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Einfach ich

Vorwort

 

Bei diesem Buch handelt es sich um eine kurze Biografie von mir. Meinen Namen und die Namen der anderen Personen werde ich verändern, da ich möchte das Namen und Daten anonym bleiben. Warum schreibe ich überhaupt aus meinem Leben? Nun ja, da ich als Kind eine Sprachbehinderung und Wahrnehmungsstörungen hatte, war ich immer etwas anders als die "normalen" Kinder und hatte es nicht immer ganz leicht. Vorallem mit blöden Vorurteilen, Mobbing und Ausgrenzung musste ich so meine Erfahrungen machen. 

 

 

 

 

Akzeptiert werden ist nicht immer ganz einfach

 

Mein Name ist Jennifer, genannt Jenny. Im Frühling 1993 wurde ich als erstes von zwei Kindern meiner Eltern in einer mittelgroßen Stadt geboren. Unsere Familie lebte erst seit kurzem in Nordwestdeutschland. Schon als ich ein kleines Kind war, war auffällig das ich anders war als Babys in meinem Alter. Ich krabbelte viel später, sprach kaum und fing erst sehr spät mit dem Laufen an. Entwicklungsverzögerung nannten das die Ärzte und Therapeuten. Anfangs wussten wir nicht woran das lag. Schon als Kleinkind wurde ich in Therapien gesteckt, wo an meinen Defiziten gearbeitet worden ist. Mit drei oder vier kam ich in einen heilpädagogischen Kindergarten, wo auch behinderte Kinder hingingen. Dort haben mir am meisten das Schwimmen, die Reittherapie, das Kinderturnen und die Ausflüge Spaß gemacht. Mit den anderen Kindern spielte ich nur selten, da ich ein wenig ängstlich war, weil ich früher schlecht einschätzen konnte, was Menschen als Nächstes machten. Deshalb beschäftigte ich mich viel alleine, worüber sich einige der Erzieher sorgen machten. Manchmal nahmen sie mich seperat aus der Gruppe, damit ich mal unter Anleitung mit ein oder zwei anderen Kindern spielen konnte. Darüber habe ich meinen ersten Kindergartenfreund Kevin kennengelernt, der dort auch mein einziger blieb. 

 

Privat hatte ich als kleines Kind einen allerbesten Freund der Marlon hieß. Unsere Mütter waren (sind) sehr eng befreundet. Seit dem ich denken kann kenne ich Marlon und wir sind immer noch befreundet, obwohl er in einer anderen Stadt wohnt. Facebbook, Whatsapp und co machen es uns möglich in Kontakt zu bleiben. Zusammen haben Marlon und ich früher viel Unsinn gemacht, da besonders ich auf die abtrusesten Ideen kam. Einmal haben wir uns mit Kreide unsere Gesichter angemalt und dann die Hauswand der Nachbarn, was selbstverständlich keine große Begeisterung bei ihm auslöste. Im Kindergarten achteten die Erzieher sehr darauf, dass ich keinen Unfug anstellte. Nur einmal bekam ich ordentlich Schimpfe als ich ohne Abmeldung bei einem Ausflug zur Koppel gelaufen bin und die Pferde gesteichelt habe. Nach anderthalb Jahren bin ich in einen normalen Kindergarten gewechselt, aber nur für ein halbes Jahr. Anfangs hatte ich ganz große Probleme dort Anschluss zu finden. Die anderen kinder beäugten mich zuerst skeptisch. Zum Glück hatte ich Marlon, der mit mir manchmal spielte. Leider war er mit Jens befreundet, den ich gar nicht leiden konnte, da dieser mich geschubst und gekniffen hat. Deswegen hatte ich mich im Kindergarten nicht mehr an die Jungenclique mit Pascal, Jens, Dominik, Tim und Marlon herangewagt. Zum Glück habe ich mich mit Maria und Jessica angefreundet, die ich auch zu mir nach Hause eingeladen hatte. Beide Mädchen waren zuvor ziemlich Außenseiterinnen in der Gruppe gewesen. Obwohl ich mit Marlon nicht mehr so viel im Kindergarten gespielt habe, trafen wir uns immer noch Zuhause. Zusammen mit unseren Müttern und meinem jüngeren Bruder Sven gingen wir schwimmen, fuhren Rad, rodelten im Winter, spielten auf dem Spielplatz und buken Plätzchen. 

