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1. Vorfreude ist immer am schönsten

„Haben deine Eltern doch das Westerncamp für dich gebucht?“, stupste Fianna Aylin in der ersten großen Pause an.

„Ja endlich!“, nickte Aylin und fügte hinzu: „Aber erst nach einer zweistündigen Diskussion. Mein Vater fiel aus allen Wolken, als ich ihm offenbarte, dass ich seit einem Jahr reite. Nachdem er wegen dem Westerncamp großen Terz machte, willigte er ein, als ich versprochen hatte, freiwillig jeden Abend abzuwaschen und wöchentlich durchzusaugen.“

„Dass dein Vater sich immer so querstellen muss!“, sah Mathilda Aylin verständnislos an.

„Tja, offenbar hast du keine Ahnung, wie es bei uns in der Familie abläuft“, fuhr Aylin sie schnippisch an. Fianna wusste, dass das Thema Familie bei Aylin ein heikles Thema war und sprach sie ungern darauf an.

 

„Sehen wir es mal so, zumindest dürfen wir zusammen daran teilnehmen“, sprach Kiki den Gedanken aus, den alle Bandenmädchen in ihren Köpfen hatten.

„Meine Tante freut sich bestimmt riesig, dass wir als Bande auflaufen werden“, meinte Emily und gab jeder Freundin einen Highfive.

„Werden Sarahs nervigen Freundinnen auch dabei sein?“, fragte Lotta und machte ein leicht skeptisches Gesicht.

„Laut Rachel haben sie sich schon vor Wochen angemeldet“, nickte Emily.

„Oh je, das wird wieder Zwergenärger geben“, stöhnte Aylin auf.

„Ach, gegen die Piranhas sind die kleinen Mädchen nichts“, wägte Annemieke ab. „Schließlich kommen wir mit den großen Idioten auch klar und da werden wir mit den Kleinen auch fertig.“

„Na klar, sonst verpasse ich ihnen eine eiskalte Dusche und solange bis sie ruhig sind“, grinste Mathilda fies.

„Hey, sei doch nicht immer gleich so gemein!“, stieß ihre Schwester sie frotzelnd an.

„Ich und gemein", erwiderte Mathilda, sodass ihre Mundwinkel leicht zuckten. "Wie kommst du denn da rauf?"

 

„Diesmal hat sogar meine Mutter sofort die Teilnahme erlaubt und zwar ohne Gegenargumente“, strahlte Emily, die der kleinen Alberei der Zwillinge keine Beachtung schenkte.

„Das ist doch megaa!“, klatschte Lotta bei ihr ein.

„Dank meiner Drei in der letzten Mathearbeit, meinen Zweien in Deutsch, Bio und Geschichte. Das Lernen mit Micky hat mir wirklich geholfen“, fuhr Emily fort.

„Das werden garantiert vier wunderschöne Tage: ohne Eltern und ohne Schule“, jubelte Kiki und hüpfte dabei wie ein Känguru auf und ab.

„Und dafür mit der besten Bande der Welt!", vollendete Fianna ihren Satz. Sie griff nach Kikis Händen und drehte sich mit ihr einige Sekunden lang rasend schnell umher, bis ihr beinahe schwindelig wurde.

Alle Bandenmädchen freuten sich riesig über das bevorstehende Westerncamp auf Rachels Hof über Pfingsten: Vier Tage und drei Nächte Action rund um die Uhr. Übernachtet wurde in großen Mannschaftszelten, da die Temperaturen im Mai dies bereits erlaubten. Dazu gab ein Reit- und Spieleprogramm zum Thema Wilder Westen. Am Besten würde immer noch die gemeinsame Zeit mit den besten Freundinnen der Welt sein.

 

„Ich glaube, wir werden die Ältesten sein“, murmelte Lotta und machte eine große Kaugummiblase.

„Na und?“, zuckte Fianna mit den Achseln. „Hauptsache wir haben Spaß."

„Außerdem sind wir gegenüber den Kleinen im Vorteil“, meinte Kiki gelassen.

„Es sei denn wir müssen für sie Verantwortung übernehmen, weil sie irgendwelchen Mist ausgeheckt haben“, entgegnete ihr Lotta.

„Das kann uns natürlich blühen“, brummte Emily.

„Weißt du, wie viele Kinder sich noch angemeldet haben?“, wurde Fianna neugierig.

„Vor wenigen Tagen hat mir Rachel gesagt, dass sich mit uns knapp zwanzig Mädchen und Jungen angemeldet haben“, wusste Emily bescheid.

„Sind die alle jünger als zwölf oder dreizehn?“, fragte Lotta, wobei sie leicht skeptisch drein sah.

„Die meisten schon“, nickte ihre Freundin.

„Na, plant ihr gerade euren Pfingsttrip?“, feixend kam Jannis mit seinen Freunden aus dem Gebüsch gebrochen.

„Bravo, wir haben alles mitbekommen“, lag ein schelmisches Grinsen auf Svens Gesicht.

„Verdammt, wir wurden ausgehorcht“, zischte Kiki.

„Wieso müsst ihr Idioten immer die Nasen in anderer Leute Angelegenheiten stecken?“, fuhr Annemieke die Piranhas schnippisch von der Seite an.

 

Noch nicht vor all zu langer Zeit hatten sich die beiden Banden ziemlich heftig in die Wolle gekriegt und da ging es beileibe nicht zimperlich zu. Vor wenigen Monaten hatten sie einen Waffenstillstand bis zum Beginn des zweiten Schulhalbjahres beschlossen, der bereits wieder aufgehoben war. Zwar kam es noch einzeln zu Beschimpfungen und kleineren Neckereien, doch schlimmere Dinge blieben glücklicherweise aus.

„Ihr werdet bestimmt viel Spaß zwischen euren Mistviechern haben“, prophezeite Ömer.

„Du meinst wohl Pferde, aber wahrscheinlich hast du noch nie eins im wirklichen Leben gesehen“, konterte Aylin ihm schlagfertig.

„Werdet ihr uns vermissen?“, sah Jannis die Mädchen augenklimpernd an.

„Nicht im geringsten!“, musterte ihn Kiki abschätzig.

„Och schade, wir hätten nichts dagegen, ein paar Tage mit euch abzuhängen“, triefte Lennarts Stimme vor Ironie.

„Daran denken wir nicht einmal im Traum“, zeigte ihm Fianna einen Vogel.

„Außerdem brauchen wir unseren wohlverdienten Urlaub von euch Fischköppen. Zwar seid ihr nicht mehr ganz so schlimm wie vor ein paar Monaten, doch trotzdem strapaziert ihr manchmal unsere Nerven auf das Ärgste“, setzte Mathilda oben drauf.

 

Einen Moment später beendete der Gong die Pause.

„Oh no, jetzt haben wir Musik bei der schrecklichen Miller“, verzog Lotta das Gesicht.

„Nicht schon wieder diese blöden Tonleitern in Dur und Moll“, stöhnte Emily, die ihre Brotdose zurück in ihren Rucksack stopfte.

„Ich könnte bei ihr jedes Mal einschlafen“, gähnte Kiki übertrieben und lehnte sich bei Emily an. Die Zwillinge schlossen ihre Augen, ließen ihre Köpfe zur Seite hängen und gaben synchron einen langen Schnarcher von sich, sodass sich ihre Freundinnen vor Lachen kugelten.

„Ihr schießt auch immer den Vogel ab", giggelte Fianna, die sich unter der dicken Eiche bei den beiden Schwestern unterhakte.

„Immerhin nur noch zwei Stunden und dann haben wir es auch schon wieder geschafft", schob Lotta ihre Freundinnen durch die Schuleingangstür.

 

Im Musiksaal setzte sich Fianna zwischen Emily und Aylin in die dritte Reihe. Kiki, Lotta und die Zwillinge saßen genau vor ihnen.

„Guten Morgen, Frau Miller", begrüßte ein halbmotivierter Schülerchor die Musiklehrerin.

 „Guten Morgen, liebe 7a“, begann Frau Miller den Unterricht und stand steif wie ein Stock vor der Tafel.

„Eigentlich heißt es guten Mittag“, bemerkte Michael. Zum Glück hatte die Lehrerin seinen Kommentar nicht gehört und zeichnete stattdessen zeichnete eine A-Dur-Tonleiter an die Tafel.

„Jedes Mal das Gleiche“, seufzte Emily leise und malte ein Pferdchen in ihr Hausaufgabenheft. Kiki drehte sich zu ihnen nach hinten um und legte einen Zettel auf Fiannas und Aylins Tisch. Was das wohl sein mochte? Möglichst unauffällig entfaltete Fianna den kleinen Zettel unter dem Tisch. Neugierig beugte sich Emily und Aylin über ihre Schulter, als sie die Nachricht entfaltete.

„Heute Treffen um 16 Uhr am Wohnwagen. Kommt ihr auch?“, schrieb Kiki. Fianna war nicht einleuchtend, wieso die Bandencheffin unbedingt ein Treffen am Nachmittag einberufen wollte. Vielleicht war ihr genauso langweilig, aber dies war bei Frau Millers Unterricht kein Wunder.

 

Jannis und Lennart warfen währenddessen kleine Papierkügelchen in Richtung der Mädchen. Besonders gut blieben sie in den Locken der Zwillinge hängen.

„Ihr Fischkopfidioten!“, fauchte Mathilda.

„Könnt ihr euch wieder dem Unterricht zuwenden? Nur weil ich etwas an die Tafel schreibe, müsst ihr nicht glauben, dass nichts aus euren Reihen mitkriege“, klang Frau Millers Stimme spitz. Die Piranhas legte eine unschuldige Miene auf.

„Weiß Kiki nicht, dass ich heute Nachmittag zum Malkurs gehe“, flüsterte Aylin Fianna ins Ohr.

„Kiki kann sich sowas nicht merken, die denkt doch nur an den ganzen Bandenkram“, meinte Fianna.

„Kannst du mir erzählen, was ihr ohne mich besprochen habt“, bat ihre beste Freundin sie.

„Na klar, bei mir bist immer bestens informiert“, versicherte Fianna ihr.

 

„Fianna, könntest du mir die C-Moll-Tonleiter an die Tafel schreiben und mir den Unterschied zwischen Dur und Moll erklären?“, riss die Stimme der Lehrerin sie abrupt aus den Gedanken.

„Wie bitte? Was soll ich machen?“, stammelte Fianna und merkte, dass sie im Gesicht fast so rot wurde wie ihre Haare.

„Du hast mal wieder nicht aufgepasst und das bedeutet einen Strich für fehlende Mitarbeit“, musterte die Musiklehrerin sie aus zusammengekniffenen Augen. Nun hoben Freya, Pauline und Finn ihre Finger. Die drei Klassenstreber beteiligten sich immer rege. Anscheinend fanden sie den Unterricht immer spannend, auch wenn sich der Rest der Klasse beinahe im Tiefschlaf befand.

„Fianna, du könntest dir wirklich eine Scheibe von Finn abschneiden, denn so funktioniert mündliche Mitarbeit", wandte sich Frau Miller an sie, als Finn feinsäuberlich die Molltonleiter anzeichnete.

„Blöde Schnepfe!", dachte Fianna insgeheim als sie den Tafelanschreib in ihr Notenheft übertrug.

 

Am Nachmittag trafen sich vier Rote Tulpen im Wohnwagen. Kiki wollte ihr neues Waffeleisen einweihen und lud dazu die Bande zum Waffelessen ein.

„Unsere lieben Zwillingsmäuse kommen bestimmt wieder einmal eine halbe Stunde zu spät“, mokierte sich Kiki. Gerade als sie dies gesagt hatte, riss Annemieke die Tür auf.

„Wo kommst du denn her?“, machte Emily ein erstauntes Gesicht, als sich ihre beste Freundin außer Puste auf den Stuhl neben ihr plumpsen ließ.

„Mama hat mich überredet, dass ich mit ihr zu Ikea fahre, damit ich mit ihr einen neuen Schrank für ihr Schlafzimmer aussuche. Dann brauchte sie auch noch eine gefühlte Ewigkeit, um sich für ein Modell zu entscheiden“, erzählte Annemieke atemlos.

„Wieso kann das deine Mutter nicht alleine?“, zog Fianna die Augenbrauen hoch.

„Tja, Mütter brauchen anscheinend immer eine stylische Beratung ihrer Töchter“, bemerkte Kiki trocken.

„Als wir endlich zuhause waren, schwang ich mich auf mein Rad und düste los“, beendete Annemieke ihre Erzählung.

 

„Wo ist eigentlich Matti?“, wollte Kiki wissen.

„Ach, die hat mal wieder heftige Kopfschmerzen und hat sich gleich nach dem Essen ins Bett verfrachtet. Mal wieder ihre monatliche Migräne“, erwiderte Annemieke flapsig.

Während die Mädchen sich Tee eingossen und die ersten Waffeln verputzten, gingen sie zur Tagesordnung über.

„Was nehmt ihr alles mit?“, fragte Lotta in die Runde.

„Nur das Nötigste“, erwiderte Kiki und zählte auf: „Das wären ein Schlafsack, Isomatte, Kleider zum Wechseln, Zahnputzzeug, Handtuch und natürlich meine Reitsachen.“

„Hm…Vielleicht nehme ich meinen neuen Bikini mit“, überlegte Lotta.

„Was willst du mit einem Bikini auf einem Reiterhof?“, sah Fianna sie verständnislos an.

„Den Jungs die Augen verdrehen“, grinste Annemieke, wobei sich ihre unzähligen Sommersprossen kräuselten.

„Welchen Jungs bitteschön?“, meldete sich Kiki zu Wort.

„Vielleicht sind ein paar kleine Knirpse bis zehn Jahre dabei, die total auf Lotta abfahren und sie um ein Date bitten“, bemerkte Emily ironisch, worauf Annemieke, Fianna und sie zu kichern anfingen.

„Blöde Ziegen!“, fuhr Lotta sie an.

„Hey, sei doch nicht immer gleich so eingeschnappt“, legte ihr Emily die Hand auf den Rücken.

 

„Vielleicht sind Badesachen doch keine so schlechte Idee. Laut den Wetteraussichten soll es an den kommenden Tagen über zwanzig Grad werden und durchweg sonnig sein“, gab Annemieke zu, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte.

„Lily, du kennst dich doch besser in der Umgebung von Rachels Hof aus als wir“, begann Fianna. „Wo ist noch mal dieser Bach, in dem man baden kann?“

„Der ist nicht weit von Rachels Hof weg“, sagte Emily.

„Vielleicht erlaubt Rachel uns, dass wir alleine im Wald ausreiten dürfen“, hoffte Kiki.

„Das sieht sie bestimmt nicht gerne, wenn die Kleinen dabei sind“, schüttelte Emily den Kopf. „Wenn sie mitkriegen, dass wir ausreiten, dann wollen sie das garantiert auch.“

„Ach schade, das wäre wirklich cool gewesen“, murmelte Kiki enttäuscht. Nachdem sie weitere wichtige Fragen und To-Do's geklärt hatten, schwangen sich die Freundinnen auf ihre Fahrräder und fuhren in alle Himmelsrichtungen davon.

 

Als Fianna in die Auffahrt einbog, stand Aylin bereits an der Haustür.

„Habe ich etwas Wichtiges verpasst?“, kam ihre Freundin sofort auf sie zu.

„Wir haben hauptsächlich Waffeln gegessen und besprochen, was wir zum Westerncamp mitnehmen werden“, antwortete Fianna und ergänzte: „Und sie sich wollen Freitagnachmittag bei mir treffen, bevor wir zum Reiterhof aufbrechen, weil ich Geburtstag habe.“

„Fahren wir Freitag mit dem Rad oder bringt uns jemand dorthin?“, fragte Aylin neugierig.

„Wir werden mit Autos gebracht, denn das schwere Gepäck können wir nicht auf unseren Fahrrädern transportieren. Mein Vater wird fahren und die Mutter der Zwillinge ebenfalls“, erwiderte sie. Im Hausflur roch es verlockend nach einem Tortellini-Auflauf, bei dem ihr sofort das Wasser im Munde zusammenlief.

 

„Na, bringst du einen Gast mit?“, fragte ihre Mutter aus der Küche.

„Aylin ist gerade kommen“, nickte Fianna und fragte: „Darf sie mitessen?“

Normalerweise musste sie ihre Eltern vorher fragen, wenn sie eine Freundin zum Essen mitbrachte.

„Von mir aus, wir haben reichlich an Essen da. Aber beim nächsten Mal bitte ein wenig eher ankündigen, wenn jemand mitisst“, gab sich ihre Mutter einverstanden. Fianna und Aylin begannen kurz darauf den Tisch zu decken. Tom kam im nächsten Moment in die Küche und setzte sich an den Tisch.

„Tom, bist du mit den Hausaufgaben fertig?“, wollte seine Mutter wissen.

„Schon lange“, murrte er und sah nicht von seinem Nintendo auf. Nach wenigen Minuten war der Auflauf endlich fertig. Die Mädchen hatten so einen großen Appetit, dass sie noch einmal nachnahmen.

„Ihr Auflauf schmeckt richtig gut“, machte Aylin der Köchin ein Kompliment. Nach dem Essen verzogen sich die beiden Mädchen in Fiannas Zimmer. Fianna wollte ihr unbedingt ihrer Freundin die neue CD mit ihren Lieblingshits vorspielen. Gut gelaunt sang Aylin mit, während Fianna dazu den Takt auf ihrem Schreibtisch trommelte, ehe sie in den Refrain mit einstimmte. Dabei fand Fianna, dass sie sich nicht einmal halb so gut anhörte wie ihre beste Freundin.

 

2. In den Startlöchern

Zwei Tage später hatte Fianna Geburtstag, endlich war sie dreizehn geworden und somit ein Teenager wie all ihre anderen Freundinnen auch. Nachdem sie ihr in der Schule gratuliert hatten, versprachen sie ihr, dass sie am Nachmittag vorbei kommen wollten. Am frühen Nachmittag ging sie in ihr Zimmer hoch, um ihre Tasche zu packen. Mit dem neuem Album ihrer Lieblingssängerin machte das Packen doppelt so viel Spaß. Sofort fielen ihr all die bunten Tops und T-Shirts ins Auge, als sie ihren Kleiderschrank öffnete. Was sollte sie mitnehmen? Die Entscheidung fiel ihr nicht leicht, weil sie nicht so viele Sachen in ihre Tasche bekam und zudem auf jeden Fall noch Platz für ihre Reitsachen und ihren Pyjama brauchte. Von den Tops packte sie nur zwei ein und von den T-Shirts ebenfalls nur zwei, das musste für vier Tage reichen. Auf jeden Fall musste ihr geblümter Rock mit, den sie heute von ihren Eltern zum Geburtstag bekam.

 

Oder sollte sie ihn jetzt schon anziehen? Einen Moment überlegte sie, bis sie den Rock kurzerhand anzog und dazu ein dunkelgrünes Top wählte. Ihre rotblonden Haare band sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen.

„Fertig!“, dachte sie zufrieden und ließ sich auf ihr Bett plumpsen. Ein paar Sekunden später fiel ihr ein, dass sie ihren Kulturbeutel vergessen hatte und sprintete ins Badezimmer. Ach ja, Badesachen sollte sie auch mitnehmen! Mittlerweile war ihre Tasche so voll, dass sie kaum noch zuging. Erst als sich Fianna mit vollem Gewicht auf die Tasche setzte, ließ sie sich schließen. Unten klingelte es an der Tür. Noch bevor sie die Treppe hinunter sprinten konnte, hatte ihre Mutter bereits die Tür geöffnet. Lebhaftes Geschnatter machte sich unten im Flur breit. Wegen der Musik konnte Fianna nicht verstehen, was sie sagten.

 

Das Gepolter auf der Treppe kam immer näher.

„Hallo Geburtstagskind!“, riss Aylin die Zimmertür auf und hinter ihr tauchten die anderen Bandenmädchen auf. Ihre Freundinnen standen unschlüssig im Raum.

„Setzt euch!“, lächelte Fianna, nachdem sie jede Freundin zur Begrüßung umarmt hatte. Kiki und die Zwillinge nahmen auf ihrem Bett platz, Emily machte es sich auf ihrem Schreibtischstuhl bequem, während Lotta und Aylin sich im Schneidersitz auf den grünen Fransenteppisch setzten. Fianna drehte die Musik etwas leiser, damit sie sich besser unterhalten konnten.

„Die Geschenke gibt es erst später auf Rachels Hof“, sagte Emily.

„Das ist okay und so ungeduldig bin ich auch nicht mehr“, gab sich Fianna einverstanden.

„Wow, dein Rock ist aber schick!“, meinte Lotta und zog Fianna näher an sich heran.

„Hast du ihn zum Geburtstag bekommen?“, fragte Annemieke und betrachtete das Blumenmuster genauer.

„Ganz genau“, nickte Fianna. 

„Willst du ihn wirklich auf dem Hof tragen? Dort wird dein toller Rock in null Komma nichts schmutzig“, machte Kiki ein skeptisches Gesicht.

„Warum nicht? Sie hat doch bestimmt noch andere Sachen mit“, antwortete Lotta für sie.

 

„Mögt ihr eine kleine Stärkung?“, holte Emily eine Packung Gummibären aus ihrem großen Rucksack.

„Nein danke, aber nachher bestimmt“, lehnten die Freundinnen ab.

„Irgendwie ist es hier gerade langweilig“, gähnte Lotta.

„Wollt ihr ein Gesellschaftsspiel spielen?“, schlug Fianna vor. „Vielleicht Uno?"

„Darauf habe ich gerade keine große Lust“, schüttelte Emily den Kopf. 

„Ich kann gar nicht mehr warten, bis es losgeht“, wurde Mathilda hibbelig und sprang von der Bettkante auf.

„Oh ja, ich auch nicht“, jubelte ihre Zwillingsschwester. Die Zwillinge nahmen sich an den Händen, tanzten wild umher und drehten sich in atemberaubender Geschwindigkeit im Kreis.

„Westerncamp, wir kommen!“, drängte sich Fianna juchzend in den Tanzkreis.

„Jetzt geht’s los, jetzt geht’s los!“, sang Lotta ausgelassen und griff nach Annemiekes und Fiannas Händen.

„Hey, ich mach eben mein Lieblingslied an“, lief Fianna zur Stereoanlage und drehte die Musik voll auf. Bald machte die gesamte Bande beim Gute-Laune-Tanz mit.

 

Hand in Hand ließen sich die Mädchen irgendwann kichernd auf den Teppich kullern.

„Nun reicht es mit dem Affenzirkus!“, fand Emily.

„Wollen wir schauen, was die Erwachsenen machen?“, meldete sich Aylin zu Wort.

„Oh bitte, wir können es kaum noch abwarten, dass wir endlich losfahren“, sprangen die Zwillinge von dem Bett auf. Zu siebt polterten sie die Treppe herunter.

„Natürlich sitzen sie bei einem Kaffee am Küchentisch und quatschen“, kam Mathilda wieder zurück in den Flur gelaufen, die ihren Freundinnen vorausgeeilt war. Nun steckte Fianna ihren Kopf zur Küche hinein. Ihre Eltern saßen mit der Mutter der Zwillinge am Tisch und unterhielten sich prächtig.

„Macht doch nicht so einen Stress, ihr sollt erst um halb sieben da sein und jetzt haben wir es gerade einmal kurz nach drei“, wandte sich ihr Vater an sie.

„Wir langweilen uns wirklich zu Tode!“, nörgelte Fianna und machte einen Schmollmund.

„Ach bitte, können wir endlich los fahren!“, belagerten die Zwillinge ihre eigene Mutter.

„Ich sehe, ihr könnt es kaum noch abwarten. Sobald wir unseren Kaffee ausgetrunken haben, fahren wir euch rum“, gab Fiannas Mutter nach.

 

Die Mädchen luden ihr Gepäck in die beiden Autos.

„Wer fährt mit wem?“, fragte Kiki.

„Das ist doch eigentlich egal, die Fahrt dauert eh nur eine Viertelstunde“, meinte Annemieke achselzuckend.

„Ich will auf jeden Fall mit Fianna fahren“, rief Aylin und hielt ihre beste Freundin an den Händen fest.

„Na gut, dann fahre ich auch mit Fianna“, stellte sich Lotta zu ihnen.

„Hab viel Spaß auf dem Hof und fall nicht vom Pferd!“, verabschiedete sich Frau O’Hara von ihrer Tochter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Seid ihr bereit für einen Trip in den Wilden Westen?“, klatschte ihr Vater in die Hände. Fianna und Lotta antworteten ihm prompt mit einem lauten "Yeh-haw" und stiegen in das Auto von Fiannas Vater.

„Wann sollen wir die Kinder am Montag wieder abholen?“, fragte die Mutter der Zwillinge.

„Direkt nach dem Frühstück, also um elf Uhr“, wusste Emily bescheid.

 

Die Mädchen, die in zwei verschiedenen Autos saßen, winkten sich so heftig zu, als würden sie sich mehrere Jahre nicht mehr sehen.

„Wo ist dieser Reiterhof genau?“, fragte Fiannas Vater.

„Mensch Dad, hast du noch nicht mal auf einer Karte nachgeschaut oder Rachels Hof gegoogelt?“, rollte seine Tochter mit den Augen.

„Falls Sie den Weg nicht wissen sollten, können wir Sie lotsen“, bot Lotta an.

„Oder ich fahre dem Auto der Ter-Steegens hinterher“, brummte Herr O’Hara und bog auf den Stadtring ab.

„Dad, gib nicht so viel Gas. Bestimmt ist die Polizei wieder unterwegs und blitzt“, versuchte Fianna ihren Vater zu bremsen, der hinter dem Auto der Zwillinge her fuhr. Die Ampel sprang auf gelb.

„Gerade noch geschafft!“, wisperte Aylin. Die Fahrt ging in Richtung Stadtrand, wo der Verkehr sich allmählich lichtete und die Lücken zwischen den Gebäuden immer größer wurden. Wiesen, Koppeln und Felder lagen vor ihnen.

„Wir sind gleich da!“, freute sich Fianna wie ein kleines Kind.

 

Die Autos parkten direkt vor der großen Scheune. Übermütig hüpften die Mädchen herum und tanzten vor Freude um einen Baumstumpf.

