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1. Ein großer Schock

Dad summte leise, als er den Wagen über die kurvige Straße lenkte. Wieder bekam ich einen meiner kräftigen Hustenanfälle. „Ist alles in Ordnung bei dir, Schatz?“, erkundigte sich Dad besorgt. „Alles im Lot“, versicherte ich ihm, obwohl die Hustenattacke immer noch die Auswirkungen meiner Grippe waren, weswegen ich die gesamte erste Schulwoche verpasst hatte. „Na, freust du dich deine Freunde wieder zu sehen?“, fragte er nach minutenlangem Schweigen. „Aber klar“, erwiderte ich mit einer großen Selbstverständlichkeit, „Schließlich habe ich Oli, Greta und co zuletzt vor knapp fünf oder sechs Wochen nicht gesehen“ „Weißt du schon, ob du etwas Spannendes verpasst hast?“, hielt Dad das Gespräch am laufen.

 

„Greta hat zwei neue Mitbewohnerinnen, zwei Cousinen, die sich dauernd in die Haare kriegen. Außerdem haben wir zwei neue Jungs in unserer Klasse, deren Namen ich wieder vergessen habe“, erzählte ich und fuhr mir durch meine halblangen rotblonden Haare, die vom Fahrtwind ganz zersaust waren. Erst vor zwei Wochen ließ ich mir meine taillenlangen Haare auf Kinnlänge abschneiden. Was meine Freunde dazu wohl sagen mochten? Schließlich kannten sie mich nur mit langen Haaren. Das Ortsschild von Riverview tauchte auf und das bedeutete, dass es nicht mehr weit war. Dad spürte, dass ich vor Freude ganz nervös wurde. „Ich merke, du kannst es kaum noch erwarten mich loszuwerden“, sagte er scherzend. „Nein, so meine ich es wiederum auch nicht. Es ist nur so, dass ich fürchterlich gespannt bin, was mich an Neuigkeiten auf mich zukommt“, schüttelte ich den Kopf, wobei mir mein halblanger Pony ins Gesicht rutschte. Manchmal konnten Kurzhaarfrisuren echt ihre Nachteile haben.

 

„Hallo Emily, bist du wieder gesund?“, begrüßte mich Miss Greene, die gerade über den Hof lief und gab mir die Hand. „Hallo Miss Greene“, erwiderte ich mit einem strahlenden Lächeln. „Ich zeige dir eben dein Zimmer“, bot sie mir an. Ich folgte ihr mit meinem schweren Koffer. „Mit wem teile ich mir dieses Jahr das Zimmer?“, fragte ich, während wir die Stufen hinauf zum Wohntrakt der Mädchen gingen. „Diesmal bist du mit Isabel-Janet und Alison auf einem Zimmer“, erwiderte sie freundlich. „Okay“, nickte ich. Insgeheim hatte ich gehofft, dass ich wieder ein Zimmer mit Oli und Rosy zusammen hatte. Gerade Oli war die beste Zimmergenossin, die man sich vorstellen konnte. Doch die Burton-Schwester mochte ich auch sehr gerne. Sie besuchten erst seit letztem Jahr Saint Malory und hatten sich nach anfänglichen Problemen gut eingelebt. Miss Greene blieb vor einer beigen Tür stehen und reichte mir den Zimmerschlüssel. „Das ist nun deiner, bitte pass gut auf ihn auf und verlier ihn bloß nicht“, bat sie mich inständig. Mit drehte Spannung steckte ich den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn um.

 

Wow, drinnen sah es beinahe aus wie eine Hotelsuite. Nur die Schreibtische passten nicht ganz in das Bild. Isa und Alison waren gerade nicht da, nur ihre Sachen lagen unsortiert auf ihren Betten und Stühlen. Mit großen Augen schaute ich mich in meinem neuen Reich um. „Bist du zufrieden?“, wollte meine Klassenlehrerin wissen, „Dieses Wohnappartement wurde erst seit neuem eingeweiht“ „Es ist einfach fantastisch!“, schwärmte ich und ließ mich auf das freie Bett hinter der Badezimmertür fallen. „Das freut mich“, lächelte Miss Greene, „Ich lasse dich in Ruhe deine Sache einräumen, um sieben Uhr gibt es Abendbrot“ Während ich meine Kleidung und meine Schulsachen in die Schubbladen einsortierte, hörte ich Musik über meinen MP3-Player. Auf einmal wunderte ich mich, wieso mir keiner von meinen Freundinnen mir mitgeteilt hatte, wem ich auf einem Zimmer war. Ach ja, wo waren eigentlich meine ganze Freundinnen? Seit ich vor einer halben Stunde angekommen war, fehlte von ihnen jede Spur. Da es kurz nach sechs war, machte es keinen Sinn sie auf dem Internatsgelände suchen zu gehen. Ich beschloss mich auf einen Stuhl zu setzen und nach draußen zu gucken. Draußen grasten einige Pferde in der Abendsonne auf den Koppeln.

 

Angestrengt suchten meine Augen nach Hermine. Doch nirgendwo war sie zu sehen. „Vielleicht war sie auch im Stall“, fiel mir ein. Auf einmal hörte ich, wie der Schlüssel sich in der Tür drehte. „Hey Emmi, du bist wieder da?“, rief Isabel-Janet außer sich und umarmte mich von unten. Ich sprang ebenfalls auf, um meine Freundin zu umarmen. „Was ist hier los?“, blieb Alison mit einem irritierten Gesichtsausdruck unter dem Türrahmen stehen. „Hurra, Emily ist wieder da!“, jubelte Isa. „Das ist super!“, freute sich Alison und warf überschwänglich ihre flammendrote Mähne in den Nacken. „Bist du wieder auf dem Dampfer, Emily?“, fragte sie mich, nachdem sie mich vor Freude fast erdrückt hatte. „Mir geht so gut wie seit langem nicht mehr“, versicherte ich ihr und bekam kurz darauf eine heftige Niesattacke. „Aha, das sieht man“, bemerkte Alison ironisch.

 

Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum liefen wir Oli, Greta und Rosy auf dem Flur über den Weg. Es gab ein großes Hallo. „Wir haben dich unglaublich vermisst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was sich alles geändert hat. Auf jeden Fall gibt es viel zu erzählen“, legte Oli los und hakte sich bei mir unter. „Oli, verschieß doch nicht dein ganzes Pulver zu Anfang“, bremste Rosy sie, „Lass uns erstmal in Frieden Abendbrot essen und danach können wir uns in aller Ruhe noch unterhalten“ „Wie sind eigentlich deine neuen Mitbewohnerinnen?“, wandte ich mich an Greta. „Sie sind auf jeden Fall das geringere Übel als Samantha, aber sie lassen keine Gelegenheit aus, um sich zu zoffen“, erzählte sie. Im Gemeinschaftsraum herrschte Hochbetrieb wie in einem Bienenstock. Neue und alte Schulkameraden liefen mit ihren Tabletts durcheinander und versuchten im Gewirr ihre Plätze zu finden.

 

„Hey, hast du den Kampf gegen die Viren gewonnen?“, klopfte mir Alex von hinten auf die Schulter, sodass ich vor Schreck um ein Haar mein Tablett fallen ließ. „Sieht man nicht, dass es mir wieder blendend geht?“, erwiderte ich, worauf ich wieder anfing zu husten. „Meinst du wirklich, dass du wieder richtig fit bist?“, schaute mich mein Kumpel skeptisch an. „Komm, bei uns ist noch ein Platz frei“, zog Oli mich mit sich. Hungrig biss ich in mein Salamisandwich. Bestimmt hatte ich fünf oder sechs Stunden lang nichts mehr gegessen. „Was hast du mit deinen schönen langen Haaren gemacht?“, Rosy fiel es als erste von meiner Clique auf, dass ich eine neue Frisur hatte. „Ich habe sie mir vor wenigen Wochen von einem Londoner In-Frisör schneiden lassen“, erwiderte ich. „Deine schönen roten Haare! Dafür hätte ich mir die Finger abgehakt“, ein Hauch von Neid schwang in Gretas Stimme mit. „Wenn magst können wir gerne tauschen“, bot ich ihr an, „Dann kriege ich deine tollen Locken“ „Ach so toll sind die auch nicht“, murmelte meine Freundin.

 

„Hey, habt ihr Lust gleich mit zu den Pferden zu gehen? Schließlich habe ich Hermine gefühlte hundert Jahre nicht mehr gesehen“, wechselte ich das Gesprächsthema. „Ich muss dir etwas sagen“, kam Rosy nah an mich heran. Offenbar wollte sie mir etwas Unangenehmes sagen, sonst würde sie nicht versteift neben mir sitzen. „Hermine wurde vor drei Wochen an eine englische Nachwuchsreiterin in Cornwall verkauft“, fuhr Rosy mit gedämpfter Stimme. Ich glaubte mich verhört zu haben. „Machst du Scherze?“, warf ich meiner Freundin einen ungläubigen Blick zu. „Nein, das ist wahr“, meinte Oli, „Eine Ex-Schülerin, die früher Saint Malory besucht hatte, hat eine halbe Million Euro für Hermine geboten“ In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. „Das kann doch nicht wahr sein!“, hauchte ich ohnmächtig und spürte die erste Träne über meine Wange laufen. „Ich kann mir vorstellen, dass es ein großer Schock für dich ist“, tröstete mich Greta.

 

Draußen ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Seit Moms Tod hatte ich mich nicht mehr so leer gefühlt wie jetzt. Hermine und ich waren in den letzten beiden Jahren Seelenverwandte gewesen und wir verstanden uns blind. Dass sie nun ohne Vorwarnung aus meinem Leben verschwand, traf mich wie ein derber Schlag. „Warum musste es ausgerechnet mein Lieblingspferd treffen und warum wusste ich nichts davon?“, sagte ich schluchzend. Zwei meiner Freundinnen hockten sich neben mich auf die Bank und nahmen mich in den Arm. „Wir wussten es vom ersten Schultag an, aber wir hatten Bedenken, dass du nicht mehr wiederkommst, wenn du es schon gewusst hättest“, meinte Oli. „Außerdem wird sich bestimmt ein anderes Pferd finden, welches zu dir passt“, klopfte mir Alison aufmunternd auf die Schulter. „Ich weiß nicht“, antworte ich matt und wischte mit dem Handrücken über mein Gesicht.

 

Mir leuchtete sofort ein, dass das dritte Jahr ganz anders werden würde, als das erste und das zweite Jahr. Fintan war nun für ein Jahr in Amerika, May lebte in Singapur und Hermine war weg. „Hat dir Fintan eigentlich wieder geschrieben?“, versuchte mich Oli auf ein anderes Thema zu bringen. „Nur einmal, als er mit seiner Großmutter New York besucht hatte, aber danach nicht mehr“, erwiderte ich mit belegter Stimme. „Hält der Idiot es nicht für nötig dir zu schreiben?“, sagte Greta kopfschüttelnd. „Nein, er hat auf meine letzte Nachricht nicht geantwortet“, murmelte ich und starrte geistesabwesend auf den Kies. „Na, der wird noch sein Fett wegkriegen, dass er einfach seine Beinahe-Wieder-Freundin einfach ignoriert“, drohte Greta. „Vielleicht hat er in Amerika ein fesches Cheerleadergirl gedatet. Wir ihr bereits wissen müsstet, geht so etwas bei den Amis ruckzuck“, stellte Oli eine erste Vermutung an. „Kann gut sein, dass er dich mit so einer Barbie betrogen hat“, setzte Greta obendrauf. Bei dem Gedanken, dass mein Ex-Freund wieder vergeben sein konnte, stiegen mir wieder Tränen in die Augen. „Hört auf so einen Blödsinn zu erzählen!“, ging Rosy dazwischen. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. „Was haltet ihr davon, wenn wir ein Tröste-Picknick machen?“, schlug Isa vor. „Wir haben noch ein paar Muffins und Süßigkeiten auf unserem Zimmer“, fügte Alison hinzu. „Gute Idee! Ich gehe ins Haus und koche eine Kanne Hibiskustee“, rief Rosy.

 

Nun liefen alle meine Freundinnen los, um etwas aus ihren Zimmern zu holen. Ich blieb alleine zurück. Nach und nach trafen sie mit Tee, Gebäck und Schokolade wieder auf. „Wollen wir nicht in den Wald gehen?“, schlug Oli vor, „Hier vor dem Haus ist es kein richtiges Picknick“ „Ich habe keine große Lust an diesem Abend weit zu laufen“, schüttelte Rosy den Kopf. „Dann lass uns doch wenigstens zu den Koppeln gehen“, versuchte Greta sie zu überzeugen. Somit war Rosy überredet. Das Gras war zum Glück trocken, sodass wir uns ohne Probleme auf den Boden setzen und das Picknick in Ruhe genießen konnten. „Hat Miss Hanson schon gesagt, welches Pferd ich in Zukunft reiten soll?“, fragte ich. „Keine Ahnung, davon hat sie während der ersten beiden Trainingseinheiten nichts gesagt“, zuckte Oli mit der Schulter. „Auf jeden Fall ist bekannt, dass es zwei Pferde gibt“, wusste Rosy. „Wie heißen sie?“, wollte ich wissen. „Die Namen sind uns noch nicht bekannt“, erwiderte Alison.

 

Mitten in der Nacht wachte ich in Schweiß gebadet auf, nachdem ich von einem Ausritt mit Hermine geträumt hatte. Ein wenig Mondlicht, welches durch die seidenen Vorhänge drang, warf sein mattes Licht auf meinen Nachttisch, auf dem ein Bilderrahmen stand. Immerhin war es so hell, dass ich Hermine auf dem Bild erkennen konnte. In mir braute sich eine unfassbare Wut zusammen. Wieso geschah der Verkauf von meinem Lieblingspferd hinter meinem Rücken? Warum hatte man mich nicht informiert? Vor den Sommerferien waren noch keine Interessenten da gewesen, die sich für Hermine interessiert haben. Warum tauchte der Käufer aus dem Nichts auf? Vielleicht wusste Sandrina mehr als ich, deshalb wollte ich sie morgen fragen. Schließlich schaute sie in den Ferien öfter nach dem Rechten und kümmerte sich um unsere geliebten Vierbeiner. Wieder machte sich Kummer in mir breit. In diesem Moment konnte ich echt gut, einen Gesprächspartner gebrauchen, doch gleichzeitig wollte ich meine Zimmergenossinnen nicht aus dem Schlaf holen. Einen Moment spielte ich mit den Gedanken Fintan eine SMS zu schicken oder ihn anzurufen, denn in Amerika musste es gerade später Abend sein. Doch ich ließ es sein, aus Angst, dass er mich wieder ignorierte.

2. Herzklopfen

 

Am nächsten Morgen stand ich bereits um sechs auf, obwohl ich noch eine Stunde hätte schlafen können, doch eine beständige innere Unruhe hinderte mich daran. Ich beschloss eine Runde laufen zu gehen und zog mir meinen Trainingsanzug an. Schließlich standen Fitness und Kondition in Saint Malory an oberster Stelle. Außerdem weckte Frühsport bekanntlich die Lebensgeister und trug zur besseren Konzentration bei. Isa und Alison schnurchelten immer noch leise vor sich hin. Auf leisen Sohlen schlich mich davon. Draußen fingen die Vögel an zu zwitschern und das war ein Zeichen, dass es wurde langsam hell. Auf dem Flur konnte ich es aus einem Zimmer schnarchen hören. Gott sei dank musste ich mir mit niemanden ein Zimmer teilen, der während der Nacht so höllisch laut sägte.

 

Vorsichtig stieß ich die Haustür auf und sog die frische Morgenluft tief ein. Eine schwarze Katze lauerte hinter einer Mülltonne und sprang ohne Vorwarnung aus ihrem Versteck hervor, sodass mein Herz vor Schreck beinahe stehen blieb. Im Takt zur Musik des MP3-Players setzte ich einen Fuß vor den anderen. Nach ein paar hundert Metern kam ich mir eingerostet vor, wie eh und je. Zugebender Weise war ich wirklich aus dem Training und das nicht nur wegen meiner Grippe. Um ehrlich zu sein, habe ich während der Ferien kein wenig Sport gemacht. Aber warum auch? Schließlich gab es auf einem Reit- und Sportinternat keinen Tag ohne Bewegung, körperliche Anstrengung und Schweiß. Daher musste man jede Gelegenheit zur Entspannung ausnutzen.

 

Es ging entlang der Koppeln in Richtung Wald. Verträumt warf einen Blick auf die nebelverhängten Koppeln und merkte nicht, wie ich plötzlich mit einer Person zusammen stieß. „Hoppla!“, entfuhr es mir überrascht, als ich mich im feuchten Gras wieder fand. „Alles okay?“, hörte ich eine Stimme über mir. Immer noch verwirrt richtete ich mich auf. Mein Blick fiel zuerst auf die kräftigen Beine der Person, mit der ich zusammen geprallt war. „Bist du dir sicher, dass du dich nicht verletzt hast?“, beugte sich ein Junge mit halblangen weißblonden Haaren zu mir runter. Mir fielen sofort seine leuchtend hellblauen Augen und sein hübsches Gesicht auf. Mein Herz begann schneller zu schlagen und meine Knie wurden weich wie Wackelpudding. Der fremde Junge griff kurzerhand meine Hand und half mir auf die Beine. Vor lauter Herzklopfen brachte ich nur ein knappes „Danke“ über meine Lippen.

 

„Bist du eine neue Schülerin?“, fragte er nach einer Weile, als wir nebeneinander her liefen. „Nein, ich besuche seit mehr als zwei Jahren Saint Malory“, fasste ich einen ersten klaren Gedanken. „Ich heiße Fredderik Halmstad, bin achtzehn Jahre alt und gehe in die dritte Klasse von Miss Greene“, stellte er sich. Was für ein Zufall! „Dann musst du neu sein“, sagte ich. „Das bin ich auch“, nickte er, „Noch kenne ich nicht sehr viele Mitschüler, aber Alex und Shane sind sehr freundlich, mit ihnen teile ich mir ein Zimmer“ Mir fiel auf, dass er einen leichten Akzent hatte. „Aus welchem Land kommst du?“, fragte ich. „Aus Norwegen“, antwortete mein neuer Mitschüler, „Ich bin nämlich in einem Dorf in der Nähe von Oslo groß geworden“ Fredderik schien ein freundlicher aufgeschlossener Junge zu sein, er erzählte mir auf dem Rückweg, dass er mit Pferden groß geworden war und Reiten lernte, bevor er laufen konnte. Mist, vor lauter Schmetterlinge im Bauch hatte ich mich vergessen vorstellen. Es war mir schon etwas peinlich, als er mich nach meinem Namen fragte. „Ich bin Emily Dean und bin vor einem halben Jahr achtzehn geworden“, stellte ich mich kurz vor. „Wo kommst du her? Etwa aus der Umgebung?“, wollte Fredderik wissen. „Nein, ich wohne mit Dad in London“, erwiderte ich. Auf einer Bank am Waldrand verweilten wir eine Weile. „Welche Disziplin reitest du eigentlich?“, wollte er wissen. „Springen“, erwiderte er knapp. „Cool, genau das ist auch meine Disziplin“, entfuhr es mir mit leuchtenden Augen.

 

„Ich habe sogar mein eigenes Pferd, es heißt Flower. Sie gehört mir seitdem ich dreizehn bin. Doch leider konnte ich sie von Norwegen aus nicht mit hier her nehmen. In den ersten Trainingseinheiten bin ich Shamprock geritten “, erzählte er weiter. Shamprock? Diesen Namen hatte ich zuvor noch nie gehört. „Ist Shamprock ein neues Pferd?“, hakte ich nach. „Keine Ahnung, das musst du eine andere Person fragen?“, zuckte er mit der Schulter. Anschließend kamen wir auf den Sport zu sprechen. „In welcher Schulmannschaft bist du?“, fragte er mich. „Ich spiele Hockey und du?“, erwiderte ich. „Ich habe mich für Tennis und Fußball eingetragen, somit habe ich an fünf Tagen sportliches Programm in der Woche. Aber das bin ich durchaus gewohnt. In Norwegen bin ich jeden Tag mit dem Fahrrad dreißig Kilometer zur Schule gefahren und wieder zurück. Lag Schnee, habe ich die Strecke mit Langlaufskiern absolviert. Von daher bin ich körperliche Anstrengungen gewohnt“, erzählte er mit einem verschmitzten Grinsen.  

 

Mist, wir hatten die Zeit vergessen! Nach einem Spurt über Stock und Stein, kamen wir laut der Uhr gerade noch pünktlich. Fredderik und ich stürmten außer Atem den Gemeinschaftsraum und suchten uns die letzten freien Plätze. Zum Glück konnte ich mich zu meinen Freundinnen an den Tisch setzen, dazu musste ich mich zwischen Alison und Oli quetschen. „Wo kommst du denn her? Außerdem wie hast du Fredderik aufgegabelt?“, entfuhr es Oli mit einem überraschten Gesichtsausdruck. „Ich war nur eine Runde laufen“, antwortete ich knapp, während ich mir mein Brötchen mit Salami belegte. „Aber wieso ausgerechnet mit Fredderik?“, hakte meine beste Freundin nach. „Ich bin ihm vor die Füße gefallen“, erzählte ich. Greta und Alison warfen sich verdächtige Blicke zu und zogen die Augenbrauen hoch. „Aber natürlich aus Zufall“, ergänzte ich schnell. „Na, da wird aber eine aber ganz schnell rot! Bahnt sich da etwa wieder eine Romanze an?“, fing Oli an zu sticheln. Noch bevor sie etwas sagen konnte, schnappte ich mir einen Salzstreuer und hielt ihn über ihren Kakao. „Bah, lass das!“, kreischte sie und versuchte meine Hand weg zu schlagen. „Das kommt davon, wenn dein Mundwerk nicht zügeln kannst“, grinste ich hämisch und versalzte auch ihr Müsli. „Emily, du bist schlimmer als jede Mückenplage!“, beklagte sich Oli. „Na gut, ich höre schon auf“, gab ich nach und lächelte zuckersüß, „Aber nur, wenn du deine Worte zurück nimmst“ „Entschuldigung, das habe ich nicht so gemeint“, murmelte sie leise und brachte ihr Tablett weg. „Jetzt hast du sie vergrault, wie gemein von dir!“, bemerkte Isa leise. „Aber zurrecht, schließlich muss jede spitze Zunge irgendwann mal etwas Salziges zu spüren kriegen“, meinte Rosy grinsend. Auf einmal viel mir ein, dass Fredderik vorhin von Shamprock gesprochen hatte.

 

„Ist Shamprock eines der neuen Pferde?“, wechselte ich das Gesprächsthema. „Shamprock? Woher hast du den Namen?“, sah mich Alison neugierig an. „Fredderik hat mir erzählt, dass er ihn schon zweimal geritten ist“, erwiderte ich. „Mir ist es jedenfalls nicht bewusst, dass es hier ein Pferd mit diesem Namen gibt. Frag am besten gleich Sandrina“, meinte Isa, „Sie kennt sich mit den Pferden am besten aus“ Oli kam mit einem neuen Tablett zurück und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Kurz darauf unterhielten sich meine Freundinnen über ihre neuen Zimmernachbarinnen. „Ich hatte heute Nacht großes Glück, dass Rachel ausnahmsweise nicht geschnarcht hat“, erzählte Rosy. „Ist sie wirklich so eine schlimme Schnarcherin?“, wollte Isa wissen. „Oh ja, ich bin in den letzten Nächten mehrmals davon aufgewacht“, nickte Rosy. „Zwar habe ich keine Schnarcherinnen in meinem Zimmer, aber Darcy und Stefanie regen sich jetzt schon über meine Unordnung auf. Ansonsten sind sie total okay“, mischte sich Oli in unser Gespräch ein.  „Kann ich mir vorstellen. So oft wie deine Socken unter dem Bett verschwanden und deine Handtücher auf dem feuchten Badezimmerboden lagen“, grinste Rosy. Ich konnte ihr nur zustimmen, Oli war wirklich eine liebenswerte Chaotin, doch auf der anderen Seite hatten wir unseren Spaß mit ihr.

 

Sandrina wartete bereits auf dem Hof auf uns. Fröhlich lief sie auf mich zu und umarmte mich fest. Ich musste mir Mühe geben, um sie nicht mit all meinen Fragen auf einmal zu bombardieren. „Hermines Verkauf ging sehr schnell über die Bühne. Zuerst kamen ein junges Mädchen und ihr Vater. Sie baten mich, Hermine auf dem Reitplatz vorzuführen. Jessica hat Hermine gut gefallen und sie wollte sie danach Probe reiten. Drei Tage später kamen sie wieder und kauften sie“, erzählte meine Freundin. Shane und Tom liefen an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Sandrina drehte ihnen den Rücken zu. Merkwürdig, was spielte sich da nur ab? „Was ist los?“, stupste Greta sie an. „Ach stimmt, ich habe euch noch gar nicht erzählt, dass ich vor drei Wochen mit Shane Schluss gemacht habe“, wisperte Sandrina. „Wie kommt das denn auf einmal? Ich dachte, ihr seid das Paar von Saint Malory schlechthin“, Olis Augen wurden ganz groß.

 

„Ich hätte auch gedacht, dass ihr sehr gut zusammen passt“, meinte Isa. „Das tut mir leid für dich“, Rosy legte ihr den Arm um die Schulter. „Warum erzählst du es uns erst jetzt?“, brach es vorlaut aus Oli raus, wofür sie von Alison einen Rippenstoß kassierte. „Glaubst du, dass ich das an die große Glocke hänge? Nachher weiß es die ganze Schule und alle tratschen darüber, ganz besonders Arabella und die anderen Zicken, die bestimmt immer noch scharf auf ihn sind“, erwiderte Sandrina entrüstet. „Wie ist es passiert?“, fragte ich vorsichtig nach. Sandrina seufzte kurz, bevor sie zu erzählen begann. „Ich habe mit Shane meine Großeltern in Italien besucht, zuerst war es prima, doch dann gerieten wir wegen jeder Kleinigkeit aneinander. Besser gesagt, Shane geriet mit meinem Cousin Paolo aneinander. Er war eifersüchtig, dass Paolo viel Zeit mit mir verbrachte. Als er mich auf seinem Motorrad mit auf den Markt genommen hatte, wusste Shane davon nichts und es kam zu dem ersten handfesten Streit. Zwar konnten wir den Streit schnell beilegen, doch Shane war mir gegenüber ziemlich misstrauisch geworden und machte immer wieder herablassende Kommentare über mich. Als wir Shane am vorletzten Abend aus Versehen in einem Restaurant vergessen haben, weil er auf Toilette war, geriet er dermaßen in Rage, dass er auf der Stelle mit mir Schluss machte“, erzählte Sandrina. „Ich finde es sehr hart, wegen sowas Schluss zu machen“, meinte Rosy. „Du unterschätzt da aber das italienische Machogehabe“, entgegnete ihr Sandrina, „Paolo und seine beiden Kumpel haben mich sehr vereinnahmt, das muss ich zugeben. Shane hat sich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt und er hat mir vorgeworfen, dass ich auf Paolos Seite stehe“ „Hat er dir keine zweite Chance gegeben?“, hakte ich nach. „Nein, er hat mir gesagt, dass es endgültig vorbei ist. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie fürchterlich der Rückflug war, wir haben kein Wort miteinander gesprochen und sind unseren Blicken ausgewichen“, fuhr Sandrina fort.

 

In den ersten beiden Stunden hatten wir gleich Französisch. Schnell wurde mir klar, wie sehr mein Französisch in den Ferien eingerostet war. Vor allem die unregelmäßigen Verben wollten mir nicht mehr einfallen. Zudem fiel mein Blick immer wieder auf Fredderik, der eine Reihe vor mir saß. Sein Anblick brachte mein Herz zum schmelzen. „Fais Attention, Emily!“, riss mich Madame Noire aus meinen Träumereien. „Wie bitte? Könnten Sie bitte wiederholen, was Sie gerade gesagt haben?“, erwiderte ich neben mir stehend. „Manchmal wäre es doch besser meinen Worten zu lauschen, als die ganze Zeit auf eine bestimmte Person zu starren“, kniff die Französischlehrerin ihre Augen zusammen. Wie peinlich! Die Dame mit ihren Adleraugen hatte mich erwischt und es offen vor der ganzen Klasse ausgeplaudert. Einige meiner Mitschüler kicherten hinter vorgehaltenen Händen und tauschten untereinander verdächtige Blicke aus.

 

Doch Fredderik saß aufrecht mit einem Blick nach vorne gerichtet auf seinem Stuhl. „Emily, könntest du bitte weiter lesen?“, bat Mme Noire. Mist, ich hatte nicht mitbekommen, wo wir gerade stehen geblieben waren. „Hier!“, meine Sitznachbarin Stefanie zeigte mir freundlicherweise die Stelle. Stotternd und mit grottiger Aussprache begann ich den folgenden Abschnitt vorzulesen. „Bitte, fang von vorne an und achte bitteschön auf deine Betonung“, sagte die Lehrerin pikiert. Mir entging ihr grimmiger Blick nicht. Na super, besser konnte das Schuljahr nicht beginnen! Ich holte tief Luft. Bereits nach dem dritten Wort wurde ich korrigiert. „Deine Aussprache ist wirklich verbesserungswürdig“, meinte sie, nachdem zuende gelesen hatte.

 

3. Zwei zerstrittene Cousinen

Bei meinem ersten Springtraining lernte ich Lucy und Jennifer, die neuen Zimmergenossinnen von Greta kennen. „Das nächste Mal säubere ich die Stallgasse nicht für dich!“, blaffte Jennifer ihre Cousine an. „Ich konnte nichts dafür, mein Nagellack musste noch trocknen“, verteidigte sich Lucy. „Haha, dafür lässt du uns hängen! Ich bin leider so freundlich und bringe dir das Halfter mit, während du dir einen faulen Lenz machst!“, fauchte Jennifer und warf Lucy ihr Halfter vor die Füße. „Ich konnte wirklich nicht anders, aber mir ist der Nagellack an vielen Stellen abgebrochen“, rechtfertigte sich Lucy. „Du dumme eitle Gans!“, bemerkte Jennifer verächtlich. „Es ging wirklich nicht anders“, klang Lucys Stimme nun weinerlich.

 

„Müsst ihr euch wegen jedem Pups streiten?“, mischte sich eine Viertklässlerin ein. „Das geht jeden Tag so und manchmal zicken sie sich sogar im Unterricht an“, flüsterte mir Greta ins Ohr, die gerade Milly für das Vielseitigkeitstraining sattelte. „Sie sind wirklich unterschiedlich wie Tag und Nacht“, stellte ich fest. „Gerade das ist der Grund für ihre ständigen Auseinandersetzungen“, meinte Greta, „Jenny ist die Burschikose und ein wahres Cowgirl, während Lucy ein kleines Modepüppchen ist und nah am Wasser gebaut hat“ Es stimmte wirklich, dass die beiden Mädchen sehr verschieden waren. Jenny hatte glattes kinnlanges glattes haselnussbraunes Haar und bernsteinfarbene Augen. Zudem war sie groß und kräftig. Lucy hingegen war fast einen Kopf kleiner als ihre Cousine und hatte eine zierliche Statur. Ihr dunkles langes, fast schwarzes Haar trug sie in einem koketten Seitenscheitel und ihre blauen Augen bildeten einen starken Kontrast zu ihren Haaren.

 

Miss Hanson teilte mir Cleo zu. „Sei nicht zu ungeduldig mit ihr, sie ist noch ziemlich jung und ganz neu hier“, gab mir meine Trainerin auf den Weg. Sanft berührte ich die Stute an den Nüstern. Bereits als ein Spatz über ihren Kopf hinweg flog, sie riss sie hektisch ihren Kopf nach oben. „Ganz ruhig, dir passiert nichts“, redete ich beruhigend auf das Pferd ein. Auch das Satteln gestaltete sich als komplizierte Aufgabe. Cleo schlug nach hinten aus und warf einen vollen Wassereimer um. „Hey, hast du dein Pferd nicht unter Kontrolle? Das ist total gefährlich!“, warf mir Lucy an den Kopf, mit der ich zuvor kein Wort geredet hatte. „Was kann ich denn dafür, dass mein Pferd so reagiert?“, fuhr ich das neue Mädchen patzig von der Seite an. Gerade als ihr eine schnippische Bemerkung auf der Lippe lag, kam mir Jennifer zur Hilfe. „Lucy, gib nicht überall deinen Senf dazu“, sagte Jennifer genervt.

 

Wieder versuchte ich den Sattel auf Cleos Rücken zu haben, aber diesmal ganz langsam. Cleo scherte wieder nach hinten aus. Resigniert schüttelte ich den Kopf und starrte auf den Boden. „Wenn du willst, kann ich das gerne für mich tun“, bot mir Jennifer an. „Vielen Dank!“, erwiderte ich erleichtert, während ich weiterhin Cleo beruhigte und sie den Sattel auf Rücken des Pferdes hievte. Cleo erwies sich als echte Herausforderung für mich. Obwohl ich seit vierzehn Jahren ritt, kam ich mir so unsicher wie ein Anfänger vor. „Du musst die Zügel kürzer fassen“, gab mir Miss Hanson den Tipp. Wieder brach Cleo zur Seite aus, als das Gatter krachend ins Schloss fiel. „Ich werde aus diesem Pferd nicht klug“, sagte ich zu Sandrina. „Du musst nur Geduld haben, ein Pferd ist eben ein Tier und keine Maschine“, meinte meine Freundin. „Seht mal, wie Emily heute reitet“, lästerte Arabella halblaut hinter meinem Rücken ab. „Man könnte echt meinen, sie hätte erst zehn Reitstunden gehabt“, pflichtete ihr ihre beste Freundin Stella bei. „Die Meinung von euch interessieren mich sowieso nicht“, gab ich es den Zicken zurück. Nach der Reitstunde gab mir Miss Hanson die Chance den Parcour erneut zu reiten. „Du darfst sie nicht so hart antreiben, darauf reagiert Cleo empfindlich“, gab sie mir auf den Weg.

 

„Ja, ich weiß“, erwiderte ich und versuchte nicht genervt zu klingen. Immerhin ritt ich fast mein Leben lang und daher reagierte ich auf ständige Ratschläge inzwischen ziemlich gereizt. Es war eine Erleichterung, dass mir nun keiner von meinen Mitschülern mehr zuguckte. Ich lockerte die Zügel ein wenig, sodass sie trotzdem noch straff genug waren und drückte gefühlsvoll meine Waden in ihre Seite. Wenigstens setzte sich Cleo ruhig und gleichmäßig in Bewegung, ohne Sperenzien zu machen. „So machst du das richtig“, nickte meine Reittrainerin, „Cleo spürt, dass du viel ruhiger bist und das überträgt sich auch auf sie“ Diesmal klappte sogar das Angaloppieren und die ersten Sprünge. Vor dem letzten Hindernis sprang eine schwarze Katze vom Zaun und lief Cleo direkt vor die Füße. Panisch riss die Stute die Augen auf, wieherte laut und buckelte wie beim Rodeo. Ich war darauf nicht gefasst und flog in den Sand. „Alles okay, Emily?“, hörte ich Miss Hansons besorgte Stimme. „Ich glaube schon erwiderte ich langsam und rappelte mich benommen wieder auf. „Was für ein Glück, dass du laufen kannst und dich sonst nicht heftiger verletzt hast“, atmete sie erleichtert auf. Ich war immer noch ein wenig geschockt, bis auf eine schmerzende Schulter, bin ich zum Glück von weiteren Verletzungen verschont geblieben.

 

Kaum hatte ich mich auf mein Zimmer zurückgezogen, um meine Hausaufgaben für Geschichte zu machen, klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief ich laut und zog das Wort übertrieben in die Länge. „Hey, ich bin’s!“, streckte Greta ihren Kopf ins Zimmer herein. „Was gibt es?“, wollte ich wissen. „Ich habe eine SMS von Sandrina bekommen, sie lädt uns in die Eisdiele ein, weil sie ihren Geburtstag nachfeiern will“, berichtete meine Freundin. „Ausgerechnet jetzt? Ich muss doch meine Gesichtshausarbeit bis morgen fertig haben“, erwiderte ich genervt. „Doch nicht jetzt“, meinte sie, „Wir treffen uns direkt nach dem Abendessen und dann gehen wir gemeinsam los. Sandrina wartet in der Eisdiele auf uns. Außerdem darf ich Lucy und Jennifer mitbringen“

 

„Hat Sandrina sie auch eingeladen?“, fragte ich. „Nein, ich habe sie gefragt, ob ich meine neuen Zimmergenossinnen mitbringen darf, aber Sandrina hat nichts dagegen“, antwortete Greta, „Es ist so, dass sie noch keine richtigen Freundinnen gefunden haben und in unserer Klasse außen vor sind. Ich will ihnen helfen, dass sie sich besser einleben“ Konzentriert saß ich über meiner Hausarbeit und dachte angestrengt über jeden Satz, den ich zu Papier brachte. Greta merkte schnell, dass ich ihr nicht mehr zuhörte und huschte auf leisen Sohlen aus dem Zimmer. Nach einer halben Stunde knallte ich meinen Stift auf meinen Schreibtisch. „Warum muss ich mir durch so eine doofe Hausarbeit den ganzen Nachmittag verderben?“, fluchte ich leise. Meine Konzentrationen war sowieso seit einigen Minuten futsch. Um mich abzulenken, fuhr ich meinen Laptop ein. Als ich mich einloggte, tauchten zwei neue Nachrichten auf: eine von Jill und eine von Fintan. Es war ein Wunder, dass er sich nach Wochen wieder bei mir meldete.

 

Hey Emily J!

Wie geht es dir und deinen Freunden? Hier in Amerika gefällt es mir super. Meine Gastfamilie ist der Hammer, mit meinen neuen Mitschülern verstehe ich mich prima und das tägliche Fußballtraining macht mir Spaß. Erst letzten haben wir an einem großen Turnier teilgenommen. Wir sind zwar nur Vierter geworden, aber ich wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt und wurde einem Matthew O’Hara, einem irischstämmigen Talentscout angesprochen. Du wirst es nicht glauben, er will mich mit dem Trainer von der Juniorennationalmannschaft vertraut machen und das wäre meine Chance! Es wäre der größte Traum überhaupt, in der Nationalmannschaft zu spielen. Doch bis dahin muss ich am Ball bleiben und hart trainieren. Morgen steht der Spätsommerball vor der Tür. Ein passendes Outfit und eine Tanzpartnerin habe ich auch. Erst letzte Woche hat Mary mich gefragt, ob ich mit ihr dort hingehen möchte und ich habe bejaht. Bitte verstehe mich nicht falsch, ich mag sie zwar, aber ich bin nicht mit ihr zusammen. Denn du bist meine richtige Liebe, die ich momentan manchmal sehr vermisse. Halt die Ohren steif und grüße alle meine Kameraden von mir!

Liebe Grüße, dein Fintan!

