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1. Einfach nur unglücklich

Ihren Kopf auf die Hände gestützt starrte Malin geistesabwesend in Richtung Tafel und nagte auf ihrer Unterlippe. Herr Beckers Tafelanschrieb war immer noch zu sehen. Von zwei Stunden Mathematik rauchten den meisten Schülern immer noch die Köpfe, daher hatten sie ihre kommende Pause mehr als verdient. Die die Zwillinge Paul und Linus konnten neben der klugen Regina ohne Probleme mithalten, wenn es um Ableitfunktionen ging. Der Mathelehrer redet wie ein Wasserfall und sprang von einem Thema zum nächsten. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Klasse in seinem Unterricht abschaltete.

"Jetzt noch zwei Stunden Geschichte und dann kann ich hier raus", dachte Malin sehnsüchtig und spielte mit einer Strähne ihres rotbraunen Haares. Heute hatte mal wieder keiner von ihren Mitschülern mit ihr ein Wörtchen geredet. Wie ein unsichtbarer Gegenstand saß sie alleine an einem Tisch in der dritten Reihe und starrte Luftlöcher an die graue Decke. 

 

Mit dem Pausenklingeln beendete Herr Becker die Unterrichtseinheit und verließ den Raum. Hinter Malins Rücken wurde getuschelt und sie glaubte ihren Namen gehört zu haben. Wann redeten Sophia und ihre Mädchenclique mal nicht schlecht über sie? Mit einem unsicheren Blick drehte sich Malin langsam zu Sophia und ihren genauso hinterhältigen Freundinnen um. Franziska und Isabelle begannen zu kichern. Malin starrte die Mädchenclique daraufhin noch länger an.

"Nein, nein! Wir lachen gar nicht nicht über dich", beschwichtigten die Zwillinge Lisa-Marie und Lucy sie sofort, die sich wiederum ein Grinsen nicht länger verkneifen konnten.

"Ey seht mal, wie schräg die guckt", lästerte Merve halblaut. Die Türkin stachelte weiterhin die Freundinnen an, sich weiterhin lustig über Malin zu machen.

"Ja, die guckt immer so behindert", wisperte Franziska gehässig.

 

Das Getuschel nahm ein jähes Ende als Frau Weißenburg den Stapel Klausurenhefte auf ihr Pult knallen ließ. Nach dem Morgengruß teilte sie die Hefte aus. Unter Malins Arbeit stand ein "Gut". Da sie sich sehr für dafür interessierte, wie Menschen zu anderen Zeiten gelebt haben und sie mit Leichtigkeit historische Daten auswendig lernen konnte, lag Geschichte ihr sehr.

"Hey, ich habe mal wieder eine Fünf!", raunte Merve Sophia und Franziska zu, die eine Reihe vor ihr saßen.

"Ich auch", drehte sich Franziska zu Merve um.

"Ruhe Bitte, kein Getuschel", war Frau Weißenburgs strenge Stimme zu vernehmen. Sofort kehrte wieder Ruhe ein. Frau Weißenburg zu reizen war keine gute Idee, denn sie konnte mit Strafarbeiten und Referaten förmlich um sich werfen. Dies wussten übrigens auch die Oberchaoten und Quasselstrippen. Vor allem Simon, Alex, Franziska und Isabelle. 

 

Das Klingeln nach der achten Stunde war Malins langersehnte Befreiung. Hastig eilte sie zu ihrem Fahrrad, um noch mehr unangenehmen Begegnungen mit ihren Klassenkameraden aus dem Weg zu gehen. Mit Wut im Bauch trat sie kräftig in die Pedale.

"Wieso musste ich nur von Köln in diese verdammte Kleinstadt ziehen?", dachte sie hasserfüllt. Es war nicht lange her, als sie ihre Vierzimmerwohnung in der Sedanstraße bezogen und das nur weil ihr Vater versetzt worden war. Schon am ersten Schultag vor einem halben Jahr war es deutlich geworden, dass Malin mit den meisten Schülern aus der 10c sich nichts zu sagen hatte.

Vornherein wurde sie von dem Großteil ihrer Klasse wie eine Außerirdische behandelt, die lieber Abstand von ihr nahm. Anfangs schmerzte Malin diese Art von Ablehnung sehr, doch mit der Zeit gewöhnte sie sich daran und nahm ihre Rolle hin, als sei daran nichts zu ändern. Schlimm waren vorallem diese Obermachos wie Simon, Alex, Leon und Cedrick. Sophia und ihre Freundinnen konnten die Jungs in Sachen Mobbing und Gemeinheiten noch übertreffen. Sogar Sophias jüngere Schwester Ela, die erst in die siebte Klasse ging, machte ab und zu mit. Wie viele Leute wollten die Zicken noch auf sie hetzen? Malin sehnte sich an die schöne Zeit zurück, als sie noch in Köln gewohnt hatte und einmal in der Woche zum Fußballspielen und Tennis ging. Hier in dem Kaff gab es leider keine Mädchenmannschaft für ihre Altersstufe, daher hatte sie ihre Fußballschuhe vorerst an den Nägel gehängt. 

 

Direkt nach der Schule checkte sie die Nachrichten auf ihrem Handy. Hoffentlich war ihre beste Freundin Frederike online, um ihr mitzuteilen, dass die Klasse heute mal wieder blöd zu ihr gewesen ist. Das tat Malin nun täglich und Fredie versuchte sie daraufhin immer aufzumuntern. Leider musste Malin ihre beste Freundin in Köln zurück lassen, genauso wie Sabrina, Mira und Steffie. Wenigsten konnte Malin per Chat mit ihren Freundinnen Kontakt halten und in den Ferien trafen sie sich regelmäßig. Jedes Mal wenn sie an ihre Kölner Clique dachte, kam ihr der schmerzende Gedanke, dass sie am falschen Ort war. Eine echte Großstädterin wie Malin gehörte einfach nicht in ein verlassenes Kuhdorf, in dem es nur von falschen Schlangen und Vollpfosten wimmelte. Obwohl es mitten auf dem Land sehr schön und idyllisch war, stand für Malin fest, dass es ohne Freunde und Freundinnen einfach kein Leben war.

 

Seufzend legte Malin ihr Handy wieder beseite. Frederike war doch noch nicht on. In einer Nachricht teilte sie Malin mit, dass sie ein Extratraining mit ihrer Tanzgarde hatte. Kein Wunder, denn bald war Karneval und der Rosenmontagszug stand an. Malin teilte die Tanzbegeisterung ihrer Freundin nur bedingt, aber der Rosenmontagszug gehörte für sie selbstverständlich dazu. Bis sie zehn Jahre alt war, tanzte sie ebenfalls in einer Tanzgarde und nahm am Umzug teil. Doch irgendwann hatten Tennis und Fußball einen größeren Reiz.

Einen Moment lang legte sich Malin auf ihr Bett und schloss ihre Augen. Bis sie ein großes Bewegungsbedürfnis in sich vernahm, von ihrem Bett aufsprang und nach ihrer Jogginghose angelte. Sport tat ihrer Seele jedes Mal gut, wenn sie unglücklich oder wütend war. Es war das Wundermittel gegen schlechte Laune schlechthin. Malins Trübsal verpuffte innerhalb weniger Minunten als sie durch den Wald trabte und dabei ihre Lieblingsmusik hörte, die die sie in höhere Sphären katapultierte. Für einen Moment lang waren all die ignoranten Klassenkameraden und gemeinen Ziegen vergessen, während sie einen Zahn zulegte und alle Demütigungen wie lästige Fliegen abschüttelte. Auf jeden Meter, auf den sie immer mehr beschleunigte, fiel der Frust von ihr ab.

 

 

2. Ein neuer Mitschüler

Am nächsten Morgen hätte Malin ihren Wecker am liebsten gegen die Wand gepfeffert, nachdem er sie um halb sieben aus dem Schlaf riss. Früher war sie noch nie so ein Schulmuffel gewesen wie jetzt. Bis zur neunten Klasse besuchte sie ein Kölner Gymnasium und hatte hervorragende Noten, überall Einsen und Zweien. An ihrer neuen Schule änderte sich nicht viel an ihren Noten, außer dass sie in Latein und Mathe von einer Zwei auf eine Drei absackte. Malin war sich sicher, dass dies zum großen Teil an ihrer Klasse lag, die sie meistens wie Luft behandelte. Doch das war längst nicht der einzige Grund. Herr Becker war aus ihrer Sicht der schlechteste Mathelehrer, den sie sich vorstellen konnte. Meist ließ er seine Schüler sich neue Themen selber erarbeiten und wenn er erklärte, erklärte er es so wirr und umständlich, dass ihm kaum einer folgen konnte. Frau Heide, ihre Lehrerin in Latein, verhielt sich gegenüber Malin genauso ignorant und unfreundlich wie die Klasse. Gerade deshalb hatte Malin es aufgegeben im Unterricht mitzuarbeiten und gab sich nur noch in den Klausuren Mühe. 

 

Es war jeden Morgen das Gleiche, als sie den Schulkorridor entlang schlenderte. Es wurde gekichert, durcheiander gerufen und wild umher gerannt. Am meisten nervten Malin die jüngeren Schüler aus der fünften, sechsten und siebten Klasse. Konnten die Blagen sich nicht einmal für wenigstens eine Minute beherrschen? Plötzlich lief ihr Ela, die sich zwei Freundinnen untergehakt hatte, über den Weg. "Seht mal, da kommt die Looserin aus Sophias Klasse", bemerkte sie und warf Malin einen herablassenden Blick. Am liebsten Malin dem kleinen Siebtklässlerzwerg eine angemessene Standpauke gehalten, was die Göre am meisten verdient gehabt hätte, doch ihr Mund verweigerte den Dienst. Sie war genauso manövrierunfähig wie ein Schiff, welches sich auf einer Sandbank festgefahren hatte. Es gongte zur ersten Stunde. Malin kam bewusst jeden Morgen auf den letzten Drücker um der Ausgrenzung und dem Desinteresse ihrer Mitschüler zu entgehen. Ihr Klassenlehrer Herr Sievers, bei dem sie gleich Englisch hatten, war noch nicht da. Isabelle und Merve warfen Malin schräge Blicke zu, während der Rest der Klasse so tat, als wäre sie nicht da. 

 

Nach zehn Minuten kam Herr Sievers mit einem fremden Jungen im Schlepptau. Malin betrachtete ihn im nächsten Augenblick näher. Seine kurzen wuscheligen dunkelblonden Haare waren zu einem Igelfrisur gestylt und er trug ein kariertes Hemd, welches er bis zu den Unterarmen hochgekrempelt hatte. Malin ließ ihn nicht aus dem Auge. Er hatte viele Eigenschaften, die ihn interessant machten. Malin wusste sofort, dass er nicht so war wie die Chaoten. "Das ist Morten Jansen, er ist siebzehn Jahre alt und geht von nun an in unsere Klasse", stellte der Klassenlehrer den neuen Schüler vor. Nun übergab er das Wort an den neuen Schüler. Morten erzählte, dass er Fußball in einer Jugendmannschaft eines bekannten Bundesligisten spielte und er mit seinem Eltern erst vor wenigen Tagen hier her gezogen war. Sofort bekamen Alex, Simon und co leuchtende Augen und fragten ihn zum Thema Fußball aus. Erst Mareike unterbrach die Fachsimpelei über Fußball, indem sie nach seiner Lieblingsmusik fragte. Morten nannte neben Robbie Williams auch Eninem, U2 und diverse andere Bands. "Wow, der hat echt Geschmack", hörte Malin hinter sich wispern. Es war klar, dass dieser Kommentar nur von Sophia stammen konnte. Bestimmt hatte sie sich in Windeseile in sie verliebt. Mittlerweile war es in der ganzen Schule bekannt, dass Sophia einen Liebhaber nach dem Anderen hatte, wobei eine Beziehung maximal nur zwei Monate hielt. Zu Malins Frust war Sophia bildhübsch: lange weißblonde Haare, hellblaue Augen, eine Superfigur und ein makelloses Gesicht! Dennoch war Sophia unter ihren bildschönen Haube hässlich wie die Nacht. Malins Freundin Frederike behauptet immer, dass ein schlechter Charakter einen hübschen Menschen schlecht aussehen ließ. In dem Fall von Sophia konnte Malin ihr nur Recht geben. 

 

Ein langer ereignisloser Schultag verging. Morten sah recht sympatisch aus, doch Malin traute sich nicht, ihn anzusprechen. Eine Ablehnung von ihm würde ihr Herz viel mehr brechen, als die täglichen Schikanen ihrer Mitschüler. Der neue Schüler wurde in den Pausen von der Hälfte der Klasse umlagert. Es schien so, als würde er sich gut mit seinen neuen Mitschülern verstehen. Er wurde in lockere Gespräche verwickelt und lachte über Kevins Späße. Jeder brannte darauf, ihm die Schule und die Turnhalle zu zeigen. Am Ende einigten sich die Schüler darauf, dass nur Alex, Bastian und Franziska ihn in der Schule herum führten. Sophia bettelte so lange, bis sie ebenfalls mitgehen durfte. In einer hinteren unbekannten Ecke von Malins Herzen begann es zu schmerzen. Sophia hatte fast alles: gute Freundinnen, gute Noten, schicke Kleidung, das neuste Smartphone und sogar ein eigenes Pferd. Nichts wäre schmerzhaft, wenn sie sich auch noch Morten ergatterte. Um sich abzulenken, spielte Malin ein Spiel auf ihrem Handy. Pünktlich zur Herr Beckers Mathestunde war der Trupp wieder zurück gekehrt. Malin entging nicht, dass Sophia wie ein verliebtes Huhn in Mortens Richtung schaute. Dennoch nahm der Junge keine Notiz von der Oberzicke, stattdessen schaute er konzentriert nach vorne. "Ich habe schon mitbekommen, dass wir einen neuen Schüler unter uns haben", sagte der Mathelehrer nach der Begrüßung und gab Morten die Hand. Der Junge lächelte und wechselte freundlich ein paar Worte mit dem Lehrer. 

 

Am Ende des Schultages tauchten Ela und ihre Freunde am Ende des Korridors auf. Ela schlich sich von hinten an Malin heran und stellte ihr ein Bein. Mit einem Mal fand sich das große Mädchen am Boden wieder. "Attacke!", brüllte Ela. Sofort stürzten sich drei Mädchen und zwei Jungen auf die hilflose Malin. "Soll ich mal ziehen?", fragte eine dunkelhaarige Freundin von Ela und zog kräftig an Malins rotbraunen Locken. "Autsch!", entfuhr es Malin und Tränen traten ihr in die Augen. Einer der beiden Jungen trat ihr in den Rücken, worauf Malin ihre Tränen nicht länger zurück halten konnte. Es war das erste Mal, dass sie körperlich angegriffen wurde. Zuvor hatte sie mit Ausgrenzung, Desinteresse und Lästereien zu kämpfen, doch körperliche Attacken waren neu. "Super gemacht, Ela!", lobte Sophia ihre kleine Schwester, "Ich hätte nie gedacht, dass du diese Bitch umlegst, obwohl sie drei Jahre älter ist" "War auch gar nicht schwer", grinste Ela frech und warf ihre hellblonden Haare in den Nacken. "Jetzt könntest du auch noch meinen Fuß küssen, Malin!", spottete Franziska, die ihrer besten Freundin selten von der Seite wich. "Hört auf damit, sonst könnt ihr etwas erleben!", hörte sie eine laute Stimme rufen. Die Beteilligten erschraken. Ausgerechnet Morten stand vor ihnen. Ela kicherte verunsichert und flüchtete in die Arme ihrer Schwester. "Sowas ist nicht witzig, du kleines Miststück!", fuhr Morten das kleine freche Mädchen an und packte es an den Schultern. Bedrohlich baute er sich vor den Kindern auf, die Malin immer noch festhielten. Voller Angst ergriffen sie die Flucht, Ela schloss sich ihnen an. Sophia grinste immer noch dümmlich und wagte sich nichts zu sagen. "Wieso schaut ihr so blöd aus der Wäsche?" Denkt ihr, dass es lustig ist, eine Person so dermaßen fertig zu machen? Es ist mehr als unfair, wenn ihr euch im Pulk auf eine einzelne Person stürzt. Sowas ist einfach nur erbärmlich und feige", nahm er sich die beiden Zicken vor. 

 

Mit peinlich betretender Miene machte sich Sophia mit Franziska aus dem Staub. "Alles okay bei dir?", fragte Morten besorgt und kniete neben Malin. Das Mädchen nickte schniefend und sortierte ihre verwuschelten Locken. Sie war immer noch nicht in der Lage zu sprechen, da sie immer noch sehr aufgewühlt war. "Komm lass uns gehen", hörte sie seine sanfte Stimme. Morten half ihr auf. Schweigend gingen sie nach draußen. An der frischen Luft kam Malin wieder zur Besinnung. "Danke", schaffte sie gerade so stammelnd über die Lippen zu bringen. "Kein Ding! Schließlich war es mehr als ungrecht, was dir gerade wiederfahren ist. Es wurde auch mal Zeit, dass ich die Blagen ihre Schranken verwiesen habe", erwiderte er. Malin antwortete nicht, währenddessen schaute sie in seine grünblauen Augen. "Wie heißt du nochmal?", fragte Morten nach einer Weile, "Nimm es mir nicht übel, aber ich konnte mir nur die wenigsten Namen merken. Doch die Namen der beiden Zimzicken habe ich mir gemerkt" Malin nickte nur. "Ich muss los, mein Vater wartet im Auto auf mich, gleich habe ich noch Training. Bis Morgen", verabschiedete sich ihr neuer Mitschüler von ihr. 

 

In Malins Kopf herrschte absolutes Chaos. Was gerade passierte, konnte sie immer noch nicht fassen. Erst wurde sie von einem Haufen dreister Siebtklässler verprügelt und dann rettete ihr neuer Schwarm sie aus dieser hoffnunglosen Situation. Malin war klar, dass Morten anders war als ihre Mitschüler. Wenigsten hatte er einen Sinn für Gerechtigkeit, während ein Großteil der übrigen Schüler nur darauf aus war, unbeliebte Außenseiter fertig zu machen, um sich besser zu fühlen und ihren Status auf kosten Anderer zu erhöhen. Doch da tat man einigen Schülern Unrecht, Mareike und Antonia aus ihrer Klasse waren eigentlich nette Mädchen, doch sie trauten sich nicht, Malin zu untersützen oder ein längeres Gespräch mit ihr zu führen. Einen Moment lang spielte Malin mit dem Gedanken, den Vorfall von gerade eben ihrem Klassenlehrer zu melden. Rasch verwarf sie ihn wieder. Was brachte es schon beim Lehrer Petzen zu gehen? Wohlmöglich machte es die Sache nur noch schlimmer. Nein, sie würde es wenn, nur Frederike anvertrauen. Ihre beste Freundin war einfach die beste Zuhörerin der Welt und konnte sich ausgezeichnet in andere Menschen hinein versetzen. 

 

Zuhause bemerkte ihre Mutter sofort, dass etwas mit Malin nicht stimmte. "Wieso hinkst du so?", fragte sie ihre Tochter. "Ich habe mich mit dem Rad auf die Klappe gelegt", antwortete Malin ausweichend. "Wirklich?", ihre Mutter warf ihr einen skeptischen Blick zu und wollte ihr die Ausrede zunächst nicht glauben. "Doch ich bin wirklich gegen einen Bordstein gefahren und dann hingefallen", beteuerte Malin. Mit einem Mal wurde ihre Mutter ganz besorgt. "Hast dir dabei ernsthaft weh getan?", fragte sie. "Nicht nennenswert, mir tun meine Arme und Beine ein bißchen weh, aber sonst geht es wieder. Bestimmt werde ich morgen von all dem nichts mehr merken", redete Malin die Sache klein. Obwohl sie wusste, dass ihre Mutter immer hinter ihr stand und sich oft nach ihr erkundigte, wollte sie ihr nicht erzählen, dass sie verprügelt wurde. Dann würde sich ihre Mutter wieder sehr viele Sorgen machen und gerade das wollte ihr Malin nicht zumuten, die einen anstrengenden Beruf hatte und oft erschöpft nach Hause kam. 

3. Eine derbe Enttäuschung

"Wieso tust du nichts dagegen? Es kann doch nicht so weiter gehen, dass du verprügelt wirst! Jede Schule muss ein sicherer Ort sein, an dem man keine Bedenken haben muss, dass dort einem etwas Schlimmes passiert", Frederikes Stimme am Telefon klang aufgewühlt. "Ich weiß, aber wenn ich es dem Lehrer sage, wird es bestimmt noch schlimmer", äußerte Malin ihre Bedenken. "Malin, so merken deine Mitschüler, dass sie alles mit dir tun können. Früher bei uns in der Klasse hast du dich erst gegen Desiree und Jessica gewehrt, als wir dir unter die Arme gegriffen haben", brauste ihre Freundin auf. "Du sagst es, Fredie!", seufzte Malin, "Aber hier bin ich alleine und es unmöglich sich gegen die halbe Klasse zu wehren" Malin hatte mit einem Mal ein flaues Gefühl im Magen, sie hatte gehofft, dass das Gespräch zwischen ihr und Frederike aufmunternder und freundschaftlicher verlief. Wohlmöglich waren sie doch nicht mehr so gut befreundet, wie vor dem Umzug. Normalerweise redete Frederike nur so mit anderen Menschen, wenn sie äußerst angefressen oder genervt war.

 

"Wie heißt der Junge, der dir geholfen hat?", fragte Frederike nach einer Weile, nachdem beide sich eine Minute lang angeschwiegen haben. "Morten Jansen, er ist schon siebzehn und spielt Fußball in einer Bundesliganachwuchsmannschaft. Er ist erst seit heute in unserer Klasse und schon habe ich mich in ihn verschossen. Er sieht so süß aus mit seinen dunklen verwuschelten Haaren und außerdem hat er richtig tolle Augen", geriet Malin ins Schwärmen. "Ist doch mal ein Wunder, dass du dich auch für Jungen interessierst", lachte ihre Freundin am anderen Ende der Leitung. "Ha von wegen, aber wen konnte man den alten PC-Nerds und Angeberidioten schon süß finden", entgegnete sie Frederike. Eine Weile lang lästerten sie über die Jungs aus Malins früherer Klasse und lachten sich scheckig. Malin war froh, dass das Telefonat eine positive Wendung nahm. Erst nach knapp zwei Stunden beendeten sie das Gespräch, weil beide Freundinnen noch Hausaufgaben zu erledigen hatten. 

 

Morten lebte sich in den kommenden Wochen gut in der Klasse ein. Immer wieder warf er Malin ein freundliches Lächeln zu, welches sie ebenfalls mit einem Lächeln quittierte. Zu längeren Gesprächen kam es nicht, denn Morten wurde von seinen Mitschülern sehr in Beschlag genommen und Malin wollte sich um keinen Preis dazwischen drängen. In einer Gruppenarbeit war es wieder einmal Morten, der sie mit einbezog und sie gegenüber Alex verteidigte, als er ihr Gesagtes schlecht redete. Sophia versuchte immer wieder die Aufmerksamkeit des neuen Mitschülers auf sich zu ziehen, doch Morten ließ sie nicht all zu nah an sich heran, obwohl er freundlich zu ihr war und öfter ein paar Worte mit ihr wechselte. In der kommenden Sportstunde wurde zum ersten Mal Fußball gespielt. Fast die ganze Klasse riss sich um Morten, sodass Herr Richter selbst die Mannschaften zusammen stellte. Malin hatte unfassbares Glück, dass sie mit ihrem Schwarm in einer Mannschaft spielen durfte. Aufgeregt hüpfte sie auf der Stelle, um ihre Beinmuskulatur aufzulockern. Gleich würde sich heraus stellen, ob es etwas genützt hatte, dass sie seit drei Wochen mit ihrem jüngeren Bruder und seinen Freunden regelmäßig auf dem Bolzplatz spielte. Schnell wurde deutlich, dass Morten seinen Klassenkameraden um ein Vielfaches überlegen war. Selbst Achmet und Simon, die zuvor die besten Fußballspieler ihrer Klasse waren, konnten mit dem schnellen flinken Superdribbler nicht mithalten. Malin beobachtete das Spektakel von der Ersatzbank aus. Sie brannte darauf, dass sie selber auf das Spielfeld laufen konnte. Der Sportlehrer winkte Morten zu sich, der barfuß weiter spielen musste. Herr Richter kannte keine Gnade. Auch ohne Schuhe hatte Morten keine Probleme sich gegen seine Gegenspieler zu behaupten. 

 

Ein schriller Pfiff ertönte. "Wechsel!", rief Herr Richter durch die ganze Halle. Lucy, Lisa-Marie und Leon tabten zur Auswechselbank. Nun waren Malin, Cedrick und Mareike dafür im Spiel. Simon nahm Malin den Ball kurz vor ihrem Tor ab, spielte den Torwart aus und flankte in die Mitte. Achmet stand goldrichtig und netzte zum Anschlusstreffer ein. "Wenigsten haben wir auch einmal ein Tor geschossen", bemerkte einer ihrer Gegenspieler. "Kein Wunder, wenn man Malin gegen sich hat, die kann doch eh nichts", sagte Simon in einem spöttischen Tonfall. Was für eine Blamage! Kaum hatte sie den Ball, führte das zu einem Gegentor. Bestimmt würde Morten ihr nie wieder den Ball zuspielen. Die Partie lief weiter. Malin nahm Merve mit Leichtigkeit den Ball ab und lief hastig nach vorne. "Abgeben", brüllte Bastian, der neben ihr her lief. Malin stellte ihre Ohren auf taub und dribbelte weiter. Daniel kam auf sie zugerannt und grätschte den Ball ins Aus. "Ich habe dir doch gesagt, du sollst abspielen!", rief Bastian gereizt. Cedrick führte den Einwurf aus, Morten schnappte sich die Kugel und tanzte zwei Gegenspieler locker aus. "Das ist meine Chance!", schoss es durch Malins Kopf, als sich vor ihr eine Lücke auftat. Morten gab ihr ein Handzeichen, dass sie nach vorne laufen sollte und spielte ihr den Ball in den Lauf. Jetzt war nur noch der Torwart zu bezwingen. Malin ging zwei Schritte weiter und spitzelte das Leder in das rechte Toreck. "Bravo, das hätten Cristiano Ronaldo und Thomas Müller auch nicht besser hinbekommen", lobte Morten und klatschte sie ab. Mareike zeigte mit dem Daumen nach oben und raunte ein leises "Gut gemacht" in ihre Richtung. 

