen Bandenmädchen neben dem Kerzenstand warteten. Es wurde bereits dunkel, obwohl Lotta erst seit eine Stunde hier war und im Hellen losgefahren war. Mit zunehmender Dunkelheit wurde es bitterkalt. Bereits in den Nachrichten wurde in den letzten Tagen Minustemperaturen angekündigt.
„Ich liebe diesen goldenen Kerzenschein, den Geruch von Zimt und die grünen Zeige von Tannenzweigen. Von mir aus könnte das ganze Jahr über Advent sein“, schwärmte Annemieke leise vor sich hin und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Es doch nicht dein Ernst, Schwesterherz! Irgendwann kommt dir der ganze Kram aus den Ohren wieder raus“, spottete Mathilda, die sich öfter über die Schwärmereien ihrer Schwester beömmelte. „Trotzdem hat Micky Recht“, nahm Vivien Annemieke in Schutz, „Die Adventszeit ist einer der Höhepunkte im Jahr“ „Ich würde auch gerne Weihnachten feiern, aber das erlauben mir meine Familie und meine Religion nicht. Als ich klein war, wollte ich unbedingt einen Tannenbaum haben, aber der Wunsch ging nie in Erfüllung“, klang Aylin geknickt. „Sind deine Eltern wirklich streng gläubig?“, wollte Kiki wissen. „Meine Eltern und meine große Schwester sind ziemlich gläubig, sie gehen mehrmals pro Woche in die Mosche. Meine Brüder und ich sind nicht besonders gläubig, wir lassen uns weder in der Mosche noch beim Koranunterricht blicken“, erzählte Aylin.
„Da bin ich wieder!“, kam Emily mit acht Fahrtchips wieder. „Dann lass uns gleich die Pferde stürmen!“, rief Kiki. „Nein, die Pferde nehmen wir in Beschlag“, riefen die Zwillinge gleichzeitig. „Hey, es gibt doch vier Pferde, ihr Blondinen!“, verdrehte Emily die Augen. Lotta zwängte sich mit Aylin und Vivien in ein kleines Fischerboot. Fianna überredete Emily sich mit ihr ein rotes Feuerwehrauto zu steigen. Kiki und die Zwillinge setzten sich auf die schwarz lackierten Holzpferde. Das Karussell setzte sich langsam und behäbig in Bewegung. Lotta fühlte sich wieder in ihre Kindheit zurück versetzt. Bestimmt hatte sie fünf Jahre nicht mehr auf so einem Karussell gesessen. Früher hatte sie ihre Eltern angefleht, dass sie ihr eine Karussellfahrt ausgaben und opferte sogar die letzten Cents ihres Taschengeldes dafür. Doch seit der fünften Klasse fühlte sie sich zu groß dafür.
„Lass uns ein Foto machen“, schlug Aylin vor und holte ihr neues Handy aus der Jackentasche. „Aber wehe, du lädst es bei Facebook hoch“, fiel ihr Vivien ins Wort. „Ach quatsch, das tue ich nicht“, beruhigte Aylin ihre Freundin. Die drei Freundinnen rückten enger zusammen, sodass sie auf das Bild passten und lächelten schief. „Hey, dass müsst ihr euch angucken, das sieht total lustig aus“, grinste Aylin. „Magst du es für uns alle in den Gruppenchat stellen?“, bat Lotta. „Kann ich machen“, murmelte ihre Freundin und war mit ihrem Handy beschäftigt. Nach der Karussellfahrt machten sich die Zwillinge und Vivien an die Arbeit. Nur Aylin musste nach Hause, da sie heute Besuch von ihrem Onkel bekam. Gerade als „Schneeflöckchen, Weißröcken“ gespielt wurde, schwebte tatsächlich die erste Flocke vom Himmel herab. „Es schneit!“, freute sich Kiki und griff nach Lottas Händen. Wie zwei übermütige Kinder hüpften sie umher, Emily und Fianna taten es ihnen gleich. Der anfangs spärliche Schneefall wurde immer dichter. „Ui, wenn es so weiter schneit, können wir in ein oder zwei Tagen Schlitten fahren“, freute sich Fianna. „Das ist doch nicht dein Ernst oder?“, verdrehte Lotta die Augen. „Warum nicht?“, nahm Kiki Fianna in Schutz, „Bloß weil wir alle schon über vierzehn sind, musst das nicht heißen, dass wir dafür zu groß sind“
Auf einmal hörten Vivien und die Zwillinge auf zu spielen. „Was ist denn nun?“, entfuhr es Lotta irritiert. „Langsam sollten wir uns doch auf dem Weg machen“, meinte Mathilda und verstaute ihre Querflöte. „Außerdem haben wir ganz vergessen, dass unsere Eltern mit uns heute Abend noch Essen gehen wollen“, sprach ihre Schwester weiter. „Habt ihr es eilig?“, fragte Vivien. „Unsere Eltern warten dahinten schon“, nickte Annemieke und zog ihre Zwillingsschwester mit sich. „Auf wieder sehen!“, riefen ihnen die Freundinnen hinterher. „Was machen wir hier eigentlich noch?“, gedankenverloren malte Kiki mit ihrem Stiefel ein Herzchen in die millimeterdünne Schneedecke. „Denkst du gerade an Tom?“, stupste Fianna sie an. „Irgendwie schon“, murmelte Kiki. „Ihr seht euch doch heute Abend früh genug“, nahm Fianna ihre Hand, „Du kommst doch mit zu uns und dann siehst du ihn sowieso“
Gerade als Lotta ihr Fahrrad unter dem Carport abstellen wollte, kam eine Gestalt im Halbdunkeln um die Ecke. Bei genauerem Betrachten war es Freddy, ihr Freund aus Mannheim, den sie höchsten nur zweimal im Monat sah. „Wo kommst du denn her?“, fiel Lotta aus allen Wolken und ließ sich in seine Arme fallen. „Ich habe mir fast gedacht, dass ich dir fast einen Herzinfarkt bereite“, grinste Freddy und fuhr mit gesenkter Stimme fort, „Papa und ich waren bei meinen Großeltern gewesen. Da das nur zwanzig Kilometer von Freudenburg entfernt ist, habe ich Paps drum gebeten, dass er mich kurz vor deiner Tür raus wirft, damit ich meine heiß geliebte Freundin sehen kann. In zwei Stunden holt er mich wieder ab“ Freddy rückte seine Mütze zurrecht und gab ihr einen Kuss. „Lass uns rein gehen, ich friere mir den Hintern ab“, zog ihn Lotta am Ärmel. „Meinst du, dass deine Mutter nichts dagegen hat?“, hakte er nach. „Bestimmt nicht“, schüttelte Lotta den Kopf und schloss die Haustür auf.
„Wo warst du solange?“, wurde sie von ihrer Mutter empfangen. „Wir waren doch auf dem Weihnachtsmarkt, um Spenden für das Tierheim zu sammeln. Habe ich dir das nicht erzählt?“, erwiderte Lotta. „Ward ihr wenigstens erfolgreich? Wie ich dich und deine Bandenfreundinnen kenne, verbringt ihr hauptsächlich eure zeit mit Plaudern und Albernheiten“, wollte ihre Mutter wissen. „Ja, das waren wir“, zischte Lotta beinahe schon und fügte hinzu, „Außerdem kannst du nicht mitreden, was ich mit meiner Bande mache, weil du eh nie dabei bist“ Das skeptische Gesicht ihrer Mutter regte sie gerade ziemlich auf.
„Hallo Frau Jansen“, grüßte Freddy freundlich. „Ach, Hallo Fredderik, wie bist du hier hergekommen?“, machte ihre Mutter ein erstauntes Gesicht. „Papa hat mich gebracht, nachdem wir meine Großeltern im Nachbarort besucht haben“, erwiderte er. „Willst du hier kurzfristig übernachten? Dabei habe ich noch nicht mal das Gästebett her gerichtet“, klang Lottas Mutter schon fast schockiert. „Ne, ich werde in zwei Stunden sowieso wieder abgeholt“, meinte Freddy und zog seine Schuhe aus. „Hast du auch Hunger?“, fragte Lotta. „Kannst mir gerne ein Brot machen“, nickte er. „Okay, lass uns Sandwichs machen“, schlug sie vor und ging mit ihm in die Küche. Lotta röstete mehrere Scheiben Weißbrot im Toaster. „Womit sollen wir unsere Sandwichs belegen?“, ließ Freddy seinen Blick schweifen. „Wir hätten saure Gurken, Salami, Mayo, Kräuterbutter, Kochschinken, Salat, Tomaten und Käse“, zählte sie auf, als sie den Kühlschrank öffnete. „Ich nehme einfach alles“, sagte er. „Was für ein Monstersandwich willst du dir machen, Freddy?“, kicherte Lotta los.
Während sie aßen, legte Freddy auf einmal sein Sandwich zur Seite. „Ich finde es gut, dass ihr für das Tierheim Geld sammelt. Schließlich sind Tierheime nicht dafür bekannt, dass sie viel Geld haben. Die armen Tiere dort haben es verdient, dass die Lebensbedingungen verbessert werden“ Lotta lächelte, wenigstens einer, der ihre Spendenaktion gut fand. „Wann wollt ihr denn das Geld dem Tierheim überreichen?“, erkundigte sich Freddy weiter. „Das wissen wir noch nicht genau“, zuckte sie mit der Schulter, „Aber Emily hat mir vor kurzem gesagt, dass Anfang des nächsten Jahres das Tierheim sein vierzigjähriges Bestehen feiert“ „Dann ist das doch der perfekte Termin zur Spendenübergabe“, fand ihr Freund.
Am nächsten Tag trafen sich Emily und Lotta im Stall. „Falls du fragst, Annika und ich haben schon einen Trainingsparcour aufgebaut“, sagte Emily als sie ihrem neuen Pferd Jazz die Hufe auskratzte. „Okay, dann müssen wir uns wenigstens nicht mehr die Arbeit machen“, nickte Lotta zufrieden und hievte den Sattel auf Sunshines Rücken. „Stell dir vor, das Turnier ist schon in einem Monat“, bemerkte Emily, „Wenn ich daran denke, wird mir vor Aufregung schon ganz anders“ „Denkst du, mir geht es anders?“, drehte sich Lotta zu ihrer Freundin um. „Ich bin zwar schon mal Spaßturniere geritten, aber das war nur Kinderkram. Dies wird mein erstes ernstzunehmendes Turnier sein“, meinte Emily. „Meins auch“, fügte sie hinzu. „Wäre echt cool, wenn eine von uns unter die ersten Drei kommt“, fuhr Emily fort, „Dann bekämen wir ein Preisgeld und dies wiederum könnten wir auch spenden“
„Natürlich würde ich das spenden“, sagte Lotta, „Schließlich habe ich auch so schon viel Geld. Um ehrlich zu sein, könnte ich mindestens die Hälfte meines Taschengeldes spenden“ „Wieso denn das?“, machte Emily ein verwundertes Gesicht. „Immerhin bekomme ich insgesamt über hundert Euro pro Monat, davon die Hälfe von Oma und Opa“, erwiderte sie. „Wow, so eine reiche Familie wie du möchte ich auch haben“, entfuhr es Emily, in dessen Stimme fast schon ein wenig Neid mitschwang. „Ich muss zugeben, dass ich manchmal nicht weiß, was ich mit soviel Geld anfangen soll“, gestand Lotta, während sie Sunshine in die Halle führte. Ohne die vielen Reitschülern war es gespenstisch still, doch dafür hatte sie genügend Platz zum trainieren. Emily folgte ihr und schwang sich auf Jazz Rücken. Beide Mädchen ritten ihre Pferde eine Viertelstunde warm, bevor sie sich an den Parcour wagten. „Bitte reite du ihn zuerst“, bat Lotta. „Wieso ich?“, zuckte Emily mit den Achseln, „Du kannst es genauso gut“ „Du müsstest doch wissen, dass Sunshine vor manchen Hindernissen scheut, die besonders hoch sind“, erwiderte sie. „Er wird seine Scheu nur ablegen, wenn du ihn an diese Hindernisse ranführst“, meinte ihre Freundin. Ohne zu zögern ließ Lotta Sunshine angaloppieren. Zu ihrer positiven Überraschung ließ ihr Wallach keine Hürde aus, allerdings versuchte er dem letzten Hindernis auszuweichen, sodass Lotta erneut darauf zureiten musste. „Geht doch!“, rief Emily anerkennend.
Am Abend trafen sie sich mit Aylin, Fianna und Vivien vor dem Stadttheater. Heute gaben die Zwillinge ihr erstes Adventskonzert mit dem Kinder- und Jugendorchester. Kiki konnte leider nicht dabei sein, da sie bereits im Zug saß. „Müssen wir unbedingt in der Kälte stehen bleiben?“, bibberte Aylin. „Ich bin auch dafür, dass wir ins Foyer gehen“, pflichtete ihr Emily bei. Zu fünft untergehakt begaben sie sich ins Foyer. Zu ihrem großen Erstaunen entdeckten sie Michael von den Piranhas. „Was machst du denn hier?“, rief Emily verwundert. „Ich wollte mal wieder was mit Oma zusammen machen“, meinte er. Hinter seinem Rücken tauchte Josephine auf. „Hallo Josephine!“, überschwänglich schüttelten ihr die Mädchen die Hand. „Wir haben dich lange nicht mehr gesehen“, meinte Emily. „Ich hatte vor drei Wochen eine Hüftoperation und gehe momentan zur Reha“, erwiderte ihre alte Freundin. „Hey, das Konzert beginnt gleich“, raunte Aylin.
Die Nachwuchsmusiker waren bereits auf der Bühne, als Lotta und ihre Freundinnen den Zuschauerraum betraten. Schweigend setzten sie sich nebeneinander hin. Emily winkte Annemieke und Mathilda zu, die viel zu sehr mit ihren Instrumenten beschäftigt waren, um sie zu bemerken. Das Konzert wurde mit einem bekannten Stück eröffnet, dessen Name Lotta entfallen war. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr wurde der Saal in eine weihnachtliche Atmosphäre gehüllt. Am Ende wurden die Zwillinge vom Orchesterleiter nach vorne gebeten.
„Wie jedes Jahr spenden wir den Erlös durch die Eintrittsgelder an eine allgemeinnützliche Einrichtung in der Umgebung oder in der dritten Welt“, sprach Mathilda in das Mikrofon und reichte es weiter an ihre Schwester. „Nach langem Überlegen haben wir beschlossen, das Geld dieses Jahr im Namen der Freudenburger Musikschule an das Tierheim Freudenburg zu spenden“, vollendete Annemieke ihren Satz. Daraufhin verbeugten sich die Zwillinge. Lauter Applaus brandete auf und einige Zuschauer forderten eine Zugabe. Geduldig nahmen die Musiker wieder platz und stimmten Jingle Bells an. Als sich die Orchestermitglieder erneut verbeugten, hörte das Publikum nicht auf zu klatschen.
Die Vorbereitungen für das Adventsfest auf Rachels Hof lief schon Tage vorher auf Hochtouren. Lotta und Emily, die wegen ihrer Pferde mittlerweile täglich im Stall waren, halfen fleißig mit Bänke zu schleppen und Stände aufzubauen. Zudem mussten noch der Stall und die Reithalle weihnachtlich geschmückt werden. „Was haltet ihr davon, wenn wir Laternen mit Teelichtern aufstellen?“, schlug Sarah vor, „Erst letztens haben wir in der Schule wunderschöne Windlichter gebastelt“ „Offenes Feuer im Stall? Bist du noch ganz bei Trost?“, tippte sich Emily gegen die Stirn. „Das ist viel zu gefährlich“, pflichtete Lotta Emily bei, „Außerdem haben eure Scheune und euer Stall schon einmal vor über einem Jahr gebrannt. Erinnerst du dich daran, Sarah!“ Das jüngere Mädchen sah bedröppelt drein.
