Dieses Buch widme ich meinen treusten Lesern und Leserinnnen sowie den Menschen, die mich dazu inspiriert haben, dieses Buch zu schreiben. Gleichzeitig widme ich es auch gern all den Mädchen, die selbst ein Bandengirl sind oder es im Herzen sind. Außerdem möchte ich mich bei meinem guten Freund Lennard Nörtemann für das wunderschöne Cover bedanken.
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„Hey, wartet auf mich!“, rief Aylin ihren Freundinnen hinterher, die zeitgleich mit dem Pausengong fluchtartig den Klassenraum verließen. Hastig packte sie ihr Pausenbrot und ihr Trinkpäckchen aus der Tasche.
„Aylin, wie lange willst du noch in deiner Tasche herumbuddeln?“, vernahm sie Lottas Stimme.
„Ich komm doch schon!“, drehte sie sich abrupt um, nahm ihre Frühstücksutensilien und eilte auf Emily und Lotta zu, die auf sie warteten.
„Die Englisch-Arbeit war mal wieder ein Alptraum!“, schimpfte Emily los. „Ich reiße mir den Hintern auf und trotzdem nur eine Vier minus, dabei hat es Micky mir tausendmal erklärt. Anscheinend bin ich resistent was Fremdsprachen angeht. Meine Mathe- und Geschichtsnoten werden auch nicht viel besser sein.“
„Ich habe doch auch nur eine Vier“, murmelte Aylin.
„Ich habe gerade eben noch eine Zwei“, freute sich Lotta. „Zwar mit einem fetten minus, aber meine Mutter wird sich zum ersten Mal über eine Englischarbeit von mir freuen.“
Zwei jüngere Jungs drängten sich an ihnen vorbei, wobei der Kleinere mit dem Kappy Emily rücksichtslos gegen die Feuerschutztür schubste.
„Pass doch besser auf, wo du hinläufst!“, pflaumte sie ihn schlecht gelaunt an. Mit einem kleinlauten „Sorry!“ machte er sich wieder aus dem Staub. An der Treppe hatten sie Fianna eingeholt. Noch bevor Aylin sich nach Fiannas Note erkundigen konnte, fragte sie ihre beste Freundin, wo Kiki und die Zwillinge waren.
„Die sind schon mal voraus zur Cafeteria gelaufen“, meinte diese nur und biss von ihrem Nutellabrot ab.
„Wie war deine Arbeit?“, fragte Lotta beiläufig.
„Ach ganz gut, mir fehlt nur ein Punkt zur Eins“, erwiderte Fianna kauend. Bei ihr waren die guten Englischnoten kein Wunder, schließlich war Fiannas Vater Ire und sprach mit seinen Kindern zuhause Englisch.
„Musst du immer so neugierig sein, Lotta?“, zischte Emily, worauf ihre Freundin nur die Lippen zusammenkniff.
„Ihr könnt gar nicht glauben, wer unseren Stammtisch in Beschlag genommen hat?“, kam ihnen eine sehr empörte Annemieke entgegen.
„Wer denn? Kennen wir die?“, horchte Lotta auf.
„Von denen kenne ich nur Linda und Mareike, die in unsere Parallelklasse gehen“, erwiderte ihre Freundin. „Die anderen drei müssten bestimmt schon in der neunten Klasse sein, da ich ihre Gesichter nicht kenne.
„Ward ihr zuerst da oder die anderen?“, hakte Aylin nach.
„Wir natürlich!“, schnaubte Annemieke und fuhr fort: „Matti, Kiki und ich wollten die Plätze für euch freihalten und dann kamen diese Ziegen, die uns einfach verscheuchen wollten. Wir haben ihnen gesagt, dass wir vor ihnen da waren, aber das ließen sie nicht gelten.“
Annemieke rollte mit den Augen, nachdem sie ihre Erzählung abgeschlossen hatte.
„Denen werden wir es aber zeigen!“, sagte Fianna angriffslustig. Zu fünft drängelten sie sich durch die Massen von Schülern.
„Oh je, unser Tisch ist wirklich in Beschlag von irgendwelchen eingebildeten Tucken!“, stöhnte Lotta leise.
„Wir waren zuerst da! Wann wollt ihr das endlich kapieren?“, regte sich Kiki auf, die sich vor fünf Mädchen aufgebaut hatte.
„Uns doch egal, der Tisch gehört euch nicht alleine“, pampte ein Mädchen mit einem blonden Pferdeschwanz in dem gleichen Tonfall zurück.
„Jetzt sind wir in Überzahl und da werdet ihr keine Chance gegen uns haben“, fauchte Mathilda. „Und macht jetzt endlich die Fliege!"
„Als ob wir vor eurem Hühnerhaufen kuschen!“, spöttelte Linda und warf ihre langen braunen Locken in den Nacken.
„Mittlerweile wissen alle an dieser Schule, dass ihr eine kindische Mädchenbande seid und darüber macht sich beinahe jeder lustig“, konnte sich Mareike einen spitzen Kommentar nicht verkneifen.
„Sagt noch einmal etwas gegen uns und ihr bekommt auf unangenehmeweise, wer die Roten Tulpen sind!“, verengten sich Kikis Augen zu schmalen Schlitzen.
„Hilfe, da wir uns ja richtig Bange!“, riss eine der Zicken die Augen weit auf und lachte spöttisch.
Mathilda warf einen Apfelgrips nach ihr, der nur ganz knapp über ihren Kopf hinweg flog.
„Und hochreizbar sind die Bandenhühner auch noch“, stellte das Mädchen mit den rotbraunen Haaren neben Mareike hämisch fest.
„Wir sind keine Hühner!“, blaffte Fianna sie an.
„Was denn sonst? Vielleicht seid ihr auch Gänse!“, überlegte Linda und grinste fies.
„Wir sind auch keine Gänse!“, trat Aylin zwischen ihren Freundinnen hervor und starrte sie böse an.
„Wie wäre es, wenn ihr einfach abhaut?“, schlug Annemieke mit einem zuckersüßen Lächeln vor.
„An eurer Stelle würde ich den Abflug machen“, erwiderte Mareike und zückte ihr Deo. Ihre Tussenfreundinnen taten es ihr nach und noch bevor die Roten Tulpen etwas sagen konnten, fanden sie sich inmitten einer stinkenden Deowolke wieder.
„Schnell raus hier, ich kriege keine Luft mehr!“, japste Mathilda. „Verdammt, ich bin dagegen allergisch."
„Was soll ich sagen, mir haben sie dieses Stinkzeug mitten ins Gesicht gesprüht“, hustete Annemieke und hakte sich bei ihrer Zwillingsschwester unter.
„Deo die Waffe der Zicken!“, kommentierte Kiki abfällig.
„Wie blamabel ist das denn?“, entzürnte sich Lotta. „Wie feige uns mit diesem Mist zu besprühen!“
„Tja, offenbar wussten sie nicht, wie sie uns sonst vertreiben können“, fügte Fianna schnippisch hinzu.
„Wegen diesen Schnallen müssen wir die Pause draußen verbringen“, ärgerte sich Emily.
„Außerdem ist es total nasskalt“, klapperte Aylin mit den Zähnen und schlang ihre Arme um ihren Oberkörper.
„Kein Wunder, du hast ja noch nicht mal eine Jacke an“, meinte Annemieke. „Wenn du magst, kannst du meine kurz tragen, schließlich habe ich einen Fließpulli drunter.“
„Vielen Dank!“, lächelte Aylin und nahm Annemiekes Jacke dankbar an.
„Bei diesem kalten Wetter würde es mich überhaupt nicht wundern, wenn demnächst der erste Schnee fällt“, bemerkte Fianna beiläufig.
„Bitte nicht, ich will noch keinen Schnee im November“, schüttelte Lotta den Kopf.
„Wieso nicht?“, zuckte Kiki mit der Schulter. „Dann können wir wieder Rodeln gehen und ein Iglu bauen, wie wir es letzten Winter getan haben.“
„Oh ja, dann können wir uns wieder rasante Pistenrennen liefern, uns in den Schnee werfen und die Fischköppe ordentlich mit Schneebällen bombardieren!“, klang Mathilda begeistert und feuerte einen imaginären Schneeball in Richtung Frau Breisinger, ihre unbeliebte Kunstlehrerin ab, die gerade Pausenaufsicht hatte.
„So toll finde ich Schnee auch nicht, wenn ich zur Schule muss. Dann kann ich aber nicht mehr mit dem Fahrrad zur Schule fahren und mit dem Bus dauert der Schulweg viel länger“, widersprach ihr Lotta.
„Schnee ist schön, aber im November trotzdem noch viel zu früh“, fand Aylin.
„Meines Erachtens brauch der Schnee nur an Weihnachten liegen“, brummte Emily.
„Na, hat man euch erfolgreich vertrieben?“, hörten die Mädchen Svens Stimme hinter sich.
„Hat sich die Deoattacke schon an unserer gesamten Schule herumgesprochen?“, sah Mathilda ihn genervt an.
„Klaro, schließlich waren wir selber in der Cafeteria“, nickte Lennart.
„Oh mein Gott, da ist so peinlich!“, murmelte Lotta und ihr Gesicht nahm die kräftige rote Farbe ihres dicken Wollschals an.
„Euch muss ganz schön kalt sein, stimmt’s?“, wandte sich Jannis an die Mädchen.
„Nicht nur ein bisschen“, bibberte Kiki, die auf der Stelle auf und ab hüpfte.
„Bestimmt schneit es demnächst zum ersten Mal“, sagte Michael zu den Roten Tulpen.
„Quatsch, jetzt im November doch nicht! Das ist noch viel zu früh“, zeigten ihm die Zwillinge einen Vogel.
„Wer weiß, wer weiß“, murmelte Jannis.
„Wollen wir wetten?“, schlug Max vor.
„Hast du vor mit uns eine Bandenwette zu machen?“, drehte sich Lotta zu ihrem Freund um.
„Warum nicht? Das ist doch bestimmt ganz lustig“, fand Sven. „Eine Wette zwischen unseren beiden Banden hatten wir tatsächlich noch nie."
„Aber zu einer Wette gehören auch Wetteinsätze“, erinnerte ihn Jannis.
„Und um was wollen wir wetten?“, klang Emily etwas perplex und ließ ihren Blick zwischen Jannis und Kiki hin und her wandern.
„Wir wollen mit euch wetten, ob es noch vor dem ersten Advent schneit oder nicht“, trat Jannis vor seine Bande.
„Wir wetten auf jeden Fall dagegen oder, Tulpis?“, rief Annemieke vorlaut.
„Der Ansicht bin ich auch“, pflichtete ihr Kiki bei. „Aus Erfahrung weiß ich, dass der erste richtige Schnee erst im Januar kurz nach Silvester fällt.“
„Na gut, dann wetten wir, dass der Schnee vor dem ersten Advent fällt“, nickte Ömer.
„Tulpis, nehmt ihr die Wette an?“, streckte Jannis seine Hand nach Kikis Hand aus.
„Top, die Wette gilt!“, erwiderte die Anführerin der Mädchen feierlich.
„Hey, wir brauchen aber noch ein paar Wetteinsätze!“, unterbrach Mathilda Kiki. „Ohne Wetteinsatz ist das keine richtige Wette.“
„An was hättet ihr so gedacht?“, fragte Lennart.
„Natürlich lassen wir euch Mädchen bei der Wahl des Wetteinsatzes für uns den Vortritt“, sagte Jannis charmant lächelnd. „Es heißt doch immer so schön: Ladys first!“
Angestrengt dachten die Bandenmädchen nach.
„Wir finden es eine ganz lustige Idee, wenn ihr so eine Art Theaterstück aufführen müsst“, meldete sich Aylin als erste zu Wort.
„An was hattest du gedacht?“, hakte Lennart nach.
„Hm, ich weiß nicht“, voller Verlegenheit nagte Aylin an ihrer Unterlippe.
„Ihr solltet wirklich Cats aufführen!“, half ihr Fianna aus der Patsche.
„Was ist das denn?“, machte Jannis ein ahnungsloses Gesicht und tauschte ratlose Blicke mit seinen Jungs.
„Der ist ein Tanzmusical, in dem lauter tanzende Katzen vorkommen“, erklärte ihm Lotta kurz.
„Wie stellt ihr euch das vor?“, entglitten Max als Nächster die Gesichtszüge.
„Wir stecken euch alle in hautenge lilafarbene, hellblaue oder rosa Tanzkostüme, setzen euch Katzenohren auf und natürlich dürfen die Ballettschuhe nicht fehlen!“, giggelte Annemieke los, als sie ihre Vorstellungen schilderte.
„Micky, du hast die Pompons vergessen!“, kicherte Mathilda heftig.
„Na klar und dann schminken wir unseren lieben Freunden noch schöne Katzengesichter! Das sähe garantiert richtig witzig aus!“, fuhr Annemieke fort, die sich kaum noch halten konnte.
„Ihr habt wohl ein Rad ab!“, entgegnete ihnen Ömer, der mittlerweile rot wie eine Tomate geworden war.
Die Zwillinge bekamen so einen heftigen Lachkrampf, dass sie sich gegenseitig stützen mussten. Ihre Freundinnen wurden von ihrer guten Laune angesteckt, sodass sie sich ebenfalls bogen.
„Hört auf zu lachen, ihr blöden Puten! Ihr seid alberner als die Polizei erlaubt“, rief Michael ungehalten.
„Schon gut, wir haben uns wieder unter Kontrolle“, gluckste Kiki, die eine Lachträne wegblinzelte.
„Na gut, wir nehmen euren Vorschlag an“, sagte Jannis zähneknirschend.
„Dann haben wir auch noch einen Wetteinsatz für euch“, nahm Sven den roten Faden wieder auf.
„Und der wäre?“, fiel ihm Fianna ins Wort, die sich nicht bremsen konnte.
„Falls ihr verliert, nehmt ihr mit uns am Nikolausturnier teil“, übernahm Jannis das Wort.
„Was für ein Nikolausturnier bitteschön?“, zog Mathilda die Stirn kraus.
„Das ist ein Fußballturnier für Mädchen und Jungen im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren“, erklärte Lennart den Mädchen.
„Bitte kein Fußball!“, rief Emily sofort.
„Doch, schließlich akzeptieren wir euren Vorschlag doch auch“, meinte Jannis.
„Bitte, habt ihr nicht noch eine andere Idee?“, bettelte Annemieke, die mit ihren Wimpern klimperte.
„Da würde ich fast schon lieber eine Bank überfallen“, rollte ihre Schwester mit den Augen.
„Gesetzt ist gesetzt! Daher gibt es kein Zurück, auch wenn ihr euch die Seele aus dem Leib jammert“, entschied Sven knallhart.
„Kannst du dir vorstellen, wie lachhaft es aussieht, wenn wir Fußballanalphabetinnen uns über den Fußballplatz schleppen?“, zeigte ihm Lotta einen Vogel.
„Nun macht mal halblang! Gegen den Ball treten kann doch jeder Blinde mit Krückstock“, versuchte Lennart die Mädchen zu beschwichtigen.
„Ich nicht", fügte Aylin in Gedanken hinzu.
Nach der letzten Stunde wartete Aylin mit Emily und Kiki auf den Bus.
„Ich falle echt noch vom Glauben ab!“, war Kiki immer noch empört. „Wenn ich gedacht hätte, dass die Jungs auf so eine bescheuerte Idee kommen, dann hätte ich die Wette an Ort und Stelle gecancelt.“
„Nun können wir es leider nicht mehr rückgängig machen“, seufzte Emily.
„Meine Brüder werden sich einen Ast lachen, wenn sie erfahren, dass ich mich als Fußballhasserin auf den Fußballplatz traue“, schnaubte Aylin.
„Und was haben deine Brüder damit zu tun?“, fragte Kiki sie verwundert.
„Sie wissen, dass ich eine riesengroße Ballpanik habe", seufzte Aylin. „Generell habe ich vor allem Schiss, was durch die Gegend fliegt und mich treffen könnte.“
„Das geht nicht nur mir so“, meinte Emily. „Ich habe mal in der Grundschule in den Pausen einige Monate lang Fußball gespielt, bis ich einmal einen Ball ins Gesicht bekommen habe und meine Nase stark zu bluten anfing. Seit dem war dieser Sport für mich gestorben.“
„Auf blutende Nasen, blaue Flecken und Schrammen an den Beinen habe ich auch keine Lust“, maulte Kiki. „Deswegen habe ich keinen Bock darauf.“
„Bestimmt werden die Jungs hart abholzen“, prophezeite Aylin voller Unbehagen. „Das sehe ich immer, wenn meine Brüder auf dem Bolzplatz spielen. Sie stoßen sich manchmal gegenseitig um.“
„Eigentlich haben wir keinen Grund schwarz zu malen“, sagte Emily unvermittelt. „Noch nichts ist entscheiden und gerade sieht es auch nicht nach Schnee aus.“
„Dann hoffe ich, dass es bis Dezember so bleibt“, meinte Aylin.
„Guten Morgen, willst du gar nicht aufstehen?“, rüttelte Fatima Aylin an der Schulter. Aylin gähnte etwas Unverständliches, kuschelte sich in ihre warme Decke und drehte sich wieder auf die Seite.
„Wenn du so weiterschläfst, verpasst du noch deinen Bus“, sagte ihre ältere Schwester, die schon fast vollständig angezogen war.
„Verdammt, ich habe gar nicht realisiert, dass es schon so spät ist“, mit einem Satz war Aylin aus ihrem Bett und suchte ihre Anziehsachen. Nachdem sie sich ihren Pullover angezogen hatte, schob sie die Vorhänge zur Seite und warf einen Blick aus dem Fenster. Zuerst traute sie den Augen nicht. Waren das tatsächlich Schneeflocken?
„Verdammt, wenn es richtig schneit, haben wir die Wette verloren und dann müssen wir beim Fußballturnier antreten“, schoss es ihr geschockt durch den Kopf.
„Aylin, wo bleibst du?“, hörte sie die Stimme ihrer Mutter gedämpft durch die Tür.
„Ich komme sofort“, erwiderte sie.
Ihre gesamte Familie saß bereits am Frühstückstisch.
„Hast du gesehen, dass es schneit?“, tickte Onur seinen großen Bruder Erhan an.
„Logo, schon die ganze Zeit“, nickte Aylins 12-jähriger Bruder, der sich eine dicke Schicht Nussnougatcreme auf sein Brot schmierte.
„Ich finde das trotzdem viel zu früh. Schnee gehört zum Winter, aber nicht zum Herbst“, schlecht gelaunt biss Aylin von ihrem Nusshörnchen ab.
„Freust du dich noch nicht mal darauf einen Schneemann zu bauen?“, fragte Onur.
„Was für eine blöde Frage!“, gab ihm Erhan einen Rippenstoß. „Aylin ist doch kein kleines Kind mehr.“
„Ich darf doch mal fragen“, gab Onur beleidigt zurück.
„Hoffentlich bleibt das weiße Zeug nicht so lange liegen“, murmelte Fatima und nippte an ihrem Kaffee.
„Der Meinung bin ich auch“, pflichtete Aylin ihr bei. Noch niemanden aus ihrer Familie hatte sie von der Schneewette erzählt.
„Es kann nicht sein, dass es so kalt ist und die ganze Zeit schneit! Wir haben es gerade einmal Anfang November und nicht den tiefsten Winter“, raunte Emily, die während des Unterrichtes aus dem Fenster starrte.
„Was für ein Riesenmist! Nun haben wir die Wette endgültig verloren“, nagte Kiki an Ende ihres Bleistiftes. Die Piranhas warfen den Mädchen verschwörerische Blicke zu, als würden sie die Bandenmädchen schon in Gedanken auf dem Fußballplatz sehen.
„Na toll, jetzt müssen wir doch noch Fußball spielen“, seufzte Aylin leise.
„Falls ihr es noch nicht wusstet, hat der Wetterdienst bereits angekündigt, dass es heute Nacht schneien soll“, beugte sich Lotta zu ihnen nach vorne.
„Dabei habe ich mit aller Macht gehofft, dass dieser Fall nicht eintritt“, stöhnte Emily.
„Ich finde, wir sollten uns weigern“, flüsterte Aylin ihren Freundinnen zu. „Schließlich kann man uns nicht zum Fußballspielen zwingen, zumindest mich nicht.“
„Ich rühre nur einen Ball an, wenn es nicht vermeidbar ist“, brummte Kiki. „Vielleicht haben die Jungs ein Erbarmen mit uns, aber wovon ich eher nicht ausgehe.“
„Ich gebe zu, ich hätte auch viel lieber die Fischköppe in Katzenkostümen gesehen“, wisperte Lotta und kicherte hinter vorgehaltener Hand.
„Carlotta, könntest du uns mitteilen, was du gerade so lustig findest?“, hielt Frau Schellhardt inne, als sie die nächste Aufgabe anschrieb.
„Ähm, nichts besonderes“, wurde Lotta rot.
„Für ein und alle Mal: Privatgespräche gehören in die Pause. Wenn ihr weiterhin soviel redet, muss ich euch in der ganzen Klasse verteilen, sowie ich es bereits mit den Jungs getan habe. Zwar habe ich eure Bande schon relativ gut im Raum verteilen können, aber offensichtlich noch nicht gut genug“, verklickerte ihnen ihre Klassenlehrerin. Von diesem Moment an verstummten die vier Roten Tulpen, keine von ihnen wollte freiwillig umgesetzt werden. Kiki und Aylin tauschten weiterhin mit Fianna und den Zwillingen Blicke aus, die am anderen Ende des Raumes saßen. Während Frau Schellhardt im Akkord neue Aufgaben und Rechnungen an die Tafel schrieb, schauten die Roten Tulpen beunruhigt aus dem Fenster. Zwar schneite es nicht mehr ganz so doll wie auf dem Weg zur Schule, doch immer noch kamen ein paar dicke Schneeflocken vom Himmel gerieselt. Draußen hatte sich bereits eine feine Schneeschicht gebildet. Aylin hatte immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass der Schnee im Laufe des Vormittags schmolz.
„Nun haben wir den Schlamassel! Die Wette ist perdu und wir müssen doch mit den Fischköppen gegen Ball treten“, sagte Annemieke am Anfang der großen Pause frustriert zu ihren Freundinnen. Zu ihrem Ärger steuerten die Piranhas geradewegs auf sie zu.
„Na, wie fühlt man sich, wenn man eine Wette verloren hat?“, grinste Max frech.
„Halt bloß die Klappe!“, fuhr Kiki ihn wütend an.
„Mein Güte, seid ihr heute aber schlecht drauf“, bemerkte Sven augenrollend.
„Meint ihr die Wette wirklich ernst?“, meldete sich Emily zu Wort und fuhr sich durch ihre kurzen Haare, die sich eine Tolle gegelt hatte.
„Na klar, sonst ist das keine richtige Wette!“, nickte Jannis.
„Wegen euch werden wir zum Fußballspielen verdonnert!“, murrte Mathilda. „Wobei keine Rote Tulpe freiwillig einen dreckigen Ball anpackt.“
„Doch! Einen Hockeyball schon!“, platzte es aus ihrer Schwester heraus.
„Vielleicht können wir aus dem Fußballturnier ein Hockeyturnier machen, Jannis“, setzte Mathilda ihr freundlichstes Lächeln auf.
„Bei dir piept’s wohl, Mathilda!“, blaffte Jannis sie an. „Wir haben im Vornherein Fußballturnier gesagt und dabei bleibt es auch!“
„Habt ihr gar kein bisschen Mitleid mit uns Fußballanalphabetinnen?“, machte Emily ein wehleidiges Gesicht.
„Ihr seid doch keine Püppchen, also schadet es euch nicht gegen den Ball zu treten“, drehte sich Ömer zu ihr um.
„Aber nicht jeder mag und kann Fußball spielen. Ich habe eine riesige Ballangst und würde mich auf dem Platz schon mal gar nicht nützlich machen“, konnte sich Aylin nicht länger zurückhalten, die sonst die Ruhigste der Mädchenbande war.
„Zudem haben wir alle zarte Füße und Beine“, setzte Lotta obendrauf.
„Papperlapapp, eure dummen Ausreden könnt ihr euch sonst wo hinschmieren!“, unterbrach Lennart sie nassforsch.
„Mich können sie sofort vergessen! Ich packe keinen Ball an und dagegen treten tue ich schon mal gar nicht“, zischte Aylin, nachdem die Piranhas zum Getränkeautomaten abgedampft waren.
„Als ob wir mit den Fischköppen beim Adventsturnier aufkreuzen!“, war Emily außer sich und tippte sich verächtlich gegen die Stirn.
„Wie wäre es, wenn wir alle auf einmal krank werden? Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sind zu dieser Jahreszeit keine Seltenheit“, schlug Mathilda vor, die sich ein Grinsen nicht länger verkneifen konnte.
„Dann müssen sich die Fischköppe ihre weibliche Unterstützung woanders suchen. Wie wäre es, wenn sie Anja und Katja oder das Tussenkomitee fragen?“, giggelte ihre Zwillingsschwester los.
„Ihr habt beide so Recht!“, schmunzelnd legte Aylin lässig ihre Arme um die beiden Schwestern. Wenn sie eine Sache an den Zwillingen mochte war es das, dass sie ihre Freundinnen selbst in den verzwicktsten Situationen zum Lachen bringen konnten.
„Ich weiß gar nicht, was ihr habt!“, meldete sich Fianna zu Wort. „Ich habe nichts gegen Fußball. Früher habe ich fast jeden zweiten Nachmittag mit meinem Bruder und seinen Kumpels auf dem Bolzplatz verbracht. Es hat sogar richtig Spaß gemacht.“
„Im Ernst?“, zog Emily ihre Stirn kraus.
„Klar, durch die Jungs konnte ich sogar noch einiges lernen“, nickte Fianna, worauf Emily und Kiki immer noch ungläubig dreinschauten.
„Matti und ich haben früher mal zwei Jahre in der Grundschule an der Fußball-AG teilgenommen, aber das ist schon gefühlte Jahrzehnte her“, erzählte Annemieke.
„Ward ihr früher wirklich so fußballverrückt?“, fragte Aylin, die es selbst kaum glauben konnte.
„Das waren wir mal vor langer Zeit gewesen, was mehr von unserem Vater kommt“, erklärt Mathilda. „Damals haben wir einige Spiele von Weder Bremen besucht und dann waren auch einmal bei einem Länderspiel.“
„Soso, dass die Zwillinge mal Fußballköpfe waren, hätte ich nie gedacht“, begann Kiki ihre Freundinnen liebevoll zu necken. Schneller als sie sich umdrehen konnten, hatten die Zwillinge sie sich gekrallt und begannen sie auszukitzeln.