 

"Seht euch an, wie die sich freut", raunte Sophia Franziska zu. "Nur weil sie ein popeliges Tor geschossen hat", ergänzte Franziska. "Das auch nur, weil Morten ihr den Ball vor die Füße gelegt hat", meinte Lucy. "Schließlich spielen Lucy und ich viel besser. Denn wir haben jahrelang im Verein gespielt", behauptete Lisa-Marie. Ihre Zwillingsschwester nickte eifrig. Die Freundinnen steckten ihre Köpfe zusammen. Das Einzige, was zu hören war, war ihr tuschelndes Geläster. Kurz darauf brach ein ohrenbetäubendes Gelächter los. Malin war es in dem Moment egal, was über sie geredet wurde und zog sich seelenruhig an. Wenigsten war Morten auf ihrer Seite. Sie wartete einen Moment bis die Zicken die Umkleidekabine verließen. "Mach dir nichts draus, Sophia ist nur eifersüchtig, weil du die Aufmerksamkeit von Morten bekommen hast", sagte Mareike zu ihr. Gerade als Malin etwas erwidern wollte, war ihre Mitschülerin durch die Tür verschwunden. "Kann ich gleich abschließen?", Herr Richter steckte seinen Kopf in die Umkleide. "Ja, sofort", erwiderte sie. Malin sputete sich und packte mit hochrotem Kopf ihre Sachen in die Umhängetasche. 

 

Einen Tag später schlenderte sie alleine durch die Innenstadt. Sie wollte in diversen Läden schauen, welche Kleidung gerade in war. Ihre Mutter hatte ihr 70€ mitgegeben, da sie seit langen keine neuen Klamotten gekauft hatte. Malin fand ebenfalls, dass es Zeit für schickere Klamotten war. Ihre Mutter war davon überzeugt, dass sie durch einen modische Stlyle beliebter in der Klasse sein würde, doch Malin selbst glaubte das nicht. Trotzdem sagte sie nicht nein zu neuen Sachen. Schnell wurde sie fündig und kaufte sich ein blaues Kapuzenshirt, welches um 20% reduziert war. Die nächsten Schnäppchen ließen nicht viel länger auf sich warten. Ein weißes T-Shirt mit einer roten Aufschrift, ein Seidenschal, ein dünner Überziehpulli und eine dunkelblaue Röhrenjeans landeten ebenfalls in ihrer Einkaufstache. Am Ende hatte sie noch sechs Euro übrig. Da die Eisdiele vor ihren Füßen lag, gönnte sie sich eine große Eiswaffel mit ihren Lieblingseissorten Joghurt, Mango und Erdbeere. Während sie ihr Eis genoss, beobachtete sie die Menschen, die an ihr vorbei zogen. Vor ihr tauchten Sophia, Merve und Franziska auf. Diese Mädchen hatten ihr gerade noch gefehlt. Doch zum Glück hatten die Zicken sie nicht gesehen. Malin atmete erleichtert auf und ging weiter. Eine Straße weiter tauchte Morten aus heiterem Himmel vor ihr auf. Ihr Herz begann um Einiges schneller zu schlagen. Er wartete vor einem Einkaufszenter und starrte auf sein Handy. Ein Mädchen mit hellblonden kurzen Haaren kam auf ihn zu und umarmte ihn. Malin erstarrte und spürte, wie ihr Herz sich schmerzhaft verkrampfte. Seit wann hatte er eine Freundin, von der sie nichts wusste?

 

Als sich Malin wieder bewegen konnte, nahm sie ihre Beine in die Hand und rannte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Nie wieder wollte sie einen Blick auf dieses glückliche Pärchen werfen. Einen Moment später hielt sie sich keuchend die Seiten. Zu ihrem Entsetzen rannen ihr Tränen über die Wangen. "Ich werde sowieso nicht schöner, dadurch dass ich mir neue Klamotten kaufe", dachte sie voller Kummer und schluchzte auf. Wieso musste alle Jungs, die gut aussahen, schon vergeben sein? Hätte sie einmal die Chance gehabt, ihn zu kriegen, hätte sie alles Menschenmögliche getan, damit sie sein Herz eroberte. Nun war es so, dass er diese verdammte Blondine hatte, die zudem noch super aussah. Noch besser als Sophia. Malin kam sich dagegen klein und hässlich vor. Nicht einmal durch eine Schönheits-OP sähe sie halb so gut aus, wie Mortens Freundin. "Mach dir bloß, keine Hoffnung, dass du ihn kriegst", sagte eine innere Stimme zu ihr. 

4. Herzklopfen

An einem lauen Maiabend ging Malin joggen und hörte dabei ihren Lieblingssong auf Dauerschleife. Auf dem Bolzplatz in der Nähe ihrer Siedlung war Hochbetrieb. Bälle wurden hin und her geschossen. Plötzlich landete ein Ball direkt vor ihren Füßen. Sie wollte ihn wieder holen. "Lass schon, ich hole ihn selber", hörte sie eine bekannte Stimme hinter sich. Hinter ihr stand Morten im BVB-Trikot, der ihr einen tierischen Schrecken einjagte. "Ich...ich wollte...nur...den Ball", stammelte sie verlegen und knetete ihre Hände. "Ach, macht nichts, trotzdem danke", erwiderte er und lief wieder auf dem Platz. Das war das erste Mal, dass sie wieder mit ihm gesprochen hatte, seitdem sie ihn im letzten Monat mit seiner Freundin in der Stadt erwischt hatte. Malin flocht sich kleine Zöpfe in ihre Haare, dies tat sie immer, wenn sie verlegen oder verunsichert war. 

 

Malin beschloss sich auf eine Bank zu setzen und den Jungs beim Spielen zu zusehen. Am liebsten hätte sie mitgespielt, doch das kam auf gar keinen Fall in Frage. Morten legte sich rund fünfzehn Meter vor dem Tor den Ball zurecht und nahm drei Schritte. Mit der Präzision eines Cristiano Ronaldos zirkelte er das Spielgerät in das obere linke Eck. "Hamma!", entfuhr es einem jüngeren Jungen, der erst zwölf oder dreizehn war. Morten trat noch mal an, diesmal schnitt er den Ball an, sodass er sich ins Tor drehte. "Morten vor, noch ein Tor!", rief ein schlacksiger Junge. Den dritte Freistoß verzog er dermaßen, sodass er nur einige Zentimeter an Malins Kopf vorbei zischte und im Gebüsch landete. Das war ihre Chance. Sie sprang von der Bank auf und krabbelte ins Gebüsch. Autsch, da war eine Brennessel, die sie nicht gesehen hatte. Egal, Malin blendete den stechenden und juckenden Schmerz aus und kämpfte sich vorwärts. Mit einem Lächeln und dem Ball in der Hand tauchte sie vor den Jungen auf. Morten bedankte sich höflich. "Möchtest du mitspielen?", fragte ein Junge. "Übrigens das ist Ron, er ist erst dreizehn Jahre alt", stellte Morten seinen jüngeren Bruder vor. Ron kickte Malin den Ball vor die Füße. "Los, schieß!", rief der Torwart herausfordernd. "Wie ging das nochmal?", überlegte sie und versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, wie Morten die Freistöße geschossen hat. Drei Schritte Anlauf und dann mit voller Kraft gegen den Ball treten. Malin nahm fünf Schritte Anlauf und traf den Ball mit ihrer Zehenspitze. Aua, das tat weh! Der Ball rollte kläglich hinters Tor. 

 

"Du musst den Ball mit der Innenseite des Fußes treffen und das schaffst du, indem du den Fuß ein wenig außen drehst", gab ihr Morten den Tipp und zeigte es ihr noch einmal ganz langsam. "Mit der Pike muss wohl ziemlich schmerzhaft sein", bemerkte Ron. Malin lächelte gequält und versuchte es ein zweites Mal. Diesmal sah es schon viel besser aus. Der Ball kam halbhoch, doch für den Torhüter war es kein Problem ihn abzuwehren. "Du machst schon Fortschritte!", lobte Morten und strich sich durch seine verschwitzen Haare. Malin strahlte über beide Backen. Seitdem Morten hier wohnte, war das Leben in dem kleinen Kaff viel besser geworden. Zwar redeten sie nicht viel miteinander, doch sie mochten sich gegenseitig. Malin hätte sich beißen können, weil sie zu schüchtern war, ihm persönliche Fragen zu stellen oder ihn in ein Gespräch zu verwickeln. "Morten, wir müssen nach Hause, Mama wollte um halb Neun Spagetti für uns kochen und in zehn Minuten müssen wir da sein", rief Ron über den Platz. "Oh, das habe ich ganz vergessen", schreckte Morten auf und schnappte sich den Ball. "Tschüss, wir sehen uns morgen in der Schule", sagte er hastig zu Malin und machte sich mit seinem kleinen Bruder davon. Malin war immer noch vor Freude ganz beschwingt und trat leichtfüßig den Heimweg an. Schon im Vorgarten vernahm sie den Geruch vom Tortelliniauflauf und bekam sofort einen riesigen Appetit. 

 

In der Schule war es immer das Gleiche, Morten und Malin redeten kaum miteinander. Morten hing viel mit Alex, Daniel und Simon herum, während Malin die Pausen meist ganz alleine verbrachte. Sophia malte sich immer noch Chancen bei Morten aus. "Er hat schon eine Freundin, falls du es noch nicht gewusst", wagte Malin es in einer Fünfminutenpause Sophia direkt ins Gesicht zu sagen. "Woher willst ausgerechnet du es wissen?", kniff Sophia ihre Augen zusammen. "Ich habe ihn mit seiner Freundin in der Stadt gesehen", erwiderte Malin. "Aha, dabei kennst du ihn gar nicht und wahrscheinlich hast ihn mit einem anderen Jungen verwechselt", sagte Franziska schnippisch und warf kokett ihre langen rotblonden Haare in den Nacken. "Als ob ich ihn mit einer anderen Person verwechseln würde", entfuhr es Malin empört. "Du meinst wirklich, er hat schon eine Freundin?", mischte sich Isabelle ein und schaute Malin misstrauisch an. "Wie oft muss ich es noch sagen", wurde sie patzig. "Hey, nun beruhig dich, fang doch keinen Streit an", kam Merve herbei. Malin presste ihren Lippen zusammen und funkelte die Mädchen böse an. Es machte keinen Sinn mit ihnen zu reden. Herr Sievers kaum mit einem Stapel Vokabelhefte herein, die bei sich auf das Pult sausen ließ. "Good morning, everybody!", begrüßte er seine Klasse. "Good morning, Mr. Sievers!", antwortete ein müder Schülerchor. "I'll give you back your vocabulary tests, but I'm not content with your results. Many of you must learn better", fuhr er fort während er die Hefte austeilte. Schließlich kam er zu Malins Tisch. "Well done!", sagte er und legte ihr das Heft hin. Neugierig blätterte sie in ihrem Heft. Eine Eins Minus! Von den zwanzig Wörtern und Sätzen hatte sie nur zwei verkehrt. 

 

Mitten in der Stunde wurden Daniel und Morten beim Reden erwischt. Herr Sievers ließ wütend seine Faust auf den Tisch knallen und hielt ihnen eine Standpauke. "Morten, es ist besser, du sitzt dich nach vorne neben Malin und zwar für den Rest des Jahres. Dir tut es nicht gut, dass du so weit hinten sitzt", sagte er. Morten packte seine Tasche und setzte sich zwei Reihen nach vorne neben sie. Malin spürte ein Kribbeln im Bauch, was sonst noch nie so stark da gewesen war. Nervös knetete sie ihre Finger und flocht sich einen Zopf in ihr Haar. "Die Stunde geht nur noch fünfzehn Minuten und ihr könnt mit der Berichtung des Testes anfagen", wandte sich Herr Sievers an die Klasse. Malin war mit der Berichtung schnell fertig, schließlich musste sie nur zwei Wörter dreimal richtig und korrekt hinschreiben. "Darf ich mal sehen", raunte er ihr zu. "Klar doch!", erwiderte sie mit einem zarten Lächeln auf den Lippen und schob ihm ihr Heft hin. "Ich bin wirklich keine Leuchte in Englisch", gab er zu. Malin schaute ihm über die Schulter und wies ihn jedes drauf hin, wenn er sich wieder verschrieb. Herr Sievers verteilte kurz vor dem Klingeln ein Arbeitsblatt, welches sie zuhause machen sollten. Morten stupste sie seicht von der Seite an. "Wie geht das?", wollte er wissen. Malin erklärte es ihm in Ruhe und diktierte ihm die ersten fünf Lösungen. "Vielen Dank, wenn du mir so gut in Englisch hilfst, kann ich das Gleiche für dich in Mathe tun", bot er an und rückte näher an sie heran. In Malins Bauch flatterten so viele Schmetterlinge, das man sie bereits nicht mehr zählen konnte. 

 

"Das ist ja widerlich, jetzt schleimt sie sich richtig bei Morten ein", fauchte Sophia wütend und feuerte einen zusammengeknüllten Zettel in Malins Richtung, der auf Antonias Tisch landete. "Was soll das? Könnt ihr den Kinderkram nicht lassen?", fauchte Antonia und funkelte Sophia mit ihren dunklen Augen an. "Sorry, dich wollte ich nicht treffen", entschuldigte sich Sophia und setzte ein hyperfreundliches Lächeln auf. "Aha!", Antonia verdrehte die Augen und ging nach draußen in die Pause. "Kommt, raus mit euch!", scheuchte Herr Sievers die letzten Schüler nach draußen. Malin bewaffnete sich mit einem Stift, einem Block und einen Block. Sie suchte sich in der Pausenhalle einen Tisch, an dem sie ungestört arbeiten konnte. Sie arbeitete den Aufgabenzettel jetzt schon ab, damit Morten gleich in der Geschichtsstunde die Lösungen von ihr abschreiben konnte. Als die Zwillinge und Isabelle vor ihr entlang liefen, versteckte sie ihre Arbeitsmaterialien lieber, bevor die Mitschülerinnen sie wieder bei Sophia anschwärzen konnten. Schließlich versorgten ihre besten Freundinnen die Cliquenqueen ständig mit den neusten Gerüchten und dem aktuellsten Klatsch.

 

Malin konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche, um noch vor dem Gong fertig zu werden. Sie schrieb so schnell, dass ihre Hand anfing zu schmerzen. Zusammen mit dem Gongschlag brachte sie den letzten Satz auf das Papier. Glücklich klemmte sie sich ihre Sachen unter den Arm und machte sich auf den Weg zum Klassenzimmer. Malin überreichte ihrem Schwarm voller Freude das Arbeitsblatt und die dazu gehörigen Lösungen. "Danke, du bist ein Schatz!", flüsterte er dankbar lächelnd, "Ich habe gleich wieder zwei Stunden Training und ich hätte es garantiert nicht geschafft, einen Berg Englischhausaufgaben zusätzlich zu machen" Hinter ihrem Rücken vernahm Malin wieder fieses Getuschel über sie und Morten, doch dieses Mal griff Frau Weißenburg durch und schickte Sophia und Franziska mit einer Strafarbeit vor die Tür. "Bitte holt den Zettel raus, den ich euch kurz vor Ende der letzten Stunde augeteilt habe", fuhr die Geschichtslehrerin unbeirrt fort. 

5. Eine Offenbahrung

Donnerstag waren häufig "Scheißtage", besonders dieser war zum Vergessen. Es regnete junge Hunde, Malin bekam eine Vier Minus in Physik wieder, musste sich ständig das Gelästere der Zicken anhören und legte sich während einer Gruppenarbeit mit Merve an. Zu allem Überfluss schien Morten sich heute gar nicht für sie zu interessieren und behandelte Malin wie Luft. Immer wieder traten ihr Tränen in die Augen, die sie sich mühsam wegbiss. Vor ihrem Schwarm in Tränen auszubrechen, sähe sehr bedürftig und abartig aus. "Vielleicht ist Morten doch ein Arsch wie die anderen Jungen", dachte sie enttäuscht und ärgerte sich, dass sie ihm so viel in Deutsch, Englisch und Latein geholfen hatte. Voller Gram beobachtete sie, wie er mit den anderen Jungs und Sophia herumalberte. Ihr blieb es ein Rätsel, wieso Sophia ihre Finger immer noch nicht von ihm lassen konnte. Es fruchtete nur wenige Tage, dass sie der Oberzicke an den Kopf geworfen hatte, dass Morten bereits vergeben war.

 

Nach der Schule hatte es Malin sehr eilig nach Hause zu kommen. Sie schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr los ohne nach links und rechts zu schauen. "Vorsichtig, pass auf!", hörte sie jemanden schreien. Zu spät, wenige Bruchteile von Sekunden später krachte es und Malin fand sich auf dem Boden wieder. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte vor Schreck angefangen zu weinen. "Hast du dich verletzt?", über ihr tauchte ein bekanntes Gesicht auf. Großartig verletzt hatte sie sich zum Glück nicht. Dennoch brauchte sie einen Moment um einen klaren Gedanken fassen zu können. Genau, das war das blonde Mädchen, welches sie mit Morten zusammen gesehen hat. "Ich kenne dich irgendwo her", sagte Malin langsam und immer noch benommen. "Woher denn?", das blonde Mädchen sah sie verdutzt aus ihren hellblauen Augen an. "Du bist Mortens Freundin", erwiderte Malin. Die Blondine fing herzlich an zu lachen. "Wie kommst du darauf?", gluckste sie. "Ich habe dich mit ihm zusammen vor dem Einkaufszentrum in der Stadt gesehen", antwortete Malin, die sich wunderte, wieso ihr Gegenüber lachte. "Morten ist mein jüngerer Zwillingsbruder, ich bin neun Minuten älter als er", klärte die Blondine sie auf. Malin war baff. "Hat er überhaupt eine Freundin?", fragte sie, als wieder in der Lage war zu sprechen. "Ne, im Moment nicht", verneinte das Mädchen.

 

Mortens Zwillingsschwester hieß Lynn. Malin fand sie auf Anhieb sympathisch. Zu zweit schoben sie ihre Fahrräder nebeneinander her. "Wieso bist du nicht in unserer Jahrgangsstufe?", fragte Malin. "Mein Bruder ist in der achten Klasse einmal sitzen geblieben und seitdem bin ich eine Klasse über ihm", antwortete Lynn, "Er hat schon immer zu viel Fußball im Kopf und kickt in jeder freien Minute. Vor sechs Jahren wurde er von Talentspähern entdeckt, seitdem spielt in einer Nachwuchsmannschaft eines Bundesligisten und in diversen Auswahlteams. Da bleibt natürlich wenig Zeit für Schule" Malin traute sich Lynn mehr zu erzählen als ihrem Bruder. Mädchen waren ihr in vielen Fällen schon immer vertrauter gewesen. "Übringens, Morten hat mir schon erzählt, dass du in der Klasse gemobbt wirst und er findet es sehr unfair", sagte Lynn. "Was hat er noch über mich erzählt?", Malin konnte sich vor Neugierde kaum bremsen. "Nicht viel, außer dass er dich sehr gerne mag", erwiderte Lynn. Malins Herz machte vor Freude Kängurusprünge. "Wir helfen uns in der Schule gegenseitig", erzählte Malin stolz. "Hm, ich habe das Gefühl, du könntest die Richtige für ihn sein", dachte die Blondine laut nach. "Wieso das?", verlegen wickelte sich Malin eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. "Doch natürlich", bestärkte Lynn sie, "Morten hat seit einem halben Jahr keine Freundin mehr, er ist schon mehrmals an die Falschen geraten" "Wie meinst du das?", fasste Malin nach. "Er hatte zwei Freundinnen, die solche oberflächlichen Tussen waren und nur Wert auf ihr Äußeres legten. Morten ging nach einiger Zeit ihr Gehabe auf den Zeiger und deswegen servierte er sie nach wenigen Wochen wieder ab. Ich denke, ihm würde eine Freundin ganz gut tun, denn in ihm existiert nur noch der Fußball und du könntest ihn bestimmt auf andere Gedanken bringen", meinte Lynn. Kurz bevor sich ihre Wege trennten, tauschten die Mädchen ihre Handynummern aus.

 

Daheim machte sich Malin mit Kakao und Keksen einen gemütlichen Nachmittag in ihrem Zimmer und hörte dabei Musik. Sie musste das Erlebte erst einmal verarbeiten. Morten war sie wie ein Puzzle, das sich von Tag zu Tag immer weiter zusammen setzte. Gerade dass machte ihn geheimnisvoll und interessant. Bis vor kurzem fand sie einen Großteil der Jungs laut, oberflächlich, faul und angeberhaft. Morten konnte ihr endlich beweisen, dass Jungs auch anders sein konnte. Ihr war bewusst, dass sie nun doch noch eine Chance bei ihm hatte. "Du musst nur an dich glauben und dann kriegst du ihn", sagte sie leise zu sich selbst. Zudem hatte sie in Lynn ihre erste Freundin in dieser gottverlorenen Kleinstadt gefunden. Auf dem Schreibtisch klingelte ihr Handy. Gerade muss wohl eine SMS herein gekommen sein. Wahrscheinlich kam sie von Frederike oder von Lynn. "Eine Nachricht von unbekannt", stand auf dem Display. Mit einem Mal fühlte sich Malin ziemlich verunsichert, hoffentlich war es keiner aus ihrer Klasse, der sie via SMS fertig machen wollte. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, öffnete sie die Nachricht. "Hey, falls du dich wunderst, ich habe deine Handynummer von meiner Schwester bekommen. Ich soll dich in ihrem Namen fragen, ob es okay ist, dass sie mir deine Handynummer gegeben hat. Lg Morten", las sie sich den Text durch. 

 

Malins Puls beschleunigte sich von null auf hundert, ihr Adrenalinspiegel schoss in die Höhe und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, dass sie einen Marathon laufen konnte. "Morten steht auf mich!", schoss es ihr tausend Mal durch den Kopf. Vor Freude wurde sie ganz hibbelig und tanzte durch ihr Zimmer. Wenig später lies der Adrenalinschub nach und sie setzte sich wieder auf ihr Bett. Es war ihr ein Rätsel, wieso er ausgerechnet auf sie stand. Außer ihr gab es noch dreizehn weitere Mädchen, von denen einige viel hübscher waren als sie. War sein Interesse an ihr ernst gemeint? Es gab Tage, da konnte Malin noch nicht einmal in den Spiegel schauen und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen. Fakt war, das Mobbing und Ausgrenzung sehr an ihrem Selbstwertgefühl nagten. Darüber hinaus durchlief sie seit drei Monaten ein Wechselbad der Gefühle. Verliebtsein hatte sowohl seine Vorteile als auch Schattenseiten. "Meint es es ernst mit mir oder will er mich doch vor den Anderen bloßstellen?", ging ihr durch den Kopf. Zwar war er schon einige Male für sie in die Bresche gesprungen, dennoch waren noch einige Zweifel da. Ließ er sich auf die Seite ihrer Mitschüler ziehen, mit denen er viel zu tun hatte? "Hör auf dich schlecht zu machen und an jeder Person zu zweifeln", schimpfte sie innerlich mit sich selbst. Langsam ging sie sich selber damit auf die Nerven, dass sie hinter jeder Ecke einen Verdacht witterte. "Malin, Abendbrot", hörte sie die Stimme ihrer Mutter aus der Küche. Bevor sie in die Küche ging, antwortete sie auf Mortens SMS. "Maaaliiiin!", kam die Stimme ihres Bruders gedämpft durch die Tür. "Ja, ich komme sofort", erwiderte sie genervt. 

 

Mitten in der Mathematikstunde am nächsten Tag klopfte der Direktor an die Tür. "Ich möchte Morten Jansen für einen Moment vor die Tür bitten", begann er mit seiner tiefen Stimme. Morten sah ihn verdutzt an und folgte ihm kommentarlos nach draußen. Herr Becker ging hinter her. Überall breitete sich leises Getuschel aus. "Wieso wird er zum Schulleiter beordert, dabei hat Morten doch gar nichts angestellt", klang Sophia empört. "Weißt du das?", drehte sich Antonia sich zu ihr um und zog die Augenbrauen hoch. Daniel, Bastian und die übrigen Chaoten stellten absurdeste Vermutung an. "Vielleicht wurde Morten beim Cannabis Rauchen erwischt", scherzte Leon, worauf einige Jungs in albernes Gelächter ausbrachen. "Hey, solche dreckigen Witze über andere Leute sind nicht lustig", redete Linus den Chaoten ins Gewissen.

 

Kurz darauf kamen Morten und Herr Becker wieder in die Klasse. Morten war ganz blass geworden und packte hastig seine Bücher und sein Heft in die Tasche. "Ich muss gehen, meine Eltern warten draußen vor der Tür", sagte er leise. "Soll ich dir heute Abend die Arbeitsblätter vorbei bringen?", bot Malin ihm an. Der Junge nickte stumm und verschwand durch den Türrahmen. "Was hat er?", fragte ein Schüler, der seine Neugierde nicht länger verbergen konnte. "Das darf ich euch nicht sagen, es betrifft Mortens Familie", meinte Herr Becker und fuhr mit der Aufgabenbesprechung weiter fort. In der Klasse wurde weiterhin getuschelt. "Ruhe!", der Mathelehrer ließ seine Faust auf den Tisch donnern. Malin konnte nicht mehr bei der Sache bleiben und handelte sich deswegen einen Rüffel kurz vor Ende der Stunde ein. Es beschäftigte sie immer noch, was nur mit Morten los war. In der Pause machte sie sich auf die Suche nach seiner Zwillingsschwester. Sie endlich der Sache auf den Grund gehen, wieso Morten Hals über Kopf die Klasse verlassen musste. Häufig stand Mortens Zwillingsschwester mit einigen anderen Oberstufenschülern vor dem Eingang der Cafetria. Malins Augen suchten die Menschenmenge angestrengt nach Lynn ab. "Lynn ist gerade nach Hause gegangen", antwortete ein freundlich aussehendes Mädchen, welches Malin gerade nach Lynns Verbleib gefragte hatte. Schließlich gab es nur die Möglichkeit ihre Freundin auf dem Handy zu erreichen. "Mist, nur die Mailbox geht ran!", fluchte sie leise und schlenderte schlechtgelaunt zurück. 

6. Annäherungsversuche

Malin sortierte die Blätter für Morten sorgfältig in eine durchsichtige Klarsichtfolie und stieg auf ihr Fahrrad. Da es schon kurz nach halb Sieben war, musste bei ihnen mittlerweile wieder jemand zuhause sein. Von Lynn wusste sie, wo sie wohnten. Malin brauchte nur drei Straßen weiter zu fahren, bis sie ihr Rad unter einem Carport abstellte. Vor Aufregung begann ihr Herz schneller zu schlagen und ihre Hände wurden feucht, als sie das Podest betrat. Sie drückte auf die Klingel. Es dauerte einen Moment bis Morten kam und die Tür öffnete. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht, das sah Malin sofort. Er hatte geweint. "Hi! Ich wollte dir die Arbeitszettel und die Hausaufgaben bringen", sagte Malin verunsichert. "Danke, das ist nett", sagte er mit belegter Stimme und schniefte erneut. Hinter ihm tauchte seine Mutter auf. "Hallo, du bist Malin, nicht wahr?", freundlich gab sie Malin ihre Hand und bat sie einen Moment mit ins Haus zu kommen. 