„Moment mal, wir haben noch LED-Teelichter“, fiel Annika ein, „Die können wir ohne Bedenken nehmen“ „Dafür bin auch“, nickte Emily begeistert. „Ich finde den Stall mit Lichtern viel gemütlicher und außerdem müssen wir den Besuchern etwas bieten“, meinte Sarah. „Übrigens Mama ist damit einverstanden, die Hälfte des Erlöses an das Tierheim zu spenden“, warf Annika ein. „Das ist ja noch cooler“, fiel ihr Emily euphorisch um den Hals. „Ich sehe, wie fleißig ihr wart“, kam Rachel gutgelaunt in den Stall, „Für heute ist es genug, ihr könnt ruhig die Arbeit niederlegen. Morgen ist auch noch ein Tag“ „Was haltet ihr davon, wenn ihr mit uns eine Tasse warme Schokolade trinkt?“, wandte sich Annika an Lotta und Emily. Dankend nahmen die beiden Freundinnen das Angebot an und folgten ihr in das Haus. Annika stellte vier Tassen auf den Küchentisch und füllte sie mit heißer Schokolade. „Der verdiente Lohn für getane Arbeit“, wisperte Lotta Emily ins Ohr.
„Was hältst du davon, wenn wir gleich zum Tierheim fahren?“, schlug Emily vor. „Hm ich weiß nicht, ich muss noch einige Hausaufgaben machen“, Lotta sah ihre Freundin verlegen an. „Hausaufgaben und anderen Schulkram kannst du noch heute Abend machen. Im Tierheim haben wir uns schon zwei Wochen nicht mehr blicken lassen“, fuhr ihr Emily in die Parade. „Na gut, ich komme mit“, gab sich Lotta geschlagen, „Aber nur, wenn es nicht zu lange dauert“ „Wir können unsere anderen Freundinnen auch fragen, ob sie mitkommen wollen“, meinte ihre Freundin. „Wirklich? So kurzfristig?“, zog Lotta fragend die Stirn kraus. „Warum nicht?“, zuckte Lotta mit der Schulter und war damit beschäftigt sich mit ihrem Smartphone in den Gruppenchat einzuloggen. „Ich kann gerade nicht“, schrieb ihr Vivien als erstes zurück. Dann trudelten immer mehr Antworten ihrer Freundinnen ein. „Wer kommt denn nun?“, stupste Emily sie seicht an. „Bis jetzt nur Fianna und Aylin, die anderen können leider nicht“, murmelte Lotta. „Wollen sie direkt hier hinkommen?“, hakte Emily nach. „Sie werden in zwanzig Minuten hier sein“, erwiderte sie und ließ ihr Smartphone in ihrer Manteltasche verschwinden.
„Wollt ihr euch erkundigen, wie es euren vierbeinigen Freunden geht?“, wandte sich Annika lächelnd an sie, nachdem einige Minuten lang kaum geredet wurde. „Wir haben nun länger nichts mehr gehört und deshalb wollen wir uns nach ihnen und den anderen Tieren erkundigen“, sagte Emily und nahm sich einen Dominostein. „Bestimmt sind eure süßen Hundewelpen schon von uns gegangen“, murmelte Sarah und rührte mit einem Teelöffel in ihrer halbvollen Tasse herum. Obwohl sie es nicht ernst gemeint hatte, kassierte sie von allen Seiten bitterböse Blicke. Aylin und Fianna schneiten herein. „Ihr seid aber schnell da!“, bemerkte Lotta. „Kein Wunder, wir haben garantiert einen Streckenrekord aufgestellt. Wir haben nur 19 Minuten gebraucht“, keuchte Aylin, die sich erstmal hinsetzen musste. „Warum seid ihr gleichzeitig da?“, wunderte sich Emily. „Ganz einfach, weil Aylin bei mir war und wir gemeinsam losgefahren sind“, erklärte Fianna. „Kommt, lasst uns losfahren, bevor es zu spät wird“, sprang Emily auf.
Die Mädchen wickelten sich in ihre Schals, setzen ihre Mützen auf und zogen ihre Handschuhe an. Draußen war es schon fast dunkel, als die Freundinnen aus der Tür traten. „Viel Spaß! Berichtet mir, wie es den Welpen geht!“, rief ihnen Annika hinterher als die vier Freundinnen vom Hof radelten. „Machen wir!“, versprach ihr Emily. Lotta war insgeheim ganz froh drüber, dass es seit gestern taute, so konnte sie wieder Fahrrad fahren, ohne Angst zu haben auf dem glatten Untergrund zu stürzen. Trotzdem war es nasskalt, sodass ihnen die Kälte von unten in die Glieder zog. „Hier geht es lang!“, gab Emily die Richtung vor und übernahm die Führung. „Ich war hier noch nie zuvor gewesen“, sagte Fianna, „Ohne euch wäre ich total aufgeschmissen“ Lotta bewunderte Emilys guten Orientierungssinn. Alleine in der Dunkelheit hätte sie die Auffahrt zum Tierheim nicht gefunden. „Wir sind gerade noch rechtzeitig da, bevor das Tierheim schließt“, stellte Emily mit einem Blick auf ihre Handyuhr fest.
„Hallo, ihr seid es wieder“, kam Andrea auf dem Flur auf sie zu, „Ihr wollt euch sicher nach den Welpen erkundigen“ „Ganz genau, wir haben sie seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen“, nickte Emily. „Ich muss euch leider eine schlechte Nachricht überbringen“, senkte Andrea ihre Stimme. „Welche denn?“, unterbrach sie Aylin schockiert. Auch Lotta und die anderen Mädchen fürchteten sich davor, was Andrea ihnen zu sagen hatte. „Einer eurer Welpen ist letzte Nacht gestorben“, fuhr sie fort. „Das kann doch nicht wahr sein!“, fiel ihr Lotta mit zittriger Stimme ins Wort. „Die Welpen waren vornherein nicht gesund, sie waren stark unterkühlt, unterernährt und litten unter Parasitenbefall. Zuerst ging es ihnen besser, doch dann wurden drei von ihnen ernstzunehmend krank. Wir haben den Tierarzt geholt, der ihnen Medizin verabreichte. Trotzdem haben sie immer mehr abgenommen und ein Welpe die letzte Nacht nicht überstanden. Um einen weiteren Welpen steht es auch sehr schlecht. Es kann gut sein, dass dieser auch noch stirbt. Wir versuchen schon alles Menschenmögliche zu machen, damit es ihnen besser geht und kümmern uns rund um die Uhr um sie“, versuchte ihnen Andrea zu erklären.
Fianna wurde blass und erstarrte zur Salzsäule. Emily und Aylin begannen leise zu weinen. Lotta konnte immer noch nicht glauben, was ihnen die Mitarbeiterin des Tierheims mitgeteilt hatte. Emotionslos verfolgte sie, was vor ihren Augen passierte und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen. Nicht einmal weinen oder darüber sprechen konnte sie, dafür war sie viel zu aufgewühlt. „Dürfen wir die lebenden Welpen noch sehen?“, bat Fianna die Mitarbeiterin mit bebender Stimme. Andrea erlaubte es ihnen. Schweigend liefen die beiden Mädchen ihr hinterher. Emily hatte sich inzwischen wieder beruhigt, während Aylin immer noch vor sich hinschniefte und sich mit einem Taschentuch über die Augen wischte. Nach einer Weile beschlossen Fianna und Lotta ihnen zu folgen und gingen im Schneckentempo die Treppe hinauf. „Hier sind nur die gesunden Welpen, die anderen beiden sind in Quarantäne auf der Krankenstation, wo keine Besucher hindürfen“, sagte Andrea.
„Gibt es einen speziellen Grund wieso es den Welpen auf einmal so schlecht ging?“, wollte Fianna wissen. „Ganz genau wissen tun wir es auch nicht“, seufzte Andrea, „Eventuell kann das mit den Räumen zusammenhängen, die sich nur bedingt heizen lassen. Außerdem ziehen die Feuchtigkeit und die Nässe von draußen rein“ Beim Anblick der maroden Fenster und der angerosteten Heizungsrohre wurde es Lotta deutlich, dass es hier einen großen Renovierungsbedarf gab. Noch schlimmer war der miefige und leicht schimmlige Geruch, der nicht weichen wollte. „Die Tiere müssen es deutlich besser haben. Müsste ich hier als Hund oder Katze hausen, würde ich es auch nur wenige Tage überleben“, flüsterte Fianna ihr ins Ohr. „Auf alle Fälle!“, nickte sie, „Nicht umsonst sind wir dabei Geld zu sammeln“ „Es müsste dringend saniert werden“, wisperte Emily.
Zuhause wurde Lotta von ihrer wütenden Mutter empfangen. „Wieso kommst du erst jetzt?“, herrschte sie Lotta an. „Wir waren nur im Tierheim“, verteidigte sich Lotta. „Da hast du absolut nichts zu suchen“, schnitt ihre Mutter ihr das Wort ab. „Mama, was ist eigentlich mit dir los?“, regte sie sich auf. „Ich habe zwei Arbeiten von dir gefunden und beide Male hast du mir die Noten verschwiegen“, kniff ihre Mutter die Augen zusammen, „Eine Fünf in Physik und eine Vier in Geschichte“ „Wieso kramst du in meinen Sachen herum? Das geht dich gar nichts an!“, zitterte Lottas Stimme vor Wut. „Weil ich mich für die Noten meiner Tochter interessiere. Am besten sollte ich dir den ganzen Bandenkram verbieten, wenn du in der Schule immer schlechter wirst“, wurde ihre Mutter laut. „Immer sind dir die Noten wichtiger als alles andere!“, explodierte Lotta.
Sie wollte gerade ihren Hund Miiko mit in ihr Zimmer nehmen, ihre Mutter sich ihr in den Weg stellte. „Den Hund nimmst du nicht mit in dein Zimmer!“, sagte sie bestimmt. „Es interessiert mich nicht, was du sagst!“, schrie Lotta ihre Mutter an und drängte sich mit Miiko an ihr vorbei. Mit einem Knall fiel ihre Zimmertür ins Schloss. Lotta spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Miiko legte seinen Kopf auf ihre Knie und sah sie aus seinen braunen Augen an. Sie musste wieder an den toten Welpen aus dem Tierheim denken. In dem Moment brachen bei Lotta alle Dämme und sie heulte los wie ein kleines Kind. Da niemand außer ihr Hund sie sah, konnte sie so heftig und laut weinen wie sie nur wollte. Zumindest half das etwas gegen den aufgestauten Kummer.
Einen Tag vor dem Hoffest schloss Lotta am Nachmittag den Wohnwagen auf. Die Freundinnen hatten sich dort zum Weihnachtsbacken verabredet, da sie morgen die Kekse auf dem Adventsfest verkaufen wollten. Es war bitterkalt, als Lotta die Backsachen aus ihrem großen Rucksack holte. Schnell machte sie die kleine Ölheizung an und schloss rasch ihren Bluetoothlautsprecher an ihr Smartphone an. Über Spotify hatte sie sich zuvor eine Playlist mit Weihnachtsliedern erstellt. Lotta startete die Musik und sofort machte sich eine weihnachtliche Atmosphäre im Bandenquartier breit. Zügig wischte sie den großen Tisch ab und rollte ihre Backmatte aus Silikon aus. „Hallihallo!“, gutgelaunt tauchten Emily und Fianna im Wohnwagen auf. „Huhu, ihr seht ja lustig aus!“, fand Lotta und zwinkerte ihren Freundinnen zu.
„Ja, wir haben versucht uns als Wichtel zu verkleiden“, grinste Fianna und deutete auf ihre rote Zipfelmütze und Emilys rotweißkarierte Schürze. „Für dich hätten wir einen Heiligenschein, denn du siehst in deinem Strickkleid fast schon wie ein Engel aus“, überreichte Emily Lotta einen Haarreif, an dem ein glitzernder Heiligenschein befestigt. „Cool, ihr macht unser Bandenbacken wirklich zu einer kleinen Mottoparty!“, war Lotta begeistert. „Na klar, umso lustiger wird es!“, nickte Fianna und holte eine Dose mit Spekulatiusteig aus ihrer kunterbunten Umhängetasche. „Nanu, wollten die anderen Mädels nicht auch noch kommen?“, schaute Emily auf ihrer Handyuhr nach. „Haben die Zwillinge nicht heute Hockeytraining?“, überlegte Fianna. „Stimmt, heute ist Donnerstag“, fiel Lotta ein. „Aber Vivi und Aylin wollten aber auch noch kommen“, sagte Fianna. „Da kommen sie auch schon!“, deutete Emily aus dem Fenster.
„Hey sorry, dass es ein wenig später wurde!“, schälte sich Aylin aus ihrem schweren Anorak und hängte ihn an ihren Haken, der sich zwischen den Haken von Annemieke und Kiki befand. „Wir haben ein bisschen länger für unseren Vanillekipferlteig gebracht“, erklärte Vivien. „Macht nichts! Wir haben eh noch nicht angefangen“, meinte Lotta und verteilte ein wenig Mehl auf der Arbeitsfläche, damit der Teig nicht an der Matte haften blieb. „Und ich habe noch ein türkisches Keksrezept ausprobiert!“, stellte Aylin eine pinkfarbene Tupperdose dazu. „Wollt ihr auch ein bisschen weihnachtlich aussehen?“, holte Fianna zwei Weihnachtsmannmützen aus ihrer Tasche. „Von mir aus gerne!“, war Vivien sofort angetan. „Von mir aus können wir anfangen!“, beschwingt holte Emily ein paar Ausstechformen aus ihrer Handtasche. „Yeah, das Bandenbacken kann beginnen!“, gutgelaunt wirbelte Fianna herum.
Lotta nahm die Teigrolle zur Hand und begann den ersten Teigklumpen platt zu walzen. Ihre Freundinnen griffen sofort nach den Förmchen und drückten sie in den Teig. „Ich heize schon mal vor!“, lief Lotta zum kleinen Backofen, der sich unter der Kochnische befand. Gerade als sie sich umdrehte, klopfte jemand laut gegen Scheibe. Das waren Mathilda und Annemieke, die vor der Scheibe ein lustiges Mimenspiel veranstalteten. „Hey, kommt endlich rein!“, öffnete ihnen Emily die Tür. „Ich wusste gar nicht, dass ihr auch noch kommen wolltet“, war Aylin ganz überrascht. „Wir haben das Hockeytraining abgesagt, da wir beide immer noch leicht erkältet sind“, sagte Mathilda und wickelte sich aus ihrem Schal. „Ja und wir wollten viel lieber mit euch backen“, fügte ihre Zwillingsschwester hinzu.
„Stimmt, so ein cooles Weihnachtsbacken hatten wir zuletzt vor zwei Jahren veranstaltet, damals war auch noch Kiki dabei“, meinte Emily. „Was mächtig in die Hose gegangen ist!“, fügte Lotta hinzu. „Ich erinnere mich, uns sind die Pfeffernüsse total verbrannt, da Mathilda falsch im Rezept nachgeschaut hat und statt zwanzig Minuten eine ganze Stunde auf der Küchenuhr eingestellt hat“, rief Fianna vorlaut. „Grrr, dass du mich immer mit der Nase drauf stoßen musst!“, drohte ihr Mathilda spielend mit dem Zeigefinger. „Tja, Fianna ist halt manchmal eine kleine Spottdrossel!“, bemerkte Lotta. „Du aber auch, Lotta!“, wandte sich ihre Freundin prompt an sie. „Sind wir nicht alle ab und zu Spottdrosseln!“, sagte Emily. Die Bandenmädchen liebten es sich gegenseitig aufzuziehen und ein wenig necken, was allgemein zu einer lockeren und lustigen Atmosphäre beitrug.