 

Als ich sechs war, kam ich in die Vorschulklasse der Sprachheilschule. Erst war ich ein bisschen traurig, dass Marlon und Kevin nicht in meine Klasse gingen, da sie noch mal ein Jahr in den Kindergarten gingen. Auch in der Sprachheilschule hatte ich am Anfang Probleme Freundschaften zu knüpfen, was an meiner Schüchternheit und meinem ängstlichen Auftreten lag. Doch vom Stoff her, war es nicht schwer. Der Unterricht bestand aus Mal-, Sprach-, Konzentrations- und Hörübungen. Schade fand ich, dass wir noch keine Buchstaben gelernt hatten, schließlich war es die Vorschule. Nach zwei Monaten hatte ich dort meine erste Freundin, sie hieß Manuela und hatte eine Hörbehinderung. In der Pause rannten wir zusammen über den Schulhof zu den Schaukel, damit niemand vor uns da war. Irgendwann wollte auch Ira mitspielen, die schon in die erste Klasse ging. Trotzdem hatte ich mit Maurice ziemlich heftige Probleme. Anfangs hatte er mich immer wieder beledigt, bis er uns Mädchen gegenüber richtig handgreiflich wurde. In der ersten und zweiten Klasse wurde es noch viel schlimmer. Erst verprügelte er meine neuen Freundinnen Sarah und Alice, dann warf er die Fensterscheibe der Turnhalle ein und dann schleppte er mich mit einem Kumpel ins Gebüsch, wo er mir die Hose auszog. Nach mehreren Überfällen schlossen meine Freundinnen Sarah, Alice, Moana, Henriette, Linn und ich uns zu einer Mädchenbande zusammen, um uns gegen die Angriffe von Maurice und seinen Kumpels zu schützen. In der Mitte der zweiten Klasse verschwand Maurice auf einmal. Unsere Klassenlehrerin sagte, er müsse sich eine stationäre Therapie unterziehen wegen seiner Aggressionen. 

 

Nach der zweiten Klasse wechselte ich auf eine normale Grundschule und musste die Klasse wiederholen, weil die dort mit dem Unterricht schon viel weiter waren. Von da an war ich die Älteste in der Klasse. Die anderen Kinder waren sieben oder acht, während ich schon neun war. In der ersten Zeit kümmerte sich Nora um mich, doch nach ein paar Tagen stand ich wieder alleine da. Von einigen Kinder wurde ich schief angeschaut. Zudem meinten welche, dass ich komisch sei. Trotzdem gab ich nicht auf neue Freunde zu suchen. Marlon, der eine Klasse über mir war, wollte nicht in der Schule mit mir spielen, da es peinlich war mit dem anderen Geschlecht zu spielen. Mandy und Hatice aus meiner Klasse erwiesen sich als richtige Zicken, nachdem sie einmal mitspielen ließen und mich dann anfingen von der Seite anzuzicken. Glücklicherweise gab es noch Verena, Nora, Stefanie und Mareike. Da meine Mutter mit Stefanies Mutter befreundet war und Stefanie schon paar Male bei uns war, verstand ich mich ganz gut mit ihr. Von da an ließen sie mich in die Mädchenclique. Am liebsten spielten wir Pferd oder Seilspringen und brauten uns manchmal unsere eigenen Zaubertränke. Besonders Verena und Stefanie hatten in dieser Hinsicht eine blühende Fantasie. 

 