 

Schnell erfuhr sie, dass Mortens Opa vorhin im Krankenhaus gestorben ist. "Oh das tut mir sehr leid für euch, mein herzliches Beileid", klang Malin betroffen. Mortens Augen füllten sich wieder mit Tränen. "Macht es euch etwas aus, dass ich in mein Zimmer gehe?", fragte er, "Ich möchte alleine sein" "Geh ruhig", sagte seine Mutter. "Wo ist Lynn?", fragte Malin. "Sie hat sich auf ihrem Zimmer eingeschlossen, ihr geht es nicht gut", antwortete Frau Jansen und schenkte ihnen eine Tasse grünen Tee ein. Während sie tranken, erzählte seine Mutter, dass Morten sehr an seinem Opa hing. "Er ging mit ihm oft angeln und besuchte mit ihm an jedem Wochenende Fußballspiele seine Lieblingsvereines. Sein Opa war früher auch Fußballprofi, daher wissen wir, woher unser Sohn das Talent hat", schilderte Frau Jansen, während sie sich unauffällige die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. "Er spielt wirklich gut", bestätigte Malin, "Niemand aus der Klasse hat eine Chance gegen ihn. Sogar als er einmal vor dem Sportunterricht alleine gegen Simon, Leon und Alex gespielt hat" "Er durfte schon einige Male bei den Profis mittrainieren und wenn er sich weiterhin so gut entwickelt, darf er bald mit den Profis während eines Spieles auf dem Rasen stehen", der Stolz kehrte wieder in Frau Jansens Stimme zurück. Um kurz nach Acht musste Malin wieder nach Hause, da Mama heute Abend kochen wollte. Ein wenig später bekam sie eine SMS. "Ich komme morgen nicht zur Schule, mir geht es wegen Opas Tod nicht gut. Wollen wir Samstag etwas zusammen unternehmen? Halte mich bis dahin auf dem Laufenden, dein Morten", teilte er ihr mit. 

 

Die Nähe zu Morten machte sie stark und ließ ihr Selbstbewusst erblühen. An einem Samstagnachmittag saßen sie zusammen auf einer Bank am See und mümmelten den mitgebrachten Kuchen und Süßigkeiten. Malin schwebte auf Wolke Sieben und rang mit sich selbst, ihm die entscheidene Frage zu stellen. "Willst du mit mir zusammen sein?", brachte sie die Worte mit höchster Anstrengung über die Lippen. "Klar, warum nicht?", lachte er und drückte sie an sich. Malin legte ebenfalls ihre Arme um seinen durchtrainierten Oberkörper und atmete seinen Geruch tiefer ein. "Wollen wir baden gehen?", stupste er sie nach einer Weile an, nachdem sie fast in der heißen Sonne eingeschlafen sind. "Ich bin zu träge", brummte Malin und lehnte sich zurück. Mit halb geöffneten Augen sah sie, wie er sein T-Shirt auszog und mit nacktem Oberkörper ins Wasser lief. Malin zögerte einen Moment, bis sie ebenfalls ihr T-Shirt und ihre Shorts auszog und ihm folgte. "Ahh, ist das kalt!", quiekte sie, als sie ihren rechten Fuß ins kühle Nass setzte. "Aber dafür schön erfrischend", kam es von Morten. Wie ein Storch watete sie sie durch das wadentiefe klare Wasser. "Komm, komm, komm, komm!", lockte er und fing an Wasser in ihre Richtung zu spritzen. "Nein, lass das!", Malin drehte ihm reflexartig den Rücken zu. Im nächsten Moment griff Morten nach ihrem Arm und zog sie an sich. Was hatte das zu bedeuten?

 

"Du bist ein wunderbares Mädchen!", flüsterte er ihr ins Ohr und umfasste sie zärtlich. Malin spürte ein starkes Kribbeln im Bauch, als sie seinen durchtrainierten Oberkörper berührte. Sollte sie ihm jetzt sagen, wie sehr sie in ihn verliebt war? Eigentlich brauchte sie das nicht mehr. Inzwischen war aus einer lockeren Freundschaft mehr geworden. Es fühlte sich beinahe schon an wie eine Beziehung. "Lass uns eine Runde schwimmen", schlug Morten vor und ließ sich in das kühle Wasser fallen. Malin zögerte einen Moment, bis sie seinem Beispiel folgte. Nach einem kurzen Schock gewöhnte sich ihr Körper an die neue Umgebungstemperatur. Er forderte sie einem Wettrennen heraus. Selbstverständlich hatte gegen eine Sportskanone wie ihn keine Chance, doch beim dritten Rennen ließ er sie fairerweise einmal gewinnen. Nach dem sie sich eine Dreiviertelstunde verausgabt hatten, kamen sie wieder an Land. "Das müssen wir öfter machen", sagte er keuchend. Malin war ebenfalls aus der Puste und legte sich zum Trocknen auf ihr Handtuch in die Sonne. Morten hockte sich neben sie und fuhr ihr durch ihre rotbraunen Locken. "Du bist eine wundervolle Freundin!", hörte sie ihn leise sagen. "Wie meinst du das?", stutzte sie und setzte sich aufrecht hin. "Ich mag dich total gerne, weil du einzigartig und hübsch bist. Du bist nicht so oberflächlich wie Sophia und die anderen blöden Puten", versuchte ihr zu erklären. Malin schaute ihm tief in die Augen und glaubte ihn ertappt zu haben. Sonst wirkte er nie so verlegen wie jetzt. 

 

Nach dem sie sich einen Moment ihr Gehirn in der Hitze zermattert hatte, traute sie sich ihm zu fragen, ob er sich mehr vorstellen könnte als Freundschaft. "Klar, wieso nicht?", erwiderte er und rückte dicht an sie heran. Malin schloss ihre Augen und legte ihren Kopf auf seine starke Schulter. Durch drei tobende Kinder wurden sie aus ihren Gedanken gerissen. "Schaut mal dort, da sitzt ein junges Liebespaar", krakelte ein kleines spindeldürres Mädchen und langen dunklen Zöpfen. Ihre beiden Freunde begannen hinter vorgehaltenen Händen zu kichern. "Kinder!", genervt verdrehte Malin die Augen. "Ach, mach dir nichts draus!", schmunzelte Morten und gab ihr bei dieser Gelegenheit den ersten leichten Kuss auf die Wange. "Er hat mich wirklich geküsst!", schoss es ihr durch den Kopf und ihr Puls beschleunigte sich vor Glück um das Doppelte. "Liebespaar, Liebespaar, Liebespaar!", fingen die Kinder an zu singen. "Wollt ihr eine kalte Dusche?", rief Morten ihnen laut zu. Sofort verstummte die Kinder wieder und verzogen sich zum Baden an eine andere Stelle des Sees. Morten küsste sie erneut, aber diesmal erwiderte Malin seinen Kuss. "Ich liebe dich!", hauchte sie. "Ich dich auch!", erwiderte sie. Einen Moment später schreckte Malin auf und zog in Windeseile ihre Kleidung an. "Was ist nur in dich gfahren?", wunderte sich Morten. "Ich habe ganz vergessen, dass wir um acht Uhr Abendbrot essen und nun haben wir es schon fünf nach acht", sagte sie. "Reißen dir deine Eltern den Kopf ab, wenn du eine Viertelstunde zu spät kommst?", erwiderte er. "Nein, das nicht, aber begeistert davon sind sie auch nicht, zumal ich vorher nicht bescheid gesagt habe", meinte Malin.

7. Mortens großer Tag

Malin und Morten trafen sich nach dem Date am See mindestens dreimal pro Woche. Auch den Mitschülern entging es nicht, dass sie seit fast einem Monat zusammen waren. Sophia konnte ihre Eifersucht nur schwer verstecken und versprühte mit ihren Freundinnen erneut Gift. "Bist du wirklich sicher, dass du mit Malin zusammen bist?", fing Sophia Morten nach der letzten Stunde vor dem Klassenraum ab. "Wieso das?", stutzte er. "Ist es dir entgangen, dass deine liebe Freundin in der letzten Pause mit Ben geflirtet hat?", bekräftigte Isabelle. "Oh ja, das hat sie und das tut Malin nicht zum ersten Mal", warf Lisa-Marie ein. "Hä, das kann gar nicht sein", schüttelte Morten entrüstet den Kopf. "Wenn du es mir nicht glauben, ich bin Zeugin von diesem Vorfall", rief Lucy laut dazwischen. "Malin knutscht in Zwischenzeit fast jeden Jungen dieser Schule", setzte Merve obendrauf. 

 

Malin, die das ganze Szenario aus ein paar Metern Entfernung beobachtet hatte, stockte der Atem. Versuchten ihr die gemeinen Ziegen nun Morten wegzunehmen, damit Sophia, die Cliquenqueen, ihn für sich hatte? Bei diesem Gedanken wurden ihre Augen feucht. "Nein, sowas tut sie nicht. Außerdem habe ich keine Zeit mich mit euch zu unterhalten. Ich habe gleich Training und mein Vater holt mich ab", hörte sie ihn sagen. Malin brach vor Erleichterung fast in Tränen aus, als Morten der Mädchenclique den Rücken zudrehte. Nun steuerte Franziska schnurstraks auf sie zu. "Ich glaube, dass Morten eine Andere liebt", begann Franziska mit ihrer hohen Säuselstimme. "Das stimmt nicht", sagte Malin mit zugeschnürter Kehle. "Sophia hat durch eine Freundin aus unserer Parallelklasse heraus gefunden, dass er inzwischen mit Inka aus der elften Klasse geht", meinte Franziska. "Du lügst!", zischte Malin, "Ich weiß ganz genau, dass Inka einen anderen Freund hat. Schließlich ist meine Freundin Lynn mit ihr befreundet und dadurch kenne ich sie" Diese Antwort machte Franziska einen Moment mundtot. "Aber, er...", setzte sie erneut an. "Nein, er liebt keine Andere und nun lass mich gefälligst in Ruhe", fuhr Malin ihrer Feindin über den Mund und drehte sich auf dem Absatz um. 

 

Zwei Wochen vor den Sommerferien spielte die Schulmannschaft bei der Stadtmeisterschaft mit. Morten war selbstverständlich dabei und er übernahm die Rolle als Kapitän, obwohl es einige Spieler gab, die noch älter waren als er. Malin und ihre Mitschüler standen bei jedem Spiel am Spielfeldrand und feuerten ihre Spieler an. Alle Vorrundenspiele und das Viertelfinale wurden dank der vielen Tore von Simon, Adrian und Morten gewonnen. Heute brannte die Sonne genadenlos auf die Spieler herab, die sich keuchend über den Platz schleppten. Selbst Morten, der sonst immer besonders leichtfüßig und ballgewandt war, schien sehr schwerfällig zu sein. Bis jetzt hatte er noch zu keinem Turbodribbling angesetzt und tauchte noch nicht gefährlich vor dem gegnersichen Tor auf. Die Gegner hatten ebenfalls noch keine gute Gelegenheit. Als der Halbzeitpfiff ertönte, stand es 0:0. Beide Mannschaften trotteten in Richtung Kabine. "Mann, ist das ein langweiliges Spiel!", machte ein Zuschauer hinter Malins Rücken eine abwertende Bermerkung. "Der Eisverkäufer, der durch die Reihen geht, ist immerhin die größte Attraktion", bestätigte der Gesprächspartner. 

 

Zehn Minuten nach Wiederanpfiff bedeckte sich der Himmel und zunächst begann es leicht zu nieseln. Die Erfrischung vom Himmel rüttelte die Spieler beider Mannschaften wach und das Spiel nahm an Fahrt auf. Ein Freistoß der Gegner krachte gefährlich an die Latte und einmal war es der Torwart, der ihre Schule vor einem Rückstand bewahrte. Morten lief sich auf der rechten Seite frei und gab dem ballführenden Spieler ein Handzeichen, dass er abspielen sollte. "Morten vor, noch ein Tor!", schrieen sich Sophia und ihre Mädchenclique die Lungen aus dem Leib. Malin behielt ihren Freund gut im Auge. Er umdribbelte zwei Abwehrspieler auf einmal und passte den Ball zurück zu Simon. Der gegnerische Torwart kam raus und Simon legte den Ball auf Morten ab. Dieser brauchte nur mit einer einfachen Körpertäuschung an einem Verteidiger vorbei zu kommen und drosch das Spielgerät mit voller Wucht in die Maschen. Das war das 1:0! unter den dreihundert Zuschauern brach euphorischer Jubel aus. Sofort rannten Mortens Mitspieler auf ihn zu und umarmten ihn stürmisch. "Nur noch eine Viertelstunde zu spielen", raunte ein Lehrer neben ihr. Die Spieler konzentrierten sich in den letzten Minuten besonders auf die Devensive, denn die Gegner waren angriffslustig wie eh und jeh. Wenn ein Spieler den Ball verlor, leitete die Gäste einen Konter ein und tauchten brandgefährlich vor dem Tor auf. Glücklicherweise ließ die Abwehr im Strafraum nichts anbrennen, so dass die beiden gegnerischen Stürmer kein Durchkommen hatten. Der Schlusspfiff beendete ein hart umkämpftes und bis zuletzt spannendes Spiel. Die Fans rannten auf das Spielfeld, um ihre Spieler zu beglückwünschen. "Wir werden euch im Finale sehn, euch im Finale sehn", sang eine fünfköpfige Fangruppe und stieß mit Bierdosen an. 

 

Malin kämpfte sich durch die Menschenmassen und hielt Ausschau nach ihrem Freund. "Hier bin ich!", winkte er ihr zu und drängelte sich an zwei Lehrern vorbei. "Du warst spitze!", lobte sie ihn und fiel ihm um den Hals. "Finale ohoho, Finale ohoho!", sangen einiger seiner Mitspieler und schlossen Morten von hinten mit in die Gruppenumarmung ein. "Ihr seid spitze gewesen! Viel Glück für das Finale morgen", rief ihnen ein Schüler aus Malins Parallelklasse zu. Morten wandte sich wieder Malin zu und schlang seine Arme um sie. Sanft streichelte sie über seinen nassgeschwitzten Rücken. Dann folgte ein langer leidenschaftlicher Kuss. Zunächst fühlte es sich ein wenig ungewohnt an, ihn vor allen Leuten zu küssen, gleichzeitig war Malin stolz darauf es ihren Mitschülern zu beweisen, dass sie und Morten zusammen gehörten. Hinter dem Paar baute sich Sophia mit Franziska und den Zwillingen auf. "Wusste ich es doch!", die Cliquenqueen konnte ihren Frust nicht verbergen. 

 

Morten lud Malin nach dem Spiel zu sich nach Hause ein. "Mama kocht heute groß für uns und so langsam bekomme ich einen gewaltigen Kohldampf", sagte er zu ihr auf dem Lehrerparkplatz. "Ich bin in einer Stunde bei dir!", rief sie ihm hinterher als er ins Auto stieg. Malin radelte nach Hause und stellte sich sofort unter die Dusche. Es war ihre erste richtige Einladung von ihm. "Was soll ich nur anziehen?", grübelte sie zehn Minuten lang und inspektierte ihren Kleiderschrank. Schließlich entschied sie sich für einen dunkelblaues Kleid und dazu ein smaragdgrünes Top. Nur was sollte sie mit ihren Haaren machen? Malin probierte eine Frisur nach der anderen aus, doch sie war nicht zufrieden. Sie nahm ein einfaches Haargummi und band ihre wilden Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Mit ein wenig Schminke peppte sie ihr Aussehen auf und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Perfekt! So konnte man ausgehen!

 

"Wow, du siehst klasse aus, ganz anders als sonst", empfing Morten sie an der Haustür. Inzwischen hatte er sein Fußballdress gegen eine karierte Shorts und ein weißes T-Shirt getauscht. "Danke!", murmelte Malin lächelnd und folgte ihm in den Garten. Es wurde gegrillte. Sofort drang ihr der Geruch von Würstchen und Steaks in die Nase. Die gesamte Familie saß auf der Terasse. Lynn sprang auf und umarmte Malin kurz. "Das Spiel war wirklich erste Sahne", eröffnete Mortens Zwillingsschwester das Gespräch. "Das ist war und wir haben nur wegen Morten gewonnen", pflichtete ihr Malin bei. "Das ist nicht ganz wahr", schüttelte Morten den Kopf, "Unser Torwart und unsere Verteidiger haben auch gute Arbeit geleistet, sonst hätten wir zum Ende hin noch ein oder zwei Gegentreffen kassieren können" "Typisch Morten, er denkt immer so kameradschaftlich", flüsterte Lynn in Malins Richtung. "Hey, die ersten Würstchen sind fertig und wenn ihr nicht kommt, esse ich sie alle alleine", rief Ron. Dies ließen sich Malin, Morten und Lynn nicht zweimal sagen und saßen in Null komma nichts am Tisch. Es wurde ordentlich zulangt. Auch Malin und Lynn, die keinen großartigen Sport getrieben haben, luden sich einen großen Berg Kartoffelsalat und mehrere Scheiben Kräuterbaguette auf ihre Teller. Nebenbei unterhielten sie sich leise. Morten und Ron waren viel zu sehr mit dem Essen beschäftigt, um mitzureden.

 

"Mögt ihr noch eine zweite Wurst?", fragte Herr Jansen, der mit seinem Teller um den Tisch lief. "Papa, ich bin noch nicht einmal mit meiner ersten Wurst fertig", erwiderte Lynn mit vollem Mund. Malin war nach einer Wurst und einem Stück Fleisch satt. Es blieb ihr ein Rätsel, wie die Jungs ohne Mühe drei Würstchen und mehrere Stücke Fleisch verdrücken konnten, ohne dass ihnen schlecht wurde. Plötzlich sprang Lynn auf und lief ins Haus. Sie kam mit einer Gitarre wieder. Leise summend stimmte sie ihr erste Lied an und ließ ihre schöne klare Stimme erklingen, die sehr gut zum Sonnenuntergang und dem Zirpen der Grillen passte.

 

 

8. Sophias Neidattacke

Am nächsten Tag fehlten Morten und zwei weitere Jungs aus der Klasse. Das Finalspiel fand vormittags statt. Für Malin fühlte es sich ungewohnt an, dass der Platz neben ihr frei blieb. Hinter ihrem Rücken hörte sie das Getuschel von Sophias Clique. "Kaum ist ihr Liebling weg, hat sie keinen, der mit ihr redet", lästerte Merve halblaut. "Wer will sich mit der schon abgeben? Die verliert doch sofort ihre Sprache, wenn man sie von der Seite anspricht", kam ein Kommentar von den Zwillingen. Lisa-Marie und Lucy griffen ihrer Cliquenqueen unter die Arme, wo es auch nur ging. Sophia sah immer noch unglücklich aus und vermied es, in Malins Richtung zu schauen. Schließlich war es schmerzhaft genug gewesen, dass Morten Malin direkt nach dem Spiel geküsst hatte und das auch noch vor ihren Augen. Herr Sievers, der gerade einen Satz an die Tafel schrieb, warf den Mädchen einen mahnenden Blick zu. "Ich kann euch noch mehr mehr Hausarbeit über das Wochenende aufgegen", sagte er ruhig.

 

In der dritten Stunde erfuhr die Klasse während des Erdkundeunterrichtes, dass Kunst ausfiel. Malin jubelte innerlich, so konnte sie schon nach der vierten Stunde nach Hause. Da das Wetter wieder gut war, würde sie vielleicht mit Lynn zum See laufen und schwimmen. Die Doppelstunde Erdkunde ging recht schnell vorüber, da sie sich eine Dokumentation über den Himalaya anschauten. Nach der Schule wartete Malin an der Bushaltestelle. Sie musste mit dem Bus fahren, da ihr Fahrrad seit gestern einen Platten hatte. Ihr Magen zog sich zusammen, als Sophia mit ihren Freundinnen auftauchte. Diese Zicken hatten ihr gerade noch gefehlt! "Jetzt hast du Morten endlich für dich!", zischte Sophia und brachte ihr Gesicht bedrohlich nah an das von Malin. Ela und ein paar ihrer Freunde sprangen ohne Vorwarnung aus dem Gebüsch. Ela hatte ihre weißblonden Haare zu Zöpfen geflochten und ein ein hautenges türkises Top. Sie wirkte wie eine Kampfzwergin, als sie auf Malin zu steuerte und sie gegen sie stieß. "Lass mich gefälligst in Ruhe, sonst kannst du etwas erleben", packte Malin Ela an den Schultern und schüttelte sie kräftig. "Wenn du nicht sofort deine dreckigen Hände von meiner Schwester nimmst, kannst du etwas erleben!", schrie Sophia Malin unmittelbar ins Gesicht und verpasste ihr eine Ohrpfeige. 

 

Zwei der Siebtklässler packten Malin an den Armen und drückten sie gegen die Wand des Wartehäuschens. "Wenn ihr mich nicht los lasst, melde ich das dem Schulleiter", drohte Malin, dessen Stimme vor Wut zitterte. "Aha, du willst wirklich petzen gehen?", höhnte ein junger Türke und umschloss ihren Arm so doll, dass sie vor Schmerzen ihr Gesicht verzog. Ein blonder Junge nahm wenige Schritte Anlauf und trat ihr mit voller Wucht in die Seite, sodass sie ihr Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Tränen quollen aus Malins geschlossenen Augen hervor. "Nun hast du keinen Liebling namens Morten, der dir aus der Patsche hilft", bemerkte Franziska mit einem fiesen Lächeln. "Hey, nun lasst sie aufstehen und gehen", ging Lucy dazwischen, die die Ruhigere und Vernünftigere der Zwillinge war. Benommen rappelte sich Malin auf. Alles herum drehte sich und sie konnte sich nur schwer auf ihren Beinen halten, denn die Erdanziehungskraft wollte sie erneut zu Boden ziehen. Franziska stellte ihr ein Bein und Elas Freundin Maja schubste sie kurz vor dem Fallen gegen die Wand. Mit voller Wucht prallte Malin mit dem Kopf gegen eine Kante. Nach weniger als fünf Sekunden wurde ihr schwarz vor den Augen und sie verlor ihr Bewusstsein. "Alle drauf!", raunte Ela den Beteilligten zu. Die beiden Jungs und zwei von Elas Freundinnen begannen auf die bewgungslose Malin einzuprügeln. Sophia nutze die Chance, um Malin kräftig in den Rücken zu treten. Ein Radfahrer hielt mit quietschenden Bremsen an der Bushaltestelle an. "Ihr lasst das Mädchen in Ruhe und zwar sofort!", ertönte seine tiefe Bassstimme. Er zückte das Handy, um den Krankenwagen oder die Polizei zu rufen. Die Beteilligten ergriffen panisch die Flucht und rannten wild durcheinander über die Straße. Malin lag immer noch bewusstlos auf dem Boden. Sie bekam nicht mit, wie der Mann sie versorgte und den Krankenwagen rief. 

 

Malin musste wohl mehrere Stunden geschlafen haben, als sie in einem weißen Raum aufwachte. "Wo bin ich denn bloß?", dachte sie und wurde unruhig. "Ganz ruhig, du bist nur im Krankenhaus", hörte sie die bekannte Stimme von Morten, der vorsichtig ihre Schulter berührte. "Au!", entfuhr es ihr. Ihr gesamter Körper war von Prellungen und blauen Flecken übersäht und um den Kopf trug sie einen dicken Verband. Hinter Morten tauchte die Gesichter Lynn und Frederike auf. "Fredie, wo kommt du her?", Malin blieb vor Staunen der Mund offen stehen. "Ich habe vorhin bei dir zuhause angerufen und deine Mutter hat erzählt, dass du im Krankenhaus liegst. Da ich die erste Ferienwoche bei Oma in fünfzehn Kilometer Entfernung verbringe, habe ich mir gedacht, dass ich dich beuchen könnte", meinte ihre beste Freundin. "Waren es diesmal wieder Sophia und ihre Clique?", wechselte Lynn das Thema. "Ich kann mich nur daran erinnern, dass Sophia, ihre kleine Schwester und ihre Freunde an der Bushaltestelle auf mich zukamen und mich verprügelten. An mehr kann ich mich aber nicht erinnern", sagte Malin langsam und dachte angestrengt nach. "Sophia und ihre kleine Schwester sind wirklich ein verdammtes Dreckspack!", ereiferte sich Lynn. "Wie alt sind die Beteilligten?", fragte Frederike, "Wenn sie über vierzehn sind, kann man sie dafür anzeigen" "Sophia und ihre Freundinnen sind sechzehn", meinte Morten, "Aber ihre kleine Schwester und dessen Freunde sind zwölf oder dreizehn, da sie erst in die siebte Klasse gehen" "Leider noch zu jung, um sie anzeigen zu können", ärgerte sich Frederike. 

 

"Trotzdem müssen wir es der Schule melden", sagte Lynn entschlossen, "Es kann doch nicht sein, dass die Sicherheit einzelner Schüler gefährdet wird, wenn sie an der Bushaltestelle warten" "Meinst du wirklich, ob es wirklich etwas bringt?", erwiderte Malin unsicher. "Langsam muss es Konsequenzen geben. Du kannst nicht alles mit dir machen lassen!", setzte ihr Morten entgegen, "Es ist nicht das erste Mal, dass sie dich angreifen und langsam müssen die Blagen eine gerechte Strafe zu spüren bekommen" "Das müssen sie, es kann nicht sein, dass du wegen solchen Idioten im Krankenhaus landest", pflichtete ihm Frederike bei. "Sophia und co könntest du allerdings anzeigen, sie sind schon längst über vierzehn", warf Lynn ein. "Mal sehen!", brummte Malin, in deren Kopf es höllisch schmerzte und pochte. "Es kommt gar nicht in Frage, dass du diesmal nichts machst", Fredie rüttelte kräftig an Malins Arm. "Au, lass das, Fredie!", beklagte sich Malin, "Diesmal werde ich etwas dagegen tun, das steht nicht außer Frage" 

 

Kurz vor dem Abendessen kam ihre Mutter ins Krankenzimmer herein und brauchte eine Vase für den Blumenstrauß mit, den Morten und Lynn mitgebracht hatten. "Geht es dir besser, Schatz?", erkundigte sie sich. "Geringfügig!", murmelte Malin leise und undeutlich. "Ich habe vorhin eine Anzeige bei der Polizei erstattet", fuhr ihre Mutter fort. "Gegen wen?", nun war Malin hellwach und setzte sich im Bett auf. "Die Polizei hat einen Zeugen verhört, der sich um dich gekümmert hat. Er hat gesehen, wie zwei große Mädchen und fünf Kinder aus der siebten Klasse auf dich eingeprügelt haben. Durch weitere Zeugin wissen wir nun, dass es um Sophia und Franziska aus deiner Klasse handelt. Außerdem waren Sophias jüngere Schwester Ela und einige ihrer Freunde daran beteilligt", erzählte ihre Mutter. Einerseits war Malin erleichtert, dass sie gegen ihre Mobberinnen etwas in der Hand hatten, doch andererseits verspürte sie Angst.