„Hilfe, befreit mich von diesen durchgedrehten Bestien!“, quietschte Kiki.
„Nun aber auseinander, ihr kleinen Chaoten!“, schritt Lotta lachend ein und trennte mit Fianna die kabbelnden Freundinnen voneinander.
Zwar schmolz im Laufe des Tages der Schnee wieder, doch der Wetteinsatz blieb bestehen. Den Mädchen war bereits im Vornherein klar, dass die Jungen kein Erbarmen mit ihnen haben würden.
„Wir müssen die bittere Pille halt schlucken, obwohl ich der Meinung bin, dass Fußball nichts für Mädchen ist und schon gar nichts für Rote Tulpen“, sagte Kiki nach Schulschluss zu ihren Freundinnen.
„Willst du diesen blöden Wetteinsatz wirklich annehmen?“, fuhr Emily aus der Haut.
„Es ist nun einmal passiert, es hat geschneit und wir haben die Wette verloren“, seufzte die Bandenleaderin. „Dann müssen wir uns dem stellen.“
„Hast du vor aus uns eine echte Fußballtruppe zu formen?“, machte Annemieke ein ungläubiges Gesicht.
„Ich finde es richtig toll, wenn ich es einmal schaffe meine besten Freundinnen auf den Fußballplatz zu bekommen“, freute sich Fianna. Ihre Bandenfreundinnen konnten sich ihre Begeisterung kaum mit ihr teilen.
„Ich lasse mich nicht nötigen über einen matschigen Platz zu rennen und im Pulk einem Ball hinterher zu hecheln!“, stellte sich Aylin stur.
„Was würde uns eigentlich blühen, wenn wir uns wirklich weigern?“, hakte Annemieke nach.
„Jannis hat mir gestern geschrieben, dass wir sonst die gesamte Bande in das teuerste Restaurant der Stadt einladen müssten“, meinte Kiki.
„Wie bitte? Die Idioten spinnen doch!“, war Mathilda kurz vorm Platzen.
„Wisst ihr was, ich habe den Eindruck, dass das Ganze hier schon fast eine Erpressung ist! Lennart wird noch Einiges zu hören kriegen, wenn ich mit ihm heute Abend Pizza essen gehe“, schäumte Emily.
„Mädels, kriegt euch wieder ein! Wir nehmen nur einmal an diesem Turnier teil und dann hat sich die Sache auch erledigt“, versuchte Fianna immer noch ihre aufgebrachten Freundinnen zu besänftigen.
„Oh je, kann jemand außer Fianna überhaupt Fußball spielen?“, dachte Lotta laut nach.
„Vielleicht die Zwillinge“, vermutete Aylin.
„Ähm ja... Wie gesagt es ist Jahre her, dass wir zuletzt außerhalb des Sportunterrichts gekickt haben“, erinnerte Annemieke sie.
„Was haltet ihr davon, wenn wir im Vorfeld für das Turnier trainieren?“, schlug Kiki vor.
„Du hast echt eine Meise, Kiki!“, rutschte es aus Emily raus.
„So Unrecht hat sie gar nicht“, nahm Lotta die Bandencheffin in Schutz. „Ich will vorher auch einige Male vor dem Turnieren trainieren, bevor ich mich total blamiere. Falls ihr es noch nicht wusstet, bei uns im Neubaugebiet gibt es einen neuen Bolzplatz.“
„Tulpis, wie findet ihr es, wenn wir uns am Wochenende zum ersten Mal auf den Fußballplatz wagen?“, fragte Kiki in die Runde.
„Von mir aus können wir es machen“, nickte Mathilda, dessen Widerstand sich gelegt hatte. Lotta, Annemieke und Fianna sagten auch sofort zu, nur Aylin und Emily sahen sich unschlüssig an.
„Kommt schon, lasst eure Bandenfreundinnen nicht hängen!“, stieß Fianna sie an.
„Na gut, ich überlege es mir“, gab sich Aylin geschlagen.
„Ganz überzeugt bin ich immer noch nicht“, brummte Emily mürrisch.
„Doch, du musst mitkommen!“, rüttelte Annemieke an ihrem Arm. Die Bandenmädchen verabschiedeten sich voneinander. Während des gesamten Heimweges war Aylins Laune im Keller. Noch nicht einmal, dass es Zuhause ihr Lieblingsgericht gab, konnte sie aufheitern.
Am Abend lud Lotta ihre Freundinnen spontan zum Kochen in den Wohnwagen ein, da sie von ihrer Mutter ein paar alte Töpfe und Pfannen bekommen hatte, die sie eigentlich wegschmeißen wollte. Eine richtige Kochausrüstung hatte der Bande noch gefehlt, weshalb es Lotta unbedingt heute Abend einweihen wollte. Aylin kam wegen ihres Malkurses eine knappe Stunde später. Bereits als die den Schrebergarten betrat besserte sich ihre Laune. Schon von draußen hörte sie munteres Gerede und geschäftiges Treiben aus dem Wohnwagen.
„Du bist gerade noch pünktlich!“, rief ihr Mathilda entgegen, als Aylin die Wohnwagentür aufstieß.
„Aber die Arbeit haben wir schon längst gemacht“, übernahm ihre Zwillingsschwester das Wort.
„Wärst du eine halbe Stunde später gekommen, wäre nichts mehr von der Nudelpfanne übrig geblieben“, meinte Kiki. Lotta, die an der Kochplatte stand, zwinkerte ihr zu und rührte weiter in der Pfanne herum.
„Setz dich, Aylin!“, schob ihr Annemieke einen Stuhl hin.
„Mist, ich habe den Schinken vergessen!“, fluchte Lotta.
„Macht nichts, ich esse eh keinen Schinken“, erwiderte Aylin gelassen.
„Ich will aber Schinken“, protestierte Mathilda.
„Na gut, zuerst lade ich Aylin etwas von der fleischlosen Variante auf den Teller und dann kommt der Schinken dazu“, fand Lotta einen Kompromiss. Aylin war sehr überrascht als sie Lottas Nudelpfanne probierte, es schmeckte sogar außerordentlich lecker.
„Lotta kann wirklich gut kochen“, lobte Kiki.
„Jetzt tut doch nicht so, als ob ich alles alleine gekocht hätte, ihr habt mir doch dabei geholfen“, meinte ihre Freundin.
Am Samstag nach dem Mittagessen durchwühlte Aylin ihren Kleiderschrank.
„Jogginghose und Sportschuhe für draußen sollst du mitbringen“, hatte sie immer noch Kikis Stimme im Kopf. „Wieso stellst du unseren Kleiderschrank so auf den Kopf?“, verwundert streckte Fatima den Kopf zur Tür hinein. „Ich suche meinen alten Jogginganzug und Sportschuhe, die man auch draußen tragen kann“, murmelte Aylin, die ohne aufzublicken die Kleiderberge vor sich durchwühlte.
„Ich glaube deinen Micky-Mouse-Sportanzug hat Mama schon vor einem Jahr in die Altkleidersammlung gegeben“, sagte ihre Schwester.
„Ach manno, ich brauch doch irgendwas worin ich mich bewegen kann“, machte sie ein langes Gesicht.
„Aber du hast doch eine Sporthose“, erwiderte Fatima und hielt ihr eine dunkelblaue Hose unter die Nase, die schon ein wenig ausgeleiert war.
Lächelnd nahm Aylin ihre Sporthose entgegen. Nun fehlten nur noch die passenden Schuhe. In ihren Winterstiefeln konnte sie unmöglich Fußball spielen.
„Wozu brauchst du noch Sportschuhe für draußen? Bist jetzt auch auf dem Sporttrip?“, wunderte sich Fatima.
„Ich wollte gleich mit ein paar Freundinnen laufen gehen, weil wir für den Coopertest trainieren“, log sie ohne rot zu werden.
„Du kannst ruhig meine alten Joggingschuhe nehmen, die sind Größe 37“, bot Fatima ihr an.
„Danke, du bist meine Rettung!“, Aylin fiel ihrer großen Schwester um den Hals.
„Hey, sei doch nicht immer so stürmisch!“, lachte Fatima. Als Aylin in ihren Sportsachen steckte, betrachtete sie sich kritisch im Spiegel, der im Flur hing. In ihrer hellblauen Jacke und der Jogginghose sah sie auf jeden Fall besser aus als im Micky-Mouse-Jogginganzug, den sie als Kind sehr geliebt hatte. Mittlerweile fand sie sich selbst viel zu groß für Micky-Mouse-Köpfe auf ihren Kleidern.
„Hey, da taucht ja endlich unsere Nachzüglerin auf! Das hat keiner mehr von uns zu hoffen gewagt“, vernahm sie Mathildas durchdringende Stimme, als sie ihr Fahrrad am Schrebergarten parkte. Dass ihre Freundin dauernd so vorlaut sein musste, ging ihr teilweise ziemlich auf die Nerven.
„Entschuldigung, dass ich zu spät bin“, rechtfertigte sie sich, bevor einer ihrer Freundinnen etwas sagen konnte.
„Hat dein Vater dich etwas nicht gehen lassen?“, hakte Lotta nach.
„Nein, das hat damit nichts zu tun. Dass ich mit euch Fußball spielen gehe, habe ich zuhause niemanden erzählt. Gerade eben musste ich erstmal eine halbe Stunde lang nach meinen Sportsachen suchen“, erwiderte Aylin.
„So kennen wir dich“, grinste Fianna. Ihre beste Freundin war mit Abstand am häufigsten von allen Bandenfreundinnen bei ihr Zuhause gewesen und wusste welch ein Tohuwabohu in ihrem Zimmer herrschte.
Sobald sie allerdings wieder mit ihren Freundinnen zusammen war, achtete sie zehnmal so viel auf Ordnung, weshalb sie für das Aufräumen und Sauberhalten ihres Bandenquartiers verantwortlich war.
„Wollen wir uns mal langsam auf den Weg machen?“, schlug Fianna vor, die ihren Ball in die Höhe kickte und wieder geschickt auffing.
„Langsam sollten wir losfahren“, nickte Lotta. „In anderthalb Stunden wird es schon dunkel sein.“
„Yeah, wir stürmen den Fußballplatz!“, gaben sich die Zwillinge Highfives und hüpften übermütig um ihre Fahrräder herum.
„Besser gesagt wir wagen uns auf den Fußballplatz, stürmen werden wir ihn nicht“, korrigierte Emily sie.
„Come on, trödelt nicht herum, sonst kommen wir im Dunkeln an!“, machte Kiki ihren Freundinnen Dampf. Lotta fuhr auf ihrem sportlichen Mountainbike vorweg, da sie den Weg am besten kannte. Emily und Aylin ließen sich ein ganzes Stück zurückfallen, sodass sie nur noch die Rücklichter der Fahrräder von den Zwillingen sahen.
„Habe ich schon einmal gesagt, dass Fußball nichts für mich ist?“, murrte Emily.
„Meins auch nicht“, brummte Aylin. „Ich mache nur mit, da mir Kiki sonst vorwerfen würde, dass ich die Bande im Stich lassen würde.“
„Das nervt mich an diesen Bandensachen auch, dass man jeden Scheiß mitmachen muss“, meinte ihre Freundin, worauf Aylin mit einem Nicken antwortete.
„Wo bleibt ihr denn?“, hörten sie Annemieke von weitem rufen, die zusammen mit den anderen an der Bahnschranke auf sie warteten.
„Wir lassen uns halt nur mehr Zeit“, erwiderte Emily.
Der besagte Bolzplatz, den Lotta meinte, war nichts weiter als eine Wiese mit zwei kleinen Toren, die von hohen Hecken umgeben waren.
„Irgendwie ist der Boden hier leicht uneben“, stellte Mathilda beim Betreten des Platzes fest und trat einen Maulwurfshügel platt.
„Das hier ist ein besserer Kartoffelacker“, klang Emily wenig begeistert. Fianna holte ihren Ball aus dem Fahrradkorb und dribbelte los. Am Ende des Platzes stoppte sie den Ball gekonnt und kam wieder zurück.
„Nicht schlecht, Carrot!“, fand Lotta.
„Man sieht, dass sie früher öfter gespielt hat“, bemerkte Annemieke anerkennend. Emily und Aylin standen immer noch wie versteinert am Rande des Platzes.
„Lasst uns im Kreis aufzustellen und uns den Ball zuschießen“, rief Kiki ihre Bande zusammen.
„Das heißt passen“, wurde sie von Fianna verbessert.
„Woher soll ich wissen wie das heißt, ich bin doch auch eine Fußballanalphabetin“, klang die Anführerin der Roten Tulpen fast schon ein wenig schnippisch.
Die Mädchenbande stellte sich in einem großen Kreis auf. Kiki spielte den Ball zu Aylin, der auf der Mitte zwischen ihnen fast verhungerte und einen Meter vor Aylins Füßen zum Liegen kam.
„Schieß doch endlich!“, wurde sie von Fianna ermuntert. Aylin nahm zwei Schritte Anlauf und trat den Ball mit ihrer Schuhspitze von sich weg.
„Da steht doch keiner!“, beschwerte sich Mathilda, die dem Ball hinterher rannte.
„Sorry, ich wusste nicht wohin ich schießen sollte“, entschuldigte sich Aylin.
„Micky, Ball kommt!“, warnte Mathilda ihre Schwester, die sich vor ihrem strammen Schuss wegduckte. Als Fianna den nächsten Pass zugespieltt bekam, nahm sie das Spielgerät geschickt an und spielte den nächsten Pass zu Emily, die den Ball durchließ, sodass er im Gebüsch landete.
„Ich sag doch, wir sind total der Hühnerhaufen“, bemerkte Lotta neben Aylin.
Die Roten Tulpen stolperten über ihre eigenen Füße, traten Luftlöcher, irrten unkoordiniert über den Platz und beförderten den Ball etliche Male ins Gebüsch.
„Nicht mal einen sauberen Pass können wir spielen!“, fasste sich Lotta an den Kopf. „Wie soll das dann bitteschön beim Turnier werden? Es wird reinsten Hohn und Spott für uns hageln und dann heißt es mal wieder: Pferdemädchen können nichts anderes außer auf ihren ollen Pferden herum zu hoppen.“
„Dann bin ich eben ein Pferdemädchen, das nur auf ollen Pferden herumhoppen kann", gab Emily patzig zurück.
„Mach dir doch nicht deswegen schlechte Gedanken! Das wird schon!“, redete Annemieke beschwichtigend auf ihre beiden Freundinnen ein.
„Denkst du, ich will mich zur Lachnummer machen?“, raunte Lotta wütend.
„Wenn, dann machen wir uns zusammen zur Lachnummer“, meinte Emily, die wieder den Ball verfehlte und sich dabei fast flachlegte.
„Ein bisschen mehr Bewegung bitte!“, spornte Fianna ihre Freundinnen an.
„Genau, ihr schlaft schon fast im Stehen ein“, wurde sie von Kiki bekräftigt, die den Ball auf eins der Tore feuerte und nur den Pfosten traf.
„Na und? Wir finden das gerade gemütlich so“, entgegnete ihnen Annemieke.
„Seit wann legt sich Kiki bitteschön für Fußball ins Zeug?“, raunte Emily Aylin zu.
„Langsam verstehe ich die Welt auch nicht mehr“, schüttelte Aylin den Kopf.
„Ball kommt!“, rief Lotta. Trotzdem erschrak sich Aylin fürchterlich als sie die Kugel an ihr Schienbein bekam.
„Wollen wir ein Spiel machen?“, fragte Mathilda. „Das Passen wird mir langsam zu langweilig.“
„Dafür wäre ich auch“, war Fianna Feuer und Flamme.
„Wie bilden wir dann die Teams? Wir sind doch zu siebt“, warf Lotta ein.
„Wieso? Dann hat eine Mannschaft eine Spielerin mehr“, zuckte Kiki mit der Schulter.
„Wie wäre es wenn ich mit Micky, Fianna und Kiki gegen den Rest spiele?“, schlug Mathilda vor.
„Das ist doch total unfair! Wenn das so läuft, mache ich nicht mehr mit“, entrüstete sich Lotta und drehte sich beleidigt weg.
„Ich finde wir sollten auch andere Teams bilden, die ausgeglichener sind“, versuchte Kiki die Wogen zu glätten. „Ich werde mit Matti und Lotta spielen.“
„Das hört sich schon mal viel besser an“, gab sich Lotta einverstanden.
„Ich gehe freiwillig ins Tor“, meldete sich Emily. „Ich habe keinen Bock auf diese Rennerei.“
„Welche Positionen gibt es überhaupt beim Fußball außer dem Torwart?“, traute sich Aylin Fianna zu fragen.
„Hinten Abwehr, in der Mitte das Mittelfeld und vorne Sturm“, erklärte sie ihr in wenigen Worten.
„Seid ihr bereit?“, rief ihnen Kiki zu, die sich mit Mathilda und Lotta nahe dem Mittelpunkt versammelt hatte.
Als ob es Aylin bereits geahnt hätte, kamen nur die wenigsten Pässe an, Bälle wurden ins Gebüsch gedroschen und Emily ließ zwei Kullerbälle von Kiki durch. Mathilda und Lotta fielen sogar einmal über den Ball. Wieder war Kikis Team auf dem Vormarsch. Mathilda rannte mit dem Ball auf das Tor zu. Aylin traute sich nicht der kräftigen Mathilda in den Weg zu stellen.
„Schieß Matti!“, riefen ihre Mitspielerinnen. Im allerletzten Moment konnte Fianna ihr den Ball abnehmen.
„Micky und Aylin, ihr müsst wenigstens mitlaufen und den Gegner decken“, versuchte ihnen Fianna zu erklären.
„Ich stand doch aber ganz woanders“, rechtfertigte sich Annemieke schnaufend. „Wie hätte ich so schnell zurückkommen können?"
„Trotzdem musst du mitlaufen“, sagte Fianna streng. „Fußball ist kein Stehsport."
Aylin wusste nicht, was ihre Fianna mit Mitlaufen meinte. Gerade als sie darüber nachgedachte, bekam sie den Ball in den Rücken und schrie kurz auf.
„Alles okay bei dir?“, rannte Mathilda auf sie zu.
„Ich habe mich nur erschrocken“, schnappte sie nach Luft.
„Sorry, Aylin, ich wollte zu Kiki spielen und nicht dich treffen“, entschuldigte sich Mathilda bei ihr und fügte hinzu: „Ihr habt übrigens den Ball.“
Zaghaft spielte Aylin zu Annemieke, die das Spielgerät ungeschickt in eine Dornenhecke drosch, als sie Fianna einen Pass zuspielen wollte.
„Den hole ich aber nicht wieder“, bemerkte Lotta pikiert. Kiki schaltete am schnellsten und holte einen Stock, mit dem sie den Ball wieder hervorangelte. Je länger sie spielten, desto mehr gab Fianna auf ihren Mitspielerinnen Anweisungen zu geben und spielte nachher fast nur noch alleine.
„Gib doch endlich mal den Ball ab, Fianna!“, beschwerte sich Annemieke.
„Wie denn? Wenn ihr nie freisteht“, gab Fianna zickig zurück. Im Eifer des Gefechts merkten die Mädchen nicht, das auf einmal vier Jungs vor ihnen standen, die etwa neun oder zehn Jahre alt sein mussten. Aylin glaubte den Jungen mit den strohblonden Haaren zu kennen, aber sie wusste nicht woher.
„Wir haben euch schon die ganze Zeit beobachtet“, grinste der Braunhaarige frech.
„Ihr seht echt aus wie ein Hühnerhaufen, wenn ihr Fußball spielt“, platzte es aus dem blonden Jungen heraus.
„Dich hat keiner nach deiner Meinung gefragt, Leon!“, fuhr Lotta ihn wütend von der Seite an.
„Aha, das muss wohl Lottas Bruder sein!“, fiel Aylin ein.
„Wollt ihr gegen uns spielen?“, feixte der Kleinste von ihnen mit den gegelten Haarstoppeln.
„Das haben wir nicht nötig!“, baute sich Kiki vor ihm auf.
„Wieso? Das wäre doch total lustig“, lachte der vierte Junge mit der Brille schallend los. Seine Kumpels fielen in sein Lachen mit ein.
„Für uns aber nicht!“, fauchte Emily verärgert.
„Man kann sich über euch nur totlachen, wie ihr die Bälle verschießt und dauernd auf die Klappe fliegt!“, spottete Lottas kleiner Bruder drauf los. „Bestimmt habt ihr euch nur hierhin verirrt!“
Das reichte Lotta, aus kurzer Distanz schoss sie ihm das runde Leder ins Gesicht.
„Das sage ich alles Mama“, heulte Leon los, der sich seine Nase hielt.
„Geh nur petzen!“, sah Lotta ihren Bruder verächtlich an.
„Kommt mit, wir verschwinden von hier!“, raunte Kiki ihrer Bande zu.
„Meinst du nicht, dass das gerade ein wenig übertrieben war, Lotta!“, meinte Kiki als sie ihr Fahrrad aufschloss.
„Wieso? Er kriegt endlich das, was er verdient!“, geriet Lotta in Rage. „Zuhause darf ich mich nie wehren, wenn er mir gegenüber fies wird, denn dann kriege ich immer den Ärger, weil er Mamas Liebling ist.“
„Trotzdem wäre es nicht nötig gewesen ihm eine blutige Nase zu schießen“, fand Kiki.
„Jetzt schlag du dich auch noch auf Leons Seite!“, versagte Lotta fast die Stimme. Aylin glaubte Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen. Es kam nicht oft vor, dass leicht unterkühlte Lotta weinte oder kurz davor war.
„Nimm dir das nicht so zu Herzen! Streit unter Geschwistern ist das Normalste was es gibt. Selbst Matti und ich hauen uns ab und zu die Köpfe ein“, nahm die feinfühlige Annemieke Lotta in dem Arm.
„Ist schon gut, wahrscheinlich nehme ich das Ganze viel zu ernst“, schluckte Lotta die Tränen hinunter und versuchte ein Lächeln zustande zu bekommen.
„Und falls ich euch vorhin einige Male etwas harsch kritisiert habe, seht das nicht so eng, das war nur im Eifer des Gefechts“, meinte Fianna.
„Quatsch, als ob wir das ernst nehmen!“, rollte Kiki mit den Augen.
„Beim nächsten Mal werden wir auf jeden Fall besser sein, Tulpis“, versuchte Mathilda ihre Freundinnen optimistisch zu stimmen.
„Was haltet ihr davon, wenn wir zu mir und Matti nach Hause fahren?“, schlug Annemieke vor. „Mama hat vorhin einen großen Kuchen gebacken."
„Keine schlechte Idee“, fand Fianna.
„Hat sie etwas dagegen, wenn wir zu siebt aufkreuzen?“, machte Lotta ein skeptisches Gesicht.
„Ach was, schließlich ist unsere Mama nicht wie deine“, entgegnete ihr Mathilda sofort.
„Essen wir euch nichts weg?", vergewisserte sich Aylin bei den beiden Schwestern.
„Quatsch, Mama backt immer für Hundert", musste Mathilda grinsen.
Aylin, die nur wenige Male bei den Zwillingen gewesen war, mochte deren Eltern sehr gerne. Sie wohnten genauso wie Lotta in diesem Neubaugebiet.
„Okay, dann lass uns losfahren! Worauf warten wir eigentlich noch?“, blies Mathilda zum Aufbruch und stieg auf ihr hellblaues Hollandrad.
„Kuchen, wir kommen!“, übermütig überholte Annemieke ihre Freundinnen.
„Da hat wohl jemand tierischen Hunger!“, lachte Emily vor sich hin.
„Na klar, den hab ich doch auch“, pflichtete Kiki ihr bei. Im nächsten Moment knurrte auch Aylins Magen, da sie zum Mittag vor lauter Aufregung nur einen halben Teller herunter bekam.
Die Mutter der Zwillinge machte erst ein verdutztes Gesicht, als die gesamte Mädchenbande auf dem Podest vor der Tür stand, aber dann huschte ein freundliches Lächeln über ihr sommersprossiges Gesicht.
„Kommt gerne einen Augenblick rein, aber ihr könnt nicht so lange bleiben, da nachher noch ein befreundetes Ehepaar zum Abendessen kommt“, sagte sie.
„Danke, wir wollten eh nicht so lange bleiben“, erwiderte Kiki sofort.
„Bitte zieht eure Schuhe aus!“, erinnerte Mathilda die Freundinnen, was sofort von ihnen befolgt wurde.
„Zwillinge, eure Eltern sind echt nett“, fand Aylin.
„Dem kann ich nur zustimmen“, nickte Emily, als sich die sieben Freundinnen um den Couchtisch herumgruppierten.
„Oh ja, Lottas Mutter ist eh nie begeistert, wenn wir zusammen in ihr Haus einfallen“, meinte Kiki und warf Lotta einen Blick zu, die auf einem Sofahocker platz genommen hatte und immer noch die Lippen aufeinander presste.
„Alles okay, bei dir?“, stupste Aylin sie an. Sie merkte, dass ihre Freundin immer noch mies gelaunt war.
„Nimm dir das nicht zu Herzen, Lotta“, sagte Fianna.
„Wir werden garantiert voll ablosen, so grottig wir sind! Das weiß ich jetzt schon!“, zischte Lotta.
„Mach dir nichts draus!“, redete nun auch Annemieke auf sie ein. „Wir können alle nicht besonders gut Fußball spielen, aber wir haben noch ein paar Wochen Zeit und wir werden richtig hart trainieren.“
„Genau, wir können nur besser werden!“, versprach Kiki und meinte: „Aber das klappt nur, wenn wir von uns selbst überzeugt sind und auch wirklich mitmachen.“
„Zwillingsmäuse, kommt bitte in die Küche!“, kam es gedämpft von draußen.
„Das ist Mama, wir sollen bestimmt tragen helfen“, stand Annemieke auf und zog ihre Schwester mit hoch. Kurz darauf kamen die Schwestern mit zwei Tabletts wieder. Auf dem ersten befanden sich ein großer Teller mit glasiertem Zitronenkuchen, ein kleinerer Teller mit Spritzgebäck und eine Packung Kinderriegel. Hinter Annemieke belancierte Mathilda sieben Tassen, Teller und Kuchengabeln auf dem zweiten Tablett herein.
„Ich habe euch einmal Kakao und eine Kanne Tee gekocht“, stellte die Mutter der Zwillinge zwei Kannen auf den niedrigen Couchtisch. Die beiden Schwestern füllten jeder Freundin etwas davon in ihre Tassen.
„Danke Mama!“, lächelte Mathilda. „Das ist eine willkommene Stärkung nach dem ganzen Herumgerenne, bei dem ich beinahe verhungert wäre.“
„Oh, wo kommt ihr denn her?“, wunderte sich ihr Mutter.