Am Anfang der dritten Klasse bekam ich immer mehr Probleme mit Verena, die eifersüchtig auf mich war, da ich sehr eng mit Stefanie befreundet war. Da Stefanie und auch Nora ihre besten Freundinnen waren, war sie dagegen, dass ich mit ihnen viel Umgang pflegte und fing mich an aus der Clique auszuschließen. Stattdessen spielten die vier Mädchen mehr mit Lilly. Zunehmend wurde die Mädchen mir gegeüber immer zickiger. Schließlich freundete ich mich mit Conchita an, deren Eltern aus Chile kommen. Sie wurde in der Klasse ziemlich geärgert, nachdem sie sich mit ihrer Freundin Marina zerstritten hatte. Marina tat sich damals mit Alexa, Lilly und Miriam zusammen, um Conchita eins auszuwischen. Nach den Herbstferien kam Agneta, die eine polnische Mutter hatte, neu in unsere Klasse. Da sie neu war, war sie ebenfalls eine Außenseiterin, die bei ihren Mitschülern keine Chance hatte. Ich wurde neben Agneta gesetzt, da sonst niemand neben ihr sitzen wollte. Schnell wurden Agneta und ich Freundinnen. Nur Conchita verstand sich nicht besonders gut mit ihr. In der Pause spielten Agneta und ich öfter mit Eva, die eine Klasse unter uns war. Trotzdem waren wir nicht vor Beleidigungen anderer Schüler geschützt. Besonders Agneta und ich mussten uns teilweise ziemlich gemeine Sachen anhören. Als Alexa zusammen mit Marina mich gegen Agneta aufbrachte, fand ich wieder mehr zu Conchita zurück, die in der Zeit ziemlich viel alleine gewesen ist. Zum Glück ließen uns Marlon und seine Freunde in den Pausen wieder mitspielen. In der vierten Klasse gründete ich mit Conchita, Agneta und Paula aus unserer Parallelklasse einen Mädchenclub. Unsere Patenkinder nahmen wir auch auf, sowie Justin und Sophia aus der Klasse unter uns. Trotzdem erfuhr ich ganz zum Schluss, wie heftig meine Mitschüler über die Jahre über mich gelästert hatten, was mich sehr enttäuschte. 

 

In der fünften Klasse kam ich mit meinen Freundinnen Paula, Nora und Stefanie aufs Gymnasium. Auch Verena war in meiner neuen Klasse. Ich hatte gehofft, dass dort alles besser sein würde und träumte davon eine richtig coole Mädchenclique zu haben. Stattdessen kam ich vom Regen in die Traufe. Manuell und Tom hatten mich bereits nach wenigen Tagen auf dem Kieker und fingen mich immer wieder an zu hänseln. "Findet ihr nicht auch, dass Jenny eine total komische Tante ist? Die kann noch nicht mal richtig sprechen", hörte ich Momo sagen. Seine Freunde nickten nur und rollten mit den Augen. Achmet begann mir fiese Beleidigungen hinterher zu rufen und schubste mich einmal die Treppe hinunter. Während mich vier oder fünf Jungs zu hänseln begannen, machten meine Freundinnen nichts, auch Paula. Kurz nach den Weihnachtsferien wurden mein Euti und mein Matheheft mit Schimpfwörtern beschmiert. Ich traute mich nicht zu den Lehrern zu gehen und erzählte meinen Eltern nichts davon. Erst nach acht Monaten erzählte ich meiner Mutter davon, die ziemlich entsetzt darüber war. Sie meinte, dass es ihr merkwürdig vorgekommen sei, dass ich mich kaum noch verabredet hätte und niemand Neues mal mit nach Hause gebracht hätte. Unser Klassenlehrer Herr Grünling verpasste den fünf Haupttätern einen ordentlichen Einlauf, als meine Mutter ihn über das Mobbing informiert hatte. Danach hatte ich bis zum Ende des Schuljahres Ruhe. Endlich fand ich wiedern den Mut mehr auf die Mädchen in meiner Klasse zu zugehen. Trotzdem spürte ich, dass sie mich nicht dabei haben wollten. "Lauf doch uns nicht ständig hinterher", bekam ich Fatima zu hören. 

 

In der sechsten Klasse kam Julia neu in unsere Klasse, sie hatte rote Haare und war so groß wie ich. Ich half ihr bei der Eingwewöhnug und freundete mich schnell mit ihr an. Als Julia mehr mit unserer großen Mädchenclique zu tun hatte, merkte ich die unfreundlichen Blicke von Verena, Fatima und Zoe. Ihnen war es ein Dorn im Auge, dass ich mitspielte. Irgendwann verschwanden sie ohne auf mich zu warten. Erst am Ende der Pause fand ich meine Klassenkameradinnen, wie sie entweder Fußball spielten oder Seil sprangen. Doch da klingelte es meist auch schon. Glücklicherweise war ich mit Leonie aus der achten Klasse befreundet, sodass ich in den meisten Pausen wenigstens eine Freundin hatte. Von Zeit zu Zeit wurde ich immer verunsicherter, dies war auch an meiner Körpersprache zu merken. Wie ein kleines Mäuschen kam ich daher, zumal ich meine Schulter leicht hochgezogen hatte und nur noch sehr leise sprach. Zuhause zog ich mich in meine Traumweilt zurück. Zwar ging ich noch zum Reiten und spielte mit meinem Bruder und meinem besten Freund Marlon Fußball, trotzdem war ich richtig in mich gekehrt. Verbreden tat ich mich meist nur noch mit Marlon und meiner Freundin Mira. In einer Französischstunde begannen mich Momo, Manuell und Tom mich sexuell zu belästigen und zu begrabschen. Weil ich mich nicht anders zu wehren wusste, schlug ich zu. Nachdem die Jungs von unserem Klassenlehrer großen Ärger bekommen hatte, hatte ich erstmal keine Probleme mehr. 