9. Gute Nachrichten für Morten

Malin war mehr als dankbar, dass die Sommerferien begonnen hatten. Zwar waren Sophia, Franziska, Ela und einge andere Beteilligte bis zum letzten Schultag suspendiert gewesen, trotzdem war die Schule kein sicherer Ort mehr für sie. Zum Glück konnte sie für sechs Wochen ihre Sorgen, den Stress und ihre Mitschüler vergessen. In der Ferien konnte nach Belieben gefaulenzt und die Seele baumeln gelassen werden. An einem Wochenende kamen Steffie und Mira aus Köln sie besuchen. Doch die meiste Zeit verbrachte sie mit Morten und Lynn. Zu dritt badeten sie im See, unternahmen Fahrradtouren, gingen Eis essen und trafen sich in der Stadt. Einmal fuhren sie mit Mortens älteren Cousin, der ein eigenes Auto besaß, in eine Distothek in der benachbarten Stadt. 

 

An einem Nachmittag als Malin und Morten in der Sonne chillten, klingelte Mortens Handy. Erschrocken zuckte er zusammen. Zum Telefonieren verzog er sich in die hintere Ecke des Gartens. Nach einer Weile kam er freudestrahlend wieder. "Was gibt es?", wurde Malin neugierig und stand ebenfalls auf. "Du wirst es nicht glauben, aber ich habe einen Anruf vom Trainer des Bundesligamannschaft bekommen und zwar bin ich beim Trainingslager der Profis dabei", brach es jubelnd aus ihm heraus und fiel seiner Freundin um den Arm. Seine Mutter kam heraus gelaufen und fiel ihm stürmisch um den Hals. Offenbar liebte sie es, ihre Freude mit Anderen zu teilen. "Komm, lass uns das mit einem frisch gebackenen Erdbeerkuchen feiern", sagte sie fröhlich. "Fantastisch!", Morten rieb sich die Hände und folgte seiner Mutter ins Haus. "Wann wird das Trainingslager sein?", fragte Malin als sie den Kuchen aßen. "Vom fünften bis zum achtzehnten August", erwiderte Morten und schob sich das nächste Stück Kuchen in den Mund. "Was so lange?", entfuhr es Malin, die beinahe ein wenig schockiert wirkte. In ihrem Kopf malte sie sich die letzten beiden Ferienwochen ohne Morten aus, die bestimmt öde und langweilig werden würden. "Sei nicht so schockiert, ich werde dir jeden Tag eine Nachricht schicken", stupste Morten sie sanft von der Seite an. 

 

Malin leistete ihrem Freund täglich beim Training Gesellschaft. Knapp eine Woche vor der Abreise ins Trainingslager nach Südtirol, durfte Morten zum ersten Mal mit den Profis trainieren. "Der Junge hat es echt drauf", meinte ein Fan. "Wenn er nächste Saison genauso spielt, wird er unserem Club weiterhelfen", antwortete sein Gesprächspartner. "Einige der anderen Spieler können sich wirklich eine Scheibe von ihm abschneiden", fand sein Kumpel. Ein großer Leistungsunterschied zwischen Morten und den anderen Spielern war nicht zu sehen, obwohl es ihm anzusehen war, dass er noch nicht so viele Erfahrungen gesammelt hatte, wie die anderen Spieler. Gerade als Malin ihre SMS scheckte, pfiff der Trainer ein Trainingsspiel an. Sofort wandte sie sich wieder dem Spielgeschehen zu. Obwohl ihr Freund der jüngste Spieler auf dem Rasen war, hatte er keine Scheu vor seinen Gegenspielern. Ein dunkelhäutiger flinker Brasilianer gab Morten ein Handzeichen, dass er sich freilaufen sollte und spielte ihm einen zielsicheren Pass zu. "Pass endlich!", rief einer seiner Mitspieler. Morten nahm sich ein Herz und setzte sich gegen einen gegnerischen Abwehrspieler durch. Der mitgelaufene Spieler fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum, doch Morten schoss selbst. Der Schuss ging wenige Zentimeter über den Kasten und landete hinter der Tartanbahn im Gebüsch. "Das nächste Mal spielst du besser ab", wandte sich der Trainer an Morten. 

 

Nach dem Training gönnten sich Malin und Morten einen Milchshake in der Eisdiele. "Willst du später wirklich mit Fußball richtig Geld verdienen?", fragte Malin ihren Freund. "Wieso nicht?", erwiderte Morten, "Schließlich sagt sogar unser Trainer, dass ich das Talent dazu habe" "Überleg mal, was dir passieren kann, wenn du zu häufig und lange verletzt bist oder du ein Formtief hast", setzte Malin nach, "Dann bekommst du im Profisport kein Ball mehr an die Erde" "Gerade deswegen mache ich Abitur und wahrscheinlich fange ich später ein Fernstudium an, falls es mit einer Karriere als Fußballer nichts werden sollte", sagte ihr Freund, der ebenfalls ein wenig ins Grübeln geriet, aber trotzdem immer noch optimistisch klang. Zwar war sie stolz auf ihn, dass er es so weit gebracht hatte, aber jeder kleinste Stolperer konnte das Karriereaus bedeuten. Genau so war es bei dem Cousin von Frederike gewesen, der Handballprofi werden wollte, aber sich in seinem dritten Profispiel sich so schwer verletzt hatte, dass an eine Karriere nicht mehr zu denken war. "Natürlich hast du Recht", setzte Morten an, "Aber du musst bedenken, dass ich jung bin und Ziele habe" Malin ging einen Moment in sich. Offenbar hatte Morten sie falsch verstanden. "Ich bin prinzipiell nicht dagegen, dass du Fußballprofi wirst", sagte sie leise, "Doch du sollst dich nicht darauf festlegen, dass du eine reibungslose Karriere hinlegen wirst" "Es gibt keinen Fußballer ohne eine makellose Karriere", murmelte Morten, "Entweder sie sind öfter verletzt oder leisten sich negative Eskapaden abseits des Fußballplatzes"

10. Eine verhängnisvolle Party

Drei Tage vor der Abreise ins Trainingslager lud Inka sie zu ihrem achtzehnten Geburtstag ein, der bei ihr auf der Terrasse stattfand. Malin war offiziell nicht eingeladen, trotzdem nahmen Lynn und Morten sie mit. Von den den vielen Gesichtern kannte sie kein einziges. "Inka, hast du deinen Freund gar nicht eingeladen?", fragte Lynn als sie Inka in den Garten folgten. "Meinst du etwa Lars? Mit dem ist es seit einer Woche vorbei", schüttelte ihre Freundin den Kopf, "Er kann mir ruhig gestohlen bleiben" Rund zwanzig Partygäste saßen verteilt an zwei lange Biertische. Malin musterte zurückhaltend die vielen Gesichter, während Morten sie zu einem der Tische zog. "Hi, wir kennen uns?", kam ein schlacksiger Blondschopf auf sie zu. "Woher denn?", erwiderte Morten verwundert. "Du bist unser Starfußballer, der unsere Schule zum Finalsieg geschossen hat", meinte sein Gegenüber und klopfte ihm lässig auf die Schulter. "Stimmt, ich habe dich auch schon mehrere Male in der Pausenhalle gesehen", erwiderte Morten, "Ist dein Name nicht Ken?" "Nein, da musst mich mit einem anderen Jungen verwechselt haben. Ich bin Paul", lachte der Junge. 

 

Malin fühlte sich beinahe unsichtbar neben ihrem Freund, der nun von allen Seiten angesprochen wurde. Während sich die Jungs über Fußball unterhielten. Beobachtete sie Inka, die gerade fieberhaft damit beschäftigt war, die unzähligen Fackeln und Lampions anzuzünden. "Kann ich dir helfen?", bot Malin ihr an. "Danke, das wäre total lieb von dir", bedankte sich Inka und drückte ihr eine Packung Streichhölzer in die Hand. Malin nahm behutsam ein Streichholz heraus und ratschte es entlang der Schachtel. Als die Flamme groß genug war, hielt sie es an die große Bambusfackel. Sofort sprang der Funken über. Erst war die Flamme klein und empfindlich, doch dann verwandelte sie sich in loderndes Feuer. Malin konnte die Energie spüren und musste daran denken, wie die Beziehung zwischen ihr und Morten begonnen hatte. Zuerst begann es klein, doch mit der Zeit wuchs ihre Liebe, genauso wie die Flamme der Fackel. Bei jedem Anzünden einer Fackel oder einer Kerze betrachtet sie fasziniert, das Größerwerden der Flamme. 

 

"Jetzt hast du dir eine Stärkung verdient", zwinkerte Inka ihr zu und überreichte ihr einen Pappteller mit einer Bratwurst. Malin schaute sich nach einem freien Platz um. "Setz dich ruhig zu uns", sprach ein langhaariger Typ sie an. "Danke", lächelte sie zurück und setzte sich hin. Malin merkte gar nicht wie hungrig sie mittlerweile war, direkt nach dem Würstchen verdrückte sie eine Portion Nudelsalat und mehrere Stücke Kräuterbaguette. "Willst du einen mit uns trinken?", wurde sie von einem blonden Mädchen gefragt, welches ein dunkelblaues Kleid trug. "Meinetwegen gerne", erwiderte Malin etwas schüchtern. Das Mädchen nahm ihren Becher und füllte ihn mit Wodka. "Bitte nicht so viel", bat Malin. "Du kannst dir Cola dazu gießen", meinte der langhaarige Typ und stellte ihr die Cola hin. Malin füllte ihren Becher bis zum oberen Rand mit Cola. "Auf Inkas Achtzehnten!", rief ein Junge mit Baseballcap und Sonnenbrille. Alle hoben drauf ihre Becher und stießen an. Obwohl Malins Becher nur halb mit Wodka gefüllt war, hatte sie das Gefühl, dass der Alkohol ihr die Schleimhäute in Mund und Rachen wegätzte. Deshalb beschloss sie ihr Trinken in Windeseile herunter zu stürzen. "Magst du mit uns ein Radler trinken?", fragte eine Dunkelhaarige mit einem Nasenpiercing. "Ich weiß nicht", zögerte Malin. "Na komm schon, das Zeug ist nicht so hart wie der Wodka. Da ist zur Hälfte Limonade drin", stieß das Mädchen sie an und drückte ihr eine geöffnete Bierflasche in die Hand. Malin keine andere Wahl als mitzutrinken. Sie setzte die Flasche an den Hals. Das Mädchen hatte Recht, so übel schmeckte es nun auch nicht und die Limonade überdeckte den Biergeschmack. 

 

"Übringens mein Name ist Kristin", stellte sie sich vor, "Aber alle nennen mich nur Kiki" "Ich bin Malin", sagte Malin, die immer noch etwas misstrauisch gegenüber dem Emo-Girl war. "Hab doch keine Scheu vor mir, ich habe bis jetzt noch niemanden gebissen", klopfte ihr Kiki auf die Schulter. "Kiki, das stimmt so nicht", mischte sich der langhaarige Typ ein. "Halt die Klappe, Flo!", entgegnete sie ihm und sagte zu Malin, "Falls du ihn noch nicht kennst, das ist Florian. Er ist der krasseste Ökofreak an der gesamten Schule und will im Alleingang die Eisbären und Pinguine vor dem Aussterben bewahren" "Weißt du noch als du in der sechsten Klasse einmal total sauer auf mich warst und mir in der Sportstunde in den Unterarm gebissen hast? Man könnte meinen, du wärst in deinem vorigen Leben ein Vampir gewesen", zog Flo Kiki auf. "Das hat auch seinen Grund gehabt, weil du mich dauernd Karotte genannt hast?", wurde Kikis Stimme bedrohlich leiser. "Wieso ausgerechnet Karotte?", wunderte sich Malin, "Der Name passt gar nicht zu dir, du hast doch schwarze Haare" "Eigentlich habe ich rote Haare, die ich seit meinem vierzehnten Lebensjahr schwarz färbe. Ich konnte die Hänseleien nicht länger ertragen", erwiderte Kiki und wickelte eine pinkfarbene Strähne ihres halblangen Ponys um ihren Daumen. "Ich habe doch auch rote Haare, aber das ist nicht der Grund, weswegen ich in meiner Klasse gemobbt werde", sagte Malin. "Hm, deine Haare sind eher rotbraun, während ich Pumuckels Haarfarbe habe. Hätte ich deine Haarfarbe gehabt, hätte ich meine Haare niemals gefärbt. Deine Haare sind einfach der Hamma", meinte Kiki. Malin gefiel Kiki immer besser, obwohl sie ihr zuerst skeptisch und vorsichtig gegenüber trat. Doch Kiki war längst nicht so drauf wie die Zicken aus ihrer Klasse. Mit ihr und ihren Freunde konnte sich Malin sehr entspannt unterhalten. 

 

Maren, ein Mädchen mit kurzen hellblonden Locken gesellte sich mit ihrem Freund zu ihnen. "Bist du nicht Mortens Freundin?", sprach sie Malin an. "Ja, das bin ich", nickte diese zurückhaltend. "Mich würde es sehr interessieren, wie du an ihn herangekommen bist", fuhr Maren mit einem zuckersüßen Lächeln fort. Malin wusste nicht, ob sie ihr antworten sollte, schließlich kannte sie das Mädchen gar nicht. "Wir gehen in die gleiche Klasse", erwiderte sie knapp. "Weißt du wie viele Mädels hinter Morten her waren?", mischte sich Pia ein, die die ganze Zeit Malin gegenüber gesessen hatte. "Bestimmt ein halbes Dutzend", grinste Maren. "Nur ein Dutzend? Er hatte bestimmt einige hundert weibliche Fans an seiner Seite. Er ist einfach der tollste Typ an unserer Schule", übertrieb Pia und warf ihre langen aschblonden Haare in den Nacken. "Piepsi, jetzt übertreib mal nicht! Als ob du eine Chance bei ihm gehabt hättest!", lachte Kiki. Malin ging das Gespräch über ihren Morten langsam auf die Nerven. Welches Recht der Welt hatten drei Mädchen, die sie nicht kannte, über ihren Freund zu diskutieren? "Weibsen können manchmal eine Plage sein, wenn sie sich über andere Jungs auslassen", gesellte sich Alex, der Freund von Maren zu Malin. Sie nickte bestätigend. "Ich kann mir vorstellen, dass es dich gerade nervt", meinte Flo, "Du hast bestimmt gesehen, dass Pia scharf auf ihn ist" Malins Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Plötzlich war Pia wie eine Rivalin für sie, die darauf lauerte, dass sie ihr Morten vor der Nase wegschnappen könnte. Vornherein ging ihr das Mädchen mit dem Geplapper auf die Nerven. 

 

Kiki merkte, dass Malin ruhiger geworden war und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Komm, du brauchst nicht bedrückt zu sein, wir haben nur über Morten geredet und nicht behauptet, dass wir ihn dir wegnehmen wollen", redete sie auf Malin an und bot ihr ein Biermischgetränk mit Colageschmack an. Dankend nahm Malin die Flasche an. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Alkohol zwar zuerst scheußlich scmeckte, aber danach machte es locker und lustig. Man konnte meinen, dass Alkohol Sorgen und Ängste auflöste. "Bedient euch!", ein Junge mit einem Tablett voller Schnapsgläser blieb vor ihnen stehen. Alle griffen zu. Kiki und Alex überredeten Malin schließlich dazu einen Waldmeisterlikör mit ihnen zu trinken. Nur Flo verzichtete darauf, denn er hasste dieses "Teufelszeug". Malin fand, dass er Recht hatte. Mit einem Zug trank sie ihr Schnapsglas leer und leerte danach einen ganzen Becher Fanta. "Wie trinkst du denn?", lachte Pia. "Hey, lass sie doch einfach in Frieden!", ging Kiki dazwischen und warf ihrer Freundin einen mahnenden Blick zu. Dankbar lächelte Malin in Kikis Richtung. "Seht ihr das?", wisperte Maren auf einmal, "Das wird Malin nicht gerade begeistern!" "Was denn?", fragte Malin irritiert. "Dein Schwarm spielt Fangen mit Vicky", antwortete Pia für sie. "Mit wem?", wiederholte Malin mit einem ungläubigen Blick. "Victoria aus unserem Jahrgang", erwiderte Kiki müde, "Du musst nicht kennen, das ist die größte Bitch von unserer Schule. Ihr Aussehen ist falsch und ihr Charakter voll daneben"

 

Ein blondes Mädchen in einem roten Kleid rannte über den Rasen und lachte dabei angetrunken. Morten folgte ihr und bekam sie an der Schulter zu packen. Einen Moment lang kabbelten sie sich, bis Vicky ihm sein T-Shirt über den Kopf zog. Nun stand Morten im freien Oberkörper da und zog vorallem die Blicke der Mädchen auf sich. Vicky küsste ihn auf den Mund und schmiegte sich an seine Brust. "Was für eine billige Show!", schnaubte Kiki. Malin saß wie vesteinert da und bewegte sich nicht. In ihr brodelte es wie in einem Vulkan: ihr Herz schlug bis zum Hals, kalter Schweiß brach aus und vor ihren Augen drehte sich alles. Plötzlich zeigte der Alkohol seine andere Wirkung und Malin wurde auf einem Mal übel. Wie von einer Tarantel gestochen sprang sie auf und übergab sich in das nächste Blumenbeet. "Alles okay?", berührte Flo sie an der Schulter. "Geht schon", japste Malin, der immer noch speiübel war. "Jeder Blinde sieht, dass es dir nicht gut geht", meinte Kiki und hakte sich bei ihr unter. Alex nahm ihren anderen Arm. Malins Beine wurden bedrohlich weich. Hätten Kiki und Alex sie nicht gehalten, wäre sie auf dem Rasen zusammen gebrochen. "Du siehst echt nicht gut aus", berührte Maren sie an der Schulter. "Komm Schatz, wir fahren nach Hause", beschloss Alex, "Es ist gleich sowieso halb eins und ich bin müde. Das Mädchen nehmen wir auch mit" "Wo wohnst du eigentlich?", fagte Maren. Malin kam es gerade noch hin, ihr ihre Adresse zu nennen. 

 

Gerade als Malin mit Alex und Maren aufbrachen, kamen ihr die Tränen. "Es ist schon gemein von deinem Freund, dass so etwas mit dir macht", tröstete Maren sie. "Dabei habe ich ihm vertraut. Ich hätte gedacht, wir wären ein Paar. Nun ist er irgendein Mensch, den ich einmal in meinem Leben kennen gelernt habe", schluchzte Malin auf. "Manchmal sind Kerle hormongesteuerte Ochsen", wandte Alex ein. "Das musst du gerade sagen", gab Maren ihm einen Stoß in die Seite. "Es ist schon anderthalb Jahre her, als ich etwas mit Christiane gehabt habe", verteidigte er sich, "Seit dem bin ich dir immer treu geblieben" Zu dritt stiegen sie in Alex Auto ein. "Falls ihr mich fragt, ich bin nüchtern", sagte Alex als er den Motor startete. Maren hockte neben Malin und hielt ihre Hand. Der Rest der Fahrt verging, ohne das ein Wort gesprochen wurde.

11. Funkstille und Liebeskummer

Malin blieb am nächsten Vormittag in ihrem Bett liegen, nachdem sie in der Nacht nicht schlafen konnte und eine ganze Packung Taschentücher nass geweint hatte. Ihre Mutter akzeptierte es zum Glück, dass sie liegen blieb und brachte ihr Tabletten gegen die heftigen Kopfschmerzen. "Du hast einen Kater", sagte sie zu ihrer Tochter, das hatte ich auch einige Male gehabt, als ich früher ausgiebig gefeiert habe" Malin war froh, dass ihre Mutter Verständnis zeigte, anstatt mit ihr zu schimpfen. Nachdem sie zwei Tabletten genommen hatte, brummte ihr Schädel nicht mehr halb so stark. Jedes Mal, wenn der Name Morten in ihren Gedanken auftauchte, wurde Malin fast ohnmächtig vor Wut und Enttäuschung. Der Typ war nun für sie gestorben, da er sie während des gestrigen Abends wie Luft behandelt hatte und dazu noch eine Romanze mit Victoria eingegangen ist. Malin hatte große Lust diesem Luder es einmal richtig zu zeigen. Doch Morten war nicht minder schuldig, schließlich hat er sich von ihr den Kopf verdrehen lassen. 

 

Malin sah in ihrem Inneren, wie Morten vor ihr auf die Knie fiel und um Vergebung bat. "Dir vergebe ich nie und nimmer! Du kannst dein Leben lang deiner Victoria am Arsch kleben bleiben", fauchte sie leise und erschrak, dass sie ihren Gedanken tatsächlich aussprach. Morten flehte weiter, bis ihm Tränen in die Augen traten. Malin kicherte zynisch, "Vergiss es, Junge! Das war's! Bleib bei deiner blöden Blondine mit dem Plastikkörper oder suche dir ein anderes Weib, welches so dumm ist und sich von dir betrügen lässt. Mich kannst du vergessen! Du hast mein Herz endlich zertrümmert!" Das Kopfkino führte dazu, dass ihr wieder Tränen über die Wangen liefen. "Warum muss ausgerechnet ich das Pech haben und die blödesten Menschen kennen lernen, die es weit und breit gibt?", dachte sie deprimiert. In ihrer Klasse hatte sie sowieso keine einzige Freundin, selbst Schüler aus anderen Klassen schikanierten sie und dann entpuppte sich die Beziehung zu Morten als faules Ei. Gab es überhaupt noch einen Menschen, der auf ihrer Seite stand oder wusste, wie sie sich fühlte? Je mehr sie sich in diese Gedanken hinein steigerte, desto mehr ergriff sie eine tierische Wut. Malin schnappte sich einen Schuh und warf ihn mit voller Wucht gegen die Schrankwand.  

 

"Was ist mit dir los?", riss ihre Mutter die Zimmertür auf. "Nichts, ich habe mir den Kopf gestoßen", brummte sie. "Aber da musst du ziemlich heftig deinen Kopf an der Schranktür gehauen haben", schüttelte ihre Mutter ungläubig den Kopf. "Ich habe meinen Schuh gegen den Schrank geworfen, da ich so wütend war, dass ich mir den Kopf gestoßen habe. Dadurch habe ich jetzt wieder Kopfschmerzen", redete sich Malin in Kopf und Kragen. Ihre Mutter merkte, dass ihre Tochter lieber alleine sein wollte und schloss die Tür hinter sich. Plötzlich vibrierte ihr Handy auf ihrem Schreibtisch. Mit schweren Beinen stand sie auf und schlappte über den Teppich. Ob es Morten war, der um Verzeihung bettelte? Bei diesem Gedanken bekam Malin große Lust ihr Handy aus dem Fenster zu werfen. Stattdessen kam die Nachricht von Lynn. "Hey, es tut mir richtig Leid, was gestern Abend passiert ist. Darf ich gleich zu dir kommen? Wir müssen dringend miteinander reden", schrieb ihre Freundin. "Komm in einer halben Stunde vorbei, denn ich habe noch gar nicht gefrühstückt", antwortete sie Lynn. Malin streckte sich und strich sich mit ihrer linken Hand durch ihre verwuschelten Haare. Der Tag nach dem Ende ihrer Beziehung konnte nun kommen. Egal, wie sehr der Stachel der Enttäuschung in ihrem Herzen schmerzte. Plötzlich fühlte sie den Kampfgeist in sich, der vorher beinahe erloschen war. "Ich will es allen Leuten zeigen, die mich enttäuschen und hassen. Euer Hass und eure Ablehnung hat mich so starkt gemacht, dass ich kämpfen werde wie eine Tigerin", nahm sie sich vor. 

 

Um kurz nach ein Uhr klingelte es. Lynn sah ziemlich mitgenommen aus, als Malin ihr die Tür öffnete. "Ich muss mich zuerst bei dir entschuldigen", begann sie. In ihrer Stimme schwangen Schuldgefühle mit. Malin sah ihre Freundin schweigend an und wusste nicht, was sie als Nächstes sagen wollte. "Ich habe dich gestern im Stich gelassen. Erst im Nachhinein habe ich mitbekommen, dass dich Kiki betrunken gemacht hat, sodass du dich übergeben musstest", fuhr ihre Freundin fort. "Hallo Lynn", näherte sich Malins Mutter von hinten, "Komm rein, ich habe euch ein paar Snacks und Orangensaft auf den Wohnzimmertisch gestellt" "Vielen Dank, aber ich habe gerade gefrühstückt", lehnte Lynn ab. "Wollen wir auf mein Zimmer gehen?", schlug Malin vor. "Klaro, dort können wir uns ungestört die Seele vom Leib reden", nickte ihre Freundin. Als sie die Zimmertür abgeschlossen hatte, fühlte sich Malin viel befreiter und redete los wie ein Wasserfall. Schließlich musste der Kummer irgendwie raus. Lynn war wirklich eine ausgezeichnete Zuhörerin und nickte verständnisvoll. "Fakt ist, ich hätte auf Morten Acht geben müssen", seufzte sie, "Er hat gestern einfach zu viel getrunken und im besoffenen Zustand ist er nicht mehr Herr seiner Sinne" "Wieso denkst du, dass du auf ihn aufpassen musst?", wunderte sich Malin. "Ich bin immer noch seine ältere Schwester, auch wenn ich nur wenige Minuten älter bin als er", erwiderte Lynn, "Obwohl er schon fast erwachsen ist, kann er manchmal ziemlich unvernünftig sein und ich hätte ihn gestern Abend wesentlich schneller von Vickys Clique wegzerren müssen"

 

Das Gespräch mit Lynn bewirkte Wunder, danach fühlte Malin, wie eine große Last von ihren Schultern fiel. Trotzdem schwor sie, Morten zu ignorieren. Zwar schickte er zwei Tage nach der Party eine kurze SMS, aber Malin löschte sie sofort, ohne sie gelesen zu haben. "Er braucht sich gar nicht wieder bei mir einzuschleimen", dachte sie eingeschnappt. Am Samstag darauf kamen Steffie und Mira vorbei, deren Tante im Nachbarfdorf wohnte. Die Zwillinge waren zwei alte Freundinnen aus Köln, mit denen sie in eine Klasse gegangen war. Zuerst wussten die drei Mädchen nicht, was sie machen wollten und setzten sich vor den Fernseher im Wohnzimmer. "Langweilig, das habe ich schon hunderte Male geguckt", nörgelte Steffie. Ihre Zwillingsschwester zappte weiter. "Aahhh, die Lindenstraße! Das hat mir gerade gefehlt", rief Malin und nahm Mira die Fernbedinung aus der Hand. Diesmal schaltete Malin Querbeet durch alle möglichen Programme. "Das ist doch alles öde", maulten die Zwillinge. Auf dem nächsten Sender wurde ein Benefizspiel übertragen. Malin sah gebannt hin. Es waren nur noch rund zehn Minuten zu spielen und noch war kein Tor gefallen. "Muss es unbedingt Fußball sein?", drehte sich Steffie zu ihr um. "Doch wieso, ich finde Fußball eben ganz spannend", meinte Malin. "Eine riesige Chance für das 17- jährige Talent Morten Jansen", hörte sie den Kommentator sagen. Malin stutzte und hielt kurz den Atem an. Hatte sie wirklich seinen Namen ghört? Malin konnte es kaum glauben, dass von ihrem Ex-Freund die Rede war. In der Wiederholung war eindeutig zu sehen, wie Morten den Ball über das leere Tor lupfte. Wenig später war Mortens Mannschaft wieder auf dem Vormarsch. 