„Wir waren nur auf dem Bolzplatz in der Nachbarschaft“, antwortete Annemieke und begann von der verlorenen Wette inklusive ihres Wetteinsatz zu erzählen.
„Wisst ihr was, der Kuchen ist himmlisch!“, nuschelte Kiki mit vollem Mund.
„Man redet nicht mit vollem Mund!“, puffte Aylin ihre Freundin leicht in die Seite.
„Kiki hat Recht, dieser Kuchen ist göttlich und ich kann nicht genug kriegen“, nahm sich Emily das nächste Stück.
„Warst du nicht auf Diät?“, stichelte Fianna.
„Mensch Fianna, jetzt spiel hier nicht die Spottdrossel!“, zwickte Aylin ihre beste Freundin in den Oberarm, worauf diese leicht pikiert schwieg.
„Boah, wie ich Mathe hasse!“, raunte Emily ihren Freundinnen während der Stillarbeit zu.
„Nicht nur du“, brummte Aylin. „Ich hänge seit fast zehn Minuten an dieser einen bekloppten Aufgabe fest.“
„Ganz einfach, ihr müsst nur beide Gleichungen umstellen umstellen und in die Hauptgleichung einsetzen“, versuchte ihnen Kiki zu erklären, die mit Zahlen und Gleichungen deutlich besser zurrecht kam als Emily und Aylin.
„Wie wäre es, wenn wir aus der Stillarbeit Teamwork machen? So werden wir alle schneller fertig und vielleicht gibt uns die Schellhardt weniger Hausaufgaben auf“, schlug Lotta laut vor, die auf der anderen Seite des Klassenzimmers am hintersten Fenster saß.
„Auf jeden, ich bin dabei!“, krähte Mathilda durch die ganze Klasse.
„Hey Pauline, bist du schon fertig?“, stupste Aylin ihre Sitznachbarin an.
„Fast, ich muss nur noch die letzte Aufgabe überprüfen“, nickte die Klassenbeste.
„Kannst du schon mal die Lösungen der ersten Aufgaben an die Tafel schreiben?“, bat Aylin freundlich.
„Klar, das kann ich eben machen“, stand Pauline auf und ging zur Tafel. Gerade als sie die erste Gleichung an die Tafel schrieb, kam Frau Schellhardt mit einem Schwung neuer Aufgabenzettel wieder.
„Eigentlich solltet ihr die Aufgaben alleine machen!“, sah sie ihre Schüler vorwurfsvoll an.
„Wir dachten, dass ein wenig Teamwork nicht schaden könnte“, meldete sich Sven zu Wort.
„Genau, wir hatten alle das gleiche Problem bei der einen Aufgabe“, pflichtete ihm Annemieke bei.
„Trotzdem bringt es euch nicht weiter, während der Klassenarbeit könnt ihr auch nicht zusammenarbeiten“, räusperte sich die Klassenlehrerin.
„Trotzdem stärkt Teamarbeit unsere Klassenzusammenhalt sehr, dass müssen Sie einsehen“, wandte Mathilda ein.
„Zudem wollten wir unsere Lösungen vergleichen“, meldete sich Fianna zu Wort.
„Na gut, ich bin überzeugt, dass ihr im Endeffekt im Vorfeld besprechen wolltet, daher erspare ich auch die Hausaufgabe zum nächsten Mal“, ließ sich Frau Schellhardt von der Klasse breitschlagen.
Mit dem Gong holten Aylin und ihre Freundinnen gleichzeitig ihr Frühstück aus ihren Taschen und liefen zügig aus dem Klassenzimmer.
„Wehe, unser Tisch ist wieder besetzt!“, drehte sich Fianna auf der Treppe zu Aylin und Emily um, die mit den Zwillingen vorausgeeilt war.
„Hey, wartet ihr auf uns?“, rief ihnen Lotta hinterher, die mit Kiki vor dem Mädchenklo stehen blieb.
„Klaro!“, erwiderten Aylin und Emily gleichzeitig.
„Findest du es nicht auch spitze, wie die Zwillinge, Sven und Fianna die Schellhardt umstimmen konnte?“, bemerkte Emily nebenbei.
„Oh ja, endlich werden wir nicht mit hunderttausend weiteren Aufgaben zugedröhnt“, nickte Aylin und biss von ihrem Pausenbrot ab. Emily hatte nur eine Flasche Mineralwasser mit Himbeergeschmack dabei.
„Warum isst du nichts?“, fragte Aylin.
„Ich glaube, um besser Fußball spielen zu können muss ich mindestens vier oder fünf Kilo loswerden“, meinte ihre Freundin und sah dabei auf ihre stämmigen Oberschenkel in den hautengen Jeans hinab.
„Wirklich? Spielt das so eine große Rolle?“, sah Aylin Emily ungläubig an.
„Sieh mich doch einmal an“, senkte Emily ihre Stimme. „Seit dem Reiturlaub vor fast zwei Wochen habe ich wieder drei Kilo zugenommen, da ich mich wieder zu sehr an den Nachos und der Schokolade vergriffen habe.“
„Da sind wir wieder!“, stand Kiki direkt vor ihnen.
„Na, über was redet ihr gerade?“, wandte sich Lotta neugierig an Aylin.
„Ach, nur über Emilys Diät“, antwortete sie knapp.
„Willst du schon wieder eine Diät machen, Lily?“, sah Kiki ihre Freundin kopfschüttelnd an. „Du hast du doch nicht nötig. An deiner Stelle würde ich mich über die Kurven freuen. Nicht jedes Mädchen muss so ein dürres Klappergestell sein.“
„Du bist doch selbst eins, Kiki!“, knuffte Emily sie freundschaftlich in die Seite.
„Aber nicht freiwillig", nahm Kiki einen großen Schluck aus ihrer Glasflasche mit Vanillemilch.
„Wollt ihr meine Cookies probieren? Die habe ich selbst gebacken“, hielt ihnen Lotta eine Dose mit fantastisch aussehenden Schokoladencookies hin. Aylin und Kiki griffen sofort zu, doch Emily schüttelte nur den Kopf.
„Hey, wir sollten so langsam in Richtung Cafeteria gehen, sonst geben unsere Freundinnen noch eine Vermisstenanzeige auf“, drängte Emily, die sich bei Kiki und Lotta einhängte. Aylin schob ihren Arm wiederum unter Lottas.
„Ich dachte, ihr hättet eine eigene Sitzung auf der Toilette abgehalten“, ein spöttischer Mundzug umspielte Mathildas Mundwinkel.
„Was für eine nette Begrüßung!“, murmelte Aylin, sodass es kaum hörbar war.
„Du kannst es einfach nicht lassen deinen Sabbel zu halten, du alte Spottdrossel!“, gab Kiki Mathilda einen sanften Klaps auf die Schulter.
„Vor allem ist Matti nicht auf den Mund gefallen“, gab Lotta ihren Senf dazu, als sie sich zwischen Aylin und Mathilda niederließ.
„Wie konntet ihr die Plätze solange freihalten?“, drehte sich Emily zu den Zwillingen.
„Ganz einfach, indem wir unsere Jacken auf die freien Stühle gelegt haben“, erwiderte Annemieke.
„War keine von den merkwürdigen Zicken da, mit denen wir letztens erst Ärger hatten?“, wollte Lotta wissen, die sich ihre Fingernägel mit einem korallenrotem Nagellack zu lackieren begann.
„Ne, die haben sich noch nicht blicken lassen“, meinte Mathilda. Kaum als von ihnen die Rede war, tauchten die Gesichter von Mareike und einer ihrer Freundinnen zwischen den Schülerscharen auf.
„Oh je, nicht die schon wieder“, entfuhr es Mathilda, als die beiden Mädchen mit ihren Freundinnen vor ihrem Tisch Halt machten.
„Könnt ihr uns sagen, was ihr von uns wollt?“, sagte Kiki betont, obwohl sie das Schnippische in ihrer Stimme nicht richtig verbergen konnte.
„Ihr wollt wirklich mit Sven und seinen Freunden Fußball spielen?“, begann Mareike, das große Mädchen mit dem hohen Pferdeschwanz.
„Das versuchen wir uns gerade vorzustellen“, kicherte ihre Freundin los.
„Woher kennt ihr Sven?“, platzte es aus Aylin heraus.
„Ganz einfach, weil ich die Cousine von Sven bin“, meinte die Blondine.
„Und wer bist du überhaupt?“, fragte Fianna unwirsch.
„Ich bin Janine aus der 9a. Vor mir hat jede Abwehr einen Heidenrespekt, da fast jeder meiner Schüsse einen Treffer bedeutet“, lächelte ihr Gegenüber übertrieben selbstverliebt und pustete sich eine weißblonde Ponysträhne aus dem Gesicht.
„Sollen wir eine Vorstellungsrunde machen?“, grinste das Mädchen mit dem dunkelbraunen Pferdeschwanz und den katzengrünen Augen. „Ich bin Diana, eine von Janines besten Freundinnen. Niemand in meiner Altersklasse kann mich bei Flanken und Steilpässen übertreffen.“
„Ich bin Annabella, genannt "Bella die Skrupellose", weil ich die härteste Verteidigerin der Stadt bin“, machte das kleine Mädchen mit den rotbraunen Haaren weiter.
„Mich kennt ihr schon“, sagte Mareike und strich eine blonde Strähne hinters Ohr. „Falls ihr gegen uns spielt, kommt ihr an mich nicht vorbei. Im defensiven Mittelfeld nehme ich jeder Gegnerin den Ball ab.“
„Ich brauch mich auch nicht mehr bei euch vorstellen“, setze Linda den Schlusspunkt. „Wenn ich einmal an den Ball komme, bin ich auf und davon.“
„Was labern die eigentlich?“, raunte Aylin in Kikis Richtung, die nur die Augen verdrehte.
„Keine Ahnung, diesen Mist muss man nicht verstehen“, bemerkte ihre Freundin abfällig.
„Soso, offenbar habt ihr noch nicht mal die leiseste Ahnung von Fußball“, verdrehte Diana die Augen.
„Das muss man auch nicht“, blaffte Mathilda.
„Und ihr wollt wirklich beim Adventsturnier teilnehmen?“, spottete Janine, die ihre seidigen, langen Haare über die Schulter warf.
„Was geht euch das an?“, zischte Annemieke.
„Ihr werdet gegen uns und unsere Freunde spielen“, meinte Bella und fügte beiläufig hinzu: „Wir haben uns letztens dort auch angemeldet.“
„Schön für euch!“, fauchte Aylin. „Wen interessiert’s?“
„Ihr bekommt es mit richtigen Profis zu tun“, erwiderte Diana aufgeblasen. „Janine und Linda sind die torgefährlichsten Stürmerinnen weit und weit, nicht umsonst wurde unsere Mädchenmannschaft Meister der C-Juniorinnen.“
„Da könnt ihr echt stooooolz auf euch sein“, Annemieke zog ihre Worte in die Länge und rollte dabei mit den Augen.
„Wisst ihr was, gegen uns werdet ihr eine haushohe Klatsche einstecken, denn wie wir euch einschätzen, könnt ihr noch nicht einmal laufen ohne über eure Füße zu fallen“, sagte Diana zynisch.
„Nur weil ihr Meister seid, müsst ihr nicht glauben, dass ihr etwas "Besseres" seid!“, sprang Lotta auf und warf dabei ihren Nagellack um.
„Wollen wir es mithilfe eines kleinen Matches nach der Schule herausfinden?“, schlug Mareike vor, die sich kaum das Lachen verkneifen konnte.
„Okay, morgen nach der Schule“, baute sich Kiki vor ihr auf. „Ihr werdet feststellen, dass wir nicht so leicht zu schlagen sind!“
„Sei doch still, Kiki!“, zischte Annemieke, die inzwischen ganz rot geworden war.
„Okay, wo wollen wir spielen?“, fragte Janine.
„Da hätte ich schon eine Idee“, meldete sich Bella zu Wort. „Morgen haben wir nach der sechsten Stunde Schluss und danach ist die Turnhalle meist noch aufgeschlossen. Durch den Fahrradkeller können wir unauffällig hineingelangen.“
„Macht ihr mit?“, sah Diana die Bandenmädchen herausfordernd an.
„Natürlich, wir haben doch keine Angst vor euch Fußballdiven“, nickte Kiki heftig.
„Schlag ein!“, hielt ihr Svens Cousine die Hand hin. Mit zusammengebissenen Zähnen schlug Kiki ein. In diesem Moment hätte Aylin ihr am liebsten den Hals umgedreht.
„Ok, see you later!", verschwand Mareike mit ihren hochnäsigen Freundinnen.
„Mensch Kiki, manchmal bist du wirklich der größte Esel auf Erden!“, regte sich Lotta auf, die noch vor Aylin die richtigen Worte fand.
„Soll ich etwa vor diesen Fußballzicken sagen, dass wir zu feige sind gegen sie anzutreten?“, funkelte Kiki sie böse an. „Ihr wisst, wir sind die Roten Tulpen. Habt ihr das vergessen? Wir lassen uns nicht klein kriegen und schon gar nicht von denen.“
„Wir werden uns eh blamieren und dann kriegen wir den Spott sowieso ab. Aber das kann uns egal sein, schließlich haben wir immer noch uns und dann können wir auf die Meinung Dritter pfeifen“, meinte Emily.
„Trotzdem hätte sich Kiki nicht so provozieren lassen sollen“, fand Aylin.
„Egal, ich habe trotzdem Lust die eine oder andere zu foulen“, funkelten Mathildas Augen angriffslustig.
„Habt ihr für nachher Hallenschuhe dabei?“, sah Kiki ihre Bandenfreundinnen eindringlich an, als sie die zweite Hofpause an der alten Steinmauer verbrachten.
„Na logo!“, nickten die Zwillinge.
„Und ich habe mir Toms Fußballschuhe geborgt“, meinte Fianna und machte eine große Kaugummiblase.
„Ich habe die Hallenschuhe von meinem Cousin geschenkt bekommen, die ihm sowieso zu klein sind“, stolz präsentierte Lotta ihre hellblauen Fußballschuhe.
„Tun es Joggingschuhe auch?“, fragte Emily.
„Na klar, ich habe auch nur ausgelatschte Sneaker dabei“, nickte Kiki. Aylin fühlte sich mit ihren weißen Turnschuhen mit den rosa Blümchen ziemlich unprofessionell.
„Na, seid ihr für das Match gegen meine Cousine gut gerüstet?“, gesellte sich Sven mit Jannis zu ihnen.
„Aber hallo! Wir wollen richtig auf den Putz hauen und diese aufgeblasenen Fußballkühe in ihre Schranken verweisen“, klang Mathilda angriffslustig.
„Am schlimmsten sind immer noch diese aufgetakelte Janine und ihre katzenäugige Freundin“, schnaubte ihre Schwester.
In diesem Moment ging Janine mit Diana an ihnen vorbei. Als die beiden Neuntklässlerinnen die Bandenmädchen sahen, prusteten sie los.
„Nehmt euch bloß nicht ihre Gemeinheiten zu Herzen! Mareike und ihre Freundinnen sind doch bloß neidisch, dass ich sie nicht gefragt habe, ob sie mit uns in einem Team spielen wollen. Sie können es nicht verstehen, wieso wir euch bevorzugen“, meinte Sven.
„Können Janine und co wirklich gut Fußball spielen?“, zog Lotta skeptisch die Augenbrauen hoch.
„So tussihaft wie die aussehen, können die bestimmt nicht gut sein“, bemerkte Fianna.
„Aber könnt doch nicht anhand ihres Styles bewerten, wie sie Fußball spielen“, widersprach Sven ihnen sofort. „Mareike und ihre Freundinnen sind wirklich nicht schlecht. Wir haben einmal ein Trainingsspiel gegen ihre Mannschaft gemacht und nur ganz knapp mit einem Tor Vorsprung gewonnen, welches ich in letzter Sekunde geschossen habe.“
„Wow, das kann ich mir kaum vorstellen!“, staunte Emily.
Nach der Schule wartete Aylin mit Kiki, Fianna und den Zwillingen am Fahrradständer. Emily und Lotta standen mit Lennart und Max auf der anderen Seite der Straße.
„Ich sag euch doch, sie brauchen ihre tägliche Knutschdosis“, bemerkte Mathilda spöttisch.
„Das sagst nur so, weil du noch nie einen Freund hattest“, fuhr Fianna herum.
„Aber trotzdem kann ich mir nie im Leben vorstellen einen Jungen zu küssen“, klang Kiki fast schon angeekelt.
„Oh, ich würde schon lieber einen Jungen küssen als Fußball zu spielen“, warf Aylin ein.
„Oh nein, da trete ich schon hundert Mal lieber gegen den Ball“, schüttelte Kiki vehement den Kopf.
„Hey, kommt doch rüber!“, winkte Annemieke ihren Freundinnen auf der anderen Straßenseite zu.
„Moment, wir kommen gleich“, erwiderte Lotta.
„Immer dieses Rumgeturtel!“, flüsterte Mathilda Kiki, Aylind und Fianna zu.
„Tja, so läuft erste Liebe halt“, zuckte Fianna mit den Achseln.
„Da seid ihr ja auch schon!“, kam Janine lächelnd auf sie zu. Aylin spürte die falsche Freundlichkeit sofort, weshalb sie Janine und ihre Freundinnen nur finster anschaute.
„Freut ihr euch auch schon auf das Schützenfest?“, grinste Bella unverschämt.
„Was für ein Schützenfest bitteschön?“, stellte sich Annemieke dumm.
„Werdet ihr gleich sehen“, prustete Linda los.
„Wollen eure beiden Turteltauben nicht langsam kommen oder knutschen sie sich fest?“, mit einem belustigten Blick drehte sich Janine zu Kiki um.
„Wir sollten uns gegen diese Tussen echt zusammenreißen!“, raunte Mathilda ihren Freundinnen zu. „Ich habe keinen Bock auf eine hohe Niederlage. Nachher wissen es alle von dieser Schule und wir müssen uns bei jeder Gelegenheit Schmähungen anhören.“
„Ja ja, wir werden schon versuchen vernünftig zu spielen, aber wenn wir verlieren ist es doch auch wurscht. Dieser Kick zählt doch eh nichts“, klang Annemieke genervt. Ohne viel zu sagen, überquerten die Mädchen den Zebrastreifen.
„Was habt ihr mit euren Freunden die ganze Zeit beredet?“, sah Kiki Lotta und Emily an.
„Nichts besonders“, erwiderte Lotta kurz angebunden. Aylin spürte, dass weder Lotta noch Emily es mochten, wenn die Bande zu sehr ihre Nase in ihre eigenen Angelegenheiten steckte.
„Na, da seid ihr ja“, begrüßte Bella sie mit einem aufgesetzten Lächeln.
„Hör auf so blöd zu gucken!“, fuhr Lotta sie an.
„Wisst ihr, wir lassen euch den Luxus, dass ihr zu siebt gegen uns spielen dürft“, fuhr Mareike fort.
„Ach, wie nett von euch!“, erwiderte Mathilda ironisch.
„Würden wir in gleichgroßen Teams gegeneinander spielen, würden wir euch im zweistelligen Bereich schlagen“, meinte Diana großkotzig.
„Ich bin wirklich gespannt, ob die Ziegen wirklich so gut sind, wie sie vorgeben zu sein“, wisperte Kiki ihren Freundinnen zu und legte ihre Arme um die Zwillinge. Die Mädchen warteten bis es zur siebten Stunde klingelte und schlichen durch den Fahrradkeller zum Nebeneingang der Turnhalle.
„Ist hier wirklich niemand?“, blieb Lotta plötzlich auf dem Gang stehen.
„Quatsch, die Luft ist rein!“, gab Linda Entwarnung.
„Stopp! Ihr solltet euch alle vorher die Schuhe ausziehen“, pfiff Kiki die Mädchen zurück.
„Wo sie Recht hat, hat sie Recht“, brummte Diana, die ihre beigen Winterstiefel gegen ein Paar ultimativ schicker Hallenfußball tauschte.
„Ihr dürft eure Seite wählen“, überließ Janine den Roten Tulpen die Platzwahl.
„Auf welchen Positionen wollt ihr spielen?“, trommelte Fianna ihre Freundinnen zusammen.
„Ich gehe auf keinen Fall ins Tor oder in die Abwehr“, lehnte Kiki sofort ab.
„Na gut, dann gehst du halt ins Mittelfeld“, schob Fianna sie wie eine Schachfigur auf ihre Position.
„Darf ich in den Sturm?“, meldete sich Lotta zu Wort.
„Von mir aus gerne“, nickte Fianna. „Dann spiele ich mit Kiki im Mittelfeld.“
Die Zwillinge wollten unbedingt in der Abwehr spielen und Emily, die partout nicht laufen wollte, stellte sich ins Tor. Nur Aylin war unschlüssig wo sie spielen sollte. Am liebsten würde sie sich sowieso aus dem Staub machen.
„Willst du es neben Lotta im Sturm versuchen?“, fragte Fianna, worauf Aylin zaghaft nickte.
„Seid ihr bereit oder haltet ihr immer noch Kaffeekränzchen?“, rief ihnen Diana zu, die einen scharf geschossenen Freistoß gegen die Latte des Tores krachen ließ.
„Oh je, hoffentlich schießen nicht alle so doll“, bemerkte Aylin ängstlich.
„Und falls ja, dann springe ich einfach zur Seite“, meinte Emily gelassen.
„Das geht doch nicht, du bist doch im Tor. Schon vergessen?“, widersprach ihr Kiki.
„Mir doch egal, aber ich lasse mir keinen Ball in die Fresse schießen“, fuhr ihr Emily verärgert über den Mund.
„Können wir endlich anfangen?“, kam Linda leicht genervt auf die Roten Tulpen zu.
„Lass den Fußballanalphabetinnen doch noch ein bisschen Zeit bis sie sich sortiert haben“, rief Diana von der anderen Seite der Halle und jonglierte einen Ball.
„In einer Minute steht ihr so, dass wir anfangen können!", sah Linda die Bandenmädchen eindringlich an, die teilweise noch ziemlich ratlos in der Gegend herumstanden.
„Geht auf eure Positionen und tut nicht so, als würdet ihr zum ersten Mal Fußball spielen!“, raunte Fianna ihren Freundinnen zu.
„Da wir heute sehr nett sind, überlassen wir euch den Anstoß“, sagte Janine lächelnd und zeigte ihre strahlendweißen Zähne.
„Aylin, willst du den Anstoß ausführen?“, wisperte Lotta.
„Wenn du mir erklärst, wie das geht“, erwiderte Aylin verlegen und kaute auf ihrer Unterlippe.
„Pass einfach den Ball zu mir“, erklärte Lotta ihr. Aylin ging zum Mittelkreis und tickte den Ball so zaghaft an, dass er zu Lotta rollte. Ihre Sturmpartnerin rannte mit dem Ball am Fuß los.
„Aylin, lauf mit!“, hörte sie Fianna im Hintergrund rufen. Geschickt umkurvte Lotta die kleine Bella.
„Spiel ab!“, rief Kiki, die neben ihr mitlief. Zu spät! Mareike rauschte herbei und grätschte Lotta den Ball weg.
Nun ging alles ganz schnell. Mareike passte quer zu Diana, die zu einem Flankenlauf ansetzte.
„Diana, hier!“, hob Janine ihren rechten Arm. Ihre Freundin flankte in die Mitte des Strafraumes und Janine nahm das Spielgerät gekonnt mit der Brust an und drosch es mit voller Wucht in die Maschen.
„Matti und Micky, ihr lahmen Enten, ihr hättet Janine decken müssen!“, meckerte Fianna.
„Sorry, Carrot, aber das ging einfach viel zu schnell“, rechtfertigte sich Mathilda.
„Kommt, wir lassen uns nicht einfach so schnell abfertigen!“, raunte Kiki ihren Freundinnen zu, die mit dem Ball zum Anstoßpunkt eilte.
„Geh nach vorne, Aylin!“, rief Lotta ihr zu. Für Aylin war am Fußball generell am schlimmsten, dass sie nie wusste, wo sie stehen musste. Oftmals irrte sie verloren über das Spielfeld in der Hoffnung doch noch einmal den Ball zu bekommen. Nun führte Kiki mit Lotta den Anstoß aus.
„Hier, Aylin!“, hörte sie Lotta rufen, die ihr das Leder vor die Füße spielte.
„Um Himmels Willen was soll ich damit machen?“, schoss ihr durch den Kopf. Aus Reflex kickte sie den Ball von sich weg, genau Linda vor die Füße.
„Lauf Linda, lauf!“, wurde sie von ihren Freundinnen angespornt. Die pfeilschnelle Linda war kaum einzuholen.
„Aylin, komm zurück!“, rief Kiki, die vergeblich versuchte Linda den Ball abzunehmen. So schnell sie konnte, spurtete Aylin zurück zum Strafraum. Als sie Linda fast eingeholt hatte, gab ihre Gegenspielerin den Ball an Diana ab, die mit einer Körpertäuschung Mathilda stehen ließ und Emily aus kurzer Distanz keine Chance ließ.
„Mist, schon 2:0 für die!“, fluchte Kiki leise.
„Und dabei spielen wir erst seit drei Minuten“, sah Lotta betreten zu Boden.
„Jetzt erst recht!“, versuchte Fianna ihre Freundinnen wachzurütteln. Gleich nach dem erneuten Anstoß zeigte sie ihr Können und dribbelte sich durch die Reihen.
„Spiel ab, Carrot!“, hob Kiki ihren Arm, die mitgelaufen war. Mit viel Gefühl flankte sie zu Kiki, die das Tor um knapp einen Meter verfehlte.
„Nicht schlecht!“, kommentierte Bella. „Alle Achtung! Ich hätte nie gedacht, dass ihr überhaupt eine Torchance zustande bekommt.“
Anschließend führte Bella den Abschlag aus, im hohen Bogen flog er zu Mareike, sodass sich Aylin nur noch umdrehen konnte, um den Geschehen in ihrer eigenen Hälfte zu zugucken. Annemieke, die nun dicht bei ihrer Gegenspielerin stand, konnte den Ball noch rechtzeitig weggrätschen. Mathilda rannte dem Spielgerät hinterher und spielte einen langen Ball zu Lotta in die Spitze.
„Jetzt aber, Lotta!“, riefen Kiki und Fianna im Chor. Lotta zog aus einigen Metern Entfernung ab, doch der Ball ging weit drüber.
„So schlecht, wie wir gedacht hätten, seid ihr doch nicht!“, bemerkte Mareike anerkennend, als sie den Ball wiederholte und ihn zu Janine kickte. Kiki versuchte ihr das Leder wegzunehmen, doch Janine entkam ihr durch eine geschickte Körpertäuschung ließ nun auch Annemieke ins Leere laufen. Mit der äußeren Seite ihres Fußes schob sie den Ball an Emily vorbei. Nun lagen sie 0:3 zurück.