„Soll das ein Indianertanz werden?“, grinste Emily.

„Sieht fast so aus“, lachte Lotta.

„Hallo, ihr hattet es wohl sehr eilig?“, stellte sich Annika, die ältere Cousine von Emily, in den Kreis der Bandengirls.

„Oh ja, wir konnten es nicht mehr erwarten“, nickten die Zwillinge eifrig.

„Falls ihr euch wundert, wir haben noch nicht so viel aufgebaut“, sprach Annika weiter.

„Wo können wir unser Gepäck verstauen?“, fragte Kiki.

„Stellt eure Sachen einfach in die Umkleidekabine“, sagte Emilys Cousine. Die Roten Tulpen folgten dem älteren Mädchen in den Stalltrakt.

„Ach ja, im Waschraum nebenan könnt ihr euch abends duschen und die Zähne putzen“, informierte Annika die Bandenmädchen. Als sie wieder auf den Hof kamen, wurden sie von der warmen Luft und dem hellen Sonnenlicht beinahe erschlagen. Annika führte sie auf eine der hinteren Wiesen.

„Dort zelten wir“, erklärte sie ihnen.

„Schlafen wir wirklich in richtigen Tipis?“, klang Mathilda neugierig und fuhr mit ihrer Hand über die Stoffplane.

„Nein, wir bauen richtige Mannschaftszelte auf“, meinte Annika. „Die beiden Tipis stehen nur zur Zierde hier."

 

Auf dem hinteren Teil der Wiese warteten bereits Rachel und zwei Mädchen im Alter von Annika.

„Hallo Mädchen, konntet ihr es nicht mehr abwarten?“, begrüßte Rachel die Bandenmädchen gutgelaunt. „Übrigens Annika hat noch zwei Freundinnen mitgebracht, die das Betreuerteam verstärken.“

„Ich bin Franziska“, stellte sich das dunkelhaarige Mädchen mit dem wippenden Pferdeschwanz vor.

„Und ich heiße Wiebke“, lächelte die große Blondine neben ihr, die sich ihre Sonnenbrille in ihr seidiges Haar geschoben hatte.

„Ich bin Kiki, eigentlich heiße ich Kristina, aber alle nennen mich Kiki“, stellte sich Kiki vor.

„Seid ihr so etwas wie eine Clique oder eine Bande?“, wollte Franziska wissen.

„Doch, eine Bande!“, nickten die Zwillinge gleichzeitig.

„Wir sind die Roten Tulpen", trat Kiki stolz vor ihre Bande.

„Wie alt seid ihr?“, fragte Wiebke neugierig.

„Wir sind alle dreizehn, nur Emily ist schon vierzehn“, erwiderte Lotta.

„Ihr seid bestimmt die Ältesten“, begann Franzi.

„Ihr könnt eventuell ein Auge auf die Jüngeren werfen“, fuhr Annika fort. „Die meisten Kids sind zwischen neun und zwölf. Das jüngste Mädchen ist gerade vor wenigen Tagen acht Jahre alt geworden.“

„Na klar, tun wir das“, versicherte ihr Emily.

 

Die Roten Tulpen boten den Betreuerinnen tatkräftig ihre Hilfe beim Aufbau an. Zeltplanen wurden ausgerollt, Stangen aneinander gesteckt und Heringe in den Boden gehämmert. Innerhalb kürzester Zeit standen drei große Mannschaftszelte und drei kleinere Igluzelte für die Betreuer auf der Wiese. Rachels Ehemann Manfred kam mit einer Schubkarre voller Steine für die Feuerstelle herbei.

„Wollt ihr mir helfen die Steine auszulegen?“, fragte er.

„Gerne“, nickte Kiki. Hinter ihr tauchten Mathilda und Fianna auf, die ebenfalls mit anpacken wollten. Zuerst wurden massive Bodenplatten ausgelegt, die dann mit Natursteinen und trockenen Ästen abgedeckt wurden. Annika und ihre Freundinnen trugen Holzbänke herbei.

„Perfekt, gleich sind wir fertig“, zufrieden rieb sich Rachel die Hände.

„Nun sieht es aber ziemlich nach einer Zeltstadt aus“, fand Wiebke.

„Eher wie ein Indianerdorf, fehlt nur noch der Materfahl“, meinte Rachel.

„Werden wir heute noch reiten?“, fragte Lotta.

„Nein, das haben wir für morgen aufgehoben“, verneinte die Reitlehrerin.

„Dürfen wir noch ein bisschen die Umgebung erkunden?“, bat Emily.

„Von mir aus, aber seid in zwei Stunden zum gemeinsamen Treffen wieder da“, nickte Rachel.

„Dankeschön!“, riefen ihr die Mädchen hinterher als sie über die Wiese davon liefen.

„Wartet, zuerst müssen wir noch unsere Rucksäcke holen!“, hastete Emily hinter ihnen her.

3. Fiannas Geburtstagspicknick, ein Überraschungsgast und eine Nachtwanderung

Der Feldweg zum Wald führte vorbei an der großen Reithalle, der Scheune und mehreren Koppeln. Gutgelaunt rannten die Mädchen hintereinander her, packten sich und kitzelten sich durch.

„Hilfe, lasst mich los!“, japste Fianna, die vor Lachen keine Luft mehr bekam.

„Aber nur, wenn du uns nicht noch einmal Kaasköppe nennst! Verstanden?“, sagten die Zwillinge gleichzeitig und ließen ihre Geisel los. Nun war Lotta das nächste Opfer, die wiederum sich auf Kiki stürzte. So ging das Spielchen immer weiter und weiter. Bald war die ganze Bande vom Übermutsvirus angesteckt.

 „Können wir kurz eine Pause machen?“, bat Emily japsend. „Wenn wir in diesem Tempo weiterlaufen, muss ich gleich wieder umkehren.“

Auch Aylin hielt sich keuchend die Seiten.

„Ich bin auch dafür, sonst laufe ich mir in meinen Sandalen noch Blasen“, pflichtete ihr Lotta bei.

„Warum musst du dir diese Schickimickisandalen anziehen, wenn wir in den Wald gehen?“, machte Mathilda eine schnippische Bemerkung.

„Weil ich im Gegensatz zu dir einen modischen Geschmack habe, Mathilda!“, gab Lotta zickig zurück.

 

Die Roten Tulpen drangen immer tiefer in den Wald ein. Obwohl die Sonne noch schien, umarmte sie hier unter den Bäumen die kühle Luft des Waldes. Zum Glück hatten sie sich vorher dünne Jäckchen oder langärmelige Sweatshirts übergezogen. Der Waldweg verwandelte sich zunehmend zugewachsenen Abenteuerpfad. Mal roch es kühl, dann wiederum stickig und muffig. An anderen Stellen war es wiederum wärmer als andererorts. Plötzlich hämmerte es gegen einen Stamm. Erschrocken blieben einige Bandenmädchen stehen.

„Das war nur ein Specht“, beruhigte Kiki sie, die sich sehr gut mit heimischen Tieren und Pflanzen auskannte. Kuwitt Kuwitt Kuwitt!

„Was war das?“, flüsterte Fianna aufgeregt und blieb auf der Stelle stehen. Wieder ertönte der Ruf des Vogels.

„Das ist nur ein Käuzchen“, wusste Annemieke.

„Sind die nicht nachtaktiv?“, fragte Emily.

„Muss nicht zwingend sein“, meinte ihre beste Freundin.

 

In der Nähe plätscherte leise Wasser.

„Das muss der Bach sein“, flüsterte Kiki beinahe schon. Auch die anderen Mädchen verhielten sich ungewöhnlich ruhig. Ob das an der fremden Umgebung lag?

„Ja, das ist er“, nickte Emily und ging voran. Die anderen Mädchen folgten ihr neugierig, aber auch ein wenig skeptisch. Lotta kam mit ihrem nackten Bein gegen eine Brennnessel und fluchte leise vor sich hin.

„Hier ist es!“, zeigte Emily auf eine breite Furt. An einer Stelle, an der es flach in das Flüsschen hinein, ließen sich die Freundinnen nieder.

„Darin kann aber nicht schwimmen, das ist viel zu flach“, schüttelte Mathilda den Kopf.

„Es reicht schon aus, dass wir uns ein wenig erfrischen können“, meinte Fianna und zog ihr Top aus. Ihren Bikini hatte sie bereits drunter. Die anderen Mädchen taten es ihr nach.

 

In Bikinis, Tankinis und Badeanzügen eroberten sie quietschend und gickernd das kühle Nass.

„Aaahh, ist das eisig!“, kreischte Aylin und zog ruckartig ihren Fuß zurück, als hätte sie irgendetwas gebissen.

„Dann heißt es, nichts wie rein!“, spritzte Mathilda sie von oben bis unten nass.

„Du bist hundsgemein, Mathilda!“, rief Aylin empört und stieß sie unsanft in den Rücken. Auch Kiki, Fianna und Lotta brauchten einen Moment, bis sie sich an das kühle Wasser gewöhnten hatten. An der tiefsten Stelle war es gerade einmal so tief, dass die Mädchen bis zu den Oberschenkeln im Wasser standen. Lachend spritzten sie sich gegenseitig nass.

„Ich glaube, ich muss raus“, sagte Kiki als Erste, die am ganzen Körper eine Gänsehaut hatte. Aylin und Annemieke bibberten ebenfalls nach kurzer Zeit. Von den Bandenmädchen war Emily am härtesten im Nehmen und kam erst aus dem Wasser, als sich einige ihrer Freundinnen wieder angezogen hatten.

 

Nach der Abkühlung im Bach führte Emily die Bande auf eine Wiese, die glücklicherweise in der Sonne lag. Die Mädchen ließen sich in das halblange Gras fallen und wärmten sich auf.

„Jetzt kommt ein Picknick gerade recht“, fand Kiki. Fianna konnte dem nur zustimmen, auch sie bekam einen großen Appetit. Brotdosen wurden aus den Taschen und Rucksäcken gekramt und Kiki holte eine Kuchenglocke aus der Tasche.

„Auf die Kerzen habe ich diesmal verzichtet, weil ich keine zuhause hatte. Dafür habe ich mit bunter Zuckerschrift eine große Dreizehn auf den Kuchen gemalt“, sagte sie. Fianna hatte die Ehre den Kuchen anzuschneiden. Nachdem jede von ihnen versorgt war, fingen sie an zu essen. Fianna schmeckte der Kuchen ausgezeichnet. Kiki hatte Himbeeren und Schokoladenstückchen in den Teig gerührt und den Kuchen mit weißer Schokolade glasiert. Den Geburtstagskuchen bekamen die sieben Freundinnen schnell auf. Annemieke hatte zudem noch Pizzabrot mitgebracht, ihre Schwester öffnete eine Packung Cookies und Lotta schnitt zwei Äpfel klein. Es fehlte an nichts und nachher waren sie so satt, dass sie doch nicht einmal alles auf einmal schafften.

 

Gerade als den Mädchen kurz die Gesprächsthemen ausgingen und Langweile drohte aufzukommen, sprang Mathilda plötzlich auf.

„Da ist ein Hang!“, rief sie aufgeregt und deutete auf einen Abhang, der nur wenige Meter von ihrem Picknickplatz entfernt lag.

„Was soll daran so spannend sein?“, zog Lotta spöttisch die Augen hoch.

„Da kann man perfekt herunterrollen“, meinte ihre Freundin, die ein paar Schritte Anlauf nahm, sich auf ins halbhohe Gras fallen ließ und kullerte mit Affenzahn den Abhang herunter.

„Matti, ich komme!“, nun sprang auch Annemieke auf und folgte ihrer Schwester.

„Micky und Matti, ihr seid solche Kindsköpfe!“, gickerte Aylin und amüsierte sich bei dem Anblick, wie die Zwillinge die Wiese herunter rollten.

„Ich probiere es auch mal aus“, rief Kiki enthusiastisch.

„Warte, dann lass uns zusammen starten!“, lief Fianna ihr hinterher und ließ sich übermütig ins Gras plumpsen. 

„Sind wir hier eigentlich im Kindergarten?“, rollte Lotta mit den Augen.

„Hey, worauf wartet ihr noch?“, kam Mathilda den Hang hinauf gelaufen.

„Ist das mit dem Stacheldrahtzaun da unten nicht zu gefährlich?“, runzelte Aylin die Stirn.

„Ach was, so weit rollt man nun auch nicht“, schüttelte Mathilda den Kopf und zupfte ein kleines Blümchen aus ihren hellen Locken.

 

„Okay Tulpis, Challenge accepted! Ich bin dabei“, ließ sich Emily von Mathilda hochziehen.

„Lass uns ein Wettrennen machen!“, schlug Fianna vor, als sie bei ihren Freundinnen angekommen war.

„Coole Idee!“, nickte Kiki.

„Auf die Plätze fertig los!“, gab Mathilda das Startsignal. Zeitgleich nahmen die Mädchen Anlauf, warfen sich ins Gras und kullerten den Hang hinunter. Ab und zu kamen sie sich gefährlich nah und einmal rollte Fianna gegen Kiki, sodass beide kurz gestoppt wurden und sich anders hinlegen mussten. Lotta, die am wenigsten Lust gehabt hatte, gewann das Rennen vor Emily und Annemieke.

„Nochmal Mädels, das macht so einen Spaß!“, rief Aylin lachend und zog Fianna an der Hand hinter sich her.

„Ich bin dabei!“, erwiderte Kiki japsend. Einen Moment später ließen sich die Bandengirls erneut den Hang hinunterkullern. Diesmal kam Fianna als Erste ganz knapp vor Mathilda ans Ziel. 

 

„Wir müssen los, es ist bereits sechs Uhr“, schreckte Kiki hoch. Irgendwo in der Ferne läutete ganz leise eine Kirchenglocke. Schnell packten die Mädchen ihre Sachen ein und nahmen ihren Müll mit.

„Ich kenne eine Abkürzung“, meinte Emily und stieg über einen halbvermoderten Zaun. Fianna blieb mit ihrem Rock an einer Distel hängen und brauchte einen Augenblick, bis sie sich wieder befreit hatte. Annemieke rammte sich einen Splitter in den Zeigefinger, als sie über den Zaun kletterte und verzog schmerzhaft ihr Gesicht.

„Zeig das nachher Rachel“, sagte Emily. „Sie wird dir den Splitter raus machen und die Stelle desinfizieren.“

Recht schweigsam trotteten die Bandenmädchen den Waldweg entlang. Kiki übersah eine Baumwurzel, die aus dem Boden ragte und schlug lang hin. Ihr Knie blutete ein wenig, doch Kiki biss die Zähne zusammen und rappelte sich wieder auf. Da sie ein wenig humpelte, stützten Emily und Mathilda sie.

„Ich glaube, langsam können wir wirklich ein Lazarett eröffnen“, scherzte Lotta. „Erst laufe ich in eine Brennnessel, dann piekst sich Fianna an einer Distel, dann rammt sich Micky einen Splitter in den Finger und zu guter Letzt schlägt sich Kiki ihr Knie auf.“

„Ach, alles nur halb so wild. Schließlich hat sich keine von uns ernsthaft wehgetan“, murmelte Kiki.

 

Irgendetwas zwischen den Bäumen raschelte unüberhörbar. Die Mädchen blieben stehen und wieder war dieses Geräusch zu hören, aber diesmal war es schon sehr nah dran. Mathilda, die die Mutigste von allen war, traute sich hinter dem Gebüsch nachzugucken. Fianna folgte ihr und wollte unbedingt wissen, was für ein Tier sich im Unterholz versteckte. Es musste dem Geräusch nach ziemlich groß sein.

„Ich fass es nicht!“, raunte Mathilda.

„Ein Esel und das mitten im Wald!“, hauchte Fianna, der vor Staunen der Mund offen stehen blieb. Nun kamen die anderen Mädchen hinterher.  Auch sie rissen überrascht die Augen auf.

„Wie kommt ein Esel nur hier hin?“, schüttelte Kiki ungläubig den Kopf.

„Außerdem trägt er ein Zaumzeug und der Führstrick hängt auf den Boden“, bemerkte Emily.

„Er ist garantiert irgendjemanden weggelaufen“, reimte sich Annemieke zusammen.

„Dann müssen wir ihn zu Rachels Hof bringen, denn vielleicht kennt sie den Besitzer des Esels“, rief Fianna und ging auf das graue Tier zu, welches weiterhin unbeirrt graste.

 

Sie nahm den Führstrick auf, doch der Esel bewegte sich nicht von der Stelle. Sie versuchte es noch mal und zog noch kräftiger, aber ohne Erfolg. Nun kamen Lotta und Kiki, die ihr halfen. Selbst zu dritt konnten sie den Esel um keinen Zentimeter bewegen.

„Ich glaube, unser Esel ist echt stur“, lachte Mathilda laut los.

„Zudem scheint er euch gerade ziemlich zu verarschen“, fiel Annemieke in ihr Lachen ein. Nun packte auch Aylin an das Ende des Strickes. Sie zerrten und zerrten, ohne dass es etwas brachte.

„Das sieht echt nach einem Tauziehen aus, bei dem allerdings Boldewyn das Rennen macht“, kommentierte Emily. Dies löste bei den Zwillingen einen noch heftigeren Lachkrampf aus.

„So kann es nicht weitergehen“, schüttelte Emily den Kopf und sagte: „Ich habe eine bessere Idee, aber dafür müsst ihr aufhören zu ziehen.“

Emily holte ein Pferdeleckerli hielt es dem Esel unter die Nüstern. Neugierig schnupperte er daran und machte einen Schritt vorwärts. Emily entfernte sich einen Meter und wieder folgte ihr der Esel.

„So macht man das!“, mit einem siegesgewissen Lächeln übernahm sie den Führstrick.

 

„Sehr guter Einfall, Lily!“, lobte Kiki. „Keiner von uns wäre auf diese clevere Idee gekommen.“

Jedes Mal wenn der Esel stehen blieb, lockte ihn Emily mit einem neuen Leckerli. So kamen sie mehr oder minder nur stockend vorwärts.

„Wir haben es bereits viertel vor sieben“, bemerkte Lotta und legte einen Zahn zu.

„Hoffentlich wird Rachel nicht auf uns sauer sein“, sagte Annemieke leise.

„Nein, sie wird sich eher wundern, wo wir den Esel aufgegabelt haben“, prustete ihre Zwillingsschwester los. Einen kurzen Augenblick später rückte der Hof in sichtbare Nähe.

„Ein Glück! Gleich sind wir da!“, seufzte Aylin erleichtert, der ein wenig die Füße von der Lauferei wehtaten.

„Si! Ich habe auch genug", nickte Lotta.

 

„Wo kommt ihr denn her? Solltet ihr nicht schon da sein?“, rief Manfred über die Koppel und kam auf die Mädchen zu. Rachels Ehemann entglitten die Gesichtszüge, als er Emily mit dem Esel sah.

„Wo habt ihr den her?“, fragte er verwundert.

„Den haben wir im Wald gefunden. Bestimmt ist er Jemanden entlaufen und daher wollten wir ihn mit hier her bringen. Vielleicht kennt Rachel den Besitzer“, sprach Kiki für die ganze Bande. Auf dem Hof wurden die Mädchen vor allem von den jüngeren Ferienkids umringt, die den ungewöhnlichen Gast aufgeregt musterten.

„Wo kommt der Esel her? Ist der neu hier?“, fragte ein kleines dünnes Mädchen mit kinnlangen braunen Haaren.

„Ne, den haben wir im Wald gefunden, deshalb gehört der nicht zum Hof“, verneinte Emily.

„Hat der Esel auch einen Namen?“, trat ein etwas größeres Mädchen mit roten Haaren vor.

„Das wissen wir leider nicht. Wir kennen das Tier nicht“, zuckte Kiki mit den Achseln.

„Darf man den reiten?“, wollte ein etwas acht- oder neunjähriger Junge wissen.

„An eurer Stelle würde ich das nicht versuchen“, meinte Fianna. „Das Kerlchen kann ziemlich stur sein.“

 

Erschrocken wichen einige der Kinder zurück.

„Keine Bange, der ist nicht bissig, sondern nur ein bisschen eigenwillig“, wandte sich Annemieke an die Kids. Nun tauchte Sarahs Bande auf, die ein fremdes Mädchen im Schlepptau hatten.

„Was wollt ihr mit einem Esel?“, machte Sarah große Augen und wischte sich eine blonde Haarsträhne aus dem pausbäckigen Gesicht.

„Mädchen, wo seid ihr so lange geblieben? Wir haben zwanzig Minuten auf euch gewartet“, Rachel sah nicht sehr begeistert aus, als sie die Roten Tulpen entdeckte. Dann entdeckte sie den Esel zwischen den Kindern.

„Donnerlüttchen, wo habt ihr ihn denn aufgegabelt?“, fielen der Reitlehrerin beinahe die Augen aus dem Kopf.

„Den haben wir im Wald gefunden und hier gebracht“, erzählte Emily.

„Vorhin hat unser Nachbar angerufen, dass der Esel seiner Tochter verschwunden ist“, meinte Rachel. „Ich gehe eben zum Telefonieren ins Haus.“

Einen Augenblick später kam sie wieder.

„Die Zimmermanns kommen gleich“, teilte sie den Kindern mit.

„Wem gehört der Esel denn genau?“, wollte Emily wissen.

„Seiner jüngsten Tochter Ella“, erwiderte ihre Tante.

 

Ein schwarzer BMW hielt auf dem Hof. Ein stämmiger Mann und seine Tochter, die höchstens sieben oder acht Jahre alt war, kletterten aus dem Wagen. Die Kleine, die ihre flachsblonden Haare zu Zöpfen geflochten hatte und ein blaues Sommerkleid trug, rannte auf den Esel zu.

„Glöckchen!“, rief sie mit ihrer hohen Kinderstimme. Emily überreichte ihr den Führstrick.

„Wer von euch hat unseren Esel gefunden?“, fragte der Vater des Mädchens.

„Das waren diese sieben jungen Damen“, wies Rachel auf die Mädchenbande hin.

„Wir haben ihn im Unterholz des Waldes entdeckt, weil wir ein lautes Rascheln gehört haben“, erzählte Kiki stolz.

„Eigentlich müssten wir die sieben Heldinnen zum Eisessen einladen“, lachte Herr Zimmermann.

„Es reicht, wenn ihr morgen zum Indianerfest kommt“, wägte Rachel ab.

„Na gut, dann versorge ich euch mit frischen Getränken und Würstchen“, versprach ihr Nachbar. Rachel bedankte sich und Ella fragte, ob sie morgen auch kommen dürfte.

 

Der Esel wurde in einen Transporter geladen.

„Ihr habt gute Arbeit geleistet, Bandengirls!“, lobte Annika, die gerade erst dazu gekommen war.

„Das gibt bestimmt eine coole Party auf eure Kosten“, grinste Wiebke.

„Hey, wollt ihr nicht kommen? Die Würstchen und das Fleisch sind fertig“, kam Franziska ihnen entgegengelaufen.

„Keine Panik, wir kommen schon!“, rief Rachel. Obwohl es nicht lange her war, als die Bandenmädchen gepicknickt hatten, konnten sie inzwischen wieder eine Kleinigkeit vertragen. Schließlich machten kleine und große Abenteuer hungrig. Mit etwas mehr als zwanzig Kindern und Betreuern setzten sie sich um die Feuerstelle auf die Holzbänke. Über dem Feuer hing ein Schwenkgrill, auf dem bestimmt zwanzig Würstchen brutzelten. Neben Annika saß ein Junge, den die Roten Tulpen noch nie gesehen hatten.

„Das ist ihr Freund Tommy“, wisperte Emily den Freundinnen zu. Er packte seine Gitarre aus und begann zu spielen. Die Bandenmädchen lauschten ihm, während sie ihre Pappteller auf ihren Beinen balancierten und in der anderen Hand einen Plastikbecher hielten.

 

„Wir sind Überzahl!“, rückte Sarah zu den großen Mädchen rüber.

„Und was soll das heißen?“, zog Kiki leicht genervt die Augenbrauen hoch.

„Kim hat ihre beiden Cousins mitgebracht. Sie heißen Marco und Antonia. Marco wiederum konnte auch noch zwei Freunde mitbringen“, fuhr Sarah fort.

„Wie interessant!“, versuchte Fianna so ironisch wie möglich zu klingen. Tatsächlich saßen zwischen Anna-Lena und Kim ein Mädchen und drei Jungs, die sie zuvor nicht gesehen hatten. Nach Fiannas Schätzung waren sie zwischen acht und zehn Jahre alt.

„Soll das etwa eine Drohung sein?“, Mathilda konnte sich kaum das Lachen verkneifen.

 

Anna-Lena tauchte neben Sarah auf und öffnete ihre Faust. Eine große Spinne seilte sich zwischen Aylin und Fianna ab.

„Igitt, nimm dieses Viech weg!“, kreischte Aylin los und sprang auf. Mit ihrem Fuß blieb sie an der Getränkekiste hängen und stürzte.

„Alles okay bei dir, Aylin?“, sofort knieten Annemieke und Fianna neben ihr nieder.

„Es geht schon“, erwiderte Aylin mit gepresster Stimme und kämpfte ihre aufsteigenden Tränen zurück.

„Ihr blöden Gänse, das war unterste Schublade!“, nahm sich Kiki die kichernden Gören vor. „Entschuldigt euch gefälligst bei Aylin!"

„Sarah und Anna-Lena, so ein Verhalten finde ich nicht in Ordnung. Entweder ihr entschuldigt euch oder ihr könnt sofort schlafen gehen“, mischte sich Rachel ein. Kleinlaut entschuldigten sich die jüngeren Mädchen bei Aylin, die immer noch vor Zorn puterrot war.

 

Die Roten Tulpen hatten glücklicherweise ein Zelt für sich alleine bekommen. Da sie heute schon Einiges erlebt hatten, gingen sie bereits um halb Zehn in ihr Zelt.

„Wir haben das Wichtigste vergessen“, fiel Emily ein.

„Ach ja!“, schreckte Lotta auf und begann in ihrem riesigen Koffer zu wühlen.