PS: Ich werde an Weihnachten doch nicht kommen, da ein Flugticket über 1000€ kostet L

 

Nach dem Abendessen trafen wir uns vor den Fahrradständern. „Erzähl schon, was hast du zu verbergen?“, stupste mich Oli an. „Nichts Konkretes“, versuchte ich sie abzuwimmeln. „Na komm schon, jeder sieht, dass du ein knallrotes Gesicht hast“, hakte meine beste Freundin nach. „Es sieht aus, als ob du gleich entweder vor Freude oder Aufregung platzt“, meinte Greta. „Na gut, ich erzähle es euch“, gab ich nach. „Schieß los!“, forderte Alison. „Ich habe eine Nachricht von Fintan bekommen“, begann ich. „Uhhh!“, machten Oli, Greta und Isa gleichzeitig. „Erstaunlich, dass er sich wieder bei dir meldet“, meinte Greta. „Wobei wir schon gedacht haben, dass er das Kapitel mit dir abgeschlossen hat“, vollendete Oli ihren Satz. „Da habt ihr euch aber gewaltig geirrt“, konterte ich mit einem breiten Grinsen. „Hey Mädels, trödelt hier nicht rum!“, drängte Rosy zum Aufbruch.

 

„Ich hätte gar nicht für möglich gehalten, dass wir heute überhaupt noch hier wegkommen“, gab Lucy einen schnippischen Kommentar von sich, wofür sie von ihrer Cousine einen seichten Tritt gegen das Wadenbein kassierte. Tränen sammelten sich in Lucys hellblauen Augen. „Ich habe doch gar nichts Schlimmes gesagt“, jammernd rieb sie sich ihr schmerzendes Bein. „Aber es gibt hier wirklich niemanden, der scharf auf deine zickigen Bemerkungen ist“, verdrehte Jennifer die Augen. „Deine Cousine ist wirklich merkwürdig“, flüsterte Oli dem neuen Mädchen ins Ohr, „Bestimmt versteht sie sich blendend mit Arabella“ „Aber sicher!“, nickte Jennifer gequält, „Schlimm, wie sich Lucy bei den Zicken einschleimt und Extradienste übernimmt. Tja, man hat nicht überall so eine treudoofe Dienerin“ „Hey, wollen wir nicht langsam fahren, sonst ist nachher das ganze Eis ausverkauft“, machte Rosy den Mädchen Dampf.

 

Rosys scherzhaft gemeinte Drohung fruchtete tatsächlich. Oli, Greta, Alison und Jennifer traten besonders schnell in die Pedale und hängten uns an der ersten Anhöhe ab. „Müssen die immer so einen Rennen fahren?“, keuchte Rosy. „Was denkst du denn, sie haben Angst, dass sonst kein Eis mehr gibt“, witzelte ich. „Ich kann nicht mehr und außerdem habe ich eine Fliege im Auge“, jammerte Lucy. „Sollen wir anhalten?“, fragte Isa. „Das wäre nett“, sagte Lucy. „Ist es wirklich so schlimm?“, hakte ich nach. „Ja, es geht schon wieder“, versicherte sie uns. „Dann können wir weiter fahren“, meinte Rosy. „Aber bitte ich nicht so schnell“, zeterte Lucy. „Was verstehst du unter schnell? Wir fahren gerade ganz gemütlich“, schwang ein spöttischer Unterton in meiner Stimme mit. „Außerdem kommen wir nicht vor Mitternacht an, wenn wir dein Tempo fahren, Lucy“, ergänzte Isa. Beleidigt presste Lucy ihre Lippen aufeinander. „Spart euch eure dummen Kommentare“, raunte Rosy mir und Isa zu.

 

„Na, habt ihr es doch noch geschafft?“, spottete Alison bei unserer Ankunft. „Ich dachte, ihr seid auf der halben Strecke wieder umgekehrt“, fügte Oli mit einem frechen Grinsen hinzu. „Na, euch werde es noch zeigen!“, erwiderte Isa mit gespielter Empörung, „Außerdem mussten wir auf Lucy Rücksicht nehmen“ „Meinetwegen hättet ihr auch ohne mich fahren können, ich wäre sowieso lieber daheim geblieben!“, rief Lucy beleidigt. „Hey, das haben sie gar nicht so gemeint“, legte Rosy ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Na, da seid ihr ja!“, kam Sandrina fröhlich auf uns zu und umarmte jede. „Hier, das ist dein Geschenk!“, lächelte Oli und überreichte ihr einen runden eingepackten Gegenstand. „Was das wohl sein könnte?“, überlegte sie laut. „Ein Fußball!“, witzelte Greta. „Nein, eine Bombe!“, setzte Alison oben drauf. Sandrina sah uns skeptisch an, worauf wir in ein prustendes Gelächter ausbrauchen. „Komm schon, pack aus!“, giggelte ich, „Du brauchst keine Angst haben“ Sandrina entfernte sorgfältig das Geschenkpapier aus und stieß einen Jubelschrei aus. „Danke, ihr seid die Besten!“, rief sie überschwänglich, „Diesen tollen Reithelm habe ich mir schon immer gewünscht, aber er kostete einfach zu viel“ „Dafür musste jede von uns einen Monat lang ihr Taschengeld opfern“, grinste Oli. „Ich hätte gar nicht mit so einem teuren Geschenk gerechnet“, strahlte Sandrina, „Zumindest bin ich keine Außenseiterin mehr, die mit so einem billigen Ding herum laufen muss“ „Warte, wir sind noch nicht fertig“, hielt Rosy sie am Arm fest und überreichte ihr ein Paar karierte Kniestrümpfe. „Danke, ihr habt euch es für meinen Geburtstag aber richtig kosten lassen. Diese Strümpfe passen super zu meiner weißen Reithose“, lachte Sandrina, „Kommt mit, ich habe für uns einen großen Tisch auf der Terrasse bestellt“

 

Fröhlich schwatzend folgten wir unserer Freundin, die uns zu einem langen Tisch lotste. „Nimmt platz!“, sagte sie gut gelaunt. Als wir saßen, überreichten wir Sandrina Geburtstagskarten und weitere kleinere Geschenke, wie Nagellack, Haarspangen, Ohrstecker und co. „Ich weiß schon was ich nehme“, sagte Jennifer und warf einen begierigen Blick auf die Karte. „Sag nicht, du nimmst die Eisbombe“, lachte Sandrina. „Genau das hatte ich vor“, grinste sie spitzbübisch. „Das ist so viel, dass du damit glatt eine Eisschlacht machen könnest“, meinte Oli. „Dann mache ich dich als Erste kalt, Olivia!“, meinte Jennifer. Greta, Rosy und ich fingen an zu kichern. „Wie hast du mich genannt?“, hakte Oli nach. „Wieso, ist das nicht dein richtiger Name?“, erwiderte Jennifer und schaute irritiert drein. „Falls du es nicht weißt, wir nennen sie nur Oli“, ergriff Greta das Wort. „Okay, dann werde ich es auch tun“, meinte Jennifer, „Aber dafür müsst ihr mich auch Jenny nennen“ „Aber natürlich“, nickte Oli, „Wir haben schließlich alle unsere Spitznamen“ Lucy, die noch kein Wort gesagt hatte, wirkte abwesend. „Möchtest du dir nichts bestellen?“, fragte Sandrina schon. „Ich weiß nicht“, murmelte sie. „Du bist eingeladen“, erinnerte Sandrina sie. „Na gut, warte aber bitte einen Moment“, murmelte Lucy kaum hörbar. Ihre Nase verschwand hinter der riesigen Eiskarte.

 

„Ihr habt euch wirklich die größten Eisbecher ausgesucht, die ihr kriegen konntet“, sagte ich neckend zu Oli und Jennifer. „Schließlich muss man es auch ausnutzen, dass man eingeladen ist“, grinste Oli. „Außerdem schmeckt das Eis weltklasse“, grunzte Jennifer. „Iiihh, was habe ich auf meinem Eis?“, angewidert verzog Greta ihr Gesicht. „Teilst du dir dein Eis mit einem Käfer?“, zog Alison sie auf. Greta schnippte den Käfer mit ihrem Löffel weg. „Danke, jetzt habe ich ihn!“, rief Jennifer und schnippte den Käfer im hohen Bogen in Lucys Richtung. Schreiend sprang Lucy auf. „Bist du völlig übergeschnappte?“, kreischte sie, „Meine teure Bluse, sie hat locker 200€ gekostet!“ „Reg dich nicht so auf“, meinte Oli, „Schließlich kann man deine Bluse waschen“ „Sahne und Schokoladenflecken kriege ich nie wieder raus“, fauchte Lucy.

 

„Mach nicht gleich so ein großes Drama, Prinzessin“, sagte Jennifer ruhig. Oli, Alison, Isa und Greta fingen an zu kichern. „Ihr könnt ohne mich weiter feiern!“, sagte Lucy mit zitternder Stimme. Einen Moment später liefen ihr die ersten Tränen über die Wange. „Mein Gott hat sie nah am Wasser gebaut!“, bemerkte Alison verächtlich. Sprachlos sahen wir ihr nach. „Sie ist bestimmt zur Toilette gegangen“, wisperte ich. „Ich finde euer Verhalten fies!“, warf uns Rosy vor, „Warum musstet ihr sie so lange ärgern, bis sie in Tränen ausbricht?“ „Wir sind wirklich zu weit gegangen“, gab Isa zu. „Ich gehe nachsehen, wo sie steckt“, fuhr Rosy fort. „Warte, ich komme mit“, sprang Sandrina auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie mit Lucy wieder und redeten beruhigt auf sie. „Es tut mir, dass ich vorhin gelacht habe“, entschuldigte sich Oli. „Ich glaube, wir müssen uns alle bei dir entschuldigen, Lucy“, gab ich ihr die Hand. 

 

4. Ein schrecklicher Unfall

 

An einem freien Samstag hockte ich alleine in meinem Zimmer und blätterte in einer Modezeitschrift. Die Burton-Schwestern hatten sich mit Rosy und Sandrina zu einer Partie Tennis verabredet, doch ich hatte in diesem Moment keine große Lust auf sportliche Aktivitäten. Es pochte an der Tür. Ich sprang auf und öffnete sie. „Hast du Lust mit uns in die Stadt zu gehen?“, fragte Greta. „Warum nicht? Mir ist gerade sowieso langweilig“, rief ich begeistert. Hinter Greta tauchten die Gesichter von Oli, Jennifer und Lucy auf. „Was hält ihr davon, dass wir nach dem Einkaufen ins Cafe gehen?“, schlug Oli vor. „Die Idee ist nicht schlecht“, stimmte Jennifer zu, „Nur ich hoffe, dass nach unseren Besorgungen noch Geld übrig bleibt“ „Ach was, du gibst doch nicht dein ganzes Geld für Shampoo, Zahnpasta, Taschentücher und so einen Kram aus“, widersprach ihr Greta.

 

„Doch wenn man Lucy heißt, vergeudet man sein ganzes Geld für Schminke, Antipickelcreme, Nagellack und so einen Blödsinn“, spottete Jennifer. „Das ist überhaupt nicht wahr, ich habe am Ende des Monats immer noch Geld übrig“, rief Lucy empört. „Das liegt daran, dass dir deine reichen Eltern dir jeden Wunsch von den Lippen ablesen und ihr alles in den Hintern prummeln. Deine Eltern und du, ihr seid die arrogantesten Wesen auf diesem Planet, die sich für etwas Besseres halten“, sagte Jennifer voller Verachtung. Lucy biss sich auf die Lippen und wirkte so, als würde sie im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. „Jenny, es liegt wohl an dir, dass du kaum noch Geld übrig hast“, stupste Greta ihre Freundin an, „Schließlich deckst du dich reichlich mit Süßigkeiten und Chips ein“

 

„Warum streitet ihr euch so oft?“, fragte ich die beiden Cousinen nach einer Weile. „Es ist eine lange Geschichte“, seufzte Jennifer, „Die Väter von Lucy und mir sind Brüder. Lucys Vater ist Besitzer eines Lebensmittelkonzerns, während meiner nur Tischler ist. Aus diesem Grund ist Lucys Familie viel reicher. Schon als wir kleiner waren, besaß Lucy mehr als ich. Anfangs war ich nur neidisch auf sie, aber sie mit ihrem Spielzeug und den Urlaubsreisen in ferne Länder angab, begann ich sie zu hassen“ „Wie blödsinnig, ihr seid doch eine Familie!“, meldete sich Greta zu Wort. „Das sind wir auch“, nickte Jennifer und fuhr fort, „Doch selbst unsere Oma bevorzugt Lucys Familie. Als ich Kind war, sagte Oma zu mir, ich sollte mich so anziehen wie Lucy und mich genauso verhalten wie sie. Mir kam es so vor, als wäre Lucy ihr Mustermädchen“ „Ein Glück, dass meine Oma nicht so ist“, bemerkte Oli erleichtert. „Unsere Großmutter und unsere Eltern beschlossen uns auf diesem Internat anzumelden, Omas Ziel ist es, dass Lucy und ich besser miteinander auskommen. Außerdem reiten wir beide gerne. Lucy natürlich Dressur und ich liebe Springen über alles“, erzählte Jennifer weiter.

 

„Ihr seid doch Cousinen“, mischte ich mich ein, „Wieso versucht ihr nicht freundlicher miteinander umzugehen? Meine eigene Cousine geht ebenfalls hier zur Schule. Mir geht sie manchmal ziemlich auf die Nerven, trotzdem kommen wir meist super miteinander aus“ „Weil Jennifer so eine spitze Zunge hat und eine fiese Bemerkung nach der andere raus haut. Außerdem teilst du dir nicht das Zimmer mit deiner Cousine und sitzt im Unterricht neben ihr. Du hast sie wenigstens nicht 24 Stunden am Tag bei ihr“, erwiderte Lucy schnippisch und nestelte an ihrem Fahrradschloss herum. „Hey, wo wollt ihr hin?“, Rosy kam mit Sandrina über den Hof geschlendert. „Wir machen ein paar Besorgungen in der Stadt und wollen danach in ein Cafe einkehren“, antwortete Greta. „Wollt ihr nicht auf uns warten? Ich würde gerne mitkommen“, fragte Sandrina. „Dann müssen wir warten, bis ihr umgezogen seid“, schüttelte nörgelnd Oli den Kopf. „Kein Problem, wir können auch im Trainingsanzug in die Stadt fahren und ein wenig Geld habe ich auch dabei“, meinte Rosy. „Wo sind die Burton-Schwestern?“, wollte ich wissen.

 

„Die beiden Besessenen spielen immer noch gegeneinander. Sie versuchen heraus zu finden, wer die Bessere von ihnen ist“, erzählte Sandrina und musste dabei breit grinsen. „Dann holt fix eure Fahrräder, denn ich will nicht an Ort und Stelle festwachsen“, drängte Oli. Gerade als wir losfuhren, begann es leicht zu nieseln. „Ich hätte mir doch eine Regenjacke anzuziehen müssen“, meinte Rosy. „Jetzt ist zu spät, das hättest du vorhin tun müssen“, bemerkte Oli. Der Regen begann doller zu werden. „Ich drehe um“, beschloss Rosy, „Ich will nicht klitschnass werden“ „Ich fahre auch lieber direkt nach Hause“, schloss sich Sandrina ihr an. „Ich sehe schon, ihr seid aus Zucker“, grinste Oli spöttisch, „Dabei haben wir gerade extra auf euch gewartet“ „Ich habe trotzdem keine Lust wegen dem Regen krank zu werden“, erwiderte Rosy in einem ärgerlichen Tonfall und kehrte auf der Stelle um. „Ich fahre noch ein Stück mit euch, schließlich wohne ich in der Stadt“, sagte Sandrina. Aus dem Nichts tauchte eine Nebelbank auf, in die wir hinein fuhren. Mit jedem Meter wurde die Sicht schlechter. Jennifer fuhr auf ihrem Sportfahrrad voraus.

 

Ein Geräusch von zerberstendem Metall zerschnitt uns kurzzeitig die Ohren. Kurz darauf folgte ein Schmerzensschrei von Jennifer, der aus dem Nebel zu uns drang. Oli versuchte Jennifers kaputten Rad auszuweichen und purzelte dabei in den Graben. In der Kreuzung hielt ein schwarzes Auto. Sofort war mir bewusst, was passiert war. Jennifer wurde angefahren und war dabei gestürzt. „Verdammt!“, Gretas Stimme bebte vor Angst. „Jennifer, bist du in Ordnung?“, schrie Lucy und ließ ihr Fahrrad fallen. Sie rannte zu der Unfallstelle und kniete sich neben ihrer verletzten Cousine nieder. „Wir müssen einen Krankenwagen rufen!“, rief sie, „Jennifer hat ihr Bewusstsein verloren“ „Emmi, sieh bitte nach Oli“, wandte sich Greta an mich, während sie Lucy zur Hilfe eilte. Oli kletterte mit dem Fahrrad unter ihrem Arm aus dem Graben. Sie war klitschnass. „Mit mir ist alles in Ordnung“, versicherte sie mir, obwohl ihr verräterisch weiß um die Nasenspitze war. „Wirklich? Tut dir nichts weh?“, bohrte ich nach. „Ich habe mir wirklich nichts getan, dafür bin ich mit einem riesigen Schrecken davon gekommen“, nickte sie.

 

Oli und ich traten an die Unfallstelle heran. Jennifer sah wirklich übel aus. An ihrer Stirn klaffte eine tiefe Wunde, aus der unaufhörlich Blut rann. Ihre Hose hatte mehrere große Löcher. Hände und Knie waren mit Schrammen übersäht. Lucy tupfte die Wunde am Kopf mit einem Taschentuch sauber. Die Fahrerin des Pkws war inzwischen ausgestiegen und holte einen Koffer mit Verbandszeug herbei. „Es tut mir so leid, aber ich habe im dichten Nebel nichts erkennen können“, jammerte sie. „Habt ihr den Krankenwagen gerufen?“, fragte Oli. „Das haben wir gerade gemacht“, nickte Greta. „Wir können Jenny nicht einfach auf der nasskalten Straßen liegen lassen“, rief ich. „Moment, ich habe eine Decke im Auto“, meldete sich die Fahrerin zu Wort. Sie holte die Decke aus dem Auto. Oli, Greta, Lucy und ich hoben unsere bewusstlose Freundin leicht an und legten die vorsichtig auf die Decke. Lucy hielt dabei ihren Kopf fest. „Ich hoffe sie hat sich nicht das Genick gebrochen“, hauchte sie ängstlich. „Quatsch, sonst könnte sie nicht mehr ihren Fuß bewegen“, schüttelte Oli entrüstet den Kopf.

 

Vor Erleichterung traten mir die Tränen in die Augen als sich der Rettungsdienst näherte. Zwei Sanitäter und eine Notärztin kümmerten um die Verletzte und legten eine Infusion an. Wenig später erreichte ein Polizeiauto die Unfallstelle. Zwei Beamte stiegen aus und befragte uns und die Autofahrerin. „Ich bin nur vierzig gefahren und habe das Mädchen nicht kommen sehen, da es so diesig ist. Es tut mir so leid“, schluchzte die Unfallverursacherin auf, als sie von einem Polizisten zum Unfallhergang befragt wurde. Sein Kollege beruhigte sie und gab ihr ein Taschentuch. Plötzlich wurde mir schwindelig und meine Beine brachen unter mir weg. Sofort half mir eine Sanitäterin auf und brachte mich in den Krankenwagen. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, wurde ich gefragt. „Es geht wieder“, nickte ich benommen. „Offenbar hat dich dein Kreislauf dich kurz im Stich gelassen“, meinte sie. „Ja, das kommt durch den Schrecken und die Aufregung“, sagte ich. Zur Sicherheit wurden mein Puls und mein Bluthochdruck gemessen. „Alles in Ordnung. Zwar spielt dein Puls etwas verrückt, aber das gibt sich gleich wieder“, gab die Sanitäterin Entwarnung. Kurz darauf war mein Schwindelanfall wieder verschwunden. Nun wurde Jennifer auf einer Bahre hinein geschoben. Ihr Kopf war in einen dicken Verband gehüllt und ihr rechtes Bein geschient. Zu guter Letzt wurde sie an ein Sauerstoffgerät angeschlossen. „Eure Freundin hatte riesiges Glück, dass ihr so geistesgegenwärtig gehandelt habt, sonst hätte sie garantiert noch mehr Blut verloren“, richtete die Notärztin zum Abschluss an uns.

 

Bedrückt blieben wir an der Unfallstelle zurück. Greta und Lucy brachen in Tränen aus als die Rettungsfahrzeuge davon fuhren. „Vielleicht wird sie den Unfall nicht überleben“, sagte Lucy mit tränenerstickter Stimme. Greta drehte uns den Rücken zu, damit wir nicht sehen konnten, wie die Tränen über ihr Gesicht liefen. „Warum weinst du?“, legte Sandrina ihr die Hand auf die Schulter. „Es ist die ganze Last, die gerade von meinen Schultern fällt. Ich bin so erleichtert, dass Jenny in sicherer Obhut ist“, schniefte Greta und betupfte mit einem Taschentuch ihre Augen. Oli und Sandrina trösteten Greta, während ich Lucy in den Arm nahm. „Du hast gut reagiert“, redete ich aufmunternd auf sie ein. „Habe ich das wirklich?“, erwiderte sie mit matter Stimme. „Natürlich, du hast dich als Erste um deine verletzte Cousine gekümmert“, versicherte ich ihr, „Außerdem hast du schneller deine Schockstarre abgelegt als wir es getan haben. Du hast ihr sogar das Leben gerettet und kannst deswegen stolz auf dich sein“ Lucy wischte sich über ihre feuchten Augen und lächelte zaghaft. „Ich habe vor nicht all zu langer Zeit einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht und dort habe ich die ganzen Handgriffe gelernt. Ich hätte nicht gedacht, dass davon noch etwas hängen geblieben ist“, erzählte sie. „Offensichtlich schon“, lachte ich.

 

„Lass uns zurück fahren, mir ist scheußlich kalt in meinen nassen Klamotten“, klapperte Oli mit den Zähnen. „Tja, das den Einkaufsbummel können wir nun vergessen“, brummte Sandrina, „Ich werde jetzt nach Hause fahren. Auf wieder sehen, Mädels!“ Wir verabschiedeten uns von unserer Freundin und fuhren wieder in Richtung Internat. „Der Unfall hat uns so richtig den Nachmittag verdorben“, beklagte sich Oli. „Wenigstens hatte Jenny Glück im Unglück, sie hätte sich durchaus noch schlimmer verletzen oder sogar sterben können“, meldete ich mich zu Wort. „Trotzdem, hätte sie sich nicht so schwer verletzt, wenn sie einen Helm getragen hätte“, widersprach mir Greta. „Ich glaube, da müssen wir uns ebenfalls an unsere eigene Nase fassen“, meldete sich Oli zu Wort, „Keine von uns trägt einen Helm“ Wir nickten stumm und radelten melancholisch weiter. Auf der weiteren Fahrt wurde kein weiteres Wort mehr gesagt. Inzwischen waren auch meine Jacke und meine Hose durchnässt. Mein Körper fühlte sich vor Kälte ganz betäubt an und ich konnte es nicht länger erwarten, endlich im Warmen zu sein. Ein heißes Bad oder ein warmer Kakao kämen mir gerade recht.

 

Beim Abendessen wurden wir von unseren Mitschülern aus beiden Klassen umlagert. Zuvor hatten Rosy und die Burton-Schwestern sehr getroffen reagiert, als wir ihnen von Jennifers Unfall erzählt hatten. „Wie ist es nun passiert?“, räusperte sich Stefanie und nahm neben mir platz. „Ich konnte es durch den Nebel nicht richtig sehen“, erwiderte ich, „Ich habe nur ihren Schmerzenschrei gehört“ „Aber ich habe es gesehen“, meldete sich Oli zu Wort, „Ein schwarzes Auto bog viel zu schnell um die Ecke und hat Jennifer nicht gesehen. Als die Fahrerin sie schließlich gesehen hat, bremste sie stark ab, aber trotzdem war es viel zu spät. Das Auto erfasst Jennys Fahrrad und Jenny knallte mit ihrem Kopf auf den Asphalt“ „Sie war bestimmt sofort bewusstlos oder?“, mischte sich Natascha aus unserer Parallelklasse in unser Gespräch ein. „ Natürlich! Was denkst du denn, wenn man heftig mit dem Kopf auf den Asphalt aufschlägt und keinen Helm trägt“, konnte Oli ihren spöttischen Unterton nicht verkneifen.

 

„Wisst ihr wenigstens wie es ihr geht?“, wollte Matthew wissen. „ Woher sollen wir das wissen? Wir sind doch keine Hellseherinnen“, antwortete Greta genervt. Fredderik, der sich bis jetzt noch zurückgehalten hatte, setzte sich zu uns. „Es schockiert mich wirklich, dass Jennifer so schlimm verunglückt ist. Ich hoffe, sie wird schnell wieder gesund“, klang er betroffen. „Ganz genau, die arme Jennifer“, schniefte Arabella und ihre Augen wurden feucht. Trotzdem wirkte es mehr geheuchelt als ernst gemeint. Schließlich konnte Arabella Jennifer zuvor wegen ihrer spitzen Zunge und ihrer burschikosen Art nicht ausstehen. „Wenn Lucy nicht gewesen wäre, hätte es richtig übel ausgehen können“, erhob Greta ihre Stimme, „Sie hat die richtigen Handgriffe draufgehabt, von denen ich nie gedacht hätte, dass es sie gibt“ Einige Mitschüler warfen Lucy anerkennende Blicke zu.

 

„Zwar war Jenny nicht immer nett zu mir und hat in meiner Gegenwart immer wieder fiese Kommentare abgeben. Trotzdem sind wir Cousinen und gehören zur gleichen Familie. Deshalb war es für mich keine Frage, dass ich ihr helfe“, begann Lucy. „Du hast wirklich großartige Arbeit geleistet, Lucy“, klopfte ihr Oli freundschaftlich auf die Schulter. „Ich hoffe nun, dass es Jenny bald wieder besser geht und wir uns vertragen. Schließlich gehört sie zu meiner Familie und es ist Omas größter Wunsch, dass wir uns besser verstehen. Eigentlich war es ziemlich kindisch von uns beiden, dass wir uns wegen jeder Kleinigkeit gestritten haben. Von mir aus kann das ein Ende haben“, fuhr sie fort. Vereinzelt wurde geklatscht, als Lucy zuende geredet hatte. Auch ich war verblüfft. Denn aus einer schüchternen Maus war binnen kürzester Zeit ein selbstbewusstes Mädchen geworden.

 

Mrs. Scott, Mr. O’Connor und Miss Greene betraten den Gemeinschaftsraum. Schlagartig wurde es still. Bestimmt wollten sie uns über Jennifers Zustand informieren. „Wie ihr sicherlich schon mitbekommen habt, ist vor zwei Stunde eine Mitschülerin verunglückt“, begann unser Schulleiter und räusperte sich. Angst breitete sich in uns aus. „Will er sagen, dass sie tot ist?“, wisperte ein Mädchen hinter mir. „Leider muss ich euch sagen, dass die Verletzung schlimmer ist, als ich erwartet habe“, fuhr er fort. „Was hat das zu bedeuten?“, raunte Alison mit tonloser Stimme. „Sei still und hör zu!“, stieß ihr Oli den Ellenbogen in die Seite. „Jennifer hat eine schwere Kopfverletzung erlitten. Zunächst gingen sie davon aus, dass ihr Zustand sich verbessern würde. Doch im Endeffekt verschlechterte sich ihr Zustand, sodass sie notoperiert werden musste. Die behandelnden Ärzte versetzten sie danach in ein künstliches Koma, damit sich ihr Körper von den Strapazen erholen kann“, teilte der Schulleiter uns mit.

 

Seine Worte trafen mich wie ein Hammerschlag. Gelähmt saß ich auf meinem Stuhl und konnte mich nicht rühren. Oli, Greta und Alison ging es nicht anders. Rosy, Darcy und einige andere Mädchen weinten leise. Unser Schulleiter gab das Wort an Miss Greene ab. „Ich kann ich euch verstehen, dass ihr geschockt seid“, tröstete sie uns, „Im Krankenhaus tun die Ärzte das Menschenmögliche, damit es Jennifer besser geht und die Chancen, dass sie wieder gesund wird, stehen gut“ Lucys Zeigefinger schnellte in die Höhe. „Wir könnten gemeinsam ein Plakat mit Genesungswünschen erstellen“, schlug sie vor. „Die Idee ist super“, fand Mr. O’Connor. „Endlich kommen dann meine Glitzerstifte zum Einsatz“, raunte Arabella ihren Freundinnen zu. „Ich habe sogar noch Unmengen von Goldsternen von Weihnachten übrig, die wir auf das Plakat kleben können“, rief Rachel begeistert.

 

5. Zwei Cousinen vereint wie nie zuvor

 

Am Diensttag kurz nachdem wir unsere erste Matheklausur geschrieben haben, erreichte uns die Nachricht, dass Jennifer wieder das Bewusstsein erlangt hatte und wir sie besuchen konnten. Allerdings durften nur zwei Personen sie an einem Tag besuchen. Während des Mittagessens brach fast ein Streit aus, da jeder aus unserer Clique Jenny besuchen wollte. „Hey, es bringt nichts, dass ihr euch wegen dem Krankenhausbesuch an die Gurgel geht!“, mischte sich Sandrina ein. „Trotzdem will sich Oli immer verdrängeln“, nörgelte Greta. „Das stimmt überhaupt nicht. Ich äußere doch nur mein Interesse, dass ich sie gerne besuchen möchte“, wehrte sich Oli vehement. „Ich finde, dass Lucy sie auf jeden Fall zuerst besuchen darf. Schließlich ist es ihre Cousine“, äußerte Rosy ihre Meinung, „Zudem darf Lucy aussuchen, wen sie von uns mitnimmt“ Lucy dachte einen Moment nach.

 

„Mir fällt es wirklich schwer mich zu entscheiden“, sagte sie schließlich und machte eine kurze Pause. Oli setzte ein besonders zuckersüßes Lächeln auf. „Ich nehme Emily mit“, entschied sie nach kurzem Nachdenken und fügte hinzu, „Aber seid mir nicht böse, ich darf nur eine Person mitnehmen“ „Kein Ding“, beruhigte Alison sie. Mir wurde ganz warm vor Glück. Doch zugunsten meiner Freundinnen, versuchte ich die Freude zu verbergen. „Später könnt ihr alle sie besuchen“, meinte Lucy, „Aber momentan muss sich Jenny viel ausruhen und darf noch nicht so viele Leute um sie herum haben“ „Vielen Dank für die Einladung!“, sagte ich nach dem Essen zu Lucy. „Gern geschehen!“, lächelte sie zurück und fügte hinzu, „Denk daran, dass uns Freitag Jennys Eltern um vier Uhr abholen werden und mit uns zum Krankenhaus fahren. Also halte dir den Nachmittag frei“ „Klar, das vergesse ich nicht“, versicherte ich ihr.

 

Freitagnachmittag kamen Jennys Eltern, Mr. und Mrs. Flaherty pünktlich nach dem Tee auf den Hof gerollt. Ein dunkelhaariger Mann mit Halbglatze und eine große Frau mit kinnlangen haselnussbraunen Haaren stiegen. „Hallo, Tante Deidre!“, rief Lucy und nahm die Frau in die Arme. „Hallo, Onkel John!“, begrüßte sie anschließend ihren Onkel und ließ sich auf von ihm umarmen. „Hallo Lucy, schön dich zu sehen! Wen hast du mitgebracht?“, fragte Jennys Mutter freundlich und lächelte in meine Richtung.  „Das ist Emily Dean, eine Freundin von mir und Jenny. Sie geht in unsere Parallelklasse und ich kenne sie durch Greta, mit der ich mir ein Zimmer teile“, stellte Lucy mich vor. „Schön dich kennen zu lernen, Emily!“, lächelte Mr. Flaherty. Ich begrüßte die beiden Erwachsenen und gab ihnen die Hand.

 

„Bereit zum Aufbruch?“, fragte Jennys Vater beschwingt. Lucy und ich ließen uns das nicht zweimal sagen und setzten uns auf die Rückbank. „Jenny wird bestimmt glücklich sein, wenn sie zwei bekannte Gesichter sieht“, lachte Mrs. Flaherty. Mich verwunderte es beinahe, dass Jennys Eltern so locker und fröhlich waren, obwohl ihre Tochter vor fast einer Woche schwer verunglückt war. Während der ganzen Fahrt wurde viel gescherzt und gelacht. „Wie geht es Jenny jetzt?“, erkundigte ich mich. „Ihr geht es schon viel besser, obwohl ihr Schädel manchmal noch ziemlich brummt und sie wegen ihrem gebrochenen Bein nicht laufen kann. Gestern hat sie uns gesagt, wie sehr sie ihre neuen Freundinnen aus dem Internat vermisst“, erzählte Mrs. Flaherty. „Alle Freundinnen wollten sie heute unbedingt sehen, aber ich habe beschlossen, dass Emily mitkommt“, meinte Lucy. „Dass die Wahl nicht leicht war, glaube ich dir sofort“, nickte Jennys Mutter. „Weiß man ungefähr, wann sie entlassen wird?“, fragte Lucy neugierig. „Man geht davon aus, dass sie in etwa sechs bis acht Tagen entlassen werden kann“, erwiderte Mrs. Flaherty. Jennys Vater hielt Ausschau nach einem Parkplatz. „Ich glaube der Besucherparkplatz ist zu klein“, brummte er. Er fuhr zweimal im Kreis, doch nirgends tat sich eine freie Parklücke auf. „Hm, dann müssen wir auf den City-Parkplatz ausweichen“, seufzte er.

 

„Kein Problem, wir können laufen“, erwiderten Lucy und ich gleichzeitig. Der City-Parkplatz war fast leer. „Typisch, dass niemand dort parkt, wo bezahlt werden muss“, bemerkte Mr. Flaherty. „Vergesse nicht den Parkschein zu lösen“, erinnerte Mrs. Flaherty ihren Mann. „Nein, das tue ich nicht“, murmelte er. Lucy hakte sich bei mir unter, während wir über die Straße liefen. Unterwegs kamen wir an einem Blumenhändler vorbei. Jennys Vater zückte einen Geldschein. „Sucht euch einen schönen Strauß für Jenny aus“, sagte er zu uns. Lucy hielt ein Bündel gelbroter Rosen in der Hand. „Meinst du wirklich?“, schaute ich sie skeptisch an. Ich hatte einen viel hübscheren und bunteren Blumenstrauß im Auge. „Meinetwegen können wir auch einen anderen Blumenstrauß nehmen“, zuckte Lucy mit der Schulter. Wir entschieden uns für den Strauß mit den Sommerblumen.

 

Jenny freute sich diebisch als sie unsere Gesichter erkannte und mochte den von uns ausgesuchten Strauß auf Anhieb. „Ihr glaubt gar nicht, wie öde hier ist. Jeden Tag der gleiche Trott und das gleiche langweilige Essen. Dazu kommt, dass ich mich mit niemand richtig unterhalten kann. Außerdem schnarcht einer meiner Zimmernachbarn ganz fürchterlich. Ich kann es kaum erwarten, dass ich endlich zurückkehre“, erzählte sie uns. Dann wandte sie sich an Lucy. „Es tut mir leid, dass ich dich seit Wochen so behandle, als wärst du eine arrogante Kuh. Im Grunde bist du doch gar nicht so, wie ich jahrelang gedacht habe“, begann sie und hielt Lucys Hand, „Mir wurde erzählt, dass du mir geholfen hast und mein Arzt behauptet, dass du dadurch eventuell mein Leben gerettet hast“ Lucy lächelte geschmeichelt. „Kein Ding, dass ich dir geholfen habe. Schließlich gehörst du zu meiner Familie“, sagte sie leise.

 

„Wie geht es eigentlich den anderen Schülern und den Lehrern?“, erkundigte sich Jenny neugierig. „Denen geht es ganz gut“, antwortete ich, „Bis auf wenige, die seit einigen Tagen mit einem grippalen Infekt auf der Krankenstation liegen“ „Was ist sonst noch passiert? Habe ich etwas Lustiges versäumt?“, hakte sie nach. „Oh ja, du hast etwas verpasst“, grinste Lucy, „Gestern verirrte sich während des Französischunterrichts ein kleiner Vogel im Klassenraum. Mamsell öffnete zuerst ein Fenster, doch dem Vögelchen gefiel es offenbar sehr im Klassenzimmer und verkroch sich hinter der Gardine. Da sie der Ansicht war, dass Tiere nicht einen Klassenraum gehörten, nahm sie einen alten Rohrstock von der Wand und versuchte das arme Tier hinaus zu scheuchen. Aber der Vogel wusste ganz genau, wie er sie reinlegen konnte und wich ihr immer eine handbreit vor ihrer Nase aus. Mamsell stieß französische Flüche aus und jagte den Vogel kreuz und quer durch den ganzen Raum. Patrick, Tiago und Lars begannen sie anzufeuern. Auf einmal blieb unsere geliebte Französischlehrerin mit einem Fuß am Kabel des Overheadprojektors hängen und stolperte. Im Fallen konnte sie sich an der Gardine festhalten. Ein Wunder, dass die Gardine keinen Riss davon getragen hat. Das Vögelchen drehte zum Abschied eine Runde über Madame Noires Kopf und fliegt anschließend aus dem Fenster. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wir gelacht haben“ Jenny und ich kriegten uns kaum ein vor Lachen.

 

„An der Stelle des Vogels wäre ich auch gerne lieber im Warmen geblieben“, kicherte ich. „Bitte, können wir aufhören zu lachen?“, japste Jenny, „Mir tut davon alles weh“ Plötzlich fiel mir ein, dass ich noch das von uns gestaltete Plakat mit den Genesungswünschen in meiner Tasche hatte. „Ich habe noch etwas für dich“, sagte ich und entrollte das Plakat. „Oh, das ist richtig hübsch geworden“, fand Jenny. „Darauf hat der ganze Jahrgang unterschrieben“, sagte Lucy. „Wer hat denn das Plakat überhaupt gestaltet?“, fragte Jenny. „Rosy, Greta, Sandrina, Emily und ich“, antwortete Lucy. „Außerdem haben Arabella, Natascha und Francis geliehen. Von Rachel haben wir die ganzen Goldsterne“, fügte ich hinzu. „Arabella und ihre Freundinnen scheinen doch nicht all zu schlimm zu sein, wie ich dachte“, murmelte Jenny. „Vertue dich da nicht, wir haben schon einiges mit Arabella erlebt und deswegen nimm dich in Acht vor ihr“, widersprach ich meiner Freundin sofort. Leider war kurz darauf die Besuchszeit wieder vorbei. Jennys Eltern luden Lucy und mich anschließend auf einen warmen Kakao und ein Stück Torte in das vornehmste Cafe der Stadt ein.

 

Anderthalb Wochen später kehrte Jenny zurück an unser Internat. Alle Freunde und Mitschüler begrüßten sie freundlich und hatten für sie ein Kaffeetrinken im Gemeinschaftsraum vorbereitet. „Ich hoffe, du hast nicht mehr so große Schmerzen“, meinte Oli und setzte sich neben ihr auf das Sofa. „Es hält sich in Grenzen“, antwortete Jenny pragmatisch und schob eine lose Strähne ihres Pferdeschwanzes hinters Ohr. Sogar Arabella und ihr Hofstaat erkundeten sich vornehm nach Jennys Befinden. „Ich bin so froh, wenn ich erstmal meinen blöden Gips los bin“, seufzte sie, „Ihr glaubt gar nicht, wie heftig es darunter juckt und außerdem möchte ich unbedingt wieder Sport machen können. Das hat mir in letzter Zeit so gefehlt. Vor allem das Reiten vermisse ich am meisten“ „Tja, sie ist halt ein richtiges Cowgirl“, grinste Lucy. „Und jetzt ein Cowgirl auf Krücken“, setzte Oli obendrauf.