„Ihr seid noch ohne Fahrschein!“, richtete sich Fianna an die Zwillinge. „Hä, was meinst du damit?“, sah Mathilda sie verwundert an. „Matti, du pennst manchmal wirklich“, stupste Annemieke ihre Schwester an, „Ist dir nicht entgangen, dass unsere Freundinnen sich ein wenig verkleidet haben“ „Ach, darauf spielt Carrot an“, raffte es Mathilda erst jetzt. „Für euch hätte ich noch zwei Hirschgeweihe da“, überreichte Fianna ihnen zwei voluminöse Haarreifen, die sich die Zwillinge sofort aufsetzten. „Manno, mir rutscht diese blöde Teil vom Kopf, wenn ich mich nach unten beuge“, nörgelte Mathilda. „Dann beweg dich nicht so ruckartig“, gab ihre Zwillingsschwester ihr den Tipp. „Wie lange wollt ihr noch Zeit verplempern?“, klang Emily fast genervt, „Wir haben jetzt schon vier Teige und das bedeutet, dass wir ein umfangreiches Programm vor uns haben. Also an die Arbeit, auch ihr liebe Zwillingsmäuse!“ „Wir haben auch noch Teig dabei!“, hob Mathilda eine große Box hoch. „Das ist ein niederländisches Rezept für Lebkuchen“, fügte Annemieke hinzu. „Oha, da haben wir krass viel zu tun!“, weiteten sich Aylins dunklen Kulleraugen.
Gut gelaunt verteilten sich die Roten Siebenerinnen um den Tisch. Mit großen Augen betrachteten die Freundinnen die Ausstechförmchen, die die Zwillinge noch zusätzlich mitgebracht hatten. Darunter waren unter anderem das Brandenburger Tor, der schiefe Turm von Pisa, der Eifelturm, die Opera von Sydney und ein Einhorn. „Wow, wo habt ihr diese geilen Formen her?“, wollte Lotta wissen. „Die gibt es auf dem Weihnachtsmarkt zu kaufen“, erwiderte Annemieke. Im Akkord rollten sie den Teig aus, stachen die Kekse aus und legten sie auf das Backblech. Schnell waren zwei Bleche voll. „Blöd, dass nur zwei Bleche gleichzeitig in den Ofen passen, sonst würde es deutlich schneller gehen“, klang Lotta ein wenig resigniert. „Stimmt, das ist so viel Teig, das werden wir an diesem Nachmittag nicht schaffen“, sagte Vivien.
„Egal, den Teig, den wir nicht verbacken haben, nehmen wir einfach wieder mit nach Hause“, wandte Lotta ein. „Prima, dann bleibt umso mehr für mich“, leckte sich Mathilda mit leuchtenden Augen die Lippen. „Du kleine egoistische Fressmaschine!“, puffte Fianna sie lachend. „Ihr kennt doch Matti!“, grinste Emily süffisant. „Sie frisst so viel wie ein Gaul“, kommentierte Lotta ungeniert. „Hey, ihr gemeinen Ziegen!“, warf Mathilda ein paar bunte Zuckerkügelchen nach ihnen, die zum Verzieren gedacht waren. „Time out, Mädels!“, ging Annemieke kichernd dazwischen. „Genau, lasst uns lieber auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren“, pflichtete ihr Vivien bei. „Jetzt wo die Plätzchen eh im Ofen sind, haben wir eh nichts zu tun“, warf sich Mathilda auf die alte rote Couch. „Von wegen, Mathilda, du kannst gleich alle Kügelchen aufsammeln, die du so munter verteilt hast!“, drückte ihr Aylin Kehrblech und Schaufel in die Hand. Grummelnd stand ihre Freundin auf.
Stattdessen kamen Lotta, Fianna, Emily und Annemieke auf die Deutscharbeit zu sprechen, die sie heute geschrieben hatten“ „Wieder eine Katastrophe!“, schüttelte Fianna den Kopf. „Bei mir lief es eigentlich ganz gut und ich konnte sehr viel zum Textauszug schreiben“, sagte Annemieke. „Du hast doch immer gute Noten in Deutsch und in den anderen Sprachen“, richtete sich Emily an ihre beste Freundin. „Naja, trotzdem hatte ich in der letzten Klassenarbeit nur eine Drei plus und daher hoffe ich, dass diese Arbeit besser ist, denn ich will auf jeden Fall eine Zwei auf dem Zeugnis“, meinte diese. „Micky, ich wäre froh, wenn ich es in Deutsch wenigsten noch auf eine Drei schaffe“, schaltete sich Mathilda in das Gespräch ein.
„Meine Deutschnote wird auch nicht der Brüller sein“, seufzte Lotta, „Zwar habe ich immerhin noch eine Drei, aber meiner Mutter wird sich erst mit einer Note besser begnügen“ „Mädels, könnt ihr mal aufhören über eure Noten zu debattieren?“, verdrehte Vivien genervt die Augen. „Ist das bei euch immer noch so ein heikles Thema?“, drehte sich Lotta zu ihnen um. „Inzwischen geht es eigentlich“, sagte Aylin, „Wir schreiben viele Zweien und Dreien, aber in Physik haben wir beide letztens eine schwache Vier zurückbekommen“ „Physik ist auch ein ekliges Fach!“, stöhnte Emily. „Jetzt mal im Ernst!“, rief Vivien, „Wir sind hier in unserem Bandenreich und hier sollten Notengespräche langsam verboten werden“ „Eigentlich hätte ich nichts dagegen“, wandte Fianna ein und drehte die Musik auf.
„In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Leckerei, zwischen Mehl und Milch macht so mancher Knilch eine riesengroße Kleckerei“, sangen die Zwillinge fröhlich mit und führten einen Tanz mit synchronen Bewegungen auf. „Ihr seht gerade so ulkig aus!“, kicherte Fianna und reihte sich in den Tanzreigen, indem sie sich noch ulkiger bewegte. „Soll ich ein Video machen?“, lachte Lotta. „Wehe, dann werfe ich dein teures Iphone aus dem Fenster!“, drohte ihr Mathilda feixend. Schnell ließ Lotta ihr Mobiltelefon in der Hosentasche verschwinden. Die Zwillinge schafften es die anderen Mädchen dazu zu animieren, dass sie mitsangen und mittanzten. „Ihr solltet später Comedians werden“, fand Emily. „Genau, dann tretet ihr als Zwillingspärchen auf!“, pflichtete ihr Aylin bei. „Jau, wir haben erst vor kurzem unser Bühnenprogramm ausgearbeitet, unsere Kostüme bestellt und einen Tourmanager organisiert“, gickerte Annemieke, die es sich nicht einmal im Traum vorstellen konnte, auf einer Bühne vor tausenden Zuschauern aufzutreten.
„Wisst ihr, es gibt ein berühmtes Zwillingspärchen auf Instagram, die schon über hunderttausend Follower haben“, lenkte Lotta ein, „Ihr könntet das auch locker schaffen, immerhin bringt ihr uns immer zum Lachen“ „Was ist dieses Instagram eigentlich genau?“, wollte Mathilda wissen. „So ein Portal, wo man Fotos von sich hoch lädt und mit der Community teilt“, erklärte ihr Fianna. „Hey, die ersten Plätzchen sind fertig!“, holte Aylin das erste Blech aus dem Ofen. „Wir müssen sie abkühlen lassen und dann können wir sie verzieren“, sagte Emily und begann den Spekulatiusteig auszurollen. „Wir müssen uns ranhalten“, sah Lotta auf die Uhr, „Es ist schon eine Dreiviertelstunde vergangen“ „Notfalls backen wir den restlichen Teig morgen fertig, denn wir haben morgen erst zur dritten Stunde“, meinte Annemieke. „Dann ohne mich, ich werde ausschlafen“, grummelte Mathilda leise.
Die Bandenmädchen konzentrierten sich darauf, so effektiv wie möglich zu arbeiten. Während zwei Bleche im Ofen waren, wurden neue Plätzchen ausgestochen und die abkühlten Kekse mit einer Zuckerglasur, Schokolade, bunten Streuseln, farbenfrohen Kügelchen und goldenen Zuckersternchen verziert. „Wow, Rachel wird beeindruckt sein, wie viel Plätzchen wir morgen zu verkaufen haben“, staunte Aylin, als sie die Plätzchen in mehrere Dosen abfüllte. „Wir sind eben eine richtige Plätzchenfabrik“, grinste Fianna. „Soweit ich weiß, bringt Kiki noch selbstgebackene Schwarzweißtaler mit“, wusste Mathilda bescheid, die immer noch täglich mit ihrer besten Freundin chattete. „Alle mal herkommen!“, trommelte Lotta ihre Freundinnen zusammen. Sie streckte ihren rechten Arm mit ihrem Handy in der Hand aus, um ein Gruppenbild zu schießen.
Es war nicht einfach sieben Mädchen auf ein Bild zu kriegen. Als Lotta nach dem dritten Anlauf mit dem Resultat zufrieden war, schickte sie das Foto an Kiki. „Schade, dass sie nicht dabei sein kann“, bedauerte Mathilda. „Aber sie wird morgen kommen. Mama und ich werden sie morgen Mittag vom Bahnhof abholen und dann sind wir wieder komplett“, legte Emily ihr die Hand auf die Schulter. „Oh ja, ich freue mich so!“, machte Mathilda vor Freude einen Luftsprung. Es war mittlerweile über sechs Wochen her, dass ihre Bandenanführerin umgezogen war. Trotzdem fühlte es sich für die Bandenmädchen immer noch ungewohnt an, dass Kiki fehlte, die sonst immer den Ton angab. Besonders Mathilda schien ihr noch hinterher zu trauern, obwohl sie sich nach Kikis Weggang noch mehr mit Emily und Lotta angefreundet hatte.
Am letzten Schultag fand das Adventsfest auf Rachels Hof statt. Die Roten Siebenerinnen waren bereits eine Stunde vor ihrem Auftritt damit beschäftigt ihre Pferde hübsch zu machen. „Seid ihr genauso aufgeregt wie ich?“, nervös drehte Aylin eine Locke ihres schwarzen Haares um den Daumen. „Nur keine Panik! Das ist kein Turnier, sondern nur ein gechilltes Vorreiten!“, redete Lotta beruhigend auf sie ein und flocht ein paar Zöpfe in Sunshines Mähne. „Mittlerweile müsste es doch sitzen, schließlich haben wir es gefühlte hundert Male geprobt. Ich kann die einzelnen Figuren sogar im Schlaf“, meinte Annemieke, die noch einmal den Sattelgurt nachzog. „Dann will ich sehen, wie du im Schlaf reitest, Micky!“, lachte ihre Zwillingsschwester. „Lotta, kannst du mir helfen?“, bat Vivien. „Was kann ich tun?“, fragte sie.
„Du musst einfach nur Snowflakes Huf festhalten“, sagte ihre Freundin, die sich immer noch vor den Hufen eines Pferdes fürchtete. Lotta hielt Snowflakes Huf fest, sodass Vivien den Dreck und die Strohreste ohne Probleme darunter entfernen konnte. Fianna war stolz darauf, dass sie Xaver so gründlich geputzt hatte, dass sein Fell glänzte. „Macht ihr euren Pferden Schleifchen in die Mähne?“, erkundigte sich Kiki. „Nicht unbedingt“, schüttelte Mathilda den Kopf, „Das sieht viel zu abgehoben und überkandidelt aus“ Die Mädchen zogen sich ihre roten Jäckchen über und versuchten ihre Weihnachtsmannmützen über ihre Reitkappen zu bekommen, die auch zum Kostüm gehörten. „Soll ich meinen künstlichen Bart anhängen?“, grinste Emily. „Mach ruhig, das sieht echt zum wegschmeißen aus!“, prustete Mathilda los. „Seid ihr fertig?“, tauchte Rachel auf der Stallgasse auf. „Schon lange!“, nickte Fianna. „Kommt mit, wir reiten uns in einer Nebenhalle schon mal ein wenig warm“, forderte die Reitlehrerin sie auf.
Sarah und ihre drei Freundinnen waren ausnahmsweise nicht auf Krawall gebürstet. Lotta vermutete, dass sie wegen der Kür sehr aufgeregt waren. Generell waren die Mädchen mehr bei der Sache als bei den Reitstunden. Es wurde noch nicht einmal leise getuschelt oder gekichert, wie es sonst üblich war. „Geht auf eure Startpositionen!“, befahl Rachel, „Wir üben das Ganze noch einmal trocken ohne Musik“ Als sie das Startsignal gab, wechselten die Reiterinnen die Seite und trabten an, als sie auf den Zirkel ritten. Lotta ärgerte sich, dass sich Sunshine wieder einmal nicht benehmen konnte und nach Lanzelot schnappte. Wütend drückte sie ihm ihre Ferse in den Bauch. „Lass das, du kleiner Idiot! Wenn du dich heute nicht benimmst, kannst du dir deine Leckerlis abschminken“, zischte sie.
Im nächsten Moment kam er wieder zu nah an Lanzelot und zwickte ihn in den Hintern. Diesmal scheute Lanzelot, sprang drei Schritte nach vorne und drehte sich im Kreis. Annemieke, die auf ihm saß, rechnete nicht damit und fand sich nach einem kurzen Aufschrei in den Sägespänen wieder. „Alles in Ordnung mit dir, Annemieke?“, eilte Rachel auf sie zu und half ihrer Reitschülerin auf. „Es geht schon, ich habe mir nicht großartig wehgetan, sondern lediglich nur ein wenig erschreckt“, versicherte ihr Annemieke und schwang sich wieder in den Sattel, nachdem sie sich die Späne abgeklopft hatte. Lotta wurde rot vor Scham und fühlte sich schuldig, dass ihre Freundin gestürzt war. „Darf ich mit Emily tauschen? Sunshine und Lanzelot kriegen sich ständig in die Haare“, meldete sie sich. „Das wollte ich dich gerade auch bitten“, meinte Rachel, „Wir proben das noch einmal und diesmal tauschen Emily und Lotta die Positionen“
Diesmal klappte der Durchlauf ohne Schwierigkeiten, was auch daran lag, dass Sunshine und Diego, den Aylin ritt, sich nichts taten. Die Reitschülerinnen stiegen ab und führten ihre Pferde auf den Hof hinaus. Auf dem Hof war ziemlich viel los. Kleine Kinder liefen zwischen den Erwachsenen umher und spielten mit Holzsteckenpferden oder kletterten auf aufgetürmte Strohballen. Auf den Zuschauerrängen in der großen Halle, hatten sich schon einige Zuschauer versammelt. Lotta versuchte ihre Familie ausfindig zu machen und musste enttäuscht feststellen, dass noch nicht einmal ihre Eltern da waren. Die Zwillinge tuschelten aufgeregt miteinander, als sie ihre halbe Verwandtschaft entdeckten. Auch die Familien von Fianna, Kiki, Vivien und Emily waren anwesend. Aylin winkte ihrer großen Schwester Fatima zu, die ganz weit vorne saß. „Seht mal, die Fischköppe sind da!“, zischte Kiki und deutete auf die Piranhas, die ziemlich weit hinten saßen. „Was wollen die nur von uns?“, machte Vivien ein irritiertes Gesicht. „Lass dich von deren Anwesenheit nicht aus dem Konzept bringen!“, raunte ihr Mathilda zu. Rachel gab ihnen ein Zeichen, dass sie in die Halle reiten sollten. Emily führte die Reiterinnen an. Nachdem die Mädchen auf ihre Positionen gegangen sind, hielt Rachel eine kleine Eröffnungsrede und wies daraufhin, dass die Hälfte der Einnahmen an das Tierheim gespendet wird.