„Hier das ist von Kiki und mir“, sagte sie und überreichte Fianna ein rundes Paket.

„Soll das ein Fußball sein?“, kicherte sie los.

„Pack aus, dann wirst du es sehen“, grinste Kiki. Unter dem Geschenkpapier kam ein Military-Reithelm zum Vorschein.

„Wow, der muss ziemlich teuer gewesen sein. Vielen Dank!“, rief Fianna überschwänglich. Zuvor besaß sie einen Reithelm aus dem Secondhandshop, der bereits schon einige Kratzer und Gebrauchsspuren hatte. Nun hatte sie genauso einen coolen Helm wie Lotta, Kiki und Emily.

 

„Pack doch nun auch unser Geschenk aus“, drängte Mathilda und schob ihr ein kleines Päckchen hin. Behutsam entfernte Fianna das Geschenkpapier.

„Danke, das ist die DVD zu meiner Lieblingsbuchreihe“, freute sie sich.

„Nicht nur das, sondern auch der neuste Staffel der Serie“, meinte Annemieke. Als nächstes öffnete sie das Geschenk von Emily, die ihr ein großes Pferdelexikon schenkte.

„Mein Geschenk musst auch noch öffnen, das darfst du nicht vergessen“, Aylin drückte Fianna ihr kleines fliederfarbenes Päckchen in die Hand, in dem sich ein Haarspangen- und Zopfgummiset verbarg. 

„Vielen Dank, ihr seid die Besten!“, umarmte Fianna ihre Freundinnen. 

 

„Wisst ihr, dass ich gerade richtig Bock auf eine Nachtwanderung habe? Ich will den Hof und die Umgebung unbedingt bei Nacht erkunden“, setzte sich Mathilda auf ihrer Isomatte aufrecht hin.

„Das können wir gerne machen“, nickte Kiki begeistert.

„Ich will jetzt aber lieber schlafen“, gähnte Aylin.

„Was haltet ihr davon, wenn wir erstmal fünf Stunden schlafen und ich den Wecker auf drei Uhr stelle?“, schlug Lotta vor.

„Wecker stellen? Bist du noch ganz dicht? Davon wird das ganze Camp wach“, tippte sich Kiki gegen die Stirn.

„Ich stelle mir auch den Handywecker und lege das Handy unter mein Kissen. Wenn ich vom Wecker wach werde, wecke ich euch nach und nach auf“, erklärte Lotta ihren Plan.

„Das klingt doch mal ganz gut“, fand Annemieke. „Am besten ziehen wir uns auch nicht großartig aus, sonst rödeln wir nachher zu viel im Zelt herum und außerdem sind wir schnell startklar.“

 

Schlaftrunken wachte Fianna mitten in der Nacht auf, als Lotta sie an der Schulter berührte.

„Kein Wort bis wir uns mindestens 150 Meter von den Zelten entfernt haben“, flüsterte Kiki und öffnete im Zeitlupentempo den Reißverschluss vom Zelt. Im Gänsemarsch schlichen die Mädchen über die Wiese. Glücklicherweise hatten sie sich dünne Pullover oder Sweatshirtjacken übergezogen, denn in der Nacht war es empfindlich kühl. Der Mond schien und spendete Licht. So brauchten Emily und Kiki ihre Taschenlampen noch nicht einsetzen, als sie über die freie Fläche liefen.

„Wo wollt ihr zuerst hin?“, wisperte Emily, als sie das Gatter erreichten.

„Am liebsten in den Wald, da können wir uns normal unterhalten“, sagte Fianna leise. Als die Mädchenbande den Feldweg in Richtung Wald entlanglief, trauten sich die Mädchen in normaler Lautstärke zu unterhalten.

 

„Vor vielen hunderten Jahren hielt Lady Isabel Milford einen Damenabend mit ihren fünf besten Freundinnen im gemütlichsten Kaminzimmer ihres Anwesens ab. Ein Vampir, der sich als edler Mann verkleidet hatte, schaffte es sich auf das Fest zu schleichen. Anfangs forderte er Grace, die beste Freundin der Gastgeberin, zum Tanz auf. Sie tanzte mit ihm und bald verschwanden sie nach draußen. Wenig später kam er ohne Grace wieder. Nun tanzte er mit Victoria und verschwand auch mit ihr, worauf er auch ohne sie wiederkam. Dann war Lady Ruby an der Reihe, die ebenfalls vom Erdboden verschluckt wurde. Nun war Lady Isabel an der Reihe. Sie traute dem Edelmann nicht und bewegte sich von ihm weg. Dann erkannte sie, als er sprach, seine Vampirzähne. Schreiend riss sie sich von ihm los und rannte davon“, erzählte Fianna aus dem Stehgreif eine Gruselgeschichte und mimte dabei einen Vampir, während die Bande einen Weg am Waldrand entlanglief.

 

Ohne Vorwarnung schnellte sie auf ihre Freundinnen und versuchte eine von ihnen zu packen. Mit einem Schreckensschrei rannten sie auf das benachbarte Rapsfeld. Johlend und kreischend nahmen sie reiß aus vor dem „gefährlichen Vampir“. Erst als Fianna selbst stolperte und sich lang hinlegte, war die Jagd beendet. 

„Meine Güte, du hast uns fast einen Herzinfarkt beschert!“, zischte Aylin.

„Aber lustig war es trotzdem“, grinste Mathilda.

„War mal wieder klar, dass das voll nach Mattis Geschmack ist“, kommentierte Lotta.

„Tolle Story, Carrot!“, klopfte Kiki ihr auf die Schulter.

„Das nennt sich Improvisation und das lernt man in der Theater-AG“, klärte Fianna ihre Freundin auf. „

Wenn man so tolle Sachen macht, müssen wir im nächsten Schuljahr alle der Theater-AG beitreten“, sagte Annemieke, die sich bei Fianna einhängte.

„Da bin ich sofort dabei!“, jubelte Kiki leise.

 

„Mädels, ist euch gar nicht bewusst, dass wir auf dem Feld von Rachels Nachbarn stehen?“, raunzte Emily ihre Freundinnen an. „Wir haben bereits einige Quadratmeter komplett zertrampelt und damit zig Pflanzen zerstört. Das wird eine Ernteeinbuße von ein paar hundert Euro sein. Ich finde es respektlos, dass wir auf fremden Feldern herumrennen. Sowas macht man nicht!“

„Komm schon, jetzt stell dich nicht an, Emily!“, versuchte Mathilda sie zu beschwichtigen. „Das war doch nur eine kleine Ecke von einem riesigen Acker."

„Genau und außerdem hat Fianna uns aufgescheucht“, ergänzte Lotta.

„Okay okay! Das wird nie wieder vorkommen“, brummte Kiki leise. Gesittet machten sich die Roten Tulpen auf den Rückweg. Fianna achtete mehr auf die Geräusche um sie herum. Irgendwo auf den Bäumen hockte ein Käuzchen, das die ganze Zeit rief und zu ihrer Verwunderung hörte sie immer noch die Grillen zirpen.

„Wollen wir den Pferden noch ein Besuch abstatten, bevor wir ins Zelt gehen?“, schlug Lotta vor.

„Das machen wir“, nickte Emily.

 

Mucksmäuschenstill betraten die Bandenmädchen den Stall, in dem die Reitschulpferde standen.

„Ich habe Lanzelots Box gefunden“, flüsterte Kiki.

„Schlafen die Pferde eigentlich auch nachts?“, fragte Aylin leise.

„Zwischendurch und dabei stehen sie, da Pferde Fluchttiere sind“, wusste Emily. Da es im Stall finster war, mussten die Mädchen ihre Taschenlampen anmachen. Plötzlich schnaubte es hinter Fianna. Erschrocken drehte sie sich um und stand direkt vor Rocky, der wach zu sein schien. Annemieke begann seine Nüstern zu streicheln und ihre Schwester fütterte ihn mit einem Leckerli, welches sie in ihrer Hosentasche gefunden hatte.

„Snowflake und Tybalt sind auch wach“, wisperte Lotta. Ohne dass jemand damit rechnete, ging auf der Stallgasse das Licht an. Vom Schreck ergriffen fingen Aylin und Annemieke an zu schreien.

 

„Na, wen haben wir denn hier?“, stand Manfred, Rachels Mann vor ihnen. Den Mädchen schlug das Herz bis zum Hals und keine von ihnen brachte ein Wort über die Lippen, bis sich Lotta kurz räusperte. „Wissen Sie, wir konnten nicht einschlafen und von daher dachten wir, dass wir kurz nach den Pferden gucken könnten. Sorry, es tut uns leid“, sagte sie mit kleinlauter Stimme.

„Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Ich kam nur gerade von der Toilette wieder und habe durch die Stallfenster das Licht von euren Taschenlampen gesehen. Da bin ich stutzig geworden und wollte nach dem Recht sehen. Ich machte mir erst Sorgen, dass Jemand hier sein Unwesen treibt, aber ihr seid es nur zum Glück. Trotzdem geht ihr jetzt ins Zelt zurück und schlaft. Morgen kommt ein anstrengender Tag auf euch zu“, ordnete Manfred an. Den Mädchen fiel ein Stein vom Herzen, dass ihnen ein Donnerwetter ersperrt blieb und sie ließen es sich nicht zweimal sagen, dass sie ins Zelt zurückgehen sollten.  

 

 

 

4. Westernspiele und ein handfester Streit

Bereits um halb Acht wurden die Bandenmädchen von dem krähenden Hahn in der Nachbarschaft und dem Gekicher aus dem Nachbarzelt geweckt. Fianna war mit einem Mal hellwach und saß aufrecht auf ihrer Luftmatratze. Wieder drang lautes Lachen zu ihnen herüber.

„Das sind bestimmt Sarah und ihre Freunde“, knurrte Emily. „Wenn sie so weiter machen, gieße ich ihnen einen Kübel Wasser über die Birne.“

„Uuuaaahhh, ich will noch weiterschlafen“, gab Lotta ein lang gezogenes Gähnen von sich.

„Nicht nur du“, nuschelte Mathilda verschlafen in ihr Kopfkissen und drehte sich wieder um.

„Frühstück gibt es erst in einer Stunde“, murmelte Emily.

„Wer geht mit mir zu den Pferden?“, fragte Fianna.

„Ich nicht. Bin viel zu müde“, gähnte Annemieke und zog sich den Schlafsack über ihr Gesicht.

Die anderen Freundinnen bis auf Kiki hatten ebenfalls keine Lust.

 

So krochen Kiki und Fianna zu zweit aus dem Zelt. Die Morgensonne kitzelte ihnen auf der Nase. Auch heute war Wetter ausgezeichnet und bestimmt würde es auch wieder warm werden. Ein paar Pferde grasten auf der benachbarten Koppel, darunter Lanzelot und Rocky, die sie aus den Reitstunden kannten. Kiki riss ein Bündel Gras aus und schnalzte mit der Zunge. Ein fremder Rappe mit wallender Mähne kam neugierig näher.

„Das wäre so ein wunderschönes Indianerpferd“, schwärmte Kiki und berührte seine dunklen Nüstern.

„Buh!“, rief eine hohe Stimme hinter ihnen. Fianna drehte sich um. Sarah und ihre Freunde standen breitbeinig und mit einem breiten Grinsen hinter ihnen.

„Unsere Bande hat Zuwachs bekommen“, eröffnete Sarah den Dialog.

„Aha, wie nett für euch!“, zog Kiki spöttisch die Augenbrauen hoch.

„Und ihr habt es uns schon gestern Abend am Feuer erzählt, falls ihr denkt, wir hätten bereits mit dreizehn Demenz", konnte sich Fianna diesen flapsigen Kommentar nicht länger verkneifen.

„Trotzdem werdet ihr Leon, Marco, Jan und Antonia noch besser kennen lernen“, stemmte Sarah ihre Hände trotzig in ihre Hüften.

„Achtung, wir sind in Überzahl“, lächelte Kim zuckersüß.

„Falls ihr eine Bandenschlacht wollt, seid ihr bei uns falsch“, erwiderte Kiki scharf.

„Vielleicht schaffen wir es, eure Meinung noch zu ändern“, grinste Jenny provozierend.

 

Um halb neun gab es Frühstück. Diesmal hatten Rachel und Manfred Holztische und Bänke vor der Zeltstadt aufgestellt. Rachels Ehemann karrte eine Leiterwagenladung frischer Brötchen und Sandwichbrot herbei. Die Bandenmädchen und die anderen Kinder hatten einen guten Appetit, sodass Rachel nach einer Viertelstunde Nachschub heranschaffen musste. Die Marmaladen und die anderen süßen Leckereien lockten nicht wenige Wespen an. Gerade kreiste eine davon um Mathildas Kopf.

„Diese blöden Viecher!“, schimpfte sie und duckte sich weg. Doch das schwarzgelbgestreifte Insekt hatte es eindeutig auf ihr Honigbrötchen abgesehen.

„Ganz ruhig, die tun nichts, wenn du sie nicht angreifst“, meinte Fianna. Mathilda begann um sich zu schlagen und erwischte dabei Kikis Glas mit Orangensaft.

„Kannst du nicht aufpassen?“, beschwerte sich ihre beste Freundin, die den Saft mit einer Servierte von ihrem neuen T-Shirt tupfte.

„Hab dich nicht so, du kleines Prinzesschen!“, erwiderte Mathilda spitz.

„Nenn mich noch einmal so und du kannst was erleben!“, fauchte Kiki.

„Hey, hört auf zu streiten!“, rief Lotta beschwichtigend.

„Die Kleinen am Nachbartisch machen sich schon lustig“, fügte Aylin hinzu.

 

„Bitte einen Augenblick zuhören!“, bat Rachel um Aufmerksamkeit. „Wir haben gemeinsam für die Westernspiele mehrere Stationen vorbereitet, an denen Geschick, Wissen und Reitkünste abverlangt werden. Ihr bildet gleich Teams zwischen fünf und sieben Kindern. Jedes Team nennt mir seinen Kapitän, der von uns Stift und Zettel bekommt. An manchen Stationen können nur drei Kinder an einem Spiel teilnehmen, wie bei den Reitspielen. Um eins ist Mittagessen und danach geht es weiter.“

Getuschel unter den Kindern machte sich breit.

„Wir sind doch zu siebt, passt doch!“, wisperte Fianna.

„Darf ich diesmal der Kapitän sein?“, bettelte Mathilda. „Kiki bestimmt sonst immer und heute möchte ich auch mal an der Reihe sein.“

„Na gut, von mir aus“, gab sich Kiki geschlagen. Fianna wusste, dass Mathilda ihrer besten Freundin manchmal die Anführerrolle streitig machen wollte. Nicht umsonst behakten sich Kiki und Mathilda manchmal ziemlich heftig.

„Wir müssen uns beeilen“, spornte Lotta die Freundinnen an. „Wir müssen uns die Zähne putzen und uns umziehen. In einer Viertelstunde ist Treffen.“

 

Rachel verteilte an alle Mannschaftsführer Stifte, Klappen und Quizbögen.

„Okay, wir sind als erstes mit dem Eierlauf dran“, sagte Mathilda mit einem Blick auf ihr Klemmbrett.

„Eierlauf, wie das schon klingt!“, verzog Lotta ihr Gesicht.

„Dahinten müssen wir hin!“, zeigte Mathilda in die Richtung der alten Eiche. Fianna dachte, sie würden richtige rohe Eier bekommen, stattdessen mussten sie nur einen Tennisball auf einer Kelle balancieren.

„Wer fängt von euch an?“, fragte der Stationsbetreuer. Mathilda trat an die Startlinie und hastete los, als der Junge die Stoppuhr startete. Gleich auf den ersten Metern fiel ihr der Tennisball auf den Rasen.

„Nicht so schnell, Matti!“, rief ihre Zwillingsschwester. „Es gibt Minuspunkte, wenn dir der Ball herunter fällt.“

Fianna zählte mit, dass ihr der Tennisball insgesamt dreimal herunter fiel.

 

Annemieke, Kiki und Lotta stellten sich etwas geschickter an. Bei ihnen landete das „Ei“ nur einmal im Gras. Fianna und die restlichen Starterinnen absolvierten den Parcour, ohne dass sie den Tennisball wieder aufheben mussten.

„Und was kommt jetzt?“, fragte Lotta neugierig.

„Bogenschießen“, antwortete Mathilda. „Aber diesmal müssen wir vier Spielerinnen auswählen.“

„Wen nimmst du für dieses Spiel?“, trat Emily neugierig neben die Mannschaftskapitänin.

„Kiki, Lotta, Micky und ich“, bestimmte Mathilda.

Fianna traute ihren Ohren nicht. Empört fuhr sie aus der Haut: „Und was ist mit mir? Wieso berücksichtigst du mich nicht? Ich habe früher jahrelang mit meinem Dad das Bogenschießen geübt.“

„Es dürfen aber nur vier Spielerinnen teilnehmen“, beharrte Mathilda auf ihrem Standpunkt. Fianna warf ihr einen säuerlichen Blick zu.

„Du kannst wohl für mich spielen, ich bin nicht besonders gut im Bogenschießen“, redete Annemieke beruhigend auf sie ein. Fianna trat als Erste mit Pfeil und Bogen an. Mit zusammengekniffenen Augen versierte sie den Büffel aus Pappe an, der schon ein paar Einschusslöcher hatte.

 

Der Pfeil traf genau das Auge des Büffels.

„Bravo, Carrot!“, applaudierten ihre Freundinnen. Fianna hatte noch zwei Versuche, beim zweiten Mal traf sie direkt ins Herz und der dritte Pfeil blieb in der Ferse stecken.

„Volle Punktzahl!“, notierte Wiebke. Nun kam Kiki an die Reihe, die es beinahe genau so gut machten, obwohl ihr letzter Versuch nur knapp über den Kopf des Büffels hinweg flog. Lotta und Mathilda stellten sich ein wenig ungeschickt an, sodass Fianna ihnen erklären musste, wie man den Bogen richtig hält. Trotzdem gelang beiden im letzten Anlauf ein Ehrentreffer.

„Kommt jetzt endlich eine Station, die endlich etwas mit Pferden zu tun hat?“, wollte Fianna wissen.

„Nur ein irgendein Quiz und zwar müssen wir uns zwischen einem Western- und einem Indianerquiz entscheiden“, warf Mathilda einen Blick auf ihren Bogen und wollte gerade das Westernquiz ankreuzen, als ihr Kiki in diesem Moment in die Parade fuhr.

„Stop, du kannst doch nicht ständig über unseren Kopf weg entscheiden, warf Kiki ihr vor. „Du hast niemanden gefragt, ob sie das Cowboyquiz machen will. Mich interessiert das Indianerquiz eindeutig mehr als das Cowboyquiz“, warf ihr Kiki vor.

„Ich kann als Anführerin sehr wohl bestimmen, welches Quiz wir nehmen“, erwiderte Mathilda scharf und schaute Kiki überlegen an.

 

„Ich finde das Indianerquiz auch viel besser“, unterstützte Fianna Kikis Meinung. Zähneknirschend gab Mathilda nach.

„Mir geht Matti mit ihrer Dominanz jetzt schon auf den Keks“, flüsterte Aylin Fianna ins Ohr.

„Nicht nur dir!“, erwiderte Fianna genervt. Ein junges Mädchen, welches die Roten Tulpen nicht kannten, betreute den Quizstand. Es gab sechs Fragen, die sie beantworten mussten. Dank dem Wissen von Kiki und Emily schafften sie es alle Fragen bis auf eine richtig zu beantworten. Nun ging es weiter zum Reitplatz, wo die erste reiterische Herausforderung auf sie wartete: Ein Spaß-Parour!

„Wieder nur vier Starterinnen!“, murmelte Kiki, als sie Mathilda den Zettel aus der Hand nahm.

„Darf ich antreten?“, meldete sich Aylin zu Wort.

„Nein, das werden Kiki, Lotta, Emily und ich“, entgegnete ihr Mathilda forsch.

„Wieso das denn?“, schnaubte Aylin.

„Ganz einfach, weil du noch nicht gut genug reitest wie wir“, versuchte ihr die Mannschaftskapitänin zu erklären.

„Das stimmt doch überhaupt!“, die Augen der sensiblen Aylin begannen sich mit Tränen zu füllen.

„Nicht weinen, Mäuschen!“, legte Fianna den Arm um sie.

„Tue ich doch gar nicht!“, riss Aylin sich von ihr los und schluckte ihre Tränen runter.

 

„Das war nicht fair, wie du Aylin behandelt hast“, regte sich Kiki auf. „Das hättest du wesentlich netter zu ihr sagen können, Matti."

„Na und? Sollen wir am Ende wegen ihr auf dem letzten Rang landen?“, erwiderte Mathilda kühl.

„Wenn du so mit unserer Freundin umgehst, dann verweigere ich meinen Start“, mischte sich Emily ein.

„Ich auch“, pflichtete ihr Lotta bei.

„Wollt ihr extra verlieren, ihr blöden Gänse?“, geriet Mathilda außer sich.

„Schon gut, ich trete für Emily an“, meldete sich Annemieke zu Wort.

„Aylin kann gerne an meiner Stelle reiten“, sagte Fianna. Die Bande einigte sich darauf, dass Kiki, Aylin und die Zwillinge antreten sollten. Der Parcour bestand aus Slalomstangen, einer Wippe, einem Wassergraben und zwei niedrigen Hindernissen. Zudem mussten die Mädchen an einer Station einem Ball in einen Korb werfen und zum Schluss ein Glas Wasser balancieren. Mathilda ging zuerst an den Start und schwang sich auf Rockys Rücken, den Manfred für sie festhielt.

 

„Matti, Matti, Matti!“, feuerten Lotta und Annemieke sie an, doch die anderen Mädchen verweigerten ihr die Unterstützung und starrten auf ihre Handys.

„Irgendwas ist im Argen“, dachte Fianna besorgt. Bereits am Frühstückstisch hatten sich Mathilda und Kiki kurz in die Wolle gekriegt. Im Gegensatz zu den letzten Stationen stellte sich die Mannschaftsführerin sehr geschickt an und übergab den Staffelstab an Aylin, die ein bisschen brauchte, bis sie auf Rocky saß. Zögerlich ritt sie los. Die Wippe überquerte sie im Schneckentempo, als könnte das Ding im nächsten Moment mit ihr umkippen.

„Aylin, trau dich! Du kannst es!“, rief ihr Kiki zu. Bereits ein paar Worte bewirkten Wunder. Fianna wusste, dass sich Aylin mehr zutraute, wen ihr Mut zuesprochen wurde.

„Wenn ich das schon sehe, dann kann das nicht gut gehen“, rollte Mathilda mit den Augen, wofür sie von Fianna einen bösen Blick erntete. Aylin brauchte deutlich länger als Mathilda und reichte den Stab mit einem erleichterten Lächeln an Annemieke weiter.

„Micky, hopp! Micky, hopp!“, klatschten die Mädchen in die Hände. Kiki ritt als Letzte und konnte mit ihrer makellosen Leistung sogar ihre Zeit retten. Danach trommelte Rachel alle Teilnehmer zum Mittagessen auf dem Hof zusammen. Auf dem Weg dorthin, beobachtete Fianna, wie Mathilda und Kiki wieder wegen ein paar Kleinigkeiten aneinander gerieten.

 

Fianna hörte ihnen nicht zu und hakte sich zwischen Lotta und Emily ein. Als Mathilda bestimmen wollte, wer neben wem saß, rollten einige Rote Tulpen wieder mit den Augen.

„Nein, ich setze mich hier hin, denn wir haben keine Sitzordnung wie in der Schule", ließ sich Fianna zwischen Kiki und Emily nieder.

„Das geht den ganzen Tag schon so“, stöhnte Aylin entnervt, die gegenüber von ihr saß und spießte mit ihrer Gabel eine Nudel auf. Die Gespräche der Freundinnen gingen über Mathildas Kopf hinweg, die auf einmal wie eine Außenseiterin wirkte, obwohl sie mittendrin zwischen Lotta und Aylin saß. Fianna beobachtete, wie sie Lustlos in ihren Nudeln herumstocherte, die sie zur Hälfte stehen ließ. 

„Kannst du nicht aufpassen?", fauchte Mathilda Aylin ungehalten an, als diese ihr Getränk verschüttete und Mathildas Teller dabei etwas abbekam.

 

„Oh mein Gott, ist Mathilda heute zickig!“, raunte Emily Fianna zu.

„Oh ja, das ist kaum zu ertragen!“, nickte Lotta. 

„Dabei wollen wir ihr nichts Böses!“, zuckte Fianna ratlos mit den Achseln.

„Vielleicht hat sie ihre Tage", flüsterte Lotta.

„Redet schön weiter hinter meinem Rücken“, stand Mathilda auf und fügte boshaft hinzu: „So wie es sich unter Freundinnen gehört!“

„Hey, warte! Wo willst du hin?“, lief ihr ihre Zwillingsschwester nach. Fianna sah, wie die Zwillinge leise miteinander redeten und Annemieke ihre Schwester wieder in Richtung der Tische zog. Mürrisch nahm Mathilda neben Emily platz und spielte Candycrush auf ihrem Handy.

 

Nach der Mittagspause mussten die Bandenmädchen bei dem nächsten Spiel mittelgroße Steine in ein eine Schubkarre laden und durften dabei nur dünne Stöcker zur Hilfe nehmen. Die Steine mit der Hand zu berühren war nicht erlaubt. Hierbei war Teamarbeit gefragt.

„Ich habe euch doch gesagt, dass ihr die Stäbe parallel halten müsst“, maulte Mathilda Aylin und Emily von der Seite an, als ihnen ein Stein zum zweiten Mal auf die Erde plumpste. Wieder war ihre Mannschaftskapitänin unerträglich und meckerte an allem herum.

„Kiki, du machst es wieder falsch!“, schlug sie die Hände über den Kopf zusammen.

„Na und? Dann mach du es doch besser, Mathilda!“, blaffte Kiki ihre Freundin an. Fianna war insgeheim froh, dass sie noch nicht in ihr Visier geraten war und hob mit Lotta den nächsten Stein an.

„Wir haben die Schubkarre voll“, triumphierte Annemieke.

„Naja, aber nach gefühlten Stunden und Tagen“, bemerkte ihr Zwilling kiebig.