 

Meine beste Freundin war die geborene Spottdrossel, doch in Gegenwart ihrer Freunde meinte sie ihre Bemerkungen meist nicht böse. Auch Jenny schien es zu verstehen und lachte kurz auf. Ich lehnte ich mich zufrieden auf meinem Stuhl zurück. In diesem Moment schien sich unser Jahrgang wunderbar zu vertragen, selbst Arabella und ihre Freundinnen waren heute ausnahmsweise annehmbar. „Das ist der Geist von Saint Malory“, flüsterte Rosy mir und Lucy zu. „Der Geist von Saint Malory? Meinst du hier, hier spukt es nachts eventuell?“, stutzte Lucy. „Das ist kein Geist, der nachts durch die Gänge spukt“, klärte Rosy sie auf, „Der Geist von Saint Malory steht für den Zusammenhalt der Schüler untereinander. Nach dem Motto: Einer für alle, alle für einen“ „Hm, aber ein Poltergeist wäre auch ganz amüsant“, sagte Oli und musste auf einmal grinsen. „Was hat du? Was hast du zu verbergen? Komm, rück raus damit“, stieß Greta sie an. „Ich erinnerte mich gerade an den Streich, den wir unserer lieben Mamsell vor knapp zwei Jahren zu Halloween gespielt haben. Wir haben aufziehbare Mäuse durch den Raum flitzen lassen, gruselige Geräusche mit ein paar einfachen Dosen gemacht und Patrick kam als Gespenst verkleidet aus dem Schrank gestürmt“, erzählte Oli lachend.

 

Jenny, Lucy, Sandrina und all die anderen Schüler, die damals noch nicht auf unserer Schule waren, hörten ihr gebannt zu. „Könnt ihr euch vorstellen, dass Mamsell wirklich geglaubt hat, dass es in unserem Klassenraum wirklich gespukt hat“, fuhr Greta mit leuchtenden Augen fort. „Wie kann man an so einem Kinderkram glauben? Leben wir noch im Mittelalter?“, rümpfte Samantha neben Arabella verächtlich ihre Nase. „Natürlich kann man an so etwas glauben“, mischte sich Fredderik ein, „Wir in Norwegen glauben, dass in jedem Baum und hinter jedem Busch ein Troll wohnt. Als kleines Kind habe ich immer eine Schale mit Essbarem nach draußen gestellt. Als ich an einem Morgen nach draußen ging, war der Teller leer“ „Aha, das hat bestimmt die Nachbarkatze gefressen“, erwiderte Stella herablassend. Dafür erntete sie von uns böse Blicke.

 

Jenny schmerzte es sehr, dass sie weder reiten noch Sport treiben durfte. Sehnsüchtig schaute sie uns hinterher, wenn wir unsere Pferde auf den Reitplatz führten oder wir beim Hockeytraining uns gegenseitig den Ball abjagten. Trotzdem leistete sie uns häufig Gesellschaft und feuerte uns bei jedem Hockeyspiel an. „Leider werde ich an eurem Schulturnier nicht teilnehmen können und somit habe ich auch keine Chance mich für die Schulmannschaft zu qualifizieren“, sagte sie eines Abends düster. „Das wurde Gott sei dank geändert“, wusste Sandrina bescheid, „Erst seit kurzem wurde die Regel geändert, dass die Trainer eigenhändig ihre Mannschaften zusammenstellen und für jedes Turnier eine andere Mannschaft aufstellen können. Somit soll jedem Reiter ermöglicht werden, dass er die Chance erhält Turniere zu reiten. In letzten Jahren gab es das Problem, dass es sehr viele gute Springreiter gab und die Hälfte von ihnen ihr Potential nicht zeigen konnte“ „Natürlich ist es viel wert, ein gutes Ergebnis bei unserem alljährlichen Schulturnier zu erzielen“, fügte Rosy hinzu, „Schließlich sind einige Journalisten und der Bürgermeister da. Wer erfolgreich ist, hinterlässt einen guten Eindruck. Denn dieses Turnier hat seit etwa hundert Jahren Tradition“ „Da bin ich aber beruhigt, dass ich noch eine Chance habe in die Schulmannschaft zu kommen. Auf jeden Fall werde ich im Training mein Bestes geben“, hellte sich Jennys Miene auf.

6. Mamsells Nichte

„Ich habe eine Überraschung für euch?“, kündigte Mamsell in der ersten Französischstunde nach den Herbstferien an. Unsere Klasse machte vor Neugier große Augen und vereinzelt wurden bereits erste Vermutungen angestellt. „Bestimmt hat sie den Vokabeltest korrigiert“, seufzte Shane. Sein Sitznachbar Tom lächelte gequält. „Nein, da muss ich euch enttäuschen. Ich habe keine korrigierten Tests für euch. Ihr werdet sie gleich sehen, noch ist sie bei Mr. Scott im Büro“, fuhr unsere Französischlehrerin fort. „Wer kann das wohl sein? Ein Neuzugang mitten im Schuljahr?“, raunte Oli mir und Sandrina halblaut zu. „Das wirst gleich sehen, Olivia!“, räusperte sich Mamsell.

 

Einen Moment später ging die Tür auf und ein rundliches pausbackiges Mädchen in unserem Alter stand vor der Klasse. Sie hatte ihre dichten schwarzen Haare zu einem Knoten hochgesteckt und trug ein langes altmodisches Strickkleid. Auffällig waren ihre grünen Katzenaugen mit denen sie uns belustigt musterte. „Das ist meine Nichte Amandine Noire“, stellte Mamsell das Mädchen vor, „Sie ist achtzehn Jahre alt und hat vor kurzem ihr Abitur in Paris gemacht. Bis zu den Osterferien wird sie unsere Gastschülerin sein“ Amandine stand lächelnd neben ihrer Tante und strich sich eine lose Haarsträhne hinter die Ohren. „Alexander und Sandrina, würdet ihr Amandine ein wenig die Schule und das Internatsgelände zeigen“, richtete sich Mamsell an unsere Klassensprecher. Ich sah, wie die kleine Französin mit ihnen redete und den Klassenraum verließ. „Jetzt bist du nicht mehr die einzige Französin weit und breit“, flüsterte ich Stefanie zu, mit der ich an einem Tisch saß. „Gott sei dank, jetzt habe ich einen französischen Gesprächspartner außer Mademoiselle“, seufzte sie erleichtert, „Ich werde sie gleich fragen, was sie heute Nachmittag vorhat“

 

„Kann ich neben Amandine sitzen?“, zeigte Stefanie auf. „Von mir aus gerne, aber wehe ihr quatscht mir zu viel, auch wenn es auf französisch ist“, willigte Mme Noire ein. „Ich hoffe dich stört es nicht, dass ich mich von dir wegsetze. Das ist nichts gegen dich“, raunte mir Stefanie zu. „Nein, ich hab das schon verstanden. Es ist gut, dass Amandine eine Person hat, an die sie sich richten kann und außerdem bist du auch Französin“, versicherte ich ihr. Neben mir wurde ein Platz frei, was für mich ungewohnt war, da ich sonst nie alleine saß. „Fredderik, könntest du dich zu Emily setzen, dann sitzt du nicht mehr alleine“, richtete sich unsere Französischlehrerin an den jungen Norweger. „Natürlich, warum nicht?“, erwiderte er und lächelte dabei zaghaft. Auch ich wurde leicht rot und bekam ein wenig Herzklopfen. Da ich oft Ablenkung von meinen Freundinnen erhielt, hatte ich in den letzten Wochen wenig mit ihm zu tun. Doch nun saß ich neben ihm. Verlegen fuhr er sich durch seine strohblonden zersausten Haare. Nun wusste ich, wieso ich in seiner Gegenwart beinahe meinen Verstand verlor. Dazu hatte er die hellblausten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. „Was machst du nach der Schule?“, raunte er mir zu. Ich zuckte zusammen, da er mich ansprach und ich nicht damit rechnete.

 

„Was machst du nachher?“, wiederholte er leise. „Hausaufgaben und was ich danach mache, weiß ich noch nicht“, antwortete ich. „Miss Hanson hat mir nahe gelegt, einen Tag pro Woche extra zu trainieren, damit sich meine Leistungen steigern. Hättest du Lust mitzutrainieren oder mir einfach nur Gesellschaft zu leisten?“, flüsterte er mir ins Ohr, denn Mamsell stand zwei Tische hinter uns. „Gerne!“, willigte ich ein, „Ist halb vier in Ordnung für dich?“ „Können wir machen, ich muss heute kaum Hausaufgaben machen“, nickte Fredderik. „Emily und Fredderik, arbeitet ihr noch oder vergnügt ihr euch? Ich hätte euch doch nicht zusammensetzen sollen“, räusperte sich Mme Noire und warf uns einen strengen Blick zu. „Ich habe Emily nur eine Aufgabe erklärt“, fand Fredderik als Erstes von uns die Sprache wieder. „Dann ist ja gut“, nickte Mamsell, „In zehn Minuten möchte ich eure Ergebnisse sehen“ „Mist, ich habe bis jetzt nur drei Sätze zu Papier gebracht“, zischte ich leise. „Schreib einfach von mir ab“, sagte er und schob mir sein Heft hin. „Sie wird es merken“, sah ich ihn skeptisch an. „Egal, sie kontrolliert doch nicht unsere Hefte und außerdem liest nicht jeder aus der Klasse vor“, murmelte er. „Stimmt auch wieder“, brummte ich. Für einen Norweger war er relativ in Französisch und machte nur wenige Fehler. „Ich war vor zwei Jahren für vier Monate als Austauschschüler in Bordeaux. Seitdem liebe ich die französische Sprache über alles, aber Englisch gefällt mir auch sehr gut“, erzählte mir Fredderik kurz nachdem es geklingelt hatte.

 

Nachmittags trafen uns Fredderik und ich alleine auf dem Reitplatz. Freddy ritt Speedy Gonzales, während das Stallmädchen mir erlaubt hatte Flake zu reiten. Sofort spürte ich, dass ich mit der alten erfahrenen Stute gut zurrecht kam. Zwar war sie kein Spitzenpferd mehr, welches bei Turnieren eingesetzt wurde, umso besser eignete sie sich als Schulpferd. Nebenbei erzählte ich Fredderik, dass sein Pferd zuvor meist von Lucien geritten wurde. „Wer ist Lucien? Kenne ich den?“, hakte er nach. „Nein, er hat unser Internat am Ende des letzten Schuljahres verlassen“, erzählte ich. „Aus welchem Grund?“, wollte er wissen. „Lange Geschichte“, seufzte ich. Fredderik sah ein, dass ich mich nicht näher zu Lucien äußern wollte. „Du musst vor einem Hindernis die Zügel straffer fassen“, gab ich ihm den Tipp. Speedy Gonzales galoppierte auf das Hindernis zu. Fredderik fasste die Zügel kürzer und verlagerte sein Gewicht kurz vor dem Sprung nach vorne. Gerade als sich der Wallach vom Boden abstieß, stellte sich Fredderik in die Steigbügel.

 

„So sieht es besser aus! Das gibt Pluspunkte bei der Körperhaltung“, lobte ich. Allerdings wich Speedy Gonzales ruckartig vor dem nächsten Hindernis aus und beförderte seinen Reiter fast in den Sand, wenn dieser sich nicht gut festgehalten hätte. „Noch ist kein Meister vom Himmel gefallen, aber bei meinen Leistungen fällt er garantiert gleich vom Himmel“, seufzte Fredderik. Noch nie hatte ich den coolen und gelassenen Norweger so frustriert gesehen. „Kommt noch, du bist Speedy Gonzales noch nicht so häufig geritten und jeder weiß, dass er ziemlich heikel sein kann“, redete ich ihm gut zu. „Trotzdem habe ich hier noch nicht mein Pferd gefunden“, meinte er. „Ich hatte zwei Jahre mein Traumpferd, bis es leider verkauft worden ist“, sagte ich und machte dabei ein enttäuschtes Gesicht. Fredderik probierte noch einige Male den Parcour zu reiten, doch an irgendeiner Stelle haperte es immer. „Ich gebe es auf!“, schüttelte er den Kopf. „Quatsch, lass uns die Pferde tauschen und du wirst sehen, dass es mit Flake wunderbar klappt“, widersprach ich ihm. „Na gut“, stimmte er mir zu und schwang sich aus dem Sattel. Nach dem Pferdetausch hatte Fredderik keine Probleme mehr, während ich Speedy Gonzales mehr als einmal zeigen musste, wer der Herr war. Es passierte mir zweimal, dass er meinen Schenkelhilfen nicht folgen wollte und ich mit der Gerte nachhalf. „Läuft doch!“, rief ich ihm zu, als er zum ersten Mal den Parcour ohne Fehler ritt.

 

„Ich glaube ich habe mein Pferd gefunden“, sagte er überglücklich und tätschelte der erfahrenen Stute den Hals. „Willst du sie auch auf dem Schulturnier reiten?“, hakte ich nach. „Warum nicht?“, zuckte er mit den Achseln, „Bestimmt kann sie noch mehr, als sie gerade zeigt“ „In den letzten Jahren ist Flake kaum geritten worden und hatte den Ruf als Ersatzpferd“, erzählte ich ihm. „Eigentlich schade“, fand Fredderik, „Aber jetzt hat sie einen treuen Reiter in mir gefunden“ „Komm wir müssen zum Tee“, rief ich bei einem Blick auf meine Uhr. „Warum sofort? Wieso bist du auf einmal so hektisch?“, wunderte sich Fredderik. „Amandine hat während des Mittagessens erzählt, sie will um fünf Uhr Tee mit uns trinken“, fiel mir ein. „Ach verdammt, das hatte ich auch nicht auf der Rechnung“, schreckte er auf, „und in zehn Minuten ist es bereits fünf Uhr“ „Wir werden es unmöglich schaffen pünktlich zu sein“, murmelte ich, während ich mich von Speedy Gonzales Rücken schwang. „Wird auf Pünktlichkeit so ein großer Wert gelegt?“, wollte er wissen. „Eigentlich nicht, aber ich wollte zu ihrem Teetrinken pünktlich sein, da Amandine neu ist und ich ihr gegenüber höflich sein möchte“, erwiderte ich.

 

Unsere Mitschüler durchbohrten Fredderik und mich ihren Blicken, als wir knapp eine halbe Stunde zu spät waren. Meine Augen suchten jeden Tisch nach einem freien Platz ab. Oli saß mit Greta, Jenny, Lucy und den Burton-Schwestern am Fenstertisch. Meine Freundinnen waren so tief ein Gespräch verwickelt, dass sie mich nicht zu bemerken schienen. Rosy und Sandrina hatten sich zu Rachel und ihren Freundinnen an den Tisch gesetzt. Na toll, wo blieb nun ein Platz für uns? Nur an Arabellas Tisch war der Platz neben Lia-Mary frei, doch meine Motivation mich neben sie zu setzen war sehr gering. „Ah, ihr seid doch noch gekommen!“, stand Amandine unmittelbar vor uns, „Setzt euch an meinen Tisch, dort sind noch zwei Plätze frei“ „Danke, wie nett von dir“, lächelte ich zurück. Mir gefiel das französische Mädchen, besonders ihren Charme und ihren lustigen Akzent mochte ich. „Dann kommt mit“, sagte sie beschwingt und zog uns mit sich. An Amandines Tisch saßen bereits Mamsell, Matthew und Stefanie.

 

„Ah, wo kommt ihr denn her?“, wollte unsere Französischlehrerin wissen. „Es tut mir leid, dass wir zu spät sind“, entschuldigte sich Fredderik, „Ich hatte noch ein extra Springtraining mit meiner privaten Reitlehrerin hinter mir“ Ich wurde leicht rot, als er mir zuzwinkerte. „Ah, das klingt total interessant“, horchte Amandine auf. „Reitest du auch?“, fragte ich Mamsells Nichte. „Nein, leider nicht“, schüttelte diese den Kopf, „Aber ich will es unbedingt lernen, denn ich habe noch nie auf einem Pferd gesessen“ „Kein Problem, bestimmt bringt Miss Hanson es dir bei“, versicherte ich ihr. „Was ist eigentlich deine Lieblingssportart?“, mischte sich Freddy in unser Gespräch ein. „Hm, ich weiß nicht“, druckste Amandine herum, „Um ehrlich zu sein, bin ich keine große Sportskanone. Trotzdem mag ich Schwimmen und Tischtennis“ „Spielst du wirklich Tischtennis?“, horchte Matthew auf, der in der Tischtennismannschaft unserer Schule spielte. „Ich habe es zwei Jahre lang in der Schule gespielt, weil ich eine Sportart auswählen musste“, erzählte Amandine. „Cool, hast du Lust nach dem Abendessen eine Runde mit mir zu spielen?“, fragte Matthew. „Meinetwegen, dagegen hätte ich nichts“, nickte die Französin. Fredderik lud sich ein zweites Stück Pflaumenkuchen auf seinen Teller, Matthew und ich taten es ihm gleich.

 

Nur Amandine verzichtete auf ein weiteres Stück. „Der Kuchen ist wirklich köstlich, Tantchen!“, lobte sie, „Aber ich muss gleichzeitig auf meine Figur aufpassen“ „Welches Mädchen in unserem Alter muss das nicht?“, murmelte Fredderik halblaut. „Wenn man noch schicke Mode finden will, in die man hineinpassen will, muss man schon ein paar Opfer bringen“, meinte Amandine, die seinen Kommentar gehört hatte. „Seid ihr Französinnen wirklich so modesüchtig, wie wir von euch denken?“, schnappte Matthew den Faden auf. „Viele, aber nicht alle“, antwortete sie, „Trotzdem kommt es bei uns gut an, wenn man schick zurrecht gemacht ist“ „Amandine, du könntest unter deinen neuen Kameradinnen vorschlagen, eine Modeschau zu machen“, warf Fredderik ein. „Das werde ich“, nickte Amandine, „Ich habe genau einen Tag vor Halloween Geburtstag und da eignet sich eine Modenschau gut“ „Dann wüsste ich schon mal das Motto“, meldete ich mich zu Wort. „Aber bitteschön keine billigen Halloween-Verkleidungen“, fiel sie mir ins Wort, „Es muss schon fantasievoll und kreativ sein“

 

„Habt ihr Lust mein Appartement zu sehen?“, fragte uns Amandine, nachdem sich viele unserer Mitschüler bereits auf ihre Zimmer verzogen haben. „Du hast ein eigenes Apartment?“, machte ich große Augen. „Sogar direkt neben meiner Tante“, sagte sie grinsend. „Beneidenswert!“, bemerkte Fredderik. „Wieso? Wenigstens teilt ihr euer Zimmer mit ein oder zwei Freunden, während ich alleine bin“, widersprach ihm die Französin sofort. „Das schon, aber mich regt es auf, dass Shane ein regelrechtes Chaos in unserem Zimmer veranstaltet, teilweise finde ich seine alten Socken unter meinem Bett“, meinte Fredderik. „Igitt, darauf kann ich gut verzichten“, rümpfte Amandine die Nase. „Ich geh dann mal in mein Zimmer“, verabschiedete sich Matthew von uns, „Amandine, wir sehen uns nachher beim Tischtennis“

 

„Von mir aus, könnt ihr auch gehen“, richtete sich Mamsell an uns, „Amandine will euch unbedingt ihr neues Heim zeigen“ „Kommt mit!“, rief die junge Französin fröhlich. Auf dem Weg über den Hof hakte sie sich bei mir und Fredderik unter. „Ich habe mir das Wetter hier viel schlimmer vorgestellt“, redete sie munter weiter. „Ich auch als ich hier her kam“, meinte Fredderik, „Im Endeffekt ist es doch noch so schlimm, denn in Norwegen ist zu dieser Jahreszeit viel kälter und in den Bergen liegt bereits der erste Schnee“ „Schnee, schon wenn ich dieses Wort höre, wird mir kalt“, bibberte Amandine, „Ich bin immer froh gewesen, dass es in Paris so selten geschneit hat“ Sie führte uns um das Schulgebäude herum zu einem Seiteneingang. „Wohnen hier wirklich die Lehrer?“, fragte Fredderik staunend. „Tantchen erzählte mir, dass insgesamt acht Lehrer während der Schulzeit über hier wohnen, die von weiter weg kommen“, erwiderte Amandine, „Ich habe eine kleine Wohnung direkt unter dem Dach und dort hat vor mir eine Referendarin gewohnt, die seit letztem Jahr im Ausland unterrichtet“ Die alten Treppenstufen knarrten unter unseren Füßen.

 

„Sind wir immer noch nicht da?“, wunderte ich mich, als wir auf der zweiten Etage angelangt waren. „Da müssen wir noch hoch“, zeigte Amandine auf eine kleine Wendeltreppe aus hellem Holz am anderen Ende des Flures. „Wie es wohl in der Wohnung aussieht?“, murmelte ich halblaut. „Jetzt wirst du es sehen“, schloss Mamsells Nichte die Tür zu ihrem Appartement auf. „Wow, hast du es schön!“, schwärmte ich als ich mich in ihrem gemütlichen Wohnzimmer umsah. „Man eigentlich ein kleines Feuerchen machen“, sagte Fredderik mit einem Blick auf den Kamin. „Warum nicht?“, zuckte Amandine mit der Schulter und holte eine Packung Streichhölzer aus einer Kommode. Fredderik und ich machten es auf dem beigen Ledersofa bequem. Amandine holte uns eine Flasche Wasser und zwei Gläser. „Seid meine Gäste“, lächelte sie uns zu und schenkte uns ein. Eine grau getigerte Katze kam durch die halboffene Tür geschlichen. „Ah, das ist meine kleine Manou, meine Mitbewohnerin!“, stellte die Französin die Katze vor und nahm sie auf den Arm. „Die sieht aber hübsch aus!“, fand ich und kraulte Manou hinter den Ohren. „Wie alt ist sie?“, wollte Fredderik wissen. „Ich habe sie vor drei Jahren bekommen als ich mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus lag“, erwiderte Amandine und reichte mir ihre Katze.

 

„Wo warst du?“, zischte Oli, als ich mich neben ihr an den Tisch setzte. „Ich war nur für eine halbe Stunde mit Freddy drüben in Amandines Appartement“, entschuldigte ich mich beinahe. „Aha, das kann doch nicht nur eine halbe Stunde gewesen sein“, durchbohrte mich Gretas Blick. „Was treibst du die ganze Zeit mit diesem Fredderik?“, räusperte sich Alison. „Wieso, nichts Besonderes!“, erwiderte ich etwas schnippisch. „Was heißt denn in deinen Augen nichts Besonderes?“, bohrte Oli nach. „Ich mag Fredderik unheimlich gerne, er ist ein total lieber Kerl“, versuchte ich meinen Freundinnen zu erklären, die plötzlich ziemlich distanziert wirkten. „Aber du hängst schon den ganzen Tag lang an seinem Hintern, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest“, bemerkte Jenny. „Was erlaubst du dir solche dummen Bemerkungen gegenüber mir zu machen obwohl du mich noch nicht einmal richtig kennst“, kochte ich vor Wut. „Hey, jetzt hackt doch nicht so auf Emily rum“, sprang Rosy für mich in die Bresche, „Sie darf doch auch mal Zeit mit anderen Mitschülern verbringen? Was habt ihr also?“

 

7. Ein Streit und ein Sturz

 

In den kommenden Tagen verbrachte ich viel Zeit mit Amandine und Fredderik.  Zusammen verbrachten wir die Pausen, gingen im Park spazieren und leisteten Amandine bei ihren ersten Reitstunden Gesellschaft. Es schien beinahe so, als wären wir mittlerweile eine Dreierclique. Fredderik und ich empfanden mehr als nur Freundschaft füreinander. Erst gestern hatte er mich nach dem Springtraining zum ersten Mal in der Sattelkammer geküsst. Oli warf mir immer wieder eifersüchtige Blicke zu, wenn ich mich bei Amandine untergehakt hatte und wir munter miteinander plauderten, als kannten wir uns schon Jahre. „Wir könnten bei mir in der Wohnung einen Kuchenbacken“, schlug Amandine beim Mittagessen vor.

 

„Das ist eine super Idee“, fand ich. Mir rauchte nach einer komplizierten Matheklausur immer noch der Schädel. „Eigentlich könnte ich noch mehr Leute einladen“, überlegte die Französin halblaut vor sich hin. „An wen hattest du gedacht?“, hakte ich nach. „Ich habe spontan an Stefanie, Fredderik und Matthew gedacht“, murmelte sie, „Rosy kann natürlich auch kommen, denn ich mag sie auch ziemlich gerne“ Nach dem Essen fingen wir Rosy an der Türschwelle ab. Verwundert sah sie uns an und duckte sich schon fast ein wenig vor uns weg, als Greta und Oli an ihr vorbei stolzierten. „Wir machen ein Teetrinken in Amandines Wohnung“, fuhr ich leise fort. „Oh cool, wann ist das?“, hellte sich Rosys Miene rasch auf. „Etwa in einer Stunde“, meinte Amandine. „Ich muss zwar noch Hausaufgaben machen, aber ich komme auf jeden Fall“, nickte uns Rosy zu.

 

Fredderik, Amandine und ich hatten beim Backen viel Spaß. Besonders Fredderik hatte seine Freude daran uns zu necken. „Bah, ich habe eine Stauballergie“, lachte Amandine hustend und befreite sich aus einer Staubwolke, in der sie eingehüllt war. Fredderik konnte es nicht unterlassen wieder ein wenig Mehl nach uns zu werfen. „Hey, mit Lebensmitteln spielt man nicht“, stupste ich ihn an. Der Blick auf die Uhr verriet, dass in einer halben Stunde die übrigen Gäste kommen sollten. Amandine stellte rasch den Kuchen in den Ofen. Fredderik und ich fingen an den Tisch im Wohnzimmer zu decken. „Das wird bestimmt ein gemütliches Kaffeetrinken“, tat ich meine Vorfreude kund und setzte mich neben Manou auf das Sofa. Die Katze schnurrte leise, als ich ihr über den Bauch streichelte. „Ich muss runter und meine Freunde herein lassen“, stand Amandine auf, „Alleine können sie nicht in den Wohntrakt der Lehrer gelangen“

 

„Da unten stehen sie schon“, zeigte Fredderik aus dem Fenster. Ich rückte ein Stück näher an ihn heran und lehnte mich gegen seinen Rücken. Es war ein tolles Gefühl ihm nah zu sein. Eigentlich hatte ich geschworen, für den Rest des Jahres keinen Jungen mehr an mich heran zulassen, nachdem ich im letzten Schuljahr das Gefühlschaos meines Lebens durchlebt hatte. Der Schlüssel drehte sich im Schloss und Amandine kam mit unseren Schulkameraden herein. „Du hast es aber schön!“, schwärmte Stefanie. „Ich könnte glatt mit dir tauschen. Ich möchte auch so einen tollen Kamin haben“, sagte Rosy mit einem neiderfüllten Blick. „Warum nicht? Dann komme ich auch endlich mehr unter die Leute“, meinte Amandine. „Können wir uns schon an den Tisch setzen?“, fragte Matthew vorsichtig. „Aber sicher!“, nickte die junge Französin. Der Tee war inzwischen fertig und leicht abgekühlt, sodass wir ihn sofort trinken konnten. „Ich muss dir etwas sagen“, begann Rosy und setzte mich neben mich, „Oli ist in letzter Zeit echt merkwürdig drauf und gestern habe ich mitbekommen, dass sie schlecht über dich geredet hat“ „Warum schlecht über mich geredet?“, stutzte ich.

 

„Sie behauptet, du würdest Mamsells arroganter Nichte in den Arsch kriechen und deine eigenen Freunde wie Luft behandeln“, fuhr sie fort. „Aber Amandine ist gar nicht arrogant“, empörte ich mich leise. „Wollen wir kurz rausgehen?“, schlug Rosy vor. „Können wir machen“, nickte ich. „Also wie du mitbekommen hast, ist Oli ziemlich wütend darüber, dass du sehr viel mit Fredderik und Amandine abhängst“, sagte Rosy vor der Tür. „Ich weiß, dass ich seit knapp zwei Wochen sehr viel Zeit mit ihnen verbringe“, begann ich und fügte hinzu, „Aber das soll nicht heißen, dass ich mit euch nichts mehr zu tun haben möchte“ „Mir ist das klar, aber Oli behautet in der Gegenwart unserer Mitschüler, dass du dich durch die Freundschaft mit Amandine bei ihrer Tante beliebt machen willst und gute Noten ergattern willst“, Rosy musste schlucken, als sie mir dies sagte. „Das ist überhaupt nicht wahr“, presste ich mit erstickter Stimme hervor und fühlte mich schwindelig vor Wut und Enttäuschung. „Ich weiß, dass es nicht wahr ist“, legte meine Freundin ihren Arm um meine Schulter. „Hey, wollt ihr nicht wieder reinkommen? Der Kuchen ist fertig“, riss Amandine die Tür. „Was ist mit dir los, Emily?“, fragte sie besorgt, als sie sah, dass ich Tränen in den Augen hatte. „Ach nichts!“, erwiderte ich und lächelte gezwungen.

 

Am nächsten Tag war Freitag und ich nahm mir fest vor, mich mit Oli zu versöhnen. Eigentlich war ich immer noch etwas sauer, dass sie hinter meinem Rücken gelästert, andererseits konnte ich diese Funkstille nicht länger nicht länger ertragen. Nachmittags klopfte ich an ihre Zimmertür. „Was gibt es?“, riss sie ungestüm die Tür auf. Hinter ihr tauchten die Köpfe von Jenny und Greta auf. „Habt ihr Lust heute mit mir in die Stadt zu fahren?“, fragte ich mutig. „Warum willst du ganz plötzlich wieder etwas von uns?“, fragte Oli spitz. „Ich wollte fragen, ob wir etwas zusammen unternehmen können“, wiederholte ich verunsichert. „Das fällt dir aber früh ein, dass du mit uns wieder Kontakt aufnimmst“, warf sie mir zynisch an den Kopf. „Falls du wissen willst, was wir heute vorhaben“, begann Jenny und machte eine kurze Pause, „Wir gehen zusammen mit Lucy und Rosy ins Kino“ „Cool, ich komme gerne mit“, hellte sich meine Miene wieder auf. „Kannst du leider nicht“, baute sich Oli vor mir auf, „Wir haben nur fünf Karten und die Vorstellung ist leider ausverkauft“ Ihre gemeine Bemerkung verschlug mir die Sprache.

 

„Du kannst dir den ein anderes Mal anschauen“, meinte Greta, „Schließlich läuft er noch länger in den Kinos“ Mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich zwang mich nicht zu weinen. „Seid ihr so weit?“, fragte Lucy und warf ihre dunklen Haare in den Nacken. Neben ihr stand Rosy, die nur in meine Richtung lächelte und kein Wort zu mir sagte. „Wir kommen!“, rief Jenny und warf ihren Mantel über. Oli und Greta zogen sich ebenfalls in Windeseile an. „Viel Spaß!“, drehte sich Greta kurz zu mir um, bevor sie mit ihren Freundinnen davon stapfte. In mir kochte und brodelte es. Wagten es meine „Freundinnen“ wirklich mich wie einen Depp alleine stehen zu lassen? Anscheinend schon, denn zu allem Überfluss liefen sie zu fünft untergehakt nebeneinander her. „Ihr könnt mich mal, ihr blöden Ziegen?“, rief ich ihnen wütend hinterher. „Gern geschehen!“, drehte sich Oli frech grinsend zu mir um. Greta und Jenny feixten ebenfalls. Jenny machte ein unschlüssiges Gesicht, während Rosy beinahe schon unglücklich wirkte.

 

„Leckt mich doch am Arsch! Ihr seid gar nicht mehr meine Freundinnen und könnt mir sowas von gestohlen bleiben!“, schrie ich sie an und warf ein zusammengeknülltes Taschentuch nach ihr, welches ich in meiner Hosentasche fand. Fassungslos drehte ich mich zu der Wand hin. „Das kann doch nicht sein!“, wiederholte ich zig Male leise und trat mit voller Wucht gegen Oli Zimmertür. Bedrückt machte ich mich auf den Weg nach draußen. Ich war alleine, denn Fredderik war mit der Fußballmannschaft bei einem Auswärtsspiel und Sandrina wollte mit ihren Eltern Essen gehen. Frustriert kickte ich einen Kieselstein im hohen Bogen in die Rabatten. Gegen meinen Willen rannen mir Wuttränen über die Wangen. Was war die Freundschaft zwischen mir und Oli wert, wenn sie mich einfach abservierte und wie die letzte Idiotin behandelte. „Sag mal, ist alles okay bei dir, Emily?“, hörte ich eine Stimme hinter mir und ich spürte, wie mir eine Person die Hand auf die Schulter legte.

 

Vor Schreck rutschte mir mein Herz in die Hose. „Ach du bist es, Natascha!“, stammelte ich. „Du weinst ja, was ist um Himmels Willen passiert?“, redete sie auf mich ein. „Ach, nichts Besonderes!“, sagte ich mit erstickter Stimme. „Das kann nicht sein, du siehst total aufgelöst aus“, meinte Nataschas Freundin Francis. „Na gut, ich erzähle es euch“, seufzte ich. „Wollen wir uns nicht auf die Bank setzen?“, schlug Francis vor. Die Mädchen aus der Parallelklasse hakten sich bei mir unter und zogen mich in Richtung Bank. Sie waren zwar nicht gerade meine besten Freundinnen und gehörten zu Arabellas Hofstaat, aber es tat mir gerade in diesem Moment gut, dass mir zugehört wurde. Ich zögerte einen Moment, bevor ich mit der Kurzform der Geschichte heraus rückte.

 

„Ich wusste doch, dass Greta und Oli etwas im Schilde führen“, verengten sich Nataschas grünen Katzenaugen zu zwei engen Schlitzen. „Außerdem hat Greta Sammy im letzten Schuljahr das Leben schwer gemacht“, meinte Francis. „Es ist gemein, dass dich deine Freundinnen aus der Clique ausschließen“, fand Natascha und legte mir ihre Hand auf die Schulter. „Es wird Zeit, dass wir diesen arroganten Ziegen ordentlich Bescheid stoßen“, raunte Natascha. „Hm, ich hätte schon einen Plan, wie wir es machen könnten“, überlegte Francis halblaut. „Wir könnten Porträts von ihnen erstellen, die wir vorher verunstalten und dann schreiben wir in den Steckbrief, dass man sich vor Oli und ihren Freundinnen in Acht nehmen muss, da sie es faustdick hinter den Ohren haben“, spann Natascha den Faden weiter. „Bitte keine Rachepläne oder hinterhältige Intrigen!“, ging ich dazwischen, „Ich möchte nicht, dass die Situation wegen irgendwelcher Racheaktionen aus dem Ruder läuft“ „Na gut, du kannst dich von deinen falschen Freundinnen von mir aus weiter ärgern lassen. Wir wollen dir auch nur helfen“, zuckte Natascha mit den Achseln. „Ich will nichts anzetteln, was ich bereuen werde. Ich versuche es erst einmal alleine gerade zu biegen und da hilft es nicht, verhunzte Steckbriefe in der Schule auszuhängen“, versuchte ich ihr zu erklären.

 

„Okay, ich habe es verstanden“, sah Natascha ein, „Trotzdem kannst du uns kommen, wenn du Probleme hast“ Zwar waren Natascha und Francis wesentlich harmloser als Arabella und Samantha, trotzdem genoss ich sie mit Vorsicht, da sie zu Arabellas Kreis gehörten und sicherlich viele Intrigenmöglichkeiten kannten. „Wir gehen wieder rein, kommst du mit?“, fragte Francis. „Nein, ich wollte schauen, was in der Reithalle los ist“, sagte ich. „Okay, dann bis später!“, verabschiedeten sich die beiden Mädchen von mir. „Ciao!“, rief ich ihnen hinterher und stapfte hinüber zur Reithalle. Interessiert sah ich zu, wie Amandine ihre insgesamt vierte Reitstunde nahm und nicht mehr so verkrampft auf dem Pferderücken saß wie zuvor. „Hallo, Emily!“, winkte sie mir zu. Lächelnd winkte ich zurück. Heute ritt sie zum ersten Mal alleine und es klappte auch schon relativ gut für den Anfang. Nur zweimal wollte Flake die Reitstunde vorzeitig beenden und stellte sich bräsig in die Mitte der Halle. „Komm, beweg deinen schwerfälligen Hintern!“, sagte Miss Hanson zu Flake und nahm sie am Zügel. Amandine half mit ihrer Gerte nach, aber Flake trottete im gleichen langsamen Tempo weiter.

 

„Ist irgendetwas Schlimmes vorgefallen, von dem ich nichts gewusst habe. Ich sehe, dass du geweint hast“, fragte mich Amandine nach der Reitstunde. Mir fiel eine Last von der Schulter, dass ich einer guten Freundin die Begebenheit von vorhin anvertrauen konnte. „Das ist wirklich nicht fair, wie dich Olivia und Greta behandeln“, schnaubte die Französin empört, „Ich glaube, ich muss dringend ein paar Wörtchen mit ihnen reden“ „Sei lieber vorsichtig, bevor es nach hinten losgeht“, versuchte ich sie zu bremsen. „Wie meinst du das?“, sah sie mich fragend an. „Wenn etwas nach hinten losgeht heißt es umgangssprachlich, dass eine Sache total schief läuft“, erklärte ich ihr. „Trotzdem könnte es helfen, wenn ich mit ihnen rede“, beharrte Amandine auf ihrem Standpunkt. „Es ist nett von dir, dass du mit ihnen reden willst“, begann ich, „Aber nachher sieht es für Oli und Greta aus, als ob ich zu feige wäre, um mit ihnen zu reden und meine Freunde vorschicke. Dann sind sie zurrecht sauer auf mich“ „Stimmt auch wieder, man soll offen und direkt sein“, pflichtete mir Amandine bei. Kurz nach dem Abendessen ging ich auf mein Zimmer, zu meiner Überraschung waren auch Alison und Isa da. Beide saßen hinter einem Buch versteckt auf ihren Betten.

 

„Wo warst du die ganze Zeit?“, sah Alison von ihrem Buch auf. „Ich war vorhin in der Reithalle“, antwortete ich kurz angebunden. „Ist dir aufgefallen, dass Oli, Greta und co in letzter Zeit ziemlich merkwürdig geworden sind, besonders dir gegenüber“, mischte sich Isa in unser Gespräch ein. „Na klar, sonst hätten sie mich nicht von ihrem gemeinsamen Kinonachmittag ausgeschlossen“, erwiderte ich mürrisch. „Sie haben uns auch gefragt, ob wir mitkommen wollen, aber wir haben uns für den Fitnessraum entschieden, da sie in einen total öden Film gehen wollten“, meinte Alison. „Euch haben sie wenigstens gefragt“, grummelte ich. „Na ja, wir hatten eh keine Lust, von daher…“, zuckte Isa mit den Achseln. „Gestern hat Oli einen merkwürdigen Kommentar gemacht, dass wir eh immer nur auf deiner Seite stehen würden“, meinte Alison, „Dabei wollen wir nur, dass dieses Kindertheater aufhört. Es ist albern, dass wir uns wie pubertäre Gören im Alter von zwölf oder dreizehn verhalten“ „Ganz genau, das sehe ich auch so“, pflichtete ihre Schwester ihr bei, „Außerdem macht diese blöde Streiterei die Stimmung innerhalb der Klasse und der Clique kaputt“

 

Oli, Greta und Jenny ignorierten mich das ganze Wochenende über. Lucy und Rosy trauten sich nur mit mir zu sprechen, wenn keine ihrer Freundinnen in der Nähe waren. Die Burton-Schwestern steckten überwiegend zusammen und kapselten sich mir und den übrigen Mitschülern ab. Sandrina war seit Donnerstag krank und wurde vom Arzt bis Diensttag krankgeschrieben. Wenigsten hatte ich Freddy und Amandine, die mittlerweile meine wichtigsten Bezugspersonen waren. Mit ihnen besuchte ich am Sonntagnachmittag das Kino, nachdem wir zwei Stunden zuvor für die anstehende Französischarbeit gebüffelt hatten. 