 

Ein dunkelhäutiger Spieler lief an zwei Abwehrspielern vorbei, die sich ihm in den Weg stellten. Morten lief sich frei und bekam den Pass in den Lauf gespielt. Er fackelte nicht lange und zirkelte den Ball ins lange Eck. Der Torwart war bei dem Schuss aus kurzer Distanz chancenlos gewesen. "Morten Jensen, das Jahrhunderttalent erzielt das 1:0. Der Junge ist abgebrühter als manch so ein erfahrener Profi. Er nimmt die Kugel und hämmert ihn ins rechte Eck!", überschlug sich der Kommentator vor Begeisterung. Malin schaltete aus Reflex den Fernseher aus. Malin spürte einen heftigen Stich mitten in ihrem Herzen. Während der letzten Tage hatte sie versucht Morten zu vergessen und sogar jegliche Gedanken an ihn nicht zugelassen. Doch nun wurde sie kalt erwischt. Dicke Tränen sammelten sich in ihren Augen. "Was ist los?", fragte Mira besorgt, die ein feineres Gespür für ihre Mitmenschen hatte als ihre Schwester. "Mein Ex-Freund", presste Malin aus sich heraus und wischte sich über die Augen. "War das der Torschütze?", wollte Steffie wissen. Malin nickte stumm. "Du hast wirklich einen attraktiven Freund gehabt, auf den wäre ich auch scharf", plapperte Steffie weiter und erntete prompt einen Rippenstoß von Mira. "Er war mein Freund bis er mich auf einer Party mit einer falschen Schlange betrogen hat und die sogar geküsst hat. Wahrscheinlich sucht er eine Hübschere als mich", schniefte Malin. "Solchen Schlampen könnte ich den Hals umdrehen oder Hackfleisch aus ihnen machen!", regte sich Steffie auf, während Mira tröstend ihren Arm um Malin legte. 

 

Der Liebeskummer, den sie seit Tagen verdrängte, hatte sie wieder voll erwischt und brannte in ihrer Seele wie ein loderndes Feuer. "Du liebst ihn immer noch, das merkt man", sagte Steffie nebenbei und fragte, "Könntest du vorstellen wieder mit ihm zusammen zu sein?" "Eigentlich schon", nickte Malin und nagte dabei verlegen auf ihrer Unterlippe. "Na, dann musst du das schleunigst in Angriff nehmen!", stuppste Steffie sie an. "Aber wie?", Malins Stimme hatte wieder den verzweifelten Unterton wie gerade. "Überzeug ihn, dass du ihn liebst", meinte Steffie und baute sich in siegesgewisser Pose vor ihr auf. "Du bist wirklich ein wundervolles Mädchen, Malin", begann Mira, "Er hat eine Freundin, wie dich verdient" "Also deshalb musst du für ihn kämpfen", sprach Steffie weiter. "Er mag dich einmal im besoffenen Zustand betrogen haben, aber bestimmt liebt er dich immer noch", übernahm ihre Schwester wieder. "Er hat sich immerhin zweimal gemeldet, aber ich habe ihm jedes Mal abgeblockt und jetzt habe ich drei Tage nichts mehr von ihm gehört", gab Malin zu. "Das ist die Gelegenheit, ihm ein Liebesgeständnis zu machen", meinte Steffie. "Hast du seine Handynummer noch?", fragte ihre Zwillingsschwester. "Die habe ich vergessen zu löschen", erwiderte Malin müde. "Das ist doch die Gelegenheit!", klatschte Steffie in die Hände, "Also los, trau dich!" Die Zwillinge mussten Malin ziemlich bearbeiten, bis sie bereit war ihr Handy zu holen und Morten zu schreiben. "Hey, wie geht es dir?", schrieb sie ihm. Es war nicht gerade viel, aber immerhin hatte sie wieder Kontakt zu ihm aufgenommen und das war schon ein Anfang. 

12. Ein Neuanfang

Genau zehn Tage nachdem Morten Victoria auf Inkas Geburtstag geküsst hatte, landete eine Postkarte von ihm in Malins Briefkasten. "Hallo Malin, viele Grüße aus dem Trainingslager! Hier ist es zwar schön, aber trotzdem muss ich täglich 100% gegen, damit mein Taum vom Profifußball wahr wird. Zumindest sind meine Kollegen total cool und locker drauf. Trotzdem denke ich jeden Tag an dich. Ich möchte mich entschuldigen wegen der Affaire mit Victoria. Ich habe mich im Nachhinein ziemlich geschämt und irgendwie Angst gehabt dir unter die Augen. Du bist bestimmt immer noch sauer auf mich und das zurrecht. Ich wäre auch wütend gewesen, wenn mir das passiert wäre. Ich will dir sagen, dass ich dich liebe und niemand anderes! Dein Morten! Ps: Wir müssen unbedingt zusammen die letzten Ferientage genießen", schrieb er. Für seine Verhältnisse war die Schrift sauber und ordentlich. Malin setzte sich an den Küchentisch und war etwas vor Überraschung, aber auch ein wenig vor Glück durch den Wind. 

 

Malin beschloss ihm die Affaire auf Inkas Geburtstag nicht mehr all zu ernst zu nehmen, da er damals betrunken gewesen ist und sich nicht im Klaren war, was er tat. Schließlich war es laut ihrer Mutter schädlich, sich alles zu Herzen zu nehmen und am Kummer festzuhalten. Malin spürte frischen Wind, den sie seit Tagen nicht mehr gespürt hatte. Sie spürte deutlich, dass sie ihre Einstellung innerhalb kürzester Zeit geändert hatte. Dies gab ihr gleichzeitig Hoffnung und neue Kraft. "Ich bin bereit auf einen Neuanfang", beschloss sie euphorisch. Ein Blick auf den Kalender verriet ihr, dass er bereits morgen aus dem Trainingslager wieder kam. Vor Freude wurde sie ganz hibbelig. Sie überlegte kurz ob sie ihn morgen am Flughafen empfangen sollte. Doch Lynn hatte ihr vor wenigen Tagen erzählt, dass er erst kurz vor Mitternacht ankommen wird. Daher würde sie sich erst in wenigen Tagen mit ihm treffen. "Danke, für deine Karte! Hast du übermorgen Lust auf einen Spaziergang?", simste sie ihm. "Was für eine Frage? Natürlich habe ich das, wir müssen auf jeden Fall miteinander reden", kam zwei Minuten später seine Antwort. Malin strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Obwohl sie ein wenig Bedenken hatte, ob es wieder genauso werden wird wie vorher. 

 

In der letzten Nacht hatte es ein heftiges Gewitter gegeben, daher war es kommenden Morgen ziemlich frisch. Malin zog sich eine lange Hose an und eine Strickjacke, die sie eher im Frühling oder im Herbst trug. Heute waren sie verabredet und Morten hatte hoch und heilig versprochen, sie von zu Hause abzuholen. Die Uhr zeigte bereits zehn Minuten nach elf an. Eigentlich sollte er seit zehn Minuten hier sein. Aufgeregt und hibbelig vor Freude beobachtete Malin, wie der Sekundenzeiger seine Runden drehte. Ding Dong! Das musste er sein. Lächelnd öffnete sie die Haustür. Morten lächelte zurück und stand breitbeinig vor ihr wie ein Cowboy. "Na, lange nicht mehr gesehen!", sagte er lässig und zog Malin an sich. Sie erwiderte seine Umarmung zuerst zaghaft, doch dann sog sie seinen vertrauten Geruch ein. Mit einem Mal wurde ihr klar, was ihr zwei Wochen lang gefehlt hatte. "Hallo Morten", kam ihre Mutter aus der Küche, die die Angewohnheit hatte, sich um jeden Gast persönlich zu kümmern. "Guten Tag!", grüßte er höflich zurück. "Wenn ihr wollt, könnt ihr die restlichen Waffeln von gestern essen", wandte sich ihre Mutter an Morten und sie. "Nein, ich habe habe gerade gerade gefrühstückt", wehrte Malin ab. "Ach, für eine Kleinigkeit zu essen bin ich immer", lachte Morten und zog seine Straßenschuhe aus. Zu zweit setzten sie sich ins Wohnzimmer. Malins Mutter brachte ihnen einen Teller Waffeln und eine Flasche Limonade mit zwei Gläsern. "Die Waffeln schmecken wirklich gut", lobte Morten und lud sich noch eine Waffel auf seinen Teller. Als sie alleine waren fingen sie an sich über ihre Ferienerlebnisse auszutauschen. 

 

"Wir haben täglich zwei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags trainiert. Das war für mich anfangs ungewohnt und sehr anstrengend. Ich musste zuerst ziemlich die Zähne zusammenbeißen und Alles aus mir herausholen. An den ersten beiden Tagen bin ich um neun Uhr ins Bett gegangen, da ich vor Erschöpfung kaum noch gehen konnte. Zum Glück wurde es mit der Zeit besser", berichtete Morten. "Ich habe dich sogar im Fernsehen gesehen, als du das Tor gegen diese spanische Spitzenmannschaft geschossen hast", sagte Malin grinsend. "Das hat mein College Fernandez perfekt vorbereitet", nickte Morten, "Er hat mir die Kugel quasi vor die Füße gelegt und ich brauchte nur noch den Torwart auszuspielen. Da ich das im Training schon so oft gemacht habe, war das keine große Schwierigkeit" "Bestimmt wirst du bald ein berühmter Fußballstar sein, über den sich die Boulevardzeitungen ihre Mäuler zerreißen werden", witzelte sie. "Wehe, wenn nur irgendein dummer Zeitungsmensch irgendwelchen blödsinnigen Klatsch in die Welt setzt", hob er drohend seinen Zeigefinger und lachte dabei ironisch. "Was machst du dann?", stupste Malin ihn an. "Dann fordere ich ihn zum Duell eins gegen eins auf", vollendete Morten. "Das möchte ich gerne sehen, wie du einen dieser dämlichen Klatsch-Redakteure vorführst kicherte Malin. Zusammen zu lachen und herum zu albern, schweißte die Beiden wieder allmählich zusammen. Mittlerweile war die anfängliche Distanz einer engen Zuneigung gewichen. 

 

Wenig wenig später auf einem Spaziergang ging es ernster zu. "Ich wollte dich wirklich nicht verletzen", versicherte Morten ihr, "Doch an dem Abend war ich so angetrunken, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat. Erst nachher habe ich gescheckt, dass ich einen großen Fehler begangen habe und dann war es schon zu spät" "Ich habe es dir wirklich sehr übel genommen und wollte dich am liebsten auf den Mond schießen", gestand Malin. "Das hätte ich an deiner Stelle sogar getan", sagte er und fügte nach einer Pause hinzu, "Durch dieses blöde Rumgemache mit Victoria hätte ich beinahe meine erste richtige Liebe meines Lebens verloren" "Immerhin können wir froh sein, dass wieder alles beim Alten ist", erwiderte Malin. "Mit Victoria hätte ich es keine zwei Tage ausgehalten, schließlich jammert dieses Modepüppchen bei jedem Pickel und wenn es ihr zu kalt ist. Außerdem hat sie wahrscheinlich schon einige Schönheits-OP hinter sich, sonst würde sie nie so aussehen wie eine Schaufensterpuppe", lästerte Morten. Bei seiner Schilderung konnte Malin ein Kichern sich nicht verkneifen. "Ich konnte sowieso nicht verstehen, was du an ihr fandest", zog sie ihn auf. "Das war wohl Versuch und Irrtum", erwiderte er. "Wenigstens hast du es gemerkt", kniff Malin ihre Augen zusammen. "Trotzdem bist du die Richtige", sagte er mit fester Überzeugung, "Du bist anders als als die anderen Mädchen, gerade das gefällt mir an dir" "Wie meinst du das?", hakte sie nach.

 

"Na ja, du bist nicht so oberflächlich und vorlaut wie Sophia, Franziska und die anderen Zicken aus unserer Klasse. Du bist eher ruhig und geheimnisvoll", erwiderte Morten. Malin nickte und lächelte geschmeichelt. "Du kannst du dir gar nicht vorstellen, wie sehr mir Sophia und ihre Freundinnen mir auf die Nerven gegangen sind", fuhr er fort, "Sophia hat mich sogar zu ihrem Geburtstag eingeladen und umschmeichelte mich die ganze Zeit. Keine fünf Minuten hatte ich Ruhe vor ihr" "Kann ich mir bei der richtig gut vorstellen", kicherte sie. Morten zog sie näher an sich heran und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Malin legte ihre Arme um seine Schulter. Morten lächelte zufrieden, endlich hatte er ihren Widerstand gebrochen. 

13. Eine Überraschung

Genau sechs Tage nachdem Morten und Malin sich das erste Mal nach der Affaire wieder getroffen hatten, fing die Schule wieder an. Malin kam an diesem Morgen nur sehr schwer aus dem Bett. Sie war gar nicht scharf Sophia, Franziska und die anderen Ziegen aus ihrer Klasse wieder zu sehen. "Wenigstens werden wir in unterschiedliche Kurse eingeteilt und daher existiert die Klasse nicht mehr", versuchte sie sich beim Frühstück selbst aufzuheitern. "Ich wünsche dir viel Glück für deinen ersten Schultag in der Oberstufe", umarmte ihre Mutter sie zum Abschied. "Danke!", erwiderte Malin und lächelte gequält als sie aus der Haustür trat. Ein kühler Wind streifte ihre Nase. Schon in den letzten Tagen war es deutlich herbstlicher geworden. Beinahe fror sie in ihrer dünnen Strickjacke. Hoffentlich gab es sich, wenn sie auf dem Fahrrad saß und sich bewegte. 

 

In der Aula hatten sich über hundertfünfzig Schüler der elften Jahrgangsstufe versammelt. Es wurde munter durcheinander geredet und gelacht als Malin den Raum betrat. Sophia, Franziska und ihre Clique hatte es sich hinten auf einem der Tische neben der Gardine bequem gemacht. Gerade diese Zicken hatten ihr gefehlt! Vorallem das alberne Gekicher von Isabelle und Lucy ging ihr auf die Nerven, deshalb machte Malin einen großen Bogen um sie. Allein bahnte sie sich den Weg durch das Gewusel. Wo war Morten nur? Hoffentlich ließ er sie nicht gleich am ersten Schultag hängen. Unruhig begann sie ihre Hände zu falten. Kurz darauf bat der Jahrgangskoordinator für Ruhe. Obwohl er recht klein und schmal war, konnte er sich mit seinem lauten Organ durchsetzen. Herr Rüdiger hieß er und unterrichtete Fächer wie Chemie und Mathematik. Malin kannte ihn nur vom Sehen. "Hey!", ein Mädchen mit langen dunklen Haaren setzte sich neben sie. "Hey", erwiderte Malin leise. "Ich bin Gritje und bin neu an dieser Schule", fuhr das fremde Mädchen fort. "Wirklich?", rutsche es aus Malin heraus, wofür sie sich doch ein wenig schämte. "Klar, ich wohne erst seit drei Wochen hier", nickte die neue Mitschülerin, "Mein Vater wird im kommenden Schuljahr Geschichte und Kunst unterrichten" "Oh das klingt interessant", murmelte sie, "Wie heißt er?" "Herr Verhoeven", antwortete das Mädchen. Es fiel nicht auf, dass die beiden Mädchen leise miteinander tuschelten, schließlich tat es der fast der ganze Jahrgang. 

 

Es stellte sich heraus, dass Malin und Gritje mehrere Kurse gemeinsam hatten, sowie Mathe, Englisch und Biologie. Zu Malins Erleichterung setzte sich Gritje sich im Mathekurs neben sie. Zwar hatte ihre neue Mitschülerin die meisten ihrer Mitschüler noch gar nicht kennen gelernt, trotzdem redete sie in den ersten Stunden ausschließlich mit Malin. "Du kommst wirklich aus Den Haag?", forschte sie nach. "Ja, mein Vater ist Niederländer und meine Mutter Deutsche", nickte Gritje. Endlich klingelte es zur großen Pause. "Hey, willst du mir die Schule zeigen?", rief ihr die Neue hinterher. "Gerne doch", lächelnd blieb Malin im Türrahmen stehen. Dass jemand mit ihr freiwillig über den Schulhof war inzwischen sehr ungewohnt für sie geworden. Im Flur trafen sie auf Sophia, Franziska und Merve. "Seht nur, sie ist ohne ihren Märchenprinzen unterwegs", stichelte Merve los. "Sicherlich hat er eine Neue, die besser ist als sie", lästerte Sophia halblaut. Malin sah zu, dass sie Land gewann. "Was waren das für merkwürdige Weiber?", schüttelte Gritje den Kopf, als sie draußen waren. "Ein paar aus meiner Klasse", murmelte Malin. "Sind die alle so drauf?", auf einmal war Gritje anzumerken, dass sie sich doch nicht mehr ganz so wohl fühlte. "Doch, meine frührere Klasse hat mich gemobbt, zumindesten fast die Hälfte von ihnen", bestätigte sie. "Wirklich das geht ja gar nicht!", klang ihre neue Mitschülerin empört, "Das ist echt Kindergartenniveau" Malin war insgeheim erleichtert, dass die Neue erstmal zu ihr stand und sie nicht für irgendwelche angesagten Cliquen im Stich ließ. Lynn kam mit Kiki und Inka auf sie zu. Nachdem sie Malin kurz zur Begrüßung umarmt hatte, teilte sie ihr mit, dass Morten wegen einer Magendarmverstimmung zuhause geblieben war. 

 

"Lass den Kopf nicht hängen, Malin!", klopfte ihr Kiki auf die Schulter. "Wird er morgen wieder zur Schule kommen?", fragte Malin. "Klar, ich denke schon", nickte Lynn, "Denn eigentlich hat er noch eine Überraschung für dich" "Was denn für eine?", konnte Malin ihre Neugierde nicht länger in Zaum halten. "Sagen darf ich dir es nicht direkt, aber du solltest dir schon einmal den kommenden Samstag freihalten", meinte Lynn und verabschiedete sich wieder mit ihren Freundinnen. "Du hast einen Freund?", machte Gritje große Augen. "Aber so lange auch noch nicht", tat Malin, als wäre das nichts Großes für sie. "Wie alt ist er und wie sieht er denn aus?", wollte sie wissen. Da Malin keine große Lust hatte Morten in allen Facetten zu beschreiben, sagte sie nur, "Google einfach mal Morten Jansen" Gritje holte ihr nagelneues Iphone heraus und begann den Namen einzugeben. "Dein Freund ist schon sehr schnuckelig", fand sie. Malin glaubte ein Glänzen in ihren dunklen Augen zu sehen. Bevor Gritje noch weiter von ihm schwärmte, stieß Malin lieber andere Themen an. Ihre Gespräche drehten sich hauptsächlich um Fernsehsendungen, Bücher und Promis. Nur einmal zogen ein paar Mädchen aus Sophias Clique an ihnen vorbei. "Ui, Malin hat eine neue Freundin gefunden", konnte Lisa-Marie einen Kommentar nicht unterdrücken. "Das ist schon ein großes Wunder", bemerkte ihre Zwillingsschwester Lucy. "Was für eingebildete Ziegen!", schnaubte Gritje. "Was denn?", horchte Malin auf. "Siehst du nicht diese beiden Mädchen, die beinahe gleich aussehen und über dich lästern?", klang ihre neue Mitschülerin leicht verärgert. "Ach, das sind nur die Zwillinge, zwei Freundinnen von Sophias Clique", tat Malin gleichgültig. 

 

Zu Erleichterung kam Morten am nächsten Tag wieder, da er in den ersten beiden Stunden auch Geschichte hatte, holte er Malin an der Haustür ab. "Ich habe noch was für dich", lächelte er geheimnisvoll und fuhr sich durch seine leicht verwuschelten Haare. "Das hat mir schon deine Schwester gesagt", sagte sie, "Magst du es mir denn jetzt verraten?" "Nein, erst lasse ich dich ein wenig zappeln", Morten liebte es sie zappeln zu lassen. "Bitte? Kannst mir wenigstens ein Detail verraten?", klimperte Malin mit ihren Wimpern. Ihr Freund ließ sich nicht beirren, selbst als sie anfing ihn auszukitzeln. "Hast du nach der Schule noch ein bisschen Zeit?", fragte er. "Warum nicht?", zuckte sie mit den Achseln. "Ganz einfach, wir können nachher noch zu Subway gehen und uns anschließend in die Eisdiele setzen", schlug Morten vor. "Aber ich habe kein Geld mit", ließ Malin die Schultern hängen. "Ach was, ich lade dich ein", klopfte er ihr auf die Schulter. "Vielen Dank, Schatz!", fiel sie ihm um den Hals. Hand in Hand betraten sie die Pausenhalle mit dem Klingeln. "Glück gehabt!", raunte Morten und eilte mit ihr auf die Treppe zu. Im Gesichtskurs hatten sie wieder Frau Weißenburg, die sie bereits letztes Schuljahr schon gehabt hatten. Unter den Lehrern galt sie als harter Hund, der Nachlässigkeit, Zuspätkommen und Respektlosigkeit nicht duldete. 

 

Nachdem sie zwei Stunden lang Definintionen über die Weltwirtschaftskrise durchgekaut hatten, fiel den Schülern fast ein Stein vom Herzen, als es zur großen Pause klingelte. "Hey, ich geh eben zu meinen Kumpels, die mich noch was fragen wollen", verabschiedete sich ihr Freund, womit Malin allein zurück blieb. Zufällig entdeckte sie zwischen den Schülermassen Gritje. Allerdings nicht alleine, sie hatte zwei fremde Mädchen an ihrer Seite. Vorsichtig lief sie auf das Trio zu, doch auf halber Strecke stoppte sie. Hatte Gritje inzwischen Ersatz für sie gefunden? "Hi Malin, komm doch mit", rief ihr Gritje zu, bevor noch mehr negative Gedanken in ihr aufkommen konnten. "Hi", grüßte sie lächelnd zurück. Zu viert gingen sie auf den Schulhof und setzten sich auf eine leere Bank. "Das ist Katrina", stellte Gritje ein Mädchen mit blonden Kräusellocken vor. "Hi, ich bin Malin", gab Malin ihr schüchtern die Hand. Das andere Mädchen hieß Leonie und hatte glatte dunkelblonde Haare, die ihr bis zur Taille reichten. "Ward ihr gerade auch so schwer von diesen beiden Tussen genervt?", begann Katrina das Gespräch. "Oh ja, auf ihr kleinkindisches Gegacker könnte ich verzichten", rollte Leonie mit den Augen. "Von wem sprecht ihr?", erkundigte sich Malin. "Von so einer gewissen Sophia und dessen rothaariger Freundin", meinte Gritje. "Ich weiß, um wen es sich handelt, das sind Sophia und Franziska aus meiner Klasse", sagte Malin. "Oh je, wie hast du es mit ihnen ausgehalten?", sah Katrina sie mitleidig an. "Ich war in deiner Parallelklasse, daher habe ich gesehen, wie sie dich behandelt haben. Ich fand das total mies, aber wie wusste nicht, wie ich eingreifen sollte", erzählte Leonie. 

 

Nach der sechsten Stunde holte Morten sie wie versprochen vor dem Klassenraum ab. "Lass uns erstmal zu Subway gehen, mein Magen hängt schon in den Kniekehlen", drängte er und nahm sie an der Hand. "Was ist mit der Überraschung?", forschte sie nach. "Nachher im Eiscafe", wiegelte er ab. Der Subway war genau drei Minuten zu Fuß von der Schule weg. Beide bestellten sich ein großes Baguette mit Salami, Schinken, Tomate und viel Käse, dazu tranken sie beide einen großen Becher Cola. Malin war selbst erstaunt, wie schnell sie das Baguette in sich hinein bekam. Sonst gab sie sich immer mit einem halben Baguette zufrieden. "Ein Eis geht noch!", raunte er ihr zu, "Gibst du dich auch mit einem Eis auf die Faust zufrieden? Ich fürchte mein Geld reicht nicht mehr für zwei Eisbecher" "Klar, so einen großen Hunger habe ich auch nicht mehr", beruhigte sie ihn. Arm in Arm schlenderten sie auf die Eisdiele zu. Während Morten bereits sein Eis in der Hand hielt, brauchte Malin eine halbe Ewigkeit zu entscheiden, welches Eis sie haben wollte. "Ich dachte schon, du wolltest dich heute nicht mehr entscheiden", neckte er sie und nahm sie an der Hand. ihr Weg führte in den Stadtpark, wo sie sich auf einer Bank niederließen und in Ruhe ihr Eis essen konnten. "Mach eben die Augen zu!", befahl er. Malin tat wie befohlen und hielt kurz darauf einen Umschlag in ihrer Hand. "Rate mal, was das sein könnte?", grinste Morten. "Vielleicht hast du mir einen wunderschönen Liebesbrief geschrieben?", erwiderte sie ironisch. "Komm mach schon auf", lachte er. "Das sind ja Fußballkarten! Vielen Dank!", jubelte Malin und fiel ihrem Freund um den Hals. 

 

Am Samstag fuhr Malin bereits am Vormittag mit Lynn, ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Ron los. Mortens Mannschaft hatte ein Auswärtsspiel. Da auf der Autobahn glücklicherweise nicht viel los war, kamen sie relativ schnell durch. Trotzdem kamen sie erst gegen Mittag an. "Ob Morten von Anfang an spielen wird?", sagte Malin zu Lynn. "Das weiß er selber noch nicht", zuckte ihre Freundin mit den Achseln, "Der Trainer gibt die Aufstellung erst kurz vor dem Spiel bekannt" Bevor sie sich auf den Weg in die Arena machten, kehrten sie in ein Schnellrestaurant ein. "Heute spielen sie beim heimstärksten Team der Liga", wusste Mortens Vater Bescheid. "Mal hoffen, dass sie wenigstens ein Unentschieden erreichen", meinte seine Frau. "Ich hoffe, dass mein Bruder spielt", fügte Lynn hinzu. "Vielleicht schießt er sogar ein Tor, er ist doch sonst immer so gut", warf Ron ein. "Kommt, wir sollten mindestens eine halbe Stunde vor dem Anpiff im Stadion sein", drängte sein Vater, worauf sich Ron den halben Hamburger fast im Ganzen in den Mund schob. Vom Restaurant bis zur Arena waren es gerade mal zehn Minuten Fußweg. Staunend blieb Malin vor der riesigen Arena stehen, die fast wie ein Raumschiff wirkte. Bis jetzt kannte sie diese Fußballtempel nur aus dem Fernsehen. Vor den Eingängen hatten sich bereits schon lange Schlangen gebildet. "Hey kommt, wir müssen zum Gästeblock in der Ostkruve", deutete Mortens Vater in die richtige Richtung.  