 

„Hey, was ist denn los? Macht dir es keinen Spaß?“, ging Annemieke besorgt auf ihre Schwester ein, die ein grimmiges Gesicht machte. Mathilda antwortete ihr nicht und schaute auf ihrem Bogen nach.

„Als nächstes müssen wir zum großen Turnierplatz, dort findet das Ringstechen statt. Wieder nur drei Teilnehmerinnen!“, murmelte sie.

„Diesmal möchte ich aber reiten, nachdem ich beim letzten Mal verzichtet habe“, sagte Fianna mit Nachdruck.

„Nein, es werden Lotta, Emily und ich reiten“, beschloss Mathilda egoistisch.

„Ich saß heute noch kein einziges Mal auf dem Pferd!“, Fianna kochte vor Wut. Was erlaubte sich ihre Freundin nur?

„Ich lasse es mir nicht länger gefallen, dass du uns herumkommandierst als wären dir deine Hunde!“, knurrte Kiki.

„Ich bin aber die Mannschaftskapitänin und treffe die Entscheidungen!“, warf ihr Mathilda an den Kopf.

„Aber als Anführerin bist du wirklich nicht geboren, wenn du deine Freundinnen herumscheuchst wie deine Sklavinnen!“, fuhr Kiki sie zornig an. Mathilda schubste Kiki unsanft nach hinten, sodass sie einen Schritt nach hinten ging, um nicht zu fallen.

„Was soll das? Bist du komplett übergeschnappt?“, schimpfte Kiki.

 

„Langsam bin ich es auch leid, dass Mathilda die ganze Zeit für miese Stimmung sorgt und alles kaputt macht“, brach es ungehindert aus Fianna raus.

„Genau, ich habe mich so auf dieses Camp gefreut, nachdem ich meine Eltern endlich überreden konnte“, warf Aylin ein. Gerade als Mathilda Fianna schubsen wollte, gingen Annemieke und Kiki dazwischen.

„Weißt du was, du verhältst dich gerade wie ein Kindergartenkind!“, warf Kiki ihrer besten Freundin vor.

„Ich nicht, aber ihr verhaltet euch so“, stritt Mathilda ab und fügte verbittert hinzu: „Ich dachte, wir kämpfen als Team zusammen.“

„Wieso das tun wir doch auch“, meinte Emily gelassen.

„Gerade habe ich das Gefühl, dass ihr euch alle gegen mich stellt und mich ausgrenzt“, presste die Mannschaftsführerin aus sich heraus und dicke Tränen glitzerten in ihren hellen blaugrauen Augen.

„Das ist deine eigene Schuld, Mathilda! Du reißt jede Entscheidung an dich und verhältst dich uns gegenüber biestig!“, hielt ihr Kiki vor.

„Außerdem geht uns dein Egoismus gewaltig auf die Nerven. Du blockierst die ganze Zeit und lässt dich nicht auf gemeinsame Kompromisse nicht ein!“, platzte Annemieke der Kragen.

„Ihr könnt ohne mich weitermachen!“, schrie ihre Zwillingsschwester. „Am besten geht ihr dahin, wo der Pfeffer wächst! Ich rufe meine Eltern an, dass sie mich abholen. Ich habe keine Lust mehr auf dieses beschissene Camp und so blöde Zicken wie euch!“

 

Noch bevor sie anfing zu weinen, war Mathilda auf und davon. Blitzschnell war sie um die Ecke gestürmt und aus dem Blickfeld der anderen Mädchen verschwunden.

„Meine Fresse nochmal! Ist sie total übergeschnappt?“, schüttelte Lotta fassungslos den Kopf.

„Diesmal renne ich ihr nicht hinterher“, sagte Annemieke mit fester Stimme. „Es ist ihr Pech, dass sie es sich mit uns verkracht hat.“

„Kommt, wir machen weiter! Wir haben genug gestritten. Lasst die beleidigte Leberwurst schmollen. Ohne sie kommen wir beinahe besser zurrecht“, übernahm Kiki die Führung. „Ich bin dafür, dass gleich alle reiten, die noch nicht geritten sind.“

Das waren in ihren Fall Emily, Lotta und Fianna.

 „Magst du anfangen?“, stupste Emily Lotta an.

„Von mir aus“, nickte sie und bekam die große Lanze in die Hand.

 

Beim Ringstechen ging es darum, im Galopp so viele Ringe wie möglich mit der Lanze mitzunehmen. Insgesamt waren fünf Ringe zu holen, die entweder an dünnen Schnüren an Bäumen oder Galgen aufgehängt waren.

„Good luck!", rief Fianna ihrer Freundin ermutigend zu. 

 Lotta ließ Lanzelot direkt aus dem Schritt angaloppieren und ritt auf den ersten Ring zu, den sie allerdings verfehlte.

„Mist!“, fluchte Lotta laut und ritt unbeirrt weiter. Konzentriert ritt sie auf den nächsten Ring zu, den sie souverän vom Baum holte.

„Lotta, Lotta, Lotta!“, feuerten ihre Freundinnen sie an. Der erste Ring zappelte auf ihrer Lanze und kurz darauf auch der Zweite. Am Ende schaffte sie vier von fünf Ringen zu holen.

 

Nun setzte sich Fianna aufs Pferd und wartete auf das Startsignal. Lanzelot reagierte sofort auf Fiannas Schenkelhilfe und fiel in einen seichten Galopp. Fianna musste wieder den Schenkeldruck erhöhen, damit er schneller wurde. In etwa zehn Metern tauchte der erste Ring auf. Fianna nahm ihn konzentriert ins Auge und hob ihre Lanze leicht. Zack! Das Band war durch und der Ring rutschte an ihrer Lanze runter. Der zweite Ring tauchte fünf Meter dahinter auf. Wenige Sekunden später tänzelte auch dieser auf Fiannas Lanze. Ihre Freundinnen applaudierten. Vor dem dritten Ring rutschte ihr die Lanze allerdings aus ihrer schweißnassen Hand, sodass Fianna sie fast verlor, wenn sie nicht im letzten Augenblick kräftig zugriffen hätte. Somit war der dritte Ring perdu. Lieber konzentrierte sie sich darauf die letzten Ringe zu holen, anstatt sich über den verlorenen zu ärgern. Zum Schluss hatte sie vier Ringe auf der Lanze. Zufrieden ließ sie sich von ihren Freundinnen abklatschen.

 

Als sie sich ins hohe Gras am Rande des Turnierplatzes gesetzt hatte, war Emily schon dabei einen Ring nach dem anderen zu sammeln.

„Einer geht noch, Lily! Come on!“, jubelte Kiki und fieberte dem Moment entgegen, als Emily den letzten Ring aufspießen sollte.

„Geschafft!“, setzte Lotta triumphierend zu einem Luftsprung an.

„Ihr ward spitze! Bis jetzt hat keiner so ein gutes Ergebnis erzielt wie ihr“, gratulierte ihnen Rachel, die ihre Nichte wieder zur Mitte des Platzes führte.

„Jetzt müssen wir nur noch zum Sackhüpfen und dann sind wir fertig“, machte Kiki ein zufriedenes Gesicht und griff nach Emilys Hand, als sie aufbrachen.

Eine Station später durfte die ganze Bande beim Sackhüpfen antreten. In graubraune Jutesäcke gehüllt stellten sie sich zu sechst an der Startlinie auf.

„Sind die Regeln klar?“, fragte Franziska und fügte hinzu: „Ihr hüpft gemeinsam los. Ich werde die Zeit der Schnellsten und der Letzten von euch ermitteln und durch zwei teilen, sodass es ein faires Ergebnis gibt.“

 

Die Roten Tulpen hüpften um die Wette, was das Zeug hielt. Kiki überquerte knapp vor Lotta und Fianna die Ziellinie. Emily kam keuchend als Letzte ins Ziel gehoppelt und stolperte fast ins Maisfeld, als sie aus ihrem Sack stieg. 

„Jetzt könnt ihr euch noch eine halbe Stunde die Zeit vertreiben, bis wir zur Siegerehrung kommen. Den Zettel müsst ihr entweder Rachel oder Manfred geben“, sagte Franzi, als sie Kiki das Klemmbrett wiedergab. Manfred kam ihnen direkt vor der Scheune entgegengelaufen.

„Wollt ihr etwas trinken?“, fragte er, während er das Klemmbrett der Mädchen entgegen nahm.

„Gerne, wir sind halbverdurstet“, nickte Emily.

„Bedient euch!“, lachte Manfred kurz auf und deutete auf die Limonadenkiste in seinem Bollerwagen.

 

Dankbar griffen die Bandenmädchen nach den Flaschen mit Orangenlimonade und setzten sich unter einen Kirschbaum im Schatten. Mittlerweile war es ziemlich warm und die Sonne brannte erbarmungslos auf sie herab. Kiki lehnte sich mit dem Rücken gegen Lotta. Annemieke und Emily saßen ebenfalls Rücken an Rücken auf dem Rasen. Aylin und Fianna taten das Gleiche.

„Ferien mit den besten Freundinnen ist das schönste auf der Welt“, schwärmte Emily und flocht kleine Zöpfchen in Kikis schwarzes Haar.

„Das stimmt wohl“, gähnte Lotta langgezogen. „Seid ihr auch so müde?“

„Irgendwie schon, aber das liegt bestimmt am Wetter“, meinte Annemieke, die sich einen Kranz aus Löwenzahnblüten flocht und sich auf ihren Kopf setzte. Fianna pustete einen Käfer weg, der es sich auf ihrem Handrücken bequem gemacht hatte.

 

5. Die Roten Tulpen feiern einen Triumph und eine Versöhnung

Für die Siegerehrung wurden extra Strohballen auf die Wiese gefahren und vor dem Tipi aufgebaut, sodass es ein kleines Siegertreppchen gab. Nach und nach trudelten die Kinder ein, nachdem sie sich umgezogen hatten. Fianna trug wieder ihren geblümten Rock und dazu eine weiße kurzärmlige Bluse, hellblaue Riemchensandalen und ihre türkisen Schmetterlingsohrringe, die sie sehr gerne mochte. Ihre Freundinnen hockten bereits im Halbkreis auf dem Boden, aber Mathilda war immer noch verschwunden.

„Schön, dass ihr alle zur Siegerehrung gekommen seid“, erhob Rachel das Wort. „Jeder von euch hat erstaunlich gut abgeschnitten und daher bin ich auf euch alle sehr stolz.“

„Den vierten Platz hat das Team von Jana mit 97 Punkten gemacht“, las Annika vor. Als das fünfköpfige Team nach vorne kam, wurde applaudiert. Die Mädchen sahen noch so jung aus, als konnten sie nicht sie nicht älter als acht oder neun sein.

 

„Den dritten Platz haben Marco und seine Freunde mit 112 Punkten gemacht“, fuhr Annika fort. Marco, seine beiden Freunde und zwei Mädchen kamen nach vorne, nachdem sich das Team von Jana wieder gesetzt hatte.

„Nun kommen wir zu Platz zwei“, übernahm Rachel. „Sarah und ihr Team sind mit 124 Punkten zweiter geworden.“

„Mädels, wir haben gewonnen!“, stieß Fianna ihre Freundinnen an.

„Das ist total verrückt“, war Kiki außer sich.

„Ganz knapp mit 126 Punkten liegen Mathilda und ihre Freundinnen auf dem ersten Platz“, sprach Rachel weiter. Obwohl Mathilda nicht da war, liefen die Roten Tulpen nach vorne und Kiki nahm einen großen Briefumschlag entgegen.

„Wo ist denn Mathilda?“, erst jetzt fiel Rachel auf, dass sie nur zu sechst waren.

„Ihr ging es nicht gut und deswegen hat sie sich in ihr Zelt zurückgezogen, um sich auszuruhen“, log Annemieke ohne rot zu werden.

 

„Das sind unsere verdienten Siegerinnen!“, rief Annika euphorisch und großer Applaus brandete auf. Was wohl in dem Briefumschlag drin war? Die anderen Kinder hatten bloß nur eine Tüte Süßigkeiten bekommen.

„Mach auf!“, stieß Lotta Kiki an. Sieben Gutscheine über je 15 Euro für „Horse&Rider“, ein angesagtes Reitgeschäft in der City, kamen zum Vorschein.

„Wie cool!“, freute sich Aylin. „Damit kann ich mit demnächst auf einen neuen Helm kaufen.“

Gerade als die Mädchen sich in eine innige Bandenumarmung einschlossen, fiel ihnen auf, dass Mathilda fehlte. Zwar hatten sie mit ihr heute schon genug Ärger, doch immerhin gehörte sie noch dazu.

„Wir müssen Matti suchen gehen“, beschloss Annemieke.

„Bestimmt hat sie sich in ihrem Schlafsack verkrochen, heult sich die Augen aus dem Kopf und will die Welt nicht mehr sehen“, bemerkte Fianna spöttisch, wofür sie sich einen leicht bösen Blick von Kiki einfing.

„Man kann sich nicht dauerhaft streiten und die ganze Zeit aufeinander sauer sein“, meinte Lotta.

 

„Um ehrlich zu sein, bin ich immer noch ein wenig sauer auf sie, aber ich habe auch keine Lust mich länger mir ihr zu fetzen“, war Kiki der Meinung.

„Genau, Streit ist echt ätzend“, stimmte ihr Aylin zu. Die Freundinnen rissen die Reißverschlüsse ihres Zeltes auf, doch drinnen war es leer. Nur ihre Schlafsäcke und Taschen lagen verlassen an Ort und Stelle.

„Merkwürdig, wo kann sie sonst abgeblieben sein?“, runzelte Emily die Stirn.

„Kommt, wir suchen entlang des Weidezaunes!“, rief Lotta, die zuerst aus dem Zelt schlüpfte.

„Matti!“, riefen Emily und Aylin, die hinter der Reihalle nachschauten. Niemand antwortete ihnen.

„Mathilda, wo bist du?“, klang Annemieke langsam verzweifelt.

 

„Vielleicht hat sie sich im Feld versteckt“, grübelte Fianna.

„Niemals, sonst hätte sie schon Spuren hinterlassen“, schüttelte Kiki den Kopf. Die Bandenmädchen suchten in der Reithalle und im Stall: doch ohne Erfolg.

„Sie kann doch nicht im Ernst weggelaufen sein!“, schlug Annemieke die Augen nieder und holte seufzend ihr Handy aus ihrer Hosentasche.

„Wen rufst du an?“, wollte Aylin wissen.

„Meine Schwester“, murmelte sie und wartete einige Sekunden. Unruhig drehte sie sich dabei eine ihrer hellen Locken um den Daumen.

„Geht sie nicht ran?“, hakte Lotta nach.

„Leider nicht. Sie hat ihr Handy aus“, schüttelte Annemieke betrübt den Kopf und wählte die Nummer ihre Eltern.

„Hallo Mama, ist Matti bei euch zu zuhause?“, sprach sie in ihr Mobiltelefon.

„Ob ihre Eltern sie schon abgeholt haben?“, murmelte Fianna und riss ein Bündel Heu entzwei.

„Was? Papa ist gerade losgefahren?“, klang Annemieke entsetzt. „Er soll umkehren, wir werden Mathilda abholen und sie überreden, dass sie bleibt.“

 

Rasch legte sie auf, verstaute ihr Handy wieder in der Hosentasche und drehte sich in Richtung Stalltür.

„Was ist denn nun?“, wurde Kiki ungeduldig.

„Wir müssen sofort zur Straße, dort wartet sie auf unseren Vater“, rief Annemieke und eilte voraus. Ihren Freundinnen stürmten hinter ihr her, sodass Fianna am Hoftor beinahe mit Wiebke zusammen stieß. Die Roten Tulpen rannten am Weizenfeld entlang. Bereits aus der Ferne sah Fianna einen hellblonden Lockenkopf, der einsam am Bushaltestellenschild stand.

„Matti!“, schrie Annemieke und sprintete an all ihren Freundinnen vorbei. Die ganze Bande legte einen Spurt ein. Mathilda brachte vor Verwunderung kein Wort aus sich heraus. Anhand ihrer geröteten Augen, war es den Mädchen einleuchtend, dass sie vorhin geweint hatte.

„Du wolltest im Ernst nach Hause fahren?“, schlang Annemieke die Arme um sie.

„Habe ich eigentlich vorgehabt“, nickte Mathilda ehrlich und sah die Freundinnen schüchtern an, was sonst gar nicht ihre Art war.

„Wir haben noch bessere Nachrichten“, begann Lotta.

„Und zwar haben wir gewonnen!“, vollendete Kiki den Satz und drückte Mathilda den Gutschein, der für sie bestimmt war, in die Hand.

„Das ist wirklich schön“, freute sie sich und zum ersten Mal begannen ihre Augen zu strahlen.

 

„Du willst doch jetzt bleiben oder?“, nahm Annemieke Mathildas Hand.

„Komm Matti, bleib schon!“, nahm Kiki die andere Hand.

„Bitte Matti!“, bettelten die Anderen und hielten sie fest.

„Na gut, Mädels, ihr habt mich überredet“, gab Mathilda lachend auf.

„Es ist so wunderschön, dass du bleibst!“, freute sich Aylin und fiel ihr um den Hals.

„Ein Problem gibt es aber noch“, räusperte sich Mathilda. „Papa ist gerade losgefahren.“

„Dann schicken wir ihn halt zurück“, meinte ihre Schwester mit Nachdruck. Einen Augenblick später hielt ein dunkles Auto neben ihnen und ein großer Mann mit hellblonden Haaren stieg aus.

„Papa, du kannst gleich wieder fahren!“, begrüßte Annemieke ihren Vater und umarmte ihn.

„Ich dachte, Mattilein wollte unbedingt nach hause“, sah er seine Töchter überrascht an.

„Ich habe mich umentschieden, dank meiner Schwester und meiner Freundinnen“, lächelte Mathilda und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange.

„Dann bin ich ganz umsonst gekommen“, meinte er.

 

„Ach nö, wir führen dich gerne noch ein wenig rum“, strahlten die Zwillinge und hakten ihren Vater unter. Die Mädchenbande führte ihn durch die Ställe, zeigten ihm die Halle, die Plätze und die Wiese, auf der sie zelteten.

„Ihr bietet mir gerade eine super Exklusivführung“, lobte er. „Da können sich einige Fremdenführer etwas von abschneiden. Als wir vor drei Jahren in Bordeaux waren, schliefen wir während einer Stadtführung fast ein.“

„Wirklich so langweilig?“, machte Lotta große Augen.

„Und wie!“, nickte die Zwillinge gleichzeitig. Emily hatte noch mehrere Geschichten auf Lager. Als sie erzählte, wie der Kater der Nachbarn auf Mäusejagd selbst in die Mäusefalle trat, kugelten sich alle Anwesenden vor Lachen. Herr ter Steegen verabschiedete sich von den Mädchen und ließ ihnen eine große Packung Stroopwaffeln zur Freude der Zwillinge zurück.

 

„Irgendwie weiß ich nicht, wie ich es wieder gut machen kann“, sagte Mathilda nachdenklich und stützte ihr Kinn auf ihrem Knie auf.

„Hat sich schon gegessen und immerhin haben wir gewonnen“, wuschelte ihr Annemieke über die Haare.

„Außerdem macht jeder Mensch Fehler“, warf Emily ein.

„Trotzdem, ich muss wohl fürchterlich gewesen sein, vor allem weil ich alle Entscheidungen im Alleingang treffen wollte und so ekelig zu euch gewesen war", sagte Mathilda schwach. „Nachdem ich weggelaufen war, traute ich mich nicht mehr in eure Nähe. Ich dachte, ihr wolltet mich nicht mehr dabei haben.“

„So ein Quatsch!“, schüttelte Kiki den Kopf. „Auch beste Freundinnen streiten sich und versöhnen sich wieder.“

„Wollen wir auf unsere Versöhnung trinken?“, rief Lotta und öffnete ihre Colaflasche. Fast der halbe Inhalt spritzte ihnen entgegen und die Freundinnen explodierten vor Lachen, als Emily sagte: „Und unsere tägliche Coladusche gibt uns heute.“

Mathilda nahm den ersten großen Schluck und reichte die Flasche an Kiki weiter. Als die Flasche endlich wieder bei Lotta ankam, war nur noch ein ganz kleiner Schluck für sie übrig.

 

„He, wollt ihr gar nichts basteln?“, kam Annika auf die Roten Tulpen zu, die sie auf der Rasenfläche hinter der Scheune vorfand.

„Basteln? Was bastelt ihr eigentlich?“, sah Lotta sie überrascht an.

„Ein paar Accessoires für das Indianerfest“, erwiderte Emilys ältere Cousine. „Kommt mit, gerade ist ein Basteltisch frei geworden!“

„Ich weiß nicht“, gähnte Fianna träge, die sich an Emilys Rücken lehnte.

„Kommt schon, Mädels, ein bisschen Indianerschmuck ist doch cool!“, fand Kiki und griff nach Fiannas Hand. Die Mädchen folgten Annika auf die Zeltwiese, wo die meisten der Kinder inzwischen auf den Heuballen herumkletterten und Fangen spielten.

„Viel haben die Kids uns wirklich nicht übrig gelassen“, zog Lotta beim Anblick des Basteltisches skeptisch die Augenbrauen hoch.

„Hier sind noch ganz viele Sachen drin“, deutete Rachel auf zwei Kisten neben dem Gemeinschaftszelt. Die Bandenmädchen ließen ihrer Kreativität freien Lauf. Aus alten Stofftüchern und Federn bastelten sich die Mädchen einen indianischen Kopfschmuck.

 

Besonders Kiki sah in ihrem bunt gemusterten Kleid, den langen Zöpfen und den rotbraunen Federohrringen wie eine Indianerprinzessin aus.

„Hallo Pocahontas!“, stupste Emily sie an.

„Hallo Wendy!“, erwiderte Kiki prompt.

„Schaut mal her!“, zeigte Aylin den großen Traumfänger, den sie mit Lotta zusammen gebastelt hatte.

„Wow, der ist aber schön geworden!“, fand Annemieke, die ein altes T-Shirt mit einem bunten Muster bemalte. Kiki und Mathilda hoben ihre selbst gebastelten Ketten hoch.

„Sind das Freundschaftsketten?“, fragte Aylin.

„Das wollte ich auch gerade fragen“, fügte Lotta hinzu. „Die sehen beide identisch aus.“

„Es sind eher Versöhnungsketten“, antwortete Mathilda.

„Weil Matti und ich uns auf keinen Fall nie wieder so streiten wollen“, drückte Kiki ihre beste Freundin ganz fest.

„Ob das auch immer so halten wird? Schließlich sind beide ziemliche Hitzköpfe“, flüsterte Fianna Aylin ins Ohr und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Lotta machte mit ihrem Handy einen Schnappschuss von Kiki und Mathilda, die immer noch eng umschlungen da saßen.

 

Ella und ihr Vater kamen wie versprochen um kurz vor sechs auf den Hof gerollt.

„Wenn ihr einverstanden seid, helfen wir euch gerne bei den Vorbereitungen“, wandte sich Herr Zimmermann an Rachel und Manfred.

„Das ist sehr nett von euch!“, bedankte sich Rachel.

„Können wir auch etwas tun, Rachel?", trat Kiki zwischen ihren Freundinnen hervor.

„Alles gut, das kriegen wir auch schon so hin", meinte die Reitlehrerin.

Die Roten Tulpen verschwanden im Garten unter dem Kirschbaum und ruhten sich eine Weile aus. Rachel, Manfred, Herr Zimmermann und die übrigen Helfer liefen auf und ab. Kisten in Bollerwagen wurden herangekarrt.

„Sieht aus, als ob sie eine Hundertschaft versorgen wollen, obwohl wir höchstens dreißig Mann sind“, murmelte Kiki mit einem Grashalm zwischen den Zähnen.

„Wir können sicherlich reinhauen wie eine Hundertschaft“, grinste Mathilda breit. „Zumindest Micky und ich."

„Logo, zehn Bratwürste gehen immer rein und dazu noch fünf Steaks“, scherzte Annemieke. 

„Das kann man sich bei euch gut vorstellen“, neckte Fianna die Zwillinge, wofür sie ein paar Grasbüschel nach ihr warfen. Fianna feuerte lachend zurück.

„Hey, hört auf das schöne Gras heraus zu reißen!“, tadelte Aylin sie kichernd.

„Ach was, das wächst in null komma nichts nach“, meinte Kiki.

 

„Hey, wollt ihr gar nichts essen?“, kam Annika in den Garten gelaufen.

„Jetzt schon?“, schreckte Emily hoch.

„Gerade hat Papa die erste Ladung Würstchen auf den Rost geworfen“, meinte Annika.

„Dann nichts wie hin, ich sterbe gleich vor Hunger!“, sprang Mathilda auf und zog ihre Zwillingsschwester mit hoch. Hand in Hand stürmten die beiden Schwestern los.

„Los, beeilt euch, bevor die Kids uns alles wegessen!“, rief Lotta und überholte die Zwillinge. Die anderen Bandenmitglieder fielen mit in den Spurt ein. Die Kids und die Helfer waren bereits an der Feuerstelle versammelt. Bei dem Geruch und Würstchen und frisch gebratenen Fleisch knurrten die Mägen der Mädchen verräterisch laut. Fianna kam sich in diesem Augenblick wie ein ausgehungerter Vampir vor. Eine Bank war noch frei, auf der die Freundinnen platz nahmen und sehr dicht zusammenrücken mussten. Mit einem Pappteller auf dem Schoß verdrückten sie die erste Wurst und stillten ihren Durst mit Himbeerlimonade. Ausnahmsweise schaffte Fianna an diesem Abend zwei Würstchen und ein Steak. Sogar auf ein Stockbrot hatte sie danach Lust. Annikas Freund Tommy fing an Gitarre zu spielen. Wiebke holte ihre Picoloflöte heraus, während Wiebke sie auf einer Cajon begleitete. Annika und Wiebke sangen dazu. Fianna hätte nie gedacht, dass Emilys Cousine so eine schöne klare Gesangsstimme haben könnte.