 

Am Dienstagnachmittag, nachdem wir die Französischklausur geschrieben hatten, sattelten Fredderik und ich unsere Pferde für einen Ausritt. Freddy nahm Flake, die er inzwischen sehr lieb gewonnen hatte und ich entschied mich für Shamprock. „Kennst du eine tolle Strecke mit vielen Hindernissen?“, fragte er, als wir vom Internatsgelände runter ritten. „Klar, im Wald gibt es ein paar abgefahrene Strecken“, nickte ich und steuerte auf den Pfad in Richtung Wald zu. Inzwischen war es richtig herbstlich geworden. Gelborange Blätter bedeckten den nach feuchter Erde riechenden Boden und ein kräftiger Wind rüttelte an den fast kahlen Zweigen der Bäume. „Ist das nicht prima?“, rief Freddy gegen den Wind. „Das ist die pure Freiheit!“, stimmte ich ihm euphorisch zu und ließ Shamprock antraben. Es begann leicht zu nieseln. Die Strecke führte bergauf, zuvor war ich diesen Weg sehr häufig mit Oli, Rosy und Greta geritten.

 

„Bahn frei!“, rief Fredderik und galoppierte an mir vorbei. Shamprock galoppierte fast von alleine an und jagte Flake hinterher. Wir lieferten uns ein Rennen. „Du kriegst mich nicht!“, zog ich meinen Freund auf. „Und ob ich die kriege, ich hänge die ganze Zeit an deinen Fersen“, entgegnete er lachend. Als wir die Bergkuppe erreicht hatten, ging es ein Stück bergab. Freddy drosselte seine Stute, während Shamprock sich kaum zügeln ließ. Anscheinend war er heute besonders lauffreudig. „Emily, nicht so!“, hörte ich Freddy hinter mir rufen. „Verdammt, wie viele Meter ist er hinter mir?“, dachte ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Ich lehnte mich ein wenig im Sattel zurück und ließ die Zügel lockerer, damit Shamprock endlich langsamer wurde. Leider schien der junge Wallach meine Befehle zu ignorieren. In mir kroch die Angst hoch und meine Hände umklammerten Zügel, sodass Handknöchel weiß hervortraten. Ein Schäferhund sprang bellend vor uns aus dem Gebüsch und jagte mir und Shamprock einen riesigen Schrecken ein. Mein Pferd riss panisch den Kopf hoch und versuchte der kläffenden Bestie auszuweichen. Dabei rutsche Shamprock auf dem nassen Laub aus. Ich konnte mich nicht mehr halten und prallte mit meinem Rücken auf einen harten Gegenstand. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchzog von der Wirbelsäule aus meinen gesamten Körper. Aus Reflex fing ich an zu schreien und die ersten Tränen traten mir in die Augen.

 

„Um Himmels Willen, was ist passiert?“, hörte ich den Hundebesitzer sagen, der sich über mich beugte. Die Schmerzen waren inzwischen so heftig, dass ich nur noch schreien und heulen konnte. „Emily!“, schrie Fredderik, „Was ist dir passiert?“ Er schwang sich von Flakes Rücken und eilte zu mir. Die Stute blieb seelenruhig an Ort und Stelle stehen. „Alles gut, ich bin bei dir!“, tröstete Freddy mich und nahm meine Hand, die ich fast zerdrückte. „Wir müssen den Krankenwagen rufen“, wandte er sich an den Mann, „Sie sind der Ortskundige, Sie wissen wo wir uns befinden“ Der Hundebesitzer holte sein Handy aus der Tasche und gab die Nummer des Rettungsdienstes ein. „Versuch mal deine Beine zu bewegen“, sagte Freddy. „Ich kann sie nicht spüren“, erwiderte ich mit schmerzverzehrtem Gesicht und mein Herz begann zu rasen. War ich vielleicht querschnittsgelähmt? Und wenn ja, wäre ich dann ein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt? „Es tut mir unheimlich Leid, dass Will dein Pferd so erschreckt hat, er ist noch jung und ein ziemlicher Draufgänger“, entschuldigte sich der Mann bei mir und versuchte mir aufzuhelfen. „Nein, tun Sie das nicht, vielleicht ist sie an der Wirbelsäule verletzt“, rief mein Freund und zog den Mann von mir weg.

 

Nach zwanzig Minuten fanden die Sanitäter uns und legte mich auf eine Bahre. Der Schmerz sorgte dafür, dass ich inzwischen halbbewusstlos war und die Umgebung nur noch verschwommen wahrnahm. Sie mussten noch knapp zwei Minuten durch den Wald stapfen, bis sie am Krankenwagen angelangt waren. Nachdem mir der Notarzt ein Schmerzmittel in den Rücken gespritzt hatte, fühlte ich mich ganz taub an, doch zumindest waren die mörderischen Schmerzen weg. Vor lauter Erschöpfung schloss ich die Augen und duselte langsam weg. Erst kurz vor dem Krankenhaus kam ich wieder richtig zu Bewusstsein und lag auf dem Bauch. „Alles gut, wir sind gleich da!“, beruhigte mich eine Sanitäterin. Ich war immer noch zu fertig, um einen klaren Gedanken fassen zu können und zu fragen, was als nächstes mit mir passieren wird. Der Krankenwagen bremste seicht ab.

 

Die Klappe wurde geöffnet und drei Männer schoben mich nach draußen über den Parkplatz in die Notaufnahme. Zunächst wurden einige Test mit mir gemacht, ob ich mich eine Gehirnerschütterung oder andere Bewusstseinsstörungen hatte. Zum Glück hatte ich nur eine leichte Gehirnerschütterung und einen Schock davon getragen. Zumindest war mein Kopf einigermaßen heile. Dann wurde ich einen Raum gebracht, in dem man mich in den Kernspintomographen schickte. „Sie haben großes Glück gehabt. Sie haben mehrere Quetschungen an der Wirbelsäule und einen Bruch des Lendenwirbelfortsatzes erlitten, aber eine Querschnittslähmung ist nicht zu befürchten. Trotzdem werden Sie einige Tage Bettruhe brauchen“, sagte der Arzt zu mir, als er wenig später die Bilder am Computer auswertete. Als nächstes bekam ich ein Stützkorsett umgelegt, welches ich nun vier Wochen tragen musste und wurde in ein Krankenzimmer geschoben, in dem bereits eine ältere Dame lag. Nicht einmal nach fünf Minuten war ich eingenickt, erst als mir die Krankenschwester das Telefon hinhielt, wachte ich auf. „Hallo, hier spricht Emily Dean“, meldete ich mich mit müder Stimme.

 

„Hallo Emily, ich bin’s, miss Greene“, meldete sich meine Klassenlehrerin, „Ich hoffe, dir geht es wieder etwas besser“ „Ein bisschen, bedingt durch die Schmerzmittel, die ich bekomme“, erwiderte ich. „Das hört sich schon besser an“, fand Miss Greene und fügte hinzu, „Fredderik hat die beiden Pferde alleine zurück gebracht und hat sich anschließend bei Mr. Scott gemeldet. Es war wohl ein Unfall gewesen, dein Pferd hat sich vor einem bellenden Hund erschreckt“ „Genau, so ist es passiert und dabei bin ich mit dem Rücken auf einen Stein gefallen“, bestätigte ich. „Wie ich mitbekommen habe, hast du nur eine Quetschung der Wirbelsäule und einen Bruch des Lendenwirbelfortsatzes davon getragen. Wir sind erleichtert, dass deine Verletzungen so glimpflich sind, du hättest gelähmt sein können“ „Ich weiß“, murmelte ich und fühlte mich auf ein Mal total schläfrig. „Ich wünsche dir gute Besserung! Ich hoffe, dass du bald wiederkommst. Auf wieder sehen“, verabschiedete sie sich von mir.

 

Am nächsten Tag, nachdem ich zwei Stunden mit Dad telefoniert hatte, klopfte es an der Tür. Freddy trat herein und hatte Oli, Greta, Rosy und Amandine im Schlepptau. Greta stellte einen Blumenstrauß mit gelben und roten Blumen auf den Nachttisch. „Hi, wie geht es dir?“, begrüßte mich Oli und nahm mich in den Arm. „Besser als gestern“, erwiderte ich und lächelte schwach. „Dass ist schön zu hören“, lächelte sie und fügte im ernsteren Ton hinzu, „Es tut Greta, Jenny und mir ziemlich Leid, wie wir dich behandelt haben. Amandine ist ein Spitzenmädchen, sie hat uns die Augen geöffnet und sie wollte dich nicht von uns fernhalten. Das haben wir leider fehl interpretiert“ „Genau so ist“, nickte die Französin, „Gemeinsam befreundet zu sein, ist viel schöner“

 

„Na Schatz, sieht die Welt heute besser aus“, strahlte mich Freddy an und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Eindeutig!“, nickte ich zufrieden. Nach und nach überreichten mir meine Freunde kleine Geschenke. Auf meinem Nachttisch stapelten sich Pralinenschachteln, Nagellackfläschchen, Wimperntusche, ein Federmäppchen und ein Haarspangenset. „Eigentlich wollte dich fast die ganze Klasse besuchen, aber zunächst durften nur fünf von uns mit“, erzählte mir Rosy. „Morgen kommt die zweite Delegation“, verriet Greta. „Darf ich wissen wer das ist?“, fragte ich neugierig. „Das ist eine Überraschung“, zwinkerte sie mir zu. Ein Felsbrocken war mir vom Herzen gefallen, ich war wieder mit meinen besten Freundinnen versöhnt und außerdem war meine Verletzung glimpflich ausgegangen.

8. Eine wahre Siegerin und eine aufregende Halloweenmodenschau

 

Anderthalb Wochen nach meinem Unfall fand das jährliche Herbstturnier statt. Ich saß zwischen Jenny und Amandine, die heute Geburtstag hatte, auf der Tribüne. Mit ein wenig Wehmut sah ich den Reitern nach, die ihre Pferde auf den Warmreiteplatz führten, darunter auch ein paar meiner Freunde. Zunächst traten die Vielseitigkeitsreiter an. Im ersten Durchgang lagen überraschender Weise Lars, Patrick und Colleen aus der ersten Klasse vorne. Rosy und Lynn aus dem Jahrgang über uns hatten großes Pech, da sie im ersten Lauf wegen einer Zeitüberschreitung ausschieden. Nur zu gerne hätte ich meine Freundin getröstet, die geknickt davonschlich und am liebsten im Erdboden versinken wollte. „Arme Rosy, das hat sie sich nicht verdient!“, seufzte Jenny.

 

„Ich finde, sie hatte Pech, weil ihr Pferd zwei Aufgaben verweigert hat“, meinte Amandine. „Man kann nicht immer Glück haben“, murmelte ich und musste an meine Rückenverletzung und mein Korsett denken. Diesen blöde Panzer musste ich immerhin noch mehr als drei Wochen tragen und kam mir dadurch steif wie eine Schildkröte vor. „Sieh nun liegt Colleen vorne“, raunte uns Jenny zu, „Wahnsinn, das Mädchen sieht nicht älter aus als vierzehn“ „Sie ist bestimmt schon fünfzehn oder sechzehn“, schüttelte ich den Kopf, „Sie sieht jünger aus, weil sie relativ klein und zierlich ist“ „Mögt ihr auch?“, hielt uns Amandine eine Tüte mit Salbeibonbons hin. „Gerne, ich habe schon einen rauen Hals“, nahm Jenny dankend an. Ich nahm mir ebenfalls einen Bonbon. Der zweite Durchgang begann mit Oli und Greta. Beide steigerten sich enorm im Vergleich zum ersten Lauf. „Jetzt sind sie wieder im Rennen!“, freute sich Jenny. „Das ist toll, dann bleibt es bis zum Schluss spannend“, nickte Amandine.

 

Am Ende des Vielseitigkeitsturniers gewann Colleen mit einem knappen Vorsprung vor Lars und Oli. Mit viel größerem Interesse verfolgte ich das Springturnier, bei dem ich hätte mitreiten sollen. Ich hätte mich beißen können, dass ich mich wegen eines leichtsinnigen Geländerittes verletzt habe und auf die Tribüne verbannt wurde. Wieso hatte ich mich mit Freddy auf diese blöde Wettrennen eingelassen? Ein Fehler, den ich nach wie vor sehr bereute. „Hoffentlich gewinnt nicht Arabella“, flüsterte uns Jenny zu. „Wer ist Arabella?“, wollte Amandine wissen. „Die große Blondine mit den schulterlangen Haaren“, erwiderte Jenny abschätzig und konnte sich ein Augenrollen nicht verkneifen.

 

„Quatsch, Arabella ist längst nicht so gut wie Sandrina und ein paar andere aus dem Team“, schüttelte ich den Kopf. Lilly, Claire, Mitch und Johnson aus den unteren Jahrgängen starteten als Erstes. Keiner von ihnen legte einen perfekten Ritt von, sodass die Favoritenrolle nicht bei ihnen lag. Nun kam Priscilla an die Reihe. Nervös fingerte sie am Start an den Zügeln herum. Aufmunternd winkte ich ihr zu. „Ist das nicht deine Cousine?“, fragten meine Freundinnen. „Genau, das ist sie“, nickte ich. „Dann müssen wir ihr auf jeden Fall die Daumen drücken“, sagte Amandine. Das Startsignal ertönte und Priscilla ließ Hillary angaloppieren. „Sie sieht gar nicht mal so schlecht aus“, wisperte Amandine. „Warte nur bis zum ersten Hindernis ab“, schien Jenny noch unbeeindruckt zu sein. Priscilla hielt direkt auf das erste Hindernis zu. „Ich hoffe, sie nimmt ein wenig das Tempo raus, sonst kracht sie nach dem ersten Sprung ungebremst in das zweite“, flüsterte ich aufgeregt. Als hätte Pris meine Worte gehört, drosselte sie das Tempo und Hillary schaffte die erste Hürde ohne Probleme. Zwar streifte ihre Stute die oberste Stange des zweiten Hindernisses, doch zumindest hatte sie großes Glück gehabt und die Stange blieb liegen. „Die ersten beiden Hindernisse sind bis jetzt für fast alle Reiter eine Falle gewesen, doch deine Cousine hat eben Ahnung, wie man sich in solchen schwierigen Situationen verhält“, bemerkte Jenny anerkennend. Es schien beinahe so, als hätte Priscilla jeden einzelnen Galoppsprung berechnet und die Höhe jedes Hindernisses ausgerechnet.

 

„Bestimmt macht sie den ersten Platz!“, raunte Amandine. „Warte erstmal ab, Sandrina war noch nicht an der Reihe“, bremste Jenny ihre Euphorie. Hillary meisterte jede Hürde so leichtfüßig als spüre sie die Erdanziehungskraft nicht. „Das ist eine ganze andere Priscilla, die da gerade reitet. Im Training sieht das bei ihr meist nicht so einfach aus“, war ich baff. „Tja, auch unscheinbare graue Mäuschen können auftrumpfen“, brummte Jenny, „Nur der zweite Durchlauf muss genauso gut laufen“ „Wenigstens hat sie eine gute Zeit und null Fehlerpunkte“, sagte ich zufrieden, „Sie wird in diesem Jahr unsere Familienehre verteidigen“ „Welche Familienehre?“, stutzte Amandine. „In meiner Familie ist beinahe jeder Reiter oder Reiter gewesen, wie meine Mutter. Vor einigen Jahren hat sie an den Olympischen Spielen teilgenommen und Weltmeisterschaften gewonnen“, erzählte ich und fügte seufzend hinzu, „Leider lebt sie seit drei Jahren nicht mehr“ „Um Himmels Willen wieso ist sie gestorben?“, schaute mich Amandine entsetzt an. „Ein Reitunfall“, antwortete ich knapp. Immer noch tat ich mich schwer darüber zu sprechen. Zum Glück merkten das meine Freundinnen und bohrten nicht weiter nach.

 

Trotz guter Ansätze kam Freddy nicht über Platz zehn hinaus, dennoch schien er zufrieden zu sein, dass er heute eine bessere Leistung gezeigt hat als letztens im Training. Priscillas zweiter Durchlauf lief fast genauso gut wie der erste, nur sie brauchte zwei Sekunden mehr. Fast sah es danach aus, als ob ihr Sandrina den ersten Platz streitig machen wollte, doch ausgerechnet am letzten Hindernis riss ihre Stute Amy eine Stange des letzten Hindernisses. Somit verteidigte Priscilla souverän ihren ersten Platz, den sie sich wirklich verdient hatte. Bei der Siegerehrung stand auf dem Treppchen und strahlte über beide Backen. Wir konnten es kaum erwarten, der Siegerin zu gratulieren. Direkt hintern dem Abreitplatz fing ich sie zusammen mit Jenny und Amandine ab. „Du warst grandios!“, fiel ich ihr um den Hals. „Aber du hättest bestimmt genauso abgeschnitten“, lächelte Pris.

 

„Hast du Lust heute Abend zu meiner Geburtstagsparty zu kommen, Priscilla?“, fragte Amandine, „Wir machen heute Abend eine Halloweenmodenschau mit unserem ganzen Jahrgang“ „Ich würde auch gerne kommen, aber leider habe ich kein Kostüm und kein Geschenk“, klang sie enttäuscht. „Kein Ding, Greta hat extra am Wochenende ihre gesamte Verkleidungskiste mitgebracht, da bleibt bestimmt eine Maske für dich übrig“, munterte ich meine Cousine auf. „Außerdem habe ich schon genug Geschenke bekommen“, meinte Amandine, „Mir ist es wichtiger, dass ich heute Abend eine Menge Spaß mit netten Leuten haben werde“ „Wann wird die Party denn beginnen?“, fragte Priscilla. „Um zehn Uhr bei uns im Gemeinschaftsraum“, erwiderte Amandine. „Aber zuvor werden wir dich schick machen“, wandte ich ein, „Klopf am besten nach dem Abendbrot an mein Zimmer“ „Das mach ich, bis nachher!“, verabschiedete sie sich von uns.

 

Pünktlich um kurz nach acht erschienen Oli, Greta, Rosy, Sandrina und Priscilla in unserem Zimmer. „Seht her, das habe ich mir von meinem Bruder Lasse schicken lassen“, wirbelte Oli in ihrem Dave-Vader-Kostüm durchs Zimmer. „Auf jeden Fall siehst du richtig lustig aus!“, kicherte ich los. „Es fehlt nur noch, dass du genauso laut atmest wie er“, setzte Greta obendrauf, was bei uns einen heftigen Lachkrampf auslöste. „Ich glaube, wenn ich so weiterlachen muss, werde ich mich neu schminken müssen“, gickerte Rosy und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Ach was, du bist doch nur Horror-Krankenschwester, was gibt es da großartig zu schminken?“, wägte Greta ab. „Immerhin habe ich mir einige Narben und Blutflecken ins Gesicht geschminkt“, meinte Rosy. „Als was soll ich mich verkleiden?“, stand Priscilla unschlüssig zwischen uns.

 

„Ich hätte noch diese Ganovenmaske“, hielt Greta ihr eine schwarze Maske hin. „Danke, die nehme ich gerne“, bedankte sich meine Cousine. „Wollt ihr euch gar nicht verkleiden?“, wandte sich Sandrina an Alison und Isa, die schweigend auf ihren Betten saßen. „Irgendwie haben wir keine große Lust“, brummte Alison und starrte abwesend aus dem Fenster. „Außerdem haben wir keine Kostüme“, ließ Isa den Kopf hängen. „Egal, ich habe noch zwei Clownsnasen für euch übrig“, versuchte Greta die Schwestern optimistischer zu stimmen. „Vielen Dank auch!“, erwiderte Alison ironisch. „Wieso? Ihr könnt doch als Horrorclowns gehen!“, schlug Oli vor. „Das klingt gar nicht so schlecht“, fand Isa. Beinahe vergaß ich selbst, mir mein Kostüm anzuziehen. Greta, Oli, Rosy und Sandrina hatten mich zuletzt überredet, dass ich mich als Vampirmädchen verkleide. Dafür brauchte ich nicht sonderlich viel. Ein schwarzer Umhang, eine geringelte Strumpfhose, ein dunkelblaues langes Oberteil und ein Paar Vampirzähne und mein Outfit war komplett. 

 

Bis wir alle kostümiert und geschminkt waren, vergingen fast zwei Stunden. Es war sogar kurz nach Zehn als Rosy bemerkte, dass wir zu viel Zeit mit Reden und Lachen verplempert hatten. „Hoffentlich fallen die Jungs nicht in Ohnmacht, wenn sie uns sehen!“, wisperte ich meinen Freundinnen auf der Treppe zu. „Besonders Freddy, wenn du ihn beißt“, witzelte Oli und kicherte, während sie die Treppe herunter lief. Im Gemeinschaftsraum steppte bereits der Bär. Es war so laut, dass wir kaum unser eigenes Wort verstehen konnten. Wir schienen die Letzten zu sein. Ich spürte, wie eine kalte Hand sich auf meine Schulter legte. Vor Schreck fing ich an zu schreien.

 

„Hey, ich bin’s nur! Sehe ich wirklich so Angst einflößend aus?“, lachend legte Freddy seine Arme von hinten um mich. Als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass er als Dracula verkleidet war, allerdings ohne Vampirgebiss. Seine flachsblonden Haare hatte er nach hinten gegelt und zusätzlich mit Mehl bestäubt. „Woher hast du das tolle Kostüm?“, wollte ich wissen. „Das habe ich mir von Shanes Mutter geliehen, sie näht professionell Kostüme für Theater“, erzählte mein Freund. Ich griff nach seiner Hand und zog ihn zum Büfett. Wir wollten uns stärken, bevor die Modenschau anfing. „Ein Hoch auf denjenigen, der dieses tolle Büfett arrangiert hat“, schwärmte er und nahm sich eine Schokofledermaus. Ich goss uns beide eine blutrote Bowle mit Erdbeerstückchen ein. Mit unseren Tellern und Bechern suchten wir uns ein freies Plätzchen.

 

„Sieh mal, wer da ist?“, flüsterte ich ihm ins Ohr und drehte meinen Kopf in die Richtungen von Arabella und ihren Freundinnen. „Die sehen eher aus wie Prinzessinnen oder Fürstinnen?“, murmelte Freddy. „Ich frag mich, was sie auf einer Halloweenparty verloren haben?“, lästerte ich weiter. Eine Mumie wackelte auf uns zu. „Wer das wohl sein mag?“, zupfte mich Freddy am Ärmel. „Ich gehe davon aus, dass ihr mich nicht wisst, wer ich bin“, erkannte ich Amandines Stimme. „Du bist es, Amandine! Dein Akzent ist unverwechselbar“, sagte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Richtig geraten! Die Kandidatin hat hundert Punkte“, lachte die junge Französin und setzte sich neben uns. „Haben die Mädchen dahinten, meine Halloweenparty mit einem Opernball vertauscht?“, warf Amandine einen spöttischen Blick in Arabellas Richtung. „Sieht ganz danach aus!“, kicherte ich hinter vorgehaltenen Händen. „Na, was geht bei euch?“, tippte mich Alex von hinten an. „Nix, wir essen einfach nur ein wenig, bevor die Party richtig los geht“, antwortete Freddy für mich.

 

„Dürfen wir die Jury sein?“, fragte Stella. Hinter ihr standen Lia-Mary, Samantha und Arabella. „Ach was, das geht auch ohne Jury!“, schüttelte Amandine den Kopf. „Dann ist das aber keine richtige Modenschau mehr“, wand Lia-Mary ein. „Machen wir einfach nur Fotos?“, wollte Natascha wissen. Amandine nickte nur. „Darf ich die Fotos machen?“, bettelte Samantha, „Ich fotografiere sehr viel in der Freizeit“ „Wenn du magst?“, gab sich Amandine einverstanden, „Aber die Kamera kriege ich nachher heile zurück!“ „Warum fotografieren wir immer noch mit so einer alten Kamera? Ein Smartphone ist doch viel besser“, bemerkte Samantha, die ihren arroganten Tonfall nicht unterdrücken konnte. „Das ist eine Spiegelreflex, damit kann ich nachher die Bilder am Computer bearbeiten. Ich wollte nachher für jede eine Erinnerungskarte fertig machen“, erklärte ihr Amandine freundlich.

 

Ich bewunderte meine Freundin dafür, dass sie so ruhig blieb. In Samanthas Gegenwart fiel es mir meist schwer freundlich zu bleiben. „Sammy, du machst die Fotos aber nicht alleine!“, bestimmte Arabella. „Wisst ihr was, wechselt euch ab“, meinte Amandine, die nun doch etwas genervt klang. Arabella und Samantha nickten nur. „Kann es losgehen?“, klatschte Amandine in die Hände und forderte ihre Gäste zum Zuhören auf. „Moment mal, wir müssen noch einen Laufsteg bilden“, rief Lars, „Am besten schieben wir die beiden Tische etwas weiter auseinander“ „Wir können doch den langen Teppich auf dem Flur als Catwalk verwenden!“, schlug Tiago vor. „Die Idee ist ziemlich clever!“, fand Natascha und wollte gerade nach draußen eilen. „Hey, wir holen den Teppich schon“, wurde sie von Shane und Tom zurück gehalten. Die beiden Jungs schleppten einen meterlangen Läufer herbei und legten ihn in die Mitte des Raumes. „Gut, wir haben schon einen tollen Catwalk!“, klang Stella begeistert. „Als erstes ist natürlich das Geburtstagskind an der Reihe!“, rief Greta in die Menge.

 

Wir bildeten eine Gasse um den improvisierten „Catwalk“ und Samantha richtete ihre Kamera auf Amandine. Obwohl ihr Mumienkostüm sehr eng an ihrem Körper saß, bewegte sich Amandine sehr elegant fort. Gleich nach ihr drängte sich Arabella an den Start und versuchte es ihr gleich zu tun. Allerdings war in dem Teppich eine winzige Delle, die sie übersah und stolperte mit ihren Heighheels. Kreischend landete sie in Fredderiks Armen. „Hoppla, junge Dame!“, bemerkte er trocken. Oli, Greta, Jenny und paar weitere Schulkameraden brachen in ein hysterisches Kichern aus. „Ihr könnt mich mal!“, schrie Arabella sie an und war den Tränen nahe. „Schade, dass es nicht im Fernsehen war!“, machte Jenny eine schneidende Bemerkung. „Wenigstens war das mal eine fernsehreife Showeinlage!“, witzelte Lars. „Das war die Blamage pur für mich!“, kreischte Arabella. Als sie weglaufen wollte, knickte sie wieder weg und fiel in die Menschenmenge. „Arabella! Alles in Ordnung bei dir?“, kamen Stella, Francis und auch Amandine herbei geeilt. Arabella schluchzte leise und antwortete nicht. „Wir gehen eben in unser Zimmer“, meldete sich Lia-Mary ab und hakte ihre Freundin unter.

 

Ich lief als einer der Letzten über den Teppich. Im Gegensatz zu einigen anderen Mädchen versuchte ich normal zu wirken. Ein Vampirmädchen, das über einen Teppich stolzierte, sah irgendwie auch albern aus. Nachdem sich jeder einmal in seinem Kostüm präsentiert hatte, eröffnete Amandine die eigentliche Party. Dass sie Freddy als DJ engagiert hatte, davon wusste ich nichts. Ich hielt Ausschau nach Oli, Greta und Rosy. Meine Freundinnen hatten sich in die hinterste Ecke des Raumes verkrümelt. „Mögt ihr etwas trinken?“, zog mich Priscilla am Arm. „Gerne!“, nickte ich. Zu fünft schlenderten wir zum Büfett. „Die Geisterbowle ist leider aus“, meinte Matthew, „Aber ich drehe euch gerne noch Cola mit Eiswürfeln in Kürbisform an“

 

„Danke, die nehmen wir auch“, nickte Oli und ließ sich einschenken. Sandrina hatte uns glücklicherweise einen Tisch für uns freigehalten. Einen Moment später zerrten mich meine Freundinnen auf die Tanzfläche, obwohl ich protestierte. „Nun komm schon, du musst Freddy große Augen machen!“, redete Oli auf mich ein. Nur widerwillig folgte ich ihr. Mir fiel auf, wie sie Alex antanzte. Wann die Beiden wohl bekannt geben, dass sie zusammen waren? Endlich ließ sich Freddy von Patrick am Laptop ablösen und steuerte auf mich zu. „Tanz, mein süßes Vampirmädchen!“, forderte er mich auf und schlang seine Arme um meine Taille. 

9. Ein Neuanfang

 

„Super gespielt, Emily!“, lobte mich Debbie, nachdem ich ausgewechselt wurde. Es stand 1:0 für uns. Greta hatte uns vor wenigen Minuten nach einer Flanke von Sandrina in Führung gebracht, die wir beinhart verteidigen mussten. Gegen die Mädchen von der Lincoln-Highschool war dies schon eine Sensation, schließlich waren sie die Hockeyelite. Unser Vorteil war, dass wir zuhause spielten und unsere Fans im Hintergrund hatten. Nur mit dem nötigen Kampfgeist konnten wir verhindern, dass unsere Gegnerinnen ausglichen. Ich war noch nie so viel gelaufen wie heute und hatte noch nie so häufig meinen Gegenspielerinnen den Ball abjagen können. Zehn Minuten vor Schluss ging mir die Puste aus und ich ließ mich freiwillig auswechseln. Obwohl es schon Ende November war, war es noch ziemlich mild. „Du kannst schon duschen gehen“, schickte mich Mr. Jenks in die Umkleidekabine. Freddy winkte mir zu. Er stand mit Shane, Alex, Ivan und Tom am Spielfeldrand.

 

Ich winkte zurück und ging weiter. Ich sehnte mich nach einer warmen Dusche. In der Umkleidekabine riss ich mir meine dreckigen und verschwitzen Sportsachen vom Leib und schlang mir ein Handtuch um meinen Körper. Ich machte Licht in der Dusche. Ich war glücklich, dass ich alleine duschen und die Stille genießen konnte. Die ersten Mannschaftskameradinnen kamen herein. „Habt ihr gewonnen?“, fragte ich. „Nur ganz knapp“, erwiderte Rosy, „Die Gegnerinnen hätten noch drei Tore schießen können, wenn unsere Torfrau nicht so grandios gehalten hätte“ „Hey, was hält ihr davon, wenn wir eine großes Flasche Sekt köpfen?“, rief Debbie. „Ist Alkohol nicht streng verboten?“, fragte Kenny aus dem ersten Jahrgang. „Ach was, ich bin gestern einundzwanzig geworden und außerdem können wir den Sensationssieg wohl gebührend feiern“, widersprach ihr die Mannschaftsführerin und teilte Pappbecher aus.

 

Spätabends rief mich Dad an. „Hi Maus, ich habe weltbewegende Neuigkeiten“, meldete er sich. „Was für weltbewegende Neuigkeiten?“, erwiderte ich und klang perplex. „Pass auf, mit Pat und mir ist es aus“, fuhr er fort, „Es hat zwischen uns einfach nicht mehr gepasst. Letzte Woche ist sie ausgezogen“ „Das hätte ich nie gedacht, dass es zwischen euch nicht läuft“, klappte mir die Kinnlade runter. „Du warst ja auch nicht dabei“, meinte er, „Deswegen hast du nicht mitbekommen, wie wir uns die Köpfe eingeschlagen haben“ Angestrengt kramte ich nach einer Antwort, aber fand nicht die richtigen Worte. „Weswegen ich anrufe, ist viel mehr ein anderer Grund“, sagte Dad nach einer kurzen Pause, „Ich habe mir ein schön hergerichtetes Cottage gekauft, dass in der Nähe von deinem Internat liegt“ „Was heißt das genau?“, hakte ich irritiert nach. „Ich werde in den nächsten Wochen in ein kleines Dorf in der Nähe von Kilblarney ziehen, welches direkt am Meer liegt“, erwiderte er.

 

„Wann ziehst du in das neue Haus?“, fragte ich weiter nach. „Ich wollte kurz vor Weihnachten eingezogen sein“, meinte er. „Was ist überhaupt der Grund, weshalb du unbedingt umziehen willst?“, wollte ich wissen. „Mein Chef meint, ich könnte die Arbeit am Computer machen und müsste höchstens nur noch zweimal im Monat vor Ort sein. Warum soll ich nicht die Chance nutzen, um aus dem Großstadtmief heraus zu kommen? Ich war noch nie ein Mensch, der das Leben in Großstädten gerne mochte. Außerdem möchte ich näher bei dir sein“ „Wieso hast du es mir nicht vorher gesagt?“, nahm meine Stimme einen vorwurfsvollen Klang an. „Eigentlich wollte ich überraschen“, gab er zu. Wieder rang ich mit meinen Worten. „Freust du dich gar nicht, dass wir uns nun jedes Wochenende sehen können und wir die Möglichkeit haben ein Pferd zu halten?“, fragte er mich nach einer Weile. „Wie meinst du das, dass wir ein Pferd halten könnten?“, bohrte ich nach. „Das Cottage hat sogar einen Stall“, erwiderte er.

 

Nachdem wir fast anderthalb Stunden telefoniert hatten, nahm ich ein Buch von meinem Nachttisch, um wieder ein bisschen herunterzukommen. Noch immer war ich zu verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Alison und Isa kamen herein. „Was machst du um diese Uhrzeit alleine hier?“, fragte mich Alison als erstes. „Ich hatte ein langes Gespräch mit meinem Dad. Er will mit mir in ein Cottage ziehen, welches in der Nähe unseres Internates liegt und das auch noch vor Weihnachten“, berichtete ich. Meine Zimmergenossinnen sahen mich ungläubig an. „Was bringt ihn dazu, so plötzlich die Koffer zu packen?“, wunderte sich Isa. „Das wusste ich zuerst auch nicht“, erwiderte ich, „Doch er meinte, er wolle mehr in meiner Nähe sein“ „Wir mussten schon zwei mal in unserem Leben umziehen, weil Dad seinen Arbeitsplatz wechseln musste“, erzählte Alison, „Für uns war das sehr schmerzhaft, weil wir dafür Abschied von all unseren Freunden nehmen mussten“

 

„Weißt du, wir werden nächstes Jahr nach Amerika ziehen“, sagte Isa aus heiterem Himmel“ „Das kann doch nicht wahr sein!“, fiel ich aus allen Wolken. „Das haben wir uns auch gesagt“, meinte Alison, „Ich habe geheult, als Dad mir das gesagt hat“ „Ich auch“, sagte Isa, „Gerade wo wir uns hier richtig wohl fühlen, müssen wir wieder weg“ „Wann zieht ihr genau weg?“, wollte ich wissen. „Schon im Januar und wir sollen an einem amerikanischen Collage unseren Abschluss machen“, musste Alison schlucken. Ich glaubte Tränen in ihren dunkelgrünen Augen zu sehen. „Letztes Jahr wollten wir hier gar nicht erst bleiben“, erinnerte sich Isa. „Genau, wir fanden es hier in den ersten Monaten richtig schrecklich hier und standen auch schon kurz vor dem Absprung. Glücklicherweise hat sich das geändert“, fuhr ihre Schwester fort, „Nach und nach haben wir uns gefügt und richtig gute Freunde gefunden“ „Rosy, Oli, Greta, Sandrina und du, ihr werdet mir sehr fehlen“, seufzte Isa traurig. „Auch die Jungs, die Lehrer und die Pferde werden uns fehlen“, fügte Alison hinzu, „Im Grund werden uns alle fehlen“ „Aber auf Arabella und ihren Hofstaat könnt ihr bestimmt gut verzichten“, lästerte ich.

 

„Na klar, die braucht man nicht rund um die Uhr um sich zu haben“, lachte Isa kurz auf. „Jedes Mal, wenn wir glücklich sind, müssen wir wieder gehen“, schlug Alisons Stimme wieder in Frust um. „Ich bleib zum Glück hier, aber ohne euch habe ich keine Zimmergenossinnen mehr“, klang ich bedrückt. „Ach was, bestimmt werden neue Schülerinnen kommen oder sie packen dich mit jemand anderes in ein Zimmer“, schüttelte Alison den Kopf. „Aber dann möchte ich nicht mit irgendeiner Giftspritze im Zimmer sein“, hoffte ich. „Falls doch, dann hast du immer noch andere Freundinnen“, drehte ich Isa zu mir um. „Mit May und euch verlassen schon drei meiner Freundinnen St. Malory und im Frühling wird auch Amandine gehen, da sie nur Gastschülerin ist“, seufzte ich bitter. „Guck mal, du hast doch immer noch Oli, Rosy, Sandrina, Greta und Freddy“, redete Isa aufmunternd auf mich ein. „Ich weiß“, nickte ich, während ich meinen Laptop hochfuhr. Mein Postfach zeigte an, dass ich neue Nachrichten bekommen hatte. Drei neue Emails: eine von May, eine von Dad und dann eine von Fintan, der sich schon seit Wochen nicht mehr gemeldet hatte. Natürlich nahm ich mir seine Nachricht zuerst vor. Doch da es schon kurz nach Mitternacht war, wollte ich ihm morgen antworten.

 

Hey Emily!

Wie geht es dir? Ich habe von unseren Freunden gehört, dass du dich vor einigen Wochen dich ziemlich heftig am Rücken verletzt hast, als du vom Pferd gefallen bist. Ich hoffe, es geht dir jetzt wieder besser und dass du keine Schmerzen mehr hast. Es ist schade, dass du nicht am Schulturnier teilnehmen konntest. Tut mir leid, dass ich mich länger nicht mehr bei mir gemeldet habe. Momentan habe ich viel zu tun. Nachdem ich meine Erkältung überstanden habe, kann ich wieder trainieren und bin am Wochenende dabei, wenn wir das nächste Spiel haben. Mannschaft kann mich gerade echt brauchen, ohne mich haben sie zwei Spiele verloren und ich bin momentan ihr zweibester Torschütze. Demnächst möchte mich Mom für zehn Tage besuchen kommen. Obwohl ich gerade wenig Heimweh verspüre, vermisse ich meine Familie und euch. Hier in Amerika gefällt es von Tag zu Tag besser. Mittlerweile habe ich viele neue Freunde gefunden und auch mit meiner neuen Gastfamilie läuft es wie am Schnürchen. Erst vor wenigen Tagen haben meine Gasteltern ein polnisches Mädchen aufgenommen. Ihr Name ist Rominta und sie ist erst siebzehn. Ich komme prima mit ihr klar. In den ersten Tagen sprach sie ein sehr stockendes Englisch, was sich nun mehr und mehr gibt.

Sorry, dass ich an dieser Stelle Schluss machen muss, gleich gehen mein Gastbruder Steve und ich zum Kletterkurs, der sehr viel Spaß macht.

Grüß unsere Freunde von mir! Lg Fintan! 