Die Musik zu „Rudolf the red nosed raindeer“ erklang und wurde lauter. Emily nickte leicht und setzte sich zeitgleich mit den anderen Mädchen in Bewegung. Lotta ritt auf Aylin zu. In der Mitte trafen sie sich und gaben sich einen Highfive, wie die anderen Mädchen auch, die sich entgegen ritten. Die Reitschülerinnen reihten sich in einen leicht eiförmigen Kreis ein, der zunehmend größer und runder wurde. Lotta lies Sunshine leicht angaloppieren, um zu Aylin aufschließen zu können. Anschließend folgte die Mühle, bei der vier Reiterinnen nebeneinander ritten. Obwohl bis jetzt alles so lief, wie geplant, befürchtete Lotta zwischendurch, dass Sunshine wieder gegenüber einem anderen Pferd ausfallend werden konnte. In der Mitte der Reitbahn teilte sich die Reitgruppe in zwei Gruppen auf. Unglücklicherweise hatte Lotta nun wieder Annemieke mit Lanzelot vor sich. Diesmal half es nur, dass sie den Abstand vergrößerte. Immerhin war nun schon die Hälfte des Liedes rum. Nun kamen leichtere Figuren an die Reihe, selbst für Reitanfänger einfach waren.
Nur die Drehung um 360 Grad bekamen nicht alle Reiterinnen ganz hin, das konnte Lotta aus den Augenwinkeln sehen. Das Publikum klatschte begeistert zur Musik mit. Rachel ging zur Mitte und signalisierte, dass die Mädchen auf ihre Startpositionen gehen sollten. Das Lied war vorbei. Die Zuschauer applaudierten johlend, als die Mädchen von ihren Pferden abstiegen und sich verbeugten. „Ihr ward spitze!“, lobte Rachel ihre Reitschülerinnen. Bis auf Gustav und Lucky hatten alle Pferde Feierabend und wurden von den Mädchen in den Stall gebracht. „Bist du immer noch geknickt, dass niemand von deiner Familie gekommen ist?“, stupste Aylin Lotta an. „Ich hätte es mir beinahe denken können!“, seufzte sie, während sie Sunshine das Halfter um machte.
„Ach bei mir ist auch nur Fatima gekommen“, meinte ihre Freundin und fügte in einem ironischen Tonfall hinzu, „Ihr wisst ja, wie reitbegeistert meine Eltern und meine Brüder sind“ „Das wissen wir alle“, machte Emily eine trockene Bemerkung, „Nicht umsonst hast du deine Unterschrift bei der Anmeldung fälschen müssen“ „Außerdem haben wir anfangs zusammen mit Lotta und Emily die Reitstunden für dich bezahlt“, fügte Annemieke hinzu. „Stimmt, ohne euch wäre ich nie zum Reiten gekommen“, nickte Aylin. Nachdem Lotta Sunshine gründlich geputzt und ihm zur Belohnung ein paar Leckerlis gegeben hatte, ging sie zum Hof hinaus. „Lotta, da bist du ja!“, hörte sie die Stimme ihres Vaters hinter sich. „Papa, du bist auch da!“, perplex drehte sie sich um. „Ich habe es mir extra in den Kalender eingetragen“, lachte er und nahm seine Tochter in den Arm. „Wo ist eigentlich Mama?“, wollte sie wissen. „Die musste bis fünf Uhr arbeiten und dann hat sie Leon vom Fußball abgeholt“, erwiderte er. Leon! Schon wenn sie den Namen ihres jüngeren Bruders hörte, rollte sie mit den Augen. „Hast du Lust mit mir eine Waffel mit heißem Pflaumenkompott zu essen?“, fragte ihr Vater. „Klar! Warum nicht? Schließlich haben drei meiner Freundinnen den Teig dafür gemacht“, nickte sie begeistert. „Wer denn von ihnen?“, hakte er nach. „Annemieke, Mathilda und Emily“, erwiderte sie.
Als Aylin und Lotta Kiki und Fianna in der Halle ablösten, war die Schlange von Kindern, die reiten wollten, immer noch ellenlang. Während Lotta ein kleines Mädchen auf Gustav eine Runde durch die Halle führte, sagte es, „Ich möchte gerne so toll reiten können wir ihr!“ Lotta schmunzelte und murmelte leise, „Danke!“ Für eine Hallenrunde wurde ein Euro genommen. Nach fast einer halben Stunde hatte sie das Gefühl, als hätte sie hunderte Kinder durch die Halle geführt. „Darf meine Tochter vor Ihren Kindern an die Reihe!“, bat eine Mutter. „Wieso denn das? Unsere Kinder stehen immerhin schon fast zwanzig Minuten an“, drehte sich eine andere Mutter entrüstet um. „Wir müssen in fünf Minuten nach Hause und meine Tochter will unbedingt noch reiten“, meinte diese.
„Kommt nicht in Frage!“, regte sich eine weitere Frau auf. „Unsere Kinder bekommen auch keine Extrawurst gebraten“, mischte sich eine weitere Mutter ein. „Tut mir leid, Paula!“, sagte die erste Mutter, „Wenn dich niemand vorlässt, müssen wir jetzt gehen“ Daraufhin begann ihre Tochter zu weinen und zu quengeln. Lotta wusste in dem Moment nicht, wie sie sich verhalten sollte. „Ich führe Ihre Tochter eben noch eine Runde durch die Halle“, mischte sich Aylin ein. „Vielen Dank, dafür gebe ich euch zwei Euro“, klang die Mutter der weinenden Tochter erleichtert. Ihre Tochter wischte sich die Tränen von der Wange und lächelte, als sie auf Luckys Rücken saß. Lotta wusste nicht, ob sie selbst so freundlich gewesen wäre.
Später ließen die Roten Siebenerinnen mit ihren Familien den Abend in dem leer geräumten Heuspeicher neben der Sattelkammer ausklingen, in dem viele Biertische aufgestellt waren und somit zu einer Cafeteria umfunktioniert wurde. Ein paar Heizkörper sorgten für die nötige Wärme und viele Kerzen, sowie Tannenzweige und Weihnachtsschmuck sorgten für eine behagliche Atmosphäre. Aus einem CD-Player im Hintergrund lief weihnachtliche Musik, zu der Annemieke und Aylin leise mitsummten. „Ich bin echt zufrieden mit dem Resultat. Matti und ich haben einen Großteil unserer selbstgebackenen Kuchen und Waffeln verkaufen können. Übrigens, unsere Plätzchen waren der Hit!“, war Emily sehr zufrieden. „Wir haben gefühlt hundert Plätzchentütchen verkauft, aber drei Tüten habe ich für uns überbehalten“, strahlten Mathildas Augen, während sie die Plätzchen auf einem Tellerchen verteilte. „Oh ja, beim Ponyreiten reichte die Schlange bis auf den Parkplatz“, erzählte Lotta und nahm sich eine Waffel vom großen Teller in der Mitte. Immerhin hatte Mathilda etwas Teig für sie übrig behalten und einen großen Waffelberg für ihre Freundinnen gebacken.
„Auch beim Weihnachtsbasteln wurde der eine oder andere Euro gespendet, obwohl die Aktion eigentlich kostenlos war“, stellte Annemieke lächelnd ein kleines Sparschwein auf den Tisch. „Ja, ich war auch überrascht, wie großzügig da einige Leute waren, obwohl wir für das Basteln keinen Cent verlangt haben“, fügte Vivien hinzu. „Immerhin haben wir ordentlich was geschafft“, resümierte Kiki zufrieden. „Hey, kann ich mich noch ein Weilchen zu euch setzen?“, stand Annika an ihrer Tischreihe. „Klar“, nickten die Bandenmädchen. Lotta, Emily und die Zwillinge rückten näher zusammen, damit sich Annika zu ihnen auf die Bank setzen konnten. „Ich muss schon sagen, dass ich richtig von eurem Einsatz begeistert bin. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals so engagierte Mädels wie euch unter den Reitschülerinnen hatten“, fuhr sie fort, als sie zwischen Lotta und Emily saß.
„Hättet ihr noch Lust auf einen Punsch? Immerhin habt ihr echt tolle Arbeit geleistet und uns gut geholfen, damit das Fest gut über die Bühne geht. Aber zuerst muss ich von euren großartigen Keksen kosten“, gesellte sich Rachel dazu und nahm sich einen bunt verzierten Lebkuchen. „Immer gerne!“, nickten die Zwillinge synchron. Emily, Lotta und Annika halfen ihr zehn volle Tassen mit Punsch zu ihrem Tisch zu bringen. „Auf euer Engagement und die tolle Sammelaktion!“, stieß die Reitlehrerin mit den Mädchen an. „Huh, ist das heiß!“, verbrannte sich Fianna sogleich die Zunge. Es wurde noch eine ganze Weile geredet, gelacht und viele Weihnachtslieder gesungen. „Last Christmas I gave you my heart, but the very next day you give it away…“, stimmten die Zwillinge an, machten dazu synchron Bewegungen und sorgten allgemein für Belustigung.
„Jingle Bells, jingle Bells, jingle all the way“, begann Fianna zu trällern, worauf Kiki und Lotta lauthals einstimmten. „Ich glaub, ihr seid total übergeschnappt“, kicherte Annika los. „Immerhin hat unsere Mädchenbande gute Laune“, lachte Rachel. „Lotta, wir müssen langsam los“, tickte ihr Vater ihr von hinten auf die Schulter. „Jetzt schon? Gerade ist es so lustig“, machte sie ein langes Gesicht. „Mama hat angerufen. Sie hat uns eine Familienpizza bestellt, die in der nächsten Viertelstunde kommen wird“, meinte ihr Vater. Lotta verabschiedete sich schnell von Annika, Rachel und ihren Freundinnen und wünschte ihnen ein schönes Weihnachtsfest.
Weihnachten und Silvester vergingen wie im Flug. Ein neues Jahr zog ins Land. Im Gegensatz zum Dezember stiegen die Temperaturen rasant. Der Schnee, der noch von Weihnachten stammte, taute innerhalb kürzester Zeit weg. Anstatt Schnee und Frost gab es vermehrt Regen. Am Wochenende vor dem ersten Schultag im neuen Jahr gab es in einer Nacht einen heftigen Sturm. Hellwach lag Lotta in ihrem Bett. Durch das Pfeifen des Windes und das Prasseln des Regens konnte sie nicht schlafen. „So ein Schietwetter!“, dachte sie. Zugleich war sie froh, dass sie in ihrem warmen Bett lag. Miikos Winseln war vom Flur aus zu hören, bestimmt fürchtete er sich vor dem Unwetter. Zugegebenermaßen war ihr in diesem Moment auch etwas mulmig zumute. Der Sturm muss dem Heulen nach ziemlich heftig sein. Bestimmt war es schon ein Orkan.
Lotta knipste ihre Nachttischlampe an und schlappte zur Tür. Miiko war mehr als dankbar, dass sie ihn hereinließ und hopste auf das Fußende ihres Bettes. Die Gesellschaft ihres Hundes nahm ihr deutlich die Angst. Lotta kuschelte sich wieder in ihre Decke und drehte sich auf die Seite. Als sie fast wieder eingeschlafen war, schreckte von einem lauten Krachen auf, der mehr in ein lang gezogenes Poltern überging. Miiko jaulte leise auf. Das musste wohl ein Donner gewesen sein. „Na toll, jetzt gewittert es auch noch. Das hat mir gerade noch gefehlt!“, dachte sie und zog sich ihre Decke über den Kopf. Irgendetwas knackte draußen, aber was es genau war, wusste sie nicht. Vielleicht könnte es ein Ast gewesen sein, der abgebrochen ist. Bei dieser Windstärke war das kein Wunder. Hoffentlich stürzten bei ihnen im Garten keine Bäume um und stürzten auf ihr Haus.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück klingelte Lottas Handy. „Lotta, du musst sofort zum Schrebergarten kommen. Es ist etwas Schreckliches passiert!“, meldete sich Emily mit belegter Stimme. „Was denn?“, war Lotta total baff. „Komm her und sieh es dir selbst an. Ich finde gerade dafür keine Worte. Es ist eine richtige Katastrophe!“, brach ihre Freundin am anderen Ende der Leitung in Tränen aus. „Ich komme in zehn Minuten!“, versprach Lotta ihr und schlüpfte in ihre Stiefel. „Wo willst du hin?“, rief ihr ihre Mutter hinterher. „Ich bring einer Freundin nur Arbeitsblätter für die Schule“, log Lotta und schlug die Haustür hinter sich zu. Während sie mit ihrem Fahrrad durch die Straßen entlang raste, wurde ihr das Ausmaß des nächtlichen Unwetters bewusst. „Hoffentlich ist bei uns kein Baum im Schrebergarten umgefallen!“, hoffte sie.
Überall lagen Äste auf den Gehwegen und Dachziegel wurden von den Häusern heruntergeweht. Das Unwetter musste wohl ziemlich stark gewütet haben. Lotta konnte Emily schon von weitem sehen, da sie vor dem Tor ihres Schrebergartens wartete. „Da bist du endlich! Nun wirst du es auch sehen“, sagte ihre Freundin mit zittriger Stimme und wischte sich über die feuchten Augen. Emily griff zaghaft nach Lottas Hand und zog sie mit sich. „Wo sind eigentlich unsere anderen Freundinnen?“, fragte Lotta vorsichtig. „Die konnte ich nicht erreichen. Entweder hatten sie ihre Handys ausgeschaltet oder sie schliefen noch. Die Zwillinge sind heute Morgen nicht da und kommen erst in zwei Stunden wieder“, schniefte Emily. Lottas Blick fiel zuerst auf einen dicken Ast des Pflaumenbaumes, der auf den Wohnwagen gestürzt war und eine Fensterscheibe vollständig zertrümmert hatte. Wie es wohl drinnen aussah? „Dabei war es ein Geschenk von meinem Vater vor fast drei Jahren als wir unsere Bande gegründet haben und jetzt ist unser Bandenquartier völlig zerstört“, schluchzte Emily auf und putzte sich geräuschvoll ihre Nase. „Einfach nur schlimm!“, kommentierte Lotta geschockt und nahm ihre Freundin in den Arm. Schweigend betraten sie ihr Bandenquartier. Der Boden war mit Glasscherben übersäht.
Schockiert stellten die beiden Freundinnen fest, dass es hineingeregnet hatte und der Teppich feucht war. „Ich sag doch, die ganze Inneneinrichtung ist hin!“, weinte Emily und hob eine zerbrochene Tonfigur auf, die von Annemieke stammte. Lotta prüfte, ob das Licht und der kleine Kühlschrank noch funktionierten. Weder das Licht brannte noch der Kühlschrank lief. „Na super, jetzt ist noch die Elektronik schrott!“, stöhnte Lotta frustriert und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Wir werden hier unmöglich irgendwelche Bandentreffen abhalten können“, sagte ihre Freundin mit erstickter Stimme. Lotta spürte auf einmal, wie Tränen in ihren Augen brannten. Hastig eilte sie nach draußen und ging zu den Kaninchen. Ihr Stall war zum Glück unbeschädigt. Außerdem machten Hanni und Nanni einen sehr munteren Eindruck. Als Lotta ihre Hände in Nannis weichem Fell vergrub, begannen ihr stumme Tränen über die Wangen zu laufen. In den letzten Jahren wurde der Wohnwagen zu ihrem Zufluchtsort, wenn sie zuhause Stress mit ihren Eltern hatte und außerdem hingen viele wunderschöne Momente an ihrem Bandenquartier.
Gegen Mittag trudelten die restlichen Bandenmitglieder ein, bis auf Kiki, die dieses Wochenende nicht kommen konnte. Aylin und Vivien kamen sofort die Tränen, als sie das Ausmaß der Zerstörung sahen. Die Zwillinge hielten sich schweigend in den Armen und brachten vor Entsetzen kein Wort über die Lippen. „Wir müssen unbedingt die Sachen aus dem Wohnwagen holen, die noch intakt sind!“, sagte Fianna, die den Schock am schnellsten verdaut hatte. „Wie denn?“, erwiderte Mathilda gereizt, „Wir sind nur mit dem Fahrrad da. Wir können nichts transportieren“ „Die kleineren Sachen können wir auch in den Fahrradkörben transportieren“, fand Emily ihre Sprache wieder. „Hier sieht es wie nach einem Bombeneinschlag aus! Kiki wird sicherlich der Schlag treffen, wenn sie das hier sieht!“, entfuhr es Annemieke niedergeschlagen. Nur mit Mühe konnte sie ihre Tränen zurückhalten und biss sich auf die Lippe. „Igitt, das Sofa ist ganz nass!“, rief Aylin angeekelt.