 

Auch Lydia, Maya, Karin und Lisa, die sich häufig über mich lustig gemacht hatten, entschuldigten sich bei mir. Sogar Zoe war mit einem Mal viel netter, obwohl sie vorher über meine Kleidung gelästert und hinter meinem Rücken verbreitet hatte, dass ich angeblich behindert sei. Nun durfte ich die Pause wieder mit meinen Klassenkameradinnen verbringen. Ich fragte sie bei einer Gelegenheit, wieso sie mich so ausgeschlossen hatten. "Wir fanden dich halt komisch", gab Lisa kleinlaut zu. Karin und Zoe fragten mich zunehmend wo ich meine Kleidung kaufte und wo ich mir meine Haare schneiden ließ. Ich staunte nicht schlecht, wie gut ich wieder in der Klasse zurecht kam. Auch mit Paula war ich wieder besser befreundet und zudem verstand ich mich prima mit Ellen. In der siebten Klasse hielt die Waffenruhe weiter an, es kamen keine Beleidigungen mehr und niemand lachte mich aus. Ich wurde sogar zur zweiten Klassensprecherin gewählt und durfte in der Fußballschulmannschaft der Mädchen spielen. Von da an wuchs mein Selbstbewusstsein und ich begann sehr gute Noten zu schreiben. Mit Olivia und Franziska fand ich zwei neue Freundinnen, mit denen ich außerhalb der Schule Shoppen ging und mich privat traf. Drei Mitschülerinnen luden mich sogar zu ihren Geburtstagspartys ein und einmal durfte ich auf eine Übernachtungsparty. 

 

Am Ende der siebten Klasse war es vorbei mit der Ruhe. Auf der Fahrt nach England gingen die Ärgereien wieder los, aber diesmal hauptsächlich von Schülern aus der Parallelklasse. Papierknüller flogen in meine Richtungen und Scherze wurden auf meine Kosten gemacht. Zu meiner Enttäuschung nahmen mich Olivia und Franziska nicht in den Schutz. Sie taten so, als sie nichts mitbekämen. Ich traute mich nicht richtig gegen die Attacken zu wehren, da ich Angst hatte, dass ich es richtig mit den Mitschülern verderben könnte und ich am Ende noch mehr Ärger hätte. Im Englischunterricht nahm mir Hanna mein Etui weg und bohrte mit meiner Schere in ihrer Nase. Nur die Zeit bei meiner Gastfamilie konnte ich richtig genießen. Der Gipfel folgte erst in London, als ich mutterseelenallein an einer U-Bahnstation zurückgelassen wurde. Schluchzend rief ich meine Klassenlehrerin an, die mich einer Viertelstunde später abholte. Auch auch der Rückfahrt wurde es richtig schlimm für mich. Ein paar der Kinder hielten mich fest und zwangen mich Moritz aus der 7c zu küssen. Erst als ich anfing zu weinen, ließen sie mich los. Nach der Englandfahrt ging der Spießrutenlauf weiter, besonders die Kinder aus den Parallelklassen hatten es auf mich abgesehen. Gott sei dank war ich in meiner Klasse sehr eng mit Paula und Ellen befreundet, mit denen ich beinahe alles machte. Zu dritt ärgerten wir ab und zu Maik und Noah, die ebenfalls unbeliebt in der Klasse waren. Kurz vor den Sommerferien musste ich erfahren, dass Ellen meine Freundschaft nur vorgetäuscht hatte und ließ sich einen gemeinen Streich einfallen um mich vor der ganzen Klasse zu blamieren. 