 

Am Wochenende kam Dad wie versprochen, um mir das neue Haus zu sagen. Freddy durfte mitkommen. Es dauerte knapp eine Dreiviertelstunde bis wir in dem kleinen Nest angekommen waren. „Immerhin gibt es hier noch einen Pub und einen kleinen Laden, in dem man das Nötigste bekommt. Aber ansonsten wirkt es sehr verschlafen“, stellte Freddy fest. Dad steuerte auf eine schmale Einfahrt zu, die von hohen Hecken umgeben war. Dahinter kam ein wunderschönes Bauernhaus mit einem prächtigen Garten zum Vorschein. „Na, wie findest du es?“, stupste mich Dad an. „Es sieht richtig hübsch und gemütlich aus“, konnte ich nach meinem ersten Eindruck beurteilen. „Ich sag doch, dass du es lieben wirst!“, zwinkerte er mir zu. Freddy und ich gingen hinter das Haus. „Wow, habt ihr einen großen Garten!“, staunte mein Freund. Die Rasenfläche war von Blumenbeeten und Büschen umgeben. „Da kann man bestimmt ein oder zwei Pferde unterbringen!“, deutete ich auf einen kleinen Stall. „Wollt ihr nicht das Haus von innen gesehen haben?“, rief uns Dad. „Wir kommen schon!“, antwortete Freddy für mich. Im Flur fielen mir zuerst die weißgetünchten Wände und die die schweren Holzbalken an der Decke auf. „Das ist doch fiel gemütlicher als unsere postmoderne Wohnung in London“, meinte Dad und führte uns in ein Wohnzimmer.

 

„Bei weitem“, konnte ich ihm beipflichten. „Wie cool, ihr habt einen Kamin!“, rief Freddy begeistert, „Das erinnert mich an Norwegen. Dort haben auch sehr viele Häuser noch Öfen und Kamine. Wir haben an kalten Wintertagen oft davor gesessen und warme Getränke getrunken, das war immer so schon gemütlich“ „Allerdings fehlen noch Möbel, Teppiche und Geräte“, sagte Dad. Danach gingen wir in mein zukünftiges Zimmer, das immer noch ganz leer war. „Da kommen auf jeden Fall noch dein Bett, dein Schrank, ein Sofa und ein Schreibtisch rein“, versprach mir Dad. Trotzdem mochte ich das Zimmer auf Anhieb leiden. Es war zwar nicht groß, dafür für zumindest hell und einladend. „Wenn Mom das nur sehen könnte, wäre sie am Ende ihrer Träume“, seufzte ich sehnsüchtig. Meine Mom lebte seit drei Jahren nicht, dennoch vermisste ich sie schmerzlich. Von ihr hatte ich meine optimistische Lebenseinstellung, die rotblonden Haare und die blaugrauen Augen geerbt. „Mom wird sich sicherlich für uns freuen und vom Himmel aus, auf unser neues Heim herabschauen“, legte Dad seinen Arm um mich. Freddy tat es ihm gleich. Für einen Moment schwiegen wir, bis Dad uns die anderen Räume auch noch zeigen wollte.

 

Abends wurde ich von meinen engsten Freunden umringt, die alles über das neue Haus wissen wollten. „Du scheinst doch nicht so abgeneigt gegenüber eurem neuen Zuhause sein?“, stellte Greta fest. „Es ist einfach urgemütlich und wir haben total viel Platz. Die Rasenfläche ist so groß, dass wir ohne Probleme ein Pferd halten können, zumal wir sogar noch einen kleinen Stall haben“, erzählte ich begeistert. „Wir wollen ganz und gar nicht umziehen!“, sagte Alison trotzig. „Unsere Eltern schicken uns von hier fort, ohne zu fragen“, verschränkte Isa ihre Arme vor sich. „Was haben eure Eltern dagegen, dass ihr hier weiterhin zur Schule geht?“, machte Oli ein unverständnisvolles Gesicht. „Sie haben Angst los zu lassen!“, zog Alison spöttisch die Augenbrauen hoch. „Wenn meine Eltern so wären wie eure, dann dürfte ich gar nicht hier zur Schule gehen“, mischte sich Alex in unser Gespräch ein. „Ich auch nicht“, fügte Amandine hinzu. „Ich bin mal gespannt, mit wem du dir das Zimmer teilen wirst, wenn Alison und Isa demnächst nicht mehr da sind“, warf Lars ein. „Sie wird hoffentlich genauso nette Zimmergenossinnen wie zuvor“, meinte Rosy. „Ich liebsten wäre es, wenn ich zu dir ins Zimmer käme. Darcy und Stefanie kamen auch ohne mich aus“, raunte mir Oli zu.

10. Eine Tragödie für Rosy

 

Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien fand wie jedes Jahr das Weihnachtsfest statt. Schon am späten Nachmittag gingen wir auf unsere Zimmer, um uns zu stylen. „Ich glaube ich werde verrückt! So bekomme ich diese Frisur niemals hin. Jedes Mal fallen mir die Strähnen wieder raus!“, regte sich Alison über ihre Haare auf. Seit mindestens einer halben Stunde schaute sie sich eine Hochsteckfrisur aus einem Modemagazin ab. „Wie wäre es, wenn du deine Haare erstmal glättest? Schließlich ist es kein Wunder, dass sich deine widerspenstigen Haare nicht frisieren lassen“, gab ihr ihre Schwester den Tipp und hielt ihr Glätteisen hoch. „Ich glätte dir gerne die Haare“, bot ich Alison an und hielt das Glätteisen an ihre Haare. „Lass die Haare ruhig offen, das sieht besser aus“, fand Isa. „Wenn du meinst“, murmelte Alison.

 

„Was ziehst du dir an?“, wandte sich Isa an mich. „Ich kann mich nicht zwischen meinem rotem Strickkleid und meinem dunkelgrünen Cocktailkleid entscheiden“, zuckte ich mit den Achseln. „Nimm das Cocktailkleid“, riet mir Alison, „Im Strickkleid wirst du beim Tanzen einen Hitzeschock erleiden“ „Wird dir in der Kapelle nicht zu kalt werden, wegen der fehlenden Ärmel?“, schaute uns Isa skeptisch an. „Ach was, ich habe so ein weißes Jäckchen, dass sie sich überziehen kann“, sagte Alison und öffnete ihren Schrank. Ich nahm ihr Jäckchen entgegen, welches mir sehr gut passte, da Alison ungefähr genauso groß war wie ich. Erleichtert ließ ich mich auf mein Bett plumpsen. Die Kleiderfrage war zum Glück geklärt. „Sollen wir uns schminken oder lieber doch nicht?“, stellte Isa die nächste Frage in den Raum. „Ich mache es nicht, das ist mir zu viel Aufwand“, schüttelte Alison sofort den Kopf. „Ich werde mich schminken, aber nur ganz dezent“, erwiderte ich.

 

Während wir uns schick machten, klopfte es an der Tür. Eine ratlose Rachel stand im Flur. „Rosy weint und lässt niemanden an sich heran. Darcy, Steffi, Oli und ich wissen nicht, was sie hat“, sagte sie. „Spricht sie gar nicht mit euch?“, fragte ich zurück. „Gerade deswegen wollte ich dich holen, da du ihre beste Freundin bist“, meinte Rachel. „Ich komme gleich, ich muss mich nur noch zuende schminken“, versprach ich ihr und schloss die Tür hinter mir. „Was war denn los?“, fragte Alison. „Rachel hat gesagt, dass Rosy weint und sich von niemanden trösten lässt“, erwiderte ich. „Dann muss wohl etwas Schlimmes passiert sein“, vermutete Isa. „Ich werde mich gleich darum kümmern“, sagte ich und schminkte mich zuende. Leise lief ich zum Zimmer von Rosy und Rachel hinüber. Meine Befürchtungen bestätigten sich. Meine Freundin lag bäuchlings auf ihrem Bett und hatte ihr Gesicht in ihr Kissen vergraben.

 

Rachel warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu. Rosy heulte währenddessen Rotz und Tränen. Schweigend setzte ich mich zu ihr auf die Bettkante und streichelte ihr über den Rücken. „Könntest du uns einen Moment alleine lassen?“, bat ich Rachel. „Ist schon okay“, nickte meine Klassenkameradin. Erst als Rachel gegangen war, richtete sich Rosy langsam auf. Schweigend sah sie mich mit rot verquollenen Augen an. „Erzähl mir, was dir auf dem Herzen liegt. Lass dir so viel Zeit, wie du willst“, sagte ich sanft. „Meine Mom hat vorhin angerufen“, begann meine Freundin mit erstickter Stimme. Wieder schossen ihr Tränen in die Augen und ich gab ihr ein Taschentuch. Geräuschvoll putzte sie sich die Nase. „Unsere Wohnung ist komplett in Flammen aufgegangen und unser Kater ist auch tot“, schniefte sie. „Das muss ja schrecklich sein! Konnte die Feuerwehr nichts mehr machen?“, schluckte ich und nahm sie in den Arm. „Nein, Mom und mein kleiner Bruder waren nicht zuhause. Meine große Schwester studiert in einer anderen Stadt und mein Vater wohnt sowieso woanders, da meine Eltern seit sechs Jahren geschieden sind“, erzählte Rosy mit matter Stimme, „Die Nachbarn alarmierten erst die Feuerwehr, als eine dichte Rauchsäule aus dem Küchenfenster kam. Zwar konnte die Feuerwehr den Brand schnell löschen, trotzdem ist die ganze Wohnung verwüstet“

 

„Hat man schon herausgefunden, wie und wo das Feuer ausgebrochen ist?“, fragte ich nach einer Weile. „Davon hat Mom mir nichts erzählt“, erwiderte sie mit gepresster Stimme. „Wo werden deine Mom und dein Bruder über Nacht bleiben?“, wollte ich wissen. „Wahrscheinlich werden sie bei den Nachbarn übernachten“, murmelte sie und fügte schluchzend hinzu, „Ich kann mir immer noch nicht glauben, dass wir alles verloren haben. Zudem können wir nicht zu unseren Großeltern, weil sie gerade ziemlich krank sind und meine Tante ist zurzeit im Ausland“ „Ich habe eine Idee!“, kam mir ein Geistesblitz, „Ich werde Dad anrufen und ihn fragen, ob er euch für ein paar Tage aufnehmen kann“ „Mach das!“, versuchte Rosy unter Tränen zu lächeln. Ich nahm mein Handy aus der Handtasche und ging zum Telefonieren kurz vor die Tür.

 

„Dad holt uns morgen um zwölf Uhr ab. Dann fahren wir weiter, um deine Mutter und deinen Bruder zu holen. Du musst nur deiner Mutter deswegen noch bescheid sagen“, erzählte ich, als ich mich wieder neben sie setzte. „Weißt du was“, begann Rosy stockend, „Du bist ein richtiger Schatz und dazu die beste Freundin, die man sich vorstellen kann“ „Kein Ding! Es ist selbstverständlich, dass man sich als Freundinnen untereinander hilft, wo es nur geht“, meinte ich. Rosy kamen wieder die Tränen. „Was ist los?“, stupste ich sie seicht an. „Ich bin dir so endlos dankbar“, hauchte sie und wischte sich mit dem Taschentuch über die Augen. Einen Moment saßen wir Arm in Arm nebeneinander und schwiegen. „Wollen wir nicht langsam los?“, stand ich auf. Mittlerweile war es fünf Minuten vor halb Acht. Der Gottesdienst musste schon seit zehn Minuten vorbei sein. Ich hoffte, dass keinem der Lehrer auffiel, dass Rosy und ich nicht anwesend waren. „Ich habe gerade keine große Lust zu feiern“, murrte Rosy, „Mir ist dazu überhaupt nicht zumute!“

 

„Komm schon!“, zog ich sie an den Händen vom Bett hoch. „Ich kann niemals so auf eine Party gehen“, klang Rosy weinerlich, „Ich muss wohl schrecklich aussehen“ „Ach was, das kriegen wir schon hin“, munterte ich sie auf und griff nach ihrem Schminketui. Rosy ging ins Bad und wusch sich ihr Gesicht. „Stell dich vor den Spiegel“, sagte ich und machte mich mit Kayal, Wimperntusche, Rouge und Lippenstift ans Werk. Zufrieden betrachtete ich mein Ergebnis und hätte nie gedacht, dass ich so gut andere Personen schminken konnte. „Soll ich meine Haare so lassen?“, fragte Rosy. „Hm, wie wäre es mit einem Haarreifen oder einem Haarband?“, schlug ich vor. „Von mir aus“, nickte meine Freundin zaghaft.

 

„Wie wäre es mit dem?“, hielt ich einem gezackten Haarreif hoch und schob ihn ihr in die Haare. „Willst du noch etwas mit deinen Haaren machen?“, fragte sie. Ach herrje, er jetzt fiel mir auf, dass meine Haare noch nicht einmal gekämmt waren. „Warte, wie wäre es, wenn ich dir Locken mache? Rachel hat einen Lockenstab. Sie wird uns nicht den Kopf abreißen, wenn ich ihn einmal benutze“, kam Rosy auf die Idee. „Warum nicht?“, nickte ich. „Das mache ich eben bei dir“, sagte meine Freundin, „Setz dich auf den kleinen Hocker. Ich kämme zuerst deine Haare, feuchte sie leicht an und dann mache ich dir die Locken“ Während sie um mich herum wirbelte, machte sie einen viel glücklicheren Eindruck. „Wie findest du es?“, strahlte sie, als sie mich zum Spiegel führte. „Sieht echt klasse“, fand ich und erkannte mich mit Locken kaum wieder.

 

Untergehakt machten wir uns auf dem Weg zur Turnhalle. Schon draußen konnten wir die Musik deutlich hören. „Ich weiß nicht“, blieb Rosy plötzlich stehen, „Soll ich wirklich da rein gehen?“ „Nachdem ich dich gestylt habe, kehrst du wohl nicht wieder um“, zog ich sie am Ärmel. „Na gut, ich geh schon“, murmelte sie und folgte mir. In der Menschenmenge war es alles andere als leicht unsere Klassenkameraden wieder zu finden. „Hey, hier sind wir!“, winkten uns Oli und Greta zu. „Ist alles wieder in Ordnung?“, umarmte Oli Rosy spontan. „Ich muss euch sagen, dass die Wohnung ihrer Mutter bei einem Brand vernichtet wurde“, klärte ich meine Freundinnen auf. „Um Himmels Willen! Wie ist das passiert?“, wurde Greta vor Schreck bleich. „Das weiß keiner“, sagte Rosy mit bebender Stimme und verkniff sich mit Mühe die Tränen.

 

„Fang bloß nicht an zu weinen, sonst verläuft dein schönes Make-up!“, legte Greta ihr den Arm um die Schulter. „Kommt, wir gehen zu unserer Clique!“, zog Oli Rosy und mich mit sich. „Dürfen wir uns erstmal etwas zu trinken holen?“, bremste ich sie. Rosy und ich holten erstmal eine Limonade, bevor wir unseren Weg durch die Menschenmassen bahnten. „Ich habe gehört, dass deine Wohnung abgebrannt ist. Das tut mir so leid für dich“, schloss Sandrina Rosy in die Arme. Offenbar hat sich die Nachricht über den Brand in ihrer Wohnung wie ein Lauffeuer verbreitet. Auch unsere anderen Freundinnen richteten ein paar tröstende Worte an sie. „Soll ich euch noch ein paar Snacks mitbringen?“, bot Oli an. „Oh ja, bring bitte noch einmal Nachos mit“, rief Jenny gegen die laute Musik an. „Ich hätte gerne noch ein paar Cakepops!“, bestellte Lucy. „Das kann ich nicht alleine tragen, da muss noch einer von euch mitkommen“, erwiderte Oli.

 

„Ich hätte gar nicht mehr mit dir und Rosy gerechnet“, kam Freddy auf mich zu und gab mir ein Küsschen. Ich erzählte ihm von dem Brand in Rosys Wohnung. „Oh je, wie konnte das nur passieren?“, entfuhr es ihm sichtlich geschockt, „Das tut mir sehr leid für sie, dass sie kurz vor Weihnachten ihr Zuhause verloren hat“ Ich nickte nur und nahm einen Schluck von meiner Limonade. „Wollen wir eine Runde tanzen gehen?“, zwinkerte er mir zu und zog mich näher an sich heran. „Jetzt noch nicht! Ich will lieber einen Augenblick mit meinen Mädels zusammen sein“, schüttelte ich den Kopf. „Wie wäre es, wenn ich dich einer halben Stunde noch einmal frage?“, meinte mein Freund. „Das schon eher“, nickte ich. Freddy verschwand wieder in Richtung seiner Kumpels. „Der Süßigkeitenexpress ist wieder da!“, rief Oli gutgelaunt und stellte ihre Beute vor uns auf den Stehtisch. „Wow, habt ihr aber viel!“, wurden Sandrinas Augen ganz groß. „Jetzt wird reingehauen!“, grinste Greta und dippte ihren Nachos in einen Kräuterdip.

 

Rosy zögerte einem Moment, bis Oli sie anstupste. „Rosy, du kannst doch wohl unmöglich den ganzen Abend nichts essen“, meinte sie und stopfte sich wieder eine handvoll Chips in den Mund. „Mir ist noch nicht mal nach feiern zumute und Hunger habe ich sowieso keinen“, seufzend ließ unsere Freundin den Kopf hängen. Jenny und Greta tauschten verschwörerische Blicke aus und schlichen hinter unserem Rücken entlang. Urplötzlich überfielen sie Rosy und begannen sie auszukitzeln. „Aaahh! Hört auf!“, quiekte sie. Nun begannen Oli, Amandine und ich mitzumischen. „Ihr seid fies! Wisst ihr das?“, prustete Rosy, die alleine keine Chance gegen fünf Freundinnen hatte. Erst als ihr Lachtränen in die Augen stiegen, ließen wir locker. „Das nennt man Lachtherapie ala Greta!“, feixte Jenny. „Von wegen! Du hattest die Idee!“, drehte sich ihre Freundin zu ihr um. Aus Spaß begannen sie sich zu kabbeln. „Auseinander!“, schritt ich lachend dazwischen. „Wollt ihr euch wirklich wie Kleinkinder benehmen?“, sah Lucy sie stirnrunzelnd an. „Manchmal muss Spaß auch mal sein“, verteidigte sich Greta.

 

„Ist Rosy wieder ein wenig glücklicher?“, erkundigte sich mein Freund, dem ich versprochen hatte, einen Teil des Abends mit ihm alleine zu verbringen. „Wieder besser“, nickte ich, „Nachdem sie von uns eine Kitzelattacke verpasst bekommen hat“ „Ihr seid aber auch gemein“, lachte er und fuhr sich durch seine weißblonden Haare, die er sich seit neustem zu einem trendigen Undercutschnitt hat schneiden ließ. Im nächsten Moment kam der berühmt berüchtigte Paartanz. Vor uns tanzte meine Cousine Priscilla mit einem Typen, der optisch Ähnlichkeiten mit Fintan hatte. Unfreiwillig musste ich an letztes Jahr zurückdenken, wo mich Fintan einfach stehen gelassen hatte, um mit seinen Freunden vor der Turnhalle zu chillen. Deswegen hatte ich damals mit Lucien getanzt. „Hey, träumst du gerade?“, fragte er. „Nur ein bisschen“, gab ich verlegen zu. „Dann hoffentlich etwas Schönes lächelte er. In diesem Moment spürte ich das große Verlangen ihn zu küssen, Freddys Lächeln war das Schönste was gab. Da ich heute im Gegensatz zu sonst auf meine Absatzschuhe verzichtet hatte, hielt ich es mehr als eine Stunde durch mit ihm zu tanzen. Als die Musik irgendwann langweilig wurde, verzogen wir uns an die Bar, wo wir einige unserer Freunde waren. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Rosy angeregt mit Alex, Shane und Tom unterhielt.

11. Ein trauriger Abschied und die größte Überraschung aller Zeiten

„Willst du nicht langsam aufstehen?“, berührte mich Isa an der Schulter. „Wie spät haben wir es denn?“, schreckte ich hoch. „Schon viertel nach zehn“, murmelte Alison, die in Gedanken versunken auf ihren Koffer starrte. „Langsam solltest du auch packen, Emmi!“, meinte Isa. „Leider werden wir für immer packen!“, fügte Alison düster hinzu. Isa ging zum Fenster und sah gedankenverloren nach draußen. Erst als ich näher zu ihr hinging, liefen ihr Tränen über die Wangen. „Ich finde es so schrecklich, dass wir von hier fort müssen, dabei haben wir St. Malory angefangen zu lieben und sind Teil dieser fantastischen Gemeinschaft geworden“, weinte sie und putzte sich geräuschvoll die Nase. „Ich kann dich verstehen, ich würde für keinen Preis dieser Welt diesen fantastischen Ort verlassen“, nahm ich sie in den Arm.

 

„Isa hör endlich auf zu flennen, sonst fang ich gleich auch noch an“, bat Alison, die genauso traurig wirkte wie ihre jüngere Schwester. Mit Mühe beherrschte sich Isa und räumte ihre letzten Kleider aus dem Schrank. „Ich hoffe, du wirst nach uns zwei genauso freundliche Kameradinnen in dein Zimmer bekommen“, blinzelte Alison zu mir herüber und musste schlucken. „Das werde ich sicherlich“, nickte ich, „Vielleicht kann ich wieder mit Rosy und Oli, wenn wir geschickt tauschen“ „Warum können wir nicht auch einfach hier bleiben?“, hauchte Isa und wischte sich mit einem Taschentuch über ihre feuchten Augen. „Weil unsere Eltern uns unbedingt in der Nähe haben wollen!“, ereiferte sich ihre Schwester, „Wieso lassen sie uns nicht selbst entscheiden, wo wir zur Schule gehen wollen? Schließlich bin ich zwanzig und Isa wird Anfang des nächsten Jahres neunzehn“ Schweigend suchten wir unsere letzten Sachen zusammen, die wir in unseren Koffern und Taschen verstauten.

 

Am Frühstückstisch war unsere Laune nicht viel besser. Während die anderen Schüler munter über ihre Ferienvorhaben redeten, saß unsere Clique schweigend am Tisch. „Wenn ich noch daran denke, dass ich euch anfangs überhaupt nicht ausstehen konnte“, brummte Oli und fuhr sich mit ihrer Hand durch das ungekämmte Haar. „Das ist zum Glück Geschichte“, fügte Greta hinzu und legte von hinten ihre Arme um die Burtonschwestern. „Was hält ihr davon, wenn wir noch mal zu den Pferden gehen?“, schlug Rosy vor. „Das müssen wir unbedingt machen, in einer halben Stunde kommen unsere Eltern“, nickte Isa begeistert. Nachdem wir unser Geschirr weggestellt hatten, liefen wir im flotten Tempo zum Stall hinüber. Heute war ein extrem nebliger und nasskalter Tag. Obwohl ich einen dicken Fließpulli trug, begann ich schnell zu frösteln. Vor den Stalltüren wartete bereits Sandrina auf uns. „Na, willst du uns einen deiner berühmt berüchtigten Überraschungsbesuche abstatten?“, begrüßte sie Oli grinsend. „Aber klar doch, schließlich ist heute der letzte Tag von Isa und Alison. Ich wollte mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen ihnen persönlich Tschüss zu sagen“ „Du bist so lieb!“, umarmte Isa sie. „Kommt endlich!“, drängte Alison, „Die Zeit bleibt nicht stehen“

 

Neugierig reckten die Pferde uns ihre Köpfe entgegen. Ich grub in meiner Hosentasche nach ein paar Leckerlis, die ich bis dahin noch an Shamprock verfüttert hatte, da er in letzter Zeit häufig sehr frech war und immer wieder Sperenzien machte. „Ich wünschte, ich könnte für immer hier sein!“, seufzte Isa traurig, während sie sich an Mollys Hals schmiegte. „Wenigstens haben uns unsere Eltern eigene Pferde versprochen, wenn wir in Amerika sind“, brummte Alison. „Immerhin etwas Positives“, meinte Jenny, „Trotzdem wäre ich stinksauer, wenn meine Eltern dauernd über meinen Kopf hinweg entscheiden“ „Versprecht ihr uns eine Karte aus Amerika zu schicken?“, drehte sich Greta zu den Burtonschwestern um. „Aber selbstverständlich tun wir das“, versicherte ihr Alison. „Aber wir ziehen doch erst im Januar um“, fügte ihre Schwester hinzu. „Trotzdem könnt ihr uns bis dahin Emails und SMS schreiben“, meinte ich. „Ihr könnt uns auf jeden Fall besuchen kommen, bevor wir umziehen“, lud uns Alison ein. „Das wird schwierig, da ich in Schweden sein werde“, klang Oli enttäuscht.

 

Noch bevor mein Vater kam, hielt der schwarze Waagen von Isas und Alisons Vater auf dem Hof. Am liebsten hätte ich mir in diesem Moment gewünscht, dass ich die Zeit zurückdrehen konnte. „Da seid ihr ja, meine Mädchen!“, stieg ihre Mutter aus, die trotz ihrer guten Kleidung nicht überheblich wirkte und umarmte ihre Töchter. „Habt ihr schon eure Koffer aus euren Zimmern geholt?“, wollte ihr Vater wissen. „Das haben wir nicht, weil wir gerade mit unseren Freundinnen im Stall waren“, verneinte Alison und ging mit ihrer Schwester in unser Wohnhaus. Oli und ich folgten ihnen, um ihnen beim Tragen ihrer unzähligen Taschen behilflich zu sein. „Ihr seid so tolle Freundinnen gewesen“, schniefte Alison, als wir wieder auf dem Hof angekommen waren.

 

„Wieso waren?“, stupste ich sie an. „Nur weil wir auf zwei verschiedenen Kontinenten leben, heißt das lange noch nicht, dass wir miteinander befreundet sein können“, hielt ihnen Greta entgegen. „Glaubt ihr, dass wir uns noch sehen können, wenn wir erstmal drüben sind?“, sagte Alison mit belegter Stimme und wurde von ihren Tränen übermannt. „Hey, ich besuche euch doch noch“, wurde sie von Sandrina in den Arm genommen. Neben uns begannen auch Oli und Rosy mit den Tränen zu kämpfen. „Dass Abschiede immer so wehtun müssen“, putzte sich Oli ihrer Nase. Als die Burton Schwestern uns zum letzten Mal umarmten, war mir richtig zum Weinen zumute. In Tränen aufgelöst winkten Lucy, Oli und Rosy ihnen solange hinterher, bis ihr Auto in den Nebelschwaden verschwand.

 

„Es sieht aus, als wärt ihr auf einer Beerdigung gewesen“, sagte Dad, als er uns schweigend im Gemeinschaftsraum vorfand. „Nein, wir haben gerade nur zwei Mitschülerinnen verabschiedet, die St. Malory verlassen werden“, erklärte ich ihm. „Ich dachte schon ihr würdet euch gar nicht auf die Ferien und das Weihnachtsfest freuen“, meinte Dad. „Natürlich tun wir das“, versicherte ich ihm und drückte seine Hand. „Wo ist eigentlich Freddy?“, stupste Rosy mich an. „Er musste schon ganz früh los, da er in aller Herrgottsfrühe zum Flughafen musste“, erwiderte ich. Mein Freund war nicht der Einzige, der früh am Morgen aufbrechen musste. Amandine und ihre Tante waren auch schon seit zwei Stunden auf dem Weg nach Frankreich. Da Madame Noire unter Flugangst litt, mussten sie die Fähre nehmen.

 

„So Mädels, wir müssen uns sputen, Rosys Mutter wartet schon auf uns und ich bin wieder einmal spät dran“, blickte Dad auf seine Uhr. Rosy und ich verabschiedeten uns zügig von unseren Freundinnen und den anderen Mitschülern, bevor wir in Dads Auto stiegen und wünschten ihnen ein frohes Fest, sowie einen guten Rutsch. „Ich bin schon sehr gespannt, wie es in eurem neuen Heim aussehen wird“, raunte mir meine Freundin zu, während wir die Landstraße entlang nach Riverview fuhren. „Lass dich überraschen!“, erwiderte ich und checkte die Nachrichten auf meinem Handy. „Habt ihr Lust zu unserem Abschiedsfest am dritten Januar zu kommen?“, öffnete ich eine SMS von Isa. „Was hat sie geschrieben?“, schaute Rosy mir neugierig über die Schulter.

 

„Nur dass die Burton Schwestern uns am dritten Januar zu einer Abschiedsfeier einladen“, meinte ich. „Auf jeden Fall werde ich dabei sein“, strahlte sie über beide Backen, „Unbedingt will ich mich noch mal richtig von ihnen verabschieden“ Dad fuhr vom Highway runter und folgte der Ausschilderung zu der Kleinstadt, in der Rosy wohnte. „Bin ich hier richtig?“, wollte er wissen. „Fahren Sie weiter, Sie steuern direkt darauf zu“, nickte sie. Vor einer Wohnhaussiedlung machte er Halt. Rosy stieg aus und fiel einer zierlichen Frau um den Hals, die ihre Mutter sein musste. Neben ihnen stand ein kleiner aschblonder Junge, der ungefährlich zwölf oder dreizehn sein musste. „Guten Tag, mein Name Jane O’Sullivan und das ist mein Sohn Jim“, stieg Rosys Mutter zu uns ins Auto. „Hallo, ich freue mich Sie kennen zu lernen“, freute sich Dad. Jim sagte kein Wort, als er sich zwischen Rosy und mich auf die Rückbank quetschte.

 

Am späten Nachmittag machten Rosy, Dad und ich uns auf dem Weg. Rosys Mutter und Jim wollten nicht mitkommen, da sie sich ausruhen wollten. „Darf ich fragen, wo wir genau hinfahren?“, fragte ich. „Das wirst du schon gleich sehen“, antwortete Dad ausweichend. „Bitte gib mir einen kleinen Hinweis!“, hakte ich nach. „Hm“, machte er nur und konzentrierte sich weiter den Straßenverlauf der kurvigen Straße. Schon als kleines Kind hatte ich es gehasst, wenn wir meine Eltern Geheimnisse vorenthielten. „Vielleicht soll es eine Überraschung sein“, flüsterte mir Rosy zu. Im nächsten Moment bog Dad auf die Auffahrt eines Hofes ab. „Aussteigen, Mädels!“, riss er beschwingt die Tür auf, nachdem er seinen Wagen geparkt hatte.

 

Ein dunkelhaariger Mann kam uns entgegen und redete mit Dad. Da er sehr leise und etwas undeutlich sprach, verstand fast kein Wort. „Komm Emily, du darfst dir die drei Kandidaten anschauen und sie anschließend Probe reiten!“, forderte mich Dad auf. Erst jetzt realisierte ich, dass wir auf dem Hof eines Pferdezüchters gelandet waren. Mit einem Schlag fühlte ich mich in die Zeit versetzt als Mom noch lebte und wir in Wales wohnten. Damals hatten wir zwei Pferde auf dem Nachbarshof eingestellt, eins gehörte mir und eins Mom. Nach ihrem Tod verkauften wir die Pferde und zogen nach London. Fast zwei Jahre lang hatte ich mich nicht mehr aufs Pferd getraut, bis mein Entschluss feststand in Moms Fußstapfen zu treten. Zum zweiten Mal an diesem Tag traten mir Tränen in die Augen, da diese ganzen Erinnerungen in mir lebendig wurden. „Freust du dich gar nicht, dass du ein eigenes Pferd kriegen sollst?“, fasste mich Rosy am Arm. „Doch, auf jeden Fall!“, versicherte ich ihr mit einem heftigen Nicken. Der Züchter führte uns in eine kleine Reithalle, die direkt neben dem Parkplatz war. Zwei junge Frauen hatten drei Pferde in die Hallenmitte geführt.

 

„Das ist Ron, er ist erst fünf Jahre alt und wurde vor anderthalb Jahren eingeritten“, erzählte mir der Züchter und deutete auf einen Rappen. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus, sofort fuhr Ron mit seinem weichen Maul über meinen Handrücken. „Wenn du magst, kannst du ihn von mir aus eine Runde reiten“, meinte der Mann und hielt den jungen Wallach fest, während ich mich in den Sattel schwang. Sofort spürte ich, dass Ron noch ziemlich ungestüm sein konnte. Auf keinen Fall durfte ich ruckartig an den Zügeln ziehen. Nur eine falsche Bewegung und er brach abrupt zur Seite aus. „Fall bloß nicht runter!“, rief mir Dad zu. „Nein, das tue ich nicht“, schüttelte ich den Kopf und ließ Ron angaloppieren. Im Vollgalopp steuerten wir auf ein Hindernis zu, dem mein Pferd versuchte auszuweichen. Ich musste mich gut festhalten, um nicht in den Sand katapultiert zu werden. Erst im zweiten Anlauf reagierte der Wallach auf meine Schenkelhilfen. „Vielleicht bin ich einfach nur zu verkrampft“, dachte ich insgeheim. Ein fremdes Pferd zu reiten war nicht unbedingt immer einfach. Nach knapp zehn Minuten saß ich wieder ab. „War es gut?“, tickte mich Rosy an. „Auf jeden Fall ziemlich wild“, nickte ich.

 

„Das ist Minny, die mit ihren zehn Jahren sogar schon Turniererfahrung hat“, blieb der Züchter vor einer Grauschimmelstute stehen. Ich tätschelte Minny zur Begrüßung. Irgendwie erinnerte sie mich an das Pferd von Pippi Langstrumpf. Als ich auf ihrem Rücken saß, spürte ich sofort den Unterschied zu Ron. Nicht einmal halb so impulsiv war sie und reagierte viel träger auf meine Hilfen. Erst nachdem ich zunehmend den Schenkeldruck erhöhte, fiel Minny in einen leichten Galopp. Einerseits war sie angenehm zu reiten, doch auf der anderen Seite wirkte sie fast schon wie eine Schlaftablette. Ein Pferd, das Minnys Gutmütigkeit und Rons Elan hatte, wäre genau passend für mich. Zu Guter Letzt zeigte der Mann mir einen Fuchswallach namens Donnie. Schon vom ersten Augenblick an gefiel er mir gut. Irgendwie erinnerte mich der Fuchswallach an mein altes Schulpferd Hermine, die ich noch vor wenigen Monaten geritten bin. Er reagierte sofort auf meine Paraden und Schenkelhilfen.

 

Bereits nach wenigen Minuten konnte ich meine Entscheidung treffen, dass er der Richtige für mich war. „Hast du dich schon entschieden?“, fragte der Züchter, nachdem ich mich mit Donnie auf die Mittellinie stellte. „Ich nehme ihn“, nickte ich lächelnd und schwang mich von Donnies Rücken. „Ich fand, du sahst auf Donnie einfach am besten aus“, lief Rosy auf mich zu. „Auf jeden Fall ließ er sich am besten reiten. Die Chemie zwischen uns beiden ist einfach 1a“, pflichtete ich ihr bei. „Freut mich, dass du das richtige Pferd gefunden hast!“, war Dad glücklich. Zum Abschied tätschelte ich noch einmal Donnies Hals und gab ihm ein Leckerli, das ich in der Westentasche fand. Die drei Pferde wurden nach und nach aus der Halle geführt. „Ich hätte auch so gerne ein eigenes Pferd!“, seufzte Rosy sehnsüchtig. „Warte nur ab, vielleicht erfüllt sich dein Traum schneller als du denkst“, versuchte ich ihr etwas Positives entgegenzusetzen. „Dafür muss ich erst die Schule geschafft haben und eigenes Geld verdienen“, murmelte meine Freundin, die hinter mir auf der Rückbank saß. „Wenn du Glück hast, findest du sogar private Sponsoren“, sagte ich beiläufig. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell für eins der Pferde entscheiden konntest“, meinte Dad.

 

„Schwierig war das nicht“, entgegnete ich ihm, „Schließlich hat mich Donnie an das Pferd erinnert, dass ich die ersten beiden Jahre in St. Malory geritten bin“ In meiner Jackentasche vibrierte es. Huch, wie lange hatte ich nicht mehr auf mein Handy geschaut? Richtig, ganze zwanzig Nachrichten hatte ich noch nicht gelesen. „Wer schreibt dir so viele Nachrichten?“, beugte sich Rosy nach vorne. „Ach, nur unsere Freundinnen aus der Schule und fünf Nachrichten von Freddy, dass er wieder zuhause ist“ Ich scrollte weiter runter, da war noch eine Nachricht von Fintan, die ich völlig übersehen hatte. „Rate mal, wer mir schreibt?“, drehte ich mich grinsend zu Rosy um. „Oli, Greta, May oder Isa?“, überlegte meine Freundin. „Die natürlich auch“, nickte ich, „Aber gerade hat mir Fintan ein Bild von sich in Weihnachtsmannmütze geschickt“, erwiderte ich und hielt ihr mein Handy hin. „Ach wie niedlich!“, grinste sie, „Kann es sein, dass er immer noch nicht ganz über dich hinweg ist“ „Kann schon sein“, murmelte ich und packte mein Handy wieder weg.

 

Vor dem Essen erkundete ich zusammen mit Rosy und Jim die Umgebung. Während Rosy und ich uns angeregt über mein neues Pferd unterhielten, trottelte Jim neben uns her, ohne viel zu reden. „Ist dir schon aufgefallen, dass sich Mom und dein Dad gut verstehen?“, stupste Rosy mich an, während ihr Blick Richtung Küchenfenster wanderte. Tatsächlich standen Jane und Dad nebeneinander am Herd und unterhielten sich sehr lebhaft. Auch während des Essens steckten die Beiden ihre Köpfe sehr eng zusammen und sprachen so leise miteinander, dass wir kaum etwas verstehen konnten. Rosy warf mir einen viel sagenden Blick zu, als wollte sie mir sagen, „Läuft da etwas zwischen den Beiden?“

 

Nach dem Abendbrot verschwanden Jane und Jim in ihr Gästezimmer, Rosy und ich machten es uns auf der Couch vor dem Kamin gemütlich. Dad stand in der Küche und wusch das Geschirr ab. „Hey, wo willst du hin?“, sah Rosy von ihrem Roman auf. „Ich will nur kurz mit Dad reden“, erwiderte ich und schloss die Tür hinter mir. „Dad, etwas zwischen dir und Jane?“, begann ich. „Wie meinst du das?“, sah er mich fragend. „Ob du auf sie stehst?“, fragte ich vorsichtig. „Es ist so“, begann er, „Schon auf dem ersten Blick fand ich, dass sie eine wundervolle Frau ist. Mit ihr kann man sehr gut reden, sie hat ihr Herz auf dem rechten Fleck und ist lange nicht so verzagt wie Pat. Deshalb fühle ich zu Jane hingezogen. Trotzdem kann ich dir nicht sagen, inwiefern es zu einer Beziehungen werden könnte“

12. Zwei Neue

Bereits zwei Tage vor dem Schulstart kehrte ich mit Rosy nach St. Malory zurück. Donnie war bereits schon seit gestern da. Bevor das Springtraining wieder losging, wollte ich ihm ein paar Tage zusätzlich Zeit zur Eingewöhnung geben. Außer Darcy und ein paar anderen Schülern war noch niemand da. Nachdem wir unsere Koffer in unseren Zimmern verstaut hatten, trafen wir Sandrina vor dem Stall. „Hallo, frohes neues Jahr! Wie schön, dass ihr zurück seid!“, begrüßte sie uns stürmisch. „Hallo Sandrina, warst du etwa jeden Tag hier?“, fragte Rosy. „Nicht jeden Tag, aber mindestens jeden zweiten Tag“, erwiderte unsere Freundin, „Umso schöner ist es, dass von Tag zu Tag immer mehr Schüler zurückkehren“ Zu dritt ließen wir uns auf einem Strohballen hinter der Stalltür nieder und erzählten von unseren Ferienerlebnissen.