„Nicht einmal die Möbel sind noch zu gebrauchen“, klang Emily frustriert und war wieder kurz vorm Weinen. Annemieke nahm sie fest in den Arm. „Es muss wohl eine Möglichkeit geben, das Ganze wieder in Ordnung zu bringen“, meinte ihre Zwillingsschwester. „Natürlich, es kann nur alles besser werden. Wir haben schon viele brenzlige Abenteuer gemeistert und uns gegen andere Banden und Idioten behaupten können. Wieso können wir dann nicht einen Wohnwagen reparieren?“, versuchte Fianna ihre Freundinnen aufzumuntern. „Wenn du uns eine neue Fensterscheibe einsetzen kannst und dafür sorgst, dass wir wieder Strom haben, dann bin ich dabei. Du kannst von mir aus den Elektriker oder den Fenstermonteur geben, Fianna!“, erwiderte Mathilda in einem pampigen Ton. Beleidigt drehte Fianna ihr den Rücken zu und schwieg. „Hey, sei doch nicht immer gleich so grob! Siehst du nicht, dass Fianna gerade verletzt ist?“, redete Annemieke auf ihren Zwilling ein. „Wir werden um eine Reparatur in einer Werkstatt nicht herumkommen“, seufzte Lotta. „Das sehe ich auch so. Das wird bestimmt irre teuer!“, brummte Vivien. „
Wieso machen wir uns jetzt Gedanken, wie wir sofort den Wohnwagen wieder instand setzen?“, meldete sich Aylin zu Wort, „Warum schlafen wir nicht eine Nacht darüber? Erstmal müssen wir den Schock verkraften, bevor wir in der Lage sind klar zu denken“ „Du sagst es, Aylin! Ich wollte das auch sagen, aber du warst schneller. Es ist besser, wenn wir uns alle erstmal ein bisschen beruhigen und dann handeln“, warf Lotta ihr einen anerkennenden Blick zu. „Was hält ihr davon, wenn wir nun nach Hause gehen und jeder in Ruhe nachdenkt?“, schlug Fianna vor. „Das hatte ich auch vor“, nickte Emily und ging zur Tür hinaus. Zum Abschied umarmten sich die Freundinnen. In Lotta kam langsam das Gefühl auf, dass sie den Wohnwagen wieder in Ordnung bringen konnten.
Die Freundinnen räumten am Tag darauf den Wohnwagen aus. Emilys Tante Rachel kam mit einem Auto, welches einen Anhänger hatte. So konnten sie zumindest das Sofa und ein paar Stühle abgeholt werden. „Was ist mit dem Tisch?“, fragte Aylin. „Den nehmen wir auch mit und stellen ihn bei uns in die Waschküche“, meinte Rachel, „Nicht dass euer schöner Tisch auch noch zu viel Feuchtigkeit zieht“ Nachdem Emilys Tante wieder gefahren war, eröffnete Lotta die Diskussion. „Ich finde, wir sollten einen Teil unseres Spendengeldes für die Reparatur unseres Wohnwagens opfern“ „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“, unterbrach Annemieke sie abrupt. „Das Geld haben wir für die Heimtiere gesammelt und nicht für uns“, führte Mathilda den Gedankengang ihrer Schwester fort. „Wie sollen wir dann unseren Wohnwagen reparieren lassen? Leider repariert sich unser Bandenquartier nicht von alleine“, rief Emily gereizt. „Wie wäre es, wenn jeder von uns hundert Euro zahlt?“, schlug Fianna vor. „Du bist doch nicht mehr ganz bei Trost!“, regte sich Aylin auf, „Ich habe nicht eben so viel Geld, dass ich es eben von meinem Konto abheben könnte!“ „Wir haben jetzt schon 2000€ zusammen, wieso können wir nicht einen Teil für die Reparatur abzwacken?“, Lotta sah ihre Freundinnen verständnislos an.
„Du verstehst es immer noch nicht?“, funkelte Annemieke sie böse an. „Außerdem hinterlassen wir einen miserablen Eindruck, wenn wir die Spendengelder in unsere eigene Tasche stecken“, meldete sich Vivien zu Wort, die zuvor nur zugehört hatte. „Das ist mir sowas von egal!“, schnaubte Lotta, „Ich will, dass unser Wohnwagen so schnell wie möglich wieder heile ist“ „Immer denkst du nur an deinen Vorteil, Lotta! Für dich sind nur deine eigenen Wünsche wichtig und alles andere ist dir gleichgültig. Sind dir die Tiere nicht mehr wichtig? Deine Denkweise ist sehr egoistisch. Solche Leute kann ich nicht ertragen!“, fuhr Annemieke sie von der Seite an. „Dich kann ich langsam auch nicht mehr ertragen, du alte Ziege!“, fauchte Lotta in ihre Richtung. „Pass bloß auf, wie du mit Micky redest!“, baute sich Mathilda vor ihr auf. „Ich finde es auch eine blöde Idee, wenn wir mit den Spendengeldern für unseren Wohnwagen verfeuern“, rief Fianna. „Wir verfeuern das Geld niemals, sondern geben es dafür aus, dass wir wieder ein Bandenquartier haben“, entrüstete sich Emily. „Jetzt denkst du schon genauso egoistisch wie Lotta!“, klang Mathilda verächtlich. „Ihr versteht überhaupt nicht, wie sehr ich an meinem Wohnwagen hänge“, regte sich Emily auf, „Dieser Wohnwagen gehört eigentlich mir. Mein Vater hat ihn mir geschenkt. Ich entscheide immer noch, wie oder wann er repariert wird“
„Du verstehst genauso wenig wie Lotta, dass wir eine Bande sind, Emily!“, holte Annemieke tief Luft, „Wir entscheiden zusammen und nicht jeder alleine“ „Wisst ihr was, ich kann den Wohnwagen auch gänzlich für mich behalten. Dann könnt ihr euch ein neues Bandenquartier suchen!“, zischte Emily. „Was meinst du damit?“, fragte Vivien. „Ich bin stark am überlegen, dass ich den Wohnwagen nicht mehr als Bandenquartier zur Verfügung stelle“, fuhr Emily fort. „Du willst uns doch nicht sagen, dass wir unerwünscht sind“, fauchte Fianna und lief davon. Die Zwillinge und Vivien folgten ihr. „Endlich sind die Zicken weg“, atmete Emily erleichtert auf. „Dass die sich immer gleich so anstellen müssen“, schüttelte Lotta den Kopf. „Manchmal sind sie echt nicht zu retten“, fasste sich Aylin an den Kopf.
An den kommenden Tagen gingen Lotta und Emily in der Schule den anderen Bandenmädels aus dem Weg. Dies blieb bei ihren Klassenkameraden nicht unbemerkt. „Hattet ihr einen Streit?“, wunderte sich Sven. „Ihr redet gar nicht mehr mit Fianna, Vivien und den Zwillingen“, fügte Jannis hinzu. Emily erzählte den beiden Piranhas in Kurzfassung, was vorgefallen war. „Notfalls können wir euch für ein paar Wochen Asyl bieten“, bot Jannis. „Nein Danke, dass ist nicht notwendig“, lehnte Lotta ab. „Wir werden schon eine weitere Lösung parat haben, die wir ohne Bandenquartier überbrücken können“, sprach Emily weiter. „Na gut, wer nicht will der hat schon!“, brummte Sven und ging mit Jannis zu seiner Bande zurück.
„Immerhin sind die noch komplett, während die Rote Sieben nur noch ein Scherbenhaufen ist“, flüsterte Lotta Emily ins Ohr. Schwatzend gingen Fianna und die Zwillinge an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Stattdessen redeten sie mit Freya und Jule. „Und das nennt man Freundschaft?“, stieß Emily verächtlich aus. „Sie können es nur nicht verknusen, dass wir eine andere Meinung haben“, raunte Lotta, „Laut ihnen soll Kiki auch auf deren Seite sein“ „Wer hat das denn gesagt?“, stutzte ihre Freundin. „Mathilda hat mir das gestern im Chat geschrieben“, rollte sie mit den Augen. „Wer sonst? Diese Tussi macht immer Stimmung gegen andere“, stöhnte Emily genervt.
Am kommenden Wochenende fand auf Rachels Hof das Jugendreitturnier statt. Lotta und Emily waren bereits schon Stunden vorher im Stall, um ihre Pferde heraus zu putzen und ihnen die Mähnen einzuflechten. „Muss das sein, dass wir die Mähnen unserer Pferde einflechten müssen?“, nörgelte Emily. „Wieso? Was ist daran so schlimm?“, horchte Lotta auf. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dick Jazz Mähne ist! Ich bin noch nicht mal mit der Hälfte fertig“, stöhnte ihre Freundin. „Sollen wir tauschen?“, bot Lotta an. „Von mir aus gerne!“, nickte Emily erleichtert. Lotta machte sich an Jazz Mähne zu schaffen. Seine Mähne war wirklich um einiges dicker als Sunshines. „Na, wie kommt ihr klar?“, hörte sie hinter sich Annikas Stimme. „Nachdem Lotta und ich unsere Pferde getauscht haben, läuft es wie am Schnürchen“, erwiderte Emily.
„Hä, habt ihr eure Pferde wirklich untereinander getauscht? Das geht doch gar nicht!“, wunderte sich Emilys Cousine. „Nein, Lotta flechtet Jazz nur die Mähne ein, aber wir reiten selbstverständlich unsere eigenen Pferde“, korrigierte Emily. „Ach, dann ist ja okay“, nickte Annika und fügte beiläufig hinzu, „Ich werde übrigens Bella reiten, aber der Wettbewerb für die siebzehn bis zwanzigjährigen findet erst heute Nachmittag statt, deshalb habe ich noch ein wenig Zeit und kann euch noch ein wenig helfen“ „Danke, das ist nett!“, lächelte Lotta. „Kannst du mir eben meinen Sattel aus der Sattelkammer mitbringen?“, bat Emily. „Moment, mach ich sofort!“, erwiderte Annika und verschwand. Einen Moment später kam sie wieder. „Ihr müsst darauf achten, dass ihr die Bügel kürzer einstellt als beim normalen Reiten“, erinnerte sie die beiden Mädchen. „Okay, dann weiß ich bescheid“, nickte Lotta.
In der kleinen Nebenhalle ritten sich bereits schon drei fremde Reiterinnen warm, die von woanders herkommen mussten. Lotta und Emily ritten im Schritt nebeneinander her und unterhielten sich dabei. „Was glaubst, wie stehen unsere Chancen?“, wisperte Lotta Emily zu. „Das werden wir ja sehen“, zuckte ihre Freundin mit der Schulter. „Immerhin haben wir ein Heimspiel“, meinte sie, „Dass kann wirklich ein Vorteil für uns sein, da wir bestimmt am meisten angefeuert werden“ „Meinst du wirklich?“, machte Emily ein skeptisches Gesicht, „Ich habe eher Angst, dass mir die Nerven durchbrennen, wenn ich so viele bekannte Gesichter sehe“ „Ach, lass dich nicht von sowas irritieren!“, redete Lotta auf sie ein. Die beiden Freundinnen ließen Sunshine und Jazz antraben. „Ich bin gespannt, ob unsere anderen Bandenfreundinnen auch kommen“, sagte Emily nach einer Weile. „Davon weiß ich nichts“, murmelte Lotta, „In der Schule behandeln sie uns seit dem dämlichen Streit nur noch wie Luft und daher kann ich mir nicht vorstellen, dass sie uns heute unterstützen“
„Zumindest wollten meine Mutter und mein Vater mit seiner neuen Familie kommen“, meinte Emily. „Meine Eltern haben mir auch hoch und heilig versprochen, dass sie kommen werden“, sagte Lotta. „Sogar deine Mutter?“, zog Emily die Augenbraue hoch. „Da es diesmal ein richtiges Turnier ist, wollte sie auf jeden Fall dabei sein“, nickte sie. Eine weitere Reiterin, die bestimmt schon zwei Jahre älter aussah als sie, betrat die Reitbahn mit ihrem Pferd. „Die ist aber nicht älter als sechzehn!“, bemerkte Emily. „Hallo, ihr beide!“, kam Rachel auf sie zu. „Hallo Rachel!“, grüßten sie zurück. „Wie geht es euch?“, fragte ihre Reitlehrerin, „Ich kann mir vorstellen, dass ihr schon ziemlich aufgeregt seid“ „Es hält sich in Grenzen“, meinte Lotta. „Wichtig ist, dass ihr gleich ruhig bleibt und euch nicht durch die Umstände nervös machen lasst. Ihr wisst doch, dass sich eure Nervosität auf eure Pferde überträgt“, fuhr Rachel fort. Die beiden Mädchen nickten synchron. „Zudem müsst ihr sehr auf euer Tempo und auf die Anzahl der Galoppsprünge achten. Es gibt Hindernisse, die sehr dicht beieinander stehen, dort dürft ihr nicht zu langsam sein, aber auch nicht zu schnell“, erklärte sie ihnen. „Ai ai Käpt’n!“, rief Emily.
„Gut, dann lass ich euch in Ruhe warm reiten. In zwanzig Minuten seid ihr bitte in der großen Halle. Ich wünsche euch ganz viel Glück!“, verabschiedete sich Rachel wieder von ihnen. „Oh man, ich bin schon als zweite Reiterin an der Reihe“, seufzte Emily. „Zum Glück habe ich die Startnummer 7“, meinte Lotta erleichtert. „Immerhin hast du noch ein wenig Zeit, um vielleicht noch etwas zu essen oder zu trinken“, erwiderte ihre Freundin. Die beiden Mädchen ließen ihre Pferde nach zwei Runden Trab angaloppieren. Lotta ließ Sunshine über zwei niedrige Hindernisse springen, bei denen er nur die Beine etwas mehr anziehen musste. „Gut gemacht, mein Junge!“, klopfte sie ihm auf den Hals. Bereits seit Monaten trainierte sie mit ihrem Pferd für ihren Wettkampf. Anfangs scheute Sunshine noch vor einigen Hindernissen, doch diese Angst hatte von Training zu Training immer mehr abgebaut.
Ein gut aussehendes Mädchen mit einem langen braunen Zopf eröffnete den Wettkampf. Dies war die Reiterin, die schon ein paar Jahre älter aussah. Zu Lottas Erstaunen legte sie einen fulminanten Ritt hin. „Jessica Bielmann, null Strafpunkte und 15,02 Sekunden“, wurde durchgeben. Als nächstes machte sich Emily bereit und ritt in die Halle. Lotta drückte ihrer Freundin die Daumen. Durch den schmalen Spalt der Tür war zu sehen, wie Emily startete. Sie ritt eindeutig zaghafter als Jessica und riss beim zweiten Hindernis eine Stange. „Oh nein!“, dachte Lotta. „Emily Heuberger, sechs Fehlerpunkte und 17,78 Sekunden“, kam es aus den Lautsprechern. Nur ein paar Zehntelsekunden mehr und ihre Freundin wäre disqualifiziert gewesen. Zum Glück gab es noch einen zweiten Durchlauf, dem Emily noch alles herausholen konnte. Die dritte Reiterin ging an den Start. Sie war nur geringfügig schneller als Emily und hatte nur drei Fehlerpunkte.