 

In der achten und neunte Klasse besserte sich nichts, im Gegensatz es wurde viel schlimmer. Meine Freundinnen, von denen ich gedacht habe, dass sie meine Freundinnen waren, verarschten mich an Strich und Faden. Karin, Lydia und Maya ließen sich einen gemeinen Streich nach dem anderen einfallen und bewarfen mich Papierknüllern und mit Brtokrümeln. Immer wieder wurde meine Jacke verhängt, mein Turnbeutel versteckt oder mein Etui landete im Papierkorb. Paula und Ellen machten am meisten mit, obwohl sie zuvor in der 7 Klasse noch gute Freundinnen waren. Frustriert musste ich feststellen, dass ich in der Klasse keine einzige Freundin mehr hatte. Am schlimmsten war es für mich, dass ich mich die halbe Klasse wegen meinen Marotten aufzog bezüglich meiner Sprechweise und meiner Körpersprache, die sich von anderen Kids etwas unterschied. Ich kann mich erinnern, dass ich in den beiden Schuljahren immer wieder auf die Toilette gerannt bin und geheult habe. Normalerweise hatte ich nicht nah am Wasser gebaut, doch in dieser Zeit fühlte ich mich ziemlich miserable. Die Einsamkeit war genauso schlimm wie die Stigmatisierung zum Mobbingopfer. Auch außerhalb der Schule hatte ich kaum Freunde. Nur Marlon und Mira, die auch nicht immer viel Zeit hatten. Bjarne wohnte an der Grenze zu Dänemark. Tanja, die ich durch die Fußballmannschaft kennen gelernt hatte, war ein Lichtblick für mich. Erst nach drei Monaten traute ich mich sie zu fragen, ob wir uns verabreden wollen. Immerhin hatte sie Lust und so fand ich eine neue Freundin. 

 

Je länger das Mobbing andauerte, desto schwerer hatte ich es Fuß zu fassen. Bald war es unmöglich für mich Gespräche mit meinen Mitschülern zu führen und mit ihnen Gruppenarbeiten zu machen. Mein Selbstwertgefühl sank unter die Gürtellinie und ich wollte am liebsten am anderen Ende der Welt sein. Voller Neid sah ich den anderen Mädchen hinterher, die sich zu dritt oder zu viert untergehakt hatten. Sowieso war ich diejenige, die am meisten allein war. Auch beim Sport fand ich fast nie Partner, sodass die Lehrer mich immer woanders zuteilen mussten. Zunehmend bedrängten mich wieder mehrere Schüler mit fiesen und obzönen Fragen, wie schon in der achten und neunten Klasse. Dort hatten sie mich bereits unerlaubt gefilmt und Bilder ins Internet gestellt. Damals hatten sie mich in einer Gruppe bei Stay-Blue ziemlich bloßgestellt und Bilder hochgeladen, auf denen ich blöd guckte. Im neunten und zehnten Schuljahr verabredete ich mich privat kaum. Immer häufiger hatte ich depressive Phasen und meine Gedanken zum Thema Mobbing fuhren mit mir Karussel. Ich hätte so gerne drei oder gute Freundinnen an meiner Schule gehabt, doch ich hatte diese Hoffnung bereits metertief begraben. Wenn ich zu dieser Zeit nicht bereits Geschichten geschrieben hätte, mag ich mir nicht ausmalen, wie ich die schwere Zeit überstanden hätte. Mir war immer schon bewusst, dass durch meinen leichten Sprachfehler, der inwischen ganz weg ist und wegen meiner Wahrnehmungsstörung anders war als andere. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass mir dies so zum Verhängnis werden würden. Als ich 16,17 und 18 war, dachte ich nach wie ich mehr so werden könnte wie die anderen Jugendlichen. 

 