 

Das Stadion war bereits ziemlich voll, als sie sich auf ihre Plätze gesetzt hatten. Obwohl das Spiel noch gar nicht angefangen hat, sangen und klatschten viele Fans. Fanbanner und Fahnen beider Vereine wurden geschwungen. Die Stimmung war bereits jetzt klasse. Unten auf dem Spielfeld machten sich bereits die Spieler beider Mannschaften warm. "Siehst du Morten?", tickte Malin Lynn an. "Ich glaube er ist da mitten im Gewimmel", murmelte sie. Bei genaueren Hingucken erkannten die beiden Mädchen ihn mitten im Getümmel. Der Stadionsprecher verkündete im nächsten Augenblick die Aufstellung, dabei kam die Auswärtsmannschaft zuerst dran. Malin hoffte inständig Mortens Namen zu hören. "Spielt er gar nicht?", entfuhr es ihr geknickt. "Er sitzt erstmal auf der Bank. Ich denke trotzdem, dass er nachher mit großer Wahrscheinlichkeit eingewechselt wird", meinte Ron. 

 

Das Spiel wurde angepfiffen. Anfangs lief die Partie noch ziemlich langsam. Fast schien es so, dass sich die beiden Teams gegenseitig abtasteten und auf keinen Fall eine Großchance des Gegners zulassen wollten. Malin warf einen Blick zu Morten, der unten auf der Spielerbank am Spielfeldrand saß und aktiv das Geschehen verfolgte. Irgendwie sah er süß aus, wenn er sein Kinn auf den Händen aufgestützt hatte und seine leicht verwuschelten Haare in der Sonne glänzten. "Sie müssen einen Zahn zulegen, sonst klingelt es bei ihnen im Kasten", meinte Mortens Vater skeptisch. Kaum hatte er dies gesagt, startete die gegnerische Mannschaft einen Konter über die Außenbahn. "Verdammt, nun hängen die Gegner unsere Abwehrspieler ab!", dachte Malin verzweifelt und kaute auf ihrer Unterlippe. Die Heimmannschaft wurde lauthals von ihren eigenen Fans angefeuert, die eindeutig in der Überzahl waren. 

 

Der Abwehrriegel war geknackt. Nun schoben die gegnerischen Offensivspieler sich drei- oder viermal den Ball zu, bevor der Stürmer mit der Nummer Neun sicher das Spielgerät in die untere licke Ecke schob. "So ein Mist, ich habe es geahnt!", regte sich Mortens Vater auf. "Stecke nicht den Kopf in den Sand, es wurden gerade einmal achtzehn Minuten gespielt", versuchte seine Frau ihn zu besänftigen. "Genau, Mama hat Recht", pflichtete Lynn ihrer Mutter bei, "und wenn Morten erstmal auf dem Platz steht, müssen sich die Gegner warm anziehen" Als Mortens Team den Anstoß ausführte, unterstützten die Fans im Gästeblock ihre Mannschaft lautstark. Besonders Ron gab sich Mühe. "Ron muss aufpassen, dass er morgen nicht heiser wird", wisperte Lynn, "Er hat morgen Abend einen Theaterauftritt mit seiner Klasse" Bei der Vorstellung, wie Ron krächzte und kaum ein Wort aus sich heraus bekam, konnte ein Malin ein Grinsen nicht verkneifen. "Achtung, seht ihr das!", stieß Ron die beiden Mädchen an. "Was denn?", sah Malin ihn leicht genervt an. "Das war ein übles Foulspiel an unserer Nummer Acht!", beschwerte sich der Junge, "und diese Blindschleiche von Schiedsrichter pfeift es noch nicht einmal!"

 

Zur Halbzeit stand es 1:0 für die Gastgeber. "Sie haben noch richtig Dusel gehabt", fand Ron, "Fast hätten die Gegner noch zwei oder drei weitere Tore geschossen" "Zum Glück haben das der Pfosten und ein Torwart mit schnellen Reflexen verhindert. Ich sag doch die ganze Zeit, dass Morten endlich kommen muss!" "Keine Angst, er wird kommen", legte ihm seine Mutter die Hand auf die Schulter. "Malin, Morten steht auf dem Rasen", raunte Lynn Malin aufgeregt zu. "Stimmt, ich sehe ihn auch", nickte sie. Da er sich mit den anderen Ersatzspielern warm machte, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass er noch zum Einsatz kam. Leichtfüßig liefen die jungen Männer über den Rasen und spielten sich die Bälle zu. Morten war unter ihnen und jonglierte gekonnt einen Ball, den er anschließend in Richtung Tor beförderte.

Nachdem knapp eine Viertelstunde gespielt wurde, stand Morten am Spielfeldrand. "Juhu, er wird eingewechselt!", freute sich Malin diebisch. Voller Motivation lief ihr Freund auf seine Position und setzte sich gleich beim ersten Pass in Szene. Mit viel Speed umkurvte er einen Gegenspieler und setzte kurz vor der Strafraumgrenze einen Schuss ab. Für den Keeper war es kein Problem den Ball zu halten. "Junge, du musst in die Ecken zielen und nicht direkt auf den Torwart drauf halten!", rief Mortens Vater. Malin hatte bereits jetzt schon das Gefühl, dass er immer alles besser wusste. "Papa, spiel doch selber!", nahm Ron kein Blatt vor den Mund. Von dem Moment an war sein Vater ruhig. "Früher war Papa auch ein guter Fußballer und vor allem war er rank und schlank. Als er seine Karriere beendete, gönnte er sich zu viele Steaks und Biere. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Waage fünfzehn Kilo mehr anzeigte", erzählte Lynn. 

 

In der Mitte der zweiten Hälfte nahm das Spiel immer mehr an Fahrt auf. Nun war es Mortens Mannschaft, die den Gastgebern den Sieg streitig machten. Besonders Morten wollte der ganzen Welt beweisen, wie viel Talent und Spielwitz in ihm steckten. Ohne Furcht ging er in die Zweikämpfe und stibitzte den erfahreneren Spielern den Ball. "Dass er so überhaupt keine Furch vor den älteren Spielern hat!", staunte Malin. "Er ist halt frech, aber das war er immer schon", grinste Lynn amüsiert. Im nächsten Augenblick startete Morten ein Dribbling auf der rechten Außenbahn. Da er recht schnell war, konnte er ein paar Gegenspieler hinter sich lassen. "Geb endlich den Ball ab!", sprang Mortens Vater auf, "Die Nummer Dreizehn steht kurz vor dem Strafraum frei!" Als hätte er den Befehl gehört, spielte Morten einen hohen Ball zu dem Spieler, der im Strafraum lauerte. "Rein mit der Kugel!", rief Ron. Der Stürmer fackelte nicht lange und besorgte mit einem strammen Flachschuss für den Ausgleich. Malin, Mortens Familie und der gesamte Gästeblock sprangen jubelnd auf. Außer sich vor Freude fielen sich Malin, Lynn und Ron in die Arme. "Das war sensationell!", freute sich ein Fan hinter ihnen, "Von dem jungen Jansen werden wir in paar Jahren noch mehr hören"

 

Es blieb bei einem leistungsgerechten 1:1. "Fast hätte Morten noch das Siegtor geschossen, wenn der blöde Schiedsrichter die Szene aufgrund Abseits nicht abgepfiffen hätte", regte sich Ron auf, "Dabei stand nicht mein Bruder im Abseits, sondern dieser schwerfällige Italiener" "Immerhin hat dieser Luiginni für den Ausgleich gesorgt", meinte sein Vater. "Ich bin mir sicher, dass Morten noch seine Treffer erzielen wird", mischte sich die Mutter ein, "Immerhin hat er heute ein klasse Spiel abgeliefert" "Auf jeden Fall ein tolles Bundesliga-Debut", freute sich Malin, die mit ihrem Freund sehr zufrieden gewesen war. "Und nächste Woche Zuhause muss er in der Startelf stehen", beteuerte Lynn. Auf dem Weg aus dem Stadion hakte sie sich bei Malin ein. "Was hält ihr davon, wenn wir morgen gemeinsam essen gehen und Mortens Einstand feiern?", schlug Mortens Vater vor, "Das hätte den Vorteil, dass er dabei wäre"

14. Only for you!

Malin konnte es immer noch kaum glauben, dass es über ein halbes Jahr her war, seitdem sie Morten und Lynn kennen gelernt hatte. Anfangs hatte sie sich bei ihm nicht den Hauch einer Chance ausgemalt und nun waren sie nach einer kurzen Unterbrechung fast vier Monate zusammen. Da Malin sich für den Fußballkurs ihrer Schule eingeschrieben hatte, gab Morten ihren persönlichen Fußballcoach. Jedes Mal, wenn sie auf der Rasenfläche seines großen Gartens trainierten, hatte er neue Übungen in petto und zeigte ihr coole Tricks. Alles was bei ihm babyleicht aussah, damit tat sie sich richtig schwer. "Meine Güte, langsam reicht es mir! Für heute ist mir die Lust vergangen!", maulte sie, als ihr der Ball zum zigsten Mal vom Fuß glitt. "Schatz, ich weiß, dass es nicht einfach ist Geduld aufzubringen", holte ihr Freund tief Luft, "Aber manchmal muss man bereit sein, eine Übung tausendmal zu wiederholen, bis sie klappt" Er ging auf sie zu und nahm sie zur Aufmunterung kurz in den Arm. 

 

Am Wochenende wartete das erste Heimspiel auf Morten. Wieder war Malin mit seiner Familie im Stadion. Diesmal waren auch Gritje, Inka und Lucas mit dabei. Schon vor dem Spiel war die Stimmung noch besser als beim ersten Mal. Kein Wunder, schließlich spielten sie vor heimischen Publikum und fast jeder Anwesende war heiß darauf, dass das erste Heimspiel angegepfiffen wurde. Morten stand wegen der guten Leistung im Kader, da er vor zwei Wochen überzeugt hatte. Am letzten Samstag fand aufgrund der Länderspielpause keine Spiele statt, sodass heute der zweite Spieltag war. Während die Teams in die Arena einliefen, wurde die Vereinshymne gespielt und Fans hielten ihre Schals in die Höhe. Das war Gänsehautfeeling pur! Das Spiel konnte beginnen! Die Spieler von Mortens Mannschaft waren besonders heiß auf den Anstoß. Kaum hatte das Spiel begonnen, riss die Heimmannschaft das Spiel an sich. Es war absehbar, dass sich der Aufsteiger mit der dominanten Spielweise schwer tat und Mortens Team sich eine gute Chance nach der anderen erarbeitete. Schon nach zwanzig Minuten fiel das 1:0 nach einer Ecke, als ein großer schlacksiger Verteidiger, der mit nach vorne aufgerückt war, einen wuchtigen Kopfball in den Maschen versenkte. Zwar freute sich Malin über die frühe Führung, aber leider war nicht ihr Freund, derjenige der das erste Tor erzielte. 

 

Die nächste gute Chance gehörte Morten, der einen Freistoß an die Latte setzte. "Weiter so, junger Fußballgott!", riefen Fans, die neben ihnen saßen. "Er wird garantiert noch sein Tor machen", war Ron überzeugt. "Aber klar doch!", nickte sein Vater, "Dein Bruder ist noch umsonst ein Jahrhunderttalent, er kommt nach meinem Vater" "Papa, du hättest genauso gut sein können", stieß Ron ihn an. "Ich weiß, aber mich haben dauernd irgendwelche Verletzungen aus der Bahn geworfen", seufzte sein Vater, "Ich muss zugeben, dass ich beim Training nicht immer sehr ehrgeizig war. Morten kommt nach seinem Großvater, der auch immer sehr viel Biss hatte" Kurz vor der Halbzeitpause gab es einen berechtigten Handelfmeter für die Gastmannschaft, den der Spielführer der Gäste sicher verwandelte. "So ein Mist!", schimpfte Lucas, "Da dominieren wir die Partie und nur durch so eine Ungeschicklichkeit kommt der Ausgleich aus dem Nichts!" "Gleich werden wir wieder voll angreifen!", versicherte ihm seine Freundin Inka. "Auf jeden Fall wird Morten noch sein Tor machen", beharrte Malin. Fast hätte er wieder die Möglichkeit gehabt, wenn der Torwart seinen Fernschuss nicht aus dem linken Eck gekratzt hätte. "Come on, come on!", trieben die Fans ihre Mannschaft unermüdlich an. Nun ertönte der Pausenpfiff. "Hätte der Pausenpfiff nicht etwas später fallen können, gerade hatte unser Team einen echt guten Spielzug!", beschwerte sich Mortens Vater. 

 

Nach der Pause legte Mortens Team los wie die Feuerwehr. Sie wollten unbedingt vor ihren eigenen Fans in Führung gehen. "Mensch Junge, gib doch mal den Ball ab!", hörte Malin einen Spieler rufen, als Morten in Richtung Strafraum dribbelte. Im nächsten Moment grätschte ihm ein Abwehrspieler den Ball weg. "Na toll, wieder eine Möglichkeit perdu!", schüttelte Lucas den Kopf. Nur kurz darauf konnte Morten wieder punkten, bei einem indirekten Freistoß erzwang er, dass sein Gegenspieler den Ball ins eigene Tor köpfte, weil er ihn permanent bedrängt hatte. Da war die verdiente Führung! Ohrenbetäubender Jubel brach aus und der Pechvogel der anderen Mannschaft trottete betreten zu seinen Mannschaftskameraden zurück. Die Support der Anhänger wurde von Minute zu Minute lauter und intensiver. Mortens Team wollte um keinen Preis das Spiel auch nur eine Sekunde aus der Hand geben. Malin fiel auf, dass ihr Freund ununterbrochen in Bewegung war. Ihm war anzumerken, dass er unbedingt sein erstes Bundesligator schießen wollte. "Ich wäre schon nach zehn Minuten k.o., wenn ich so viel rennen müsste", gestand Gritje. "Rate mal, warum Morten täglich trainiert", meldete sich Lucas zu Wort, "Ihn haut so schnell nichts mehr um" Für Mortens Team lief es wie am Schnürrchen, lediglich ein drittes Tor fehlte. Nun kam der gegnerische Torwart weit raus, um sich Morten in den Weg zu stellen. Gekonnt lupfte er den Ball über den Kopf des Keepers. Im ersten Augenblick befürchtete Malin, dass der Schuss über das Tor ging. Als laut gejubelt wurde, die Torhymne gespielt wurde und der Stadionsprecher das Tor mitteilte, war es eindeutig, dass er getroffen hatte. Malin sah, wie ihr Freund in einer Spielertraube verschwand. Kurz darauf war das Spiel vorbei. 

 

"3:1 für unsere Jungs, im ersten Heimspiel! Was für ein grandioser Auftakt und zudem Platz fünf in der Tabelle!", verkündete der Stadionsprecher feierlich und spielte den Nummer Eins Hit aus den Charts ab. Morten tauschte mit einem Gegenspieler das Trikot. Die Gewinnermannschaft trat zu einer Ehrenrunde durch das Stadion an. Die Spieler hielten sich an den Händen und performten eine Laola. Lautstark wurden sie von ihren Fans auf den Rängen gefeiert. "Das hat sich heute richtig gelohnt! Morten hat eine astreine Leistung gezeigt!", war Mortens Vater zufrieden. "Ich bin so stolz auf ihn, dass er zum ersten Mal in der Liga getroffen hat!", glühten die Wangen seiner Frau. "Ich bin mir sicher, er wird durchstarten", war Lynn ganz euphorisch, "Mein Bruder hatte noch nie was anderes außer Fußball im Kopf"

 

"Ich kann in der Schule prahlen, was für einen tollen Bruder ich habe", grinste Ron. "Ich würde ihn auf jeden Fall zum Matchwinner wählen", war Inka überzeugt. "Wollen wir langsam gehen?", blies Lucas zum Aufbruch, "Ich habe gerade Hunger und würde mit euch zu McDonalds gehen" "Cool. ich bin dabei!", klang Lynn begeistert. "Ich komme nicht mit", sagte Malin, "Ich werde nachher mit Morten essen. Er hat mich heute zum Übernachten eingeladen" Vor dem Stadion verabschiedete sie sich von ihren Freunden und ging zur nächsten Haltestelle der Regionalbahn. Was für ein toller Nachmittag! Dies musste sie natürlich ihrer besten Freundin Fredie per SMS mitteilen. 

 

Am Abend war Malin zum ersten Mal bei Morten zum Übernachten eingeladen. Nachdem sie unten in der Küche den leckeren Lachsgratin seiner Mutter gegessen hatten, machten sie sich es im Gästezimmer auf dem Dachboden bequem. Sie lagen nebeneinander auf dem Doppelbett. Zudem hatte Morten ein paar gute Filme rausgesucht, die sie sich nach und nach anschauten. Nebenbei naschten sie Weingummi, Schokoladenriegel, Marshmellows, Chips und tranken Cola. "Glaubst du, dass das eine ausgewogene Ernährung ist?", giggelte Malin.  "Ach komm schon, ab und zu braucht jeder mal einen harten Zuckerschock", grinste er und stopfte sich eine ganze Hand voll Gummibärchen in den Mund. "Bei dem ganzen Sport, den du machst, kann dir nicht einmal die härteste Kalorienbombe etwas anhaben", knuffte sie ihn liebevoll. Das stimmte, an ihrem Freund war kein Gramm Fett zu viel. Liebevoll fütterten sie sich gegenseitig mit dem Naschzeug, bis sie fast platzten.

 

Es war weit nach Mitternacht, als Morten den Fernseher ausschaltete. Damit es gemütlicher wurde, zündeten sie die Kerzen an, die auf den beiden Nachttischen standen und machten die Lampen aus. "Baby, jetzt haben nur genug Zeit nur für uns beide", hauchte er und begann sich an Malins Hosenbund zu schaffen zu machen. "Hey, was soll das?", protestierte sie. "Keine Angst, ich ziehe dich nur bis auf die Unterwäsche aus", versicherte er ihr, während er in sekundenschnelle fast alle Kleidungsstücke, bis auf seine Boxershorts, vom Leib gerissen hatte. Sein durchtrainierter Körper und sein verschmitztes Lächeln, als das war an ihm so verführerisch. "Kuschel dich zu mir, Schatz!", zog er sie unter die Decke. Zuerst fühlte es für Malin ein bisschen fremd an, dass sie halbnackt unter der Decke kuschelten. Aber war es wunderbar romantisch und erregend zu gleich. Minutenlang sahen sie sich bei Kerzenschein in die Augen, die bei diesem Licht so geheimnisvoll funkelten. Mortens Körper war deutlich viel wärmer als ihrer. Malin, die zuvor leicht gefröstelt hatte, schmiegte sich umso mehr an ihren Freund. "Ich liebe dich über alles, Malin", begann er sie zu küssen. "Ich dich auch!", flüsterte sie, verpasste ihm einen Knutschfleck am Hals und malte mit dem Zeigefinger ein Herz auf seinen nackten Rücken. Da es schon relativ spät war, schliefen sie zusammen unter einer Decke ein. 

15. Malins Geburtstag

"Wisst ihr, ich habe bald Geburtstag", sprach Malin das Thema an, als sie mit ihren neuen Freundinnen  Leonie, Gritje und Katrina ihre Freistunden in einem Straßencafe verbrachte. "Wie cool, willst du auch groß feiern?", fingen Katrinas großen blauen Augen an zu strahlen. "Gerne, aber da gäbe es noch ein paar kleine Probleme", dachte Malin laut nach. "Und die wären?", fiel ihr Leonie ins Wort. "Ich müsste in unserer Wohnung feiern, was meine Eltern nicht so gerne hätten, dann will ich meine besten Freundin aus Köln einladen und ich habe mitten in der Woche Geburtstag", zählte sie auf. "Das heißt nicht, dass du nicht feiern kannst, Malin", sagte Gritje sofort. "Wir werden schon eine Lösung finden, dafür wird unser Girlsclub schon sorgen. Wir könnten vielleicht Lynn und Morten fragen, ob wir auch bei ihnen feiern könnten"

 

Malin machte sich viele Gedanken, wie sie ihre Geburtstagsparty auf die Beine stellen konnte. Als erstes stellte sie eine Gästeliste zusammen: Morten, Lynn, Gritje, Leonie, Katrina, Inka mit ihrem neuen Freund Lucas und natürlich Fredie! Mehr Leute konnte sie nicht einladen, egal wie sehr sie Kiki und co mochte, aber das wären einfach zu viele. Als Malin das Thema bei ihren Eltern ansprach, schlugen sie vor, dass sie mit ihrem Bruder für ein Wochenende in ihre Ferienwohnung an die Ostsee fahren könnten. Somit hätte Malin an einem Wochenende sturmfreie Bude und konnte problemlos ihre Freunde einladen. Sie hätte ihre Eltern knutschen können. Wie eine Schneekönigin grinsend hüpfte sie in ihrem eigenen Zimmer auf und ab. Sie fuhr ihren Laptop hoch, loggte sich bei Facebook ein und tat überall kund, dass ihre Feier in trockenen Tüchern war. Juhu, nach zwei Jahren stand wieder eine richtige Geburtstagsparty an! Als erstes rief sie Fredie an, die vor Freude ins Telefon juchzte. "Ja Malin, wir bringen deine Bude zum Explodieren!", rief ihre beste Freundin übermütig in den Hörer. "Willst du das wirklich? Mama hat mir gesagt, dass die Bude wieder tiptop sein muss, wenn sie wieder kommt", kicherte Malin. "Na klar, ich helfe dir beim Klarschiffmachen", versicherte Fredie ihr und fragte, "Wen lädst du noch ein?" "Du wirst meine neuen Freunde noch früh genug kennen lernen", antwortete sie ihr darauf. "Oh ja, ich freue mich schon richtig darauf und noch mehr freue ich mich, dass du an deiner neuen Schule endlich Freunde gefunden hast", sagte ihre Freundin. Die beiden Freundinnen telefonierten bis es elf Uhr war. Danach musste Malin duschen und ihre Tasche für morgen packen. 

 

Malins Geburtstag war genau eine Woche später. 17 Jahre wurde sie alt. Wie immer packte sie die Geschenke nach der Schule aus. Morten war nach der Schule mit ihr nach Hause gekommen. Es gab Malins Lieblingsgericht und ihre Mutter zauberte eine leckere Vanillecreme mit einer samtigen Himbeersoße zum Nachtisch im Wohnzimmer. "Liebling, wolltest du dich noch deine Geschenke auspacken?", führte ihre Mutter sie zum Gabentisch. "Na klar, als ob ich das vergesse", lachte Malin und nahm sich das erste kleine unscheinbare Geschenk aus. Kurz darauf stieß sie einen Freudenschrei aus. "Danke Mama, das ist ja ein neues Handy, das ich mir so sehr gewünscht habe!", platzte sie vor Freude. "Wir haben uns gedacht, dass du inzwischen alt genug für so ein neumodisches Smartphone bist", erwiderte ihre Mutter. "Alt genug?", runzelte Morten die Stirn, "Mein Bruder hat sein Smartphone bereits letztes Jahr zu Weihnachten bekommen" Malin nickte nur. Ihre Mutter war nicht gerade der größte Fan von diesen neumodischen Technikkram. Bis vor zwei Jahren hatte sie Malin verboten, dass sie sich bei Facebook anmeldete. "Na los, pack doch noch die anderen Geschenke aus", drängte ihre Mutter. In den anderen Geschenken und Paketen befanden sich Kuschelsocken, ein schicker Kapuzenpullover, neonorange Laufschuhe, ein Pandoraarmband, zwei Bücher und ein Handycase. Die Freude über das neue Smartphone war natürlich am größten. Endlich konnte sie mit ihren Freunden mithalten, was der technische Standard betraf. 

 

Malin wollte das neue Handy am liebsten sofort in Betrieb nehmen. "Nein, du musst es erstmal aufladen und die Simcard einsetzen", schnappte sich Morten das Ladekabel. Malin konnte es nicht erwarten, bis sie endlich ihr neues Mobiltelefon einweihen konnte. Endlich war sie im neuen Zeitalter der Technik angekommen. Zum Kaffeetrinken kamen ihre Großeltern und drückten ihr einen Briefumschlag in die Hand. Neugierig öffnete sie ihn und zog einen Gutschein über 15 Fahrstunden heraus. "Vielen Dank, ich werde mich demnächst für den Führerschein anmelden", strahlte sie über beide Backen. "Wie fühlst du dich mit 17 Jahren?", fragte ihre Oma. "Genauso wie mit 16", erwiderte Malin. Was für eine Frage! Warum musste man die Frage jedes Jahr stellen? "Will das Geburtstagskind den Kuchen nicht anschneiden?", tickte ihr Vater sie an. "Vielleicht sollte sie erstmal die Kerzen auspusten", warf Morten ein. Malin holte tief Luft und schaffte es im ersten Anlauf fast alle Kerzen auszupusten, bis auf zwei, die wiederwillig wieder aufflammten. Ihr jüngerer Bruder stimmte Happy Birthday an, worauf alle Anwesenden einstimmten. Malin schnitt den Kuchen in mehrere Stücke und tat jedem ein Stück auf. Nach dem Geburtstagskaffee war ihr Handy soweit aufgeladen, dass Morten beginnen konnte, ihr neues Nutzerkonto einzurichten und meldete sie bei Whatsapp an. Als erstes schickte sie eine Probenachricht an Fredie. "Hi Süße, alles Gute zum Geburtstag! Yeah, endlich hast du auch Whatsapp! Juhuuu! Das müssen wir am Samstag ganz groß feiern!", antwortete ihr ihre beste Freundin sofort. 

 

Glücklicherweise spielte Mortens Team am Freitagabend zuhause, sodass Malins Freund zu ihrer Fete kommen konnte. "Deine Eltern sind nicht da? Wie cool ist das denn!", sagte Katrina, die die Wohnung im ersten Stock betrat. Leonie und sie hatten sich richtig schick  angezogen, als würden sie in die Disco gehen und nicht zu einer normalen Geburtstagsparty. "Hallo, ich bin Frederike, auch Fredie genannt", gab Fredie den beiden letzten Gästen die Hand. "Nett dich kennen zu lernen, Fredie!", gab Katrina ihr einen Highfive. "Kann es jetzt losgehen?", rief Lynn aus dem Wohnzimmer. "Klar, wir sind vollzählig", erwiderte Malin und tappte ins Wohnzimmer zurück. Auf dem runden Wohnzimmertisch stand eine riesige Schokoladentorte, die mit Erdbeeren verziert war. "Wow, wer hat das von euch gebacken?", machte Fredie ganz große Augen. "Lynn und ich", meldete sich Inka zu Wort. "Cool, ihr könnt glatt eine Konditorausbildung anfangen", war Leonie ganz beeindruckt. Lynn knipste das Licht aus und Morten zündete die Kuchenfontänen an. Silberne und goldene Sterne erhellten den Raum, während die Freunde Happy Birthday sangen. Plötzlich fing der Feuermelder an zu piepen. "Was ist das denn?", sprang Gritje erschrocken auf. "Oh je, ich habe ganz vergessen, dass der Feuermelder direkt über dem Tisch ist", stieß Malin hervor. "Was machen wir jetzt?", machte Katrina ein ratloses Gesicht. "Die Feuerwehr rufen", flachste Lucas. "Nein, das kam doch nur von den Kuchenfontänen", meinte Lynn, "Wir hätten besser die Terassentür aufmachen müssen" Die Freunde öffneten alle Türen und Fenster, aber der Feuermelder lärmte weiter. 