 

Mit einem Mal stand Ella auf und begann zu der Musik um das Lagerfeuer zu tanzen. Dabei steckte sie mindestens fünf weitere Kinder an. Schmunzelnd beobachteten die Roten Tulpen die hüpfenden Mädchen.

„Willst du auch mit uns tanzen?“, streckte Ella ihre Hände nach Fianna aus.

„Schiebt die Bänke zurück, wenn ihr tanzen wollt“, rief Rachel. Die Bänke wurden zwei Meter nach hinten verschoben, damit mehr Raum zum Tanzen da war. Auch die anderen Mädchen forderten mehrere Personen zum Tanz auf, darunter Rachel, Sarah, Lotta und Emily. Annikas kleine Band spielte nun ein bekanntes Indianerlied. Die Tanzenden nahmen sich an den Händen und forderten immer mehr Leute zum Tanz auf. Rachel beschloss mit Sarah, Kim und Emily einen neuen Tanzkreis zu eröffnen, der um den inneren Kreis herum tanzte. Lachend holte Emily die Zwillinge und Manfred dazu. Herr Zimmermann reihte sich von alleine zwischen Rachel und Marco ein. Rachel ging auf Jana und Ida zu, die als Einzige noch auf den Bänken saßen und nahm sie an den Händen.

 

Nach dem Tanzen wurden die Bänke wieder näher an das Feuer heran geschoben. Inzwischen war es empfindlich kühl geworden. Damit das Feuer wieder genügend Wärme spendete, legte Manfred noch eine Bollerwagenladung voller Holzscheite auf die Glut. Sofort fraß sich die rotorange Glut in das trockene Holz und helle Flammen züngelten meterhoch in den Nachthimmel empor. Die Bandenmädchen liefen zu ihrem Zelt, um sich dünne Jäckchen oder langärmlige Sweatshirts überzuziehen. Mittlerweile war es ganz dunkel geworden, von der Abenddämmerung war nichts zu sehen. Im Osten ging der Mond auf und strahlte mit den unzähligen Sternen um die Wette. Zuerst kupferrot und riesig, aber je höher er am Nachthimmel empör stieg, desto kleiner und käsiger wurde. Fledermäuse flogen lautlos ihren Köpfen hinweg. Aus dem Biounterricht wusste Fianna, dass sie auf der Jagd nach Insekten waren und mithilfe von Schallwellen ihre Beute orten konnten. Im Hintergrund zirpten die Grillen und Annikas Freund klimperte auf seiner Gitarre herum.

 

Fianna lehnte sich an Lottas Schulter und schloss die Augen. Dabei stellte sie sich vor, wie sie mitten in der Prärie am Lagerfeuer saßen und ihr Nachtlager aufschlugen.

„Wie es wohl den Piranhas wohl gerade geht?“, dachte Lotta laut nach und ließ ein altes Papiertaschentuch in Flammen aufgehen.

„Lotta, vermisst du die Fischköppe etwa?“, raunte Mathilda in ihre Richtung und zog verheißungsvoll ihre Augenbrauen hoch.

„Nicht wirklich, aber irgendwie kamen sie mir doch gerade in den Sinn“, sagte diese in Gedanken verloren.

„Wer soll sie schon großartig vermissen?“, zuckte Kiki desinteressiert mit den Achseln und schaute spöttisch drein.

„Ich bin ganz froh, dass wir ein paar Tage Ruhe vor ihnen haben“, meinte Annemieke und stocherte mit ihrem Stock in der Glut herum.

„Oh ja, man muss jeden Augenblick ohne sie auskosten“, bestätigte Emily. „In der Schule haben wir nicht die Möglichkeit ihnen aus dem Weg zu gehen, da wir sogar im gleichen Raum wie die Idioten sitzen.“

Die Roten Tulpen und die Piranhas konnten sich nicht erst seit gestern kaum ausstehen, im Grunde genommen war es schon seit der fünften Klasse schon so. Seit dem letzten Schuljahr hatten sich die Mädchen auf einer Klassenfahrt zu einer Gegenbande zusammengeschlossen, um den frechen Jungs Paroli zu bieten. Bereits in nur fünfzehn Monaten hatte die Bande schon viel erlebt. Fianna hoffte, dass noch weitere schöne und spannende Momente vor ihnen lagen.

 

„Mögt ihr noch ein Stockbrot?“, reichte Franziska die Teigschüssel herum. Fianna und Aylin nahmen sich ein wenig Teig raus, den sie um die Enden ihrer Stöcker wickelten und über der Glut buken. Um kurz nach zehn verabschiedeten sich Ella und ihr Vater, da das kleine Mädchen bei jedem zweiten Wort gähnte und ihr beim Gehen fast die Augen zufielen. Einige Kinder, vor allem die Jüngeren verschwanden ebenfalls kurz darauf in den Zelten.

„Seid bitte leise, denn einige Kinder möchten jetzt schon schlafen!“, bat Rachel die Kinder, die noch immer am Feuer saßen und inzwischen Marshmellows rösteten.

„Wir halten bestimmt länger durch als ihr“, wandte sich Sarah mit einem kecken Grinsen an die Roten Tulpen.

„Du willst doch nicht wirklich einen Wettbewerb starten, wer am längsten aufbleiben kann oder?“, guckte Mathilda sie schief an.

„Ich mach da auch nicht mit, das ist mir zu kindisch“, meinte Lotta und ließ absichtlich einen arroganten Unterton mitschwingen.

 

Kurz nach Mitternacht waren Fianna und ihre Freundinnen dermaßen müde, dass sie in Richtung Waschraum liefen, um sich die Zähne zu putzen. Nur mit Mühe konnte sie ihre Augen offen halten und nickte sogar kurz ein, dass sie während des Zähnputzens fast im Stehen einnickte.

„Nicht einschlafen!“, zog Kiki sie am Ärmel ihres Pyjamas. Fianna wusste nicht, wie sie den Weg zurück zum Zelt gefunden hatte, aber irgendwie wird sie es wohl geschafft haben. Schlaftrunken kuschelte sie sich in den Schlafsack und dachte nach, was sie heute erlebt hatten. Sie waren die Siegerinnen bei den Westernspielen, hatten sich mit Matti gezofft, sich wieder vertragen und mit den anderen Kindern am Lagerfeuer gesessen und gefeiert. Die Zwillinge, die am anderen Ende des Zeltes lagen, redeten leise miteinander. Aylin und Lotta zwischen denen Fianna lag, atmeten bereits friedlich vor sich hin.

„Gute Nacht!“, murmelte Kiki, die gegenüber von ihr lag.

„Gute Nacht, Kiki!“, erwiderte Emily matt. Draußen heulte irgendwo tief im Wald ein Käuzchen oder ein Uhu. Es dauerte nicht lange und Fianna schlief tief und fest. In ihrem Traum war sie mit ihren Freundinnen im richtigen Wilden Westen unterwegs, trieben große Rinderherden vor sich her und ließen den Tag am Lagerfeuer ausklingen. Es war schon ein großes Abenteuer Tag und Nacht in der Wildnis zu verbringen.

6. Ein Ausritt und eine Vermisste

Am nächsten Morgen war es ziemlich warm, als die Roten Tulpen kurz vor halb neun aus ihrem Zelt krabbelten. Garantiert würde es heute noch wärmer werden als die letzten Tage und dazu kam noch eine hohe Luftfeuchtigkeit.

„Junge Junge, es ist jetzt schon mega warm!“, stöhnte Lotta, die nur ein dünnes bauchfreies Top mit Spagettiträgern und knappe Hotpants anhatte.

„Und das für einen Tag im Mai“, bemerkte Fianna.

„Zum Glück haben sie die Tische im Schatten aufgebaut“, meinte Kiki.

„Was steht für heute noch alles auf dem Plan?“, fragte Aylin neugierig.

„Auf jeden Fall eine Schnitzeljagd und ein Ausritt zum See", wusste Emily bescheid. 

„Bei diesem Wetter bin ich nicht für irgendwelche Sportspiele und Wettkämpfe nicht zu haben. Man bricht schon bei jeder kleinsten Bewegung in Schweiß aus“, merkte Annemieke an, die ihre Locken im Nacken zu einem kurzen Pferdeschwanz band.

„Aber Schnitzeljagd und Ausritt zum See: das hört sich noch ganz okay an", fand Lotta

 

„Im Wald ist wenigstens schön frisch“, murmelte Mathilda, die sich mit einer Pferdezeitschrift frische Luft zufächerte. Die anderen Kinder saßen schon längst am Frühstückstisch, als die Roten Tulpen kamen.

„Guten Morgen, habt ihr gut geschlafen?“, begrüßte Rachel die Bandengirls.

„Und wie!“, nickte Emily. „Ich war totmüde und schlief heute Nacht wie ein Stein.“

„Setzt euch, wir haben heute Morgen sogar Vanille- und Zimtcroissants“, lächelte Rachel.

„Das klingt geradezu verlockend!“, leckten sich die Zwillinge die Lippen. Beim Essen redeten die Freundinnen kaum miteinander. Fianna merkte, wie Sarah und Jenny frech grinsend zu ihnen herüber schielten. Ob sie wieder etwas ausheckten? Noch waren sie zu keinem größeren Streich gekommen, dafür waren die Kids viel zu sehr beschäftigt gewesen. Fianna goss sich noch ein Becher voll Apfelsaftschorle ein. Viel trinken war bei diesem Wetter enorm wichtig.

 

„Wir werden heute zwei Gruppen bilden“, wandte sich Rachel an die Kinder. „Wir haben nicht genügend Pferde für mehr als zwanzig Personen. Eine Gruppe wird gleich mit Franzi und Wiebke und Franzi auf Schnitzeljagd gehen, während die zweite Gruppe mit mir ausreitet. Heute Nachmittag wird getauscht. Wichtig ist, dass ihr für den Ausritt Badesachen mitnehmt, denn wir wollen zum Waldsee.“

Aufgeregt schnatterten die Kinder durcheinander.

„Bloß nicht mit Sarahs Bande in eine Gruppe“, wisperte Aylin in Kikis und Mathildas Richtung.

„Keine Sorge, das haben wir auch nicht vor“, schüttelte Kiki den Kopf.

„Wollen wir zuerst die Schnitzeljagd machen?“, fragte Mathilda. „Nachmittags wird es noch wärmer und da macht das Baden noch mehr Spaß.“ 

„Von mir aus“, nickte Kiki.

„Was ist eine Schnitzeljagd?“, fragte Aylin.

„Entweder liegen Holzpfeile auf dem Boden, Papierschnitzel oder andere Hinweise auf dem Boden, die einem den Weg weisen. Man muss den Wegweisern folgen und zur Belohung findet man am Zielort einen kleinen Schatz“, erklärte Kiki ihr.

 

Die Rote Tulpen schlossen sich Franziska und Wiebke an, die die Schnitzeljagd leiteten. Drei der jüngeren Mädchen stellten sich ebenfalls zu ihnen. Fianna hatte deren Namen bereits wieder vergessen.

„Ich bin Ida und die beiden Mädchen neben mir heißen Viktoria und Kathrin“, sagte eines der jüngeren Mädchen mit einem langen karamellfarbenen Zopf. Nach und nach begannen sich die Bandenmädchen vorstellen.

„So viele Namen können wir uns nicht auf einmal merken“, meinte eine von Idas Freundinnen.

„Aber ihr beide seht ziemlich gleich aus“, wandte sich Ida an die Zwillinge.

„Wir sind auch eineiige Zwillinge“, nickten Annemieke und Mathilda synchron.

„Sieht man sofort“, musterte Kathrin sie. „Euch kann man nur unterscheiden, dass eine die Haare offen trägt und die andere einen Zopf hat. Trotzdem weiß ich nicht, wer von euch wer ist.“

„Zu eurer Beruhigung muss ich sagen, dass wir anfangs auch Schwierigkeiten hatten, sie auseinander zu halten. Dabei sind wir schon lange eng mit ihnen befreundet“, richtete sich Emily an die jüngeren Mädchen. Als Manfred zurückkam, ging der Trupp los. Im Wald war es viel erträglicher als auf dem Hof und auf der Wiese.

 

Auf dem Boden lagen entweder Holzspäne, buntes Konfetti oder Strohhalme. Die jüngeren Mädchen liefen eifrig voraus, um die nächsten Hinweise zu finden. Manchmal zeigte ihnen auch ein Pfeil aus Zweigen ihnen konkret den Weg. Fianna fand einen zusammengerollten Zettel unter einem Baumstamm.

„Ah, eine Schatzkarte!“, wisperte Viktoria aufgeregt.

„Dann muss der Schatz hier irgendwo liegen“, schlussfolgerte Kiki. Lotta, Aylin und Emily machten es sich auf einer Bank bequem und schauten ein Handyvideo, während ihre Gruppe akribisch das Gelände absuchte.

„Ihr faulen Säcke, hier wird nicht gechillt“, scheuchte Mathilda sie hoch.

„Oder wir schnappen uns den Schatz, sodass für euch nichts übrig bleibt!“, fügte ihre Zwillingsschwester hinzu. Die Mädchen suchten was das Zeug hielt: doch ein Schatz war immer noch Fehlanzeige.

„Ich habe etwas gefunden!“, wedelte Viktoria mit einer verrosteten Dose.

„Das kann doch nicht der Schatz sein“, ungläubig zog Kiki die Augenbrauen hoch. In der Dose verbarg sich ein Zettel.

„Der Schatz befindet sich in einem Umkreis von zwei Metern. Am besten ihr schaut unter morschen Holzstämmen nach“, stand drauf geschrieben. 

 

Einen Augenblick später zog Kathrin zog einen kleinen Jutesack unter einem dünnen morschen Baumstamm hervor.

„Hier, ich habe etwas!“, rief sie laut. Sofort kamen die anderen Mädchen angelaufen. Neugierig sahen sie ihr über die Schulter.

„Da sind lauter kleine Hufeisen drin“, entfuhr es Ida erstaunt. Fianna und ihre Freundinnen hatten eher erwartet, dass der Schatz entweder aus Süßigkeiten oder billigem Spielzeug bestehen würde. Ein Hufeisen, welches Glück brachte, war da auf jeden Fall viel besser. Danach ging es wieder zurück. Langsam bekamen sie Hunger, denn es war mittlerweile kurz vor ein Uhr. Die andere Gruppe war bereits wieder zurück und half dabei die Tische für das Mittagessen auf dem Hof aufzubauen. Die Roten Tulpen setzten sich unter den Kirschbaum, bis sie zum Essen gerufen wurden. Heute gab es zum Mittagessen nur belegte Sandwiches, Obstspieße und Gemüsesticks mit Quarkdip.

 

„Das Leckerste gibt es heute Abend“, verriet ihnen Annika.

„Darf ich fragen was?“, wurde Mathilda neugierig.

„Das ist eine Überraschung“, antwortete Annika. Nach dem Essen ruhten sich die Freundinnen noch eine Stunde im Garten aus, bevor sie sich für den Ausritt umzogen.

„Nehmt auf jeden Fall einen Rucksack für eure Badesachen und die Sonnencreme mit“, gab Rachel ihnen noch auf den Weg, als sie sich vor der Reithalle trafen. Um kurz nach drei ritt eine zwölfköpfige Gruppe im Schritttempo vom Hof. Die Hufe klackerten gleichmäßig auf dem Asphalt. Rachel ritt mit Kiki voran, während Emily und Annika die Gruppe nach hinten absicherten. Fianna hatte Diego zugewiesen bekommen, der sich angenehm reiten ließ und keine Zicken machte. Zu zwei schritten sie nebeneinander her, sofern es der Weg erlaubte. Als die Reitwege immer schmaler wurden, ritten sie einzeln hintereinander her. Zudem mussten sie sich ducken, wenn ein Ast tief hing. In vollen Zügen atmete sie die kühle und leicht feuchte Waldluft ein. Das war längst kein Vergleich zu der heißen und staubigen Luft auf dem Hof. Ida hatte ausgerechnet den eigenwilligen Xaver abbekommen, der seinen eigenen Kopf hatte. Das kleine zierliche Mädchen hatte manchmal ziemlich mit ihm zu kämpfen. Ihre beiden Freundinnen hatten mit Fury und Rocky zwei ruhigere Pferde bekommen. Xaver sträubte sich ein wenig, als er den ersten Huf in das Kieselbett des kalten Baches setzte. Mit genug Treiben und Zureden ging es doch. Fianna war insgeheim sehr glücklich, dass sie ihn nicht reiten musste.

„Würdet ihr am liebsten auch in den Bach springen?“, seufzte Mathilda und pustete sich eine Locke aus ihrem Gesicht. Sie blieb mit Snowflake noch einen Moment im Wasser stehen.

 

Den Waldsee kannten die Roten Tulpen bereits. Schon mehrere Male waren sie hier mit dem Rad hingefahren, um sich zu sonnen und zu baden. Am Südufer gab es neuerdings eine Stelle mit einem langen Holzbalken, an der die Pferde festgemacht werden konnte. Dies war sehr praktisch, da die Mädchen nicht mit ihren Pferden Baden gehen konnten. Rachel betonte noch einmal, dass kein größerer Spritzer Wasser an die Ledersättel kommen durfte, da das Leder überhaupt keine Feuchtigkeit vertrug. Bevor es ins Wasser ging, halfen die Mädchen Rachel dabei die Pferde mit Wasser zu versorgen und pflückten büschelweise Gras für sie.

„Puh, ist mir warm!“, ächzte Kiki.

„Ab ins kühle Nass!“, zog Mathilda ihr verschwitztes T-Shirt über den Kopf, da sie ihren Tankini schon drunter hatte. Fianna und Kiki suchten sich eine Stelle im Gras, wo sie ihre Hanstücher ausbreiten konnten. Sie wollten lieber im Schatten bleiben, während ihre Freundinnen es vorzogen, ein Sonnenbad zu nehmen.

„Wir haben uns vergessen einzucremen“, sagte Annemieke mit einem Blick auf Fiannas blasse Haut. Sie stellten sich in einem Kreis auf. Fianna ließ sich Emily eincremen, während sie Kiki mit Sonnencreme einrieb und so weiter.

 

Gut gewappnet sprinteten sie los.

„Wer als erstes im Wasser ist?“, rief Fianna und überholte Lotta und die Zwillinge.

„Ich bin garantiert vor dir da!“, hörte sie Kiki neben sich schnaufen, die eine erstklassige Läuferin war. Fianna legte noch einen Zahn zu, aber Kiki zog an ihr vorbei. Auch Lotta schaffte es, sie zum Schluss einzuholen. Johlend und kreischend ließen sich die Bandenmädchen ins Wasser fallen. Lachend spritzten sie sich nass und zogen sich gegenseitig unter Wasser, bis sie kaum noch Luft bekamen.

„Das ist vielleicht ein Kälteschock!“, atmete Aylin schwer und rückte ihren pinken Bikini zurrecht.

„Hier können wir prima schwimmen“, stellte Lotta im Bezug auf die Wassertiefe fest und kraulte ihren Freundinnen voraus. Da sie im Verein schwamm, konnte niemand mit ihr mithalten. Nur einmal schaffte es Emily fast, ihr den ersten Platz streitig zu machen. Nach einer Weile wollte sich die Mädchen doch lieber auf Handtücher auf der Liegewiese legen, Eistee trinken und sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen. 

 

Rachel hatte sich für den Rückweg eine andere Strecke ausgesucht. Die Wege waren deutlich breiter, sodass es möglich war zu zweit oder zu dritt im Trab nebeneinander her zu reiten.

„Endlich geht es flotter vorwärts!“, freute sich Lotta. Kiki und die Zwillinge ließen es nicht nehmen über einen kleinen Baumstamm zu springen.

„Dass die immer so übermütig sein müssen“, bemerkte Emily. Auf einer Lichtung ließen sie ihre Pferde angaloppieren, selbst der eher träge Diego strotzte auf einmal vor Lauffreude. Anscheinend war Lauflust unter Pferden hochgradig ansteckend. Der Wind blies Fiannas lange rote Haare nach hinten und kühlte gleichzeitig. Das Feld der Reiter verlor sich langsam aus den Augen. Aylin und die jüngeren Mädchen blieben ein ganzes Stück weit zurück.

 

Der Weg wurde wieder schmaler, sodass sie ihre Pferde zum Schritt durchparieren mussten.

„Wo ist Ida?“, wurde Viktoria plötzlich unruhig.

„Gerade eben war sie noch da“, verwundert schaute sich Kathrin um.

„Stimmt, Ida ist weg“, fiel Emily erschrocken auf.

„Rachel, komm zurück! Ida ist verschwunden“, riefen die beiden jüngeren Mädchen. Rachel kehrte um und ritt zurück.

„Oh nein, wir haben sie wirklich aus den Augen verloren und müssen sie suchen“, stellte die Reitlehrerin besorgt fest.

„Am besten bilden wir zwei Suchtrupps“, schlug Kiki vor.

„Einverstanden“, nickte Rachel. „Lotta, Kiki, Emily, Kathrin und Viktoria suchen mit mir. Alle anderen gehen mit Annika auf die Suche.“

Die beiden Suchtrupps ritten in entgegen gesetzter Richtung auseinander.

 

„Ida!“, riefen sie mehrstimmig in den Wald hinein. Doch niemand antwortete ihnen.

„Vielleicht ist sie gestürzt und liegt ohnmächtig auf dem Boden“, vermutete Mathilda.

„Das will ich nicht hoffen“, sagte Annika, der die Sorge ins Gesicht geschrieben stand.

„Ida, wo bist du?“, riefen die Zwillinge und formten mit ihren Händen einen Trichter. Nur das Gezwitscher der Vögel antwortete ihnen. Fianna bekam es langsam mit der Angst zu tun. Was war, wenn sich Ida wirklich etwas getan hatte?

„Ich habe eine Hufspur gesehen“, rief Aylin ihre Freundinnen herbei.

„Stimmt, jetzt sehe ich es auch“, nickte Annemieke.

„Annika, komm mal her!“, rief ihre Zwillingsschwester.

„Ihr habt wirklich gute Augen“, lobte Annika. Zu fünft ritten sie den schmalen Waldpfad entlang. Fianna musste höllisch aufpassen, dass sie sich rechtzeitig duckte, um keinen Zweig ins Gesicht zu bekommen.

 

„Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass wir Ida verloren haben? Vor allem Emily hat die ganze Zeit nach hinten abgesichert“, zuckte Annika mit den Achseln.

„Vielleicht war es doch keine gute Idee, dass wir galoppiert sind, dadurch haben wir uns ziemlich aus den Augen verloren“, meinte Aylin.

„Schlimmer ist es, dass sie diesen sturen Xaver abbekommen hat, mit dem sie bereits vorhin mächtig zu kämpfen hatte“, murmelte Annemieke.

„Warum hat sie das Pferd mit niemanden getauscht?“, schaltete sich Mathilda ein. „Ich hätte in diesem Fall sogar freiwillig getan.“

„Jetzt ist es aber auch zu spät, sich darüber einen Kopf zu machen!“, drehte sich Fianna zu ihren Freundinnen um.

„Wie kann es sein, dass Ida so weit vom Kurs abgekommen ist?“, sah Mathilda die Freundinnen kopfschüttelnd an.

„Bestimmt ist Xaver mit ihr durchgegangen und Ida war gegen seinen eisernen Willen machtlos“, vermutete Fianna.

„Mädels, es bringt nichts sich die Köpfe darüber zu zerbrechen“, bemerkte Annika. „Wir müssen solange weitersuchen, bis wir sie finden.“ 

„Ist sie wirklich über diesen Baumstamm gesprungen?“, machte Aylin ein ungläubiges Gesicht.

„Da kommt ein Pferd ohne einen richtigen Sprung nicht drüber“, stellte Mathilda fachkundig fest.

„Und wie sollen wir da drüber kommen?“, fragte Aylin.

„Am besten reiten wir drum herum. Springen ist zu riskant“, sagte Annika.

„Sollen wirklich durch das Dickicht reiten?“, zog Annemieke die Stirn kraus.

„Am besten steigt ihr kurz ab“, erwiderte Annika und schwang sich zuerst aus dem Sattel. Die anderen Mädchen taten es ihr gleich.

 

„Hallo, hier bin ich!“, hörten sie ein dünnes Stimmchen.

„Ida, bist du es?“, rief Annika aus vollem Halse.

„Ja, ich bin es“, antwortete ihr die Stimme. Fianna und ihren Freundinnen viel vor Erleichterung ein Stein vom Herzen. Vor ihnen tauchte Idas zierliche Silhouette auf. Neben ihr stand Xaver, der versuchte ein paar Blätter von niedrigen Ästen zu pflücken.

„Bist du verletzt?“, fragte Annika besorgt.

„Nicht richtig“, schüttelte das kleine Mädchen den Kopf. Ida stand der Schrecken mitten ins Gesicht geschrieben. Ihre geröteten Augen verrieten, dass sie geweint hatte.

„Gott sei Dank, ist dir nichts Schlimmes passiert!“, traten Annika Tränen der Erleichterung in die Augen und kurz darauf umarmte sie das kleine Mädchen.

„Xaver ist mit mir davon gelaufen", begann Ida zu erzählen. „Er sprang sogar mit mir über einen umgestürzten Baum und ließ sich nicht bremsen. Voller Panik klammerte ich mich am Sattel fest. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr halten und sprang von seinem Rücken runter.“

„Ist er dir nicht weggelaufen?“, wollte Mathilda wissen.

„Der Frechdachs machte ein Meter weiter halt und rupfte ein paar Grashalme aus der Erde. Ich bin zu ihm hingegangen und habe ihn am Zügel gegriffen. Trotzdem habe ich mich nicht getraut wieder aufzusteigen“, fuhr Ida fort.

„Ich tausche gerne mit dir“, bot Annemieke ihr an. „Du kannst gerne Tybalt reiten.“

„Ich glaube, ich traue mich heute gar nicht mehr auf irgendein Pferd“, sagte Ida mit zitternder Stimme und wurde mit einem Mal wieder kreidebleich.

„Ach komm schon, Ida, ich führe dich auch“, machte Annika ihr Mut.

„Außerdem ist Tybalt mit das friedlichste Pferd im ganzen Stall“, fügte Fianna hinzu. „Erst letztes Jahr brachte er mir das Reiten bei."