Die Reiterinnen danach waren ebenfalls nicht fehlerfrei. Lotta holte tief Luft, als sie in die Halle ritt. Auf den Zuschauerrängen entdeckte sie zuerst die Piranhas, die ihr zuwinkten. Neben ihnen saßen die übrigen Roten Siebenerinnen, die ein selbst gemaltes Plakat nach oben hielten. „Viel Glück, Lily und Lotta“, las sie. Ein Wunder, dass der Rest der Bande doch gekommen war und sie unterstützte. Lotta ging zur Startlinie und nahm die Zügel fester. Als das Startsignal ertönte, gab sie Sunshine die Galopphilfen. Ihr Pferd erhöhte das Tempo noch einmal vor dem ersten Hindernis, welches aus zwei niedrigen Stangen bestand. Für Sunshine waren die ersten drei kleineren Hürden kein Problem gewesen. Nun kam das erste schwierigere Hindernis, bei dem sie genug Schwung brauchte. Lotta fasste die Zügel kürzer und verlagerte ihr Gewicht nach vorne. Mit einem kräftigen Sprung drückte sich Sunshine vom Boden ab und flog ohne Probleme über die oberste Stange. Im Zuschauerraum wurde vereinzelt geklatscht. Nun kamen zwei Hindernisse direkt hintereinander, wo Lotta genau auf die Schrittfolge ihres Pferdes achten musste.
Sunshine wurde immer schneller, je näher das Hindernis kam. Sie versuchte das Tempo heraus zu nehmen, doch er reagierte nicht auf ihre Paraden. Über das erste Hindernis kam er locker drüber, doch danach hörte Lotta eine Stange fallen. „So ein Mist!“, schoss es ihr durch den Kopf. Viel Zeit sich darüber zu ärgern hatte sie nicht. Die Hürden, die vor ihr lagen waren noch viel wichtiger. Zu ihrer Erleichterung meisterte sie die letzten Hindernisse ohne Schwierigkeiten. „Lotta Janssen, zwei Fehlerpunkte und 15,57 Sekunden“, wurde verkündet. „Du warst tausendmal besser als ich“, wurde sie von Emily empfangen. „Ach, du hast doch noch eine zweite Chance“, klopfte Lotta ihr auf die Schulter. Ein Stallhelfer kam in die Stallgasse und schleppte Wassereimer herbei. „Das hast du dir redlich verdient“, klopfte Lotta Sunshine und hielt ihm den Wassereimer so hin, dass er trinken konnte. „Ich habe gerade nachgeguckt“, kam Emily aufgeregt wieder, „Du liegst auf dem fünften Platz, während ich mit auf dem 16 Platz liege“ „Lass uns die zweite Runde rocken“, sagte Lotta und drückte Emilys Hand.
Die zweite Runde begann. Jessica ritt genauso perfekt wie beim ersten Mal, obwohl sie nur eine Zehntelsekunde langsamer war. Emily ging mit mehr Selbstvertrauen an den Start. Mit nur zwei Fehlerpunkten und 16,08 Sekunden hatte sie sich deutlich verbessert. Aber ob das immer noch für die vorderen Plätze reichte? Die Zeit bis zu Lottas zweiten Start verstrich sehr schnell. Kerzengerade saß sie im Sattel und wartete auf das okay. Zeitgleich mit dem Startsignal setzte Sunshine zum ersten Galoppsprung an. Bald darauf hörte sie seine Hufe unter sich donnern und der Fahrtwind pfiff ihr um die Ohren. Wie beim ersten Mal bereiteten ihm die ersten Hindernisse keine Probleme. Ohne große Mühe setzte er lässig über die niedrigeren Stangen. Lotta spürte, dass Sunshine nur vor Elan und Kraft strotzte. Wie von einer unsichtbaren Kraft angetrieben jagte er durch den Parcour. Vor den Hindernissen, die dicht beieinander standen, nahm sie das Tempo raus. So hatte sie eine bessere Kontrolle über ihr Pferd. Diesmal riss Sunshine keine Stange. Anscheinend hatte er selber dazu gelernt. Nun ritt sie auf ihre Freundinnen zu, die ihren Namen riefen. Nur noch drei Hindernisse. Sunshine beschleunigte wieder, um genügend Schwung für den Wassergraben zu haben.
Ein kräftiger Sprung genügte und er setzte mit den Vorderhufen im weichen Sand auf. Nun galoppierte sie auf die Mauer. Lotta befürchtete, dass sie sich mit dem Abstand verschätzt hatte. Sunshine sprang schon eine Galoppsprunglänge zu früh ab. Sein rechter Hinterhuf touchierte die Stange, doch sie blieb liegen. Nun noch eine Hürde und sie war durch. Die Triplebarre klappte ohne Schwierigkeiten. „Lotta Janssen, null Fehlerpunkte und 15,47 Sekunden“, wurde mitgeteilt. Lotta parierte Sunshine durch zum Schritt und winkte ihren Freundinnen zu, die begeistert klatschten. Im Stallgang traf sie Emily. „Du warst so toll! Bestimmt landest du auf einem der ersten fünf Plätze“, fiel ihr ihre Freundin um den Hals. „Danke, du aber auch“, lachte Lotta. Die beiden Mädchen versorgten ihre Pferde. „Nur noch eine halbe Stunde bis zur Siegerehrung“, stellte Emily mit einem Blick auf die Stalluhr fest. „Bis dahin müssen wir unsere Lieblinge wieder auf Hochglanz bringen“, meinte Lotta und tunkte einen Schwamm in kaltes Wasser. Sunshine war ziemlich verschwitzt und genoss es, dass er geputzt wurde. „Wisst ihr schon die Ergebnisse?“, fragte eine vorbeikommende Reiterin. „Nein, die werden erst bei der Siegerehrung bekannt gegeben“, schüttelte Emily den Kopf.
Zuerst wurden die Letztplatzierten aufgerufen, die eine Teilnehmerurkunde erhielten. Lotta und Emily rechneten in jeden Augenblick damit, dass ihre Namen aufgerufen wurden. „Jetzt sind wir schon beim zehnten Platz und noch immer habe ich meinen Namen nicht gehört“, raunte Emily. „Sei doch froh, dann bist du einer der besser Platzierten“, murmelte Lotta. Gerade als sie dies sagte, wurde Emily auch schon aufgerufen. Sie hatte den achten Platz gemacht. Lotta wusste, dass ihre Freundin hätte besser sein können, wenn sie den ersten Ritt nicht dermaßen in den Sand gesetzt hätte. Nun kamen die Medaillenränge immer näher. Lotta hoffte, dass ihr Name nicht beim vierten oder fünften Platz aufgerufen wurde.
Stattdessen wurden zwei Zwillingsschwestern aufgerufen, die die Plätze vier und fünf belegten. „Lotta Janssen belegt mit einer Viertelsekunde Vorsprung auf die Viertplatzierte den dritten Platz“, kam aus den Lautsprechern. Strahlend ritt sie auf die Reitbahn und grüßte die Richter. Ihr Pferd bekam eine bronzefarbene Schleife umgehängt. Als nächstes wurde ein kleines zierliches Mädchen mit rotblonden Haaren aufgerufen, die Valerie Stein hieß und mit gerade vierzehn die jüngste Teilnehmerin war. Dass Jessica die Siegerin war, verwunderte niemanden. Sie war die unangefochtene Spitzenreiterin und führte die Ehrenrunde mit stolz erhobenem Haupt an. Lotta ritt an dritter Stelle. Jedes Mal wenn sie an ihren Freundinnen vorbei kam, rissen diese jubelnd die Hände hoch und riefen ihren Namen.
Zufrieden brachten Emily und Lotta ihre Pferde in den Stall zurück und gaben ihnen eine Extraportion Futter, die sie sich verdient hatten. „Nun hast du die 500€ für uns gewonnen“, freute sich Emily und hakte sich bei Lotta unter. „Ach was, die haben wir zusammen gewonnen“, entgegnete sie Emily. „Hey, super Ritt von euch!“, rief Jemand hinter ihnen. Die beiden Mädchen drehten sich um. Die Piranhas standen vor ihnen auf dem Hof. Breitbeinig, grinsend und mit Kappys, so wie sie die Jungs kannten. „Herzlichen Glückwunsch, Lotta!“, gab ihr Sven die Hand. „Danke!“, lächelte sie und spürte, wie ihr eine zarte Röte vor Verlegenheit ins Gesicht stieg. „Aber Emily war doch auch nicht schlecht, schließlich ist sie unter die ersten Zehn gekommen“, meldete sich Michael zu Wort. Noch einmal wurden die Mädchen von den Jungs ordentlich beglückwünscht. „Wir wollten euch etwas sagen“, begann Lennart. „Was denn?“, wurde Emily neugierig. „Wir haben eure Freundinnen gestern überredet, dass sie hier her kommen und euch unterstützen“, meinte Sven. „Wirklich? Dafür müssen wir euch aber richtig danken“, staunte Lotta. Nie und nimmer hätte sie gedacht, dass die Jungs ihre Bande wieder zusammenschweißen würden.
„Natürlich sollte es eine Überraschung sein“, fügte Michael hinzu, „Deswegen hat keiner euch etwas davon gesagt“ „Wie haben unsere Freundinnen reagiert?“, fragte Emily. „Die haben sofort gesagt, dass sie kommen wollen. Sie haben in unserer Gegenwart gemeint, dass der Streit ziemlich unnütz ist“, erwiderte Jannis. „Jetzt brauchen wir uns auch gar nicht mehr zu streiten“, sagte Emily euphorisch, „Mein Vater hat gestern den Wohnwagen abgeholt und ihn zu Werkstatt gefahren. Er lässt ihn auf seine Kosten reparieren, sodass wir uns darum nicht mehr kümmern müssen“ „Das ist noch besser“, freute sich Lotta über die gute Botschaft. „Wir müssen nun wieder weg“, sagte Max, „Um zwei haben wir ein Spiel“ „Ach, was wir euch noch sagen wollten“, meldete sich Lennart zu Wort, „Wir wollen die Hälfte des Erlöses aus dem letzten Hallenturnier an das Tierheim spenden“ „Das ist doch prima“, fand Lotta. „Seid wann seid ihr denn auf diesem Trip?“, hakte Emily nach. „Wir haben einen Artikel in der Zeitung gelesen, dass das Tierheim geschlossen werden muss, wenn es in absehbarer Zeit nicht saniert wird“, erzählte Ömer. „Was?“, Emily und Lotta blieben die Münder offen stehen. „Stand erst vorgestern in der Zeitung“, meinte Sven. „Gut, dass wir dagegen etwas tun“, sagte Lotta.
„Da sind ja unsere beiden Heldinnen!“, rief Mathilda von weitem und legte einen kurzen Sprint hin. Jubelnd rannten ihr die anderen Bandenmädchen hinterher. Lotta und Emily konnten sich vor Glückwünschen kaum noch retten und wurden von ihren Freundinnen fast zerdrückt. Zu ihrer großen Freude war auch Kiki dabei. „Du warst bärenstark, Lotta!“, wandte sich Kiki an sie und drückte ihre Hand. „Emily aber auch“, meinte Annemieke, „Sie wäre noch besser gewesen, wenn der erste Ritt besser gelaufen wäre“ „Danke!“, lächelte Emily. „Übrigens“, räusperte sich Mathilda und sagte kleinlaut, „Es tut uns leid, dass wir euch in den letzten Tagen so fies behandelt haben“ „Wir haben gemerkt, dass der Streit unsinnig war, aber wir wussten zuerst nicht, wie wir vernünftig auf euch zugehen sollten“, sprach ihre Zwillingsschwester weiter.
„Ach was, auch beste Freundinnen dürfen sich mal in die Haare kriegen“, unterbrach Lotta sie. „Stimmt, jetzt hat jede von uns ihre Grenze abgesteckt und nun ist gut gewesen“, meldete sich Aylin zu Wort. „Außerdem haben wir nun keinen Grund mehr zum Streiten. Papa übernimmt die Reparatur von unserem Wohnwagen“, meinte Emily. „Das ist spitze!“, freute sich Kiki und fiel Emily um den Hals. Die Zwillinge umarmten ihre beiden Freundinnen von hinten. „Wann ist der Wohnwagen wieder fertig?“, fragte Fianna neugierig. „Irgendwann nächste Woche“, antwortete Emily. „Endlich haben wir unser geliebtes Bandenquartier wieder!“, platzte Mathilda vor Freude und hüpfte wie ein kleines Kind auf und ab. Annemieke griff nach ihren Händen und begann ebenfalls zu hüpfen. „Genug, ihr Hupfdohlen!“, lachte Lotta, „Lasst uns etwas essen, mir hängt der Magen in der Kniekehle“ „Dem schließe ich mich gerne an“, sagte Vivien sofort. „Lotta, wo warst du die ganze Zeit?“, kam ihr Vater auf sie zu. „Ich habe nur mein Pferd in die Box gebracht und dann habe ich mit meinen Freundinnen unterhalten“, erwiderte Lotta.
„Erst mal muss ich sagen, es war eine erstklassige Leistung von dir, Maus!“, gratulierte ihr Vater. Hinter ihm tauchte ihre Mutter mit Leon auf. „Lotta, Glückwunsch zum dritten Platz!“, wurde sie von ihrer Mutter umarmt. „Wollt ihr etwas essen?“, fragte ihr Vater. „Gerne, ich bin schon kurz vorm Verhungern“, nickte Lotta. „Soll ich dir fünf Euro in die Hand drücken?“, zückte ihre Mutter ihr Portemonnaie. Ihr Mann hielt sie allerdings zurück. „Was haltet ihr davon, wenn ich die ganze Bande zu einem Getränk, einer Bratwurst und einer Pommes einlade?“, schlug er vor. „Vielen Dank, das ist wirklich nett von Ihnen!“, bedankte sich Kiki im Namen der Bande. Er drückte Lotta einen Hunderteuroschein in die Hand und verschwand mit seiner Frau und ihrem Bruder in den Menschenmassen. „Los, lasst uns die nächste Pommesbude stürmen!“, rief Fianna euphorisch und zog Vivien mit sich. „Wollt ihr ein Wettrennen machen?“, kamen die Zwillinge hinterher geprescht. „Hey, wir brauchen uns doch gar nicht beeilen!“, meinte Kiki, „Die Wurst läuft uns doch nicht weg!“
Im Festzelt fanden die Freundinnen einen freien Tisch. „Für mich keine Bratwurst!“, erinnerte Aylin ihre Freundinnen. Emily, Lotta, Aylin und Kiki hielten die Plätze frei, während sich ihre Freundinnen entweder an dem Getränkestand oder an der Grillbude anstellten. Schwatzend kamen Fianna, Vivien und die Zwillinge wieder. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie blöd der Typ geguckt hat, als Matti und ich sieben Bratwürste und achtmal Pommes bestellt haben“, gickerte Annemieke los und verschluckte sich an ihrer Fanta, sodass Vivien ihr auf den Rücken klopfen musste. „Ich kann mir vorstellen, wie er geguckt hat“, grinste Kiki und versuchte den Blick nachzuahmen. Wieder brachen die Freundinnen in ein lang anhaltendes Lachen aus, sodass sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischen mussten.
„Lasst uns endlich reinhauen!“, rief Lotta ungeduldig. „Nein, zuerst stoßen wir auf unsere beiden Profireiterinnen an!“, bremste Kiki sie und hob ihren Pappbecher hoch. Die anderen Mädchen taten es ihr gleich. „Zum Glück sind wir wieder Freundinnen!“, raunte Annemieke Lotta zu. „Der Ansicht bin ich auch“, pflichtete sie ihr bei. „Was heißt denn bitteschön, dass wir wieder Freundinnen sind?“, machte Kiki ein leicht spöttisches Gesicht, „Nur weil man sich einmal streitet, ist nicht sofort die ganze Freundschaft perdu“ „Auf jeden Fall war es sehr kindisch, wie wir uns verhalten haben“, fand Vivien. „Zumindest brauchen wir uns keine Sorgen mehr um unseren Wohnwagen zu machen“, klang Fianna erleichtert. „Lasst uns das richtig feiern, wenn der Wohnwagen repariert ist“, schlug Lotta vor. „Na klar!“, nickten die Zwillinge.