 

Morten hatte die rettende Idee. Er räumte den Kuchen, die Gläser und die Teller beseite und kletterte auf den Tisch. "Meine Güte, ich habe doch gewusst, dass wir eine Chaotengruppe sind!", kicherte Fredie los. "Oh ja, das war schon mal ein guter Anfang!", musster Leonie schmunzeln, worauf alle Anwesenden einen heftigen Lachkrampf bekamen. Endlich hatte Morten den Feuermelder abmontiert und die Batterien heraus genommen, sodass es wieder ruhig war. Malin und Fredie schauten sich immer wieder belustigt an und kicherten immer wieder von neuem los, sodass ihnen die Tränen in die Augen standen. "Wir sind wirklich Spezialisten!", giggelte Leonie. "Mensch, können wir aufhören zu lachen, ich kriege gleich Seitenstechen!", rief Katrina dazwischen. "Wisst ihr was, Mädels?", grinste Lucas frech und hielt ihnen sein Handy hin, "Ich habe alles gefilmt!" "Du Schlingel!", rief Inka empört. Sie stürzte sich auf ihren Freund und fing an ihn auszukitzeln. Lynn riss ihm das Handy aus der Hand und hielt seine Arme fest. "Alle Mädels auf ihn drauf!", überschlug sich Fredies Stimme fast vor Übermut. Sofort stürzten sich alle weiteren Mädchen auf ihn und die Schlacht begann richtig. "Morten, hilf mir! Sieben gegen eins ist unfair!", rief Lucas lachend. "Das hast du davon, wenn du uns unerlaubt filmst", meinte Gritje. Morten hatte doch noch ein Erbarmen mit Lucas. Er drängelte sich an den Mädchen vorbei und befreite ihn aus seiner misslichen Lage. 

 

Plötzlich hörten sie die Klingel. "Kommt noch ein Gast?", wunderte sich Fredie. "Hoffentlich ist das kein Nachbar, der sich wegen unseres Lärms beschwert", murmelte Inka. "Ach was, das ist der Pizzabote", wusste Malin bescheid, worauf Fredie wieder zu kichern anfing. Die beiden Freundinnen rannten nach unten und öffneten dem Pizzamann die Haustür. Malin bezahlte eben und eilte hinter Fredie die Treppenstufen hoch. "Ich denke zwei Familienpizzen müssten reichen", stellte Malin den Pizzakarton auf den Tisch. "Hoffentlich hat der Typ uns nicht für eine durchgedrehte Affenbande gehalten", war Fredie kurz davor wieder einen Lachanfall zu bekommen. "Ich habe jeden Falls nach der ganzen Aufregung guten Hunger", öffnete Lucas einen der Pizzakartons, "Wahrscheinlich schaffen Morten und ich eine Pizza im Alleingang" "Das fällt dir wohl nicht im Traum ein!", klang Inka empört. "Ein Stück Pizza Hawai ist auf jeden Fall auf für mich reserviert", fügte Lynn hinzu. "Habt ihr wirklich Angst, dass ihr verhungert?", sah Malin ihre Freunde groß an, "Wir haben doch noch die leckere Schokoladentorte und unzählig viele Süßigkeiten" "Habt ihr Lust auf ein bisschen Musik?", fragte Lucas in die Runde. "Gerne, es könnte etwas mehr Partystimmung aufkommen", nickten Leonie und Katrina. Lucas schloss sein Handy an die Lautsprecherboxen an, die er von Zuhause mitgebracht hatte. "Dafür eignet sich sein Handy wiederum sehr gut", wisperte Inka, als ihr Freund das erste Lied anmachte. 

 

Nach dem Essen packte Malin die Geschenke ihrer Freunde aus. Leonie überreichte ihr einen Kinogutschein und Katrina einen Gutschein für ein Modegeschäft. In Lynns Geschenk befand sich eine Lavalampe, die sofort ausprobierte. Gritje hatte ihr ein wunderschönes Gemäldes eines Sonnenuntergangs am Südseestrand mit dutzenden Palmen gemalt. "Wie schön, vielen Dank!", fiel Malin Gritje um den Hals. "Du kannst aber gut malen", war Fredie ganz begeistert. "Kein Wunder, sie ist die Tochter eines Kunstlehrers", bemerkte Leonie. "Aber Herr Verhoeven ist wirklich ein toller Lehrer", war Katrina der Meinung, "Er ist immer gut drauf und macht manchmal Witze" "Hey, willst du unser Geschenk gar nicht auspacken?", hielt ihr Lucas ein Päckchen hin, "Das kommt von Inka und mir" "Cool, ein Cocktailset mit Shaker! Dankeschön!", strahlte Malin. Bevor jemand anderes noch etwas sagen konnte, legte Morten sein Geschenk auf Malins Schoß. Es war weich und fühlte sich nach einem Kleidungsstück an. Behutsam wickelte sie das Geschenkpapier ab und hielt ein Trikot von Mortens Club in der Hand. "Schatz, vielen Dank!", gab sie ihrem Freund einen Kuss. Hinten standen Mortens Rückennummer und sein Name drauf. Das originellste Geschenk kam von Fredie: Ein Bilderrahmen mit vielen Fotos aus acht Jahren Freundschaft und dazu noch ein Gutschein für ein Beste-Freundinnen-Wochenende! Fredie war die Beste! Malin hätte sie am liebsten geknutscht, stattdessen hüpfte sie mit ihr übermütig durch das Wohnzimmer. 

 

Es wurde ein richtig toller Abend. Inka und Lucas hatten unzählige Säfte, Liköre und verschiedene Sirups mitgebracht, um daraus Cocktails zu mischen. Eigentlich hatten Malins Eltern Alkoholkonsum streng untersagt, aber sie waren gerade nicht da und konnten ihnen das nicht verbieten. Gut gelaunt tanzten die Freunde zu der Musik durch das Zimmer, neckten sich gegenseitig und Lucas konnte sie einmal zu einem Trinkspiel überreden. Nur einmal klingelte die unfreundliche ältere Witwe, die unter ihnen wohnte, wegen des Lärms. Deshalb beschlossen sie einen Film zu gucken. Weit nach Mitternacht machten sich die Gäste auf den Heimweg. Nur Fredie wollte über Nacht bleiben und schlief auf der Gästematratze neben Malins Bett wie in alten Zeiten. 

16. Regenwetter, Verletzungspech und schlechte Laune

Morten kam eines Morgens auf Krücken in die Schule. "Was ist passiert?", wollten seine Kumpels in der großen Pause wissen. "Ich habe mir gestern beim Zweikampf im Trainingsspiel das Außenband angerissen und kann nun vier Wochen nicht trainieren", erwiderte er. Der Frust in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Was? Solange kannst du nicht spielen?", klang Malin geschockt. Sie kannte es nur, dass sie sich einmal den Fuß verstaucht hatte und eine Woche lang nicht zum Sport gehen durfte. "Du bist vielleicht ein Pechvogel", meinte Nils, "Erst verschuldest du beim letzten Spiel einen Elfmeter und dann auch noch eine Verletzung" "Ja, das Glück hat man nicht immer auf seiner Seite", lächelte Morten bitter und fuhr sich durch seine dunkelblonden Haare. Schweigend strich Malin über seine Hand und wusste nicht, wie sie ihn aufmuntern konnte.  

 

Dass Morten verletzt war, bedeutete dass, Malin und er nun mehr Zeit mit einander verbringen konnten. Fast jeden Nachmittag war sie beim ihm Zuhause, machte mit ihm die Hausaufgaben und saß mit ihm vor dem Kamin. Seine gute Laune schien verflogen zu sein, seitdem er sich verletzt hatte und diese blöde Schiene tragen musste. Es gab Tage, an denen er sehr wortkarg war und gedankenverloren an die Decke starrte. Malin, seiner Zwillingsschwester und seiner Mutter entging nicht, wie er unter dieser Verletzungspause litt. Fußball war nun mal sein Leben und seit Jahren arbeitete er täglich hart daran, dass sein Traum vom Profifußball wahr wurde. "Was ist, wenn ich nicht mehr so gut spiele, wie vorher?", sagte er in die Stille hinein. "Mach dir keine Gedanken, du bist noch nicht mal schwer verletzt", legte seiner Mutter ihm die Hand auf die Schulter, "In ein paar Wochen wirst du wieder auf dem Platz stehen" "Trotzdem werde ich mehr als die Hälfte der Kondition eingebüßt haben", musste er schlucken. "Morten, du bist schon immer ein Kämpfer gewesen", nahm Malin seine Hand, "Du wirst schon zu deiner alten Form zurück finden, auch wenn du dich dahin zurück kämpfen musst" Lynn setzte sich neben sie und flüsterte ihrem Bruder etwas Tröstendes ins Ohr, sodass Morten doch ein kleines Lächeln über die Lippen brachte. 

 

Wenige Tage später fingen die Herbstferien an. Gleich am ersten Ferientag verabredeten sich Malin, Katrina, Leonie und Gritje sich zu einem Mädelsnachmittag in der Stadt. Das war mal eine große Abwechselung, da Malin zuvor fast jeden Tag bei Morten war und sich sein Gemaule anhören musste. Generell war es ungewöhnlich launisch und wirkte lustlos. Je schlechter das Wetter war, desto schlimmer war es. Daher war es nahezu erfrischend, dass sie mit ihren Freundinnen in der Fußgängerzone bummelte und sich mit neuen Klamotten eindeckte. Besonders Katrina und Leonie, die genau wussten, welche Mode angesagt war, konnten ihr gute Tipps geben. Nach einer zweistündigen Shoppingtour schlug Gritje vor, das neue Waffelcafe am Marktbrunnen auszuprobieren. Dort konnte man sich seine Waffel mit mehreren Toppings und Zutaten nach Wahl zusammenstellen. Malin entschied sich für eine Waffel mit Nutella, Bananen, Krokantstückhen und Kokosraspeln. Dazu bestellten sie und ihre Freundinnen sich Bananenmilchshakes. "Irgendwie viel zu schön, um sie gleich wieder aufzuessen", fand Gritje, "Das sind wahre Kunstwerke" Malin machte von ihren Waffeln ein Bild und schickte es via Whatsapp an Fredie. "Neid, ich will auch sofort eine dieser ultracoolen Waffeln! Schick mir bitte auch eine Waffel durchs Handy!", kommentierte ihre beste Freundin aus Köln. "Geht es Morten wieder ein bisschen besser?", erkundigte sich Leonie. "Naja, seine Verletzung macht Fortschritte, aber seine schlechte Laune ist immer noch geblieben", seufzte Malin und beklagte sich in der Gegenwart ihrer Freundinnen, dass er sie immer wieder von der Seite anmotzte und sich bei jeder Kleinigkeit aufregte. "Du hast es momentan nicht leicht mit ihm, aber es kommen bessere Zeiten", klopfte ihr Katrina aufmunternd auf die Schulter. 

 

Zwei Tage später arbeiteten Malin und Morten an einem Referat in Geschichte, welches sie zusammen kurz nach den Ferien präsentieren sollten. Immer wieder kriegten sie sich dabei in die Haare, da sie sich nicht einigen konnte, wie sie die Präsentation gliedern sollten. "Wenn ich dich alles alleine entscheiden lasse, wird das Referat höchstens ein bis zwei Seiten lang", beharrte Malin. "Wenn es nach deiner Nase ginge, wäre die Präsentation zwei Stunden lang", konterte ihr Freund. "Dann stünde nur die Hälfte drin und wir kriegen eine schlechte Note", erwiderte sie gereizt. "Die schlechte Note kriegen wir auch, wenn wir zu sehr um den heißen Brei herum reden", entgegnete er ihr bockig. "Meine Güte, können wir einmal vernünftig arbeiten?", verlor Malin fast die Geduld. "Du bist doch diejenige, mit der man gerade nicht zusammen arbeiten kann", schoss ihr Freund zurück. "Warum ausgerechnet ich?", versuchte sie ruhig zu bleiben. 

 

Die nächste Bombe platzte, als sie sich eine Nudelpfanne zum Abendessen machen wollten. Malin hatte aus Versehen die Herdplatte zu heiß eingestellt. Aus der Küche kam  ihr ein beißender Geruch von verbranntem Essen entgegen, als sie zum Herd stürzte. Zu spät! Verdammt, warum musste auch nur alles schief gehen an diesem Tag? Mehr als die Hälfte des Essens war angebrannt und konnte nur noch in der Mülltonne entsorgt werden. "Was ist den los, Malin?", humpelte Morten ihr auf seinen Krücken hinterher. "Das Essen ist uns leider angebrannt", hielt sie ihm die Pfanne hin. "Wie schaffst du es bloß, nur so viel Kohle zu produzieren?", sah er sie fassungslos an. "Tut mir leid, ich habe nicht gedacht, dass die Herdplatte so heiß ist. Haben wir noch etwas anderes zu essen?", fragte sie kleinlaut. 

 

"Kannst du nicht einmal aufpassen, du Trottel?", fuhr er sie an. "Wieso? Du wolltest unbedingt mit mir im Wohnzimmer Fernsehen gucken", verteidigte sie sich. "Das klingt so, als hätte ich dich dazu gezwungen", brauste er auf, "Außerdem haben wir nichts mehr im Haus, was wir aufwärmen könnten. Wegen dir müssen wir uns mit trockenen Brot und den Resten des Aufschnitt begnügen. Meine Güte, kriegst du auch nur einmal etwas gebacken?" "Wie redest du eigentlich mit mir?", holte Malin tief Luft, "Ich bin weder deine Köchin noch deine Dienerin!" "Verstehst du nicht, dass ich mit den verdammten Krücken ziemlich eingeschränkt bin?", funkelte Morten sie böse an. Ein Moment nachdem sie geschwiegen hatten, flogen die Fetzen. Selbst Norris, der Hauskater, schien entsetzt darüber zu sein, dass sie sich anschrieen. "Ich fahre jetzt nach Hause! Ich bin es leid, dass du deine beschissene Laune an mir rauslässt!", schrie sie und Tränen mischten sich in ihre aufgebrachte Stimme. Sie zog ihre Jacke über und knallte die Tür hinter sich zu. Weinend fuhr sie auf dem Fahrrad nach Hause. Es goss aus Kübeln und es war stockduster. Ihre Tränen vermischten sich mit den Regentropfen, die ihr ins Gesicht klatschten. 

 

Zuhause schloss sie sich in ihr Zimmer ein und warf sich auf ihr Bett. Sie fühlte sich elend. Jede Auseinandersetzung mit ihrem Freund machte ihr zu schaffen. Generell stritten sie sich häufiger, seitdem Morten verletzt war. Kein Wunder, momentan war er wie ein Pulverfass, das bei jeder Gelegenheit in die Luft ging. Nach einer Weile fischte sie ihr Handy aus der Hosentasche und schaute nach, ob ihr irgendwer geschrieben hatte. Morten hatte ihr nicht geschrieben. Malin hoffte wenigstens, dass er sich noch bei ihr entschuldigte. Er war derjenige, der vorhin grob zu ihr gewesen war und sie runter gemacht hatte. Deswegen sah sie es nicht ein, dass sie den ersten Schritt machte. Während sie mit Fredie chattete, ging es ihr wieder ein bisschen besser. Trotzdem nahm sie sich vor, bis morgenfrüh nicht mehr mit Morten zu schreiben. Konnte er doch zusehen, wo er blieb! Sie rannte ihm nicht mehr hinterher. Das Fernsehprogramm war genauso trostlos, wie das Wetter draußen und wie ihre eigene Laune. Nachdem sie das Programm durchgezippt hatte, stellte sie die Glotze aus. Sie öffnete die Packung mit den Schokoladenkeksen und trank einen großen Schluck aus ihrer Colaflasche, die sie auf ihrem Nachttisch stehen hatte. Süßkram half gut gegen Liebesfrust. "Malin, warum schließt du dich in deinem Zimmer ein?", klopfte ihre Mutter gegen die Zimmertür. "Mama, lass mich bitte in Ruhe!", rief sie genervt, "Ich habe mich nur hingelegt, weil ich einen Migräneanfall bekommen habe" Das stimmte zwar nicht ganz, aber gerade wollte sie einfach nur ihre Ruhe haben. 

 

Der nächste Tag plätscherte ereignislos vor sich hin. Malin half ihrer Mutter beim Einkaufen und beim Montieren eines neuen Regals. Von Morten hörte sie allerdings nichts mehr. Wie auch, wenn sie die ganze Zeit ihr Handy aus hatte und nicht an ihren Laptop ging. Trotzdem ging er ihr einfach nicht aus dem Kopf. Dieser verdammte Streit und das nur wegen einer blöden Nudelpfanne! "Ich werde nicht klein beigeben!", nahm sie sich vor, als sie am Nachmittag Schokomuffins buk. Er sollte schon merken, was er angerichtet hatte. Ihre Grübeleien wollten kein Ende nehmen, deswegen rief sie am Abend Lynn an. Vielleicht konnte sie als Vermittlerin tätig werden. Eigentlich mochte Malin es gar nicht, wenn sich jemand in ihre Beziehung einmischte. Doch gerade war es bitter notwendig. "Hallo, hier ist Lynn. Was gibt es?", meldete sich ihre Freundin. "Hi, hier ist Malin", erwiderte sie, "Hast du ein paar Minuten Zeit?" "Na klar, was brennt dir auf der Seele?", Lynn schien erkannt zu haben, dass es ihr nicht sonderlich gut ging. "Du hast doch sicherlich mitbekommen, dass Morten und ich uns heftig gestritten haben, weil ich die Nudelpfanne habe anbrennen lassen", fuhr sie fort, "Daraufhin bin ich nach Hause gefahren und habe mich seitdem nicht mehr bei ihm gemeldet" "Mein Bruder hat mir das schon erzählt", sagte ihre Freundin, "Seitdem wirkt er ziemlich geknickt und redet noch weniger" "Ich will diesen Streit und diese Funkstille nicht mehr!", brannten Tränen in Malins Augen. Mit einem Mal war ihr zum Heulen zumute. "Ich werde gleich mit ihm darüber", versprach Lynn ihr, "Ihm scheint es damit auch nicht gut zu gehen. Ich denke, ihr werdet euch auch wieder vertragen. Man streitet sich und versöhnt sich wieder"Malin bedankte sich und hätte vor Dankbarkeit fast angefangen zu weinen. 

17. Wieder ein Herz und eine Seele

 "Es tut mir leid, dass ich kaum zum Aushalten war", entschuldigte sich Morten drei Tage nach dem Streit, als Malin ihn wieder besuchen kam. Im Kamin brannte ein Feuer, während es draußen regnete und stürmte. Die Beiden hatten es sich mit einer heißen Schokolade mit Zimt und vielen leckeren Keksen auf dem Sofa bequem gemacht. "Ich war auch stinksauer auf dich", sagte Malin, "Deshalb habe ich dich bewusst zwei Tage ignoriert, bis ich doch angefangen habe dich zu vermissen" "Ich habe mich im nachhinein sehr darüber geärgert, dass ich so grob zu dir war", seufzte er, "Ich wollte mich bei dir entschuldigen, aber du hattest immer dein Handy aus. Ich verspreche dir, so schnell streiten wir uns nicht wieder und nicht aus so einem bescheuerten Grund" "Das will ich doch stark hoffen", rückte sie näher an ihn heran. "Du bist meine kleine süße Freundin, die ich nie mehr verlieren möchte", legte er den Arm um sie. 

 

Am kommenden Samstag brachte Mortens Vater sie zum Kino, da Morten noch nicht mit dem Fahrrad fahren konnte. Lynn hatte ihren neuen Freund Chris dabei, mit dem sie erst eine Woche zusammen war. Malin freute sich schon riesig auf den Agentenfilm. Das würde bestimmt fast zwei Stunden Spannung pur werden. Malin und Morten hatten sich bereits gesetzt, als Lynn und Chris mit zwei großen Tüten Popcorn, Nachos und vier Softdrinks wieder kamen. Nein, verhungern würden sie hier garantiert nicht. "Lass uns das große Abenteuer wagen!", nahm Morten Malins Hand, worauf sie ihn seicht auf die Wange küsste. Endlich waren sie wieder ein Herz und eine Seele, nachdem sie sich für ein paar Tage verkrachte hatten. Eine halbe Stunde lang flimmerte Werbung über die Leinwand, bis der richtige Film begann. Das Licht ging aus und die beiden Paare lehnten sich in ihren Sitzen zurück. Von der ersten Sekunde an bot der Film sehr viel Action. Da hatten sie sich einen ziemlich heftigen Thriller ausgesucht. Jedes Mal wenn es Malin zu aufregend wurde, griff sie nach der Hand ihres Freundes. Die Protagonisten lieferten sich dutzende Feuergefechte und Kämpfe. "Was für ein krasser Blockbuster!", sagte Chris nach dem Film, als sie ihre Jacken anzogen und das Kino verließen. "Mir war der Film an manchen Stellen zu krass", fand Lynn, "So viel Schießerei hätte nicht sein müssen" "Das nächste Mal suchen wir uns einen Mädchenfilm aus", murmelte Morten. "Am besten noch mit glitzernden Einhörnern und süßen Prinzessinnen in rosa Kleidchen", grinste Chris, wofür er von Lynn einen Rippenstoß bekam. 

 

Nach dem Kinobesuch hatten Lynn und Morten noch sie viel Geld übrig, sodass sie die anderen problemlos zum Abendessen in die Pizzeria einladen konnten. Sie bestellten viermal Eistee und ein Pizzarad für vier Personen. Gerade als sich Malin nett mit ihren Freunden unterhielt, tauchte Sophia mit ihrer Mädchenclique auf. "Warum verstummst du auf einmal?", wunderte sich Chris. "Seht mal, wer zur Tür herein kommt", flüsterte Malin tonlos und ihr wurde ganz anders. "Hallo Morten!", grüßte Sophia und lächelte, sodass ihre schneeweißen Zähne hervorblitzten. "Hi!", sah Morten zu ihr auf. Sophia sah mit ihrem seidigen weißblonden Haar, den coolen Klamotten, den schicken Stiefeln und ihren himmelblauen Augen wirklich umwerfend aus, aber Morten schien nicht besonders beeindruckt zu sein. "Geht es deinem Fuß wieder besser?", fragte Sophia und warf ihr Haar nach hinten. "Langsam schon", nickte Morten. "Wie lange musst du noch pausieren?", wollte die rothaarige Franziska, Sophias beste Freundin wissen. "Noch ungefähr zwei Wochen", erwiderte er. "Oh, du kannst einem aber auch leid tun!", streichelte Sophia über Mortens Arm. Malin versuchte sich nicht ansehen zu lassen, dass sie verärgert war. Warum lungerten die Zicken an ihrem Tisch herum und nahmen ihren Freund in Beschlag? Wieso wehrte sich Morten nicht, dass diese blöde Sophia ihn auch noch anpackte?

 

Nun trat Merve zwischen Sophia und Franziska hervor. "Bist du immer noch mit der zusammen?", rümpfte sie die Nase und warf Malin einen herablassenden Blick zu. Die Zwillingsschwestern Lisa-Marie und Lucy kicherten hinter vorgehaltenen Händen. "Morten, nächsten Abend ist wieder Clubabend am Indoorpool bei uns Zuhause. Wenn du kommen willst, bist du herzlich eingeladen. Mein großer Bruder macht Cocktails für uns alle und jeder bringt ein paar leckerer Sachen mit", flötete Sophia und zwinkerte mit ihren langen Wimpern. "Wie schwer ist es zu erkennen, dass Morten bereits eine feste Freundin hat?", hob Lynn genervt den Kopf. "Ihr könnt euch gerne verziehen. Anscheinend merkt ihr noch nicht mal, wie tierisch ihr uns auf die Nerven geht", wurde Chris noch direkter. "Wir suchen uns schon einen anderen Tisch", meldete sich Lucy zu Wort, "Wer hat schon Lust die ganze Zeit auf Malin zu glotzen?" "Euch eingebildeten Zicken glotzt man auch nicht freiwillig als fünf Minuten an", entfuhr es Malin. Jawoll, sie hatte sich zum ersten Mal gegen die Ziegen gewehrt! "Ich wünsche euch noch einen schönen Abend", fügte Morten mit einem besonders freundlichen Lächeln hinzu. "Was für ein Haufen dummer Puten!", schüttelte Lynn den Kopf, als sich die Mädchenclique getrollt hatte. "Sie mögen zwar ganz nett aussehen, aber sie sind allesamt falsch", meinte Morten. "Ich kann gar nicht verstehen, dass man auf solche Tussis stehen kann", verdrehte Chris die Augen. "Habe ich etwa behauptet, dass ich auf solche Weiber stehe?", entgegnete ihm Morten. "Nein nein, so habe es wiederrum auch nicht gemeint", sagte Chris entschuldigung. "Die Giftspritzen sind das allerletzte", zischte Lynn, "Malin, du tust mir immer noch leid, dass du ein ganzes Jahr mit denen in einer Klasse warst" 

 

Einen Tag später saßen Morten und Malin auf der Tribüne und sahen sich ein Heimspiel seines Clubs an. "Was für ein blödes Gefühl, dass ich hier sitze und den Jungs nicht helfen kann?", sah er sie unglücklich an. Gerade fiel das 0:1 nach einer Ecke. Der Aufsteiger führte Mortens Team gerade ziemlich vor. Voller Spielwitz bahnten sich die Spieler der Gästemannschaft durch die Reihen und erarbeiteten sich die nächste Gelegenheit. "Das kann doch nicht angehen, dass unsere Verteidigung sich so verarschen lässt. Einige unserer Spieler tun so, als hätten sie noch nie einen Ball gesehen. Warum wechselt unser Trainer sie nicht aus?", schüttelte Morten fassungslos den Kopf, der mit der Leistung seiner Mannschaft überhaupt nicht zufrieden war. "Wenn wir das Spiel verlieren, wäre das die dritte Niederlage in Folge", merkte Malin an. "Ja, damit können wir die Euroleague vergessen", ärgerte sich ihr Freund. "Noch haben wir eine Chance, es ist noch nicht alles verloren", versuchte sie ihn aufzumuntern. "Es wird echt Zeit, dass ich wieder auf dem Platz stehe", murmelte er. Im nächsten Moment sprangen alle um sie herum auf. Ihr Team hatte durch einen Konter den Ausgleich erzielt. "Wenigstens das, eine Niederlage wäre zu peinlich gewesen und das gegen den Vorletzten", war Morten sichtlich erleichtert war, "Aber nächsten Samstag gegen den Tabellenzweiten müssen sich die Jungs noch deutlich steigern" "Das werden sie auch", nahm Malin seine Hand. Nun waren es noch sieben Minuten bis zum Abpfiff. Bis dahin gestaltete sich das Spiel noch sehr offen und man konnte es dem Keeper verdanken, der Mortens Verein vor einem zweifachen Rückstand bewahrte. Es blieb am Ende bei einem 1:1, obwohl die Gäste dem Sieg deutlich näher waren. 