„Wenn nur jedes Spiel so einfach wäre!“, klatschte Janine ihre Mitspielerinnen ab.
„Langsam macht es echt keinen Spaß mehr!“, maulte Mathilda, während sie auf ihre Position ging.
„Trotzdem geben wir nicht auf!“, drehte sich Kiki zu ihr um. Die Roten Tulpen gaben sich einen Ruck. Zwar waren sie gegen die Nachwuchsspielerinnen des 1.SV Freudenburgs chancenlos, trotzdem wollten sie sich nicht einfach so abservieren lassen. Beinahe hätte Kiki das 1:3 erzielt, wenn Diana den Ball nicht in letzter Sekunde von der Linie gekratzt hätte. Kurz darauf erzielte Linda das 4:0 und das 5:0.
„Wollen wir eine Pause machen?“, klatschte Janine in die Hände. „Ich sehe, ihr seid kurz vorm Kollabieren.“
„Das wäre echt nice“, japste Lotta, die einen großen Schluck aus ihrer Flasche nahm.
„Das wäre nicht so schön, wenn unsere würdenvollen Gegnerinnen noch wie Mikadostäbchen umfallen“, konnte sich Diana einen spöttischen Kommentar verkneifen.
„Da kannst du mal sehen, dass die nichts gewohnt sind“, grinste Linda hämisch.
„Natürlich sind wir etwas gewohnt, denn ich spiele schließlich ich Hockey. Mit einem Schläger in der Hand hätte ich dich schon zehnmal abgefertigt!“, entgegnete ihr Mathilda scharf.
„Tut mir leid, aber gerade sind wir nicht beim Hockey!“, prustete Janine los.
„Noch ein Wort und ich foule dich so heftig, dass du durch die Luft fliegst!“, explodierte Mathilda fast.
„Matti, lass dich doch nicht wegen jeder Nichtigkeit provozieren!“, raunte ihr Kiki zu. Aylin konnte Kiki nur Recht geben, Mathilda sprang sehr schnell auf Provokationen an.
„Seid ihr wieder fit genug für die zweite Hälfte?“, wandte sich Bella an die Roten Tulpen.
„Natürlich sind wir das! Schließlich haben wir noch eine Aufholjagd vor uns“, stand Kiki auf.
Nun hatten Janine und ihre Freundinnen Anstoß. Als Linda den Ball zu Mareike spielen wollte, rutschte ihr das Leder vom Fuß vor Aylins Füße.
„Los Aylin, das ist deine Chance!“, rief Fianna. In diesem Moment schüttelte Aylin jede Scheu vor dem Ball ab und stürmte mit ihm nach vorne. Gerade als das Tor in greifbare Nähe kam, stellten sich ihr Bella und Diana in den Weg.
„Pass!“, zischte Fianna. Aylin schob ihr den Ball zu. Fianna erspähte die Lücke in der Abwehr, lief drei Schritte weiter und versenkte den Ball unhaltbar im Tor.
„Super, Carrot und Aylin!“, jubelte Lotta und umarmte ihre beiden Freundinnen.
„Aylin, das war wirklich klasse von dir!“, wuschelte ihr Kiki über ihre wilden Locken. Nach und nach fielen die anderen Roten Tulpen in ihre Umarmung ein.
„Die feiern ihr einzigstes Tor wie den Gewinn einer Weltmeisterschaft!“, machte Janine ein verächtliches Gesicht.
„Vergesst nicht, die restlichen Tore werden wir auch noch aufholen“, raunte ihnen Kiki zu. Schneller als die Mädchen gucken konnten, holten ihre Gegnerinnen sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Nach einer Ecke fälschte Emily Mareikes Kopfball ins eigene Tor ab.
„Vielen Dank, wollt ihr uns noch ein paar Treffer schenken?“, grinste Diana unverschämt.
„Sei bloß still!“, fauchte Emily, die das Leder frustriert von sich wegkickte.
Kurz darauf erzielte Steffi fast das siebte Tor der Gegnerinnen, wenn Mathilda nicht den Ball von der Torlinie gekickt hätte.
„Wartet mal, ist es nicht besser, wenn Matti für Emily ins Tor geht?“, wandte sich Lotta an Fianna und Kiki.
„Oh ja, das wäre mir echt lieb!“, bettelte Emily. „Es ist schon schlimm genug, wenn ich die ganze Zeit unter Beschuss stehe.“
Mathilda hatte nichts dagegen Emilys Platz zwischen den Pfosten einzunehmen und wehrte gleich zwei Bälle ab. Emily machte auf dem Feld eine bessere Figur als im Tor. Gleich nachdem sie Mareike den Ball abgenommen hatte, spielte sie zu Aylin.
„Ich versuche es noch mal!“, redete Aylin im Stillen mit sich. Bevor sie auch nur einen Schritt machen konnte, nahm ihr Diana den Ball weg. Annemieke konnte ihr den Ball weggrätschen, trotzdem landete die Kugel bei Linda, die nun eine große Chance witterte. Aylin sag, wie Mathilda aus dem Tor gestürmt kam und sich ihr in den Weg stellte.
„Matti, geh wieder zurück!“, schrie Lotta fast. Mathilda hörte nicht auf sie und rannte weiterhin auf Linda zu. Mit einem Übersteiger versuchte Linda an ihr vorbei zu kommen.
Im nächsten Moment grätschte Mathilda ihr die Beine weg. Mit einem dumpfen Aufprall landete Linda auf dem Hallenboden und der Ball rollte am Tor vorbei. Leise schluchzend blieb Linda liegen und machte keine Anstalten wieder aufzustehen.
„Das war ein ganz mieses Foul!“, platzte Bella fast vor Wut. „Normalweise würdest du vom Platz fliegen. Das war eine astreine Notbremse und da gibt's nichts zu diskutieren.“
„Ach was, das war doch nur Körpereinsatz“, versuchte Mathilda sich rauszureden.
„Soll ich dir mal zeigen, was Körpereinsatz ist?“, rief Janine schrill und rannte geradewegs in sie hinein. Mathilda ließ sich das nicht bieten und hielt ihre Kontrahentin an den Haaren fest.
„Fangt bloß keine Klopperei an!“, rannte Kiki auf die beiden Streithennen zu, die sich immer noch finster anstarrten. Mareike, Emily und Annemieke kümmerten sich derweil um Linda, die versuchte mit einem schmerzverzehrtem Gesicht wieder aufzustehen.
„Was soll das hier?“, donnerte eine tiefe Stimme hinter ihnen. Erschrocken drehten sich die Mädchen um. Der Hausmeister stand mitten in der Halle.
„Was habt ihr hier ohne Lehrkraft zu suchen?“, fuhr er mit seiner rauchigen Stimme fort.
„Ähm, wir wollten nur für das morgige Spiel trainieren, denn seit kurzem gibt es hier eine Fußballmädchenmannschaft“, versuchte sich Diana schnell eine Ausrede zurrecht zu basteln.
„Wenn ich das mal glauben soll“, nuschelte er undeutlich durch seinen Schnurbart. „Macht ihr euch sofort vom Acker, bevor es noch richtigen Ärger gibt!“
Dies ließen sich die Mädchen nicht zweimal sagen. In Windeseile waren sie draußen.
„Das war ja mal ein richtiger Reinfall und jetzt muss ich voll verschwitzt nach Hause fahren!“, ärgerte sich Lotta und kickte einen Kieselstein über den Parkplatz.
„Hoffentlich hast du dich auch ehrlich entschuldigt“, wandte sich Aylin leicht verärgert an Mathilda. „Das hätte wirklich nicht sein müssen, du hättest Linda sogar richtig verletzen können."
„Ja, das habe ich doch gerade getan. Im Endeffekt tut es mir doch leid, obwohl die Ziegen uns die ganze Zeit provoziert haben“, seufzte ihre Freundin, die ab und zu über die Stränge schlug, wenn sie richtig wütend war. Aylin war insgeheim mehr als froh, dass dieses fürchterliche Spiel doch noch ein vorzeitiges Ende gefunden hatte. Wie es nur werden würde, wenn die Roten Tulpen in ein paar Wochen beim Nikolausturnier antreten wird? Vermutlich würden ihre Freundinnen und sie sich zur Lachnummer machen, wenn sich nichts änderte.
„Ich glaube wir sind echt nicht für's Fußballspielen gemacht“, sagte Lotta am nächsten Tag in der ersten großen Pause zu ihren Bandenfreundinnen.
„Wieso malst du eigentlich immer schwarz?“, runzelte Kiki die Stirn. „So schlecht waren wir nun auch nicht und nicht jeder ist der geborene Fußballstar. Dennoch waren wir um einiges besser als beim ersten Mal, wo wir uns auf dem Bolzplatz getroffen haben.“
„Trotzdem, das Ergebnis sagt schon alles“, murrte Lotta.
„Stimmt, es hätte wirklich besser sein können“, fügte Fianna hinzu.
„Wisst ihr was, das ist doch jetzt auch egal“, meinte Emily. „Wir sind halt keine so genannten „Profis“ wie diese Zicken. Hätten wir die Wette nicht verloren, würde niemand freiwillig einen Ball anrühren.“
„Eindeutig! Die Wette ist definitiv schuld“, pflichtete ihr Aylin bei.
„Na, euer Spiel gegen meine Cousine war doch nicht so toll“, näherte sich Sven mit Lennart und Jannis von hinten. Die Bandenmädchen verstummten und warfen den drei Jungs nicht sonderlich begeisterte Blicke zu.
„Janine hat mir brühwarm weitererzählt, dass du angeblich Linda ziemlich rüde von den Beinen geholt“, wandte sich Sven an Mathilda.
„Na und? Wieso musst du mir das auch noch unter die Nase reiben?“, erwiderte sie zickig und kickte einen Kieselstein in seine Richtung.
„Naja, ich wollte es nur einmal gesagt haben, dass man beim Fußball für eine Notbremse üblicherweise vom Platz fliegt“, fuhr Sven verlegen fort. Gerade als Mathilda etwas Schnippisches erwidern wollte, kam ihr Annemieke zuvor.
„Du brauchst sie nicht extra belehren, Sven, schließlich ist das beim Hockey auch nicht anders“, holte sie tief Luft und fuhr fort: „Wisst ihr was, Fischköppe? Ich will euch zwar nicht davon scheuchen, trotzdem seid ihr gerade in unserer Gegenwart genauso überflüssig wie Schnee im Sommer oder Osterhasen an Weihnachten.“
„Bye Bye, Fischköppe!“, lächelte Fianna zuckersüß und die Bandenmädchen begannen synchron zu winken.
„Hey, Mädels!“, fuhr Sven dazwischen. „Mein Vater bietet uns an, dass er uns bis zum Turnier trainiert.“
„Jetzt wirklich? Machst du Scherze?“, schaute Emily ihn an, als sei sie völlig vom Glauben abgefallen.
„Wieso nicht?“, zuckte er mit der Schulter.
„Ich habe aber keine Lust auf Fußballtraining“, nölte Emily.
„Das ist keine Schlechte Idee“, fand Kiki. „Es würde uns garantiert etwas bringen, wenn wir vor dem Turnier trainieren, nur so können wir besser werden.“
„Meinetwegen können wir dieses beschissene Turnier sowieso canceln“, fuhr Emily schlecht gelaunt fort.
„Komm schon, Lily-Maus! So schlimm wird es auch nicht werden“, legte Lennart den Arm um sie.
„Vielleicht können wir uns alle an diesem Tag krank melden“, wisperte Annemieke in Lottas und Aylins Richtung.
„Dann wäre die Grippe bei mir schon mal gebongt“, nickte Aylin heftig.
„Wenn wir so schlecht spielen, wie wir die letzten Male gespielt haben, habe ich am Tag des Turniers auch eine Grippe“, meinte Lotta.
„Das kommt gar nicht in Frage, dass wir das Turnier absagen“, fuhr Kiki sie mit blitzenden Augen an. „Wir haben nun mal die Wette verloren und müssen uns jetzt der Herausforderung stellen. Wie blöd sähe es denn aus, wenn wir vor jeder Aufgabe einen Rückzieher machen? Fußball ist nicht jedermanns Ding, ehrlich auch gar nicht meins. Nicht desto weniger trotz scheue ich davor nicht zurück. Nachher weiß es jeder, dass wir uns noch nicht mal trauen an einem Fußballturnier teilzunehmen und dann wird die ganze Schule über uns spotten. Mädels, wir sind die Roten Tulpben und stecken nicht bei jeder Gelegenheit vor lauter Feigheit den Kopf in den Sand.“
„Jede von uns kann lernen, auch wenn nicht jede von uns ein Fußballnaturtalent ist", übernahm Fianna das Wort. „Durch Einsatzbereitschaft und Kampfgeist können wir viel mehr erreichen, als wir denken. Nur wenn wir zusammen an einem Strang ziehen, sind wir ein Team.“
„Gut gebrüllt Löwe!“, klopfte ihr Kiki anerkennend auf die Schulter.
Aylin war sehr überrascht, dass ihre beste Freundin so deutlich werden konnte. Nicht umsonst gab Fianna manchmal neben Kiki und den Zwillingen mit den Ton in der Bande an, obwohl sie die Jüngste von ihnen war.
„Wollt ihr nun mit uns trainieren oder nicht?“, wurde Jannis ungeduldig.
„Doch, das tun wir“, nickte Kiki.
„Oder versuchen es zumindest“, fügte Mathilda hinzu.
„Diese Einstellung finden wir gut“, lobte Sven.
„Wann soll das erste Training stattfinden?“, fragte Lotta.
„Schon morgen Abend“, antwortete Sven. „Mein Vater hat die Halle für den ganzen Abend für uns reserviert.“
„Morgen können Matti und ich nicht, da haben wir die Generalprobe für das Konzert am Samstag“, erwiderte Annemieke kopfschüttelnd.
„Micky, die Probe ist doch nachmittags und nicht abends“, stupste ihre Zwillingsschwester sie an.
„Seid ihr alle dabei?“, fragte Jannis in die Runde.
„Klar doch, auch wenn ich dafür Ballett sausen lassen muss“, nickte Fianna. Aylin wurde leicht mulmig, als sie sich ausmalte mit ihren früheren Erzfeinden Fußball zu spielen. Zwar waren die beiden Banden seit den Sommerferien versöhnt, doch trotzdem blitzten immer wieder zwischen gewisse Rivalitäten zwischen ihnen auf.
Am Nachmittag des folgenden Tages lief Aylin unruhig in ihrem Zimmer auf und ab. Was sollte sie nur anziehen? In ihrem geblümten weiten T-Shirt, welches sie sonst im Sportunterricht trug, wollte sie nicht auflaufen. Das sähe irgendwie auch albern aus. So sehr sie in den Schubbladen ihres Kleiderschrankes grub, fand sie sie trotzdem nichts Sporttaugliches und schon gar nichts Fußballtaugliches.
„Was mache ich nun?“, sagte sie in Gedanken versunken zu sich selbst. Im nächsten Augenblick kam ihr eine zündende Idee. Sie schlich zum Zimmer ihrer Brüder rüber und klopfte zaghaft an die Tür.
„Herein!“, vernahm sie Erhans Stimme gedämpft.
„Hättest du noch ein paar Fußballsachen für mich?“, öffnete sie die Tür. Erhan saß vor seinem Laptop und spielte eines seiner Computerspiele.
„Seit wann spielst du bitteschön Fußball?“, sah er seine Schwester verdattert an.
„Ach, das ist nur so ein Spiel der Mädchen aus unserer Klasse gegen unsere Parallelklasse, das kurz vor Weihnachten stattfinden soll. Heute haben wir uns verabredet, um gemeinsam zu trainieren“, erwiderte sie verlegen. Hoffentlich merkte er nicht, dass sie ein wenig rot um die Nasenspitze wurde. Sonst war Aylin eine sehr schlechte Lügnerin.
„Na gut, ich guck nach, was ich zu bieten habe“, stand ihr Bruder auf. „Brauchst du eine komplette Ausrüstung?“
Aylin nickte nur.
„Also gut, du bekommst meine Stutzen, meine Schienbeinschoner, eine alte Sporthose von mir und das Trikot von Galastasaray Istanbul“, legte Erhan nacheinander seine Fußballsachen auf sein Bett.
„Danke!“, lächelte Aylin und hakte nach: „Hast du zufällig auch noch Hallenschuhe?“
„Welche Größe brauchst du?“, fragte er.
„Ich glaube 37“, murmelte sie.
„Hm, ich habe Größe 39. Du musst wahrscheinlich Onurs Hallenschuhe nehmen, er hat Größe 37“, meinte Erhan und holte die Hallenschuhe ihres jüngsten Bruders aus dem Schrank. Aylin ging wieder in ihr Zimmer, nachdem sie sich tausendmal bedankt und Erhan ihr versichert hatte, dass er vor ihren Eltern dichthielt, dass sie zum Fußball ging. Wenig später klingelte es. Aylin stürmte in den Flur und drückte den Summer, um die Haustür im Erdgeschoss zu öffnen. Kurz darauf standen Fianna und Kiki vor der Wohnungstür.
„Bist du so weit?“, fragte Fianna.
„Na klar! Ich hole eben meine Sachen und dann komme ich“, erwiderte Aylin und flitzte in ihr Zimmer.
„Beeilung bitte, die gesamte Bande wartet unten vor der Tür!“, rief ihr Kiki hinterher.
Svens Vater wies den Mädchen die Umkleidekabine ganz am Ende des Ganges zu.
„Rate mal, wer ich heute sein werde?“, flachste Mathilda und zog sich ein Trikot von Real Madrid über.
„Igitt, seit wann magst du Cristiano Ronaldo?“, rümpfte Lotta die Nase.
„Das ist gar nicht von mir, das ein altes Realtrikot, welches Elias mir geliehen hat und Micky hat er ein Trikot vom 1.FC Kaiserslautern gegeben“, erwiderte Mathilda. Jede Rote Tulpe streifte sich ein Fußballtrikot einer x-beliebigen Fußballmannschaft über. Fianna trug das grüne Trikot der irischen Nationalmannschaft. Kiki hatte sich ein Trikot von Michael geliehen, der Fan von Borussia Dortmund war. Emily hatte ein Trikot von Lennart bekommen, dessen Lieblingsmannschaft Schalke 04 war. Lotta hatte das Nationaltrikot von Joshua Kimmich an.
„Das hat mir Mama letztes Jahr zur EM gekauft“, erzählte sie stolz.
Aylin war insgeheim froh, dass sie sich Erhans Fußballsachen geborgt hatte. In einem geblümten T-Shirt hätte sie sich garantiert fehl am Platz gefühlt.
„Hey, lass uns alle Fußballstars werden!“, rief Fianna begeistert, dabei hüpfte sie auf und ab.
„Ja, damit wir morgen alle in der Nationalmannschaft spielen!“, setzte Annemieke obendrauf und mimte mit ihrer Schwester einen imaginären Doppelpass. Mathilda nahm den „unsichtbaren Ball“ an und schrie laut: „Toooooor!“
Annemieke fiel ihr von hinten um den Hals und jubelte, als hätte ihr Zwilling das Tor des Jahrtausends geschossen. Laut lachend mimten die Mädchen unzählige Tricks und Spielsituationen nach und kugelten sich vor Lachen.
„Meine Güte, sieht das blöd aus, wie wir hier herumzappeln!“, wischte sich Lotta die Lachtränen aus den Augen.
„Seit ihr auch endlich fertig, ihr albernen Hühner?“, drang Jannis Stimme gedämpft durch die Tür.
„Einen Moment gedulden bitte!“, erwiderte Kiki, die ihre Schuhe schnürte. Wegen ihrer Kabinenalbereien hatten sie ganz vergessen sich fertig anzuziehen.
„Jede Minute mehr bedeutet eine Strafrunde mehr“, klopfte Sven von außen gegen die Tür.
„Wir sind doch gleich so weit“, erwiderte Lotta genervt, die ihre schulterlangen Haare zu einem Zopf band. Svens Vater und die Piranhas waren schon längst in der Halle, als die Mädchen in die Halle getrottet kamen.
„Wir können anfangen“, blies Svens Vater in die Trillerpfeife. Die Bandenkids setzten sich in einem Kreis auf den Boden und es wurde zuerst besprochen, wie das Training ablaufen sollte. Anschließend wurden die Kids fünf Runden zum Warmlaufen geschickt.
„Wahrscheinlich ist das noch der harmloseste Teil des Trainings“, dachte Aylin, die neben Emily und Kiki her trabte.
„Jeder sucht sich einen Partner, mit dem er sich die Pässe zuspielt!“, rief Svens Vater durch die Halle und händigte die Bälle aus. Kiki, Aylin und Emily einigten sich, dass sie zu dritt machten.
„Aus mir wird nie eine gute Fußballerin werden!“, seufzte Emily, nachdem den Ball zum dritten Mal ins Nirwana gekickt hatte und Kiki hinterher sprinten musste.
„Pass auf, du musst den Ball mit der Innenseite spielen und nicht mit der Schuhspitze“, erklärte ihr der Trainer und zeigte ihr wie sie einen Pass zu spielen hatte.
„Das Gleiche gilt auch für dich“, wandte er sich an Aylin. „Stell deinen Fuß quer, sodass du den Ball mit der Innenseite deines Schuhs spielst. So kannst du die Schussrichtung und passtärke viel besser beeinflussen.“
Die Mädchen probierten es aus, tatsächlich kamen ihre Pässe dort an, wo sie den Ball hinspielten. Kiki musste kein einziges Mal mehr einem verlorenen Ball hinterher wetzen. Sogar das Passen während des Laufens klappte bei den Roten Tulpen schon einigermaßen, obwohl Emily und Aylin ziemlich häufig den Ball verloren.
„Ihr macht euch!“, zwinkerte ihnen Sven zu, als sie um ein paar Slalomstangen dribbeln sollten. Hierbei machten Kiki und Fianna von der Roten Tulpen die beste Figur, gerade Fianna schien der Ball am Fuß zu kleben.
„Warum können die das nur so gut?“, klang Lotta ein wenig neidisch.
„Du kannst das doch auch!“, meinte Max aufmunternd. „Aber du darfst dir nicht immer selber einen Knoten in die Beine spielen.“
Dafür gab Lotta ihrem Freund einen leichten Seitenstoß.
Nachdem die Kids knapp eine Stunde lang bei Pass-, Zweikampf- und Dribbelübungen geschwitzt hatten, wurde ein Spiel gemacht. Sven und Kiki teilten die Teams so ein, dass sie ungefähr gleichstark waren. Aylin war heilfroh, dass sie mit Fianna und Kiki in einer Mannschaft war.
„Denkt daran, dass ihr die Positionen zwischendurch wechselt, sodass jeder mal im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld und im Sturm spielt“, erinnerte Svens Vater die Kids. Die Gegner von Aylins Mannschaft führten den Anstoß aus, nachdem der Ball freigegeben wurde. Mutig stellte sich Aylin Sven in den Weg, für den es kein Problem war an ihr vorbei zu kommen.
„Hier, ich steh frei!“, hob Mathilda ihre Hand und lief mit. Anstatt sie zu ignorieren, wie er es sonst tat, wenn Sven mit Mädchen Fußball spielte, schob er ihr den Ball rüber.
„Matti, gib ab!“, rief Lotta, die direkt vor dem Tor stand. Mathilda passte Lotta den Ball in den Lauf. In letzter Sekunde konnte Ömer zur Ecke klären, die Lennart rasch ausführte. Mathilda löste sich in diesem Moment von Kiki und drosch den Ball mit voller Wucht ins linke Eck.
„Was für ein schöner Treffer, Matti!“, rief Emily begeistert, die ihr um den Hals fiel.
„So ein Ding hätte ich dir nicht zugetraut, das war ein astreiner Volleyschuss!“, lobte Sven Mathilda, die leicht errötete.
„Kommt, den Rückstand holen wir auch noch auf! Glaubt mir, wir sind besser“, raunte Jannis seinen Mitspielern zu, nachdem er den Anstoß ausführte. Schneller als Aylin gucken konnte, landete das Spielgerät vor ihren Füßen.
„Sei kein Angsthase!“, sagte sie in Gedanken zu sich selbst. An Emily, die nicht besonders schnell war, kam sie ohne Probleme vorbei.
„Spiel endlich ab!“, rief Jannis. Erst als ihr Annemieke entgegen gerannt kam, sah sie sich gezwungen abzuspielen. Unkontrollierte kickte sie den Ball von sich weg. Anders als sie sich es gedacht hatte, landete ihr Pass bei Max, der wiederum Jannis den Ball zuschob. Aus drei Meter Entfernung hatte er keine Schwierigkeiten den Ausgleich zu erzielen.
„Sauber mitgespielt, Aylin!“, lobte Kiki. Je länger das Spiel seinen Lauf nahm, desto mehr nahmen die Fehlpässe bei den Roten Tulpen ab.
„Fußball ist anscheinend doch eine Sache, die jeder lernen kann“, ging es Aylin durch den Kopf. „Man muss es nur wollen."
Nach einer kurzen Trinkpause häuften sich die Chancen. Kaum brachte Max ihr Team in Führung, glich Lotta nach einem Torwartfehler von Michael wieder zum 2:2 aus, nachdem Annemieke ihr einen langen Pass zugespielt hatte. Aylins Team kam mittlerweile viel häufiger in Ballbesitz.
„Fianna, lauf nach vorne!“, rief Jannis, einen Querpass zu ihr nach vorne spielte. Fianna fackelte nicht lange, spielte die Abwehr schwindelig und täuschte einen Torschuss vor. Erst im letzten Augenblick gab sie den Ball an Kiki ab. Nun kam Aylins großer Moment, als Kiki ihr den entscheidenen Pass vor das Tor spielte. Da Emily ein Stück zu weit aus dem Tor herausgelaufen war, konnte Aylin das runde Leder in Ruhe über die Linie drücken.
„Bravo Aylin!", rannte Fianna auf sie zu und umarmte sie stürmisch. Nur wenige Sekunden später beendete Svens Vater das Match.
„Ihr ward gar nicht mal schlecht, Mädels!“, fand Max.
„Wir kennen euch noch aus Zeiten, da habt ihr euch im Sportunterricht keinen Zentimeter freiwillig bewegt, wenn wir Fußball gspielt haben“, meinte Ömer.
„Das war auch im Sportunterricht und hatten wir sowieso keine Lust“, widersprach ihm Mathilda.
„Es war nicht so schlimm, wie ich gedacht habe“, sagte Aylin in der Umkleidekabine zu Fianna.
„Auf Jeden und heute hat es mit euch sogar besonders viel Spaß gemacht“, pflichtete ihre Freundin ihr bei.