 

Annemieke half dem kleinen Mädchen in den Sattel, während Annika Tybalt festhielt. Ida bekam wieder mehr Farbe, je länger sie auf Tybalts Rücken thronte und von Annika geführt wurde.

„Siehst du, Ida, nicht jedes Pferd ist so ein schlimmer Finger wie Xaver“, zwinkerte ihr Annemieke ermutigend zu. Als Xaver seinen Kopf ruckartig nach unten riss, verlor sie selbst fast das Gleichgewicht.

„Du musst deutlich strenger mit ihm sein, Annemieke! Schimpf ruhig mit ihm, du darfst dir nicht alles gefallen lassen!“, drehte sich Annika zu ihr um. Fianna war insgeheim glücklich darüber, dass sie sich nicht als Tauschpartnerin angeboten hatte. Nun musste sich Annemieke mit ihm herum ärgern. Ihre Freundin fluchte leise vor sich hin, da ihre Hände bereits nach wenigen Minuten aufgescheuert waren.

 

„Ich glaube, ich kann das Essen bis hier hin riechen“, reckte Aylin die Nase.

„Stimmt, es riecht eindeutig nach Pizza“, nickte Fianna, der das Wasser im Munde zusammenlief.

„Dann nichts wie hin!“, rief Mathilda. „Da wir heute Mittag nichts Warmes bekommen haben, könnte ich ein ganzes Pferd verschlingen.“

„Du willst doch garantiert kein Pferd verschlingen, Matti!“, lachte Annemieke. „Oder willst du deinen Weggefährten an Ort und Stelle auffuttern? Aber dann musst den Sattel allein zurück tragen.“

Bei dieser Vorstellung mussten Aylin und Fianna ziemlich heftig kichern, sodass ihnen Lachtränen in die Augen stiegen. Aus der Ferne sahen sie, wie ihnen der zweite Suchtrupp zu winkte.

„Wir haben Ida unversehrt zurück gebracht!“, rief ihnen Annika entgegen. 

„Da bin ich aber erleichtert! Immerhin ist das glimpflich ausgegangen, aber so einen Nervenkitzel brauche ich nicht noch einmal“, seufzte Rachel.

 

7. Ungebetene Gäste

Da heute der letzte Abend war, gab es Pizza in verschiedenen Varianten. Rachel und ihre Helfer karrten über zehn Bleche Pizza auf die Wiese.

„Hoffentlich gibt es Pizza Hawaii“, flüsterte Fianna Aylin ins Ohr. Allein der Gedanke daran, ließ ihren Magen gut hörbar grummeln.

„Bah, bitte keine Ananas auf der Pizza!“, verzog ihre beste Freundin das Gesicht.

„Sicherlich gibt es noch andere Pizzas, die du auch gerne isst“, erwiderte sie. Endlich gab Rachel das Pizzabüffet frei. Am beliebsteten waren die Pizzas, die mit Salami oder Thunfisch belegt waren. Fiannas Lieblingspizza war zum Glück nicht so gefragt, sodass mehr für sie übrig blieb.

„Dass heute schon der letzte Abend sein muss“, bedauerte Lotta. „Dabei waren die Tage ohne meine penetrante Mutter und meinen nervigen Bruder sehr erholsam.“

„Und übermorgen beginnt leider wieder die Schule“, seufzte Emily.

„Bitte fangt nicht an über die Schule zu reden und schon gar nicht an unserem letzten Abend“, ging Mathilda rabiat dazwischen.

 

„Was machen wir eigentlich an diesem Abend?“, fragte Aylin auf einmal.

„Darüber hat sich noch keiner Gedanken gemacht“, zuckte Kiki mit der Schulter. Plötzlich tauchte Rachel an ihrem Tisch auf und nahm neben Fianna platz.

„Ich habe gute Nachrichten für dich, Emily“, begann sie. Neugierig schauten die Mädchen ihre Reitlehrerin an.

„Gerade hat dein Vater angerufen, du wirst im Herbst ein kleines Geschwisterchen kriegen“, fuhr Rachel fort.

„Wirklich? Das ist wirklich fantastisch!“, freute sich Emily. Fianna wusste, wie sehr sich Emily als Einzelkind einen Bruder oder eine Schwester wünschte. Anfangs hatte sie die neue Freundin ihres Vaters gehasst, doch mittlerweile hatte sie sich mit ihr angefreundet. Überschwänglich fielen ihr die Freundinnen nach und nach um den Hals und gratulierten ihr, dass sie bald eine große Schwester sein würde. Mitten im Freudentaumel klingelte plötzlich Kikis Handy. Die Bandenanführerin stand auf und ging fort, um ihre Ruhe zu telefonieren.

 

„Warum kommt Kiki nicht wieder?“, wunderte sich Emily.

„Vor allem wieso telefoniert sie länger als eine Viertelstunde?“, zog Mathilda fragend die Augenbrauen hoch.

„Sollen wir sie nicht suchen gehen?“, stand Fianna auf. Die Freundinnen folgten ihr.

„Wo wollt ihr hin?“, rief ihnen Rachel hinterher.

„Wir wollen gucken, wo Kiki abgeblieben ist“, antwortete ihr Annemieke. Es dauerte nicht lange und da hatten die Bandenmädchen ihre Anführerin auf dem Feldweg zwischen zwei Koppeln entdeckt.

„Wieso läuft sie allein in den Wald?“, machte Lotta ein erstauntes Gesicht.

„Kommt, wir müssen sofort hinterher!“, raunte Mathilda. Schließlich war Kiki ihre beste Freundin. Die sechs Freundinnen hasteten den Pfad, der zum Wald führte, entlang.

„Kiki, warte auf uns!“, rief Lotta laut. Kiki ging weiter, ohne stehen zu bleiben. Die Bandenmädchen beschleunigten ihre Schritte und fielen in einen Spurt. Fianna war es ein Rätsel, wieso sich Kiki auf einmal so merkwürdig verhielt. Sonst war Kikis Handeln für die Freundinnen immer eindeutig gewesen.

 

„Kiki, was ist mit dir los?“, Fianna bekam sie am Ärmel ihres Sweatshirt zu fassen. Ihre Freundin riss sich los, ließ sich vor ihnen ins Gras plumpsen und verbarg leise weinend ihr Gesicht in ihren Händen. Die Zwillinge knieten sich neben ihr nieder und legten die Arme um sie.

„Oh mein Gott, was ist nur passiert?“, fragte Aylin schockiert. Kiki schluchzte noch heftiger. Fianna reichte ihr ein Taschentuch. Was hatte ihre Freundin während des Telefonats erfahren, was sie so zum Weinen brachte? Sonst war Kiki, diejenige von ihnen, die am wenigsten weinte. Kiki hatte noch nicht einmal geweint, als sie sich mit den Piranhas geprügelt hatte oder letztens im Sportunterricht auf der Tartanbahn stürzte. Die Mädchen streichelten ihr schweigend über den Rücken. Die Mädchen ließen Kiki in Ruhe weinen und zwangen sie zu keiner Antwort. Was ihre Freundin hatte, würden sie schon früh genug herausfinden. Stattdessen boten sie ihr Taschentücher an oder nahmen sie schweigend in den Arm.

 

„Was ist denn los?“, traute Lotta als Erste zu fragen.

„Mama hat angerufen, dass es Oma richtig schlecht geht“, erwiderte Kiki mit erstickter Stimme. „Sie musste vorhin wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden und liegt auf der Intensivstation.“

„Das hört sich gar nicht gut“, machte Emily ein niedergeschlagenes Gesicht.

„Die Ärzte sagen, dass sie operiert werden muss, weil sie ein Blutgerinnsel im Gehirn hat“, schniefte Kiki. 

„Die Operation wird deine Oma sicherlich packen“, munterte Fianna sie auf.

„Trotzdem, wenn sie dadurch einen bleibenden Schaden zurück behält, muss Opa ins Heim und Oma auch. Opa war in letzter Zeit sowieso ziemlich verwirrt und konnte sich noch nicht einmal alleine anziehen“, begann Kiki erneut zu weinen.

 

„Nicht weinen, wir sind uns sicher, dass deine Oma wieder gesund wird und sich um deinen Opa kümmern kann“, redete Mathilda auf sie ein und streichelte ihr liebevoll über die langen schwarzen Haare.

„Was haltet ihr davon, wenn wir ein wenig spazieren gehen?“, schlug Aylin vor.

„Die Idee ist gar nicht so schlecht“, fand Annemieke. „Das wird Kiki sicherlich wieder beruhigen.“

Mathilda und Lotta hakten Kiki, die immer noch leicht zitterte, bei sich unter und redeten tröstend auf sie ein. Fianna hakte währenddessen sich bei Aylin und Annemieke ein, die sich wiederum bei Emily einhängte.

„Das so eine schlechte Nachricht uns den letzten Abend verderben muss“, seufzte Fianna. In der Tat passte das schöne sommerliche Wetter gar nicht zur Bedrücktheit der Mädchen. Die Stimmung war am Nullpunkt angelangt, noch nicht einmal die sonst so fröhlichen und lustigen Zwillinge konnten dem etwas entgegensetzen.

 

„Buh!“, schrie Jemand und berührte die Mädchen von hinten. Aylin und Emily fingen an hysterisch zu kreischen. Erschrocken drehte sich Fianna um. Grinsend standen Michael und Sven hinter ihnen.

„Na, haben wir euch einen gehörigen Schrecken eingejagt?“, grinste Sven dämlich.

„Ihr habt wohl die Rechnung ohne uns gemacht“, feixte Michael und warf seinem Kumpel einen belustigten Blick zu.

„Es ist nicht lustig, dass ihr uns einfach so im Wald auflauert und uns erschreckt. Ihr seht doch, dass es Kiki nicht gut geht. Was ihr euch erlaubt, ist eine richtige Frechheit!“, platzte Annemieke der Kragen.

„Hey hey, beruhig dich, Lockenkopf!“, versuchte Sven sie zu beruhigen.

„Könnt ihr euch nicht einfach verziehen, anstatt unseren letzten Abend im Camp zu verderben?“, brauste Mathilda auf und stellte sich neben ihre Zwillingsschwester.

„Ihr checkt wohl nicht, dass ihr an Ort und Stelle unerwünscht seid, ihr Fischbuletten!“, rief Fianna gereizt, als die beiden Jungs nicht reagierten. Sie grinsten immer noch, obwohl Sven auf einmal etwas unbeholfen wirkte.

„Macht endlich die Fliege!“, pfefferte Lotta den beiden Piranhas entgegen.

 

„Ich weiß, dass ihr uns nicht sehr mögt, aber gerade haben wir ein großes Problem...“, gab Sven kleinlaut von sich und hob seine Hände, um die bitterbösen Blicke der Roten Tulpen abzuwehren.

„Aha, wollt ihr uns damit sagen, dass ihr eure Hosen vollgemacht habt, weil ihr euch in diesem schönen kleinen Wald verlaufen habt?“, gab Emily einen zynischen Kommentar von sich.

„Nein, das nicht“, erwiderte Michael ernst. „Wir haben ein wenig übertrieben."

„Übertrieben? Inwiefern?", zog Lotta die Stirn kraus. 

„Jannis und Max sind völlig hacke, sodass sie nicht mehr laufen können“, brach es nun aus Sven heraus.

 „Wieso soll das unser Problem sein?“, fragte Aylin spitz.

„Nicht nur die Beiden sind betrunken, sondern unsere anderen Bandenkumpels auch“, meinte Sven.

„Ihr habt sie wohl nicht mehr alle! Wieso geht ihr abends in den Wald um euch voll laufen zu lassen?“, wurde Annemieke rot vor Zorn.

„Wer von euch hat dieses Teufelszeug mitgebracht?“, geriet Mathilda in Rage.

„Max hat zwei Flaschen Wodka, eine Kiste Bier und ein paar Kurze mitgebracht“, gestand Michael.

„Ihr seid doch erst dreizehn oder knapp vierzehn“, entgleisten Emily die Gesichtszüge. „Wieso tut ihr sowas?"

„Aber ist Max doch schon fünfzehn“, wandte Sven ein.

„Trotzdem kriegt man in dem Alter noch keinen Alkohol“, schüttelte Lotta den Kopf. „Erst mit sechzehn darf man Bier kaufen und alles Andere bekommt man erst ab achtzehn."

 

„Wir wissen auch nicht, wo er das her bekommen hat“, zuckte Michael mit den Achseln.

„Ich kann mir vorstellen, dass Max älterer Bruder das Zeug besorgt haben könnte oder Max hat die Vorräte seines Vaters stibitzt“, vermutete Sven.

„Glaubt ihr, dass es eine so gute Idee war zu testen, wie viel ihr von diesem Zeug vertragt?“, warf Kiki den beiden Jungs vor.

„Das konnten wir doch nicht wissen“, verteidigte sich Michael. „Ich habe zuvor noch nie so viel auf einmal getrunken. Höchstens ein halbes Bier.“

„Ich kann es überhaupt nicht verstehen, dass ihr ohne Erlaubnis irgendwelches hartes Zeug trinkt“, wandte sich Fianna kopfschüttelnd an die Piranhas. „Ihr seid im Grunde fast noch Kinder. Zu viel Alkohol kann in unserem Alter ziemlich heftige Schäden anrichten."

„Mein Gott, zickt doch nicht so rum, wir sehen doch bereits ein, dass wir tierischen Mist gebaut haben“, seufzte Sven, der versuchte die Belehrungen und Vorwürfe der Mädchen von sich abzuweisen.

 

Ein Stück abseits des Weges bot sich den sieben Freundinnen ein Bild des Jammers. Jannis und Max lagen besinnungslos auf dem Boden. Ömer torkelte mit einer Flasche Bier auf Aylin zu und versuchte sie zu küssen, wofür er sich von ihr eine saftige Ohrfeige einfing. Fianna war überrascht, welchen Mut ihre beste Freundin aufbringen konnte. Fast jeder kannte Aylin als kleines schüchterndes Mäuschen, die früher in ihrer Klasse eine totale Außenseiterin war, bevor sie den Roten Tulpen angehörte. Immer wieder gab es Momente, wo aus einer unscheinbaren Maus ein mutiger Tiger wurde. So wie jetzt.

„Was für Idioten, denen hat man wohl mächtig ins Hirn geschissen!“, schnaubte Kiki, die mittlerweile vor Wut ganz rot im Gesicht war. Lennart stürzte laut singend und grölend auf die Mädchenbande zu. Lotta und die Zwillinge brachten sich rechtzeitig vor ihm in Sicherheit. Auch Fianna waren die betrunkenen Jungs nicht geheuer. Ihr Vater sagte ihr, dass Betrunkene die Kontrolle über sich verlieren würden und sogar unbändige Kräfte entwickeln können. Schon als kleines Kind fürchtete sie sich vor betrunkenen Männern in schäbigen Klamotten, die wahllos fremde Leute  auf der Straße anpöbelten.

 

Plötzlich verlor Lennart sein Gleichgewicht. Emily konnte ihn noch gerade eben packen, bevor er zu Boden segelte. Der Junge mit den straßenköterblonden Haaren gab ein würgendes Geräusch von sich. „Bah, er übergibt sich!“, rümpfte Lotta die Nase.

„Das ist sein Pech, wenn er zu viel getrunken hat“, zischte Mathilda verächtlich.

„Außerdem sind Alkoholika nichts für kleine Jungs und schon gar nicht für Fischköppe geeignet“, bemerkte ihre Zwillingsschwester. Lennart atmete immer noch schwer, nachdem er sich übergeben hatte.

„Setz dich aufrecht hin und atme tief ein und aus!“, befahl Emily. Fianna und Kiki kümmerten sich bereits um Jannis und Max, die nur noch wirres Zeug redeten und sich keine zehn Sekunden auf den Füßen halten konnten.

 

„Wir müssen die Jungs ins Krankenhaus bringen“, meinte Lotta. „Sie haben garantiert eine Alkoholvergiftung.“

„Wie soll uns der Krankenwagen bittschön finden?“, erwiderte Kiki pampig.

„Und zum Hof tragen werde ich sie auch nicht tragen“, meldete sich Aylin zu Wort.

„Das fällt mir nicht einmal im Traum ein“, tippte sich Mathilda gegen die Stirn. 

„Trotzdem können wir sie nicht einfach so im Wald liegen lassen, egal ob es unsere Freunde oder Feinde sind“, entgegnete Lotta ihren Freundinnen. „Ihr seht doch, wie schlecht es um sie steht."

 „Ja ja, wir haben das doch gar nicht bestritten!“, seufzte Mathilda genervt. Währenddessen konfiszierten Lotta, Kiki und Fianna ein paar unangebrochene Bierdosen und eine halbvolle Flasche Waldmeisterschnaps.

 

„Ich habe eine andere Idee“, meldete sich Emily zu Wort. „Rachel und Annika haben eine kleine Kutsche in der Scheune stehen, die sonst kaum gebracht wird.“

„Die Idee ist gar nicht mal so blöd, aber passen mehr als vier Leute drauf?“, fragte Annemieke.

„Das müsste bestimmt gehen“, nickte Emily.

„Sag lieber Annika bescheid“, wandte sich Lotta an Emily. „Wer weiß, was Rachel davon denkt, dass sie ein paar sturzbesoffene Jungs aus dem Wald karren muss.“

Emily entfernte sich ein paar Meter von der Gruppe, um in Ruhe telefonieren zu können. Zwei Minuten später kam sie wieder zurück.

„Annika und Rachel kommen gleich mit der Kutsche“, sagte sie. „Ich muss sie nur hier hin geleiten."

„Warum holen sie uns nicht mit dem Auto ab?“, fragte Ömer. „Das wäre viel einfacher."

„Weil sie keinen Bock darauf haben, dass ihr bei ihnen ins Auto kotzt“, erwiderte Annemieke schnippisch.

„Außerdem sind die Wege hier deutlich zu schmal für ein Auto", meinte Fianna. 

 

Es dauerte eine gefühlte halbe Stunde, als Emily wiederkam. Hinter ihr kam eine kleine Holzkutsche in Sicht, die von Leopold, einem grauen Apfelschimmel gezogen wurde.

„Hallo, wir sind da!“, rief Rachel und lief auf die Jungs zu. Fianna kniete derweil neben Jannis.

„Mir ist so übel“, wimmerte er.

„Nimm ein Schluck Wasser“, sagte sie und reichte ihm eine Wasserflasche, die schon zur Hälfte ausgetrunken war. Jannis nahm brav zwei Schlucke Wasser und musste prompt würgen, doch er spuckte das Wasser nicht wieder aus.

„Ihr scheint es ziemlich weit getrieben zu haben und das in eurem Alter und dabei ist keiner von euch sechzehn“, machte Annika ein fassungsloses Gesicht. Zuerst half sie Ömer auf die Kutsche. Die Zwillinge stützten Lennart, der sonst schon längst über seine eigenen Beine gestolpert wäre. Fianna versuchte währenddessen Jannis aufzuhelfen. Obwohl er relativ dünn war und leicht aussah, hatte sie nicht genug Kraft, um ihn alleine zu tragen. Rachel musste ihr dabei helfen, ihn hoch zu heben.

„Ich kann alleine laufen“, schlug Sven jegliche Hilfe aus.

„Wenn du meinst, kannst du auch laufen“, meinte Rachel. „Wir kriegen sowieso nur drei oder vier von euch auf die Kutsche."

Ömer entschied sich auch fürs Laufen, obwohl er schon sichtlich angetrunken war. Der Platz reichte gerade einmal für drei Jungs aus. Annika und ihre Mutter saßen auf dem Kutschbock.

 

„Kann es losgehen?“, fragte Annika, nachdem sie ein paar Plastiktüten verteilt hatte, die provisorisch als Kotztüten herhalten sollten. Die Roten Tulpen eskortierten Michael, Ömer und Sven den ganzen Weg zum Hof.

„Damit ihr es für alle Ewigkeit wisst, das war keine kluge Idee“, redete Emily den Jungs ins Gewissen.

„Das wird in näherer Zukunft nicht mehr vorkommen“, meinte Sven.

„Ein Wort in Gottes Ohr!“, flüsterte Fianna Aylin ins Ohr.

„So gut geschmeckt hat es sowieso nicht“, fand Michael. „Um ehrlich zu sein, es war scheußlich.“

„Wie ihr wisst, ist Alkohol nichts für Kinder. Mit dem ersten Bier hättet ihr noch bestimmt zwei oder drei Jahre warten“, meldete sich Rachel zu Wort.

„Ach, wer sind Sie überhaupt?“, wollte Ömer wissen.

„Ich bin die Tante von Emily und die Reitlehrerin der Mädchen“, antwortete sie.

„Sie sind wirklich freundlich und nochmal vielen Dank, dass Sie uns geholfen haben“, meinte Lennart, was eher wie ein Lallen klang.

„Das stimmt wohl, dank Ihnen und den Mädchen haben wir wieder aus dem Wald heraus gefunden“, sagte Michael.

 

Als sie den Hof erreichten war es schon fast dunkel. Leise zirpten die Grillen im Hintergrund. Die Jungs telefonierten mit ihren Eltern, sofern sie es noch konnten.

„Ich glaube, ich werde niemals Alkohol trinken seufzte“, seufzte Fianna.

„Wir definitiv auch nicht!“, schüttelten die Zwillinge gleichzeitig die Köpfe.

„Vielleicht werde ich später mal ein Glas Sekt an Silvester oder bei Familienfeiern trinken“, überlegte Lotta. „Aber natürlich darf man nicht krass übertreiben.“

„Ich habe letztes Jahr ein Glas Sekt auf der Hochzeit getrunken und ich bekam das kaum runter", erzählte Emily. „Das ist so bitter, dass ich es letztendlich nur mit einem Schuss Holunderblütensirup trinken konnte."

 

Die Eltern der Piranhas waren wenig begeistert, dass sie ihre Jungs betrunken abholen mussten. Nur Svens Vater fand einige freundliche Wort und bedankte sich ausführlich bei Rachel und den Mädchen. Jannis Eltern stiegen mit grimmigen Gesichtern aus dem Auto und schleiften ihren Filius wortlos mit sich. Am heftigsten schimpfte der Vater von Ömer, dem es mehr als unangenehm war, dass sein Sohn als Moslem Alkohol getrunken hatte.

Die Roten Tulpen ließen sich erschöpft auf einer Bank nieder. Die Luft war zum Zerschneiden dick.

„Bestimmt gibt es entweder noch heute oder morgen Regen“, mutmaßte Kiki.

„Garantiert“, nickte Emily müde. „Dieser Monat war für die Landwirtschaft sowieso zu warm und es hat viel zu wenig geregnet.“

„Wollen wir nicht zum Lagerfeuer gehen?“, stupste Mathilda ihre Schwester und Lotta an.

„Nur kurz, ich schlafe schon im Gehen ein“, gähnte Lotta und ließ sich von den Zwillingen hochziehen.

„Lang wird der Abend eh nicht mehr sein“, murmelte Kiki leicht bedrückt.

„Dank der Fischköppe, die alles kaputt gemacht haben!“, beendete Aylin ihren Satz.

 

„Lasst euch doch nicht alles verderben“, versuchte Emily ihre Freundinnen aufzumuntern. „Die meiste Zeit, die wir hier auf dem Hof verbracht haben, war doch wirklich richtig klasse und gechillt.“

„Naja, trotzdem hätte ich auf besoffene Fischköppe verzichten können“, fand Fianna und hakte sich auf dem Weg zum Feuer bei Kiki ein. 

„Wir hätten noch ein paar Pizzastücke übrig“, bot ihnen Franzi an, als sich die Bande auf zwei Holzbänken bequem gemacht hatte.

„Nur her damit!“, forderten die Zwillinge, die immer Appetit hatten. Auch die anderen Roten Tulpen bedienten sich, denn Pizza schmeckte auch kalt. 

„Wie hat euch das Camp insgesamt gefallen?“, fragte Annika die Bandenmädchen.

„Sehr gut, das waren drei Tage Spaß und Abenteuer pur“, klang Lotta begeistert.

„Bis auf die Sache mit den Piranhas und dem Streit zwischen Matti und uns“, warf Emily ein. 

„Ich verstehe es nicht, warum man sich mit dreizehn besaufen muss", murmelte Aylin zwischen Kiki und Lotta leise vor sich hin.

„Das war echt unverantwortlich von denen“, fand Annika. „Wer weiß, ob sie ohne eure Hilfe wieder aus dem Wald heraus gefunden hätten. Machen die Jungs in der Schule auch so viel Quatsch?“

„Oh ja!“, nickten die Zwillinge synchron und rollten dabei mit den Augen.

„Diese Jungs scheinen wohl schlimme Finger zu sein oder?“, bemerkte Annika.

„Aber früher waren sie sogar noch bescheuerter“, hatte Lotta einzuwenden.  

 

8. Unheil mitten in der Nacht

Die Bandenmädchen machten sich bettfertig als sie noch mit den anderen Kindern eine Stunde am Lagerfeuer gesessen, Marchmellows geröstet und Stockbrot gebacken hatten. Irgendwann nickte Lotta zwischendrin immer wieder ein und lehnte sich gegen Emily. Die Zwillinge gähnten mindestens einmal pro Minute. Das war ein eindeutiges Zeichen, sich in ihr Zelt begeben. Kiki und Lotta schliefen sofort ein, nachdem sie in ihre Schlafsäcke geschlüpft waren. Aylin und Fianna lagen am längsten wach.

„Wieso muss Micky im Schlaf sprechen?“, wisperte Aylin leicht genervt. Fianna war viel zu schläfrig um ihr zu antworten und drehte sich auf die andere Seite. Keine von ihnen brauchte länger als eine Viertelstunde um in einen tiefen Schlaf zu fallen, schließlich war heute ein aufregender Tag gewesen. Zuerst suchten sie einen Schatz bei einer Schnitzeljagd, dann ritten sie aus, gingen Schwimmen, suchten nach Ida und retteten zu guter Letzt ihre betrunkenen Feinde aus dem Wald.