 

„Sind dein Vater und Rosys Mutter wirklich zusammen?“, machte Sandrina große Augen. „Anscheinend schon, zumindest verstehen sie sich super“, nickte Rosy, „Schon seit Tagen kommt es uns so vor, als seien wir bei Emily eingezogen“ „Aber eine neue Wohnung habt ihr noch nicht, Rosy?“, hakte Sandrina nach. „Noch nicht“, schüttelte unsere Freundin den Kopf, „Wir pendeln immer noch zwischen unseren Verwandten und Emily“ „Hast du schon nähere Bekanntschaft mit Donnie gemacht, Sandrina?“, wechselte ich das Thema. „Natürlich, gestern Abend habe ich zusammen mit Jennifer die Box für ihn zurrecht gemacht und ihn gefüttert“, erzählte sie, „Da hast du dir echt ein Prachtexemplar ausgesucht. Noch nie habe ich hier so einen schönen Fuchswallach gesehen. Bestimmt wird Arabella neidisch sein, wenn sie ihn sieht“ „Ach, vergiss Arabella!“, machte Rosy eine wegwerfende Handbewegung, „Die gönnt noch nicht mal ihren Freundinnen mehr als das was sie hat“

 

Am späten Nachmittag saßen wir mit Patrick, Darcy, Mike und Kevin am Tisch im Gemeinschaftsraum. Die Hausmutter hatte eine Kanne Tee gekocht und eine Platte Kuchen zu unserem Tisch gebracht. „Was gibt es Neues?“, fragte Patrick in die Runde. „Emily hat ein neues Pferd“, platzte es aus Sandrina heraus. „Wirklich?“, drehte sich Darcy mit leuchtenden Augen zu mir um. „Das war Dads Weihnachtsgeschenk“, nickte ich. „Wie heißt es und wie sieht es aus?“, wurde meine Klassenkameradin neugierig. „Er heißt Donnie und ist ein rotbrauner Fuchs“, erwiderte ich. „Darf ich ihn nachher sehen?“, bat Darcy. „Wenn du magst, können wir eben zum Stall hinüber gehen“, schlug ich vor. „Gerne doch“, ließ Darcy ihre Kuchengabel fallen und stand auf. Zu zweit liefen wir im flotten Tempo über den Hof, inzwischen hatte es wieder angefangen zu regnen. Vorsichtig streckte sie die Hand nach Donnie aus. „Du kannst ihn schon streicheln, er beißt nicht“, lachte ich und drückte ihr ein Leckerli in die Hand. „Bist du ihn schon öfter geritten?“, wollte Darcy wissen.

 

„Hier noch nicht, aber Zuhause schon“, nickte ich und fügte hinzu, „Heute Abend habe ich vor ihn hier in dieser Halle zum ersten Mal zu reiten, damit er sich an die neue Umgebung gewöhnt“ „Ich würde gerne mit dir reiten, aber ich habe meinen Eltern fest versprochen, dass ich heute Abend mit ihnen skype. Sie sind wegen einer Geschäftsreise seit gestern in New York“, meinte meine Mitschülerin. „Ich habe vorhin bereits Rosy gefragt, ob sie abends mit mir reitet“, sagte ich, während ich mit meiner linken Hand über Donnies weichen Nüstern fuhr. „Was ist eigentlich der Grund, weshalb du schon ein paar Tage eher wieder hier bist?“, fragte Darcy mich, nachdem wir einen Moment geschwiegen hatten. „Ich will bei Donnie sein, damit ich mich besser um ihn kümmern kann“, antwortete ich. „Irgendwie bin ich froh, dass wieder einige Schüler an Land sind, die ich kenne. Vorgestern war ich mit zwei Erstklässlern ganz alleine. Das war schon ein wenig langweilig. Wann kommen eigentlich deine anderen Freundinnen zurück?“, sagte sie. „Erst übermorgen, schließlich müssen sie teilweise auch von woanders her anreisen“, erwiderte ich.

 

Kurz nach dem Abendessen als ich mit Rosy zum Stall gehen wollte, lief mir Miss Greene über den Weg. „Guten Abend, Emily! Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr! Ich habe Neuigkeiten bezüglich deiner neuen Zimmergenossinnen“, sprach sie mich an. „Wissen Sie auch ihre Namen?“, fragte ich. „Moment mal, ich habe vorhin von Mr. Scott eine neue Klassenliste bekommen“, kramte unsere Klassenlehrerin einen zusammengefalteten Zettel aus ihrer Anoraktasche hervor. „Du wirst mit Gladys Hallogan und Fiona Stuart zwei neue Zimmernachbarinnen bekommen“, meinte Miss Greene. „Gut zu wissen“, murmelte ich. Nachdem wir uns eine gute Nacht gewünscht hatten, gingen wir unsere eigenen Wege. Rosy und ich holten Shamprock und Donnie aus den Boxen. Bevor es ans Reiten ging, putzten wir unsere Pferde bis kein Fitzelchen Dreck an ihnen klebte.

 

Als wir die Reithalle betraten, kam der große Moment. Wie würde sich mein Pferd sich in der neuen Umgebung machen? Ich zögerte nicht lange und schwang mich auf Donnies Rücken. Zur meiner Überraschung zeigte er sich unbedruckt von der neuen Halle und dass Shamprock direkt neben ihm herlief. Donnie hatte einen unheimlich großen Bewegungsdrang, das konnte ich spüren. Kein Wunder, schließlich stand er die ganze Zeit in der Box. Ich brauchte ihn kaum antreiben und schon fiel er in einen gleichmäßigen Galopp. Vor dem großen Spiegel war noch ein niedriges Hindernis aufgebaut. Für ein Pferd wie Donnie war es eine Leichtigkeit, er brauchte nur bei den Galoppsprüngen seine Beine mehr an seinen Körper zu ziehen und schon war er ohne großen Aufwand drüber hinweg. Rosy nahm auf Shamprock die Verfolgung auf, allerdings musste Shamprock zu einem Sprung ansetzen, da er nicht so lange Beine hatte. „Das macht echt Spaß!“, jubelte mir meine Freundin zu. Ich nickte und streckte meine rechte Hand mit dem Daumen nach oben aus.

 

Zwei Tage später begann unser erster Schultag ausgerechnet mit zwei Stunden Französisch. Mme Noire hatte mal wieder kein Erbarmen und ließ uns ein seitenlanges Gedicht analysieren. Über die Weihnachtsferien hatte ich mindestens die Hälfte meines Vokabulars vergessen. „Was kann das nur heißen?“, tickte mich Oli an. „Entweder Fischfang oder Pfirsich?“, rätselte ich weiter. „Das muss Fischfang sein“, raunte mir Shane zu, der rechts von mir saß. „Aber dann macht das ganze Gedicht keinen Sinn mehr“, schüttelte ich den Kopf. „Emily, was gibt es zu bereden? Offenbar bist du schon fertig, also kannst du uns die erste Strophe übersetzen“, stand Mamsell vor meinem Tisch. „Eh, ich bin noch nicht ganz so weit“, stammelte ich verlegen. „Trotzdem kannst du mit den ersten vier Zeilen anfangen“, ließ mir Mme Noire keine Gelegenheit mich zu drücken. „Der Fischfang, so schön und rund! Das Meer so weit und bunt! Grillen singen, die Sonne scheint, der Himmel ohne Wolken! Orangenbäume säumen meinen Gang. Ja, hier am Mittelmeer ist mein Paradies! Wellen laufen und Bäume fallen!“, begann ich verunsichert.

 

„Was trägst du für einen Unsinn vor?“, polterte unsere Französischlehrerin los, „Hätte der Dichter deine Übersetzung gehört, hätte er sich hundertmal im Grabe umgedreht“ „Peche heißt übrigens Pfirsich und chemain ist Weg“, drehte sich Amandine zu mir um und mir einen mitleidigen Blick zu, als wollte sie mir sagen, „Ich hätte dir doch sagen sollen, was die einzelnen schwierigen Wörter bedeuten“ „Ich glaube, wir müssen doch wieder mehr Vokabeln lernen“, richtete sich Mme Noire wieder an die gesamten Klasse. „Na toll, Emily, was du mal wieder angerichtet hast“, tadelte mich Oli scherzhaft. „Das hättest du auch nicht gewusst, Olivia!“, nahm Amandine mich in Schutz. Mitten in der Stunde klopfte es an der Tür und Miss Greene stand im Raum. „Emily, könntest du kurz mitkommen? Deine neue Zimmergenossinnen sind gerade angekommen“, wurde ich von unserer Klassenkameradinnen gebeten. Ohne etwas zu sagen stand ich auf und ging mit ihr auf den Flur hinaus.

 

Im Zimmer von Mr. Scott saßen zwei Mädchen, die unterschiedlicher nicht sein hätten können. Mein Blick wanderte zuerst zu einem hübschen Mädchen mit flammendroten Haaren, die ihr leicht gekräuselt in den Rücken hingen. Ihre blassen grüngrauen Augen waren stark gerötet, offenbar hatte sie gerade geweint. Das andere Mädchen hatte wiederum pechschwarze Haare mit blauen und pinken Strähnen, die es zu einem kinnlangen Bob geschnitten hatte. Bewegungslos musterte sie mich mit ihren steingrauen Augen. Miss Greene stellte die beiden Mädchen für mich vor. Die Rothaarige war Fiona Stuart und die mit den schwarzen Haaren Gladys Hallogan.

 

„Ich bin Emily Dean und werde mir das Zimmer mit euch teilen“, stellte ich mich kurz und gab beiden die Hand. „Emily wird euch beide ein wenig die Schule zeigen“, wandte sich unsere Klassenlehrerin an die beiden neuen Schülerinnen. Ohne zu reden folgten mir Fiona und Gladys. „Das ist der Verwaltungstrakt, in dem wir uns befinden“, begann ich, „Gleich kommt auf der rechten Seite der Versammlungsraum und hinter der Feuerschutztür kommt die Pausenhalle, wo es nach oben zu den Klassenräumen und den Laboren geht“ „Muss ich das wissen?“, schaute Gladys kurz von ihrem Smartphone auf. „Wäre sinnvoll“, entgegnete ich ihr. Schweigend gingen wir weiter, währenddessen sah Gladys kein einziges Mal von ihrem Handy auf. Fiona schien mir auch nicht zu zuhören.

 

Nur mit Mühe konnte ich mir einen Kommentar verkneifen, wie unhöflich ich ihr Verhalten fand. Vielleicht waren sie deswegen noch so verschlossen, da sie erst seit gerade eben hier waren. Keines Falls wollte ich gleich am ersten Tag mit ihnen zu hart ins Gericht gehen und es mir sofort mit ihnen verkrachen, schließlich musste ich mir das Zimmer mit ihnen teilen. „Könnten wir endlich zu unserem Klassenraum gehen? Ich habe keinen Bock hier zwei Stunden herum zu laufen“, meldete sich Fiona zu Wort, die vorher noch keinen Ton gesagt hatte. „Wir können gleich zum Klassenraum gehen, aber vorerst wollte ich euch die Bibliothek zeigen“, erwiderte ich. „Ist das etwa wichtig?“, runzelte Gladys die Stirn. „Du solltest das schon wissen, weil du hier sehr gut für Referate und Klausuren recherchieren kannst“, versuchte ich besonnen zu klingen. „Ach was, ich habe doch meinen eigenen Laptop“, murmelte Fiona. Ich musste mich sehr zurück nehmen, um keine Diskussion über den Gebrauch von Medien anzufangen. Weiterhin zeigten die beiden Mädchen kein großes Interesse, bei dem was ich ihnen zeigte, deshalb ging ich mit ihnen auf dem schnellsten Weg zum Klassenraum zurück.

 

„Bonjour, wir haben zwei neue Mitschülerinnen!“, begrüßte Mamsell die Neulinge überschwänglich. Fiona murmelte ein zaghaftes „Hallo“, während Gladys etwas Unverständliches nuschelte. „Da vorne haben wir noch einen Tisch frei“, deutete Madame Noire auf den Tisch vor unserer Reihe. Wortlos setzten sich die beiden Schülerinnen hin. Fiona holte wenigstens einen Zettel und einen Block aus ihrer Tasche, während Gladys unter ihrem Tisch eine SMS. „Sie darf sich bloß nicht erwischen lassen, sonst kann sie ihr Gerät am Ende des Schuljahres bei Mr. Scott abholen“, schoss es mir durch den Kopf. Was Handys und Tablets anbelangte, beides wurde im Schulgebäude gar nicht gerne gesehen. Wurde hier jemand erwischt, musste man sich auf ziemlich harte Strafen gefasst machen.

            

„Wieso setzen sich die Neuen alleine an einen Tisch?“, stupste mich Rosy während des Mittagessens an, „Kannst du sie nicht fragen, ob sie sich zu uns setzen wollen“ „Klar, versuchen kann ich es“, nickte ich und stand auf. „Wollt ihr euch nicht zu uns an den Tisch setzen?“, fragte ich sie freundlich. „Ne, wir haben es hier hingesetzt und dann müsste ich alle meine Sachen wieder woanders hintragen“, lehnte Fiona ab. Im Hintergrund fingen meine Freundinnen laut an zu lachen, wahrscheinlich hatte entweder Oli, Greta oder Jenny einen Witz gemacht. „Zu euch an den Tisch setze ich mich nicht, dafür sind die mir zu albern. Ich ertrage so ein albernes Gekicher nicht“, erwiderte Gladys schnippisch und spießte eine Tomate mit ihrer Gabel auf. „Wenn ihr nicht wollt, müsst ihr nicht“, zuckte ich mit der Schulter, „Zwingen tun wir hier keinen“ „Wollen die nicht rüberkommen?“, fragte mich Rosy als ich zurückkam. „Ne, offenbar sind wir denen zu albern“, fuhr ich mit gedämpfter Stimme fort. „Ach was, die verstehen bloß keinen Spaß“, brach es ungehemmt aus Oli heraus. „Mensch, schrei nicht so!“, gab ich ihr einen Rippenstoß, „Sie haben es bestimmt gehört“ „Kontaktfreudig scheinen sie nicht gerade zu sein“, stellte Greta fest. „Obendrein wirken sie total steif und dazu noch unfreundlich“, setzte Jenny obendrauf.

 

„Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie finster sie vorhin Mamsell angestarrt haben. Während der ganzen Stunde haben sie kein Wort gesagt. Gladys hat dann auch noch die ganze Zeit auf ihr Smartphone gestarrt“, warf Oli ein. „Das kann ich mir vorstellen, Mamsell kann wirklich ätzend sein, wenn sie ihre Launen hat“, meinte Jenny. „Zu den neuen Schülerinnen war sie heute ausgesprochen nett“, widersprach ihr Oli. „Trotzdem sollten sie ein wenig offener sein und versuchen nett zu sein“, fand Sandrina, „Sonst macht man hier sich echt keine Freunde“ „Nun mal halblang, Mädels!“, versuchte Rosy uns zu beschwichtigen, „Ich weiß, wie sehr es für mich vor fast zweieinhalb Jahren war mich an das Internatsleben zu gewöhnen. Anfangs war ich auch eine Außenseiterin und hatte keine Freunde. Wir müssen mit ihnen Geduld haben, bis sie langsam auftauen“ „Ich will es zumindest versuchen“, murmelte ich, „Große Lust auf Zickereien und Wortgefechte habe ich nicht“ „Ich finde die Schwarzhaarige sieht so aus, als würde sie im nächsten Moment aus der Haut fahren und jeden, der sie falsch anguckt kratzen“, wisperte Oli, „Die Rothaarige wiederum erscheint mir sehr schlecht gelaunt, träge und irgendwas scheint sie zu bedrücken“ „Das habe ich auch gedacht, dass sie irgendwie auch traurig wirkt“, pflichtete ihr Lucy bei. „Gerade deshalb sollen wir zu ihr, aber auch zu Gladys in nächster Zeit besonders freundlich sein“, meinte Amandine, „Besonders wenn sie Heimweh haben. Glaubt mir, ich hatte anfangs auch Heimweh und das war nicht sehr schön. Zum Glück habe ich hier viele neue Freunde kennen gelernt“

 

Da ich meinen Nachmittag mit Donnie und meinen Freunden verbrachte, bekam ich von meinen neuen Zimmergenossinnen nicht viel mit. Nach dem Abendbrot gingen wir in das Zimmer von Greta, Lucy und Jenny, um uns einen Film anzugucken. Erst um kurz nach zehn ging ich wieder in mein eigenes Zimmer. Gladys saß auf ihrem Bett und war mit ihrem Tablet beschäftigt. Von Fiona fehlte jede Spur. Wo mochte sie nur sein? Spontan kam mir die Idee, dass ich kurz nach Donnie gucken konnte. Als ich die Stalltür öffnete, entdeckte ich die Silhouette eines Mädchens im Halbdunkeln, welches auf dem Strohballen saß und seinen Kopf auf die Hände gestützt hatte. Das war Fiona. „Willst du nicht langsam in dein Zimmer gehen?“, fragte ich vorsichtig. „Nein, jetzt noch nicht“, hauchte sie.

 

Erst jetzt sah ich ihr tränenüberströmtes Gesicht. „Was ist los?“, machte ich ein besorgtes Gesicht. „Nichts“, erwiderte sie knapp. Gerade als ich sie trösten wollte, wich sie ein Stück zurück, als wolle sie mir keinen Zentimeter zu nahe kommen. „Fiona, du musst gleich in dein Zimmer gehen“, sagte ich sanft, „Die Nachtruhe hat eigentlich schon vor wenigen Minuten begonnen. Wenn uns die Hausmutter jetzt um diese Uhrzeit erwischt, kriegen wir beide ziemlichen Ärger“ „Ich gehe gleich ins Zimmer“, klang sie gereizt und fügte leise hinzu, „Aber erst, wenn du weg bist“ „Na gut“, murmelte ich. Nachdem ich Donnie eine gute Nacht gewünscht hatte, schloss ich die Stalltür hinter mir. Was um Himmels Willen hatte ich nur getan, wieso Fiona mir gegenüber so abweisend war? Schon den ganzen Tag hatte ich ihr versucht behilflich zu sein, trotzdem kam ich gar nicht an sie heran. Ob es daran war, dass sie von all den neuen Eindrücken überrumpelt wurde?

13. Eine Krise nach der anderen

 

Fiona und Gladys taten sich besonders in der ersten Woche sehr schwer. Beide hatten Probleme sich an den Tagesablauf im Internat zu gewöhnen und kamen im Unterricht nicht besonders gut mit. Besonders in Französisch hatte Mamsell die beiden ewig schlecht gelaunten Mädchen auf dem Kieker, da sie nie ihre Hausaufgaben machten und dem Unterricht mit Desinteresse folgten. Zur Strafe ließ Mme Noire sie Gedichte vortragen oder übersetzen. „Wenn das so weiter geht, bleibe ich hier keinen Tag länger! Ich lasse mich zu nichts zwingen!“, explodierte Gladys. „Gladys, was nimmst du dir gegenüber mir eigentlich aus?“, wurde Mamsell puterrot. „Wollen Sie mich vor der ganzen Klasse blamieren? Ich lese dieses bescheuerte Gedicht jedenfalls nicht vor“, tobte die Schülerin.

 

„Noch ein Wort und ich schicke dich zum Rektor! Auf eine Strafarbeit wegen aufmüpfigen Verhaltens kannst du dich schon mal gefasst machen“, wurde Mme Noires Stimme bedrohlich leise. „Meine Güte, kann sie nicht einfach ihren Mund halten?“, flüsterte mir Oli ins Ohr. „Dann schicken Sie mich doch zum Rektor!“, erwiderte Gladys mit gleichgültiger Miene. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, begann sie das Gedicht vorzulesen. Zwar nicht besonders schön, aber immerhin war ihre Aussprache einigermaßen okay. „Siehst du, es geht doch“, meinte Mme Noire, die eine neue Aufgabe an die Tafel schrieb. „Ich sehe es schon, sie will uns wieder mit irgendwelchen Grammatikübungen quälen“, nuschelte Shane neben mir. Gladys und Fiona, die vor uns saßen, zeigten keinerlei Regung. „Wollen die beiden synchron zu Eissäulen erstarren?“, spottete Oli leise neben mir. Dass Gladys ausnahmsweise ihr Smartphone nicht dabei hatte, wunderte mich beinahe schon.

 

Am nächsten Tag stand der nächste Ärger vor der Tür. Mitten in der Mathestunde erwischte Miss Greene Gladys mit ihrem Handy unter der Bank. „Gib dein Handy her!“, forderte unsere Klasselehrerin. Kopfschüttelnd verstaute Gladys ihr Mobiltelefon in ihrer Tasche. „Ich habe gesagt, du sollst mir dein Handy geben!“, wiederholte Miss Greene. „Nein, das tue ich nicht!“, verschränkte Gladys die Arme vor der Brust, „Das ist immer noch mein Handy und wegnehmen können Sie mir gar nichts!“ „Soll ich Mr. Scott holen?“, drohte Miss Greene. „Gib es ihr doch einfach, Gladys!“, raunte ich meiner Mitschülerin zu. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du blöde Gans! Wie wäre es, wenn du einmal deine Klappe hältst?“, schrie Gladys mir ins Gesicht. „Gladys, es reicht!“, schlug Miss Greene mit dem Lineal auf den Tisch. „Ich lasse mir hier von niemanden mehr etwas sagen, ich habe die Schnauze voll von diesem Sauhaufen“, geriet sie außer sich und zerriss einen Aufgabenzettel. „Gladys, du gibst mir auf der Stelle dein Handy und gehst vor die Tür. Dich möchte ich in dieser Stunde nicht mehr sehen!“ Mit funkelnden Augen legte Gladys ihr Handy auf das Lehrerpult und knallte die Tür hinter sich zu. „Ich glaube, die tickt nicht mehr ganz sauber!“, zischte Oli. „Kein Wunder, dass bald die ganze Klasse nichts mehr von ihr wissen will!“, ereiferte sich Rosy, „So ein Verhalten ist äußerst respektlos“

 

„So macht man sich hier auf keinen Fall Freunde“, meinte Freddy hinter mir. „Vor allem ist es voll daneben Emily so derbe anzuschreien“, schnaubte Amandine verächtlich. „Mich wundert es, dass die Lehrer bisher noch so geduldig geblieben waren. Schließlich benimmt sie sich schon die ganze Zeit wie ein Kleinkind“, meinte Shane. „Ich bin mal gespannt, wann sie endlich von der Schule fliegt“, fügte Oli in einem gehässigen Tonfall hinzu. „Wollen wir sie nicht komplett wie Luft behandeln?“, schlug Darcy vor. „Da bin ich sofort dabei“, pflichtete ihr Oli sofort bei. „Wisst ihr, ich mag Gladys auch nicht besonders gerne. Trotzdem finde ich es nicht fair, dass ihr sie noch mehr ausgrenzen wollt. So wird sie keineswegs freundlicher zu euch werden“, meldete sich Fiona zu Wort, die sonst immer ganz still war. „Ich frage mich sowieso, wieso du noch mit ihr redest“, sagte ich. „Ich weiß selber wie beschissen es ist von Klassenkameraden wie Luft behandelt zu werden“, erwiderte Fiona verärgert und drehte sich abrupt um.

 

„Wisst ihr, wir haben gerade diese Gladys gesehen“, erzählte Greta als wir zum Mittagessen gingen. „Ihr Gesicht war mit Tränen überströmt“, fuhr Lucy fort, „Wir konnten uns keinen Reim daraus machen, was passiert ist“ „Ich kann euch sagen, was passiert ist“, berichtete Oli, „Während des Matheunterrichtes hat Miss Greene sie mit ihrem Handy unter der Bank kassiert und wollte es einkassieren. Gladys hat sich geweigert, worauf Emily gesagt hat, dass Gladys es ihr einfach geben soll. Daraufhin hat Gladys angefangen Emily anzuschreien. Miss Greene hat dann ihr Handy einkassiert und sie aus der Klasse geworfen“ „Recht so! Anders hat es diese arrogante Schnepfe nicht verdient“, schnaubte Jenny. „Ich werde nicht mehr versuchen überhaupt noch freundlich zu ihr zu sein“, beschloss Greta.

 

Hinter uns tauchte Fiona auf, die uns finster anstarrte und wortlos an ihr vorbei ging. „Was ist mit der los?“, wisperte Jenny, „Ist die zum wiederholten Male mit dem falschen Fuß aufgestanden?“ „Keine Ahnung, die ist immer so mürrisch“, meinte Oli. „Du tust mir aber leid mit deinen neuen Zimmergenossinnen“, legte mir Lucy den Arm um die Schulter. „Bisschen Pech habe ich schon“, nickte ich resigniert, „Immerhin habe ich euch und Freddy, daher lässt es sich hier noch aushalten“ „Das muss wohl schlimm sein, bestimmt wird bei euch kein Wort geredet“, vermutete Amandine. „Und wenn überhaupt, dann streiten wir uns“, murmelte ich. „Wieso streitet ihr euch?“, wollte Rosy wissen. „Fiona ist die größte Chaotin auf Erden, während Gladys sehr penibel auf Ordnung und Sauberkeit achtet. Kein Wunder, dass er Streit gibt und ich stehe immer zwischen den Fronten“, erzählte ich. „Oh je, ihr seid ja wirklich eine tolle WG“, grinste Oli ironisch.

 

Am Abend schaute ich mir im Bett die Französischvokabeln noch mal an. Mamsell hatte demnächst vor wieder einen ihrer gefürchteten Vokabeltests zu schreiben. Fiona saß auf ihrem Bett und futterte eine Tüte Nachos leer, die sie auf den Boden warf. „Werf deinen Müll gefälligst in deinen Papierkorb!“, herrschte Gladys sie an. „Mach ich doch gleich“, erwiderte Fiona mit vollem Mund. „Das machst du sofort!“, sprang Gladys von ihrem Bett auf und zeigte mit dem Zeigefinger auf die Nachotüte. „Meine Güte, musst du immer so kratzbürstig sein?“, fuhr Fiona sie an. „Ganz ehrlich, wenn du auf den ganzen Naschkram und diese ganzen Süßigkeiten verzichten würdest, dann hättest du sicherlich fünf bis zehn Kilo weniger auf den Rippen und die Schulpferde würden weniger unter deinem Gewicht nicht so ächzend“, fuhr Gladys in einem gehässigen Tonfall fort. „Muss jeder so eine gertenschlanke Tussi sein wie du?“, giftete Fiona sie an. „Ich kann dir ganz genauso sagen, wer später einen Kerl abkriegen wird und wer nicht“, zischte Gladys. „Willst du mir sagen, dass ich zu fett sei einen Freund abzukriegen!“, wurde Fiona laut und sprang auf.

 

„Jetzt reicht es aber mit euren ewigen Streitereien!“, rief ich ungehalten, „Nie kann ich in Ruhe lernen, weil ihr euch dauernd in die Haare kriegt“ „Misch du dich auch noch ein!“, schnaubte Gladys in meine Richtung. „Ich darf mich einmischen wann ich will. Ist dir das klar?“, spuckte ich ihr die Worte ins Gesicht. „Igitt, du sabberst ja! Du bist genauso widerlich wie die andere rothaarige Ziege. Anscheinend sind Menschen mit roten Haaren allgemein nicht besonders hygienisch“, wich Gladys angewidert zurück. „Jetzt sag nichts gegen Rothaarige“, erwiderten Fiona und ich im Chor. „Wisst ihr was, ich gehe jetzt duschen“, beschloss Gladys und schloss die Badezimmertür geräuschvoll hinter sich. „Es ist halb elf. Willst du dich jetzt ernsthaft noch duschen?“, zog ich die Augenbrauen hoch. „Ich lass mir nicht vorschreiben, wann ich mich zu duschen habe“, fuhr Gladys mich an und knallte die Badezimmertür hinter sich. Gedankenlos feuerte Fiona eine ihrer geringelten Socken auf den Boden. „Ein wenig sorgfältiger könntest du schon sein, da hat Gladys nicht ganz unrecht“, sah ich meine Zimmergenossin ein wenig vorwurfsvoll an. „Jetzt fang du nicht auch noch mit dem Gemecker an“, brummte sie beleidigt und versteckte ihr Gesicht hinter einem Buch.

 

„Hey, warum bist du eigentlich so müde?“, stupste mich Oli am nächsten Morgen am Frühstücktisch an. „Weil Gladys gemeint hat, sie könnte sich um kurz vor Mitternacht die Haare föhnen und anschließend noch mit ihrem MP3-Player Musik zu hören“, gähnte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Das ist aber wirklich rücksichtslos“, fand Rosy. „Hast du mit ihr schon darüber gesprochen?“, fragte Greta, „Denn mit solchen Leuten lässt es sich in einem Zimmer kaum aushalten. Vor allem wenn man solchen ignoranten Zimmergenossinnen zu wenig schläft“ „Wisst ihr was?“, raunte ich meinen Freundinnen im Flüsterton zu, „Ich habe den Eindruck, dass weder Gladys noch Fiona sich dem Lebensrhythmus von St. Malory nicht fügen wollen. Beide denken, dass sie sich so wie zuhause verhalten können“ „Kein Wunder, schließlich ist die eine sturer als die andere“, meinte Oli.

 

„Ich kenne die beiden nur vom Sehen, trotzdem machen sie keinen besonders freundlichen und aufgeschlossenen Eindruck“, war Jenny der Meinung. „Wisst ihr, was mir gerade durch den Kopf geht?“, warf Rosy ein. Neugierig guckten wir von unseren Tellern auf. „Als ich vor einigen Jahren neu war, hatte ich anfangs auch einige Probleme gehabt. Damals war ich einige Wochen total alleine und hatte keine Freunde. Es hat mich unglaublich verletzt, als ich zu spüren bekam, dass niemand mit mir etwas zu tun haben wollte und einige mich nur die Streberin genannt haben. Nur die Pferde und das Reiten hatten mich motiviert hier zu bleiben, sonst hätte ich nach wenigen Tagen auch meine Koffer gepackt. Egal wie unfreundlich Gladys und Fiona sind, wir sollten ihnen zwischendurch immer wieder eine Chance geben“, fuhr sie fort. „Eigentlich hast du Recht“, erwiderte Oli verlegen, „Aber auf der anderen Seite habe ich langsam die Geduld mit ihnen verloren. Wie viele Chancen soll ich ihnen noch geben?“

 

Nach dem Mittagessen hatten wir zum zweiten Mal den Biologiekurs, den wir freiwillig belegen konnten, um Noten in anderen Fächern auszugleichen. Aus unserem Jahrgang nahmen knapp zehn Schüler teil, darunter Rosy, Greta und ich. „Für heute habe ich ein interessantes Experiment vor“, eröffnete Mrs. Gent die Stunde, „Ihr habt doch bestimmt schon einmal im Unterricht besprochen, wie die Fotosynthese abläuft“ „Hatten wir schon letztes Jahr“, brummte Greta leise und kritzelte eine Blume auf ihren Collageblock. Während der Vorbesprechung hörte ich nur mit dem halben Ohr zu, mein Blick fiel auf Fiona, die eine Reihe vor uns saß. Ein Wunder, dass sie an einem Kurs teilnahm, der freiwillig war. Sonst schätzte ich sie eher als faul und unmotivierbar ein. „Nicht träumen!“, stieß mich Greta leicht in die Seite.

 

Nachdem Mrs. Gent die Anweisungen für das Experiment ausgeteilt hatte, bildeten wir Zweier- und Dreiergruppen und gingen zum Labor für Naturwissenschaften rüber. Nachdem wir uns fachgerecht gekleidet hatten, durften wir die entsprechenden Gerätschaften und Chemikalien aus den Schränken holen. „Wir hatten die Flasche mit dem Kaliumhydrogencarbonat als erstes“, beschwerte sich Fiona. „Ach stell dich nicht so an, du kriegst die Flasche schon früh genug!“, pflaumte Greta sie von der Seite an. Mit beleidigter Miene schnappte sich Fiona die Flasche mit der Lösung und verschwand damit an ihrem Platz. „Was für eine Egoistin!“, schnaubte Greta. Rosy und ich lächelten gequält. „Bloß kein Streit um die Geräte und Chemikalien“, rief Mrs. Gent, die auf die kleine Zankerei aufmerksam geworden war. Rosy ging noch mal die Materialliste durch. „Wir haben die Wasserpflanze vergessen“, stellte sie fest. 

 

„Ich geh eben die Pflanze holen“, stand ich auf und ging zum Lehrerpult. Die Tüte, in der die Wasserpflanzen drin gewesen waren, war inzwischen leer. „Haben Sie noch mehr Pflanzen?“, fragte ich Mrs. Gent vorsichtig. „Leider nein, aber frag doch mal die anderen Gruppen, die werden dir bestimmt etwas davon abgeben“, schüttelte die Biologielehrerin den Kopf. Zuerst probierte ich es bei Matthew und Mike. „Tut uns leid, wir haben auch nur ein kleines Fitzelchen von der Pflanze abbekommen“, sah mich Matthew schulterzuckend an. „Frag doch Fiona, die hat die mindestens die halbe Tüte mitgenommen“, meinte Mike. Selbstbewusst schritt ich auf den Tisch zu, an dem Fiona zusammen mit Francis und Lia-Mary arbeitete. „Könnt ihr uns ein Drittel der Pflanze abgeben?“, bat ich. „Wir brauchen alles von der Pflanze“, erwiderte Fiona schroff. „Wir haben aber gar nichts! Wenn ihr uns nichts abgebt, können wir den Versuch nicht machen“, protestierte ich. „Dann frag doch gefälligst die anderen anstatt uns auf die Nerven zu gehen“, erwiderte meine Zimmergenossin unfreundlich. „Wie dreist bist du eigentlich?“, wurde ich langsam wütend, „Angeblich hast du fast die ganze Wasserpflanze mitgenommen“

 

„Na gut, das bekommst und mehr nicht“, funkelte mich Fiona böse an und riss zwei Strunken von ihrer Pflanze ab. „Vielen Dank!“, erwiderte ich mit zusammengepressten Zähnen und drehte mich auf der Stelle um. Was erlaubte sich diese blöde Pute nur! Nicht nur, dass sie faul war, darüber hinaus war sie eine Egoistin wie sie im Buche stand und benahm sich dazu noch wie ein bockiges kleines Kind. „Na, offenbar konntest du noch ein paar mickrige Pflanzenteile erkämpfen“, sah mich Greta mitleidig an. „Wenn Fiona sich weiterhin so verhält, indem sie alle Materialien bunkert, werde ich mich bei Mrs. Gent beschweren“, raunte uns Rosy zu. „Hoffentlich werden wir noch rechtzeitig fertig, nachdem wir diesen ganzen Stress mit Fiona haben“, zweifelte Greta, während sie den Versuch aufbaute. Ich brachte währenddessen die Lampe, mit der die Pflanze bestrahlt werden sollte, in Position und stellte das pH-Meter richtig ein. „Wisst ihr, ich dachte eigentlich, dass Fiona gar nicht so unfreundlich ist“, fuhr Greta im Flüsterton fort. „Nett war sie noch nie, vor allem lässt sie niemanden an sich heran“, brummte ich, während ich mir den ersten pH-Wert notierte.

 

Am Abend beschloss ich Donnie zu satteln und bis kurz vor der Nachtruhe ein Extratraining einzulegen. Meine Lust mit Fiona und Gladys auf einem Fleck zu hocken war äußerst gering. Warum mussten Isa und Alison nur in die USA ziehen? Schon seit Wochen meldeten sie sich nicht mehr, genauso wie May. Offenbar fühlten sie sich in ihren Schulen pudelwohl, hatten neue Freunde gefunden und brauchten uns scheinbar nicht mehr. Tolle Freundinnen! „Warum muss ich mir ausgerechnet mit den zickigsten Mitschülerinnen das Zimmer teilen?“, seufzte ich leise. Donnie, der ein guter Zuhörer war, stupste mich seicht mit seinem samtweichen Maul gegen das Kinn. Er schnaubte leise, als wollte er mir sagen, „Kopf hoch, jeder hat mal einen schlechten Tag. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus“

 

„Ach, wenn ich dich nicht hätte!“, fiel ich ihm um den Hals. Manchmal konnten Pferde viel bessere Tröster sein als meine menschlichen Freunde. Als ich mit ihm die Halle betrat und mich auf seinen Rücken schwang, spürte ich sofort seinen unermüdlichen Bewegungsdrang. Schon als ich ihn leicht den Schenkeldruck erhöhte, verfiel er in einen leichten Trab, welcher nach einer halben Runde in einen leichten Galopp überging. Zu meiner Überraschung entdeckte ich Fiona an der Hallentür. Was machte sie bloß hier? Spionierte sie mir etwa nach? Ich parierte Donnie durch zum Schritt und ritt auf sie zu. Wie der Blitz war meine Zimmergenossin wieder verschwunden. Erst gaffen und dann wegrennen, sehr komisch! Ich beschloss mich wieder voll auf Donnie zu konzentrieren und seiner Lauffreude freien Lauf zu lassen.

 

14. Abschiedsfeier und neuer Ärger

 

Die Wochen vergingen wie im Flug, Klausuren wurden geschrieben und jeder arbeitete an seiner Hausarbeit, die wir vor den Osterferien abgeben mussten. Das Näherrücken von Ostern bedeutete auch, dass Amandines Zeit bald schon vorbei war. Inzwischen war sie eine richtig gute Freundin gefunden. Schon der Gedanke, dass sie nach den Ferien nicht mehr da sein würde, ließ mich melancholisch werden. „Wenn wenigstens diese hinterhältige Gladys und diese griesgrämige Fiona unsere Schule verlassen würden, anstatt Amandine“, meinte Oli während des Nachmittagtees. An Gladys und Fionas Situation hatte sich immer noch nichts gebessert. Ganz im Gegenteil! Gladys war immer noch auf Konfrontationskurs mit der gesamten Klasse und den Lehrern. Fiona hatte immer noch ihre miese Laune und sprengte letztens einen Kinoabend, weil sie unbedingt einen Film sehen wollte.

 

„Wisst ihr, mittlerweile habe ich auch den Kaffee auf von ihnen“, sagte Rosy beiläufig, während sie sich Tee einschenkte. „Das ist mal ein Wunder, dass unsere harmoniesüchtige Rosy die Schnauze voll hat“, bemerkte Greta. „Ich glaube nicht, dass sich das noch mit denen bessern wird“, seufzte ich. „Ich wollte euch eins sagen“, blieb Arabella mit Stella und Lia-Mary und Stella an unserem Tisch stehen. „Seid vielleicht mal ein wenig freundlicher zu euren neuen Mitschülerinnen“, fuhr Lia-Mary im schnippischen Tonfall fort. „Wer soll hier freundlicher zu wem sein? Wir zu Gladys und Fiona?“, erwiderte Oli pampig. „Kein Wunder, dass sie sich so unwohl fühlen, wenn ihr sie so aus eurer Klassengemeinschaft ausgrenzt“, setzte Stella obendrauf. „Wisst ihr was, ihr braucht euch da gar nicht einzumischen“, brauste ich auf, „Gladys und Fiona wollen von sich aus nichts mit uns zu tun haben“ Eingeschnappt verkrümelten sich die drei ungebetenen Gäste wieder.