Mit verbitterter Miene packte Lotta ihre Englischarbeit in die Tasche. „Was hast du?“, raunte ihr Emily zu. „Nur eine Vier plus und es fehlt mir nur ein Punkt zur Drei“, grummelte sie. „Immerhin bist du um eine ganze Note besser als ich“, erwiderte Emily. „Trotzdem wird Mama mit mir meckern und mir vorwerfen, dass ich nicht genug gelernt habe. In letzter Zeit wollte sie mir sowieso verbieten, dass ich mehr als einmal pro Woche mit euch abhänge“, schaute Lotta ihre Freundin schlecht gelaunt an. „Glaubst du, dass ich mit meinem Ergebnis zufrieden bin?“, brummte Emily, „Ich hätte eine Party geschmissen, wenn ich wenigstens noch eine Drei oder eine Vier gehabt hätte“ Der Gong erlöste die Schüler von der Doppelstunde Englisch. „Ich habe eine drei minus!“, strahlte Mathilda, „Das ist die beste Englischarbeit seit einem Jahr“
Lotta nickte nur und dachte bei sich, „Schön für dich!“ Anhand Annemiekes und Fiannas glücklichen Gesichtern war abzulesen, dass sie bei der Klassenarbeit gut abgeschnitten haben mussten. Trotzdem wollte Lotta ihre Noten nicht wissen. Zu fünft schlenderten sie in die Cafeteria und steuerten auf ihrem Stammtisch am Fenster zu. „Hey, ich wollte euch noch einmal was sagen“, wurden sie von Sven und Jannis abgefangen. „Was wollt ihr?“, kam es ungewollt barsch von Mathilda. „Unsere Fußballmannschaft wird 300€ an das Tierheim spenden“, meinte Lennart. „Das hört sich doch super an“, fand Emily. „Unser Trainer hat gesagt, wir sind zum Jubiläumsfest eingeladen“, fuhr Sven fort, „Aber nur mein Vater, ich und zwei weitere Spieler werden dort hingehen und den Scheck überreichen. Es wären sicher zu viele, wenn wir mit der ganzen Mannschaft aufkreuzen würden“ „Wir sind auch eingeladen, erst gestern landete die Email in meinem Postfach“, sagte Emily fröhlich, die auf einmal wieder gute Laune hatte.
Zu ihrer Überraschung war ihre Mutter bereits um zwei Uhr wieder zuhause. Bestimmt war heute einer dieser Tage, an denen sie nur halbtags arbeiten musste. „Hast du heute eine Arbeit wieder bekommen, Lotta?“, fing sie ihre Tochter vor der Tür zur Küche ab. Zerknirscht nickte Lotta. Noten von Klassenarbeiten und Referaten zu verschweigen, hatte bei ihrer Mutter keinen Sinn. Spätestens beim Elternsprechtag käme die ganze Wahrheit ans Licht. „Das war doch sicherlich die Englischarbeit?“, hakte ihre Mutter nach. „Ja, leider nur eine Vier plus“, grummelte Lotta und stocherte in ihrem Essen herum. „Wieso das?“, machte ihre Mutter ein vorwurfvolles Gesicht. „Wüsste ich auch gerne!“, zuckte sie mit den Achseln. Ungefragt öffnete ihre Mutter ihre Schultasche und fischte das Arbeitsheft heraus. Lotta platzte beinahe vor Wut.
„Carlotta, wie ich sehe, hast du nicht richtig gelernt! Hättest du dich mehr auf den Hosenboden gesetzt, wäre es eine Zwei oder eine Drei gewesen. So schwer war die Arbeit nun auch nicht gewesen“, rieb sie Lotta unter die Nase. „Na und? Ich hatte dazu keine Zeit“, gab Lotta pampig zurück. „Die Zeit hättest du wohl gehabt, wenn deine Freundinnen und du nicht die ganze Zeit Gelder für das Tierheim gesammelt hättet“, erwiderte ihre Mutter schnippisch. „Weißt du was, jede andere Mutter wäre froh, wenn sich ihre Kinder für einen guten Zweck einsetzen würden, anstatt Stunden lang vor ihren Konsolen oder PCs zu sitzen!“, brauste sie auf, „Du forderst stattdessen Leistung, Leistung und noch mal mehr Leistung! Alles andere blendest du aus!“ Die Vorwürfe prallten an ihrer Mutter ab, wie Regentropfen auf einer wasserdichten Jacke. „Nimm dir ein Beispiel an Leon. Er ist in keinem Fach schlechter als zwei und selbst in Deutsch hat er sich eine knappe Zwei minus erkämpfen müssen“, sagte sie stattdessen. „Mama, du kannst ihn überhaupt nicht mit mir vergleichen!“, rief Lotta wütend, „Früher in der Grundschule hatte ich auch einen Schnitt von 1,5! Außerdem ist Leon nicht immer fleißiger als ich“ „Immerhin erledigt er ordentlich seine Hausaufgaben und lernt für die Arbeiten“, hielt ihr ihre Mutter entgegen. „Weil du ihn dazu zwingst!“, zischte Lotta.
„Wie ich sehe, muss ich dir wohl das dauerhafte Zusammenhocken mit deiner Bande verbieten. Du gluckst eh jeden zweiten Tag mit ihnen nachmittags zusammen“, eiferte sich ihre Mutter, „Du könntest eine 2,0 auf deinem Halbjahreszeugnis haben, anstatt bringst du es bestenfalls nur noch auf 2,9. Dabei weiß ich ganz genau, dass du genauso schlau bist wie dein Bruder“ Wütend rannte Lotta aus der Küche und ließ ihren halbvollen Teller stehen. „Halt!“, schrillte die spitze Stimme ihrer Mutter durch das Treppenhaus. „Lass mich gefälligst in Ruhe!“, rief Lotta ungehalten. „Du wirst nachmittags nicht mehr nach draußen gehen, außer wenn du zum Hof fährst und dich um Sunshine kümmern musst. Aktivitäten mit deinen Freundinnen sind erstmal für dich gestorben, solange du dich nicht besserst“ Zornig schlug Lotta die Zimmertür hinter sich zu und warf sich auf ihr Bett.
Drei Tage danach war das Jubiläumsfest im Tierheim. „Wo willst du hin?“, fragte ihre Mutter, als sie ihre Jacke von der Garderobe angelte. „Ich muss eben zu Annmieke und Mathilda. Wir arbeiten zu dritt ein Referat zum Thema Kinderarmut in der dritten Welt aus“, fand Lotta in Sekundeschnelle eine glaubwürdige Ausrede. „Na gut, du darfst selbstverständlich zu ihnen fahren, da es für die Schule ist“, nickte ihre Mutter und fragte, „Wieso hast du die Zwillinge nicht zu uns eingeladen?“ „Weil wir es in der Schule so abgesprochen haben“, antwortete Lotta knapp und schritt zur Tür hinaus. „Sei spätestens um acht Uhr zum Abendbrot wieder hier!“, rief ihr ihre Mutter hinterher. Lotta trat kräftig in die Pedale. Schnell wurde ihr warm. „Wenn ich in knapp neun Monaten endlich sechzehn werde, mache ich den Motorradführerschein“, dachte sie. Von Emily wusste sie bereits, dass sie dabei war ihn zu machen und ihr Vater wollte ihr demnächst ein Motorrad schenken, wenn sie die Prüfung bestanden hatte.
Drei Straßenkreuzungen weiter, warteten die Zwillinge auf sie. Ihre beiden Freundinnen wohnten ebenfalls in der Neubausiedlung. Die Schwestern schauten sie mit einem breiten Grinsen an. „Wie konntest du diesmal deine Mutter überlisten?“, schmunzelte Annemieke. „Ganz einfach, ich habe ihr erzählt, dass ich wegen des Referates zu euch muss“, erzählte Lotta. „Deine Mutter weiß garantiert nicht, dass wir das Referat schon vor drei Wochen gehalten haben“, gickerte Mathilda los. „Du findest immer tolle Ausreden, Lotta!“, klopfte ihr Annemieke auf die Schulter. „Bei der Mutter ist das kein Wunder!“, bemerkte ihre Zwillingsschwester in einem spöttischen Tonfall. „Worauf wartet ihr eigentlich?“, sah Lotta die Freundinnen an. „Warum hast du es so eilig?“, wunderte sich Mathilda. „Ganz einfach, weil ich nichts für das Einweihungsfest für unseren neuen Wohnwagen habe“, erwiderte Lotta, „Ich wollte noch Kuchen kaufen“ „Bloß kein Kuchen! Davon haben wir mehr als genug. Allein wir haben schon Waffelteig und eine kleine Schokoladenrolle im Gepäck“, wehrte Annemieke ab, „Kauf doch lieber Limonade und Chips!“ „Na gut, von mir aus“, seufzte Lotta. Beim nächsten Supermarkt machten sie Halt. Während Mathilda bei den Fahrrädern blieb, gingen Annemieke und Lotta in den Laden.
Nachos, Gummibärchen und zwei Flaschen Cola landete im Einkaufskorb. „Willst du wirklich den ganzen Laden ausräumen?“, scherzte Annemieke, als Lotta noch eine XXL-Tafel Schokolade dazu legen wollte. „So viel brauchen wir auch nicht“, meinte sie und legte die Schokolade zurück ins Regal. Nachdem sie gezahlt hatte, fuhren die Mädchen zum Wohnwagen, der erst seit gestern wieder an seinem angestammten Platz im Schrebergarten stand. Die Mädchen waren sehr gespannt, wie er nun von innen aussah. Emily und Aylin waren schon da, als sie mit hochroten Köpfen ankamen. „Ihr setzt keinen Fuß in den Wohnwagen“, baute sich Emily vor ihnen auf. „Wir wollen doch nur unsere Sachen dort…“, weiter kam Lotta nicht. „Ich bringe eure Sachen eben rein, aber den Wohnwagen eröffnen wir nach dem Jubiläumsfest gemeinsam“, meinte Emily. „Wir habt ihr alles so gut wieder hinbekommen?“, staunte Annemieke. „Das war ein hartes Stück Arbeit“, erzählte ihre beste Freundin, „Hätten mir Annika, Rachel, Manfred, Pat und Papa mir nicht geholfen, hätte ich das niemals geschafft“
Nachdem Vivien und Fianna mit Kiki eingetrudelt waren, fuhren die Mädchen los. „Zum Glück ist es nicht mehr so kalt“, stellte Emily fest. „Sei doch froh, wenigstens frieren dir nicht mehr deine Finger ab“, meinte Kiki, „Bei uns in Mainz war es heute mindestens vier Grad kälter als hier“ Bis zum Tierheim war es vom Bandenquartier aus ein ordentliches Stück. Nachdem sie Rachels Hof passierten, wussten die Freundinnen, dass es nicht mehr weit war. Neuerdings hat Emily eine Abkürzung über einen Feldweg gefunden. Die Mädchen fuhren zu zwei nebeneinander. Kiki und Mathilda führten die Gruppe an, danach kamen Emily und Annemieke. Lotta fuhr neben Fianna. Aylin und Vivien bildeten das Schlusslicht. Noch vor ein oder zwei Jahren hätten sie sich wilde Verfolgungsjagden geliefert, doch heute hatten sie keine Lust dazu und radelten im gemütlichen Tempo durch den Wald. „Links! Ihr müsst links rein!“, rief Emily und überholte, Mathilda und Kiki. „Endlich da!“, seufzte Vivien erleichtert. „Jetzt müssen wir einfach nur der Musik folgen“, murmelte Lotta. Zu acht fuhren sie im gemäßigten Tempo die Auffahrt entlang.
Auf dem Hof waren ein großes Festzelt und mehrere Informationsstände aufgebaut. Am Randstreifen parkten einige Autos. Die Bandenmädchen stellten ihre Fahrräder ab. „Hier kommen die Bandengirls der weltberühmten Roten Sieben!“, selbstbewusst stemmte Mathilda ihre Hände in die Hüfte. „Alle in Position, in Zweierreihen und Gleichschritt bitte!“, scherzte Kiki und griff nach Lottas Hand. Die anderen Mädchen taten es ihnen nach. Selbstverständlich war, dass die Zwillinge Hand in Hand gingen, genauso wie Fianna und Aylin. „Das sieht fast so aus, als wären wir auf einer Parade!“, kicherte Vivien, die neben Emily ging. Was denken die Leute nur von uns, wenn sie uns so sehen?“, wisperte Emily. „Als ob wir uns so präsentieren müssen!“, rollte Lotta mit den Augen. „Kommt, das sieht kindisch und albern aus“, fand Fianna und ließ Aylins Hand los. Die Roten Siebenerinnen gingen wieder normal nebeneinander her.
„Hey, auf euch haben wir schon gewartet!“, wurden die Mädchen von Sven empfangen, der zusammen mit seinem Vater, Ricardo und Jannis die Fußballmannschaft vertrat. „Was? Sind wir schon zu spät?“, erwiderte Kiki irritiert. „Ach was, die Ansprache fängt erst in einer Viertelstunde an“, grinste er. „Wollen wir nicht Andrea suchen gehen?“, schlug Fianna vor. Dagegen hatten ihre Freundinnen nichts einzuwenden. Die Roten Siebenerinnen fanden sie an einem der Infostände. „Es freut mich sehr, euch zu sehen“, begrüßte sie die Mädchen. „Wie geht es inzwischen den kleinen Welpen?“, fragte Annemieke. „Ihnen geht es dank guter Pflege wieder viel besser“, erwiderte Andrea. „Haben sie schon Namen?“, wollte Mathilda wissen. „Erst seit wenigen Tagen“, meinte die Mitarbeiterin, „Wir haben sie Anton, Willi, Lara und Micky genannt“ „Ausgerechnet Micky!“, schmunzelte Annemieke, worauf Andrea sie fragend anguckte. „Das ist der Spitzname meiner Schwester, die eigentlich Annemieke heißt“, erklärte ihr Mathilda. „Dürfen wir sie sehen?“, fragte Emily überschwänglich. „Sie werden sich sicher freuen euch zu sehen“, lächelte Andrea, „Aber wartet mal bis zur Ansprache, die schon in knapp acht Minuten anfängt“
Ein Mann in einem grauen Anzug, der wohl der Leiter des Tierheims sein musste, trat auf die Bühne. „Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Tierfreunde und Tierfreundinnen! Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind zur Jubiläumsfeier unseres Tierheims. Als Ehrengast dürfen wir Herrn Mittermayer, den Oberbürgermeister von Freudenburg begrüßen“, sprach er ins das Mikrofon. Ein großer Mann mit dunklen Haaren trat neben ihn und der Tierheimleiter überreichte ihm das Mikrofon. Er richtete ein Grußwort an die Gäste und Mitarbeiter. Die Menschen applaudierten und der Oberbürgermeister trat ab. „Gleich kommen wir an die Reihe!“, tickte Emily Lotta und Kiki an. „Das wissen wir!“, raunte Kiki ihr zu.
„Nun wollen wir alle Sponsoren und Spender auf die Bühne rufen“, fuhr der Leiter des Tierheims fort und nannte zuerst ein Ehepaar, welches einen 500€-Scheck hochhielt. Dann folgten drei weitere Sponsoren von mittelständischen Unternehmen. „Als nächstes danken wir der Jugendabteilung des 1.SV Freudenburgs, die insgesamt 300€ spenden“, verkündete der Tierheimleiter. Sven, sein Vater, Jannis und Ricardo traten mit dem Scheck in der Hand auf die Bühne. Als erstes wurde ein Foto geschossen. „Wie schaffen es die Fischköppe nur so breit zu grinsen?“, stupste Mathilda ihre Schwester an. „Vielleicht weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein gutes Gewissen haben“, gluckste Annemieke, die dafür von Emily einen leichten Seitenhieb bekam. Svens Vater bekam das Mikrofon in die Hand gedrückt. „Sehr gerne spenden wir die 300€ an eine allgemeinnützliche Institution, die Tieren in Not hilft“, sagte er und reichte das Mikro weiter an seinen Sohn. „Ein paar Mädchen aus unserer Schule hatten uns auf diesen Trip gebracht. Wir sind ihnen sehr dankbar, dass sie uns auf diese gute Idee brachten“, hatte Sven zu verkünden.