„Trotzdem bleibe ich lieber beim Reiten“, meinte Emily.
„Beim Reiten werden wir sowieso alle bleiben“, murmelte Annemieke, die ihr Trikot in ihre Tasche stopfte.
„Dennoch komme ich mir vor, als ob ich fremd gehen würde“, erwiderte Emily, die ihre kurzen Haare kämmte.
„Nur weil du jetzt drei oder viermal Fußball gespielt hast?“, zog Lotta die Augenbrauen hoch.
„Es ist einfach ungewohnt für mich“, brummte Emily.
„Geht mir aber genauso", nickte Mathilda. „Nicht, dass ich beim nächsten Training den Hockeyball mit dem Fuß spiele."
„So wie ich mich kenne, passiert mir das eher als dir, Matti", bemerkte Annemieke und musste dabei kurz kichern.
„Wenn wir beim Turnier so spielen wie wir es heute getan haben, dann hätten wir eine gute Chance gegen die Zicken und deren Anhang“, schnitt Kiki ein neues Thema an.
„Oh ja, den möchte ich es mal so richtig zeigen! Dann kriegen sie alles zurück, was sie mir momentan antun“, nickte Mathilda. Seitdem sie Linda letztens bei ihrem heimlichen Match in der Turnhalle gefoult hatte, ließen Janine und ihre Freundinnen keine Gelegenheit aus, um Mathilda zu beschimpfen und fies von der Seite anzumachen. Inzwischen machten auch einige Jungs aus Janines Klasse mit. Aylin war sich darüber bewusst, dass Mathilda öfter wegen ihrer direkten Art aneckte. Trotzdem schossen Janine und ihre Freunde laut ihrer Meinung schon weit über das Ziel hinaus. Erst gestern stellten Kiki, Fianna und Aylin drei Klassenkameraden aus Janines Klasse zur Rede, nachdem sie Mathilda in der Pausenhalle wüste Beleidigungen hinterher gerufen hatten. Aylin fragte sich, ob die Jungs aus Janines Klasse beim Nikolausturnier auch in Janines Team spielen werden.
Das Nikolausturnier rückte von Tag zu Tag näher, somit auch das Einlösen der Wettschuld. Danach würde Aylin freiwillig für mehrere Jahre keinen Ball mehr berühren.
„Wisst ihr, ich glaube ich werde samstags nicht beim Turnier auflaufen“, sagte Emily auf dem Schulhof zu ihren Freundinnen, als sie die letzten Plätzchen vom Bandentreffen unter sich aufteilten.
„Wieso?“, schaute Fianna sie verständnislos an.
„Ihr habt doch alle gesehen, dass ich kein Fußballstar bin“, klang Emily verlegen. „Ich möchte euch das Turnier nicht verderben und dafür sorgen, dass wir jedes Spiel wegen mir verlieren."
„Papperlapp, wir sind alle keine Zauberinnen am Ball“, fuhr ihr Mathilda entrüstet in die Parade. „Aber würden wir uns so einfach vor drücken? Nein!"
Unbeholfen sah Emily zu Boden und rang nach Worten. Aylin fühlte zu 100 Prozent, was in Emily vor sich ging. Auch ihr wurde zunehmend unwohl, wenn sie an den Tag X dachte.
„Lily, stell dir vor, wie enttäuscht Lennart wäre, wenn du urplötzlich doch abspringst“, redete die wesentlich feinfühligere Annemieke auf ihre beste Freundin ein. „Außerdem bist du gar nicht so schlecht, wie du es die ganze Zeit behauptest. Findest du nicht auch, dass wir uns mit jedem Training deutlich verbessern?"
„Los, sei kein Hase!“, knuffte Lotta ihre Freundin. „Schließlich sind wir auch alle dabei.“
Aylin konnte Emily nur zu gut verstehen. Große Lust auf das Turnier hatte sie auch nicht. Inzwischen war dieses Nikolausturnier zu einer richtigen Bandenherausforderung geworden und das all neben den anstehenden Klassenarbeiten und Hausaufgaben.
„Na gut, ich überlege es mir“, murmelte Emily.
„Komm schon, ich spiele doch auch mit!“, stupste Aylin sie in der Hoffnung an, dass Emily ihren Aufmunterungsversuch verstand.
„Hey, kommt ihr heute Abend zur Lagebesprechung?“, winkte ihnen Jannis zu.
„Schrei es noch lauter über den Schulhof, damit jeder mithören kann“, kommentierte Mathilda, die ihre Gedanken nicht selten auf der Zunge trug.
„Ja, wir kommen“, versicherte Lotta dem Piranha-Boss.
Zu allem Überfluss näherten sich Janine und ein paar ihrer Klassenkameraden den Bandenmädchen.
„Seht mal, wen wir da haben! Da ist ja unser Affengesicht“, kommentierte Justin aus der Neunten spöttisch und zeigte mit dem bloßen Zeigefinger auf Annemieke.
„Da ist sie ja, die Blutgrätscherin!“, gab Diana einen fiesen Kommentar von sich.
„Ehm, ich glaube da habt ihr jemanden verwechselt“, räusperte sich Kiki, die sich schützend vor die beiden Schwestern stellte.
„Wegen dieser dummen Bratze hat Linda eine fette Prellung an der Schulter davongetragen, die immer noch nicht ganz abgeklungen ist“, bemerkte Janine in einem gehässigen Tonfall und schnaubte beim ausatmen.
„Meine Güte, wie lange müsst ihr noch darauf herumreiten? Außerdem tut ihr gerade so, als hätte ich sie fast umgebracht“, schoss Mathilda vor Wut die Farbe ins Gesicht.
„Oh lala, gleich kriegt die hässliche Made einen Anfall!“, grinste Fabian fies und ein paar Kameraden begannen hämisch zu lachen.
„Lasst endlich meine Freundin in Ruhe! Verstanden?“, baute sich Kiki vor den Neuntklässlern auf.
„Es macht Spaß zu sehen, wie eure liebe Freundin hochgeht“, raunte Bella den Bandenmädchen zu.
Justin und Fabian warfen Mathilda noch mehr erniedrigende Sachen an den Kopf. Eine Freundin von Janine, deren Namen Aylin nicht wusste, schlug mit der offenen Handfläche über Mathildas Kopf hinweg, sodass diese lediglich nur ein Büschel ihrer wilden Locken zur Seite fegte. Im Hintergrund kicherten wieder mindestens drei der Neuntklässler los und stießen sich gegenseitig voller Belustigung an.
„Müsst ihr immer so einen Blödsinn von euch geben?“, trat Aylin hervor. Es war das erste Mal, dass sie eine ihrer Freundinnen in Schutz nahm. Sonst war es immer anders herum gewesen.
„Habt ihr nichts Besseres zu tun, als zu provozieren?“, rief Emily ungehalten.
„Genau, macht euch endlich vom Acker, ihr Hohlköpfe!“, pfefferte ihnen Lotta entgegen. Erst als Frau Breisinger einen Blick in ihre Richtung warf, machten sich Janine und ihre unmöglichen Freunde aus dem Staub.
„Was fällt diesen Idioten nur ein?“, regte sich Mathilda auf. „Dass ich Linda gefoult habe, ist doch schon eine ganze Weile her.“
„Nimm dir das nicht so zu Herzen, Schwesterherz!“, nahm ihre Zwillingsschwester sie in den Arm.
„Micky, denkst du, das tue das wirklich?“, musste Mathilda schlucken und ihre Stimme klang für einen kurzen Moment brüchig, als würde sie fast weinen. Aylin wusste, dass Mathilda wieder die Starke mimen wollte und dabei versuchte die Gemeinheiten auszublenden, was ihr in diesem Moment augenscheinlich misslang.
„Wahrscheinlich brauchen diese Deppen immer einen Sündenbock, an denen sie ihre Unzufriedenheit auslassen können und diesmal hat es offenbar Matti voll erwischt“, seufzte Kiki.
„Wenn das kein Ende nimmt, müssen wir uns bei ihrem Klassenlehrer beschweren“, schnaubte Aylin.
Am frühen Abend fanden sich die Bandenmädchen im Piranha-Quartier ein. Mit dabei war ein neues Gesicht, ein Junge mit pechschwarzen Haaren.
„Haben wir diesen Jungen nicht schon einmal gesehen?“, flüsterte Lotta Aylin ins Ohr.
„Hm, war der damals nicht dabei, als wir in den Reiterferien die Bootstour nach Dänemark gemacht haben?“, kramte sie ihre Erinnerungen zusammen.
„Hey, falls ihr ihn noch nicht kennt: das ist Ricardo“, stellte Jannis den Mädchen seinen Kumpel vor.
„Habt ihr nun einen Fischkopp mehr?“, sah Lotta ihn verwundert an.
„Nein, das ist nur ein guter Kumpel von uns, den wir gefragt haben, ob er bei uns am Samstag mitspielen will“, meinte Sven.
„Seid ihr einverstanden, dass Ricardo nun in unserem Team ist?“, richtete sich Lennart an die Roten Tulpen.
„Das ist voll ok für uns“, erwiderte Kiki nickend.
„Kommen wir nun zur Tagesordnung“, nahm Jannis das Wort in die Hand und stellte sich vor eine kleine Holztafel, auf die er ein Fußballfeld gezeichnet hatte.
„Sag bloß nicht, ihr wollt mit uns eine Taktikschulung machen“, stöhnte Annemieke leise.
„Genau, das haben wir mit euch vor“, grinste Sven ironisch. „Wir wollen verhindern, dass ihr den Ball zu oft ins Jenseits schickt.“
Wieder rollten Aylin und einige ihrer Freundinnen genervt mit den Augen. Niemand von den Roten Tulpen ließ sich gerne von den Jungs belehren und schon gar nicht von ihren früheren Erzfeinden.
„Hier haben wir aufgelistet, wer wo spielen könnte“, präsentierte Sven seine Aufstellung.
„Ist doch völlig schnurz piep egal, wer wo spielt!“, fand Kiki. Aylin konnte ihr nur zustimmen. Nicht einmal sie selbst wusste auf welcher Position sie am liebsten spielen wollte. Ihre Lieblingsposition war immer noch die Ersatzbank.
Am Freitag sagte Rachel die Reitstunde ab. Emily erzählte ihren Freundinnen, dass ihre Tante so stark erkältet gewesen sei, dass sie am Telefon kaum noch Stimme hatte. Kurzfristig verabredeten sich die Bandenmädchen am Abend mit den Piranhas an der Sporthalle und dieses Mal war auch Ricardo mit am Start. Schon während des Umziehens warf Kiki ihren Freundinnen eindringliche Blicke zu, als wollte sie sagen: „Hängt euch alle richtig rein! Heute ist die Generalprobe und morgen schon das Turnier.“
Offenbar verstanden alle Bandenmitglieder ihre Botschaft. Es wurde kaum noch herum gealbert. Nur die Zwillinge steckten die Köpfe zusammen, tuschelten und kicherten immer wieder. Zu der Überraschung der Jungs kam die Bande bereits nach wenigen Minuten komplett umgezogen aus der Kabine.
„Habt ihr den Turbo gezündet?“, staunte Michael.
„Na klar und wie ihr unseren Turbo gezündet haben“, feixte Lotta.
„Das ist super, endlich nehmt ihr das Ganze ernst“, fand Max, der seiner Freundin ein Küsschen gab.
„Siehst du das auch?“, stupste Annemieke Aylin an.
„Hä! Was meinst du?“, erwiderte sie ahnungslos. Worauf wollte ihre Freundin nur hinaus?
„Na was wohl! Guck doch mal auf Carrot!“, wisperte Mathilda. Erst jetzt entdeckte Aylin ihre beste Freundin mit Ricardo zwischen den ganzen Kids.
„Vielleicht bahnt sich da was an“, vermutete Annemieke.
„So verliebt wie sie sich anschauen, ist das gut möglich“, meinte ihre Schwester im Flüsterton. Aylin verstand endlich, worauf die Zwillinge hinaus wollten. Fianna und Ricardo schienen sich in diesem Moment gegenseitig wie zwei Magneten anzuziehen.
„Das wäre bereits die dritte von uns, die einen Kerl an der Backe hat“, bemerkte Mathilda trocken. Die Zwillinge sollten Recht behalten. Fianna und Ricardo wollten tatsächlich unbedingt in einer Mannschaft spielen. Aylin war in ihrem Inneren doch ein bisschen neidisch, dass Fianna nur noch Augen für diesen Jungen hatte. Anmerken ließ sie es sich trotzdem nicht, schließlich gönnte sie ihrer Freundin einen Freund, nachdem sie auf Henriettes Reiterhof den Liebeskummer ihres Lebens erfahren hatte.
„Aylin, hier her!", winkte Sven sie zu sich, da sie in seiner Mannschaft gelandet war.
„Willst du links oder rechts spielen?“, wollte er wissen.
„Mir egal“, erwiderte sie ahnungslos.
„Kannst du besser mit links oder rechts schießen?“, fragte er anschließend.
„Hm, ich glaube mit rechts“, dachte sie nach, aber war sich nicht ganz sicher, denn Schießen war sowieso nicht ihre große Stärke. Sven teilte sie dann kurzerhand für die rechte Außenbahn ein. Heute entschloss sich Aylin mehr reinzuhängen als sonst, trotzdem lief es bei ihr und ihrem Team nicht gerade rund. Ausgerechnet Ricardo und Fianna hatten die Gegner mit ihren Toren in Führung gebracht. Nun stand es schon 3:0.
„Hey, ihr sollt euch nicht hängen lassen!“, spornte Sven seine Mitspieler an.
„Wir tun doch schon unser Bestes!“, keuchte Lotta außer Atem und hechtete wieder nach vorne. Lennart gab Aylin ein Zeichen, dass sie nach vorne laufen wollte und spielte einen steilen Pass nach vorne. Ganz knapp trat sie daneben und stattdessen landete die Kugel bei dem ballsicheren Ricardo.
„Mist, nie wieder bekomme ich einen Ball zugespielt“, ärgerte sich Aylin und war bereits nach wenigen Sprints aus der Puste. Wozu lief sie denn überhaupt die ganze Zeit, wenn sie den Ball meist eh nicht bekam? Das Spiel ging weiter, inzwischen hatte Sven den Ball zurückerobern können. Über Mathilda, Annemieke und Lennart gelangte das runde Leder nach vorne zu Lotta in den Sturm.
„Schieß Lotta!“, rief Sven. Zu spät! Lotta hatte sich bereits in der gegnerischen Abwehr fest gedribbelt, sodass Kiki mit dem Ball nach vorne laufen konnte und versuchte einen Pass zu Fianna zu spielen. Aber was war das? Der Pass entgleiste ihr gänzlich, sodass er vor Aylins Füßen landete. Das war ihre große Chance! Vorsichtig lief sie drei Schritte mit dem Spielgerät am Fuß in Richtung Tor. Aus ihrem Augenwinkel sah sie, wie sich Jannis und Max näherten.
Bevor die beiden Jungs sie eingeholt hatten, fasste sie den Entschluss auf das Tor zu schießen. Oh je, was war das? Der Ball kullerte eher als das er flog. Emily hatte keine Mühe ihn zu halten.
„Super gemacht, Aylin, endlich traust du dich!“, lobte Sven. Obwohl sich die Roten Tulpen richtig ins Zeug legten, waren es immer noch die Jungs, die das Spiel machten. Kein Wunder, denn eigentlich war keine der Bandenmädchen eine geborene Fußballerin. Höchstens Fianna konnte ganz akzeptabel mit dem Ball am Fuß umgehen. Kiki und Zwillinge machten sich auch einigermaßen. Selbst Lotta hatte ein gewisses Talent, nur leider spielte sie sich meist selber einen Knoten in ihre langen Beine. Aylin stellte fest, dass es bei ihr auch mit einer gehörigen Portion Mut bergauf ging. Zuguterletzt legte auch Emily ihren Groll gegen den Ballsport ein Stück weit weg und war gar nicht so schlecht im Tor.
Nachdem Sven gefoult wurde, gab sein Sven ihrem Team einen direkten Freistoß. Er warf Jannis und Ricardo einen siegesgewissen Blick zu, bevor er das Spielgerät in die Maschen beförderte. Aylin staunte, wie leicht es aussah, den Ball so gezielt im Tor unterzubringen. Auf keinen Fall bekäme sie es genauso gut hin. Offenbar waren die Jungs in der Lage dem Ball magische Kräfte zu verleihen. Anders konnte sie sich es nicht erklären. Fianna und Ricardo spielten immer noch wie ein Traumpaar zusammen. Diesmal legte er ihr einen schönen Treffer vor, den sie gemeinsam bejubelten. Bei diesem Anblick spürte Aylin einen Anflug von Eifersucht. Trotzdem spürte sie kein großes Verlangen einem Jungen in die Arme zu sinken und ihn zu küssen. Nach einer Stunde Vollgasfußball schickte Svens Vater die Kids zum Umziehen.
„Meine Beine, meine Arme, mein Rücken“, stöhnte Mathilda. „Morgen werde ich garantiert Muskelkater haben.“
Aylin stutzte innerlich, normalerweise war ihre vorlaute Freundin nicht diejenige, der viel klagte und jammerte.
„Schwesterchen, bist du etwa zu häufig dem Ball hinterher gehechtet als er bereits wieder ganz woanders war?“, zog Annemieke ihren Zwilling auf.
„Haha, sehr witzig!“, knurrte Mathilda.
„Wo bleibt eigentlich Fianna?“, lenkte Lotta vom Thema ab, als sich wieder ihre großen, silbernen Creolen durch ihre Ohrläppchen schob.
„Eigentlich müsste sie gleich kommen“, murmelte Emily, die bereits umgezogen war.
„Vielleicht schwebt sie knutschend mit Ricardo auf Wolke Sieben und hat die Zeit um sich herum vergessen“, spann Kiki den Faden weiter.
„Lass uns doch mal nachschauen!“, schlug Aylin vor. Mathilda und Lotta, die sehr neugierig waren, folgten ihr.
Tatsächlich saßen Fianna und Ricardo im trauten Gespräch nebeneinander auf einer dicken blauen Turnmatte. Vorsichtig näherte sich die drei Freundinnen dem Pärchen und versteckten sich hinter ein paar Sürungkästen, Stufenbarren und Turnpferdchen.
„Gleich kommt der finale Kuss!“, wisperte Mathilda und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ausgerechnet in diesem Moment musste Lotta niesen.
„Ich komm ja gleich schon“, richtete sich Fianna auf und sah ihre Freundinnen leicht genervt an.
„Wir haben uns schon leicht Sorgen gemacht, wo du bleibst“, druckste Lotta herum.
„Ach was, wir unterhalten uns gerade nur nett“, wurde sie von Fianna abserviert.
„Ich glaube, wir sollten gehen“, raunte Aylin und zog ihre beiden Freundinnen in Richtung Kabinentrakt.
„Wenn Mädchen sich verlieben, dann sind ihre Freundinnen wohl fehl am Platz", kommentierte Mathilda vor sich hin nuschelnd und konnte ihre leicht genervten Gesichtsausdruck nicht gänzlich maskieren.
„Bist du überhaupt mal in der Lage, dich für andere Menschen zu freuen?", erwiderte Lotta gereizt. „In dem Fall ist es unsere Freundin und ich freue mich, dass Fianna und Ricardo so wunderbar miteinander harmonieren."
„Dann weißt du offenbar nicht, wie es sich anfühlt, das fünfte Rad am Wagen zu sein", fauchte Mathilda.
„Du lässt es auch gar nicht zu, dass ein Junge dich auch nur verliebt anlächeln darf", verschoss Lotta den nächsten verbalen Giftpfeil.
„Blöde Mistkuh!", zischte Mathilda.
„Warum müsst ihr beide immer wegen Kleinigkeiten aneinandergeraten?", vorwurfsvoll zog Aylin die Stirn kraus. „Bald mache ich eine Strichliste, wer sich mit wem am meisten streitet und ihr würdet diese haushoch im Duett anführen."
Erst als sie wieder in der Kabine waren, verpuffte ihre kurze Auseinandersetzung wieder. Trotzdem verabschiedeten sich die beiden Streithennen nicht einmal voneinander, als Lotta mit Emily und Mathilda mit ihrer Schwester die Kabine verließ.
„Was war gerade zwischen Matti und Lotta los?", fragte Kiki, als Aylin und sie gemeinsam zur Bushaltestelle liefen. Nun rückte Aylin mit der ganzen Geschichte raus.
„Matti ist einfach nur neidisch", stellte Kiki fest. „Und wenn sie neidisch ist, dann wird sie fies."
„Hoffentlich sind die beiden morgen nicht miteinander verkracht", sorgte sich Aylin.
„Auf Keinen!", schüttelte ihre Freundin den Kopf und meinte: „Matti und Lotta fetzen sich zwar oft, aber eigentlich nur kurz und schmerzlos."
Im nächsten Moment kam auch schon Aylins Bus, sodass Aylin Kiki kurz umarmte und schließlich einstieg.
Die Roten Tulpen und die Piranhas trafen sich schon um kurz nach neun auf dem Parkplatz vor dem Soccercenter in der Nähe des Hauptbahnhofes, in dem das Nikolausturnier stattfinden sollte.
„Meine Güte bin ich froh, wenn dieser Spuk endlich ein Ende hat“, wandte sich Emily an Aylin. Die größte Verfechterinnen des Ballsports waren sie beide nicht.
„Oh ja, ich werde das Gekicke nicht vermissen“, nickte sie und blies ein weißes Atemwölkchen in die eisige Morgenluft.
„Same! Zwar finde ich Fußball nicht mehr besonders schlimm, aber Reiten und Hockey sind mir nun einmal doch lieber“, war Annemieke der Meinung und rückte ihr Wollstirnband wieder gerade. In der Kälte hüpften die Freundinnen auf und ab, bevor ihre Beine komplett einfroren. In der vorigen Nacht waren unter den Gefrierunkt gesunden. Die Rasenstreifen neben den Parkplätzen und die Windschutzscheiben der Autos waren mit weißem Raureif überzogen.
„Irgendwie ist mir doch gerade komisch“, jammerte Lotta.
„Was hast du?“, erkundigte sich Kiki.
„In mir kribbelt es nur vor Aufregung, dass mir davon fast schlecht wird“, erwiderte ihre Freundin.
„Ach, davon braucht dir doch nicht schlecht werden, Lotta! Das ist nur ein läppisches Fußballturnier“, drückte Kiki ihre Hand.
„Habe ich mich verhört?“, drehte sich Jannis abrupt zu den beiden Freundinnen um. „Wer spricht hier von einem läppischen Fußballturnier? Wollt ihr das hier etwa auf die leichte Schulter nehmen?“
„Davon habe ich doch gar nicht gesprochen“, verteidigte sich Kiki.
„Dann ist ja gut“, nickte der Piranhasboss beschwichtigt. Zuletzt kamen Sven und sein Vater auf den Parkplatz gerollt. Die Bandenkids eilten zu ihrem Bulli, um ihnen beim Tragen der schweren Taschen und Kisten zu helfen.
„Ihr seid zehn Minuten zu spät!“, bemerkte Lennart mit einem Blick auf seine Handyuhr.
„Was können wir dafür, dass wir endlos lange im Stau steckten?“, gab Sven leicht unfreundlich zurück.
„Kommt, lasst uns rein gehen! Mir frieren fast die Gliedmaßen ab“, bibberte Fianna.
Die Bandenmädchen bekamen eine Umkleidekabine zugeteilt, die sie sich mit ein paar jüngeren Mädchen aus zwei anderen Mannschaften teilten. Aylin schätzte die fremden Spielerinnen auf elf oder zwölf.
„Hier sind unsere Trikots und Hosen“, teilte Kiki die Trikotsätze aus.
„Findet ihr nicht auch, dass die stinken?“, zog Emily die Nase kraus.
„Schnüffelst du etwa daran?“, kicherte Mathilda los.
„Hey, schlimmer als Max alte Socken, die er tagelang trägt geht es wohl kaum“, lockerte Lotta die Stimmung unter den Mädchen auf, worauf die ganze Bande sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Verwundert und fast eingeschüchtert sahen die anderen Mädchen sie an.
„Die lachen nicht wegen uns oder?“, hörte Aylin ein dunkelhäutiges Mädchen sagen.
„Ist nicht wegen euch", beeilte sich Aylin zu sagen und die jüngeren Mädchen sahen ein wenig erleichtert aus, als sie merkten, dass das Gelächter nicht ihnen galt.
„Meine blöden Locken! Sie lassen sich einfach nicht bändigen!“, schimpfte Mathilda.
„Versuch es mal hiermit!“, warf ihr Annemieke ein hellblaues Haarband zu. Auch die anderen Bandenmädchen zähmten ihre Haarpracht mit Spangen, Zopfgummis und Haarbändern. Nur brauchte Emily brauchte das nicht, ihre Haare waren kurz genug und störten somit während des Spiels nicht. In diesem Moment wünschte sich Aylin, dass sie sich auf der Stelle die Haare abschneiden konnte. Noch lieber wäre sie ein Junge gewesen, bei dem stoppelkurze Haare nicht auffielen. Zum Glück lieh ihr Lotta ein Haargummi, sodass sie sich einen Pferdeschwanz binden konnte.
„Seid ihr fertig?“, öffnete Sven die Tür einen kleinen Spalt.
„Jawohl Sir!“, erwiderte Kiki und stellte sich kerzengerade vor dem Piranha auf. Schon wieder bekamen Emily und die Zwillinge einen kleinen Kicheranfall. Nachdem alle Mädchen draußen waren, wurde die Tür hinter ihnen abgeschlossen. Auf der Treppe zur Halle war bereits die Hölle los. Spieler, Trainer, Betreuer und Eltern riefen durcheinander. Aylin fühlte sich wie in einem wuseligen Bienenstock.
„Die meisten Kids sehen schon mal jünger aus als wir“, stellte Lotta beruhigt fest. Oben trafen sie die restlichen Piranhas, die sich auf einem der drei Felder aufwärmten.
„Los, spielt euch ein bisschen warm. Das erste Spiel ist bereits in einer Viertelstunde“, scheuchte sie Svens Vater aufs Feld.
„Was schon jetzt?“, entgleisten Lottas fast alle Gesichtszüge auf einmal.
„Ihr habt aber auch mal wieder weltmeisterschaftlich getrödelt“, konnte sich Jannis einen Kommentar nicht länger verkneifen. Lotta war anzusehen, dass es ihr gar nicht gefiel, was er gerade gesagt hatte.