 

„Ach herrje, Donnerstag ist schon mein letzter Tag“, klang Amandine bedrückt. „Auf jeden Fall müssen wir noch eine richtige Abschiedsfeier für dich organisieren“, legte ihr Oli freundschaftlich den Arm um die Schulter. „Ich bin dabei“, sprang Greta auf, „Ich werde mich um Süßigkeiten und co kümmern“ „Hey, wollen wir nicht die Party planen, wenn Amandine nicht dabei ist“, bremste ich meine Freundinnen, „Schließlich soll es eine Überraschung werden“ „Der Meinung bin ich aber auch“, nickte Amandine und betonte ihren französischen Akzent, den sie mittlerweile schon gut abgelegt hatte. Nur einige Worte sprach sie stattdessen immer noch sehr französisch aus. Rosy geleitete unsere französische Freundin zur Tür hinaus. „Pö! Wenn ihr mich nicht haben wollt!“, mit gespielter Empörung zog sie einen Schmollmund, was uns kurzzeitig zum Lachen brachte. „Ich weiß schon, was mir fehlt, wenn sie nicht mehr hier ist“, murmelte Oli nachdenklich. „Du meinst garantiert ihre gute Laune“, schnitt ihr Greta das Wort ab.

 

„Klar, das auch“, nickte Oli, „Findet ihr nicht auch, dass Amandine manchmal ziemlich lustig ist?“ „Irgendwie schon, ich mag ihre Art und dieses typische Französische an ihr“, sprach Rosy aus, was jede von uns dachte. „Was hält ihr davon, wenn ihr nicht irgendeine langweilige Party feiern wie jede andere auch, sondern eine französische Party feiern“, schlug Sandrina vor. „Das ist es!“, begannen Jennys Augen an zu leuchten, „Es muss auf alle Fälle französische Musik und französische Leckereien geben“ „Ich kenne ein gutes Rezept für Gateau au chocolat“, meldete sich Lucy zu Wort. „Crepes dürfen wir auch nicht vergessen!“, rief Jenny dazwischen. „Wen sollen wir eigentlich alles einladen?“, kam Oli der Gedanke, „Nur unseren Freundeskreis oder der gesamte Jahrgang“ „Ausnahmsweise bin ich dafür, dass wir alle einladen“, war Greta der Meinung, „Schließlich sollte jeder die Gelegenheit haben sich von ihr zu verabschieden“ „Vielleicht alle bis auf Gladys und Fiona, die eh nicht kommen werden“, fügte Jenny in einem gehässigen Ton hinzu. „Aber du kannst sie auch nicht ausladen“, widersprach ihr Rosy, „Das werden sie uns dann erst recht übel nehmen“

 

„Wie wäre es, wenn wir ihnen einfach nicht bescheid sagen“, warf Oli ein. „Trotzdem werden sie mitkriegen, dass unten im Gemeinschaftsraum der Bär steppt und unter Umständen nachschauen, was los ist“, entgegnete ich ihr. Freddy kam mit Lars, Alex und Patrick herein. „Na, was besprecht ihr gerade? Stören wir gerade euren Mädchenrat?“, legte er von hinten seine Hände auf meine Schulter. „Ach, wir besprechen nur Amandines Abschiedsfest“, erwiderte ich. „Ach ja, Donnerstag ist ihr letzter Tag“, erinnerte er sich. „Wir haben noch einen Punkt vergessen“, schnippte Sandrina mit ihrem Zeigefinger, „Ein passendes Abschiedsgeschenk unserer Clique“ „Da hätte ich auch schon eine tolle Idee“, rief Lucy begeistert, „Wir könnten ihr eine Tasse schenken, auf der wir alle unterschreiben“ „Prima, einen feuer- und wasserfesten Stift habe ich sogar“, nickte Rosy. „Ich habe sogar noch eine Tasse mit einer Rose drauf, die ich nie benutzt habe“, meinte Greta.

 

In den letzten Tagen vor Amandines Abschiedsfest liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Meine Freundinnen und ich kauften in der Stadt alle Zutaten, Getränke und Lebensmittel ein. Freddy und seine Kumpels wollten auf Alex Laptop die Musik zusammenstellen. Genau zwei Tage vorher wollte ich meine Hausarbeit, die ich im Fach Biologie schrieb, überarbeiten und komplett fertig stellen. Als ich das Dokument öffnete, traf mich der Blitz. Zeilen waren gelöscht worden, das Fazit am Schluss fehlte ganz und zwischendrin waren komplett schwachsinnige Wörter eingefügt worden. Sicherlich hatte entweder Gladys oder Fiona ihre Finger im Spiel, im schlimmsten Fall sogar beide. „Was mache ich nur?“, war ich total aufgeschmissen. In zwei Tagen musste ich die Arbeit bereits schon abgeben.

 

Na warte, wenn ich die beiden Ziegen zu fassen bekam! Meine Verzweiflung schlug immer mehr in Wut um. Die Tür ging auf und Gladys trat ein. „Was fällt dir eigentlich ein dich an meinem Laptop zu vergreifen und an meiner Hausarbeit herum zu pfuschen?!“, entlud sich mein ganzer Ärger an ihr. „Pass auf, Emily! Solche widerwärtigen Dinge tue ich nicht. Schon gar nicht gehe ich an die Sachen anderer Leute“, erwiderte sie ruhig und schaute mir dabei in die Augen. Irgendwie glaubte ich ihr. Wieso ich das tat, wusste ich nicht. „Dann muss es Fiona gewesen sein“, schnaubte ich. „Das kann man ihr zutrauen“, nickte Gladys, „Ich habe sie erst letztens dabei ertappt, wie sie heimlich in unseren Nachtischschubladen nachgeguckt hat“ „Sowas Abartiges tut sie?“, erwiderte ich geschockt. „Ich hätte dir schon viel früher sagen können, dass Fiona eine kleine Schnüffelnase ist“, meinte meine Zimmergenossin. Nachdem sie ihre Hose gewechselt hatte, ging sie wieder raus. Verzweifelt stützte ich mein Gesicht auf den Händen. Es fehlte nicht viel und ich hätte fast angefangen zu weinen. Wer tat nur sowas Hinterhältiges oder wozu überhaupt? Vor allem wie konnte ich nur so naiv sein und meinen Laptop nicht mit einem Passwort zu schützen? Einfach unfassbar!

 

Wieder klopfte es an der Tür. „Hast du Lust auf eine Partie Tischtennis?“, hörte ich Gretas Stimme. „Nein!“, brummte ich und drehte mich in Zeitlupe um. „Hey, was ist denn los? Wieso ist deine Laune so im Keller?“, tauchte Oli hinter Greta auf. „Seht es euch doch selbst an“, erwiderte ich schlecht gelaunt. „Jetzt fängst du aber an in Rätseln zu besprechen“, meinte Greta, „Wir wissen doch gar nicht, was los ist“ „Jemand hat sich heimlich an meinem Laptop geschlichen und meine Hausarbeit verändert“, knurrte ich. „Wer macht denn sowas?“, entfuhr es Oli schockiert. „Bestimmt waren es Gladys und Fiona“, fasste Greta einen ersten Verdacht. „Hey, wo bleibt ihr eigentlich?“, kam Rosy ins Zimmer gelaufen. „Wir werfen gerade einen Blick auf Emilys verhunzte Hausarbeit“, murmelte Oli. „Wie bitte?“, machte Rosy ein ungläubiges Gesicht. „Sieh doch selbst!“, nuschelte Oli und rückte ein Stück zur Seite. „Das gibt es doch gar nicht! Wie konnte das passieren?“, rang unsere Freundin nach Worten. „Fast ein Drittel meiner Arbeit wurde gelöscht und dazu ziemlich viel Mist zwischendrin eingefügt“, jammerte ich. „Auf jeden Fall helfe ich dir die Arbeit wieder hinzukommen“, versprach mir Greta und legte ihre Hand auf meinen Arm. Auch Rosy und Oli versprachen mir sofort ihre Mithilfe.

 

„Wolltet ihr nicht mehr spielen?“, platzte Sandrina herein. „Nein, wir haben gerade ganz andere Sorgen“, schüttelte Oli den Kopf, „Emilys Hausarbeit wurde verändert und zum Teil gelöscht“ „Das kann doch nicht wahr sein! Wer tut sowas?“, entfuhr es Sandrina. „Nun versuchen wir zu viert es wieder einigermaßen hinzubiegen“, meinte Rosy. „Soll ich auch helfen?“, fragte unsere Freundin hilfsbereit. „Nicht nötig“, lehnte ich ab, „Wenn wir zu viele sind ist das auch nicht so produktiv“ „Okay, dann hoffe ich mal, dass ihr es schafft Emilys Hausarbeit zu retten“, ging Sandrina wieder in Richtung Tür. Eifrig studierten Rosy und Greta alle sämtlichen Bücher durch. Oli machte sich Notizen und ich füllte die Lücken wieder mit Wissen. Zwischendrin wechselten wir uns ab. Nach zwei Stunden qualmten uns die Köpfe. „Zur Hölle mit deinen neuen Mitbewohnerinnen!“, schimpfte Oli. „Das waren zwei Monate Arbeit fast umsonst“, klagte ich. „Deinen Zimmergenossinnen verpassen wir heute Abend eine richtig kalte Dusche“, flüsterte mir Greta ins Ohr.

 

„Von mir aus gerne, aber dann bitte mit riesigen Kübeln und Eiswasser“, wurde meine Stimme bedrohlich leise. „Mädels, es bringt nichts, wenn ihr euch die ganze Zeit ereifert!“, sagte Rosy genervt, „Wir müssen heute noch fertig werden und gleich gibt es schon Abendbrot“ „Ach, ich habe kein Hunger, bin immer noch satt vom Mittagessen“, murmelte Greta. „Na gut, dann schreiben wir den ganzen Abend durch“, meinte Rosy und setzte sich wieder aufrecht hin. Während wir stundenlang über Sachbücher und Internetseiten brüteten, verstrich die Zeit blitzschnell. Als ich auf die Uhr schaute, war es schon viertel nach neun. Langsam fing mein Magen an zu knurren. Bald brauchte definitiv etwas Essbares. „Gleich sind wir fertig, aber dazu fehlt uns nur noch der Schluss“, warf Rosy einen zufriedenen Blick auf ihr vollendetes Kapitel. Zaghaft klopfte es an der Tür. „Hoffentlich sind es nicht Gladys und Fiona“, raunte Greta. „Wir sind es nur!“, öffnete Lucy die Tür, die ein großes Tablett mit Keksen und einer Kanne Kakao in der Hand hielt.

 

Hinter ihr standen Jennifer und Amandine. „Wir wollen euch nur eine kleine Stärkung bringen, falls wir nicht zu unpassender Zeit kommen“, sagte Amandine und ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr pausbackiges Gesicht. „Ach was, ihr stört nicht“, brummte Oli, „Kommt rein und setzt euch“ Zu siebt hockten wir uns auf mein Bett. „Danke, dass man so tolle Freundinnen hat wie euch“, strahlte ich und ließ mir von Lucy warmen Kakao einschenken. „Wie weit seit ihr inzwischen?“, erkundigte sich Jenny. „Fast fertig, nur der Schluss fehlte noch“, meinte Rosy. „Trotzdem würde ich nur zu gerne wissen, wer es gewesen ist“, zischte ich. „Hm, schwierige Frage“, grübelte Oli laut, „Zutrauen würde ich es aber beiden“ „Da ihr keine Beweise habt, könnt ihr konkret niemanden beschuldigen“, war Lucy der Meinung und strich eine dunkle Locke zurück. „Dennoch werden beide einen Einlauf von mir kriegen“, fuhr ich trotzig fort, „Naja, Gladys hat meine Meinung schon zu hören bekommen und sie behauptet, dass sie es nicht gewesen ist“ „Glaubst du dieser Schnepfe etwa?“, hakte Greta nach. „Ich weiß nicht, aber irgendwie erweckte sie den Eindruck, dass sie es wirklich nicht getan hat“, seufzte ich, „Daher tendiere ich dazu, dass Fiona es getan hat“

 

Kurz vor elf fuhren wir meinen Laptop runter und meine Freundinnen wünschten mir gute Nacht. Juhu, wir hatten es zu viert tatsächlich geschafft! Freddy kam noch einmal kurz zum Kuscheln vorbei. Meine Güte war ich froh, dass ich ein paar richtig gute Freundinnen, einen tollen Freund und Donnie hatte. Ohne sie hätte ich hier schon längst die Segel gestrichen. Nachdem ich geduscht aus dem Badezimmer kam, stand Fiona mitten im Raum. Keine Sekunde länger konnte ich meine Wut und Empörung mehr zurückhalten. „Wie kannst du dich nur an meinen Laptop schleichen und meine Hausarbeit verfälschen?“, schrie ich sie beinahe schon an. „Wie bitte? Was soll ich getan haben?“, wurde meine Zimmergenossin kreidebleich im Zimmer. „Tue nicht so, als wüsstest du nichts davon“, blaffte ich sie an. „Das habe ich wirklich nicht getan“, stammelte Fiona und nagte auf ihrer Unterlippe. „Jetzt willst noch anlügen oder was?“, wurde ich richtig sauer, „Wegen dir haben meine Freundinnen und ich sechs Stunden über meine Hausarbeit gebrütet, um sie wieder in Ordnung zu bringen. Hätte ich diesen Pfusch nicht bemerkt, hätte ich eine schlechte Note bekommen. Offenbar war es dein Ziel mich bloßzustellen!“ „Ich habe deinen Laptop überhaupt nicht angerührt“, wurde Fiona sehr laut, die inzwischen puterrot angelaufen war.

 

„Oh doch, das warst du“, mit einem Mal stand Gladys vor uns. „Halt die Klappe!“, fuhr Fiona sie an. „Emily, du glaubst wohl dieser rothaarigen Ratte nicht“, wandte sich Gladys an mich. Einen Moment sah ich sie verlegen an und suchte einen Moment verzweifelt nach einer Antwort. „Falls du weißt Fiona schnüffelt gerne in unseren Sachen herum“, fuhr Gladys mit gedämpfter Stimme fort. „Was? Stimmt das?“, blieben mir fast die Worte im Halse stecken. „Letztens habe ich Fiona dabei beobachtet, wie sie heimlich deinen Nachtschrank durchwühlt hat und einen Blick in dein Fotoalbum geworfen hat“, flüsterte sie mir ins Ohr. „Das kann doch nicht wahr sein!“, entfuhr es mir. Was war Fiona nur für eine üble Schnüfflerin und dazu noch eine hinterhältige Ziege? Eigentlich hatte ich mir vorgenommen freundlicher zu ihr zu sein. Doch nach diesen Offenbahrungen konnte sie mich mal. Auf keinen Fall werden meine Freunde und noch ein Wort mit Fiona reden.

 

„Tja Fiona, dass dich wohl keiner mag, liegt wohl an deiner Art“, sagte Gladys schnippisch. Leise weinend setzte sich Fiona auf ihr Bett und versteckte ihr Gesicht in ihrem Kopfkissen. Grübelnd deckte ich mich zu. Wem sollte ich noch trauen? Weder Gladys noch Fiona war zu trauen. Wie konnte man mir nur so übel mitspielen? Als ich näher nachdachte, erkannte ich, dass sie sich gegenseitig beschuldigten. Vielleicht waren alle beide daran beteiligt gewesen meine Hausarbeit zu ramponieren. Je länger ich nachdachte, desto schwerer fiel es mir einzuschlafen, zumal morgen Amandines letzter Tag war. Irgendwie trieb mir allein dieser Gedanke schon Tränen in die Augen. Als ich nach einer Weile stattdessen an Donnie und die Fortschritte im Springtraining dachte, fand ich irgendwann nach drei Uhr doch in den Schlaf.  

 

Am folgenden Vormittag folgte ich dem Unterricht nur mit halber Aufmerksamkeit, was besonders mir besonders Mme Noire ankreidete und mich noch zehn extra Vokabeln lernen ließ. In Wirtschaft verpatzte ich eine Antwort so dermaßen, dass mir Mr. Gent, unser neuer Wirtschaftslehrer, vor versammelter Mannschaft zusammenfaltete und mich das ganze Kapitel aus dem Buch verlesen ließ. Erst als ich nachmittags mit Oli, Greta, Rosy und Amandine einen Ritt ins Gelände unternahm, war ich wieder hellwach. „Ich werde nicht nur euch, sondern auch die Pferde vermissen“, seufzte Amandine traurig, nachdem wir die Pferde später zur Koppel brachten. In fast einem halben Jahr hatte sie erstaunlich gut Reiten gelernt, wobei sie noch am Anfang große Angst vor den großen Vierbeinern hatte. Zum Springen genügten ihre Reiterfahrungen trotzdem noch nicht. „Hey, ich dachte schon, ihr wolltet gar nicht mehr kommen?“, rief uns Freddy zu.

 

„Aber natürlisch, die Fete beginnt nicht ohne mich“, erwiderte Amandine und betonte dabei ihren französischen Akzent. Ach, wie sehr ich ihre Aussprache und ihre grammatikalischen Verdreher liebte! Sie war ganz die kleine Version von Mme Noire. Im Hintergrund schleppten Alex und Shane eine große Kiste Bier herbei. „Das war aber nicht abgesprochen“, raunte uns Rosy zu, „Nicht dass sich die Leute wieder so abfüllen, wie auf Emmis achtzehnten Geburtstag“ „Keine Sorge, notfalls reiße ich ihnen die Biergläser aus der Hand“, grinste Amandine. „Das musst du unbedingt mal bei Tom und Tiago machen, die zechen am meisten“, meinte Oli. „Ich glaube, da spricht der Esel von sich“, erwischte Rosy ihren wunden Punkt, „Auf Emmis Party warst du diejenige, die sich draußen vor der Tür übergeben hat“ „Das ist kaum zu glauben, sowas tust du, Oli!“, stieß Amandine ihre Freundin lachend an. „Stimmt damals hat sie ein Wetttrinken mit Wodka und Whiskey gegen Shane, Fintan, Lars und Alex gemacht“, gickerte Greta los und ich musste mitkichern. „Blöde Kichergänse!“, schnaubte Oli. „Hey, alles gut“, verhinderte Amandine ein weiteres Aufschäumen unserer Emotionen, „Freut ihr euch nicht auf heute Abend? Das wird wieder bestimmt genauso lustig wie mein Geburtstag an Halloween“ „Auf jeden Fall haben sich Jenny und Lucy eine Überraschung ausgedacht“, verriet Greta die ersten Details. „Psst!“, machten Oli und ich, bevor ihr noch mehr rausrutschte.

 

Im Gemeinschaftsraum war es schon ziemlich voll. Selbst Priscilla und ein paar ihrer Freundinnen aus ihrer Klasse wollten sich von Amandine verabschieden. Von unserer französischen Freundin war allerdings lange nichts zu sehen. „Wo bleibt sie nur?“, rätselte Sandrina und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. „Vielleicht hat sie doch im letzten Moment entschlossen zu schlafen anstatt zu kommen“, scherzte Tom, wofür wir ihn schräg anschauten. Letztlich kam Amandine doch und zwar in einem schlichten weinroten Kleid, womit sie locker Arabella und ihrem Anhang die Show stehlen konnte. „Da kommt ja unsere Partykönigin!“, jubelte Jenny und setzte Amandine ein silbernes Diadem auf. „Steht dir!“, bemerkte Oli anerkennend. „Kommt, lasst uns ein Selfie machen!“, zückte Greta ihr Smartphone.

 

„Alle müssen drauf!“, trommelte ich meine Freundinnen zusammen. Greta schoss gleich mehrere Photos, auf denen wir teilweise lustige Grimassen schnitten und die Zungen heraus streckten. „Lust auf einen Cocktail?“, kam Alex mit einem Tablett voller bunter Cocktails an uns vorbei. „Aber natürlisch!“, strahlte Amandine und schnappte sich ein knallrotes Getränk. „Wer hat die denn gemacht?“, fragte ich neugierig, während ich mir den Strohhalm in den Mund steckte. „Freddy, Tom, Matthew und ich“, erwiderte Alex, „Durch Freddy wussten wir, dass Amandine ein Faible für alle möglichen Cocktails hat“ „Sehr guter Geheimtipp“, lachte ich spontan und stieß mit meinen Freunden an. „Bestimmt wart ihr den ganzen Nachmittag damit beschäftigt“, vermutete Greta. „Klar!“, nickte Alex, „Trotzdem hatten wir dabei viel Spaß. Shane hat uns sein Cocktailbuch dafür ausgeliehen“

 

Während wir unsere Cocktails schlürften und uns an den Leckerein zu schaffen machten, ging plötzlich das Licht aus. „Was geht jetzt ab?“, raunte Oli, die neben mir saß. Ein Spot wurde in Richtung der kleinen improvisierten Bühne gerichtet. „Wow, die halten alle diese Knicklichter in der Hand“, wisperte Greta. Ich reckte meinen Kopf, um die Personen besser sehen zu können. Sandrina, Lucy, Jenny, Stefanie und Darcy standen auf einem kleinen Podest. Jenny trat hervor und nickte Patrick zu, der sich als DJ betätigte. Dann legte die Musik los und sie begannen zu tanzen. Wirklich bombe, dass sie extra für Amandine einen Tanz einstudiert hatten! Mit diesen bunten Knicklichtern sah alles zigmal so cool aus. Dafür dass unsere Kameradinnen nicht viel Zeit zum Proben hatten, sahen ihre Schritte und Moves wirklich schon ziemlich synchron aus. Was täte ich nur dafür, dass ich auch so gut tanzen konnte! Zwar war ich wirklich nicht ungeschickt, leider vergaß ich blitzschnell die Reihenfolge der Schritte und musste mich immer an anderen Tänzern orientieren.

 

Die anwesenden Personen klatschten begeistert mit. Mit einem Mal sprang Amandine auf, rannte nach vorne und tanzte mit. Zwar nicht genau im Takt, aber dafür sah es sehr ulkig aus. Vereinzelt machte sich Gekicher breit. Tanzlust war echt ansteckend, erst tanzten Greta und Oli mit, dann fast die gesamte Partymeute. Nur Arabella und ihr Anhang saßen naserümpfend auf der Fensterbank. Jenny sprang vom Podest herunter, lief durch den Raum und verteilte diese Knicklichter, die im Halbdunkeln echt genial aussahen. Nachdem wir knapp eine halbe Stunde ausgelassen feierten, standen ohne Vorwarnung Miss Greene und Mme Noire im Raum. Um sie herum verharrte alles. „Wir wollten doch auch nur mitfeiern“, meinte Miss Greene. „Sie sind gerne willkommen!“, lächelte Freddy, der manchmal besonders charmant sein konnte. Mamsell bat ihre Nichte Amandine zum Tanz. Dafür legte Patrick einen französischen Chanson auf. Zusammen saßen die beiden echt niedlich aus. Meine Freunde und ich standen drum herum und feuerten sie mit Klatschten an.

 

Die Party war um halb elf beendet, da die beiden Lehrerinnen drauf bestanden, dass die Nachtruhe eingehalten wurde. „Shit, wir haben etwas ganz Wichtiges vergessen!“, flüsterte Oli aufgeregt. „Was denn?“, horchte ich auf. „Unsere Tasse mit all unseren Unterschriften“, raunte Rosy und sprintete los. Zwei Minuten später kam sie außer Atem mit unserem Abschiedsgeschenk wieder. Amandine begann zu strahlen als sie die Tasse in der Hand hielt und sagte etwas auf Französisch, was wir nur halb verstehen konnten. „Ich glaube, langsam müssen wir alle ins Bett. Ihr wisst doch, dass meine petite Fille und ich sehr früh aufbrechen müssen“, beugte sich Mme Noire über unsere Köpfe. Schade, dass ein so schöner Abend immer so schnell vorbei sein musste!

 

Ausgiebig verabschiedeten wir uns von Amandine und umarmten ausnahmsweise auch Mamsell. „Ich melde mich wieder, wenn ich morgen wieder in Frankreich bin“, rief uns unsere französische Freundin im Treppenhaus hinterher. Oben in meinem Zimmer hockte Gladys auf ihrem Bett und hörte über ihre Kopfhörer Rockmusik. Mensch, dass sie ihre Musik immer so aufdrehen musste! Bestimmt wurde man halbtaub davon. Fiona war so tief in ihrem Buch versunken, dass sie noch nicht einmal aufschaute. Dass keine von ihnen sich von Amandine verabschieden wollte, hatte ich mir vornherein schon gedacht. Bestimmt war es auch besser so gewesen, dass die beiden Stinkstiefel nicht dabei gewesen waren. Schweigend verzog ich mich ins Badezimmer. Meine Haare mussten dringend gewaschen werden, nachdem mir Lars aus Versehen seinen halben Cocktail über meinen Kopf verschüttet hatte.

15. Eine Heldin in letzter Sekunde

 

Die Osterferien verbrachte ich zusammen mit Dad und Rosys Familie in unserem Cottage. Offenbar hatte es zwischen Dad und Jane ordentlich gefunkt, sodass sie nun bei ihm wohnte und letztens auch Arbeit gefunden hatte. In Prinzip waren Rosy und Jim nun meine Stiefgeschwister und Jane meine Stiefmutter. Rosys ältere Schwester Mary-Ann kam uns besuchen. Mit Anhieb kamen Dad und ich super mit ihr klar. Fast schon fühlte es sich an, als wären wir eine zusammen gewürfelte Familie, aber immerhin eine Familie. Jahrelang hatte ich mich mit der Zweisamkeit abgefunden, andererseits war ich mehr als froh, dass endlich wieder mehr Leben in die Bude kam. Sogar mit Jim kam ich gut klar, nachdem er aufgetaut war. Rosy und ich spielten manchmal mit ihm Kricket oder Fußball.

 

Greta und Oli beneideten uns beinahe schon darum, dass Rosy und ich fast jede Minute miteinander verbrachten. Trotzdem freuten sie sich mit uns, dass mein Dad und Rosy Mutter nun nicht mehr alleine waren. Leider vergingen die Ferien wie im Flug. Meine Lust wieder mit meinen griesgrämigen Zimmerkameradinnen eingepfercht zu sein sank unter den Nullpunkt. Garantiert hatte sich während der Ferien nichts an ihrer Unfreundlichkeit geändert und ich hatte gehörig den Kaffee auf mit allen beiden. Die konnten mir gestohlen bleiben. Schade war, dass Amandine nicht mehr da war. Schon in den ersten Tagen fehlten mir ihre Fröhlichkeit und ihre spontanen Ideen. Immerhin konnte ich mit Donnie öfter ausreiten, da sich die Sonne immer häufiger zeigte. Freddy begleitete mich, inzwischen hatte er sich einigermaßen mit Shamprock angefreundet, was sich im Springtraining und bei den kleineren Zwischenprüfungen zeigte.

 

Eine Woche später gab es spätabends ein heftiges Gewitter als wir bereits im Bett lagen und schmökerten. „Mach die Gardine zu, Fiona“, knurrte Gladys, „Ich mag diese grellen Blitze überhaupt nicht“ „Wieso? Ich liebe es bei Gewitter aus dem Fenster zu schauen“, entgegnete ihr Fiona seelenruhig. Normalerweise hatte ich keinen Bammel vor Blitz und Donner, aber was sich draußen abspielte, war schon ziemlich krass. Da bekam sogar ich unter der warmen Decke eine leichte Gänsehaut. Ob Donnie und die anderen Pferde sich gerade fürchteten? Unsere vierbeinigen Freunde waren sehr empfindlich, was laute Geräusche und grelles Licht anging. Als ich von einem besonders heftigen Blitz geblendet wurde, zog ich mir die Decke über den Kopf und checkte meine neuen Nachrichten.

 

Mal wieder schickte mir Dad ein Selfie mit Jane und Fintan ein Foto von sich und seiner Fußballmannschaft, nachdem sie ein Regionalturnier gewonnen hatten. „Habt ihr auch so ein Bammel vor diesem fürchterlichen Gewitter?“, kam gerade eine Nachricht von Rosy rein. „Oh ja, das tobt sich gerade richtig derbe unsere Köpfen aus“, schrieb ich hastig zurück. „Das ist kaum zum Aushalten“, antwortete sie mir nach wenigen Sekunden. Gerade als ich mein Handy beiseite legen wollte, krachte es besonders derbe und lang anhaltend. Was war bloß passiert? Hoffentlich war der Blitz nicht in unser Haus eingeschlagen. Ein entsetzter Aufschrei von Fiona ließ mich vermuten, dass wirklich etwas Schlimmes passiert sein musste. Hastig schlüpfte meine Zimmergenossin in ihre Schuhe, zog ihre Regenjacke über und stürmte aus dem Raum. Halbbenebelt rappelte ich mich auf und stolperte auf den Flur hinaus. „Was ist los, Fiona?“, rief ich laut. „Der Stall brennt“, schrie sie vom anderen Ende des Flurs. Verdammt, konnte das nur wahr sein? Nun war ich hellwach, eilte in mein Zimmer zurück, zog meine dicke Jacke und Schuhe über. „Bleib lieber hier, die Feuerwehr kommt gleich“, brummte Gladys, die von dem Ereignis ungerührt zu scheinen schien. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass das Dach des Stalles in Flammen stand. So ein Mist, ausgerechnet Donnie war dort drinnen. Los jetzt, ich durfte keine einzige Sekunden verlieren. Von meinem Zimmer bis zum brennenden Stall stellte ich einen Sprintrekord auf.

 

Draußen regnete es in Strömen und der Sturm peitschte mir mit voller Wucht ins Gesicht, sodass ich nach wenigen Sekunden bis auf die Haut durchnässt war. Doch das machte mir gerade wenig aus. Schließlich musste Donnies Leben und das Leben der anderen Pferde gerettet werden. Lars und Alex warteten vor dem Stall. „Freddy, Fiona und Shane holen die Pferde raus“, rief mir Alex zu. „Was ist mit Donnie?“, rief ich in Panik. „Den haben wir noch nicht gesehen“, schüttelte Lars den Kopf. Nun begann mir der Schweiß auszubrechen und mein Herz schlug mir bis zum Hals. „Emily, bleib lieber hier“, nahm Alex meine Hand. „Nein, ich muss ihn retten“, hauchte ich mit tonloser Stimme. „Das ist viel zu gefährlich“, redete er auf mich ein. „Nie und nimmer lasse ich mein Pferd in der Feuerhölle verrecken“, rief ich laut und erschrak, dass ich beinahe schon brüllte. Wieder zuckte ein gleißendheller Blitz über den Himmel und ein ohrenbetäubender Donner zerriss die pechschwarze Nacht. „Auf keinen Fall werde ich Donnie im Stich lassen!“, schwor ich mir.

 

Mit aller Macht riss ich mich von Alex los und rannte in den verqualmten halbdunklen Stall. Shane und Fiona kamen mir mit je zwei Pferden entgegen. Freddy holte gerade ein weißbraun geschecktes Indianderpony aus seiner Box. Mist, warum musste Donnie nur so weit hinten stehen? Hastig öffnete ich seine Box. Zum Glück hatte er bereits ein Halfter um, sodass ich nur noch einen Führstrick befestigen musste. „Komm mein Junge!“, sagte ich mit eindringlicher Stimme. Donnie hatte vor lauter Panik seine Augen weit aufgerissen und rührte sich nicht von der Stelle. „Donnie, du musst!“, flehte ich und zehrte am Führstrick. Wegen des beißenden Rauchs liefen mir Tränen über die Wangen. Auch sonst heulte ich aus Angst und Verzweiflung. „Donnie, wir dürfen hier nicht sterben!“, überschlug sich meine Stimme. Plötzlich spürte ich die Hitze in meiner Nähe. Oh nein, die Flammen züngelten bereits fast schon über unseren Köpfen. Nur ein brennender Balken musste auf uns herabstürzen und die Katastrophe wäre perfekt. Wenn wir hier nicht schleunigst raus kamen, war das hier unser brennender Sarg.

 

„Emily, du musst seine Augen abdecken!“, hörte ich eine dunkle Mädchenstimme rufen. Zweifelsfrei war das Fiona. Kam sie extra um uns zu retten? Hastig zehrte sie sich ihre Jacke vom Leib und stülpte sie über Donnies Kopf. Mit einer Hand nahm sie den Führstrick und mit anderen meine Hand. Ich war baff, dass sich mein Pferd von ihr einfach so führen ließ. Hinter uns stürzte ein brennender Balken in die Tiefe, genau in Donnies Box. Hätten wir ihn nicht rausgeholt, wäre er mit Sicherheit tot. „Weiter!“, spornte uns Fiona an und zehrte uns durch die dunklen Rauchschwaden. Bald hatten wir es geschafft und wir standen draußen im Regen. Erschöpft und wortlos fiel ich Fiona um den Hals. „Danke, dass du mein Pferd gerettet hast“, standen mir die Tränen in die Augen. „Hey, wir bringen dein Pferd erstmal in den alten Speicher“, tippte mich Shane von hinten an. Ich nickte stumm. „Keine Ursache, es ist selbstverständlich, dass ich die Pferde rette“, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und wurde sofort wieder ernst und irgendwie auch traurig. „Was hast du?“, traute ich mich vorsichtig zu fragen. „Erzähl ich dir morgen“, meinte sie, „Der Brand holt eine schlimme Erinnerung wieder hervor, die ich jahrelang versucht habe zu verdrängen“

 

Schweigend standen wir nebeneinander und schauten den Feuerwehrleuten bei den Löscharbeiten zu. „Da bist du ja, Emily“, rannte Oli auf mich zu und begann zu flennen, „Wir haben uns schon so große Sorgen um dich gemacht und dachten, du wärst tot“ Ich schaffte es sie zu beruhigen. Im matten Licht erkannte ich Greta, Rosy und unsere anderen Freundinnen wieder. Ihnen war anzusehen, dass sie geweint hatten. „Liebe Schüler, wir bitten euch wieder in euer Haus zurück zu gehen. Die Feuerwehr und die Helfer haben die Lage unter Kontrolle“, trat Miss Greene vor uns. Da Shane, Fiona und ich sehr stark husten mussten, wurden wir zum Rettungswagen geleitet und kurz untersucht. Nachdem wir einige Minuten lang puren Sauerstoff verpasst bekamen, ging es uns schlagartig besser. Trotzdem sollten wir die Nacht auf der Krankenstation verbringen.

 

Benommen wachte ich am nächsten Vormittag auf. Wo war ich bloß? Erst als ich Shanes dunklen Haarschopf und Fionas langen welligen feuerroten Haare erkannte, wusste ich, wo ich gelandet war. „Guten Morgen!“, murmelte ich. Meine beiden Klassenkameraden erwiderten ebenfalls ein leises und verschlafenes „Guten Morgen!“ „Hey, Emily, ich wollte dir mal was erzählen“, stand Fiona unmittelbar vor meinem Bett, „Darf ich mich eben zu dir setzen?“ „Klar“, nickte ich und meine Klassenkameradin hockte sich zu mir auf die Bettkante. „Weißt du, als ich gerade elf war, erlebte ich sowas Schlimmes schon einmal“, begann Fiona und ihre blassen grüngrauen Augen wurden einen Stich dunkler, „An einem frühen Morgen schlug unser Hund Collin Alarm. Zuerst wussten wir nicht, was los war, bis mein Dad aus dem Fenster schaute. Unser Stall stand in Flammen. Schnell rannten meine Eltern und ich aus dem Haus. Wir schafften es zu dritt fast alle Pferde bis auf Princess und Alice zu retten. Da dies Moms Lieblingspferde waren, wollte sie Princess und Alice unbedingt retten. Als sie in den Stall lief, stürzte er in sich zusammen und man fand sie und ihre beiden Pferde später tot auf“

 

„Das ist entsetzlich!“, stiegen mir aus Mitleid Tränen in die Augen. „Ach, Mitleid brauchst du nicht haben“, brummte sie, „Mit mir hatte noch niemand Mitleid. Obendrein waren meine Mitschüler immer sehr gemein zu mir, beleidigten mich, lachten mich wegen meines Aussehens aus und wollten mich nicht in ihrer Nähe haben“ „War das der Grund wieso du uns gegenüber so abweisend warst?“, hakte ich nach und hoffte, dass ich nichts Falsches gesagt hatte. „Ich hatte bereits die Hoffnung aufgegeben, dass ich überhaupt noch Freunde in der Schule finde“, nickte sie zaghaft. „Willst du nicht meine Freundin sein?“, fragte ich verlegen und schämte mich, wie ich so eine dämlich klingende Frage stellen konnte. „Eigentlich schon, aber ich wusste nicht, ob ich dir und deiner Clique vertrauen konnte“, erwiderte sie nachdenklich. „Klar, das kannst du“, redete ich ihr gut zu, „Rosy, Lucy und Sandrina sind zu jederzeit sehr liebe und friedliche Seelen. Oli, Greta und Jenny können manchmal ziemlich auf den Putz hauen, trotzdem sind sie sehr treu und aufrichtig“ „Ich gehe jetzt rüber zum Essen“, meldete sich Shane ab.

 

„Geht es dir schon besser?“, fragte ich besorgt. „Klar, ich habe gerade einen riesigen Kohldampf und könnte ein ganzes Pferd verschlingen“, nickte er und hatte wieder wesentlich mehr Farbe im Gesicht. „Weißt du, wieso ich überhaupt hier bin“, sagte Fiona, als wir nur noch zu zweit in dem Raum waren. „Los erzähl!“, forderte ich sie auf. „Dad hat eine neue Freundin über das Internet kennen gelernt, deswegen hat er unseren Hof aufgegeben und ist von Nordschottland nach Manchester gezogen. Da er durch den Erlös des Hofes und der Pferde sehr viel Geld hat, wollte er mir etwas Gutes tun und hat mich hier her geschickt, damit ich professionellen Reitunterricht bekomme. Ich war stinksauer, dass er alles über meinen Kopf hinweg entschied, deswegen habe ich mich lange Zeit so mies und unfreundlich benommen. Mein Ziel war es von der Schule zu fliegen“ „Jetzt im Ernst?“, legte ich meine Stirn in Falten. „Das war ursprünglich mein Plan“, nickte sie. „Aber irgendwie kann ich dich verstehen“, murmelte ich.

 

Gegen Mittag gingen wir zu unserem Wohnhaus zurück. Das Hallo war groß. „Fiona, du bist eine Heldin!“, drückte ihr Oli überschwänglich die Hand. Fiona sah sie einen Augenblick verlegen an und musste schließlich doch lächeln. „Du hast wirklich Großes geleistet“, klopfte ihr Jenny auf die Schulter, „So mutig wäre ich nicht in meinen kühnsten Träumen gewesen“ „Kommt Mädels, lasst uns die Tortellini schmecken“, winkte uns Rosy zu ihrem Tisch. Zum ersten Mal saß Fiona am Tisch unserer Clique und unterhielt sich mit Greta und Oli, als wären sie schon jahrelang befreundet gewesen. Erstaunlich wie schnell aus einer Feindin eine Freundin werden konnte. Naja, so richtig als Freundin bezeichnen konnte ich sie noch nicht, aber wir waren auf einem guten Weg dorthin. „Na, geht es dir besser, Spatz?“, umarmte mich Freddy von hinten. „Auf jeden Fall, sonst säße ich hier nicht“, erwiderte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich zu Fiona um. „Wow, du bist wirklich ein richtig taffes Mädchen!“, lobte er, „Die ganze Klasse hat Respekt vor dir“ „Danke“, erwiderte sie und wurde leicht rot. Offenbar war sie es nicht gewohnt gewesen, dass sie Anerkennung von Schulkameraden erfuhr. Trotzdem wirkte sie viel lockerer seit dem sie nicht mehr so links liegen gelassen wurde und lachte zum ersten Mal bei unseren Albereien richtig mit.