Mit 18 kam mein großer Durchbruch. Ich wollte nicht mehr traurig, klein und allein sein. Ich nahm allein meinen Mut zusammen und probierte neue Sachen aus. So ging zu Kursen ins Mädchenzentrum, wo ich Farina und Carlotta kennen lernte. Ebenso lernte ich auf dem Fußballplatz nette Leute kennen, mit denen ich mich traf. Obwohl ich auch noch in der Oberstufe immer noch gemieden worden bin, hatte ich neues Selbstvertrauen durch meine neuen Freunde. Glücklicherweise ergab es sich wieder, dass mein Bruder und ich nun sehr viel zusammen mit Bjarne, Marlon und Mira machten. Mehrmals im Monat verabredeten wir uns zum Fußball spielen und anschließeden Feiern. Je mehr Freunde ich hatte, desto stärker wurde ich und nahm mir das subtile Mobbing in der Schule nicht mehr so doll zu Herzen. Von Jahr zu Jahr öffnete ich mich mehr und wurde mit neuen Freundschaften belohnt. Zwar hielten nicht alle davon ewig, aber zumindest war mir bewusst, dass ich in der Lage bin Freundschaften zu knüpfen. Zudem war ich seit dem Januar 2011 mit Bjarne zusammen, auch wenn wir uns nur paar Mal im Jahr sahen. Durch Facebook fand ich zwei alte Freundinnen aus der Sprachheilschule wieder, darunter Linn und Sarah. Einerseits war Facebook eine Chance mich mit anderen Leute über Mobbing auszutauschen, doch andererseits war es genauso auch ein Fluch. Einige Schüler nutzen die Gelegenheit dazu, gemeine / zweideutige Kommentare unter meine Bilder zu schreiben. Einmal wurde sogar ein Penisvideo auf meine Pinnwand gepostet, weswegen wir den Schulleiter informiert haben. 

 

Kurz vor Weihnachten wurden ein Kumpel und ich Opfer eines fiesen Scherzes. Zu meiner Überraschung bekam zum Nikolaus einen Schokoladenweihnachtsmann, der von Uwe stammte. Ich wollte mich gerade mit einer Tüte Gummibärchen bei Olaf bedanken, als er mir sagte, dass er mir diesen Weihnachtsmann gar nicht geschenkt hatte. Peinlich berührt schwiegen wir uns an, bis Swantje meinte, "Geht zur Beratungslehrerin. Sowas ist echt gemein und grenzt schon an Mobbing!" In diesem Moment kamen mir fast die Tränen. Wer hatte mich nur so bloßstellen wollen? Sowieso hatte ich keinen Bock mehr auf dieses Gymnasium. Seit Jahren ging das so, nie bekam ich ein Bein an die Erde und noch nie bin ich auch nur ein bisschen erns genommen worden. Alle Intervationsversuche unser Beratungslehrerin Frau Mackel schlugen fehl. In der 9 und 10 Klasse hatte ich sie als Klassenlehrerin und es hat nichts gebracht, dass sie ihre Schüler ins Gebet genommen hatte. Dazu kam das sie nicht bestimmt genug auftrat und freundlich wurde, wenn eins der Mädchen anfing zu weinen. Im Juni 2013 schaffte ich mein Abitur. Bei der Zeugnisübergabe wurde ich nur von meiner Freundin Paula beachtet, mit der ich mich seit zwei Jahren wieder ganz gut verstand. Als ich vor dem Abi-Ball mich vom Acker machte, fielen mir ein Dutzend Steine vom Herzen. 

 

Zwei Monate später fing ich eine Ausbildung in einer Laborschule an. Anfangs war ich Feuer und Flamme. Meine neuen Mitschüler waren sehr nett und ich war erstaunt, wie offen sie waren. Bereits in den ersten Tagen traf ich mich mit ein paar Mitschülern zum Cocktailabend bei Juliane, die mit 29 die Älteste in der Klasse war. Zudem unternahm ich viel mit Franka, Fabienne, Nathalie und Sonja. Fast jeden Tag kam ich glücklich nach Hause. In der Schule war ich oft zu Scherzen aufgelegt und ging mit meinen neuen Freundinnen zum Bäcker. Nach den Herbstferien spürte ich, wie meine Freundinnen Abstand von mir nahmen. Morgens wurde ich nicht mehr begrüßt und sie ließen mich nicht mehr zu meinem Platz am Fenster durch. Generell wurde mit mir kaum noch gesprochen. In einer Deutschstunde war mir deswegen so elend, dass ich rausgerannt bin und auf dem Flur geweint habe. Cornelia lief mir hinterher und tröstete mich. Trotzdem konnte ich es nicht fassen, dass sich das widerholte, was ich bereits an den vorigen Schulen erlebt hatte. Zwar wusste ich, dass ich kein Mainstream-Girl war, doch wieso musste mir das immer zum Verhängnis werden? Was machte ich immer falsch, dass ich immer diejenige war, die es abbekam? Dabei war ich doch seit Jahren sehr freundlich, aufgeschlossen und hilfsbereit. Der Ton mir gegenüber wurde von manchen Mitschülern immer rauer, besonders im Labor, wo wir auch unter Zeitdruck arbeiten mussten. Immer wieder musste ich mir Vorwürfe von Mitschülern und dem Lehrer anhören, dass ich nicht schnell genug arbeitete. Besonders Jill konnte mir gegenüber sehr barsch werden, wenn ich zu lange für etwas brauchte. Im letzten Schuljahr haben wir uns einmal richtig derbe in die Haare gekriegt, weil ich mir ihren Ton nicht mehr gefallen lassen wollte. 