 

Keines der Mädchen bemerkte, dass anderthalb Stunden nach Mitternacht dichte Wolken aufzogen. Es war immer noch ziemlich schwül und warm. Kein Wunder, dass die Mädchen entweder auf ihren Schlafsäcken lagen oder ihre Schlafsäcke geöffnet hatten. Draußen fegte ein kräftiger Wind durch die Baumwipfel. Fianna wachte ab und zu auf, weil sie dachte etwas gehört zu haben und kuschelte sich wieder in ihr Kopfkissen. Emily atmete ein wenig lauter, Lotta wälzte sich ununterbrochen, Mathilda hatte sich auf ihrem Schlafsack zu einer Kugel zusammengerollt und Annemieke brabbelte irgendetwas Unverständliches in ihr Schmusekissen. Draußen miaute ein Kätzchen und irgendwo tief im Wald heulte ein Uhu. Fianna liebte die Gemütlichkeit in ihrem Zelt. Sie streckte sich kurz und war wieder tief und fest eingeschlafen.

 

Ein ohrenbetäubendes Krachen riss Fianna aus dem Schlaf. Verwirrt setzte sie sich auf und strich sich die Haare aus ihrem Gesicht.

„Habt ihr es auch gehört?“, flüsterte Lotta erschrocken, die den Knall auch gehört haben muss. Dicke Regentropfen prasselten auf das Zelt und der Wind rüttelte unermüdlich an der Zeltplane.

„Ich bin auch wach“, meldete sich Annemieke zu Wort. „Das hat gerade ziemlich gerummst!“

Die anderen Mädchen schliefen immer noch tief und fest. Im nächsten Moment erhellte ein Blitz das Zelt taghell und wieder folgte ein lärmender Donner.

„Oh man, ist gerade eine Rakete neben uns eingeschlagen?“, schreckte Mathilda hoch und rieb sich die Augen. Nun war das ganze Zelt wach.

„Das gibt es doch nicht, dass es ausgerechnet jetzt gewittern muss. Das ist total gefährlich, der Blitz könnte in unser Zelt einschlagen“, bekam es Aylin mit der Angst zu tun und rückte mehr in Fiannas Nähe.

 

„Ach, was das Gewitter ist noch nicht einmal direkt über uns“, meinte Emily.

„Ich habe gerade bis elf gezählt bis der Donner kam“, murmelte Kiki verschlafen.

„Das heißt, das Gewitter ist noch knapp vier Kilometer entfernt“, sagte Lotta gähnend. Wieder blitzte es mehrfach hintereinander, sodass die Mädchen für Bruchteile von Sekunden sich gegenseitig anschauen konnten. Diesmal donnerte es schon nach neun Sekunden, wie Fianna feststellte. Fakt war, das Gewitter kam immer näher. Der Abstand zwischen Blitz und Donner nahm immer um ein oder zwei Sekunden ab.

„Langsam wird es echt gruselig“, wisperte Annemieke. „Ich will doch lieber in der Reithalle oder im Haus schlafen.“

„Ich setze bei diesem Unwetter kein Schritt nach draußen“, beschloss Lotta. „Das ist mir zu nass. Deswegen bleibe ich hier und harre aus, bis es vorbei ist."

Ängstlich griff Aylin um Dunkeln nach Fiannas Hand. Normalerweise fürchtete sich Fianna seit Jahren nicht mehr vor Blitz und Donner, doch im Zelt war das doch schon ein wenig unheimlich.

„Irgendwie finde ich es gerade im Zelt mit meinen besten Freundinnen richtig gemütlich“, flüsterte Kiki. „Stellt euch vor, wir wären jetzt im Wilden Westen, liegen gemeinsam in einem Tipi…“

„Du und deine Fantasien, Kiki!“, unterbrach Fianna sie genervt. „Wenn wir gegrillt werden, falls der Blitz sich doch für unser Zelt entscheidet, dann findest du es garantiert nicht mehr so gemütlich.“

 

„Ich glaube, ich gehe rein“, richtete sich Emily auf. „Mir wird das zu bunt, ich will endlich ein richtiges Dach über den Kopf haben.“

„Vergesse deine Jacke nicht, wenn du gehst“, erinnerte sie Kiki. Ein greller Blitz und der Donner, der zeitgleich mit dem Blitz kam, ließ die Mädchen zusammenzucken.

„Der Blitz muss hier in der Nähe eingeschlagen sein“, hauchte Mathilda aufgeregt.

„Das Gewitter ist auch direkt über uns“, sagte Lotta. Die Mädchen zogen sich Jacken und Schuhe an.

„Merkwürdig, was ist das nur für ein gelboranger Widerschein da draußen?“, wunderte sich Kiki.

„Ich sehe es auch“, sagte Emily mit bebender Stimme.

„Vielleicht brennt es irgendwie“, vermutete Fianna. Kaum hatte sie dies gesagt, stieg ihr ein schwacher Geruch von etwas Verbranntem in die Nase.

„Wir müssen nachschauen, wo das Feuer ist“, zitterte Emilys Stimme.

„Bitte nicht der Stall, in dem die ganzen Pferde stehen“, hoffte Fianna. In der Dunkelheit sah keine ihrer Freundinnen, dass ihr vor Angst Tränen in die Augen stiegen, die sie mühevoll zurückhalten musste.

„Setzt eure Kapuzen auf und machtdie Reißverschlüsse von euren Jacken zu!“, sagte Kiki eindringlich bevor sie den Reißverschluss des Zeltes öffnete.  

 

Die Bandenmädchen hatten sich nicht getäuscht. Bereits aus knapp zweihundert Metern Entfernung war zu sehen, dass helle Flammen aus dem Dach der Scheune züngelten und eine dichte schwarze Rauchsäule empor stieg.

„Kommt, wir müssen die Pferde aus dem Stall retten!“, raunten die Zwillinge und liefen Hand in Hand voraus. Die anderen stürzten ihnen hinterher.

„Die Scheune brennt, die Scheune brennt!“, riefen sich die Mädchen die Lunge aus dem Leib, als sie im strömenden Regen über die Wiese sprinteten. Fianna rutschte auf dem feuchten Untergrund aus und verlor ihr Gleichgewicht.

„Verdammt!“, fluchte sie leise. An ihr liefen Annika und Franziska vorbei. Offensichtlich war nun das gesamte Camp auf den Beinen. Wieder zuckte ein Blitz über den rabenschwarzen Himmel. Fianna bekam es mit der Panik zu tun, als sie ihre Freundinnen aus dem Auge verlor und sich mutterseelenallein im nassen Gras wieder fand.

„Hast du dich verletzt?“, Wiebke kam herbei geeilt und half ihr auf. Beinahe hätte Fianna losgeschluchzt.

„Wo ist Rachel?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

„Sie ist losgelaufen, um die Pferde aus dem Stall zu holen“, erwiderte Wiebke. Fianna versuchte schneller zu laufen, doch immer wieder drohten ihre Beine unter ihr weg zu brechen. Wiebke hielt sie an der Hand fest, damit sie nicht noch einmal hinfiel. Nun waren auch die jüngeren Kinder auf den Beinen, die nach und nach aus ihren Zelten krochen. Auf dem Hof war der Teufel los.

 

Überall liefen Leute über den Hof, die von allen Richtungen kamen und schleppten Wassereimer.

„Hat jemand die Feuerwehr gerufen?“, brüllte jemand, den Fianna im Halbdunkeln nicht erkennen konnte.

„Schon vor zwei Minuten! Eine von den Reitschülerinnen hat's bereits getan“, antwortete eine kräftige männliche Stimme, die wahrscheinlich von Manfred stammte. Zudem versuchte irgendjemand mit einem Wasserschlauch, den er aus zwanzig Metern auf die brennende Scheune hielt, das Feuer zu bekämpfen.

„Fianna!“, hörte sie eine ihrer Freundinnen laut rufen. Emily stürzte aus dem Getümmel auf sie zu und erdrückte sie fast. Fianna konnte sich ab diesem Moment nicht mehr beherrschen und begann zu weinen wie ein kleines Kind. Dabei verbarg sie ihr Gesicht an Emilys Schulter.

„Wo sind die anderen von uns?“, fragte sie zwischen zwei Schluchzern.

 

„Das Feuer greift auf den Stall über“, rief ein fremdes Mädchen mit schriller Stimme.

„Oh nein, das gibt es doch nicht! Die Pferde sind noch drinnen“, rief ihre Freundin aufgelöst. Ein paar kleine Mädchen begannen laut zu weinen. Vor Fianna und Emily tauchten Lotta und Aylin auf.

„Die Zwillinge und Kiki sind total übergeschnappt und sind...“, war Lotta außer sich und konnte vor Aufregung nicht weiter sprechen.

„Was ist passiert?“, versuchte Emily ruhig zu bleiben, obwohl sie ziemlich schnell ein- und ausatmete.

„Sie sind im Stall, obwohl er am brennen ist“, rief Aylin mit tränenerstickter Stimme.

„Sind sie lebensmüde?!“, kreischte Fianna entsetzt und war nicht weit davon entfernt, einen Anfall zu bekommen.

„Wo sind eure drei anderen Freundinnen?“, tauchte Annika vor ihnen auf.

„Im Stall, um die Pferde zu retten“, stammelte Lotta.

 

Annika presste sich ein Taschentuch vor den Mund und verschwand in den Rauchschwaden.

„Nein, Anni! Komm sofort wieder!“, rief Emily panisch. Gerade als sie ihrer Cousine hinterher laufen wollte, packte Lotta sie fest am Arm.

„Du verschwindest nicht auch noch, um dich zu Rauchfleisch verschmurgeln zu lassen! Außerdem ist die Feuerwehr sofort da und übernimmt die Pferderettung“, sagte sie mit fester Stimme. In Fiannas Augen, war Lotta diejenige, die in diesem Moment am klarsten denken konnte.

„Sie sind schon seit gefühlten Minuten dort drin und kommen einfach nicht wieder“, ließ sich Aylin in Lottas Arme fallen und wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Fianna spürte, dass ihr Herz vor Aufregung und Angst, ihr bis zum Hals schlug. Drei ihrer Freundinnen waren in dieser verqualmten Hölle verschwunden.

 

„Aus dem Weg!“, hörten sie eine laute, männliche Stimme hinter sich. Ein Feuerwehrmann in Schutzausrüstung tauchte hinter ihnen auf.

„Sind noch Personen und Tiere im Stall?“, fragte ein weiterer Feuerwehrmann. Die umstehenden Personen bejahten. Fianna brach vor Erleichterung fast wieder in Tränen aus. Insgesamt sechs Feuerwehrleute verschwanden durch die Tür und waren wegen des starken Qualms nicht mehr zu sehen. Nun half nur noch beten und bangen. Rachel kam als erstes mit Xaver und Diego am Führstrick heraus. Obwohl sie einen Schal vor ihrem Mund trug, musste sie ziemlich kräftig husten. Dann folgte Manfred mit Snowflake und Lucky. Drei weitere Feuerwehrmänner kamen ihnen mit je zwei Pferden entgegen.

„Wo bleiben die Zwillinge und Kiki?“, drehte Fianna am Rad und hielt sich an Lottas Ärmel fest. Einen Moment spürte führte ein Feuerwehrmann Kiki aus dem verqualmten Stall, die Otto am Strick hatte.

 

„Kiki!“, schrieen die Mädchen vor Erleichterung. Dann folgten die Zwillinge mit einem weiteren Feuerwehrmann, die Tybalt und Lanzelot am Strick hatten.

„Wir sind so froh, dass ihr wieder da seid!“, kamen Lotta fast die Tränen. Fianna, Emily, Aylin und sie schlossen die drei Heldinnen in eine feste Umarmung ein.

„Das war die absolute Hölle da drinnen!“, begann Mathilda zu husten.

„Vor allem wegen dem Qualm“, fuhr Annemieke fort, die ebenfalls einen Hustenanfall bekam.

„Da hat man noch nicht einmal die Hand vor seinen eigenen Augen gesehen“, schloss Kiki ihren Gedankengang ab. Die Augen der drei Mädchen tränten stark. Offenbar muss der Rauch ziemlich beißend gewesen sein. Annemieke hustete am stärksten, sodass sie sich auf den Boden setzen musste, da sie kaum noch Kraft in den Beinen hatte. Kiki und Mathilda ging es nicht besser.

 

„Wir brauchen Sanitäter“, rief Lotta. „Micky hat bestimmt eine heftige Rauchvergiftung erlitten.“

„Nicht nur sie, Matti und Kiki sehen so aus, als ob sie auch in den letzten Zügen liegen“, meinte Emily.

„Da seid ihr!“, kam Rachel auf sie die Mädchen zugestürzt, in ihren Augen glitzerten Tränen.

„Rachel!“, Emily gab ihrer Tante vor Erleichterung einen Kuss auf die Wange.

„Ich muss Kiki, Matti, Micky und euch allen von ganzen Herzen danken“, weinte ihre Reitlehrerin fast. „Ohne eure schnelle Alarmierung und ohne eure Heldentat, hätte das Feuer einen Großteil der Schulpferde getötet.“

„Immerhin ist tatsächlich niemand ernsthaft zu Schaden gekommen", legte ihr Manfred seinen Arm um sie.

„Wir hatten echt noch Glück im Unglück", resümierte Annika, worauf die Umstehenden nur nickten.

 

Kiki, Mathilda, Annemieke und Rachels Familie wurden im nächsten Moment zum Rettungswagen geleitet und erstmal mit Sauerstoff versorgt. Zwar konnten sie danach wieder besser atmen, dennoch sollten sie zur Beobachtung, genauso wie Rachel, Manfred und Annika ins Krankenhaus gebracht werden und dort eine Nacht bleiben.

„Was machen wir jetzt, wo kein Erwachsener da ist?“, sah Aylin ihre Freundinnen ratlos da.

„Wollt ihr nicht eure Eltern anrufen, dass sie euch nach Hause bringen?“, gesellte sich eine Polizistin zu ihnen.

„Aber das Camp ist doch fast vorbei“, schüttelte Emily den Kopf. „Außerdem wird um diese Uhrzeit kaum einer ans Telefon gehen.“

„Ich bin auch noch da!“, trat Elfriede, die Oma von Annika und Sarah vor. Fianna hatte die alte Dame nur wenige Male gesehen, da sie meist im Haus arbeitete und für das Essen verantwortlich war.

„Trauen Sie sich zu, auf über zwanzig Kinder aufzupassen?“, machte die Beamtin große Augen.

„Wir sind auch noch da“, meldete sich Franziska zu Wort.

„Ich lasse die Kinder die Kinder gerne im Haus schlafen“, bot Elfriede großzügig an.

„Okay, wenn Sie meinen“, nickte die Polizistin. „Es ist nur wichtig, dass eine erwachsene Person da ist, die aufpasst.“

 

Die Beamtin verabschiedete sich wieder. Zu Fiannas größter Zufriedenheit schlugen keine Flammen mehr aus dem Scheunendach und generell stieg kein schwarzer Rauch mehr auf. Offenbar musste das Feuer schon gelöscht sein. Zur Sicherheit prüfte die Feuerwehr, ob es drinnen noch einige unentdeckte Glutnester gab. Die über zwanzig Pferde standen nun auf den Koppeln. Bestimmt war es draußen im Regen viel besser als in einem verqualmten Stall.

„Alle einmal zuhören!“, rief Emily und forderte die Aufmerksamkeit der Kinder ein.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte ein Junge.

„Wir werden die Schlafsäcke, Luftamtratzen und eure Taschen aus dem Zelt holen und ins Haus tragen“, fuhr Emily fort. „Ihr werdet den letzten Teil der Nacht drinnen schlafen, da es immer noch regnet und die Erde schon ziemlich durchweicht ist.“

Die verbliebenen Roten Tulpen gaben die Richtung vor, schließlich waren sie die Ältesten und hatten gegenüber den Jüngeren eine gewisse Verantwortung.

 

In langen Karawanen trugen die Campkids ihre Sachen in das Wohnhaus.

„Bauen wir die Zelte jetzt auch ab?“, fragte Viktoria.

„Nein, das machen wir morgen“, verneinte Emily. „Jetzt gehen wir erstmal Schlafen.“

„Aber was ist mit den Pferden? Sie können doch nicht einfach im Regen stehen bleiben“, rief ein anderes Mädchen.

„Die können auch ein paar Stunden im Regen ausharren. Das macht denen nicht viel aus“, meinte Emily. Fianna und Lotta führten die Kinder in die große Eingangshalle.

„Wir können garantiert nicht alle zusammen im Wohnzimmer schlafen“, sagte Kathrin plötzlich.

„Kim, Jenny, Anna-Lena, Antonia und ich schlafen in meinem Zimmer“, bestimmte Sarah.

„Was ist mit uns?“, fragte Marco.

„Ihr drei Jungs könnt in der kleinen Stube schlafen“, meinte Emily.

„Emily, wir haben noch zwei Gästezimmer“, meldete sich Sarah zu Wort.

„Das ist es!“, nickte Emily. „Fünf oder sechs von euch können hier in der Eingangshalle schlafen.“

„Dürfen wir eins der Gästezimmer haben?“, zeigte Kathrin mit Ida und Victoria auf.

„Von mir aus gerne“, nickte Emily und half den Kleinen dabei ihr Gepäck die steile Treppe hinauf zu schleppen.

 

Bevor das Licht gelöscht wurde, machten Fianna und Emily einen letzten Rundgang durch das Haus und schauten nach, ob es den anderen Kindern gut ging. Vereinzelt mussten noch ein paar Tränen getrocknet werden, gerade den jüngeren Kindern steckte der Schock noch tief in den Knochen. Zufrieden gingen die Mädchen in ihr Zimmer zurück, in dem sie ihre Isomatten ausgerollt hatten. Aylin und Lotta hatten das Licht ausgemacht und ein paar Teelichter angezündet. Richtig behaglich sah es in dem kleinen Zimmerchen aus. Zu viert war es natürlich sehr eng, trotzdem hatte es seinen Charme. Fianna warf einen Blick aus dem Fenster. Es regnete immer noch in Bindfäden, obwohl das Gewitter fortgezogen war.

 „Könnt ihr auch nicht schlafen?“, setzte sich Lotta auf.

„Nein, nicht wirklich“, brummte Emily. „Dazu bin ich viel zu aufgekratzt.“

„Wisst ihr was“, begann Aylin nachdenklich. „Wir haben großes Glück gehabt, dass weder Mensch noch Tier groß zu Schaden gekommen sind.“

„Da hast du Recht“, pflichtete ihr Emily bei. „Wären wir zu spät gekommen, wären bestimmt ein paar der Pferde gestorben und die Scheune komplett abgebrannt. Das Desaster wäre für Rachel nicht auszumalen gewesen, denn dann hätte sie ihre Reitschule gleich dicht machen können.“

„Wenn ich daran denke, wenn Tybalt, Lanzelot, Snowflake und co nicht mehr leben würden“, musste Fianna schlucken. In der Dunkelheit sah niemand, dass sie wieder mit den Tränen zu kämpfen hatte.

9. Nach dem Brand

„Guten Morgen, ihr Schlafmützen!“, riss Rachel lächelnd die Tür auf. Emily erwiderte etwas Unverständliches und reckte sich gähnend.

„Was? Wir haben schon drei Minuten nach zwölf!“, schreckte Lotta hoch.

„Eure Freundinnen sind übrigens auch da“, meinte Rachel.

„Seid ihr so schnell entlassen worden“, staunte Aylin.

„Schon vor einer Stunde“, nickte Emilys Tante. „Zum Glück war es bei allen nur eine leichte Rauchvergiftung und etwas Übelkeit gewesen, sonst nichts.“

„Da habt ihr wirklich verdammt Glück gehabt“, nickte Emily erleichtert.

„Einerseits war es sehr mutig die Pferde zu retten, einerseits auch leichtsinnig“, sagte Rachel und fügte hinzu: „Wenn die Feuerwehr Kiki und die Zwillinge nicht nach draußen gebracht hätten, wären sie wahrscheinlich an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben oder zumindest ohnmächtig geworden, denn sie hatten im dichten Qualm die Orientierung verloren.“

 

„Kommt, wir müssen schnell runter, unsere Freundinnen warten!“, rief Fianna, die zuerst aus ihrem Schlafsack gekrabbelt war.

„So wie ich aussehe, gehe ich nicht unter Leute“, schüttelte Lotta den Kopf und tauschte ihre Jogginghose gegen eine saubere Jeans, nachdem sie wieder für sich waren. Fianna war bereits angezogen, doch da es draußen immer noch regnete, beschloss sie sich ein langärmeliges Sweatshirt und eine lange Hose anzuziehen. Emily zeigte ihren Freundinnen den Weg zum Gästebad. Zu viert drängten sie sich um ein winziges Waschbecken und kämmten sich ihre zerzausten Haare.

„Wie ich wieder aussehe!“, jammerte Lotta und zückte ihren Eyeliner. „Wie eine Vogelscheuche!"

„Ach Quatsch, wir alle haben diese Augenringe!“, stieß Fianna sie an.

„Außerdem müssen wir nicht wie die Zicken vom Tussenkomitee gestylt sein“, war Emily der Meinung. Fianna und Emily reichte eine Katzenwäsche und polterten vor ihren eitleren Freundinnen die steile Treppe herunter.

 

Das Matratzenlager in Eingangshalle existierte nicht mehr, stattdessen warteten dort Kiki und die Zwillinge auf sie. Gutgelaunt schlossen sich die Mädchen in die Arme.

„Geht es euch besser?“, fragte Fianna.

„Eindeutig“, nickte Kiki. „Vor ein paar Stunden war mir noch sowas kotzübel.“

„Das ging aber uns allen so“, meinte Mathilda. „Vor allem dieser doofe Husten hätte mich fast umgebracht.“

„Ich bin ganz glücklich, dass es euch und den Pferden wieder einigermaßen gut geht“, freute sich Emily.

„Wo bleiben eigentlich Lotta und Aylin?“, fragte Annemieke und schaute sich um.

„Die müssen sich noch schön machen“, rollte Fianna mit den Augen und mimte ein Topmodel.

 „Sind wir schon bei Germany’s Next Topmodel?“, bemerkte Mathilda spitz.

„Wer muss außerdem heute schon gut aussehen?“, zuckte Kiki mit den Achseln. „Wir müssen nachher sowieso noch die Zelte abbauen und aufräumen. Ich fürchte, das wird keine saubere Angelegenheit, da die Wiese eher einem Sumpf ähnelt.“

 

Frisiert und geschminkt stolzierten die beiden Nachzüglerinnen die Treppe hinunter. Lotta trug einen geflochtenen Seitenzopf, ein kariertes Hemd und ihre bunten Blumenohrringe. Aylin sah mit ihrer Hochsteckfrisur, dem roten Haarreifen, der weißen Bluse und den Perlenohrsteckern mindestens zwei Jahre älter aus.

„Willkommen bei Germany’s Next Topmodels!“, riefen die Zwillinge und taten so, als wären sie selbst auf dem Laufsteg unterwegs.

„Das ist nur zur Feier des Tages, dass ihr gesund entlassen wurdet“, konterte Lotta, gleichzeitig umarmte sie Kiki und die Zwillinge nacheinander.

„Kommt, erstmal müssen wir etwas frühstücken!“, meinte Emily. „Ich sterbe gleich vor Hunger.“

„Ihr habt Glück, die anderen Kids haben schon vorher gefrühstückt und jetzt passt eure ganze Bande an den Tisch“, lachte Rachel.

 

Die Roten Tulpen nahmen am großen Eichenholztisch in der Küche platz.

„Macht es euch nichts aus, dass nur noch Zitronenkuchen und Joghurt mit Obst übrig sind?“, fragte Elfriede und fügte hinzu: „Leider hatten wir nicht mehr so viele Brötchen und das Müsli ist uns leider auch ausgegangen. Die anderen hatten einfach einen zu guten Appetit.“

„Macht nichts, der Zitronenkuchen schmeckt auch sehr gut“, winkte Annemieke ab und nahm sich ein Stück.

„Darf ich eben in der Speisekammer nachschauen?“, sprang Emily auf.

„Gerne, wenn du noch etwas findest, können wir es essen“, nickte die alte Dame. Strahlend kam Emily mit einem großen Eierkarton wieder.

„Die sind noch haltbar und ich werde uns jetzt noch ein Rührei machen“, verkündete sie, worauf ihre Bandenschwestern begeistert nickten.

 

Annemieke, die gerne kochte, eilte herbei und half Emily dabei die Eier aufzuschlagen und mit Milch zu vermischen.

„Das wird sicherlich ein köstliches Rührei a la Emily und Micky geben!“, freute sich Mathilda. Emily würzte das Rührei zusätzlich mit Gartenkräutern und Muskat, was dem Rührei eine unverwechselbare Note verlieh. Inzwischen konnten die Mädchen wieder ordentlich zulangen, denn den Schrecken von heute Nacht hatten sie einigermaßen gut verdaut.

„Haut rein, Mädels! Ihr habt es nach der anstrengenden Nacht redlich verdient“, lachte Rachel, als sich die Zwillinge um den letzten Erdbeerjoghurt stritten.

„Kommen eure Eltern auch um halb zwei?“, fragte Lotta in die Runde.

„Da unsere Eltern erst um Mittag von unseren Großeltern wiederkommen, werden sie nicht vor zwei Uhr da sein“, meinte Annemieke.

„Wo sind denn die anderen Kinder?“, wollte Emily wissen.

„Der Großteil wurde schon von ihren Eltern abgeholt“, erwiderte Rachel. „Die letzten Kids, die noch da sind, helfen Annika und Sarah beim Abräumen.“

„Oh, das sollten wir auch tun“, sprang Kiki auf.

 

Als die Bande nach draußen trat, regnete es nicht mehr. Dennoch war es wesentlich kälter als in den letzten Tagen, sodass sich die Freundinnen dünne Jacken überzogen. Der Boden, besonders der Rasen war vom nächtlichen Sturzregen beträchtlich aufgeweicht. Zuerst wollten sie sich die Scheune und den Stall ansehen.

„Zum Glück doch nicht vollständig abgebrannt“, stellte Mathilda erleichtert fest.

„Vor allem ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen“, fügte Kiki hinzu.