„Los, wir haben nicht mehr viel Zeit!“, warf Kiki Emily einen Ball vor die Füße. Zu zweit und zu dritt passten sich die Bandenmädchen die Bälle zu. Eine Übung, die mittlerweile im Stand alle beherrschte. Schwieriger wurde es, als sie dabei laufen sollten. Hierbei passierte es immer wieder, dass die Bälle ins Jenseits befördert wurden und die Mädchen an den Pässen vorbei liefen. Zur allgemeinen Aufheiterung trugen die Zwillinge bei, die versuchten Michaels Hintern zu treffen. Erst Annemiekes dritter Schuss saß, knöpfte sich dieser Lotta vor und das Gekicher der Roten Tulpen war dann noch größer. Die Jungs warfen ihnen finstere Blicke zu, die ihnen zu verstehen gaben, dass jetzt langsam Schluss mit lustig war. Mit der Trillerpfeife trommelte Svens Vater die Mannschaft zusammen. Jetzt wurde es ernst!
Zuerst spielten sie gegen eine Mannschaft, dessen Spieler im Durchschnitt ein oder zwei Jahre jünger sein mussten. Von der Roten Tulpen standen nur Fianna und Kiki von Beginn an auf dem Feld.
„Meine Güte, ist das langweilig hier auf der Bank!“, murrte Lotta und spielte mit einer losen Haarsträhne. Aylin und den anderen ging es nicht anders. Fußball zu spielen war schon öde, aber sich ein Spiel anzuschauen war noch langweiliger. Mathildas Vorschlag „Ich sehe was, was du nicht siehst“ traf bei den restlichen Bandenmädchen auf große Zustimmung.
„Ich sehe was, was ihr nicht sieht“, begann Lotta. „Das sieht aus wie ein blondes Gift.“
„Ich weiß, wen du meinst“, kicherte Annmieke laut los. „Nebenan spielt gerade Janine mit ihrem Team.“
„Hey, nicht so laut, Micky!“, stieß Mathilda sie an.
„Mädchen, nicht schlafen!“, unterbrach Ömer ihr Spielchen. Svens Vater winkte Lotta zu sich, die für Lennart ins Spiel kommen sollte.
„Wenigstens darf sie spielen“, flüsterte Mathilda.
„Bist du scharf darauf zu spielen?“, sah Aylin sie fast schon entgeistert an.
„Immerhin besser als hier rumzugammeln“, erwiderte ihre Freundin. Die Mädchen setzten ihr "Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst"-Spielchen noch eine ganze Weile fort. Das war die beste Ablenkung vom ereignislosen Spiel, bei welchem noch kein Tor gefallen war.
„Die Kleinen schlagen sich wirklich tapfer gegen uns“, bemerkte Annemieke.
„Es sieht so aus als ließen sie nicht mal eine klitzekleine Chance zu“, murmelte Emily.
„Das sind halt Kampfflöhe“, bemerkte Mathilda. Allerdings sah das, was die drei Roten Tulpen auf dem Feld zeigten, nicht besonders blendend aus. Kiki hatte immer noch Angst vor dem Ball, wenn er auf sie zugesaust kam. Lotta spielte sich zum wiederholten Mal einen Knoten in die Beine und Fianna verbaselte zu häufig den Ball.
„Bisschen mehr auf Passgenauigkeit achten, Tulpis!“, nörgelte Jannis.
„Mathilda, kommst du mal her!“, rief Svens Vater. Mathilda wurde für Kiki eingewechselt, die schon ziemlich aus der Puste war.
„Ich sag euch, die Kleinen lassen nicht locker!“, ließ sich Kiki außer Atem neben Annemieke auf den freien Platz sinken.
Nebenan bejubelten Janine und ihre Mannschaftskameraden das nächste Tor.
„Oh je, mir tun die Kids, die gegen diese Idioten spielen fast schon leid“, hatte Emily ein wenig Mitleid.
„Gegen die müssen wir später auch noch mal spielen“, erinnerte Annemieke sie.
„Da stehe ich auf keinen Fall auf dem Platz“, beschloss Aylin sofort.
„Ach was! Zusammen mit den Piranhas fegen wir die Hohlspacken vom Platz“, schnaufte Kiki.
„Oh ja, Revanche tut immer gut“, pflichtete ihr Annemieke bei. „Sollen die Idioten zu spüren bekommen, dass wir zurück beißen können.“
Aylin wusste genau, worauf sie anspielte. Ihre Freundin nahm es Janine und ihren Freunden ziemlich übel, dass sie in der letzten Zeit ihre Schwester fast jeden Tag ziemlich fies von der Seite angepöbelt hatten. Auf einmal sprang die ganze Ersatzbank auf.
„Habe ich was verpasst?“, war Aylin überrascht.
„Ricardo hat das 1:0 erzielt“, stupste Kiki sie an und war ganz aus dem Häuschen.
Es blieb beim hart umkämpften 1:0 Sieg.
„Wir sind aktuell Gruppenzweiter, denn Janines Mannschaft hat mit 6:2 gewonnen“, vermeldete Sven. Nach einer kurzen Trinkpause stand das nächste Spiel bevor. Diesmal durften Aylin, Emily und Annemieke von Anfang an ran.
„Macht bloß keinen Scheiß!“, mahnte Lennart in der Gegenwart von Annemieke und Emily, die hinten verteidigten.
„Quatsch, wir werden kämpfen wie die Löwinnen“, versicherte Emily ihrem Freund. Das Spiel wurde angepfiffen. Ricardo führte den Anstoß aus und spielte als erstes zu Aylin, die den Ball ziemlich überrascht annahm. Wohin damit?
„Pass!“, rief Lennart. Aylin schob ihm zaghaft zu ihm rüber. Lennart konnte locker zwei Abwehrspieler austricksen und lochte gekonnt zum 1:0 ein. So einfach konnte es gehen!
Danach folgte ein schönes Weitschusstor von Ricardo. Offenbar spielten sie gerade gegen das schwächste Team. Selbst Annemieke und Emily machten ihren Job in der Verteidigung ganz ordentlich, obwohl sie später gegen Fianna und Mathilda ausgewechselt wurden. Sven besiegelte mit einem Doppelpack den Sieg und Ömer setzte kurz vor Schluss mit dem 5:0 den Schlusspunkt.
„5:0! Wir werden immer besser“, freute sich Sven.
„Wir führen nun die Gruppe an“, klang Svens Vater erfreut. „Die Anderen haben gerade 0:0 gespielt.“
Die Roten Tulpen jubelten überschwänglich und klatschten sich gegenseitig ab.
„Noch ist der Turniersieg nicht eingetütet!“, dämpfte Jannis die Euphorie. Da die Mannschaft nun eine Pause von über einer Dreiviertelstunde hatte, lud Svens Vater die Kids auf eine Cola ein. Bevor sie ins Bistro gingen wurden die Fußballschuhe ausgezogen.
Zufrieden hockte Aylin zwischen Fianna und Emily am Tisch. Im Sportbistro war viel los. Fast jeder Tisch war besetzt. Zu Begeisterung der Kids wurden zwei große Rutschen Nachos und ein Teller mit kleinen Snacks bestellt. Zwar war das keine Sportlernahrung, trotzdem durften sie sich aufgrund ihres Erfolges eine Kleinigkeit gönnen.
„Hey, fress mir nicht alle Nachos weg!“, schlug Lotta Mathilda auf die Hand.
„Das tue ich doch gar nicht!“, gab diese beleidigt zurück.
„Da hat jemand aber ganz große Angst, dass Matti uns allen das Essen streitig macht“, beobachtete Fianna die Szene voller Belustigung. Bei Essneid konnte die eine oder andere schon Nägel mit Köpfen machen. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür zum Bistro und niemand Geringeres als das Team von Janine kam laut schwatzend herein. Schnell duckte sich Aylin hinter Emily.
„Nicht die Schnallen schon wieder!“, verdrehte Emily stöhnend die Augen.
„Seht nur, wer sich da mit diesem ungesunden Zeug voll stopft“, stichelte Diana los und zeigte mit ihrem nackten Zeigefinger auf Mathilda, die zum Glück mit Lotta in ein Gespräch verwickelt war und nichts mitbekam. Linda und Janine brachen in ein hysterisches Gekicher aus. Trotzdem ärgerte es Aylin, dass die Ziegen ihre Freundin bei jeder Gelegenheit ärgern mussten.
„Wie wäre es, wenn ihr mal eure Kaugummis ausspuckt?“, blaffte sie die Mädchen an. „Nicht dass ihr euch während eines Spiels daran verschluckt und dann der Notarzt kommen muss.“
Verdattert sahen sich die drei Freundinnen an, das hatten sie von der Kleinsten der Bande nicht erwartet. Offenbar hatte es gefruchtet, dass Aylin ihren Mund aufmachte. Ohne weitere Bemerkungen zogen die Zicken weiter.
„Danke, dass du Matti so wunderbar verteidigt hast“, legte ihr Annemieke von hinten die Hand auf die Schulter.
„Kein Ding, ihr habt mich doch auch jahrlang vor irgendwelchen Idioten in Schutz genommen“, erwiderte Aylin.
Nach der Pause gingen die Kids zurück in die Halle, in der es nur so von Kindern und Jugendlichen wimmelte. Die Truppe von Janine wärmte sich bereits auf dem ersten Feld auf und spielte sich die Bälle zu.
„Aua, ich habe einen spitzen Gegenstand in meinem Schuh!“, verzog Mathilda vor Schmerzen ihr Gesicht, als sie sich ihre Schuhe wieder anzog und setzte sich schnell wieder hin. Vorsichtshalber schaute ihre Zwillingsschwester auch in ihren Schuhen nach.
„Sieh mal einer an, was ich in meinem linken Schuh gefunden habe!“, hielt Annemieke ihren Freundinnen eine kleine Reißzwecke unter die Nase.
„Haha, da hat man sich für uns Zwillinge den gleichen Spaß einfallen lassen!“, höhnte Mathilda verärgert.
„Wenigstens habe ich es noch vorher bemerkt“, meinte ihre Schwester. Vorsichtshalber kontrollierten die anderen Mädchen ihre Schuhe, bei ihnen rieselten keine Reißzwecken oder andere spitze Gegenstände heraus.
„War wohl ein spezieller Zwillingsstreich“, stellte Kiki fest.
„Aber dann müssten die Übeltäter ganz genau wissen, welche Schuhe zu ihnen gehören", zog Aylin anzweifelnd ihre Stirn in Falten.
Hinter ihnen startete Michael seine Schimpfkanone. Erschrocken drehten sich die Bandenmädchen zu ihm um.
„Wer zum auch immer auf solche widerwärtigen und kindischen Streiche kommt, den soll der Teufel holen!“, fluchte er wie ein Rohrspatz.
„Was ist nur passiert, Michi?“, wunderte sich Svens Vater.
„Man hat mir eine klebrige Masse in die Torwarthandschuhe gekippt“, war Michael außer sich.
„Was glaubst du, was es sein könnte?“, fragte Ömer.
„Entweder Sirup oder flüssiger Honig“, vermutete Michael und ging zur Toilette, um dort seine Hände zu waschen. Zum Glück konnte ihr Trainer ein neues Paar Torwarthandschuhe besorgen.
„Sagt mal, habt ihr auch nasse Füße?“, rief Ricardo.
„Wieso nasse Füße?“, wunderte sich Fianna.
„Keine Ahnung, irgendwie sind meine Schuhe von innen nass“, zuckte er ratlos mit den Achseln. „Garantiert hat sich irgendjemand den Spaß gegönnt mir Wasser in die Schuhe zu schütten.“
„Hoffentlich ist das nur Wasser und nichts anderes“, erwiderte sie mit einem skeptischen Blick.
„Hey, kommt mal her, alle unsere Müsliriegel sind weg!“, rief Jannis empört.
„Quatsch, die kann doch keiner eben im Alleingang aufgefuttert haben. Das schafft noch nicht mal unser Vielfraß namens Michi“, tippte sich Sven gegen die Stirn.
„Danke auch!“, kam es beleidigt von links. Zum Beweis hielt Jannis seinen Bandenkumpels und den Mädchen den leeren Karton unter die Nase.
„Das gibt es doch gar nicht!“, war Lotta fassungslos.
„Ich wüsste nur zu gerne, was hier abgeht?“, fügte Emily hinzu und fuhr sich nachdenklich durch ihre kurzen dunklen Haare, die sie einer seitlichen Tolle gegelt hatte.
„Vor allem wieso spielt man uns so dämliche Streiche?“, wandte sich Aylin kopfschüttelnd an ihre Freundinnen.
„Gute Frage, nächste Frage“, kommentierte Kiki.
„Vielleicht Janine und ihr ätzender Anhang“, fasste Lotta einen Verdacht.
„Ach was, die sind genauso mit dem Turnier beschäftigt wie wir“, schüttelte Sven abrupt den Kopf. Damit lag er gar nicht mal so falsch. Janine und ihre Freunde liefen, passten und schossen auf das Tor, als würden sie sich nicht auf ein Spiel beim Nikolausturnier vorbereiten, sondern auf das Finale der Weltmeisterschaft.
„Kommt, wir müssen auch noch was tun!“, winkte Jannis die gesamte Mannschaft auf den Platz.
Für das letzte Gruppenspiel gegen Janines Team stellte Svens Vater zuerst nur Fianna und Kiki auf. Mathilda durfte, nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit gebettelt hatte, schließlich doch noch von Anfang an ran.
„Jetzt zeigen wir es den Schwachmaten!“, soviel verriet ihr siegesgewisser Blick schon einmal.
„Hoffentlich übertreibt es Matti gleich nicht so derbe, schließlich hat sie noch eine Rechnung offen mit denen“, wisperte Emily.
„Ich habe eher Angst, dass Janine und co es mit ihr übertreiben und sie bei jeder Gelegenheit umnieten. Seht ihr denn nicht, wie die Idioten die ganze Zeit meine Schwester angaffen?“, merkte Annemieke an, die sich große Sorgen zu machen schien.
„Ach was, notfalls stellt der Schiedsrichter sie vom Platz“, brummte Lotta.
„Was ist, wenn dieser Tomaten auf den Augen hat?“, fuhr Aylin herum und war insgeheim froh und erleichtert, dass sie erst einmal auf der Ersatzbank Platz nehmen durfte.
Gerade in diesem Moment wurde das Spiel angepfiffen. Zögerlich passte Kiki den Ball zurück zu Jannis, der an Ricardo übergab. Aylin und ihre drei Freundinnen auf der Bank fingen an ihre Mannschaft lautstark anzufeuern.
„Meine Güte noch mal, es ist heftig wie Janine spielt!“, entfuhr es Lennart neben ihnen.
„Wahrscheinlich ist sie sehr motiviert und dazu hat sie einen astreinen Torinstinkt“, meinte Ömer. Kaum hatte er das gesagt, versenkte Janine schon den Ball im Netz. 1:0 für die Gegner!
„Das werden wir noch aufholen!“, wisperte Lotta und ballte ihre Hand zu einer Faust.
„Janine spielt wirklich wie der Teufel“, dachte Aylin. Schon wieder hatte sie den Ball erobert und spielte ihn zu einem Mannschaftskameraden in die Spitze. Der große Junge stieß Sven wie einen Kegel zu Boden.
„Foul!“, kam es mehrstimmig von allen Seiten. Trotzdem wurde das Spiel nicht unterbrochen.
„Was für eine Sauerei!“, regte sich Lennart auf. „Der Schiri pfeift ja wirklich für die Gegner!“
„Vielleicht wurde er auch bestochen“, bemerkte Max und rollte kurz mit den Augen.
„Das möchte ich wohl nicht gehört haben, Lennart und Max", ging Svens Vater dazwischen und verbat sich weitere solche Äußerungen.
„Nicht aufgeben! Kämpft weiter!“, rief Lotta und formte mit ihren Händen einen Trichter.
„Hoffentlich verlassen wir diesen Hexenkessel nicht mit lauter gebrochenen Knochen“, schnaubte Emily. Bereits zum zweiten Mal stieg Diana recht hart in Mathilda ein, doch nach jedem kleinen Foul rappelte sich ihre Freundin wieder auf und spielte weiter.
„Meine Güte, hat der Schiedsrichter seine Pfeife verlegt?“, bemerkte Lotta kopfschüttelnd.
„Offenbar ja“, zischte Emily. „Wenn sie so weiter machen, foulen sie Matti garantiert noch krankenhausreif.“
Gerade als Aylin aufschaute, sah sie wie Ricardo einen schönen Pass auf Mathilda spielte.
„Schieß, Matti, schieß!“, riefen sie und ihre Freundinnen im Chor. Der Schuss ihrer Freundin prallte gegen die Latte.
„Schöner Versuch, Mathilda!“, lobte Svens Vater.
„Das wäre fast das erste Tor für die Roten Tulpen gewesen!“, raunte Lotta. Auf einmal stand Annemieke auf und sagte: „Nun werde ich mich für meine Schwester einwechseln lassen.“
Mit ihr wurden auch Lennart und Ömer eingewechselt. Dafür verließen Fianna, Mathilda und Jannis das Spielfeld.
„Die spielen wie die reinsten Holzhacker!“, beschwerte sich Mathilda bei ihren Freundinnen.
„Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet“, erwiderte Emily. „Ich weiß ganz genau, wieso ich mich vor diesem Spiel drücke.“
„Ich werde auch nicht freiwillig spielen“, pflichtete ihr Aylin bei. Schon beim Zuschauen wurde ihr angst und bange. Wieso rief der Schiedsrichter die gegnerischen Spieler nicht zur Räson?
Kurz darauf wurde Fianna speiübel. Mit kreidebleichem Gesicht eilte sie zur Toilette. Mathilda und Jannis ging es nicht viel besser. Kurz darauf folgten sie Fianna.
„Was ist nur los? Könnt ihr kurz nachschauen gehen?“, wunderte sich auch Svens Vater. Aylin und Emily beschlossen der Sache auf den Grund zu gehen und eilten in Richtung der Toiletten. Sie hörten gerade noch die Klospülung rauschen, als sie die Mädchentoilette betraten.
„Ich weiß nicht wo es herkommt, aber plötzlich war mir richtig schlecht“, jammerte Fianna und war immer nich bleich wie ein Gespenst. Hoffentlich musste sie sich nichtt noch ein weiteres Mal übergeben.
„War euch vorher schon schlecht oder erst seit gerade?“, forschte Aylin nach.
„Erst seit gerade eben“, erwiderte Mathilda atemlos und lehnte sich erschöpft gegen die Wand.
„Vielleicht habt ihr etwas Falsches gegessen oder getrunken“, vermutete Aylin.
„Ich glaube echt nicht, dass das Trinken und die Snacks aus dem Bistro verdorben waren“, schüttelte Fianna ungläubig den Kopf.
„Es kann sein, dass uns irgendetwas Unbekömmliches ins Trinken gemischt wurde“, kam Aylin der Geistesblitz.
„Glaubst du das wirklich?“, zog Mathilda die Stirn kraus.
„Eine andere Möglichkeit wird wohl nicht bleiben. Wenn es nur euch so schlecht geht, muss etwas mit dem Trinken nicht in Ordnung sein, sonst wäre uns allen so schlecht“, klärte sie ihre Freundin auf. „Habt ihr gerade einen Schluck aus eurer Flasche genommen?“
Mathilda und Fianna nickten synchron.
„Kommt, wir müssen die anderen warnen!“, zog Emily ihre Freundinnen wieder auf den Flur. Mathilda, Jannis und Fianna riefen ihre Eltern an, da ihnen auch nach einer halben Stunde immer noch nicht besser ging und sie nicht mehr im Stande waren weiter spielen. Emily sammelte hastif sämtliche Trinkflaschen ein, die am Spielrand und außerhalb der Kühlbox standen.
„Jetzt müsste ich alle haben“, wisperte sie und zählte noch mal durch.
„Was wollt ihr mit den ganzen Flaschen?“, wunderte sich Svens Vater.
„Wir müssen den Inhalt dringend wegkippen, da das Wasser eventuell vergiftet sein könnte“, platzte es aus Aylin raus. Vor Aufregung überschlug sich ihre Stimme.
„Das kann doch nicht sein“, schüttelte er den Kopf und nahm ihren Verdacht immer noch nicht ernst.
„Doch, nachdem Mathilda, Fianna und Jannis darauf getrunken haben, war ihnen danach schlecht“, bekräftigte Emily.
Ein schriller Pfiff ertönte. Kiki lag auf dem Boden und krümmte sich vor Schmerzen.
„Jetzt haben die Flachpfeifen noch Kiki umgehauen!“, erzürnte sich Emily.
„Kiki, alles in Ordnung?“, rannte Sven auf sie zu. Die Anführerin der Roten Tulpen blieb immer noch liegen.
„Mist, sie hat sich richtig verletzt!“, zischte Lotta. Leise schluchzend humpelte Kiki in Richtung Ersatzbank, dabei wurde sie von Annemieke und Lennart gestützt. Svens Vater besorgte in Windeseile ein Kühlpack und ein Küchenhandtuch, welches sie sich an ihre schmerzendes Knie hielt.
„Müssen wir mit dir zum Krankenhaus fahren?“, fragte er besorgt, während er ihr Knie abtastete.
„Nein, so schlimm ist das nicht“, schniefte Kiki und wischte sich über die Augen. Tröstend nahmen Emily und Lotta sie in den Arm.
„Es wird gleich wieder besser werden“, sprach Aylin Kiki Mut zu und reichte ihr ein Taschentuch. Wie konnte Janines Team nur so rücksichtslos spielen?
Kurz vor Spielende halfen Lotta, Emily und Max Aylin dabei die Trinkflaschen zu leeren.
„Gut dass, du so scharf denken kannst“, klopfte Lotta Aylin auf die Schulter. „Hätten wir alle aus unseren Flaschen getrunken, wären wohl jedem übel.“
„Mir ist immer noch nicht klar, warum man so einen Schwachsinn tut“, ärgerte sich Emily.
„Wahrscheinlich hat es jemand richtig scharf auf uns abgesehen“, wurde Lotta vor Wut ganz weiß im Gesicht. Zu viert gingen sie mit den leeren Flaschen zurück in die Halle.
„Gut, dass Papa noch eine Kiste mit Wasser und Apfelsaftschorle im Auto hatte“, wurden sie von Sven empfangen. Aylin, Lotta, Emily und Max bedienten sich. Die Mädchen setzten sich zu Kiki auf die Ersatzbank, dessen Tränen bereits wieder getrocknet waren, obwohl sie immer noch sehr unglücklich aussah.
„In Sachen Fairplay haben diese Hirnis nichts auf dem Kasten! Es hätte Rot anstatt einer Verwarnung geben müssen!“, empörte sich Annemieke.
„Wer war das denn überhaupt?“, fragte Emily.
„Mareike“, schnaubte ihre beste Freundin.
„Wieso ausgerechnet die?“, hakte Lotta nach.
„Genau, die habe ich von denen noch am harmlosesten eingeschätzt“, pflichtete ihr Aylin bei.
„Mareike war doch immer schon so gemein wie ihre Freundinnen“, fiel ihr Annemieke ins Wort. Erst nachdem sich die Freundinnen wieder abgeregt hatten, kamen sie auf das Spiel zu sprechen, welches 1:1 endete. Ricardo hatte ihnen kurz vor Abpfiff mit einem herrlichen Freistoßtreffer das hart erkämpfte Unentschieden gerettet.
Nach dem Spiel gab es eine halbstündige Pause. Piranhas und Roten Tulpen freuten sich gleichermaßen riesig über ihr Weiterkommen.
„Halbfinale ole, Halbfinale ole!“, grölten die Jungs ausgelassen. Annemieke und Emily wollten kurz in die Kabine gehen, um ihre Nachrichten auf ihren Handys zu schecken und um sich ein wenig frisch zu machen. Aylin schloss sich ihnen spontan an.
„Wisst ihr wieso die Tür offen steht?“, kam ihnen eine aufgeregte Lotta unten auf dem Flur entgegen.
„Du meinst wohl die Tür von unserer Kabine?“, erwiderte Annemieke leicht irritiert.
„Genau, sie stand speerangelweit offen bevor ich kam“, nickte Lotta.
„Aber ich dachte, du hättest den Schlüssel“, unterbrach Emily sie.
„Nein, den habe ich nicht und ich war erst selbst überrascht, dass die Kabine offen war“, meinte Lotta und fügte hinzu: „Leider kann ich nirgendwo mein Handy wieder finden.“
„Was? Wirklich nicht? Ist es gestohlen worden oder hast du es verloren?“, wurden Aylins Augen fast tellergroß.
„Wenn ich das einmal wüsste“, seufzte Lotta. „Wie sieht es denn aus?“, fragte Annemieke. „Ein weißes IPhone mit einer hellgrünen Hülle, welches etwa ein Jahr alt und fast so groß wie meine Hand ist“, beschrieb ihre Freundin ihr vermisstes Mobiltelefon.
„Bist du dir ganz sicher, dass du es nicht verlegt haben könntest?“, hakte Emily nach.
„Ja, ich bin mir ganz sicher“, nickte Lotta. „Ich habe es in der Kabine gelassen, weil wir hier drinnen unsere Sachen einschließen konnten.“
„Moment mal, waren hier vorher nicht Mathilda und Fianna hier, um ihre Sachen zu holen?“, fiel Aylin ein.
„Trotzdem würden sie niemals einfach so Lottas Handy einsacken“, schüttelte Annemieke den Kopf.
„Außerdem haben sie Svens Vater vorhin den Schlüssel zurück gegeben“, meinte Emily.
„Wollen wir nachgucken, ob unsere Sachen noch da sind?“, schlug Aylin vor.
Zu ihrer Überraschung fanden Emily, Annemieke und Aylin ihre Handys in ihren Jackentaschen wieder.
„Gott sei dank, hat niemand mein Handy angerührt“, fiel Emily ein Stein vom Herzen.
„Kein Wunder, denn keiner ist scharf auf eure alten Knochen, die mit einer fetten Spiderapp überzogen sind“, bemerkte Lotta.
„Ach ja, in diesem Moment kann ich wohl froh sein, dass ich nicht immer das schickste IPhone zum Angeben brauche! Mein Handy wurde im Gegensatz zu deinem nicht geklaut!“, blaffte Emily sie an.
„Hey, das hat Lotta doch gar nicht so negativ gegenüber uns gemeint!“, versuchte Aylin die Wogen zu glätten. Auch Lotta war von Emilys Ausbruch leicht geschockt und traute nichts zu erwidern. Aylin wusste, dass ihre Freundin auf keinen Fall mit ihren Markensachen angeben und sich über ihre Freundinnen stellen wollte.
„Das gibt es doch gar nicht, mein Portemonnaie ist verschwunden!“, rief Annemieke geschockt.
„Wirklich? Bist du dir ganz sicher, dass es nicht irgendwo auf dem Boden liegt?“, drehte sich Aylin zu ihr um.