 

Durch meine Freunde außerhalb der Schule war es mir egal, ob ich in meiner Klasse viele Freunde hatte oder nicht. Schon am Anfang hatte ich gespürt, dass die meisten Leute überhaupt nicht zu mir passten. Viele von ihnen waren auf dem Gothic- und Fantasytrip, dort konnte ich als Fußballfan nicht mithalten. In der Fußballmannschaft, in der ich seit dem Frühjahr 2013 spielte, kam ich wiederum besser mit den Leuten zurrecht. Das lag daran, dass die meisten Frauen über 30 oder 40 waren und somit auch reifer. Dadurch dass ich mich in der Klasse mit Cornelia anfreundete, wurde die Ausbildung wieder erträglicher für mich. Kurz vor den Sommerferien verstand ich mich auch mit Jill. Weiß der Geier warum sie plötzlich so nett war. In der letzten Zeit hatte sie es auch nicht leicht gehabt, da sie aus der großen Clique ausgeschlossen wurde und von ihren (Ex-)Freundinnen gemobbt wurde. Im neuen und gleichzeitig letztem Ausbildungsjahr bekamen wir zwei neue Mitschüler, die Eda und Marvin hießen. Mit beiden kam ich super zurrecht. Valentina, Eda, Jill und ich arbeiteten von da an zusammen im Labor. Seit einigen Monaten fühle ich mich wieder wohler und habe den Eindruck, dass das Mobbing ziemlich verblasst ist. Trotzdem darf man nie sagen, dass es nie wiederkommen würde. Nur einer braucht damit anfangen und die ganze Klasse mit dem heimtückischen Virus befallen. 

 

Nun, was ist am Ende des Buches aus mir geworden? Ich bin 21 Jahre alt (Stand Ende November 2013), mache meine Ausbldung und werde nächsten Sommer damit fertig sein. Seid fast zwei Jahren spiele ich in einer wunderbaren Fußballhobbymannschaft und jogge für mein Leben gern, genauso wie ich Geschichten schreibe und das Reisen liebe. Seit einigen Jahren habe ich einen wundervollen Freundeskreis, der sich immer erweitert. Mein Leben ohne Mira, Bjarne, Marlon, Kristina, Lara und viele weitere Freunde wäre für mich nicht vorstellbar. Durch meine Hobbys, meine Familie, meinen Freundeskreis und meinen neuen Freund Chris habe ich zu meiner wahren Stärke gefunden. Mittlerweile bin ich stolz drauf einzigartig und ganz Ich zu sein. Kaum mache ich mir noch Gedanken drüber, dass andere Leute mich komisch finden. Es ist schon eine Kunst für sich, sich von der Meinung anderer Leute nicht beeinflussen zu lassen. Am besten macht man sich frei davon, denn so lernt man sich am besten lieben. Erst wenn man mit sich selber im Reinen ist, entwickelt man eine positive Ausstrahlung. Niemand, der gemobbt wird, braucht sich zu verstecken. Wichtig ist aus sich heraus zu kommen und die Fesseln zu sprengen. Ich habe es selbst erlebt und bin manchmal alleine durch die Hölle gegangen. Trotzdem habe ich mich nie vorstellt oder aufgegeben. Stattdessen habe ich immer meinen ganz persönlichen Weg verfolgt. Es ist kommt immer vor, dass ich unglücklich bin oder unzufrieden, in diesen Momenten denke ich, was ich bereits geschafft habe. Schließlich hat jeder mal seine Krisen. Von daher, "Bleib stark, folge deinem Ziel und gib nicht auf, denn an jedem Ende eines Tunnels leuchtet ein Lichtlein!"

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Tag der Veröffentlichung: 23.11.2014

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