16. Landesmeisterschaft mit Stolpersteinen

 

Bravo Emily, Donnie und du, ihr werdet von mal zu mal ein besseres Team“, rief mir unsere Reittrainerin Miss Hanson zu. „Gut gemacht, mein Junge“, klopfte ich Donnie und ließ ihn zum Schritt durchparieren. Nach einem rasanten Ritt hatten wir uns die Verschnaufpause redlich verdient. Heute trainierten nur die auserwählten Mitglieder der Schulmannschaft, die unsere Schule in knapp anderthalb Wochen bei den Landesmeisterschaften am übernächsten Wochenende vertreten sollte. Zu meiner Überraschung waren auch Fiona und Gladys nominiert, obwohl Gladys nur Reservereiterin war. Schade war, dass Sandrina sich beim letzten Hockeyspiel am Knöchel verletzt hatte und zu einigen Wochen Zwangspause verdonnert wurde. Immerhin konnte Priscilla ins Team nachrücken. Insgesamt bestand die Hauptmannschaft aus fünf Reitern, inklusive zwei Ersatzleuten.

 

„Am Tag der Meisterschaft verlange ich, dass ihr unser Internat mit Anstand und Leidenschaft vertritt. Ein Heimspiel ist die beste Gelegenheit alles zu zeigen und die Konkurrenten in Schach zu halten. Diesmal reiten wir einen Mannschaftswettbewerb, daher ist reinste Teamarbeit gefordert, auch von denjenigen, die nicht mitreiten“, hielt Miss Hanson am Ende der Einheit eine kleine Ansprache, was sie neuerdings nach jedem Training tat. Fast wirkte es schon so, als wollte sie unserem Team Stärke und Selbstbewusstsein einflößen. Freddy winkte mir zu als ich Donnie trocken ritt. Zwar gehörte er nicht zum Team, doch trotzdem leistete er mir bei jedem Training als Zaungast Gesellschaft. „Lust auf eine Eisschokolade?“, rief er mir zu. „Oh ja, das ist spitze!“, jubelte ich. „Dann komm, Shane und ich haben gerade die Küche gekapert und das Eis aus dem Gefrierfach geholt“, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu, während er neben mir her lief. „Ich komme in fünf Minuten zum Gemeinschaftsraum“, versicherte sich ihm.

 

Kurz vor der Nachtruhe hatte Gladys miserable Laune. Schon die ganze Zeit fluchte sie wegen jeder Kleinigkeit, obwohl sie eigentlich keinen Grund hatte so unzufrieden zu sein. Das Springtraining mit Esparado lief heute sogar richtig gut für sie. „Wieso muss Miss Hanson uns fast jeden Nachmittag bis zur Hölle schuften lassen?“, schimpfte sie leise vor sich hin, während sie ein feinsäuberlich ihre Reithose zusammenlegte und im Schrank verstaute. „Ganz einfach, weil wir Gastgeber der Landesmeisterschaft sind und einen Ruf zu verteidigen haben“, drehte sich Fiona zu ihr um, „Oder willst du, dass wir gegen die anderen Mannschaften total vergeigen?“ „Ach was, vergeigen werden wir das nicht“, tippte sich Gladys gegen die Stirn, „Wir sind laut dem Ruf einer der besten Reitsportinternate in ganz Westeuropa, da können sich unsere Gegner schön warm anziehen“

 

„Trotzdem müssen wir hart trainieren, um gut abschneiden“, widersprach ich ihr, „Von nichts kommt nichts und auf Lorbeeren darf man sich nicht ausruhen“ „Ich weiß, trotzdem bin ich Reservereiterin. Warum verschont man wenigstens nicht uns? Ich habe gar keine Gelegenheit meinen ewigen Muskelkater auszukurieren“, erwiderte Gladys eingeschnappt. „Verstehst du eigentlich nicht, dass du mit zu unserem Team gehörst?“, wurde Fiona sehr deutlich. „Man sagt immer, wir wären Teil des Teams, doch trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass ich zum Zug kommen werde“, fuhr Gladys sie schlechtgelaunt an. „Gladys, das kann schneller passieren als denkst, dass sich einer der Starter verletzt oder aus einem anderen Grund verletzt ist und dann musst du ran“, warf ich ein, „Dann darfst du aber nicht jammern, dass du vorher nicht genug geübt hast“ „Ist schon gut, dann werde ich jedem Kritiker zeigen, was für ein immenses Potential ich habe. Bestimmt sind auch ein paar Talentscouts dabei, die mein Talent entdecken und mich zur Jugendolympiamannschaft einladen“, gab sich Gladys auf einmal wieder angriffslustig.

 

„Wo denkst du eigentlich hin?“, unterbrach ich sie, „Das ist doch nur ein normales Turnier“ „Träum weiter!“, rollte Fiona mit den Augen und konnte froh sein, dass Gladys ihre Bemerkung nicht gehört hatte. Garantiert wäre sie bei dieser Laune richtig ausgetickt. „Wisst ihr was, ich mach mich schon einmal bettfertig. Meine Kopfschmerzen bringen mich fast noch um“, stöhnend schloss Gladys die Badezimmertür hinter sich ab. „Was hat sie sonst noch für Probleme? Vielleicht ihre Tage?“, lästerte ich und Fiona musste unwillkürlich kichern. „Merkwürdig ist sie allerdings schon“, pflichtete sie mir bei, „Erst stöhnt sie über die viel zu harten Trainingsbedingen und dann will sie allen zeigen, was für eine spitzenmäßige Reiterin sie ist“ Fiona mimte einen Star, der sich selbst vergötterte, sodass ich vor lauter Lachen von der Bettkante rutschte. Seitdem sie uns akzeptiert wurde, war sie viel lockerer geworden und konnte manchmal auch richtig lustig werden.

 

„Bin ich blöd?“, ratlos wanderte mein Blick über sämtliche Sättel. Wo war meiner nur? „Vielleicht hast du ihn nur verhängt“, sagte Priscilla zaghaft hinter mir. „Blödsinn, der hing gestern Abend noch an seinem richtigen Platz“, brummte ich. Zudem fehlte auch noch das Zaumzeug mit Trense und Zügel. Na toll, so konnte ich Donnie wirklich nicht reiten! Was würde Miss Hanson dazu sagen, wenn ich nicht zum vorletzten Training kam? Garantiert konnte ich mich schon mal auf einen Einlauf gefasst machen. „Schau mal, was ich hier habe“, bückte sich meine Cousine herunter und hob Donnies Zaumzeug hoch, welches auf dem dreckigen Boden lag. Mit einem Quietschen und einem angewiderten Gesicht ließ sie es wieder fallen. „Was ist nur los?“, fragte ich genervt. „Jemand hat eine dunkelbraune klebrige Masse an die Trense geschmiert“, erwiderte sie empört. „Zeig mal her!“, forderte ich sie auf. Bah, da hat jemand wirklich jemand Schuhcreme auf die Trense geschmiert. Auf keinen Fall könnte ich das Ding so in Donnies Maul schieben. Wahrscheinlich würde er sich sogar daran vergiften.

 

Ich schnappte mir das Zaumzeug und hielt die Trense unter laufendes Wasser. Es war eine Sisyphusarbeit die Trense wieder sauber zu bekommen. Nun fehlte noch der Sattel, der sich im ganzen Stall nicht mehr anfinden ließ. „Der Sattel war irre teuer!“, kochte ich vor Wut. „Wo sollen wir noch suchen?“, klang Pris ratlos. „Lass uns auf den Heuboden nachschauen“, schlug ich vor und lief zur Leiter. „Vermisst jemand einen Sattel?“, Nadine aus dem ersten Jahrgang stand vor uns. „Das ist meiner!“, rief ich, „Wo hast du ihn nur gefunden?“ „Auf dem Misthaufen“, erwiderte das Mädchen. „Wirklich?“, verschlug es mir fast die Sprache. „Ich wollte ihn nur zurück bringen, wo er hingehört“, sagte die Erstklässlerin und schaute eingeschüchtert nach unten. „Quatsch, ich bin mir sicher, dass du ihn nicht auf den Misthaufen befördert hast“, beruhigte ich sie und bedankte mich gleichzeitig. „Wenn ich denjenigen kriege, der sowas widerwärtiges mit meinen Sachen anstellt, dem drehe ich den Hals um“, explodierte ich fast. Pris und ich säuberten den Sattel mit Taschentüchern bis kein Strohhalm mehr dran hing. „Oh verdammt, wir sind schon zwanzig Minuten zu spät“, zischte meine Cousine. Prima, der Ärger war nun perfekt! Wir beeilten uns was, das Zeug hielt, trotzdem kamen wir eine halbe Stunde zu spät zum Training.

 

„Wo kommt ihr denn noch her? Ich dachte, ihr würdet das Turnier ernst nehmen und euch nicht hängen lassen“, verengten sich Miss Hansons Augen zu schmalen Schlitzen. „Es tut mir sehr Leid, aber wir mussten erstmal die Trense reinigen und meinen Sattel suchen“, erwiderte ich stotternd und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Es ist wirklich wahr, dass man Emilys Sachen versteckt und verschmutzt hat“, bekräftigte mich meine Cousine, „Wir mussten die Dinge erstmal suchen und säubern“ Pris war manchmal wirklich die Beste, trotz ihrer Spleenigkeit und ihrer Schrägheit. „Priscilla, wieso bist du dann zu spät?“, durchbohrte Miss Hansons Blick meine Cousine. „Weil ich Emily geholfen habe. Ohne meine Hilfe wäre sie damit immer noch zugange“, erwiderte sie. „Okay, das lass ich gelten“, nickte unsere Reitlehrerin. Puh, da kamen wir noch einmal glimpflich davon. Mit unseren Pferden wurden wir zum Aufwärmplatz nebenan geschickt. Trotzdem entging mir nicht, dass mir Gladys einen herausfordernden Blick zuwarf.

 

Am Freitagnachmittag war die Generalprobe. Eigentlich wollten Freddy, Alex und meine Freundinnen mit mir in die Eisdiele fahren und einen entspannten Nachmittag dort verbringen. Schweren Herzens musste ich die Verabredung sausen lassen. Manchmal beneidete ich die Dressur- und Springreiter wegen ihrer freien Zeit nach den Hausaufgaben. Ihre Turniere waren bereits im Wintern und um Ostern herum gewesen. Während ich Donnie reitfertig machte, unterhielt ich mich mit Fiona. Inzwischen kam ich prima mit ihr zurrecht. Auch wenn ich sie nach wenigen Wochen noch nicht als enge Freundin bezeichnen wollte. Dennoch stellten wir uns nicht selten zu zweit gegen Gladys, sobald diese wieder ihre zickigen und rücksichtslosen Phasen hatte. Heute war es zum ersten Mal frühsommerlich warm, deshalb beschloss ich mir ein T-Shirt anzuziehen.

 

Gladys trug mal wieder eins ihrer dunklen Langarmshirts. „Ich versuch mir vorzustellen, wie sie mit ihren schwarzen Sachen in der Wüste herumläuft“, kicherte Fiona leise. Allein die Vorstellung Gladys in schwarzen langärmeligen Pullovern und Mütze am Karibikstrand vorzufinden, genügte um bei mir einen Lachkrampf auszulösen. Ausgerechnet in diesem Moment kam sie vorbei und sah uns pikiert an. Sofort kriegten wir uns wieder ein. Wie gesagt mit Gladys auf Kriegsfuß zu stehen und sie zu reizen, war alles andere als lustig. Zum Glück musste ich heute weder Sattel noch Trense putzen und kam genau pünktlich. Komischerweise kam Gladys nicht, dabei hatte ich sie gerade noch im Stall gesehen. „Habt ihr Gladys gesehen?“, fragte Miss Hanson, während sie die Anwesenheit kontrollierte. „Sie hat sich mit Kopfschmerzen abgemeldet“, sagte Lydia aus der Zweiten, die manchmal mit ihr abhing. Lydia war genau auf demselben Emotrip wie sie, weshalb sich die beiden inzwischen auch angefreundet hatten. Unsere Reittrainerin schickte uns zum Aufwärmen. „Emily, magst du anfangen?“, fragte sie mich. „Von mir aus“, nickte ich und ritt auf den Springplatz. Donnie galoppierte schon fast automatisch an und nahm die ersten beiden Hindernisse mit besonders viel Schwung.

 

Ohne Vorwarnung wieherte er auf einmal, riss seine Augen panisch auf und bäumte sich auf. Was war nur los? Ich reagierte zu spät und fiel wie ein Sack Mehl in den Sand. Benommen rappelte ich mich langsam wieder auf. Donnie stand nur zwei Meter von mir entfernt und neben ihm lag ein großer Ast. Wie konnte er nur auf dem Platz gelandet sein, wo kein großer Baum in der Nähe war? „Hast du dich verletzt?“, besorgt beugte sich Miss Hanson über mich. „Nein, es ist alles okay“, versicherte ich ihr und stand auf. „Sieh mal einer an, wen wir hier haben?“, Jennifer das Stallmädchen hielt Gladys am Arm fest. „Hast du sie dabei erwischt?“, fragte Miss Hanson ungläubig. „Sie war hinter dem Busch und hat den Stock auf die Reitbahn geworfen“, nickte das Stallmädchen. „Gladys, du meldest dich sofort bei Mr. Scott und bist für das restliche Schuljahr aus vom Reiten ausgeschlossen“, sagte unsere Reittrainerin trocken. Mit hängendem Kopf trollte sich Gladys. Wie konnte mich diese Ratte nur so in Gefahr bringen? Am liebsten hätte ich sie in tausend Fetzen zerrissen.

 

Kurzerhand wurde Freddy als Ersatzreiter nachnominiert. „Ganz schön krass, was Gladys getan hat“, fand er, „Stell dir vor, du hättest wegen dieser blöden Ziege nicht am Turnier teilnehmen können“ „Genau, das hatte sie garantiert vor“, schnaubte ich. Freddy legte nach dem Abendessen spontan ein Springtraining mit Speedy Gonzales ein. Ich stand hinter dem Gatter und schaute ihm zu. Plötzlich tippte mir jemand gegen die Schulter. Ich drehte mich um, es war Gladys. „Hey, es tut mir total Leid, was ich vorhin getan habe“, sagte sie reuevoll, „Ich war es auch mit der verpfuschten Facharbeit, der dreckigen Trense und dem Sattel auf dem Misthaufen. Letztendlich weiß ich, dass ich mein schäbiges Verhalten nicht mehr gutmachen kann, trotzdem wollte ich mich entschuldigen“ Einen Augenblick wusste ich nicht, was ich tun sollte. War es besser ihre Entschuldigung mit einem Engelslächeln annehmen oder doch ihr die Augen auskratzen. „Ich nehme deine Entschuldigung an“, erwiderte ich in einem neutralen Tonfall, „Meinetwegen können wir uns vertragen, aber anfreunden werden wir uns in diesem Leben nicht mehr“

 

„Ich weiß, ich wäre auch eine total schlechte Freundin“, schlug sie die Augen nieder, „Eigentlich bin ich total gegen meinen Willen nach St Malory gekommen. Meine Eltern sind für ein halbes Jahr auf Geschäftsreise in Asien, Australien und Singapur. Damit ich nicht ganz alleine zuhause bleibe, schicken sie mich für diese Zeit auf dieses Internat. Um keinen Preis wollte ich meinen Freund Jason und meine Clique mit meiner besten Freundin Vicky verlassen, auch wenn es nur für ein paar Monate ist. Leider sind Mom und Dad unbelehrbar. Da ich ihr einziges Kind bin, wollen sie, dass ich überall perfekt bin. Ginge es nach ihnen studiere ich demnächst irgendwas mit Wirtschaft und Management, dabei mag ich viel lieber Kunst und Kultur. Doch das wollen meine Eltern nicht wahrhaben und zwingen mich seitdem ich klein bin in ein starres Korsett. Später soll ich in Dads Fußstapfen treten und genauso viel Geld scheffeln“

 

„Warum tust du nicht einfach, wonach dir ist?“, fragte ich sie. „Das ist bei meinen sturen Eltern gar nicht so einfach“, seufzte Gladys, „Allein mein Emostyle ist ihnen ein Dorn im Auge. Als ich mir mit vierzehn meine blonden Haare pechschwarz gefärbt hatte, rastete Mum richtig aus und behandelte mich wie eine Ketzerin, weshalb ich zwei Tage kein Wort mehr mit ihr sprach. Zudem machten meine Verwandten blöde Kommentare, wenn ich meine schwarzen Sachen anzog und fragten mich ständig, ob ich auf dem Weg zu einer Beerdigung war. Zum Glück fand ich eine richtig coole Clique. Besonders Vicky, Sheila, Ted, Nelly und Jason vermisse ich richtig. Früher hing ich mit ihnen jeden Tag nach der Schule im Park ab“ Irgendwie bekam ich sogar ein bisschen Mitleid mit ihr, obwohl ich eigentlich solche Gefühle partout nicht für sie empfinden wollte. „Hier ich habe noch was für dich“, drückte sie mir einen zusammengefalteten Zettel in die Hand. „Danke, du kannst wirklich gut malen“, bedankte ich mich und sah mir die kunstvoll gezeichnet Rose noch länger an. Menschen wie Gladys waren geborene Künstler, denen ihre Neigung versucht wurde weg zu erziehen. Eigentlich schade, denn auf diesem Gebiet hatte sie wirklich viel Potential.

 

Am nächsten Tag mussten wir schon sehr früh aufstehen. Donnie musste versorgt, geputzt und gesattelt werden. Zu meiner Überraschung kam Gladys in den Stall, obwohl sie aus dem Kader geflogen war. „Kann ich seine Mähne einflechten?“, bot sie mir an. Meine Güte noch mal war die auf Wiedergutmachung bedacht. „Nicht nötig“, grummelte ich. „Komm schon, ich kann das wirklich gut und vertrau mir, ich baue keinen Mist mehr“, ließ sie nicht locker. „Na gut, von mir aus“, nickte ich und bedankte mich beim Herausgehen. Somit hatte ich wenigstens noch eine halbe Stunde Zeit zu frühstücken. Insgesamt waren fünf andere Mannschaften angereist, zumeist Elitereitschulen. Obwohl die Reiter und Reiterinnen etwa in unserem Alter waren, sahen gerade die Mädchen viel erwachsener aus. Wahrscheinlich lag es am Make-up und ihren aufwändigen Frisuren. Ich schminkte mich vor Turnieren nicht oder machte mich besonders schick, ein Jackett und ein schlichter Pferdeschwanz genügten vollkommen. Gegen zehn Uhr eröffneten wir als Gastgeber das Turnier. Ausgerechnet ich musste als Zweite an den Start und meine Hibbeligkeit übertrug sich leider auch auf Donnie, der kurz vor dem ersten Hindernis ein bisschen zu weit nach rechts auswich. Gerade eben so ließ er die oberste Stange liegen. Gut für die Haltungsnote war es sicherlich nicht, Hauptsache wir kamen durch den Parcour. Am Ende riss Donnie doch noch zwei Stangen. Egal, sicherlich machten es meine Teamkollegen besser. Priscilla sah auf Moonlight wesentlich gelassener aus und strahlte bei all ihrer Spleenigkeit Ruhe aus. Nur eine Stange riss Moonlight und zwar bei dem gleichen Hindernis wie Donnie.

 

Unsere Mannschaftsleistung sah auf dem ersten Blick ganz akzeptabel aus, obwohl es noch besser hätte laufen können. Zu meiner Freude und Überraschung machte Fiona die beste Figur von uns allen. Puh, erstmal hatten wir mehr als eine Stunde Verschnaufpause. Zusammen mit Fiona, Pris und Freddy gönnte ich mir einen kühlen Drink, zumal es in der Sonne wirklich warm war. „Mit Platz drei können wir einigermaßen zufrieden sein“, meinte Freddy. In der Zwischenwertung lagen eine Reitschule aus der Nähe von Belfast und ein Team aus Donegal vor uns. „Läuft gar nicht so schlecht bei euch!“, winkte uns Oli zu, die mit Sandrina und Rosy auf uns zukam. „Irgendwie hattet ihr nur ein bisschen Pech, dass ihr dauernd am letzten Hindernis hängen geblieben seid“, meinte Rosy. „Das ist auch das schwerste von allen“, war Sandrina der Meinung. Ziemlich schade, dass sie nicht dabei sein konnte, denn sie lief immer noch auf Krücken durch die Gegend. „Kaum zu glauben, dass Gladys euch anfeuert, nachdem sie diesen ganzen Mist verzapft hat“, plapperte Oli drauf los. „Offenbar versucht sie ihren Ruf zu retten“, sagte ich, „Vorhin hat sie sogar Donnies Mähne eingeflochten“ „Das hätte ich nie von ihr gedacht“, war Sandrina ganz baff.

 

Der zweite Durchgang begann für uns ziemlich gut. Lydia, die als erste startete, hatte nur noch zwei Fehlerpunkte anstatt sechs. Mein Ritt lief tadellos, obwohl einmal eine Stange bedrohlich wackelte. Donnie strotzte nur vor Lauf- und Springfreude, offenbar war er genau in seinem Element. Im Gegensatz zu vorhin war er nicht mehr so nervös. Juhu, wir blieben sogar fehlerfrei! Unsere Teamkameraden wurden deutlich von unserem Aufschwung angesteckt. Doch unserer Konkurrenz schlief nicht, teilweise waren die Mädchen und Jungen der Elitereitschulen genauso gut und zum Teil noch schneller. „An der Reitschule aus Donegal kommen wir nicht mehr vorbei“, stieß mich Fiona an. Zum Schluss kam eine Dubliner Reitschule, die schon total abgeschlagen auf dem letzten Platz landete. Mit Spannung erwarteten wir das Ergebnis. Immer der zweite Platz war auch noch ein Riesenerfolg für uns.

 

Stolz fuhr ich bei der Siegerehrung über die Silbermedaille, die um meinen Hals hing. Dass Donnie und ich bei unserem ersten gemeinsamen Turnier so eine großartige Leistung vollbrachten, war einfach unbeschreiblich. Im vollen Galopp drehten wir unsere Ehrenrunde. Als ich einen Blick ins Publikum warf, entdeckte ich Dad mit Jane und Jim. Inzwischen waren wir eine Familie und Rosy meine quasi meine Schwester, wofür unsere anderen Freundinnen uns etwas beneideten. Nach dem Turnier gab es ein gemeinsames Essen in dem großen Zelt neben dem Reitplatz. „Ihr habt euch gut geschlagen und zu Feier des Tages gebe ich euch einen aus“, köpfte Miss Hanson eine Flasche Sekt. Normalerweise war Alkohol während Sport- und Schulveranstaltungen tabu, doch in manchen Momenten konnte man auch eine Ausnahme machen.

17. Eine Poolparty mit Überraschungsgast

Nach dem Turnier begann der Klausurenstress. Zeit zum Reiten und Ausgehen mit Freunden blieb uns kaum. Stattdessen legten wir beim Lernen Extraschichten ein. Gott sei dank bildeten wir Lerngruppen mit vier bis sechs Personen, so war das Pauken noch einigermaßen erträglich. Mich verwunderte es, dass Gladys ein Ass in Mathe und Physik war. Sonst gab sie sich vorher nie viel Mühe, doch seitdem sie sich anstrengte ging es mit ihren Noten gewaltig bergauf. Erst als sie mir in Mathematik den ganzen Kram mit Kurvendiskussion und Vektoren erklärte, fühlte ich mich am nächsten Tag fähig die Matheklausur mitzuschreiben. Nur Französisch lag ihr genauso wenig wie mir, dafür war das Fionas Stärke.

 

Noch vor einigen Wochen hätte ich nie gedacht, dass ich mit ihnen so wunderbar lernen konnte. Zwar hatten wir uns mit Gladys immer noch wenig zu sagen, immerhin war sie nicht mehr bei weitem so übel wie kurz zuvor und bot uns an die Lernzettel für uns zu schreiben, da sie Lerninhalte sehr gut strukturieren konnte. Trotzdem wollte ich mich nach dem Erlebten nicht enger mit ihr anfreunden, dafür kam ich immer besser mit Fiona zurecht. Mitten in die Klausurenzeit fiel die Verabschiedung der Viertklässler, die in den letzten Wochen ihr Examen geschrieben hatten. Obwohl sie letztens viel Stress hatten, schafften sie es ein Bühnenprogramm mit Theater, Comedy, Musik und Tanz auf die Beine zu stellen. Mit dabei war auch Fintans Cousine Ruby, die wirklich eine tolle Stimme hatte und gut tanzen konnte. Wow, da hatten sie sich wirklich viel Mühe gegeben. Nicht umsonst bekamen wir sie nach den Osterferien nur noch selten zu Gesicht. Oh je, ich ahnte schon, was nächstes Jahr auf uns zukommen würde.

 

Ein Tag vor den Zeugnissen reservierten die Jungs den Pool für uns. Endlich hatten wir ihn mal ganz für uns, nachdem die Viertklässler ihn zuvor tagelang in Beschlag genommen hatten, um dort gebührend zu feiern. Wir Mädchen planten die Poolparty. Die Mädchen aus meiner Klasse planten das Barbecue, sowie die Besorgung der Snacks. Greta und ihre Klassenkameradinnen machten sich wegen der Getränke Gedanken. Alle waren sich einig, dass es frisch gemixte Cocktails geben sollte, doch Arabella und ihre Freundinnen wollten auf jeden Fall Alkohol dabei haben. Dies wiederum passte Greta, Lucy, Jenny und Elaine überhaupt nicht, daher war ein kleiner Streit vorprogrammiert. Ein paar der Jungs kamen auf einige verrückte Ideen, die wir ihnen noch rechtzeitig aus den Köpfen schlagen konnten. Eigentlich sollte die Poolparty am Wochenende vor Ferienbeginn stattfinden. Da es draußen schüttete und ziemlich kalt war, konnten wir das vergessen und verschoben die Sause um drei Tage.

 

Dank eines Hochdruckgebietes wurde es am Wochenanfang wieder wärmer. Schon am späten Nachmittag vor der Party begannen wir die Terrasse rund um den Pool zu schmücken. Gladys war in ihrem Element und zauberte noch zwei Girlanden aus Glanzpapier. Wie einfach das nur sein konnte, trotzdem sah es spitzenmäßig aus. Lars und Patrick stellten noch ein paar Fackeln in die Beete, die sie noch aus dem Baumarkt besorgt hatten und hängten bunte Lampions in die Zweige. Die Party begann am frühen Abend. Noch war es warm genug, dass wir ein paar Runden im Pool schwimmen und eine wilde Wasserschlacht liefern konnten. Alex und Shane betätigten sich zuerst als DJs, bevor sie von Jacob und Patrick abgelöst wurden. Als der Abend langsam hereinbrach, zogen wir uns wieder richtige Klamotten an. Für Bikini und co war es inzwischen viel zu frisch. „Läuft euch auch schon das Wasser im Mund zusammen?“, klang Oli begeistert und ließ ihren Blick über das Büffet schweifen. „Vor allem so viel, daran könnte sich glatt jeder den Magen verderben“, gickerte Sandrina los, die erst seit wenigen Tagen ohne Krücken unterwegs war. Inzwischen standen Tische und Bänke dort, wo vorher die Liegen standen, da hatten die Jungs mal wieder gute Arbeit geleistet.

 

„Will jemand noch ein Steak?“, rief Mike, der einen großen Teller auf seiner Hand balancierte. „Wir!“, zeigte unsere Clique einstimmig auf. „Für acht Personen reicht das gerade noch“, schmunzelte Mike und lud das Fleisch auf unsere Teller. Mit Salat und Kräuterbaguette schmeckte es doppelt so fantastisch und dazu noch diese unvergessliche Poolstimmung. Wir probierten danach unterschiedliche Snacks und die Tiramisu, die Sandrina mitgebracht hatte. „Die Tiramisu schmeckt göttlich!“, schwärmte Fiona. „Pass auf, dass du nicht platzt!“, stichelte Greta aus Spaß und piekte sie mit der Kuchengabel leicht in die Seite. „Aber selber, du isst gerade die dritte Portion davon“, konterte Fiona, worauf Greta nicht erneut austeilen konnte. „Ich kann nicht mehr, das wird mir echt zu viel“, ächzte Jenny und legte ihre Gabel beiseite. „Wollt ihr mal unsere selbst gemachte Bowle probieren?“, machte Stella mit Samantha an unserem Tisch halt. Da wir keine Spielverderberinnen sein wollten, ließen wir uns die Gläser bis zum Rand voll einschenken.

 

Plötzlich verstummte die Musik und Freddy stellte sich auf einen der Startblöcke. „Noch einen Schritt und er fällt ins Wasser“, dachte ich belustigt und nippte weiter an der quietschegrünen Bowle, die doch gar nicht mal so schlecht schmeckte. „Heute Abend haben wir einen Überraschungsgast“, verkündete er, „Darf ich vorstellen, hier kommt unser spezieller französischer Gast!“ Irgendjemand knipste seine Taschelampe. Im Lichtkegel erkannte ich die Person. Das war Amandine! Wo kam sie nur her? Zudem sah sie wirklich ganz anders aus als noch vor drei Monaten. Ihre langen dunklen Haare hatte sie auf Kinnlänge abgeschnitten und zu einem Seitenscheitel gekämmt. Dazu trug sie eine Sonnenbrille, ein trägerloses Top und knappe Hotpants. Wir waren baff, so kannten wir die sonst eher zurückhaltende Amandine überhaupt nicht.

 

„Hi, wo kommst du her?“, stürmte Oli auf sie zu und fiel ihr um den Hals. Wir folgten ihr und fanden uns bald in einer Gruppenumarmung wieder. „Tantchen und ich machen hier für ein paar Tage Urlaub in einem Ferienhaus an der Südküste“, erzählte unsere französische Freundin, nachdem sie sich aus unzähligen Umarmungen befreit hatte. „Das ist wirklich fein, dabei habe ich dich wirklich schon sehr vermisst“, freute ich mich und hängte mich bei ihr ein. Greta hakte sich auf der anderen Seite bei ihr ein. „Warum hast du uns nichts davon geschrieben, dass du uns besuchen kommst?“, fragte Sandrina. „Dann wäre es auch keine Überraschung mehr gewesen“, drehte sich Amandine zu ihr um. Als sie sich zu uns an den Tisch gesetzt hatte, trank sie ein Glas Mangosaft und probierte Sandrinas Tiramisu. „Vorzüglisch!“, lobte sie. „Am liebsten würde ich eine ganze Karrenladung davon mitnehmen, aber irgendwie muss ich die nach Schweden kriegen“, scherzte Oli. „Gibt es dort keine italienischen Restaurants, wo man Tiramisu essen kann?“, fragte Lucy. „Schon, aber dort schmeckt sie meist nicht so lecker wie bei Sandrina“, meinte sie. „Was ist sonst außer dem Stallbrand und eurem Turnier passiert?“, erkundigte sich Amandine.

 

„Nicht mehr besonders viel, in den letzten Wochen haben wir viele Klausuren geschrieben“, murmelte Jenny. „Und der Stall wird langsam wieder aufgebaut“, ergänzte ihre Cousine. „Darf ich mir das anschauen?“, platzte Amandine vor Neugierde. „Klar, willkommen zur Führung all inklusive für Amandine“, flachste ich. Greta, Oli, Fiona und Lucy hatten keine große Lust mitzukommen und blieben sitzen. Sandrina, Rosy, Jenny und ich konnten es kaum erwarten die Fortschritte des Wiederaufbaus zu zeigen. Im Mondlicht sah der Rohbau ziemlich gespenstisch aus. „Das muss ganz schön heftig gewesen sein“, hauchte Amandine, die voller Ehrfurcht davor stand. „Das kannst du ruhig glauben“, nickte ich, „Damals wäre Donnie fast gestorben, wenn Fiona ihm und im Endeffekt auch mir das Leben gerettet hätte“ „Sie ist ganz schön mutig“, fand Amandine, „Zudem ist sie viel netter geworden, so kannte ich sie noch nicht“ „Ich weiß nicht wie es passiert ist, aber sowohl Fiona als auch Gladys sind wie ausgewechselt“, meldete sich Rosy zu Wort.

 

Am Pool steppte inzwischen gewaltig der Bär. Das lag daran, dass Emil die Meute mit astreiner Discomucke einheizte und die Leute inzwischen genügend von der besagten Bowle getrunken hatten. „Ich geh nicht tanzen“, lehnte Rosy ab und verzog sich mit Lucy an unserem Tisch. Jenny, Amandine und ich hatten große Lust das Tanzbein zu zwingen und stürzten uns ins Getümmel. Mitten im Gewühl ertappte ich Freddy und Oli, wie sie zusammen herumalberten und heftig am lachen waren. Erwischte ich da zwei Turteltäubchen? „Na warte!“, dachte ich nur und pirschte mich von hinten an Freddy heran. Mit einer ruckartigen Bewegung zog ich ihn nach und verpasste ihm einen Seitenstoß. Da er auf diese Attacke nicht gefasst war, landete er mit lauten Platsch im Wasser.

 

„Hey Emily, das ist nicht fair!“, prustend tauchte er wieder auf und kletterte aus dem Becken. Strähnen seines flachsblonden Haares klebten an seiner Stirn. „Jetzt kannst du dich umziehen gehen“, grinste ich schadenfroh und Oli bekam einen Lachkrampf, sodass sie sich an mir festhalten musste. „Du bist so knuffig!“, giggelte sie fünf Minuten immer noch. „Seht mal, wen ich hier habe!“, hielt Shane uns sein Iphone hin. „Oh man, bist du genial! Du hast ihn richtig gut getroffen“, kicherte ich wieder los, „Das musst du unbedingt Fintan schicken“ „Wieso das? Er kennt doch Freddy gar nicht“, sah er uns verständnislos an. „Noch nicht“, betonte Oli, „Mal sehen wie die Dreiecksbeziehung zwischen Finn, Emmi und Freddy aussieht“ Ach du meine Güte, daran hatte ich noch gar nicht gedacht, dass Fintan demnächst zurückkehren wird. Zwar war ich seit zehn Monaten mit Freddy zusammen, trotzdem konnte es passieren, dass ich mich erneut in Finn verliebte. Schon wenn ich mir einige seiner Bilder anguckte, die er mir aus Amerika schickte, bekam ich ab und an ein leichtes Kribbeln im Bauch. Mit einem Mal fiel mir ein, dass Fintan eventuell nicht wusste, dass ich mit Freddy ging. Zwar hatte ich es in einer Nachricht angedeutet, aber er hatte nicht dementsprechend darauf reagiert.

 

Andererseits schickte er mir öfter Photos, auf denen er mit anderen Mädchen zu sehen war. Wieso sollte ich dann neidisch auf ihn werden? Ehrlich gesagt, konnte ich manchmal ein kleines bisschen neidisch werden, wenn ich ihn zusammen mit Claire auf den Photos sah. Sie sah wirklich umwerfend aus, obwohl er immer noch behauptete, dass er mit ihr einfach nur gut befreundet war. Ob ich ihm das so leicht abnehmen sollte? Nach fünf Minuten kam Freddy geföhnt und mit neuen Klamotten wieder. „Damit du es weißt, wegen dir will ich heute Abend nicht noch mal im Pool landen“, sah er mich eindringlich an. „Das wird nicht mehr vorkommen, Ehrenwort“, schwor ich ihm. Freddy zog mich zur Cocktailbar. „Einen Sex on the beach und einen Pina Colada“, bestellte er. Schon beim ersten Schluck schmeckte ich den Rum heraus. Für meinen Geschmack hatten Arabella und co ein bisschen zu viel davon rein getan. Leicht angenebelt ließ ich mich in Freddys Arme sinken und küsste ihn leidenschaftlich. „Nimmst du es mir nicht mehr übel, dass ich mich mit Oli amüsiert habe?“, fragte er vorsichtshalber noch mal nach. „Nö“, erwiderte ich ehrlich. Ob diese Antwort daher kam, dass ich schon ein wenig angeheitert war, wenigstens war ich nicht grundlegend eifersüchtig.

 

Um zwei Uhr hockte ich zusammen mit Fiona und Gladys vor dem Fenster. „Schade, dass morgen schon mein letzter Tag ist“, bedauerte Gladys, „Zwar wollte ich die meiste Zeit schleunigst weg von hier, doch als ich mich geändert habe, fühlte ich den Zusammenhalt der Schulgemeinschaft“ „Das ist der Geist von St Malory“, klärte ich sie auf und verwies auf die Geschichte, die uns Mamsell vor knapp drei Jahren erzählt hatte. „Vielleicht treffen wir den Geist wirklich einmal oder können ihn im Keller besuchen“, gluckste Fiona. Da fiel mir unser allererstes Halloween ein, wo wir unserer Französischlehrerin einen Streich gespielt hatten und Patrick als Gespenst verkleidet durch die Klasse spukte. Noch bevor ich zuende erzählt hatte, bogen sich meine Zimmerkameradinnen vor Lachen. „Wisst ihr was nicht vermissen werde?“, sagte Gladys nach einer Weile, „Mamsell Vokabel- und Grammatikpaukerei“ „Ich finde sie ein wenig zu konventionell, aber sonst mag ich sie unheimlich gerne“, war Fiona der Meinung. „Mögen tue ich sie eigentlich auch, obwohl ich anfangs überhaupt mit ihr klar kam“, murmelte Gladys. Um viertel nach drei fanden wir doch noch unseren Weg ins Bett, nachdem wir bei jedem zweiten Wort gähnten. Ich schlief bereits schon so fest, dass ich gar nicht mehr mitbekam, wie Gladys sich duschte und ihren Koffer packte. Gute Nacht, St Malory und einen guten Start in die Sommerferien!

 

Vorschau: Saint Malory – Auf zum Endspurt

 

Nach einem Jahr ist Fintan wieder im Lande. Klar dass Emily sich wieder in ihn verguckt, obwohl sie noch mit Freddy zusammen ist. Wieder bahnt sich ein Zweikampf in der Beziehung an. Wie sich Emily diesmal entscheidet? Zudem kommen Joan und Nelly, ein eineiiges Zwillingspärchen, neu in die Klasse und mischen ordentlich auf. Bereits nach wenigen Tagen wird eine große Party auf dem Dach der Turnhalle geplant, die leicht durch ein Baugerüst zu erreichen ist. Durch einen Unfall wird die Dachparty zur Tragödie, bei der eine Schülerin schwer verletzt wird. Wenn sich die Verantwortlichen nicht melden, droht die Abschlussfahrt nach Venedig auszufallen. Zudem erwarten die Internatsschüler noch weitere Hochs und Tiefs. Neue Abenteuer, neue Freundschaften und Herausforderungen stehen vor der Tür. Da das letzte Schuljahr angebrochen ist, müssen die Schüler noch heftiger für die Schule schuften und sammeln bei einem Praktikum erste Berufserfahrungen. Da Höhepunkt des Jahres ist Emilys erste Teilnahme an einer Jugendolympiade im Springreiten.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Freunde, meine Leser und meine treuste Kritikerin Betty J. Viktoria :D

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