„Nicht vorzustellen, was gewesen wäre, wenn unsere vierbeinigen Freunde, die uns das Reiten beibrachten, im Feuer gestorben wären. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn wir die Pferde nicht vor den Flammen gerettet hätten“, sagte Annemieke nachdenklich. „Ich hätte es mir nie verziehen, wenn die Pferde in den Flammen gestorben wären."

„Trotzdem haben dein Zwilling, Kiki und du euer Leben aufs Spiel gesetzt“, sah Lotta sie streng an. „Hätte die Feuerwehr euch nicht gefunden, wärt ihr wahrscheinlich gestorben oder zumindest hättet ihr eine schwere Rauchvergiftung davon getragen."

 

Am Tage war das Ausmaß des Feuers gut zu erkennen. Ein Teil des Scheunendaches war eingestürzt und die umliegenden Gebäude von den Flammen geschwärzt. Zumindest sah es längst nicht mehr so beängstigend aus, wie in der Dunkelheit. Die Freundinnen staunten nicht schlecht, dass überhaupt der Großteil der Scheune noch stand.

 „Wenn wir nicht so schnell Alarm gegeben hätte, wäre daraus eine wahre Katastrophe geworden. Wer weiß, was noch von dem Hof und der Halle übrig geblieben wären?“, sagte Fianna.

„Trotzdem ist das ein riesiger Schaden“, warf Aylin ein. „Es wird ganz schön teuer werden die Scheune wieder aufzubauen und den Stall wieder herzurichten.“

„Ach was, das zahlt die Versicherung“, meinte Emily. „Das fällt unter höhere Gewalt.“

Zwar interessierte es die Mädchen, wie es im Stall und der Scheune aussah, doch ihr gesunder Menschenverstand sagte ihnen, dass es sehr gefährlich sein könnte, sich dort umzusehen. Holzbalken und lose Ziegel könnten auf sie herabstürzen.

 

„Hey, seid ihr nun auch schon auf den Beinen?“, kam Annika um die Ecke.

„Wir haben doch noch gut geschlafen“, lächelte Emily.

„Und gut gefrühstückt“, fügte Fianna hinzu. 

„Dann könnt ihr sicherlich gut anpacken“, stemmte Annika ihre Hände in die Hüften. „Wir können gerade jede helfende Hand gebrauchen.“

„Was können wir tun?“, bot Kiki ihre Hilfe an.

„Die Tische und Bänke müssen in den Nebenraum der Garage gebracht werden“, ordnete Annika an. Eifrig nickend folgten ihr die Mädchen. Zu helfen war um einiges besser, als wie Falschgeld in der Gegend herum zu stehen. Obwohl die Nacht nur kurz war, war keine Spur von Lustlosigkeit und Müdigkeit zu sehen. Stattdessen strotzten die Mädchen vor Elan, Hilfsbereitschaft und Motivation. Sarah und ihre Freundinnen waren damit beschäftigt mit Wiebke die Zelte abzubauen. Fianna wunderte sich, dass irgendwelche Sticheleien und blöde Bemerkungen ausblieben. Nur einmal streckte Sarah ihnen die Zunge heraus, worauf die Roten Tulpen mit einem ignoranten Grinsen antworteten. Die Bänke mussten zu zweit tragen, während der Tisch eindeutig schwerer war und drei Mädchen auf einmal anpacken mussten. Nachdem Fianna zwei Tische getragen hatte, dachte sie, dass sie Blasen an den Händen bekäme, wenn sie noch mehr tragen müsste.

„Ich hätte doch andere Sachen anziehen müssen“, schimpfte Lotta, als sie mit ihren Ballerinas im Schlamm stecken blieb und ein dunkelbrauner Schlammspritzer auf ihre Markenjeans kam.

„Das hätte ich dir vornherein sagen können, dass sich Ballerinas hier nicht gut machen“, meinte Kiki.

„Wir sind auf einem Reiterhof und nicht in irgendeiner Disko“, gab Mathilda ihren Senf dazu.

„Meine Schuhe sind auch bereits dreckig und das schlimmste ist, ich kriege nasse Füße in diesem feuchten Gras“, fing nun auch Aylin an zu jammern.

 „Dann zieht euch doch Reitstiefel an“, riet ihnen Kiki. Aylin und Lotta befolgte ihren Rat und liefen ins Haus. In Reitstiefeln und Reitwesten kamen sie nach zehn Minuten zurück auf die Weide.

„Das sieht schon viel besser aus!“, lobte Emily.

 

Wie aus dem Nichts tauchten die Eltern der Zwillinge vor ihnen auf.

„Wieso seid ihr jetzt schon da?“, klang Mathilda beinahe schockiert. „Ihr wolltet doch erst um zwei da sein."

„Wir sind doch direkt nach dem Frühstück aufgebrochen“, meinte Herr der Steegen. „Wir dachten uns, ihr könntet es kaum noch erwarten, uns wieder zu sehen."

„Außerdem haben wir uns riesige Sorgen um euch gemacht“, meinte seine Frau und strich sich eine dunkelblonde Strähne hinters Ohr. „Eure Rettungsaktion war mehr als waghalsig. Wir bekamen den Schreck unseres Lebens, als wir hörten, dass ihr in einen brennenden Stall gelaufen seid und anschließend ins Krankenhaus gebracht wurdet.“

„Wir wollten bloß die Pferde retten, Mama!“, rechtfertigte sich Annemieke.

 

„Außerdem wären die Pferde gestorben, wenn wir ihnen kein Halfter umgelegt und sie nicht aus ihren Boxen geholt hätten“, ergänzte Mathilda.

„Oh, ich habe wohl zwei Heldinnen als Töchter. Noch eine Bitte, versetzt uns nicht noch einmal so heftig in Angst“, nahm Frau ter Steegen ihre Töchter in den Arm und küsste sie auf die Stirn.

„Nein, das tun wir nicht“, versprach ihr Mathilda.

„Wann kommen eure Eltern?“, fragte der Vater der Zwillinge die anderen Mädchen.

„Ich gehe erst heute Abend nach Hause“, erwiderte Emily.

„Meine Eltern holen Aylin und mich gegen frühen Nachmittag ab“, warf Fianna ein.

„Meine Mutter kommt in zehn Minuten“, sagte Lotta mit einem Blick auf ihre Uhr.

„Ich gehe allein zu Fuß nach Hause“, meinte Kiki. „Meine Mutter ist gerade nicht da.“

„Ach was, du musst nicht alleine zurücklaufen. Wir nehmen dich mit zu uns und du darfst mitessen, Kiki!“, bot die Mutter der Zwillinge ihr an. 

„Tausend Dank!“, umarmte Kiki sie kurz.

 

„Müssen wir uns jetzt schon vom Acker machen?“, maulten die  Zwillinge.

„Es wäre sinnvoll, denn der Tortellini-Auflauf ist gerade im Ofen“, meinte ihre Mutter.

„Dann müssen wir uns wirklich beeilen“, legte Annemieke einen Zahn zu. Fianna wusste, dass dies eines der Lieblingsgerichte von den Zwillingen war.

„Erst müssen wir unsere Taschen holen“, erinnerte Kiki sie. Die Freundinnen verabschiedeten sich von Kiki und den Zwillingen. Vier Rote Tulpen blieben mit einem großen Stapel Arbeit zurück. Lustlos schoben sie Schubkarrenladung voller Requisiten und Zeltzubehör zum Wohnhaus, wo Rachel die Sachen im Keller verstaute. Fianna verspürte einen Hauch von Wehmut, dass das Western Camp zuende ging. Andererseits verspürte sie Lust auf Ruhe und Entspannung nach ein paar aufregenden Tagen.

 

Als nächstes kam Lottas Mutter. Als sie mit ihren feinen Schuhen versehentlich in eine Matschkuhle trat, verzog sie angewidert das Gesicht. 

„Lotta, wie sehen deine Klamotten aus!“, entgleisten ihr die Gesichtszüge, als sie ihre Tochter entdeckte.

„Ich hatte keine anderen sauberen Sachen mehr“, funkelte Lotta ihre Mutter böse an.

„Eine sehr freundliche Begrüßung!“, flüsterte Aylin Fianna ins Ohr und musste grinsen. Fianna nickte nur. Ihr war die Mutter der Zwillinge, die mit ihren Töchtern und deren Freundinnen liebevoll umging, deutlich lieber als Frau Jansen, die ständig etwas an ihrer Tochter und der Bande auszusetzen hatte.

„Deine Hose kriegen wir nie wieder sauber und immerhin hat sie über 150 € gekostet“, zeterte Frau Jansen weiter. Zum Glück kam Rachel zur rechten Zeit.

„Guten Tag, Sie sind doch die Reitlehrerin meiner Tochter“, lächelte Lottas Mutter aufgesetzt und gab ihr vornehm die Hand.

„Ja genau, ich bin Rachel Höfner und die Reitlehrerin Ihrer Tochter“, lächelte Rachel höflich zurück.

 

„Wie Erwachsene sich bloß verstellen können!“, dachte Fianna. An ihrer Stelle wäre sie nie und nimmer so nett zu Frau Jansen gewesen. Ihr fiel auf, dass die beiden Frauen ziemlich verklemmt miteinander umgingen. Irgendwie war es sowieso ein Rätsel, dass Lotta bei der Mutter so freundlich, unternehmenslustig und gesellig sein konnte. Manchmal konnte Fianna bei ihrer Freundin merken, dass ihre Mutter ihr ihre Eitelkeit und ihre Vorliebe für teure Marken vererbt hatte. Lotta war nicht umsonst die Mode- und Schminkexpertin der Roten Tulpen und achtete als Einzige sehr auf ihr Aussehen, weshalb sie sich manchmal von Mathilda und Kiki dumme Sprüche anhören musste. Die beiden Frauen unterhielten sich kurz, als Lottas Mutter ihre Tochter bei der Hand nahm.

 „Darf ich mich nicht noch einmal von meinen Freundinnen verabschieden?“, beschwerte sich Lotta.

„Tschüss sagen reicht ja wohl und ihr seht euch sowieso jeden Tag bei irgendwelchen Bandentreffen“, sagte ihre Mutter und fügte hinzu: „Außerdem müssen wir Leon von einem Fußballspiel abholen und wir wollen ihn nicht ewig lang warten lassen.“

„Immer Leon!“, nörgelte Lotta.

„Ist es immer so, dass ihre Mutter ihren kleinen Bruder bevorzugt?“, wisperte Aylin Fianna zu.

„Leider ja, ihre Mutter ist schon ziemlich merkwürdig“, nickte Fianna. Lotta winkte ihnen hinterher und machte ein leicht gequältes Gesicht.

„Bei der Mutter wundert es mich nicht, dass Lotta manchmal so eine miese Laune hat“, seufzte Emily und ließ sich auf eine Bank nieder.

„Ihr dürft gerne Pause machen“, meinte Rachel. „Immerhin habt ihr schon gut gewuchtet und getragen“

„Danke!“, lächelte Aylin und streckte sich.

„Schau mal! Ist das nicht das Auto deiner Eltern?“, stieß Emily Fianna an.

 

Fiannas Eltern und ihr Zwillingsbruder Tom stiegen aus. Zuerst fiel Fianna Tom um den Hals.

„Na, bist du vom Pferd gefallen?“, grinste er schelmisch.

„Sehe ich etwa so aus?“, konterte Fianna.

„Hallo Schätzchen, wie war es?“, wurde sie von ihrer Mutter umarmt.

„Ziemlich aufregend“, antwortete Fianna knapp und nahm ihren Vater in den Arm.

„Hoffentlich habt ihr das Feuer ohne großen Schrecken und Verluste überstanden“, meinte er mit einem Blick auf die verrußte Scheune.

„Das haben wir“, nickte Emily. „Zum Glück hat es keine Verletzten gegeben. Weder Pferd noch Mensch kamen dabei groß zu Schaden.“

„Da habt ihr aber mächtig Schwein gehabt“, fand Fiannas Mutter. „Vor wenigen Wochen brannte ein ganzer Hof ab in der Nähe und danach war nichts mehr zu retten."

 

„Wollt ihr nicht langsam eure Taschen holen?“, wandte sich ihr Vater an Aylin und sie.

„Müssen wir jetzt schon weg?“, zog Fianna einen Schmollmund.

„Wollt ihr hier an Ort und Stelle festwachsen?“, neckte ihr Vater sie. „Und außerdem habt ihr garantiert Hunger."

„Wir gehen ja schon!“, sagte Aylin. Dabei sie griff nach Fiannas Hand und zog sie hinter sich her.

„Och man, dann verlasst ihr mich auch noch“, klang Emily ein wenig bedröppelt.

„Aber nicht lang. Wir sehen uns morgen oder spätestens übermorgen in der Schule wieder“, wandte sich Fianna an Emily und umarmte sie kurz zum Abschied. Kurz darauf trat Rachel aus der Haustür.

„Werdet ihr auch schon abgeholt?“, fragte sie.

„Gerade sind meine Eltern gekommen“, nickte Fianna.

„Dann wünsche ich euch noch einen schönen Tag“, drückte Rachel ihnen die Hand. „Es waren ein paar wundervolle Tage mit euch, auch wenn unsere Scheune halb abgebrannt ist. Aber das werden wir wieder hinkriegen, immerhin sind wir alle wohlauf.“

 

Fianna und Aylin verabschiedeten sich und gingen zur Tür raus. Draußen nahmen Fiannas Vater und Tom wie wahre Gentlemänner ihre Taschen ab und trugen sie zum Auto. Aylin durfte in der Mitte sitzen, da sie die Kleinste von allen war. Tom löcherte sie mit vielen Fragen.

„Wie lange brauchte die Feuerwehr um den Brand zu löschen?“, wollte er wissen. Die Mädchen konnten es ihm nicht genau beantworten.

„Auf jeden Fall war die Feuerwehr noch ziemlich lange da“, meinte Aylin.

„Sie war sogar noch da, als wir ins Bett gingen. Bestimmt haben sie kontrolliert, ob es irgendwo noch Glutnester gab“, sagte Fianna. Sonst verging die Fahrt, ohne dass viel gesprochen wurde. Die beiden Freundinnen waren viel zu müde, um von ihren zahlreichen Erlebnissen zu sprechen. Fiannas Vater musste einen kleinen Umweg fahren, da Aylin in einem Viertel in der Oststadt wohnte, in der es viele Mehrfamilienhäuser gab. Aylin winkte ihnen lange hinterher, als sie ausstieg.

 

„Habt ihr eigentlich Fotos gemacht?“, wollte Fiannas Mutter wissen.

„Die meisten Fotos hat Lotta gemacht, da sie ein richtig gutes Fotohandy hat und Rachel hat mir ihrer Kamera auch einige Fotos gemacht, die sie uns zukommen lassen möchte“, erwiderte Fianna knapp.

„Was gibt es eigentlich zu essen?“, schaute Tom seine Eltern hungrig an.

„Was haltet ihr davon, wenn wir uns gleich eine Pizza bestellen?“, schlug Herr O’Hara vor.

„Pizza ist eine gute Idee“, nickte seine Frau. „Besser finde ich es, wenn wir direkt in der Pizzeria essen. Auf dem Weg nach Hause kommen wir an einer vorbei.“

„Zwar habe ich gestern schon Pizza gehabt, aber ich habe nichts dagegen, wenn wir jetzt noch mal Pizza essen“, lächelte Fianna. Erst jetzt spürte sie, wie hungrig sie inzwischen war.

 

Am nächsten Tag trafen sich die Roten Tulpen am späten Nachmittag zum Kuchenessen im Wohnwagen. Hanni und Nanni freuten sich die Mädchen wieder zu sehen, nachdem sie drei Tage von Josephine versorgt worden sind. Zu ihrer Zufriedenheit stellten sie fest, dass der Stall vor kurzem ausgemistet wurde.

„Dank Josie bleibt uns das Ausmisten erspart!“, strahlte Emily und lehnte sich gegen die hölzerne Wand des Geräteschuppens.

„Meine güte, ihr seid die ganzen Tage ziemlich verwöhnt worden“, meinte Mathilda als sie Hanni auf dem Arm nahm, die deutlich mehr wog als vorher.

„Kein Wunder bei der guten Fütterung!“, lachte ihre Schwester, die ein paar abgefressene Apfelgripse aus dem Stall entfernte und die Tränke auffüllte.

„Wehe, sie verschmähen nachher unser Futter!“, machte Emily eine trockene Bemerkung, als sie Nanni am Nackenfell hochhob.

 

„Es ist ja nicht so, dass wir ihnen nie etwas Leckeres zu essen geben würden“, murmelte Kiki. „Mama gibt mir schon Gemüseabfälle mit, die ich die an sie verfüttern kann.“

„Ich verfüttere sogar ein paar alte Pausenäpfel, die ich nicht mehr essen mag“, gestand Lotta. „Wenn das meine Mutter erfährt, dreht sie mir den Hals um.“

„Das kann ich mir deiner Muttersehr gut vorstellen“, rollte Aylin mit den Augen. „Ist die nicht so eine krasse Gesundheitstante?"

„Jeden Tag mindestens einen Apfel oder eine Birne. Dazu noch zwei handvoll Gemüse, abends noch ein Salat und damit ist der Tagesbedarf an allen Vitaminen gedeckt. Aber bloß keine Süßigkeiten und kein Fastfood. Das macht fett, krank und träge“, säuselte Lotta und ahmte die Stimme ihrer Mutter nach. Die Freundinnen prusteten los und kugelten sich vor Lachen. Lotta war wirklich eine Meisterin im Stimmenimitieren und am besten konnte sie natürlich ihre Mutter nachmachen.

„Wenn deine Mutter nur wüsste, wie viel Kekse und Süßkram wir bei den Bandentreffen verputzen, dann würde sie dir garantiert nicht erlauben, zu unseren Bandentreffen zu kommen“, scherzte Annemieke.

 „Ach was, meine Mom kann mir gar nichts verbieten, immerhin bin ich dreizehn. Außerdem geht es sie nichts an, was ich außerhalb von Zuhause esse“, schüttelte Lotta den Kopf und fügte lachend hinzu: „Noch bin ich nicht so rund, dass man mich rollen muss. Aber ihr wisst, das kann sich mit jeder Kalorie ändern.“

Kichernd ließen sich die Freundinnen auf den Rasen fallen und kugelten prustend hin und her.

 

„Deine Mutter ist wirklich ein Fall für sich“, meinte Kiki, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten.

„Hey, wollen nicht langsam Tee kochen?“, streckte Aylin ihren Kopf aus dem Wohnwagenfenster. „Ich hole gerade das Geschirr heraus.“

„Au fein, dann kann ich meine Cupcakes auftischen“, freute sich Annemieke.

„Ich habe sogar Brownis mitgebracht“, meldete sich Fianna zu Wort.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Kiki. „Ich habe gestern zusammen mit Mirja einen Erdbeerkuchen gebacken.“

„Hilfe, wir werden platzen!“, gickerte Mathilda.

„Ach, von Kuchen kann man nie genug kriegen“, lachte Emily. „Zuckerschock ahoi!“, rief Lotta begeistert.

„Nun kommt schon, der Tisch deckt sich nicht von allein!“, machte ihnen Aylin Beine.

„Na los, es ist voll egoistisch, Aylin alleine machen zu lassen!", zog Annemieke nach und nach ihre Freundinnen vom Rasen hoch.

 

Während die Mädchen sich den Tee eingossen und von den verschiedenen Kuchen und Cupcakes nahmen, holte Lotta eine Zeitung aus ihrer Umhängetasche.

„Seht mal, der Brand ist sogar auf der Titelseite“, deutete sie auf den Artikel. Neugierig beugten sich sechs Köpfe über ihre Schulter.

Nach einem Blitzeinschlag stand um zwei Uhr morgens ein Teil der Scheune in Flammen. Das Feuer drohte auf den benachbarten Stall und die Reithalle überzugreifen. Dank einer schnellen Alarmierung der Feuerwehr und beherzten Eingreifens konnte verhindert werden, dass noch ein größerer Schaden entstand“, las Kiki ein paar Zeilen halblaut vor.

„Damit sind wohl wir gemeint“, nickte Emily.

„Wer hat denn die Feuerwehr alarmiert?“, fragte Aylin.

„Lotta natürlich! Sie hat doch immer ihr Smartphone dabei“, sagte Mathilda und klopfte Lotta anerkennend auf die Schulter.

 

Lotta errötete leicht und meinte: „Das war echt keine besondere Leistung. Aber wenn ihr Zwillinge und Kiki nicht den Mut gehabt hättet in den verqualmten Stall zu gehen, wäre bestimmt ein Großteil der Pferde tot.“

„Wir können richtig stolz auf uns sein“, fand Kiki. Die Freundinnen waren der gleichen Meinung.

„Wisst ihr, was mir auffällt?“, erhob Aylin ihre Stimme. „

Was denn?“, sah Lotta sie neugierig an.

„Mit euch wird es nie langweilig“, fuhr Fiannas beste Freundin fort.

„Das stimmt wohl“, lachte Annemieke. „Mit uns hat man immer Action!“

„Und man immer etwas zu Essen“, nahm sich Mathilda noch einen Cupcake.

„Du kleine Raupe Nimmersatt, du wirst irgendwann so rund sein wie ein Luftballon!!“, neckte Kiki sie.

„Und wenn man dich mit einer Nadel piekst, dann platzt du“, rief Fianna vorlaut dazwischen. Worauf die Mädchen wieder anfingen zu kichern und verstummten, als Emily anfing von den Aufräumarbeiten auf dem Hof zu erzählen.

Extra: Fiannas Tagebucheintrag vom 20. Juni

 Liebes Tagebuch

  

Endlich rücken die Ferien näher und sind zum Greifen nah. So wie es jetzt aussieht, werden es Emily und Aylin auch in die nächste Klasse schaffen. Kaum zu glauben, bald sind wir in der achten Klasse und gehören allmählich zu den Großen. Bis jetzt haben uns die älteren Schüler uns noch wie Kinder behandelt. Mit der heutigen Englischarbeit war die letzte Klassenarbeit dieses Schuljahres besiegelt, endlich mal mehr Zeit zum Freunde treffen und für Hobbys. Besonders in der letzten Zeit hockten wir mindestens zehnmal so oft über unseren Büchern, als dass wir uns im Wohnwagen oder in der Stadt treffen konnten. Die Piranhas können uns ab und zu noch ziemlich auf die Nerven gehen, aber es war schon mal viel schlimmer. Man könnte schon meinen, wir hätten uns vertragen, aber in Wirklichkeit haben wir das nicht. Manchmal besticheln wir uns gegenseitig und wenn uns die Jungs dumm kommen, beißen wir zurück. Im Gegensatz zu früher kommt es aber nur noch sehr selten vor. Ich glaube, langsam werden wir erwachsen. Hilfe, wir werden erwachsen! Wir hatten gehofft, dass sich dieser Prozess mit dem Bandendasein und dem Streiche spielen aufhalten ließen.

 

Nein, erst letztens gingen wir gemeinsam los, um uns gemeinsam den ersten BH zu kaufen. Lotta hatte darauf bestanden. Wer sonst? Ein paar von uns trugen von bereits einen, trotzdem schaffte sich jeder einen an. Sogar ich wurde fündig, obwohl ich es mir vorher nicht vorstellen nicht vorstellen konnte einen zu tragen. Alle meine Freundinnen, bis auf Aylin, haben bereits mehr Oberweite als ich. Aber das wird sich bestimmt noch geben, denn seit zwei Monaten habe ich auch meine Periode.

Nachdem wir mit vollen Tüten das Einkaufszentrum verließen, wollte Lotta mit uns noch einen Stylingabend machen. Kiki und Matti stimmten nur zähneknirschend zu, während ich es schon ganz interessant fand. Lottas Mutter war nur mittelmäßig über unseren Besuch erfreut. Sofort verkrümelten wir uns in ihr Zimmer. Lotta zeigte uns, was sie in ihrem Kleiderschrank hatte. Darauf hin schlug Micky vor, dass wir eine Modenschau machen könnten. Die Idee fanden wir genial. Zuerst probierten wir ein paar Wellnessmasken aus. Mit weißen Gesichtern sahen wir schon ziemlich lustig aus, abwechselnd bekam immer wieder eine von uns einen Kicheranfall. Mathildas Schminkversuch ging am meisten in die Hose, sodass es Lotta richten musste. Anschließend verpasste sie uns nach und nach einen neuen Look. Schade, dass die Piranhas uns so noch nicht gesehen haben, die Blindfische hätten uns garantiert nicht wieder erkannt. Emily fand, dass wir so auch bei Germany’s Next Topmodel hätten auftreten könnten. Worauf wir den nächsten Lachflash bekamen.

 

Gez. Fianna (Carrot)

 

Ps: Morgen sind wir beim Richtfest dabei. Endlich bekommt die Scheune von Rachels Reiterhof ein neues Dach, nachdem sie letztens bei einem Brand beinahe komplett niedergebrannt wäre.

 

 Hier noch ein Foto von dem tollen Westerncamp

 

Die Abende am Lagerfeuer waren das Beste ;)

 

Rezept: herzhaftes Lagerfeuer-Stockbrot

Für 10 Brote

Zutatenliste:

  • 1000g helles Mehl
  • 500ml lauwarmes Wasser
  • 2 Würfel frische Hefe
  • 2 TL Salz
  • 4 EL Olivenöl
  • 4 EL Röstzwiebeln
  • Knoblauchpulver oder Kräutersalz

 

So geht’s

Die Hefe im lauwarmen Wasser lösen und danach alle Zutaten in einer großen Schüssel verrühren. Anschließend muss der Teig eine Stunde lang an einem warmen Ort gehen. Danach könnt ihr den Teig zu mehreren kleinen Portionen aufteilen, die ihr längeren Würsten formt und um den Stock wickelt. Das Brot sollte nicht direkt in der Flamme gebacken werden, sondern ein Stückchen darüber gehalten werden. Die Backzeit liegt ungefähr bei 15-20 Minuten.

Viel Spaß bei eurem Lagerfeuerabend und genießt eure leckeren Stockbrote!

 

 

Widmung

Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.

 

 

Wir sind zudem auch noch zu finden bei

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.11.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich am meisten meinen Testleser, ganz besonders Betty Joyce Viktoria, die meine Bücher fleißig kommentiert :D

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