„Ich habe überall geguckt“, jammerte ihre Freundin. „Sogar in den Taschen der anderen.“
„Du glaubst doch nicht, dass jemand von uns dein Portemonnaie genommen hat?“, blieb Emily fast die Spucke weg.
„Ach was, ich verdächtige niemanden, dass er es geklaut haben könnte“, fuhr Annemieke sie in einem verärgerten Tonfall an.
„Welche Farbe hat dein Portemonnaie eigentlich?“, wollte Emily wissen.
„Es ist rotes Lederportemonnaie und dann ist da noch ein weißes Gänseblümchen drauf“, erwiderte Annemieke.
„Da bleibt uns nichts anderes übrig als die Kabine auf den Kopf zu stellen“, stöhnte Lotta. Die vier Freundinnen suchten unter den Bänken, in ihren Jacken und sogar in den Taschen anderer Spielerinnen.
„Hier werden wir es wohl nicht mehr finden“, klang Emily hoffnungslos. „Es tut mir nun einmal sehr leid für euch, Micky und Lotta.“
„Derjenige, der sich mit meinem Handy vergnügt, dem soll die Hand abfaulen“, geriet Lotta in Rage.
„In dem Portemonnaie waren noch dreißig Euro von meinem Taschengeld. Davon wollte ich noch Weihnachtsgeschenke für Matti und meine Eltern kaufen“, war Annemieke den Tränen nahe.
„Das findet sich schon wieder an!“, legte ihr Emily den Arm um die Schulter.
Auf einmal hörten die Freundinnen ein leises Schniefen. Wie angewurzelt blieben sie mitten im Raum stehen. Wieder drang ein Schniefen zu ihnen herüber, diesmal etwas lauter.
„Habt ihr das auch gehört?“, flüsterte Emily.
„Klar, das kommt aus dem Nebenraum, wo die Duschen und Toiletten sind“, nickte Annemieke. Zu viert steckten sie ihre Köpfe in den Duschraum hinein. Hier drinnen war das Schniefen und Schluchzen sehr deutlich zu hören. Offenbar weinte jemand sehr heftig. Die Mädchen kontrollierten alle Toiletten- und Duschkabinen, bis Emily an einer verschlossenen Tür stehen blieb. Einen Moment sahen sie sich ratlos an. Sollten sie klopfen oder es lieber bleiben lassen?
„Sagt doch was!“, wisperte Emily kaum hörbar.
„Wer bist du eigentlich?“, fragte Lotta laut. Diejenige, die sich auf der Toilette eingeschlossen hatte, antwortete nicht.
„Wie ist dein Name?“, setzte Aylin nach. Wieder kam keine Antwort.
„Hey, du brauchst vor uns keine Angst haben“, meldete sich Annemieke zu Wort und gab sich Mühe sehr sanft zu klingen.
„Ich kann hier nicht raus, wenn diese Jungs noch hier frei herum laufen“, meldete sich eine hohe Mädchenstimme aus der Kabine.
„Du kannst rauskommen, wir sind keine Verbrecher, keine Schläger oder sowas in der Art. Sollten wir die Jungs wiederkommen, dann hauen wir ihnen zu fünft die Nasen platt“, klang Emily angriffslustig. An der Tür tat sich was und wenig später stand ein schmales, fast hageres Mädchen mit weißblonden Haaren und rot geweinten Augen vor ihnen. Obwohl sie so groß war wie Aylin, konnte sie nicht älter als elf oder zwölf sein.
„Was ist eigentlich passiert?“, griff Lotta den Faden wieder auf.
„Und wie heißt du überhaupt?“, fragte Aylin.
„Merle“, erwiderte das Mädchen schüchtern.
„Ich bin kurz in die Kabine gegangen, weil ich meine Mutter mit meinem Handy anrufen wollte. Zu meiner Verwunderung war die Kabine schon offen als ich kam. Dann kamen zwei große Jungs herein und fingen an alle Taschen und Jacken zu durchwühlen. Auch meine Jacke und dort fanden sie mein Portemonnaie. Ich rannte auf sie zu und schrie sie an, dass sie mir das Geld nicht wegnehmen dürfen. Darauf drohte mir der größere Typ mit dem Augenbrauenpiercing, den dunklen halblangen Haaren und dem dunkelblauen Kappy, dass er mich verprügeln würde, wenn ich jemanden weiter verrate, dass ich ihn gesehen habe. Dann riss der andere Typ, der einen ausländischen Akzent hat, mir das Portemonnaie aus der Hand gerissen und beide machten sich aus dem Staub“, begann das kleine Mädchen zu erzählen, nachdem sich Emily wie ein Wachhund vor die Kabinentür gestellt hatte.
„Das kann man schon Raub nennen!“, wurde Emily in diesem Moment richtig wütend.
„Kannst du mir den Typ mit dem Kappy genauer beschreiben, ich meine ihn zu kennen“, wurde Annemieke hellhörig. Merle begann ihn genauer zu beschreiben.
„Wisst ihr was?!“, überschlug sich Annemiekes Stimme fast. „Das ist Fabian aus der neunten Klasse. Er war einige Male dabei als Janine und ihre Freundinnen meine Schwester geärgert haben."
„Glaubst du das wirklich?“, rief Lotta.
„Ich bin mir ziemlich sicher“, nickte ihre Freundin. „So wie Merle ihn beschreibt, trifft die Beschreibung voll auf ihn zu und ich habe ihn zwischendrin bei den Zuschauern herumlungern gesehen.“
„Habe ich mir schon fast gedacht, dass Janines Clan hinter diesen merkwürdigen Sachen steckt“, kniff Lotta die Augen zusammen.
„Los, wir müssen die Polizei rufen!“, zischte Aylin. „So kann es nicht weiter gehen.“
„Die Diebe werden doch schon über alle Berge sein“, sah Annemieke sie skeptisch an.
„Egal, Merles Beschreibung wird dazu reichen“, brummte Emily und öffnete die Tür.
„Ich will nicht raus“, kamen Merle fast wieder die Tränen. Annemieke und Emily nahmen sie an die Hand und sprachen ihr Mut zu. Draußen lief ihnen ein Mädchen mit einem dunklen Zopf auf sie zu.
„Merle, wo warst du?“, rief es.
„Bist du mit Merle befreundet?“, wollte Emily.
„Ja, ich bin in ihrer Mannschaft“, nickte es. Merle erzählte die Geschichte noch mal.
„Warum hast du dich erpressen lassen?“, entfuhr es ihrer Freundin, die Finja hieß.
„Mir ist vor Angst das Herz in die Hose gerutscht“, stieg eine leichte Schamröte in Merles Gesicht.
„Wäre mir an deiner Stelle auch“, stupste Emily das kleine Mädchen sanft an.
„Wir gehen erstmal euren oder unseren Trainer suchen", beschloss Lotta.
„Wo wart ihr gewesen?“, fuhr Svens Vater die vier Mädchen beinahe von der Seite an, als sie wieder kamen.
„Mein Handy und Annemiekes Portemonnaie wurden aus der Kabine gestohlen“, antwortete Lotta aufgebracht und verhaspelte sich fast dabei.
„Merkwürdigerweise ist auch mein Schlüssel für eure Kabine verschwunden“, sah er ratlos drein.
„Papa, wie schaffst du es immer irgendwelche Schlüssel zu verbaseln?“, schaltete sich Sven ein.
„Ich hatte ihn ganz normal in meiner Jackentasche gehabt“, sagte er zu seinem Sohn.
„Hast du deine Jacke zwischendrin ausgezogen?“, forschte Sven nach.
„Meistens schon, weil mir zu heiß wurde“, nickte er.
„Wie kannst du nur so leichtsinnig sein, Papa? Der Schlüssel muss wohl jemand gestohlen haben“, schlug Sven die Hände über dem Kopf zusammen. „Gut, dass ich den Schlüssel für unsere Kabine habe und ihn nicht leichtfertig aus dem Auge lasse.“
„Wie wäre es, wenn wir endlich die Polizei rufen?“, funkte Emily dazwischen. Aylin und Annemieke begannen die Geschichte von Merle zu erzählen, die von zwei Typen bestohlen und bedroht wurde.
Sofort zückte Svens Vater sein Handy, wählte die 110 und telefonierte etwas abseits der Kids. Max und Sven übernahmen die Aufstellung für das nächste Spiel.
„Aylin, Emily und Lotta, ihr sollt jetzt von Anfang an spielen, da ihr beim letzten Spiel gar nicht auf dem Feld standet“, entschied Sven. Murrend schleppten sich die Mädchen auf den Platz. Nach diesen ganzen Vorfällen war die Lust am Fußball spielen gänzlich vergangen.
„Wahrscheinlich werden sie die Diebe eh nicht mehr kriegen, dazu sind die Bullen mal wieder zu lahm“, klang Lotta übelgelaunt. Beide Mannschaften stellten sich auf und kurz darauf wurde das Halbfinale angepfiffen. Max, Lennart und Ricardo ließen den Ball laufen, doch noch in ihrer eigenen Hälfte verloren sie den Ball an den zweikampfstärksten Spieler der anderen Mannschaft. Dieser brauchte nur den flinken Mittelstürmer anzuspielen und schon lag ihr Team mit 0:1 hinten.
„Du hättest viel früher dazwischen gehen müssen!“, funkelte Max Emily an.
„Hey, jetzt lass sie doch in Ruhe. Da wärst du auch machtlos gewesen“, nahm Lennart seine Freundin in Schutz.
„Gib mir meinen Rucksack zurück!“, hörten sie einen Jungen schreien, der einem schlaksigen Typen hinterher rannte. Aylin und ihre Teamkameraden drehten sich um.
„Das ist Philipp aus der Zehnten!“, raunte Max. „Ich kenne ihn von früher, weil wir ne zeitlang zusammen geskatet sind. Mittlerweile hat er sich zum Vollidioten entwickelt.“
Scharen von Kids folgten ihm und seinem Kumpan.
„Haltet die Diebe! Haltet die Diebe!“, riefen sie ihnen hinterher. Immer mehr Spieler strömten aus ihren Spielfeldboxen und schlossen sich dem Strom an.
„Haben sie jetzt die Diebe?“, klang Lotta verdattert. Sogar ihre Gegenspieler liefen nach draußen. Irritiert blieben Aylin und ihre Mitspieler mit dem Schiedsrichter zurück.
„Was soll der ganze Auffuhr?“, war Jannis wenig begeistert davon, dass das Spiel unterbrochen war. Nach einem Augenblick abwarten, beschlossen die Piranhas und die Roten Tulpen den anderen Kindern zu folgen. Das größte Geschehen spielte sich auf dem Parkplatz ab. Heerscharen von Kindern und Teenagern umringten die fünf Jugendliche. Aylin erkannte unter ihnen Fabian wieder, der wiederholte Male ihre Freundinnen und sie angepöbelt hatte.
„Sieht nach einem organisierten Verbrechen aus“, wisperte Lotta und bekam wieder ein paar ihrer roten Wutflecken am Hals und im Gesicht. Im nächsten Moment fuhren drei Polizeiwagen auf den Parkplatz. Noch immer versuchte einer der fünf Jugendlichen den Kindern zu entkommen. Die jüngeren Kinder stellten sich ihm in den Weg und ein paar ältere Fußballer hielten ihn sogar fest. So hatte die Polizei leichtes Spiel die Diebe festzunehmen und zu den Polizeiwagen zu bringen.
Im Anschluss fand eine Großrazzia statt. Das Auto der Diebesbande wurde durchsucht, sowie einige Innenräume des Soccercenters.
„Hoffentlich finden sie mein Smartphone wieder“, bangte Lotta und wickelte eine lose Strähne ihres halblangen Ponys um ihren Daumen.
„Genauso wichtig wäre mir auch mein Geld, sonst kann ich keine Weihnachtsgeschenke kaufen“, murmelte Annemieke. Die meisten Kids strömten wieder in die Halle zurück. Doch Aylin und ihre Freundinnen blieben noch einen Moment in der Kälte stehen, weil Lotta hoffte, dass die Polizei sofort ihr Handy findet und ihr aushändigt.
„Lotta, dein Handy kannst du dir nachher auf der Polizeiwache abholen, aber nicht hier“, zog Annemieke sie am Arm mit sich.
„Lasst uns rein, mir ist kalt!“, klapperte Kiki mit den Zähnen. Hinter sich entdeckten die Bandenmädchen eine kreidebleiche Janine, die sich mit ihren Freundinnen das Geschehen anguckte. Ohne sie weiter zu beachten, zogen die Roten Tulpen an ihnen vorbei.
Aylin merkte, wie Bella eine kleine Schachtel aus der Tasche ihrer Trainingsjacke fiel. Einen Moment war sie unschlüssig, ob sie die Schachtel aufheben wollte. Zu ihrer Gunst entfernten sich Janine und ihre Freundinnen ein Stückchen. In einem unbeobachteten Moment konnte Aylin die Schachtel aufheben und las den Namen des ihr unbekannten Medikaments. Erst nach wenigen Sekunden kam der Geistesblitz um die Ecke und Aylin verstand, was es mit diesen merkwürdigen Tropfen auf sich hatte. Steffi war es also gewesen, die heimlich die Tropfen in ihre Trinkflaschen getan hat. Da Mathilda, Fianna und Jannis daraus getrunken hatten, war ihnen speiübel und sie konnten nicht mehr am Turnier teilnehmen. Was für ein mieses Spiel! Unbedingt musste sie das ihren Freundinnen und den Piranhas zeigen. Garantiert würden sie vor Wut und Empörung an die Decke gehen. Aylin versicherte sich noch mal, dass sie keinen von Janines Leuten hinter sich hatte und bahnte sich den Weg durch die Menschenmassen.
Ohne etwas zu sagen, hielt sie ihren Freundinnen das Corpus Delicti unter die Nase.
„Was willst du uns damit sagen?“, sah Kiki sie verständnislos an.
„Die sind Steffi gerade eben aus der Tasche gefallen“, erwiderte Aylin.
„Waaaas? Dann war sie diejenige, die unser Trinken verdorben hat und Matti muss es nun ausbaden“, entgleisten Annemieke sämtliche Gesichtszüge. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre vor Wut und Empörung in Tränen ausgebrochen, wenn Kiki nicht aufgestanden wäre und ihr etwas ins Ohr geflüstert hätte.
„Das ist ein Brechmittel, was eingesetzt wird, wenn man sich vergiftet hat", klärte Annemieke ihre Freundinnen auf. Aylin wusste, dass die Eltern der Zwillinge im Krankenhaus arbeiteten und daher kannte Annemieke einige verschreibungspflichtige Medikamente.
„Das geht mal gar nicht!“, war Kiki stocksauer. Die Mädchen zeigten den Piranhas die Medikamentenschachtel. Svens Vater ging sofort zu Janines Mannschaft rüber und verpasste ihnen einen heftigen Einlauf, sodass das ganze Soccercenter bebte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte das Spiel doch noch fortgesetzt. So sehr sie sich mühten und kämpften, doch ihre Gegner ließen kaum Chancen zu. Aylin hatte das Gefühl, dass sie momentan gar nichts gebacken bekam und war froh, dass Annemieke für sie ins Spiel kam. Max, Ricardo, Sven und Lotta hatten Pech, dass sie am Torhüter scheiterten oder nur das Aluminium trafen. Wenige Minuten vor Schluss erhöhten ihre Gegner auf 2:0 und somit war das Halbfinale perdu. In der letzten Minute gelang Lotta noch der Abschlusstreffer, nachdem Annemieke nur den Pfosten getroffen hatte und Lotta nur noch abstauben brauchte. Wie von der Tarantel gestochen sprangen die Roten Tulpen von der Auswechselbank auf und klatschten sich gegenseitig ab.
„Tor für die Roten Tulpen!“, jubelte Kiki, dabei schlang sie lässig ihre Arme um Emily und Aylin.
„Jetzt haben wir unsere gesamte Wettschuld eingelöst“, freute sich Aylin und war stolz auf Lotta, die den Ehrentreffer für die Mädchen erzielt hatte. Gerade Lotta, die am meisten an ihren fußballerischen Fähigkeiten gezweifelt. Trotz ihren schönen Tores ging die Partie 1:2 verloren.
„Macht euch nichts draus, das Spiel um Platz drei gewinnen wir!“, baute Sven seine Kameraden wieder auf.
„Fußball geht mir gerade sowas von am Allerwertesten vorbei“, schimpfte Emily leise vor sich hin.
„Der Meinung bin ich auch, aber nun kommt noch ein Spiel und dann können wir Fußball wieder getrost vergessen“, klopfte ihr Aylin auf die Schulter.
„Hoffentlich bekommen die Diebesbande und auch die Leute um Janine ihre gerechte Strafe“, hoffte Kiki.
„Klar werden sie das“, nickte ihr Annemieke zu.
„Ich habe gerade von Papa erfahren, dass Janines Mannschaft disqualifiziert wurde“, brachte Sven den Bandenmädchen die nächste Botschaft.
„Wirklich?“, bekam Kiki ganz große Augen.
„Doch“, versicherte Sven ihr. „Denkst du, die Turnierleitung lässt sich noch alles bieten? Gerade eben hat einer von Mitspieler von Janines Mitspieler einen Gegenspieler während des Spiels so heftig gefoult, dass er in die Notaufnahme gefahren werden muss.“
„Das ist einfach zu krass!“, entfuhr es Emily.
„Da war das Brechmittel fast noch das geringere Übel“, begann sich Annemieke aufzuregen.
„Hey, ich war noch nicht fertig“, setzte sich Sven mit seinem lauten Organ durch.
„Was willst du uns noch sagen?“, fragte Kiki neugierig.
„Aufgrund der Sachen, die sie sich geleistet haben, sind sie aus dem Turnier geflogen, daran hatten auch das Brechmittel und die harten Fouls ihren Anteil. Zudem haben sie versucht einen der Schiedsrichter mit Pralinen zu bestechen“, fuhr Sven fort. „Und jetzt komme ich zu dem, was ich euch eigentlich sagen wollte. Wegen der Vorkommnisse lässt die Turnierleitung weitere Finalspiele ausfallen. Stattdessen hat sie die Tore und Punkte der drei besten Teams zusammen gezählt und wir belegen den zweiten Platz.“
Jubel machte sich unter den Kids breit. Rote Tulpen und Piranhas klatschten sich gegenseitig ab.
„Juhu, heute kein einziges Spiel mehr!“, freute sich Aylin und rannte in Richtung der Umkleidekabine.
Anschließend lud Svens Vater die Piranhas und die Mädchen in die nächstgelegene Pizzeria ein. Jeder durfte sich eine große Pizza aussuchen und mit drei Belägen belegen lassen. Aylin nahm Thunfisch, Pilze und Paprika, während die meisten ihrer Freundinnen entweder Salami oder Schinken bevorzugten. Mitten im Gespräch vibrierte Aylins Handy.
„Hi, was macht euer Turnier? Bin jetzt zuhause und ruhe mich in meinem Bett aus. Mittlerweile geht es mir wieder besser. Grüße mal alle und ganz besonders Ricardo!“, Aylin war selbst überrascht, wie schnell ihr Fianna schrieb und tippte selbst eine ellenlange Antwort in ihr Handy. Dabei merkte sie gar nicht, wie der Kellner ihre Pizza auf ihren Platz stellte.
„Hey, willst du gar nichts essen?“, stupste Lotta sie an.
„Oh doch, natürlich!“, schreckte sie auf. Erst beim Essen merkte sie, wie hungrig sie inzwischen war. Nur Annemiekes Appetit schien sich in Grenzen zu halten.
„Was ist los?“, forschte Emily nach, die neben ihr saß.
„Hm, irgendwie macht mich das nachdenklich, was gerade eben passiert ist. Erst die Sache mit dem Brechmittel, dann die Erpressung eines jüngeren Mädchens und zum Schluss die ganzen Diebstähle. Das Schlimmste für mich ist, dass ich nicht weiß, wie es Matti gerade geht. Sie hat noch gar nicht auf meine Nachricht geantwortet“, klang Annemieke bedrückt.
„Ach was, so schlecht wird es ihr nicht gehen“, streichelte Aylin über ihren Rücken. Lotta brachte sie mit einem simplen Witz erst zum Schmunzeln und dann zum Essen.
Am nächsten Freitag trafen sich die Bandenmädchen direkt nach der Reitstunde zu einem Verwöhn- und Bastelnachmittag im Wohnwagen. Nach den anstrengenden Wochen mit Schule und Fußballtraining hatten sie sich das richtig verdient.
„Seht mal was ich dabei habe!“, hielt Kiki ihren Freundinnen eine große Plastiktüte unter die Nase.
„Federn? Was willst du damit?“, runzelte Lotta die Stirn.
„Na, was wohl?“, fiel ihr Emily ins Wort. „Daraus kann man sich den fetzigsten Schmuck basteln, den es gibt.“
„Oh ja, das ist was dran“, nickte Annemieke begeistert, die eine dunkelblaue Feder zwischen ihren Fingern drehte.
„Können wir erstmal was essen? Schließlich haben Micky und ich ein neues Rezept für eine Schokoladentorte mit Spekulatius ausprobiert“, wandte ihre Zwillingsschwester ein.
„Da bin ich dabei!“, schnellte Aylins Hand in die Höhe. „Gestern habe ich mit Fatima einen Heidelbeerkuchen mit Puddingfüllung gebacken.“
„Oh ja, wir müssen es unbedingt probieren“, lief Fianna das Wasser im Mund zusammen. Aylin begann mit Emily den Tisch zu decken, während Annemieke das Wasser für den Tee aufsetzte und ausgelassen zu einem Lied aus Lottas Bluetoothbox mitwippte. Fianna, Kiki und Mathilda steckten ihre Köpfe zusammen. In regelmäßigen Abständen brachen sie in ein ohrenbetäubendes Kichern aus. Nur Lotta wischte auf ihrem Smartphone herum und wirkte so, als wäre sie nicht anwesend.
„Hey, könnt ihr mal kurz zuhören?“, bat sie im nächsten Augenblick für Ruhe. Sechs überraschte Augenpaare blickten in ihre Richtung. Was hatte sie auf einmal zu sagen, wobei sie die ganze Zeit nur mit ihrem Gerät zugange war. „Spuk’s aus, Lotta!“, konnte sich Kiki vor Neugierde nicht länger zurück halten.
„Max hat mich gerade gefragt, ob wir morgen Lust hätten ihn und seine Mannschaft bei den Stadtmeisterschaften anzufeuern“, überbrachte sie ihren Bandenschwestern die neue Nachricht.
„Wirklich? Ist Ricardo auch dabei?“, platzte Fianna vor Neugierde und beugte sich zu ihr über den Tisch.
„Na klar, alle Piranhas sind mit von der Partie“, bestätigte Lotta nickend.
„Au ja, ich bin dabei!“, hüpfte Fianna wie ein australisches Zwergkänguru im Wohnwagen auf und ab.
„Bei dir gehen die Schmetterlinge im Bauch wohl gewaltig mit dir durch, Carrot!“, bemerkte Emily giggelnd.
„Sag mal, Lotta, ist Ricardo mittlerweile auch ein Piranha“, wurde Kiki wieder ernst.
„Nicht dass ich wüsste“, zuckte ihre Freundin nichtswissend mit der Schulter.
„Wehe, wenn…!“, fuchtelte Mathilda mit ihrem Zeigefinger in der Luft herum.
„Was?“, schaute Lotta sie irritiert an.
„Ich finde es irgendwie ein bisschen blöd, wenn sie hinter unserem Rücken ein neues Bandenmitglied einschleusen“, war Mathilda der Meinung.
„Hä, wieso das?“, stupste ihre Schwester sie an. „Schließlich sind die Fischköppe eine eigene Bande und dürfen ihre Geheimnisse vor uns haben.“
„Ich glaube nicht, dass Ricardo offiziell ein Piranha ist“, schüttelte Emily den Kopf. „Die Jungs ziehen immer noch zu sechst um die Häuser.“
„Irgendwie fände ich es auch schade, wenn wir nicht mehr in Überzahl sind“, meldete sich Aylin zu Wort. Noch vor einem halben Jahr machte es sich bei der Roten Tulpen bezahlt, dass sie ein Bandenmitglied mehr hatten als die Jungs. Damals als die beiden Banden noch total auf Konfrontationskurs waren und gegenseitig kein gutes Haar an dem anderen ließen. Seit dem Abenteuer in der Villa war die Fehde endgültig zuende.
Die Freundinnen diskutierten solange über die Piranhas und Ricardo bis der Tee fast schon kalt war.
„Ich glaube, wir sollten langsam den Tee trinken und unseren leckeren Kuchen essen“, unterbrach Aylin die langlebige Diskussion.
„Da sagst du was, ich kriege langsam richtigen Heißhunger“, leckte sich Lotta die Lippen.
„Hast du den ganzen Tag nichts Richtiges gegessen?“, stieß Fianna sie scherzhaft an.
„Ne, nur so einen merkwürdigen Eintopf mit Möhren, Kartoffeln, Kohl und Haferflocken. Davon habe ich nicht mal einen halben Teller herunter bekommen“, erwiderte sie mit angewiderten Gesichtsausdruck und tat so als müsste sie sich übergeben.
„Arme Lotta, kein Wunder dass du fast am Verhungern bist bei dieser Mutter!“, lachte Mathilda los und schnitt ihr ein extra großes Stück von der Torte ab.
„Wenn Lottas Mutter nur wüsste, mit was für einen ungesunden Kram wir dich füttern!“, stimmte Annemieke in ihr Kichern ein.
„Stimmt, von einem Lolli, einer Tafel Schokolade und einem Stück Kuchen fällt man nicht tot um“, schmunzelte Kiki.
„Wenn ihr nur wüsstet, dass Mama nur noch Reformhaus einkauft, wo das Essen besonders fade schmeckt“, rollte Lotta mit den Augen. „Darüber hinaus kauft sie kaum noch Süßigkeiten und Knabberzeug, wenn dann höchstens Salzstangen und Dinkel-Hafer-Kekse.“
„Hier, was ich noch gefunden habe“, legte ihr Aylin einen Karamellriegel auf den Teller, den sie in ihrer Jackentasche gefunden hatte.
„Danke, danke, ihr meint es ja sehr gut mit mir“, bedankte sich Lotta, nachdem ihr Teller von den Süßigkeitenspenden ihrer Freundinnen überquoll.
Nachdem sich die Freundinnen mit viel Kohldampf über die beiden Kuchen und Kikis Lebkuchen hermachten, packte Kiki ihr ganzes Bastelzeug aus.
„Wow, ist das viel!“, staunte Fianna.
„Dafür habe ich fast mein ganzes Taschengeld ausgeben“, nickte die Bandenleaderin. Begeistert begutachteten die Mädchen die Perlen, Schnüre, Federn und alle anderen Bastelutensilien.