Die Menschen vor der Bühne begannen eifrig zu klatschen. „Ich weiß ganz genau, wen er damit meinte“, wisperte Aylin. Kurz darauf wurden die Mädchen auf die Bühne gerufen. Kiki nahm den Scheck über 2700€ entgegen und hielt ihn stolz in die Höhe. „Wir freuen mit euch ein paar sehr engagierte junge Mädchen zu haben. Nicht vor all zu langer Zeit haben sie ausgesetzten Welpen das Leben gerettet. Seither halten sie engen Kontakt zu unserem Tierheim und haben innerhalb kürzester Zeit“, dankte ihnen der Leiter. Die Mädchen postierten sich um Kiki und den Scheck. Überglücklich und stolz lächelten sie in die Kamera. „Habt ihr auch noch etwas zu sagen?“, wandte sich der Leiter an sie. Entschlossen nahm Lotta das Mikrofon an sich. „Nachdem wir vor einigen Wochen fünf Welpen gefunden haben, die schutzlos in einer Kiste ausgesetzt waren, sahen wir, wie wichtig es ist sich für herrenlose Haustiere einzusetzen“, sagte sie und gab Kiki das Mikro. „Wir sind stolz, dass wir innerhalb kürzester Zeit über 2000€ zu sammeln und somit dem Tierheim zu helfen. Es ist sehr wichtig sich für Tiere einzusetzen, die Herrchen und Heimat verloren haben. Jedes Lebewesen hat ein Recht darauf, dass es ihm gut geht“, sagte ihre Freundin. Die Menschen klatschten Beifall. Als die Mädchenbande abtrat, hatte Lotta das Gefühl, dass sie wieder etwas gemeinsam geschafft hatten. Es war einer dieser unvergesslichen Momente, die sie so liebte.
Nach den Mädchen trat der Geschäftsführer der Neuerbauer&Söhne GmbH auf die Bühne. „Kennen wir den nicht? Irgendwer kommt er mir bekannt vor“, raunte Emily aufgeregt. „Das ist mein Stiefvater!“, wisperte Kiki. „Spendet er etwa auch?“, machten die Zwillinge große Augen. „Er war begeistert, als ich ihm erzählte, dass ich mit meinen Freundinnen Geld für das Tierheim sammle. Sein Chef und er wollen 5000€ spenden“, erzählte die Bandencheffin. Lotta wäre insgeheim froh gewesen, wenn ihre Mutter sich gefreut hätte, dass sie sich für den Erhalt des Tierheims einsetzte. Zum Schluss wurde noch ein Bild für die Zeitung gemacht, auf dem alle Spender und Sponsoren zu sehen waren. Nachdem die Ansprache vorbei war, kam Kikis Stiefvater auf sie zu. „Habt ihr Lust eine Bratwurst zu essen?“, fragte er die Bande. „Nimm es mir nicht übel, Peter! Aber wir wollen nachher die Wiedereinweihung unseres Wohnwagens feiern und da wird es Kuchen geben“ „Och, ich hätte nichts gegen eine Bratwurst“, meldete sich Mathilda zu Wort.
„Dass du immer so viel futtern musst, du kleine Raupe Nimmersatt!“, wurde sie von Fianna aufgezogen, „Nachher kannst du dich mit Kuchen und Süßkram voll stopfen bis zu platzt“ „Du bist immer so nett!“, gab Mathilda ironisch zurück. „Vielleicht hättet ihr Lust auf ein Getränk?“, fragte Kikis Stiefvater in die Runde. „Das schon eher!“, nickte Kiki. Am Getränkestand bestellten sich die Mädchen viermal Cola und viermal Limonade. „Auf unsere Spende!“, hob Kiki ihr Glas und stieß mit ihren Bandenfreundinnen und ihrem Stiefvater an. „Wollen wir nicht endlich zu den Welpen gehen?“, wurde Mathilda ungeduldig. „Warte doch, wir haben noch gar nicht ausgetrunken“, hielt ihre Zwillingsschwester sie zurück. Erst nachdem die Mädchen ihre Gläser zurückgegeben hatten, gingen sie ins Hauptgebäude. „Eure Lieblinge sind jetzt im Erdgeschoss untergebracht“, rief ihnen Andrea hinterher und zeigte ihnen den Weg. Die vier Welpen wedelten fröhlich mit ihren Schwänzen, als sie die Mädchen sahen. „Ich habe euch so vermisst!“, rief Emily überschwänglich und streichelte den Welpen, auf dessen Halsband Willi stand. „Ich sehe sie heute zum ersten Mal wieder, nachdem wir sie gefunden haben. Aber sie sind groß und kräftig geworden. Schade, dass einer von ihnen es nicht überlebt hat“, raunte Kiki Lotta zu.
„Oh ja, das sind jetzt schon richtige Prachtexemplare“, murmelte sie. „Wenn ich bloß einen von ihnen haben!“, seufzte Aylin sehnsüchtig. „Dann überrede doch deine Eltern!“, meinte Vivien. „ Haha, du weißt nicht, wie schwer das ist, Vivi! Meine Eltern kann niemand überzeugen, noch nicht einmal meine große Schwester. Zu einem Hund werden sie garantiert auch nein sagen“, machte Aylin ein resigniertes Gesicht. „Vielleicht finden sie bald ein schönes Zuhause mit einem lieben Herrchen“, sagte Annemieke leise und kraulte Micky hinter den Ohren. „Zu wünschen wäre das!“, murmelte Lotta. „Hey, wollen wir nicht langsam unseren Wohnwagen einweihen?“, blies Kiki zum Aufbruch. Den Roten Siebenerinnen fiel es schwer Abschied zu nehmen. Emily musste schlucken, als sie ihren tierischen Freunden versprach, sie demnächst wieder zu besuchen.
„Ihr dürft erst hinein, wenn ich alles soweit hergerichtet habe!“, rief Emily und ließ ihre Freundinnen vor dem Wohnwagen warten. Inzwischen war es schon dunkel und die Temperaturen sanken fast auf den Gefrierpunkt. „Sollen wir noch bis Ostern warten?“, verdrehte Lotta die Augen. „Lily, mach hin! Mir frieren gleich die Füße ab!“, bollerte Fianna gegen die Tür. „Nur noch eine Kerze!“, hörten sie Emilys Stimme gedämpft. Dann schwang die Tür im hohen Bogen auf. Annemieke, die direkt dahinter stand, bekam sie fast an den Kopf. „Kiki, nun musst du nur noch das Band durchschneiden!“, reichte Emily der Obersiebenerin eine Bastelschere. „Soll ich noch eine Eröffnungsrede halten?“, Kiki konnte den spöttischen Unterton nicht verbergen. „Hey, jetzt mach doch Emilys Idee nicht so runter!“, nahm Annemieke ihre beste Freundin in Schutz, „Ich finde es super, dass sich sowas Originelles einfallen lässt“ „Der Meinung bin auch!“, pflichtete ihr Vivien bei, „Ich liebe Kreativität über alles“ Kiki durchtrennte mit einem sauberen Schnitt das rote Kreppband.
„Juhu, der Wohnwagen ist freigegeben!“, jubelte Mathilda und legte ihre Arme lässig um Lotta und Aylin. „Es ist wunderschön hier, auch wenn es noch ein wenig leer ist. Sobald wir unsere Bilder und Poster aufgehängt haben, ist das hier der gemütlichste Ort der Welt“, geriet Annemieke ins Schwärmen. „Zum Glück ist die Couch noch da“, freute sich Fianna. „Kommt, lasst uns endlich über unsere Leckereien herfallen!“, bekam Lotta einen unbändigen Appetit. „Der Tisch ist schon gedeckt. Setzt euch!“, trommelte Emily die Roten Siebenerinnen zusammen. „Wow, so viel Kuchen hatten wir noch nie!“, staunte Aylin und bot ihren Freundinnen ein türkisches Gebäck mit Mohn an, welches leicht süßlich schmeckte. Lotta nahm sich vor, von jedem Kuchen ein bisschen zu probieren.
Annemieke stand am Waffeleisen. „Jemand noch eine Waffel?“, fragte sie. „Ich kann noch eine verdrücken, die schmecken heute extrem lecker“, erwiderte Fianna. „Kannst du mir das Geheimnis verraten, weshalb eure Waffeln heute so gut schmecken?“, bat Aylin. „Wir haben nur ein wenig Zimt und Rumaroma unter den Teig gerührt“, lüftete Mathilda das Geheimnis. Einen Moment später quiekte ihre Schwester kurz auf. „Was ist passiert?“, reckte Kiki ihren Kopf. „Ich habe mich an dem Waffeleisen verbrannt, weil ich einen Moment lang nicht aufgepasst habe“, jammernd hielt Annemieke ihren Zeigefinger unter den Wasserhahn der Spüle. „Ich habe eine Salbe dabei, die dagegen hilft“, meinte Lotta und warf ihr die Tube zu. „Danke!“, erwiderte ihre Freundin. „Trotzdem wirst eine kleine Brandblase davon tragen, Micky!“, bemerkte Mathilda, „Aber so schlimm ist das nun auch nicht“ Lotta ließ ein Lied über ihr Handy abspielen. Die Mädchen standen auf und begannen zu tanzen. „Wehe, ihr werft irgendetwas herunter, dann habt ihr das letzte Mal hier drinnen getanzt!“, drohte Emily mit dem Zeigefinger. „Das wird schon nicht passieren!“, rief Mathilda, die sich abrupt umdrehte und kam fast gegen das Wandregal kam. „Hey, pass doch auf!“, zischte Lotta.
Es klopfte an der Tür. „Bestimmt ist es Josephine oder wenn es schlimm kommt der Griesgram von nebenan?“, vermutete Fianna und ihre Freundinnen verstummten. Die Mädchen täuschten sich. Vor ihnen stand Michael. „Was machst du denn hier, Michael?“, fielen Emily fast die Augen aus dem Kopf. „Ich muss euch sagen, dass meine Oma vorhin ins Krankenhaus gebracht worden ist“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Du meinst Josephine?“, hakte Kiki nach. „Genau!“, nickte er. „Oh je, was hat sie nur?“, wurde Annemieke ganz bleich. „Wir müssen es noch nicht genau, aber vorhin konnte sie ihren linken Arm nicht mehr heben, dann stürzte sie die Treppe herunter und war nicht mehr ansprechbar“, fuhr Michael fort.
„Das muss wohl ein Schlaganfall gewesen“, wusste Kiki, „Meine Oma hatte sowas vor fast zwei Jahren auch. Zum Glück hat sie das überlebt“ „Meine Oma wird es auch überleben, aber ob sie danach so fit ist, ist die andere Frage“, murmelte er. „Magst du noch ein wenig hier bleiben?“, bot Mathilda ihm an, die sichtbar getroffen war und mühevoll ihre Tränen unterdrücken musste. „Nein, ich muss schnell noch in ihrem Garten nach dem Rechten schauen“, lehnte er ab, „Trotzdem danke für das Angebot!“ Leise schloss er die Tür hinter sich. Schweigend sahen sich die Freundinnen an. Lotta konnte es immer noch nicht fassen, dass es so um Josephine stand. Jedes Mal wenn sie ihre alte Schrebergartennachbarin sahen, machte sie immer einen fröhlichen und netten Eindruck. Wortlos griff Lotta nach Emilys und Kikis Händen. Die Nähe ihrer Freundinnen half gegen den Schock.
Liebe Oma!
Nun haben wir es seit vorgestern März. Der Winter ist schon fast vorbei. Die ersten Blumen erwachen aus dem Winterschlaf. Meine Freundinnen und ich sind froh, dass die Tage wieder länger werden. In den letzten Wochen haben wir viel erlebt. Wir haben dem Tierheim unsere Spende von 2700€ überreicht und unseren Wohnwagen neu eingeweiht, nachdem er einen Sturmschaden erlitten hat. Kurz darauf haben wir den 15. Geburtstag von unserer Freundin Kiki und das dreijährige Bestehen unserer Bande gefeiert.
Innerhalb von drei Jahren haben wir eine Menge Abenteuer bestanden, haben gelacht, uns gefreut, geweint, Sorgen und Geheimnisse geteilt, Spaß gehabt, uns geneckt, gestritten und vor allem durch dick und dünn gegangen. Außerdem haben wir uns sehr verändert, ganz am Anfang waren wir noch Kinder und hatten ganz andere Vorstellungen vom Leben als jetzt. Damals standen noch Spaß haben, Albereien und den Piranhas Streiche spielen auf der Tagesordnung. Nun geht es in unseren Gesprächen mehr um Jungs, Gefühle und Beziehungskrisen. Die Pubertät ist nicht immer ein Zuckerschlecken, vor allem wegen der Auf und Abs.
Zudem bin ich seit drei Tagen nicht mehr mit meinem Freund Freddy zusammen. Wir haben uns am Ende sowieso sehr oft gestritten. Dann kam seine SMS, dass er mit mir Schluss macht, da er in ein anderes Mädchen verliebt ist. Dieser Feigling, warum hat er nicht persönlich mit mir darüber geredet? Sofort habe ich seine Handynummer gelöscht. Ich bin auf meinem Fahrrad gestiegen und bin in Windeseile zum Wohnwagen gefahren. Zu meiner Überraschung waren einiger meiner Freundinnen dort. Ich habe mindestens zwei Stunden lang nur noch geheult. Zum Glück ist auf meine Mädels immer Verlass, sie haben mich getröstet und mir gut zugeredet. Gerade leide ich immer noch ziemlich unter dem Liebeskummer, doch langsam wird es besser. Immerhin habe ich meine Bandenfreundinnen, die mich nie so verlassen würden, wie irgendwelche doofen Jungs.
Liebe Grüße, deine Lotta!
Ps: Ich werde dich und Opa in den Osterferien für ein Wochenende besuchen kommen, ist aber noch ein wenig hin!
Vor einigen Wochen war ein Bild von uns in der Zeitung, als meine Freundinnen und ich dem Tierheim eine Spende in Höhe von 2700 Euro überreichen konnten. Wir sind stolz wie Bolle, dass wir so viel Geld für die Tiere sammeln konnten!
Und hier nochmal ein Bild vom Weihnachtsreiten: Es war ein ziemlich großer Aufwand die Quadrille einzustudieren, aber gelohnt hat es sich trotzdem. Auf jeden Fall konnten wir bei dem Hoffest jede Menge Spenden sammeln und einige Leute spendeten sogar freiwillig.
Zutatenliste
So geht’s
Wichtig ist, dass die Butter sehr weich ist. Deshalb lasst sie sie mehrer Stunden vorher an einem lauwarmen Platz stehen. Zuerst verrührt ihr die Butter mit den Gewürzen, gebt den Zucker und die Milch hinzu. Dann kommen das Mehl und das Backpulver dazu. Ist der Teig noch zu bröselig, könnt ihr die Konsistenz mit etwas Milch so einstellen, dass ihr den Teig gut kneten könnt und zu einer Kugel formt. Nun wird der Backofen auf 180 Grad vorheizen und den Teig auf der Arbeitsfläche ausrollen. Jetzt könnt ihr mit den Spekulatiusformen (oder euren normalen Keksformen) die Kekse ausstechen. Die Kekse kommen auf ein Beckblech und werden 11-15 Minuten gebacken (je nachdem, wie dunkel die Kekse sein sollen). Nun noch ein Tipp der Bandenmädels: richtig lecker werden die Spekulatius, wenn ihr sie auf der Unterseite mit geschmolzener dunkler Schokolade bestreicht und dann noch mit Krokantstückchen oder Mandelplättchen verziert.
Viel Spaß bei eurer Weihnachtsbäckerei!
Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.
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Tag der Veröffentlichung: 25.02.2015
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