„Daraus lassen sich ultracoole Ohrringe machen!“, schnappte sich Emily zwei gepunktete Federn. Während die Mädchen hübschen Federschmuck oder Traumfänger bastelten, zog Fianna Aylins Haarreif aus den Haaren.
„Hey, was soll das?“, beschwerte sie sich.
„Lass dich einfach überraschen!“, grinste ihre beste Freundin spitzbübisch.
„Nein! Gib sofort meinen Haarreif wieder!“, baute sich Aylin drohend vor ihr auf.
„Dein langweiliger Haarreif könnte wirklich etwas mehr Pepp vertragen“, war Fianna der Meinung.
„Was um Himmels Willen willst du damit anstellen?“, überschlug sich ihre Stimme fast und ein Anflug von Panik machte sich in ihr breit. Voller Belustigung sahen sich die anderen Bandenmädchen die kleine Auseinandersetzung an und konnten ein leises Gackern nicht unterdrücken.
„Keine Bange, ich werde deinen Haarschmuck nicht ruinieren“, versicherte Fianna zu fing an mit dünnem Draht bunte Federn an Aylins Haarreif zu befestigen. Aylin fand, dass es wirklich nicht schlecht aussah und suchte sich einige knallbunte Federn aus.
„Setz mal auf!“, forderte Emily.
„Du siehst fast aus wie ein Papagei, Aylin!“, entfuhr es der vorlauten Mathilda.
„Ich finde, sie hat mehr Ähnlichkeiten mit einer brasilianischen Sambatänzerin“, lenkte Lotta ein. Aylin gefiel ihre Assoziation deutlich besser.
„Damit sie annähernd wie eine Sambatänzerin aussieht, muss sie noch ihren dicken Wollpulli ausziehen“, fand Emily, womit sie nicht Unrecht hatte. In ihrem engen kanariengelben T-Shirt hatte Aylin wirklich Ähnlichkeit mit einer Sambaschönheit.
Lotta band ihr noch ein gelbgrün gemustertes Seidentuch um die Hüfte und knipste ein Foto mit ihrem Smartphone. Nach ihr wollten sich auch ihre Freundinnen mit dem Federhaarreif fotografieren lassen.
„Wer kommt denn morgen eigentlich mit?“, wechselte Lotta das Gesprächsthema.
„Ich!“, schnellte Fiannas Hand nach oben.
„Muss das sein?“, nörgelte Emily. „Ich hatte in den letzten Wochen schon genug Fußball.“
„Aber dein Freund spielt doch auch“, versuchte Lotta sie umzustimmen und fügte hinzu: „Ach was ich vergessen habe euch zu sagen ist, dass die Jungs noch eine Überraschung für uns im Anschluss parat haben.“
„Wirklich, dass ist ja kaum zu glauben“, wurde Kiki ganz hibbelig und versuchte jedes kleinste Detail aus ihr heraus zu kitzeln.
„Ich weiß nur, dass sie uns im Anschluss in ihr Bandenquartier bestellen“, sagte Lotta. Sofort war auch Emily anderer Meinung und selbst Aylin wollte sich anschließen.
„Was ist mit euch, Zwillingsmäuse?“, wandte sich Kiki an Annemieke und Mathilda.
„Wir müssen es noch nicht“, zuckte Mathilda mit der Schulter, „Morgen kriegen wir Besuch von Oma und Opa.“
„Trotzdem werden wir es schaffen zu kommen, denn das Kaffeetrinken wird wohl nicht bis in alle Ewigkeiten dauern“, klang ihr Zwilling optimistischer.
Am nächsten Nachmittag trafen sich Aylin, Emily, Lotta und Kiki vor der Stadtsporthalle.
„Damit werde ich Maxi anfeuern“, hielt Lotta zwei glitzernde Puschel in die Höhe.
„Was ist das denn?“, fragte Aylin.
„Na was wohl?“, begann Kiki hemmungslos zu kichern. „Das sind Pompons.“
„In der fünften Klasse war ich wirklich eine Saison bei den Cheerleadern gewesen, weil mich Anna dazu überredet hat, die es heutzutage immer noch macht“, erzählte Lotta.
„Findest du die Puschel nicht ein bisschen albern?“, fing sie sich einen skeptischen Blick von Emily ein. „Wir sind doch bei einem Fußballspiel und nicht bei Highschool Musical.“
„Na gut, dann eben nicht“, ließ Lotta enttäuscht die Schultern hängen.
„Hey, wenn du sie nicht haben willst, dann gib sie mir“, tippte Aylin sie von der Seite an. Ohne etwas zu sagen, gab ihr Lotta einen Pompon ab.
„Wo bleibt eigentlich Fianna?“, sah Kiki auf ihre Uhr. „In zehn Minuten fängt das Spiel an.“
Gerade als die Freundinnen in die Halle gehen wollten, kam ihre Freundin mit hochrotem Kopf um die Ecke gedüst.
„Meine Güte, dass Mama noch gemeint hat, mit mir Schuhe kaufen zu müssen“, japste Fianna und hakte sich bei Aylin unter.
„Wenigstens hast du es noch geschafft“, zwinkerte ihr Kiki zu. „Im Gegensatz zu den Zwillingen, die vor fünf Uhr sich nicht von der Kaffeetafel entfernen dürfen, da sie heute ihre halbe Verwandtschaft zu Besuch haben.“
Die kleine Tribüne in der Halle war schon gut gefüllt, trotzdem fanden die Mädchen noch eine Reihe, die noch ganz frei war und hielten noch zwei Plätze für die Zwillinge frei. Bevor das Finale der Stadtmeisterschaft angepfiffen wurde, hielt der Sponsor, der den Pokal stiftete eine ellenlange Ansprache. Es hätte nicht viel gefehlt und den Roten Tulpen wären vor dem Anpfiff weggeschlummert. Die Mannschaft der Piranhas hatte Anstoß, den Sven mit Ricardo ausführte.
„Sieh nur, da ist er!“, wisperte Fianna und drückte Aylins Hand. Bei jeder Gelegenheit, wo sich ihr Schwarm hervortat, überschlug sich ihre Freundin vor Begeisterung. Aylin war das Spiel fast schon herzlich egal. Ein Fußballspiel anzuschauen war genauso öde wie selbst zu spielen. Fianna nahm ihr den Pompon aus der Hand und begann damit genauso zu wedeln wie Lotta.
Nach einer halben Stunde trudelten die Zwillinge ein, die sich leise tuschelnd zwischen Aylin und Lotta niederließen.
„Gehen gerade die Liebeshormone mit Lotta und Fianna durch?“, flüsterte Annemieke Aylin ins Ohr.
„Scheint so“, musste sie grinsen.
„Sieht echt witzig aus, wie sie mit diesen Puscheln herumwedeln. Ich bin mal gespannt, wann ihnen die Arme abfallen“, amüsierte sich Mathilda köstlich. Immer wieder drang ein Raunen durch die Halle, jedes Mal wenn fast ein Tor gefallen wäre.
„Eigentlich müssten unsere Jungs schon mit zwei Treffern führen“, war Fianna der Meinung. „Auf jeden Fall hätte Ricardo schon eins schießen müssen.“
Ricardo hier, Ricardo da! Fianna konnte seit Wochen an fast nichts anderes mehr denken als ihn. Aber Aylin wollte sie nicht darauf ansprechen, bestimmt würde sie sich irgendwann in einen Jungen vergucken und genauso vom Liebesfieber befallen sein.
Zur Halbzeit war immer noch kein Tor gefallen. In der Pause fachsimpelten und diskutierten Lotta und Fianna über den Spielverlauf. Die übrigen Roten Tulpen rollten mit den Augen und wendeten sich von ihnen ab. In der zweiten Halbzeit ging es turbulent weiter. Fast zweimal hätte Ricardo treffen können, wenn seine Schüsse nicht um Millimeter das Tor verfehlt hätten. In der Halle wurde es immer lauter. Selbstverständlich feuerten die meisten Zuschauer den 1.SV Freudenburg an, da die Gegner aus der Nachbarstadt kamen. Allerdings hatten sie einen so merkwürdigen Namen, dass Aylin ihn schnell wieder vergaß. Da nach der regulären Spielzeit immer noch kein Tor gefallen war, ging es in die Verlängerung und anschließend gab es sogar ein Elfmeterschießen. Fianna hielt verkrampft Aylins Hand fest.
„Hey, bleib doch mal locker!“, flüsterte sie ihrer Freundin ins Ohr. Gerade brandete wieder Applaus auf. Michael hatte den zweiten Elfer in Folge gehalten. Nun trat Ricardo an und verwandelt sicher. Fianna war kurz davor auszuflippen. Zum Schluss gewann der 1.SV Freudenburg mit 4:2 und die Menge tobte. Fianna konnte sich am wenigsten halten und düste die Treppe hinunter.
„Was macht sie nur?“, klang Lotta aufgeregt. Mit einem Satz war ihre Freundin über die Bande geklettert und flitzte auf Ricardo zu.
„Sieh mal einer an, da haben wir einen weiblichen Flitzer!“, kommentierte Mathilda. Im nächsten Moment sah Aylin, wie Fianna und Ricardo sich küssten. Voller Leidenschaft lagen sie sich in den Armen und taten es ein zweites Mal.
„Und da haben wir auch schon das nächste Paar“, kommentierte Emily, worauf Kiki und die Zwillinge sich kaum noch vor Kichern halten konnten.
„Wenigstens bin ich nicht so unreif wir diese dämlichen Kichererbsen", gab Lotta genervt von sich.
Nach und nach gratulierten die Mädchen den Jungs zum Gewinn der Stadtmeisterschaft.
„Wir sehen uns in zwei Stunden in unserem Bandenquartier“, verabschiedete sich Sven von ihnen.
„Aber wie lange sollen wir uns die Zeit noch totschlagen?“, maulte Annemieke und drehte die Kordel ihres Wintermantels um ihren Zeigefinger.
„Wie wäre es mit einem Gang über den Weihnachtsmarkt?“, schlug Emily vor.
„Das ist wirklich eine tolle Idee!“, war Mathilda begeistert. „Ich bin dabei."
„Ach Mist, ich habe kaum Geld mit“, klang Fianna nicht so begeistert.
„Egal, ich habe noch ein paar Geldscheine dabei und so kann ich euch allen einen warmen Kakao spendieren“, meldete sich Lotta zu Wort.
„Lotta, du bist ein Schatz!“, fiel ihr Kiki um den Hals.
„Ach Quatsch, Freundinnen gebe ich gerne was aus“, lächelte Lotta. „Schließlich macht teilen glücklicher.“
Mit Emily und Kiki eilte sie Arm in Arm voraus durch die weihnachtliche Innenstadt.
Aylin, Fianna und die Zwillinge folgten ihnen ebenfalls eingehängt. An der ersten Bude des Weihnachtsmarktes begegneten die Mädchen Katja und Anja mit zwei Freundinnen aus der Parallelklasse.
„Na, hat der Kindergarten wieder Ausgang?“, wandte sich Katja an die Bandenmädchen. Anstatt zurück zu feuern, ignorierten sie die Zicken und unterhielten sich über ihre Köpfe hinweg. Bald hatten sie Lottas Lieblingsstand gefunden, an dem es heiße Schokolade in allen Variationen gab. Lotta bevorzugte einen Kakao mit Cappuccino, während ihre Freundinnen sich entweder für Vanille-, Krokant- oder Kokossirup entschieden.
„Wenn Ricardo nur hier wäre“, murmelte Fianna in Gedanken verloren.
„Meine Güte, du leidest wirklich am Liebesfieber, Carrot!“, stupste Emily sie freundschaftlich an. „Gleich siehst du ihn sowieso wieder.“
Im Hintergrund dudelte „Last Christmas“, wozu Lotta und Kiki leise mitsangen.
Um kurz nach acht schlugen die Mädchen im Bandenquartier der Jungen auf.
„Herzlich willkommen im Bandenquartier der Piranhas! Tretet ein, werte Damen“, nahm Jannis sein Kappy ab und deutete eine kleine Verbeugung an. Dies sorgte bei den Roten Tulpen für einen kleinen Lachflash.
„Wow!“, Aylin und Emily kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die Jungs hatten in der Mitte ihres Clubraumes eine große Tafel aufgebaut, eine goldene Girlande aufgehängt und einen kleinen Tannenbaum vor das Fenster gestellt. Von der Zimmerdecke ging ein großer leuchtender Stern aus Transparenzpapier.
„Es sieht hier richtig feierlich aus“, war Annemieke voll des Lobes.
„Das hätte man von sechs Fischköppen nicht erwartet“, setzte ihre Schwester obendrauf. Michael kam mit einer Kiste Getränke herein, Sven folgte ihm mit einer großen silbernen Schüssel.
„Mädels, ihr mögt doch sicher Salat?“, fragte er in die Runde und meinte: „Ist doch auch gut für die Figur, ne?"
Emily warf ihm nur einen scheelen Blick zu.
„Joa, Salat geht immer“, nickte Kiki verhalten. Als die Mädchen in einen Blick in die Schlüssel warfen, konnten sie das Kichern nicht mehr verkneifen.
„Was ist das denn?“, gickerte Fianna und spießte eine ganze Tomate mit ihrer Gabel auf. Auch das andere Gemüse lag im Ganzen dazwischen. Jannis kam von hinten angerannt und verpasste dem ganzen eine Dressingdusche.
„Wenigstens sind sie auf die Idee gekommen den Salat zu vierteln“, prustete Annemieke los.
„Wieso habt ihr den Salat und das Gemüse nicht klein geschnitten?“, sah Lotta die Jungs fragend an.
„Wir waren eben zu faul nach dem anstrengenden Spiel das ganze Zeug klein zu schnippeln“, gestand Jannis.
„Egal, dann schneiden wir es uns eben selbst zurecht“, spießte Fianna die nächste Tomate auf. Als nächstes kaum Max mit zwei Körben Fladenbrot herein, welches bei den Bandenmädchen sehr beliebt war.
„Jungs, habt ihr alles selbst arrangiert?“, stellte Kiki eine ernst gemeinte Frage.
„Klar, das Ambiente, die Getränke und die Vorspeise schon“, nickte Sven. „Aber für den Hauptgang und das Dessert ist Mama zuständig.“
Kurz darauf kam eine groß gewachsene Frau mit kurzen blonden Haaren herein und stellte zwei Auflaufformen auf den Tisch.
„Danke Mama!“, lächelte Sven.
„Was gibt es denn?“, sah ihn Lotta hungrig an.
„Wonach konnte es aussehen?“, ließ er sie zappeln.
„Lasagne oder ein Nudelauflauf?“, zuckte Lotta ahnungslos mit den Achseln.
„Einmal Lasagne mit Tomatensoße und Hackfleisch“, erwiderte Sven. „Und für die Vegetarier gibt es eine Gemüse.“
Die Kids griffen ordentlich zu. Bald war noch kaum etwas da. Aylin aß nur von der Gemüselasagne, da sie als Muslimin kein Schweinefleisch essen durfte.
„Schmeckt wirklich wunderbar!“, schwärmte Emily.
„Wie gesagt, dass haben wir nicht selber gekocht“, erwiderte Sven.
„Ach egal, ihr habt uns doch eingeladen. Richte deiner Mutter aus, dass sie wirklich gut kochen kann“, lächelte Kiki. Als jeder aufgegessen hatte, brachten die Jungs das schmutzige Geschirr weg und kamen mit einer riesigen Schale Mousse au chocolat wieder. Es fehlte nicht viel und Aylin hätte sich fast den Magen verdorben, wenn sie nicht Mathilda den Rest aus ihrem Schälchen überlassen hätte.
„Von den Jungs können wir uns ruhig öfter einladen lassen“, schmunzelte Fianna und schob ihr Schälchen von sich weg.
„Hey, könnt ihr ganz kurz mal zuhören?“, stand Jannis auf und legte seinen Zeigefinger auf die Lippe.
„Jawohl Sir!“, trat Sven wie ein Soldat an seine Seite.
„Was haben sie nur vor?“, wisperte Emily ahnungslos.
„Eine Festtagsrede wie immer!“, raunte Mathilda in einem leicht spöttischen Tonfall, worauf ihre Schwester sich krampfhaft das Kichern verbeißen musste.
„Mädels, könnt ihr bitte eure Klappe für ne Minute halten?“, sah Jannis sie streng an. Lotta gab den Zwillingen rechts und links heftige Rippenstöße. Als es mucksmäuschenstill war, fuhr er fort: „Nach wochenlangen Überlegen haben wir beschlossen Ricardo Osorio bei uns in der Bande, den Piranhas aufzunehmen.“
Sven holte Ricardo nach vorne.
„Bist du bereit für abgefahrene Abenteuer und mega coole Bandenchillerei, Rico?“, fragte er.
„Na klaro, Digga!“, gab ihm sein Kumpel einen Highfive. Darauf entleerte Sven ein halbes Glas Wasser über seinem Schädel, was wohl die eigentliche Bandentaufe sein sollte. Obwohl Ricardo mehr einem begossnen Pudel glich, sah Fianna ihn immer noch verliebt an.
„Kommt eigentlich noch was?“, raunte Kiki. Wo blieb nur der Bandenschwur oder hatten die Jungs gar keinen? Schnell fiel Aylin und ihren Freundinnen auf, dass die Piranhas viele Dinge leichter beziehungsweise anders handhabten als sie.
„Los, lasst uns einen trinken!“, reichte Michael mehrere Flaschen Bier herum.
„Wollt ihr wirklich Bier trinken, obwohl die meisten von euch erst dreizehn oder vierzehn sind?“, sprang Emily wie von der Tarantel gestochen auf.
„Ach Schatz, reg dich doch nicht so auf, von einem Bier wird man nicht besoffen“, legte Lennard seinen Arm um sie.
„Ein Wort in Gottes Ohr“, kommentierte Annemieke halblaut. Alle Bandenmädchen konnten sich noch gut daran erinnern, wie sie die Jungs im späten Frühjahr sturzbetrunken aus dem Wald holen mussten. Dies hatte ihnen damals gehörig den letzten Abend im Westerncamp verdorben. Selbstverständlich boten die Jungs auch den Roten Tulpen ein Bier ab. Das lehnten die Mädchen allerdings rigoros ab, obwohl Lotta kurz mit den Gedanken spielte eins zu trinken. Erst als die Blicke ihrer Freundinnen sah, griff sie doch lieber zur Limonade.
„Ein Hoch auf unser neues Bandenmitglied!“, rief Jannis und stieß mit seinen Bandenbrüdern an. Bald darauf war anhaltendes Gläserklirren im Piranha-Quartier zu hören.
„Jetzt haben wir Gleichstand“, wandte sich Sven triumphierend an die Mädchen.
„Das wird auch so bleiben“, bestätigte Kiki. „Wir haben auch nicht vor ein neues Mädchen aufzunehmen.“
„Ach, wir dachten schon, dass ihr euch mit dem Tussenkomitee zusammentun könntet“, scherzte Max daraufhin los.
„Nein, nein, nein!“, wiegelte Fianna ab. „Das gäbe nur noch Mord und Totschlag.“
„Besser bekannt unter Zickenzirkus“, bemerkte Jannis. Stress mit einigen Mitschülerinnen hatten die Rote Tulpen schon oft genug gehabt. Am schlimmsten mit Teresia, die vor wenigen Monaten fast die ganze Bande gespalten hatten. Als sich Aylin umdrehte, sah sie Fianna knutschend in Ricardos Armen liegend.
„Hey, mach mal einen Lovesong an!“, stupste Lotta Max an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Oki doki, wird gemacht!“, richtete er Lottas Musikwunsch an Sven weiter, der gerade auf seinem Tablet herumscrollte nahm und damit die großen Lautsprecherboxen verband.
Drei Tanzpaare bewegten sich beim Lied „Love is in the air!“ durch den Raum. Aylin verdrückte sich mit Kiki und den Zwillingen in die andere Ecke des Raumes.
„Irgendwie blöd keinen Freund zu haben“, murmelte Annemieke leicht enttäuscht.
„Schnulziger geht's nicht!", verdrehte Mathilda genervt die Augen und schob sich einen Lebkuchenherz in den Mund.
„Wieso schnappen wir uns nicht einen freien Piranha, der noch nicht mit einem Mädchen tanzt?“, schlug Aylin vor.
„Spitzen Idee, Aylin!“, gab ihr Kiki einen Highfive. Die Zwillinge stürzten sich im nächsten Augenblick auf Jannis und Sven. Kiki krallte sich Ömer und für Aylin blieb nur noch Michael übrig. Nach dem Lied hatten die Piranhas eher Bock auf House, Electro und Rap. Immer wieder mussten Lotta und Fianna sich darum bemühen, dass auch Songs gespielt wurden, die sie mochten.
Aylin schaffte es den ganzen Abend nicht Fianna und Ricardo aus dem Auge zu lassen. Bestimmt küssten sie sich bereits zum hundertsten oder tausendsten Mal. Lotta und Emily knutschten ihre Freunde nicht einmal halb so oft.
„Frische Liebe ist wie eine Droge“, seufzte Kiki feststellend. Da die anderen Jungs keinen Bock mehr hatten mit ihnen zu tanzen, standen sie wieder in der Ecke.
„Hey, lasst euch nicht die Laune so verderben“, nahm Mathilda die Hände von ihrer Schwester und Kiki. Annemieke griff wiederum nach Aylins Hand. Zu vier begannen sie die merkwürdigsten Verrenkungen zu machen, bis sie vor Lachen das Gleichgewicht verloren und sich japsend auf dem Boden wieder fanden. Erst jetzt warf Fianna ihren Freundinnen einen überraschten Blick zu und drehte sich dann wieder zu ihrem Freund um.
„Das nennt sich wohl Singletanz", konnte Lotta einen frechen Kommentar nicht unterlassen, worauf die Zwillinge eine Grimasse zogen und ihr Kiki die Zunge rausstreckte.
Aylin: Eher nein, in den letzten Wochen hatte ich eine Überdosis Fußball. Vielleicht spiele ich in ein paar Jahren noch mal, wenn mich meine Brüder oder Cousins überreden.
2. Wie hat deine Familie drauf reagiert, dass du heimlich trainiert hast?
Aylin: Das wussten nur meine Geschwister, die zum Glück vor meinen Eltern dicht gehalten haben. Meiner Mutter wäre es egal gewesen, wenn ich Fußball gespielt hätte, doch mein Vater sieht das nicht gerne.
3. Fandest du das Fußballspielen eigentlich nur ätzend?
Aylin: Anfangs doch, weil ich überhaupt kein Ballgefühl habe und während des Spiels nicht wusste, wo ich hinlaufen musste. Trotzdem muss ich sagen, dass Svens Vater ein guter Trainer ist, der auch Spieler motivieren kann, die von Anfang nicht so gut sind.
3. Haben sich die Roten Tulpen noch mal zu kicken getroffen?
Aylin: Nein, wir hatten schon eine Überdosis Fußball. Lieber gehen wir unseren Hobbys wie Reiten, Teetrinken, Basteln und Bandenausflügen nach. Fußball ist nun wirklich nicht unser Ding, obwohl wir beim Turnier doch ganz passabel gespielt haben.
4. Ist Fianna immer noch mit Ricardo zusammen?
Aylin: Auf alle Fälle, zwischen ihnen entwickelt sich eine richtige Beziehung. Fast jeden Tag treffen sie sich nach der Schule, gehen in die Eishalle oder essen in der Pizzeria.
5. Bist du ein wenig neidisch?
Aylin: Ganz und gar nicht. Erstens bin ich nicht verliebt und kann mir nicht im Geringsten vorstellen einen Jungen zu küssen. Umso mehr freue ich mich für Fianna. Sie ist einfach meine beste Freundin und ein wundervolles Mädchen, weshalb ich ihr es gönne.
6. Habt ihr Ruhe vor Janine und Co?
Aylin: Endlich ja, aber wir mussten uns erst bei ihrem Klassenlehrer beschweren, als sie nicht aufhören wollten uns zu triezen. Am schlimmsten hatten ihre Beleidigungen Matti getroffen, die sie teilweise auf das Übelste herunter machten. Da ihr Klassenlehrer ein ziemlich harter Hund ist und kein Mobbing duldet, haben sie schnell den Schwanz eingezogen. Endlich haben die Idioten kapiert, dass sie mit uns nicht alles machen können.
7. Wisst ihr, wer den Schlüssel entwendet hat?
Aylin: Da die Polizei den Schlüssel in einem Mülleimer gefunden hat, konnten sie die Fingerabdrücke analysieren. Diese gehörten zu einem Mitspieler von Janine.
8. Gibt es auch mal ruhige Zeiten in eurer Bande?
Aylin: Klar, haben wir auch mal Zeiten, wo fast gar nichts passiert. Momentan haben wir öfter mal Bandenflaute, weil die Hälfte der Roten Tulpen inzwischen einen Freund hat. Umso treffe ich mich momentan mit Kiki und den Zwillingen, die alle noch Single sind.
9. Hat es wegen der Beziehungen schon Ärger gegeben?
Aylin: Eigentlich nicht, wir sind nicht neidisch auf unsere Freundinnen. Eher im Gegenteil, wir freuen uns darüber, dass sie ihr Glück gefunden haben. Schließlich sind wir als Bandenschwestern die besten Freundinnen auf der Welt, die man sich vorstellen kann, auch wenn wir mal nicht gleicher Meinung sind. Trotzdem akzeptieren wir jede mit ihren Stärken und Schwächen.
10. Was wirst du eigentlich in den Weihnachtsferien machen?
Aylin: Erstmal chillen und ein paar Tage zusammen mit meiner Schwester malen und Filme schauen. Ich habe für's Erste keine Lust auf Hektik und wilde Abenteuer. Vielleicht verbringen wir Silvester bei Freunden oder Verwandten.
Die Roten Tulpen zusammen auf dem Weihnachtsmarkt
Zutatenliste:
So geht’s
Nudeln in kochendem Wasser ca. 8-12 Minuten gar kochen. Schinken, Zwiebeln und Gemüse in kleine Würfel schneiden. Zwiebeln mit Öl in einer großen Pfanne anbraten und das restliche Gemüse für ca. 5 Minuten anbraten. Lauch und Knoblauchpulver hinzugeben und immer wieder umrühren. Nun die Sahne, die Nudeln und den Schinken hinzugeben. Zum Schluss könnt ihr die Nudelpfanne mit Salz, Pfeffer und Gewürzen eurer Wahl (z.B. Petersilie oder Basilikum) würzen. Alles gut verrühren und dann ist die Nudelpfanne fertig.
Guten Appetit und viel Spaß beim gemeinsamen Kochabend!
Tag der Veröffentlichung: 25.02.2015
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