 

Morten konnte in der darauffolgenden Woche mit der Krankengymnastik und dem Gerätetraining anfangen. "Es ist zwar eine ziemliche Quälerei diese Gewichte zu stemmen, trotzdem fühle ich mich seither besser", machte er einen deutlich glücklicheren Eindruck als noch vor zwei Wochen. Täglich arbeitete er an seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining. "Glaub mir, wie sehr mir der Ball gefehlt hat", sagte er zu Malin. "Du würdest sogar den Ball heiraten, wenn wir Schluss machen sollten", scherzte Malin, "Aber ich hoffe doch inständig, dass es nicht so weit kommt" "Oh doch, ich bin schon längst mit dem Ball verheiratet", nahm er ein Kissen in Form eines Fußballs und küsste es. "Du kleiner mieser Betrüger!", stieß sie ihm mit gespielter Empörung den Ellenbogen in die Seite, sodass er fast einen Abgang vom Sofa machte. Morten wehrte sich, indem er ihr leicht den Arm verdrehte. Lachend fingen sie an sich zu kabbeln und versuchten sich gegenseitig von der Couch zu schubsen. In diesem Moment platzte Lynn herein. "Prügelt ihr euch wieder?", zog sie die Augenbrauen hoch. "Sie hat angefangen!", protestierte ihr Zwillingsbruder. "Ich glaube es wird Zeit, dass ich Zucht und Ordnung in den Laden bringe", wies Lynn sie zurrecht und musste breit grinsen. 

18. Im Dress der Nationalmannschaft

Im November konnte Morten wieder richtig mitwirken. Die nächsten drei Spiele spielte er von Beginn an und schaffte es drei Tore zu schießen und vier weitere Tore vorzubereiten. Seine überzeugende Leistung blieb beim Trainer der U20-Nationalmannschaft nicht unbemerkt. "Ich muss dir etwas erzählen", platzte es aus Morten heraus, als er sie nachmittags besuchte. "So wie du aussiehst, können das ja nur gute Nachrichten sein", schmunzelte Malin. "Genauer gesagt, ich wurde für das kommende Spiel der U20 nominiert", strahlte er über beide Backen. "Juhuuu!", juchzte Malin auf und sprang ihm in die Arme. "Ja, ich konnte es kaum glauben. Ich kam mir vor wie im Film", fuhr Morten fort. "Das glaube ich dir", nickte sie. Im Freudentaumel ließen sie sich auf das Sofa fallen und küssten sich. Was für ein Glück, dass seine Verletzung Geschichte war und er jetzt richtig durchstarten konnte. 

 

Malin hatte sich lediglich das Datum gemerkt, an dem das Spiel stattfand. Am 3.Dezember gegen England und das war zufällig noch Mortens Geburtstag. Den Ort, wo es stattfinden sollte, hatte sie bereits vergessen. Morten hatte ihr den Namen der kleinen Stadt mehrfach gesagt, aber sie konnte sich das nicht merken. Da das Spiel in der Woche stattfand, musste sich Malin zwei Tage in der Schule befreien lassen. Zuerst waren ihre Eltern strikt dagegen. Erst als sie sich besonders viel Mühe gab und abends extra viel lernte und sie ein paar gute Klausuren mit nach Hause brachte, waren ihre Eltern bereit, sie für zwei Tage aus der Schule zu befreien. Als ihre Mutter endlich den Antrag auf Urlaub ausfüllte, tanzte sie in ihrem Zimmer herum und schrieb eine lange Whatsapp-Nachricht an Morten, der gerade beim Training war. Yippie, das Abenteuer Länderspiel konnte kommen und sie als sein größter Fan, würde ihn am lautesten anfeuern. Malin stand auf, um in ihrem Schrank nach dem Deutschlandtrikot von der letzten WM zu suchen. Unter ihrer Wanderjacke fand sie es schließlich und probiertes es an. Zufrieden betrachtete sie sich damit im Spiegel, der neben der Tür hing. So konnte sie sich beim Spiel sehen lassen. Schnell machte sie mit dem Handy ein Selfie von sich und schickte das Foto an all ihre Freunde.  

 

Mortens Eltern hatten sogar eine Entrittskarte für Malin gekauft und ihr ein Hotelzimmer gebucht, was sie sich mit Lynn teilte. Der einzige Haken war, dass Malin ihren Freund an seinem Geburtstag nicht richtig zu Gesicht bekam. Dabei hatte sie so eine große Lust ihm das Herzkissen, was sie eigenhändig mit Gritje genäht hatte, zu überreichen und ihm einen Kuchen zu backen. Ihre private Geburtstagsfeier musste noch warten. Für Lynn hatte Malin ein Paar Ohrringe und ein hübsches Haarband gekauft. Schließlich hatte sie am gleichen Tag Geburtstag wie ihr Zwilling. "Wir werden am Wochenende den Geburtstag gebürtig nachfeiern", versprach Lynn, "Im Leben wird man nur einmal achtzehn" "Macht ihr eine große Party?", wollte Malin wissen. "Wir beide zusammen haben auf jeden Fall über zwanzig Personen eingeladen", erwiderte sie. "Krass! Passen so viele Leute bei euch ins Haus?", machte Malin große Augen. "Ja, wir haben einen großen Partyraum im Keller", nickte ihre Freundin. "Wow, das klingt ja cool!", klang Malin ganz angetan. 

 

Am nächsten Tag hatten Morten und Lynn Geburtstag. Blöd war für Malin, dass ihren Freund den ganzen Tag bis zum Spiel nicht sah. Deshalb wollte sie ihn das Herzkissen, die Blumen und den Kuchen erst ein paar Tage später überreichen. Gleich nach dem Frühstück beschloss sie ihn anzurufen. "Hallo, hier ist Morten Jansen", nahm ihr Freund ab. "Hi Schatz, alles Gute zur volljährigkeit!", gratulierte sie ihm. "Malin, ich habe nicht lange Zeit", sagte er als nächstes, "Wir haben gerade gefrühstückt und machen uns jetzt fertig für das Vormittagstraining" "Hast du wenigstens um Mittag herum Zeit zum Telefonieren?", fragte sie. "Nein, das tut mir leid, wir haben einen strengen Zeitplan", verneinte er und fügte hinzu, "Wir können erst eine Stunde nach dem Spiel nochmal sprechen" Nach einem kurzen Gespräch mussten sie zur Malins Enttäuschung das Gespräch wieder beenden. 

 

Erst am frühen Abend brachen sie in Richtung Stadion auf, nachdem sie in einem Restaurant zu Abend gegessen hatten. "Ich bin total aufgeregt!", wisperte Malin, die sich bei Lynn unterhakte. "Nicht nur du, ich bin auch schon gespannt, was er für eine Figur machen wird" "Ich wette, er schießt sogar ein Tor", mischte sich Ron in unser Gespräch ein. "Das werden wir ja sehen", meinte seine ältere Schwester. Das  Stadion, in dem das Spiel stattfinden sollte, war nicht einmal halb so groß, wie die anderen Arenen, in denen Morten sonst spielte. Laut Ron gehörte dieses Stadion zu einem Drittligisten. Malin sah es als Vorteil, dass es hier nicht so groß war und man näher am  Spielfeldrand saß. Morten konnten sie ziemlich schnell im Pulk der Spieler mit den weißschwarzen Trainingsjacken ausfindig machen.

 

Nachdem sich die Kicker warm gemacht, mehrfachs aufs Tor geschossen und Passübungen absolviert hatten, verschwanden sie kurz im Kabinentrakt. Angeführt vom Schiedsrichtergespann unnd zwei Fahnenträgern, die die Flaggen von Deutschland und England trugen, liefen sie teamweise auf das Spielfeld und stellten sich an der Mittellinie auf. Zuerst wurde die Nationalhymne der Gäste gespielt. Malin wunderte sich, dass auch bei den Nachwuchsspielern die Hymne gespielt wurde. Als die Nationalhymne der Heimmannschaft erklang, sangen sogar die Fans mit. Als die Jugendspieler ihre Trainingsjacken ausgezogen hatten und sich auf ihre Positionen begaben, eröffnete ein schriller Pfiffen die Partie. Die deutschen Spieler hatten Anstoß und spielten den Ball weit in ihre eigene Hälfte zurück, bevor die erste Offensivaktion über die rechte Außenbahn gestartet wurde. Ein englischer Abwehrspieler konnte Mortens Flanke noch rechtzeitig abfangen, bevor einer seiner Mitspieler den Ball aufs Tor köpfen konnte.

 

Zunehmend verwandelte sich die Partie in einen harten Schlagabtausch. "Die Jungs scheinen heute richtig Gras zu fressen", bemerkte Lynn, als ihr Zwillingsbruder beim nächsten Zweikampf unsanft auf dem Boden landete und ein Pfiff die Partie unterbrach. "Wenigstens bringt es einen Freistoß für uns", sagte Ron, der aufgestanden war, um eine bessere Übersicht auf das Spielfeld zu haben. Morten führte den Freistoß auf die Schnelle aus und spielte ihn dem  Stürmer mit der Nummer dreizehn in den Lauf. Dieser versuchte direkt auf das Tor zu schießen, doch der Torwart parierte per Fußballabwehr. Ein weiterer Mitspieler, der frei stand, staubte den Abpraller ab und drückte den Ball aus wenigen Metern Entfernung hinter die Torlinie. Lauter Jubel brandete auf und der Stadionsprecher verkündete freudig das 1:0. "Weiter Jungs, gebt acht, dass die Inselaffen nicht ins Spiel kommen!", peitschte Mortens Vater die Jungs nach vorne. Die Befürchtung, dass die deutsche Mannschaft aus der Hand gab, wurde wenige Minuten später wahr. Ausgerechnete nach einemBallverlust von Morten, leiteten die Engländer einen blitzschnellen Konter ein. "So ein Mist, der Ausgleich war so unnötig", fand Lynn. "Noch sind über 60 Minuten zu spielen", beruhigte ihr Vater sie. "Die deutschen Kicker müssen unbedingt gewinnen", war Ron der Meinung, "Immerhin haben sie noch genug Zeit um Tore zu schießen"

 

Morten spielte nicht so gut, wie Malin und Lynn erhofft hatten. Das lag daran, dass die englischen Spieler ihre Gegenspieler gut deckten und sie Morten zeitweise sogar zu zweit in Schach hielten. Malin wartete sehnsüchtig darauf, dass ihr Freund endlich richtig zum Zug kam. Stattdessen lief er sich häufig fest und brachte für sein Team keine torgefährlichen Situationen ein. Ungefähr zeitgleich mit dem Halbzeitpfiff setzte er mit einen strammen Schuss zwei Meter über das Tor, der vom Tornetz abgefangen wurde. "Irgendwie hat Morten bei den vorigen Spielen besser gespielt", fand Ron. "Man hat ab und zu auch mal schlechte Tage", meinte Malin dazu. "Er hat doch in der zweiten Halbzeit genügend Möglichkeiten sein Können zu zeigen und ein Tor zu schießen" "Im Fußball geht es allerdings nicht nur ums Tore schießen", meldete sich ihr Vater zu Wort, "Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein Spieler in jedem Spiel Tore schießt" "Ich generell stolz, dass er für unser Land spielen darf. Er ist halt wie sein Opa, der sich riesig gefreut hätte, wenn er noch am leben wäre", mischte sich seine Frau ins Gespräch ein.

 

Am Anfang der zweiten Halbzeit machten die deutschen Kicker ordentlich Druck und überrumpelten die Engländer, die nur mit Mühe und Not den Ball aus ihrem eigenen Strafraum kratzen konnten. Da die Mannschaften die Seiten gewechselt hatten, hatte Malin von ihrer Sitzposition aus ihren Freund besser im Blick. Morten blieb trotz großer Bemühungen blass und kam nicht über ein paar kleine Ansätze hinaus. Egal, wie sehr sie ihn anfeuerten, wenn er am Ball war, wurde ihm das Spielgerät  schnell abgenommen. Dies hatte zur Folge, dass er eine Viertelstunde nach Abpfiff ausgewechselt wurde. Morten verschwand schnell im Kabinentrakt, als konnte er die warme Dusche nicht länger abwarten. Malin war leicht enttäuscht, dass er derjenige war, der als erstes ausgewechselt wurde. "Das nächste Mal  erwischt er einen besseren Tag, aber so schlecht fand ich ihn nicht, zumindest nicht für das erste Mal", fand Lynn. "Man kann nicht immer Glück haben", meinte Malin dazu. Trotzdem war sie unendlich stolz auf ihren Freund. Nach einem Konter fiel das 2:1 für Deutschland. Ein Spieler mit dunkler Hautfarbe spitzelte das Leder am englischen Keeper vorbei und ließ das Stadion jubeln. Die Sprechchöre von den Rängen wurden lauter. Hoffentlich konnte der Vorsprung bis zum Schluss verteidigt werden. Sechs Minuten später fiel der langersehnte Schlusspfiff, worauf wieder lauter Jubel ausbrach. "Zur Feier des Tages lade ich auf ein Getränk ein", verkündete Lynn. "Warum du? Du hast doch Geburtstag", sah Ron seine ältere Schwester verwundert an. "Egal, ich habe heute schon so viel Geld und Geschenke bekommen, dass ich euch etwas zurück geben möchte", erwiderte sie. 

 

Später im Hotelzimmer wählte Malin Mortens Nummer. Ein paar Sekunden verstrichen, bevor er den Anruf entgegen nahm. "Hi, hier ist Morten", meldete er sich. "Hi, hast du noch kurz Zeit?", fragte sie. "Gerade ist schlecht, wir sitzen beim Essen, aber wir können noch kurz miteinander sprechen", erwiderte er. "Sag mal, wirst du noch deinen Geburtstag nachfeiern?", hakte Malin nach. "Das werde ich nächstes Wochenende tun, da haben wir Länderspielpause" Anschließend kamen sie auf das Spiel zu sprechen. "Hm, ich hätte es besser machen können", war Morten der Meinung, "Bei mir kam nicht viel drum rum" "Aber für den Anfang war es nicht schlecht", fand Malin, "Man muss Geduld haben und du kannst von dir nicht verlangen, dass du im jeden Spiel ein Tor schießt" "Schatz, ich muss jetzt Schluss machen", drängte ihr Freund. "Schlaf gut", murmelte Malin in ihr Handy, wobei sie ein langes Gesicht machte. "Du siehst aber enttäuscht aus", kam Lynn im Bademantel aus der Dusche. "Da hat Schatz schon Geburtstag und er hat kaum Zeit mit mir zu reden", war Malin unzufrieden. "Das könnt ihr doch noch nachholen", versuchte Lynn sie aufzumuntern und holte mehrere Packungen Süßkram aus ihrer Tasche. "Lust auf einen Mitternachtsnack?", fragte sie gutgelaunt. "Da bin ich sofort dabei", klang Malin begeistert und schnappte sich eine Tüte Gummibärchen. Lynn holte zwei Zahnputzbecher aus dem Bad und füllte sie mit Cola. "Auf Mortens Länderspiel", hob sie ihren Becher. Da es ulkig aussah, fingen die beiden Freundinnen an zu kichern. "Auf eure Volljährigkeit!", gluckste Malin. 

19. Der Überraschungsausflug

 Malin spürte, wie sie von Tag zu Tag kränker wurde. Am Donnerstag musste sie sich sogar mit Fieber und Halsschmerzen von der Schule abmelden und nahm stattdessen im Wartezimmer des Arztes platz. Doktor Mohfeld diagnostizierte einen heftigen grippalen Infekt, schrieb sie für eine Woche krank und verordnete strikte Bettruhe. Für Malin brach eine Welt zusammen, denn in zwei Tagen feierten Morten und Lynn ihren Geburtstag nach und Malin war krank ans Bett gefesselt. Mortens Party, auf die sie sich so diebisch gefreut hatte, fiel nun schlussendlich für sie ins Wasser. "Manchmal kann es Leben so fies sein", dachte sie niedergeschlagen und war mit einem Mal den Tränen nah. Warum musste die verdammte Erkältung zu so einem ungünstigen Zeitpunkt erwischen? Bestimmt war das nasskalte Wetter daran schuld, bei dem man sich schnell verkühlen konnte. 

 

Einen Moment später klingelte Malins Handy. In der Hoffnung, dass es Morten war, nahm sie ab. "Hi, hier ist Gritje", vernahm sie die Stimme ihrer Freundin, "Wieso warst du heute nicht in der Schule? Leonie, Katrina und ich fragen uns, was mit dir los ist, da du uns nicht im Chat geantwortet hast" "Sorry, aber ich bin gerade richtig krank", bekam Malin ihren nächsten Hustenanfall. "Oh ja, man hört es, klingt nicht gut", sagte ihre Freundin, "Übrigens, die Matheklausur war nicht besonders schwer, du wirst sie wahrscheinlich am Ende nächster Woche nachschreiben" "Ich weiß, ich habe mir ein Attest vom Arzt geholt", erwiderte Malin heiser und fügte hinzu, "Gritje, können wir auflegen? Ich habe fast keine Stimme mehr" "Kein Ding, ich höre, wie schlecht es dir geht. Ich wünsche dir von Herzen gute Besserung. Schone dich gut und komm bitte ganz schnell wieder! Ciao!", verabschiedete sich Gritje und legte auf. Müde sank Malin in ihrem Bett zusammen und schloss die Augen. Bevor sie richtig schlafen konnte, musste sie ein paar Nasentropfen nehmen. Als sie kurz davor war einzuschlafen, stellte ihre Mutter ihr ein Tabett mit einer Kanne Tee, Hustenbonbons und einer Kiwi auf den Tisch. Nachdem sie ein mattes "Danke Mama" gemurmelt hatte, drehte sie sich auf die Seite und schlief auf der Stelle ein. 

 

Am nächsten Tag telefonierte Malin mit Morten. "Rate mal, welche Blondine sich in den beiden Tagen an mich rangeschmissen hat, als du nicht da warst?", erzählte ihr Freund. "Sophia?", runzelte Malin die Stirn und ihr brach wieder der kalte Schweiß aus. "Richtig erraten", bestätigte Morten, "Sie bietet mir an, dass ich mich in den Pausen an ihren Tisch in der Cafeteria setzen kann und sie hat mich gefragt, ob wir zusammen das Referat in Politik halten" "Lässt du es zu, dass sie dich so belagert?", fauchte Malin in ihr Handy. "Keine Panik, Schatz, ich lass diese falsche Schlange nicht all zu sehr an mich ran. In den Pausen bin ich eh mit meinen Kumpels unterwegs und in Politk arbeite ich ausnahmsweise mit ihr zusammen, weil mein Sitznachbar auch krank ist", setzte er ihrer Unruhe entgegen. Obwohl Malin erleichtert aufatmete, pochte es in ihrem Kopf umso mehr und ihre lästigen Kopfschmerzen steigerten sich ins Unerträgliche. Wenig später beendete sie das Telefonat und starrte die Zimmertür an. Immer noch war sie leicht aufgewühlt vom Gespräch. Wenigstens ließ Morten sich nicht davon all zu sehr beeinflussen, dass Sophia immer noch ihre Krallen nach ihm ausstreckte. Malin bereute es schon richtig, dass sie krank war und nahm sich vor sehr schnell gesund zu werden. Dass Sophia bei jeder Gelegenheit ihren Freund belagerte, ließ ihr keine Ruhe und so schrieb sie eine Chatnachricht an Gritje, Lynn, Katrina und Leonie. 

 

"Bah, Sophia ist so eine abartige Schlampe!", schrieb Katrina als erstes in den Chat. "Oh ja, wir müssen dieser Hure alle Haare und Zähne ausreißen", ereiferte sich Leonie. "Ich bin dabei und ihr könnt auf meine Unterstützung bauen", antwortete Gritje. "Hey Mädels, jetzt mal halb lang, es bringt nichts, wenn ihr Sophia verprügeln wollt" "Wer hat denn gesagt, dass wir sie verprügeln wollen?", schrieb Leonie. "Findest du es okay, wenn Sophia sich an deinen Bruder ranschmeißt, obwohl er Malins Freundin ist?", regte sich Katrina auf. "Das nicht, aber wir sollten in Ruhe mit Sophia reden, dass ihr Verhalten nicht okay ist", erklärte Lynn. Die Freundinnen diskutierten so heftig miteinander, sodass Malin kaum zu Wort kam. 

 

Am Samstag hatte Malin extrem schlechte Laune. Heute feierte Morten seinen Geburtstag und sie konnte nicht dabei sein. Nicht einmal ihre Lieblingsfilme und ein spannender Roman konnten annähernd dazu beitragen, dass sich ihre Laune besserte. Zwar hatte ihr Morten am Vormittag eine Überraschungstour versprochen, sobald sie wieder fit war, aber die Enttäuschung, dass sie nicht mitfeiern konnte, saß immer noch zu tief. "Bestimmt amüsieren sie sich alle prächtig und sicherlich sind unter Lynns Freundinnen ein paar schöne Mädchen dabei, die Morten schöne Augen machen", dachte sie missmutig. Krank im Bett zu liegen war wirklich kaum zum Aushalten und dazu noch diese blöde Eifersucht. Zum Glück hatte ihr Freund, ihr vorhin am Telefon versichert, dass er Sophia nicht eingeladen hatte. Je später der Abend voranschritt, desto mehr Bilder wurden in die WhatsApp-Gruppe von der Geburtstagsparty gepostet. Mit jedem glücklichen Selfie und ausgelassenen Partyfoto wuchs Malins Neid umso mehr, weshalb sie deprimiert ihr Handy beiseite legte und das Licht löschte. 

 

Nach etwas mehr als einer Woche war Malin wieder richtig fit, aber trotzdem hatten sie und Morten nur wenig Zeit füreinander. Malin musste jede Menge Unterrichtsstoff nacharbeiten und zwei Klausuren nachschreiben. Morten wiederrum hatte mit seinem Club zwei Auswärtsspiele hintereinander, weshalb er sogar für ein paar Tage in der Schule beurlaubt wurde. "Wozu hat man eigentlich einen Freund, wenn man ihn kaum sieht", sagte Malin eines Tages zu ihren Freundinnen, als sie über den Weihnachtsmarkt gingen. "Das hast gut lachen", drehte sich Leonie zu ihr um, "Ich pflege mit meinem Freund eine Fernbeziehung, seitdem er wegen seines Studiums nach München gezogen ist" "Malin, es kommen wieder bessere Zeiten!", legte ihr Gritje die Hand auf die Schulter, "Nur momentan habt ihr beide viel zu tun. Bald werdet ihr wieder genug Zeit füreinander haben" "Mädels, habt ihr Lust auf einen Glühwein?", stieß Katrina wieder zu der Gruppe, die sich gerade am Stand nebenan ein Armband gekauft hatte. "Joa, ich bin dabei", nickte Gritje. "Okay, dann besorge ich uns vier Waffeln und wir treffen uns am Tisch neben dem großen Tannenbaum", beschloss Leonie. 

 

Nachts kam es immer häufiger vor, dass Malin von Morten träümte und davon aufwachte. Oft konnte sie nicht mehr einschlafen, weil sie so verliebt in ihn war und sehr an ihn denken musste. Vielleicht träumte er im Mannschaftshotel auch von ihr oder lag wach in seinem Bett und dachte ebenfalls an sie. Malin griff nach ihrem Handy und schickte probehalber einen Smiley. Es wurde angezeigt, dass er wenige Minuten vor Mitternacht das letzte Mal online war. Mit größter Wahrscheinlichkeit war er jetzt am schlafen. Enttäuscht legte sie sich wieder hin und drehte sich auf die Seite. Einschlafen konnte sie immer noch nicht, da ihre Gedanken endlos umher kreisten und somit das Verlangen nach Morten ins Unermessliche steigerten. Warum musste er ständig mit seiner Fußballmannschaft auf Tour sein? Malin wünschte sich so sehr mehr Momente mit ihm allein sein zu können. 

 

Nach dem letzten Spieltag der Bundesliga und einem Pokalspiel hatte das lange Warten ein Ende. Als Souvenir brachte ihr Morten ein Trikot von einem sehr bekannten Spieler mit, welches er beim Trikottausch erworben und Malin geschenkt hatte. "Du bist lange nicht mehr aufgekreuzt, wa!", begrüßte ihn Malins Mutter an der Haustür, worauf er nur trocken lachte. "Halt dir einen Tag vor Weihnachten frei", wandte er sich an Malin, "Da werden nur wir beide zusammen die Geburtstagsfeier nachholen unnd ich habe mir schon etwas überlegt" Malin notierte sich das Datum, aber ihr Freund wollte ihr nicht sagen, was er mit ihr vorhatte. "Dann ist es doch keine Überraschung mehr, wenn du es eh schon weißt", sagte er, "Aber auf jeden Fall wollen wir dann auch unsere Geschenke austauschen, da ich über Weihnachten zu Verwandten fahre" Malin hatte schon eine tolle Idee, was sie ihm schenken konnte. Gleich einen Tag später kaufte sie beim Juwellier zwei Silberketten mit je einem halben Herz. Steckte man die beiden halben Herzen zusammen, ergab es ein Ganzes.

 

Einen Tag vor Heilig Abend holte Morten sie mit seinem neuen Auto ab, welches er kürzlich zu seinem Geburtstag bekommen hatte. "Steig ein, meine Prinzessin!", geleitete er sie zu seiner neuen Karre und drehte als erste seine Anlage auf, sodass sie gutgelaunt zum Bass mitwippten. "Wow, das ist echt toll", war Malin sehr beeindruckt und ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen. "Ja, das ist der Vorteil, endlich erwachsenen zu sein", nickte er und fuhr vom Hof. "Ich glaube, ich werde im Januar auch mit dem Führerschein anfangen, Fredie hat ihn erst letzte Woche bestanden", sagte sie. "Das ist bestimmt keine schlechte Idee", erwiderte er, "Ich bin froh, dass ich endlich alleine zum Training fahren kann und meine Eltern auch, die mich immer begleiten mussten" Malin wünschte sich ab und an auch, endlich erwachsen und unabhängiger zu werden, bis zum achtzehnten Geburtstag musste sie noch neun Monate warten, was ihr richtig lang vorkam.

 

Morten fuhr auf die Autobahn ab. Malin runzelte ein wenig misstrauisch die Stirn. Wo wollte er nur hin? Gegen einen langen Spaziergang war bei dem schönen Wetter nichts einzuwenden. Die Sonne schien, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen und mit zehn Grad war es für einen Wintertag sehr mild. Während Morten fuhr, lenkte sich Malin mit WhatsApp ab und chattete ausgiebig mit Fredie. "Wir sind jetzt da", vernahm sie Mortens Stimme und war ein bisschen baff, dass sie auf einem Parkplatz standen. "Hier sind wir!", öffnete er die Wagentür und setzte seinen Rucksack auf. Hand in Hand gingen sie gemütlich den Spazierweg entlang, der zu einem großen Stausee führte. Im Sommer war der See ein beliebtes Ausflugziel und Malin konnte sich daran erinnern, dass sie einmal mit ihrer Familie hier gewesen war. "Wir haben uns genau den richtigen Tag ausgesucht", war Morten zufrieden und küsste sie kurz. Die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche. Auf dem See tummelten sich viele Enten und andere Wildvögel. Ein paar Kinder fütterten sie mit altem Brot und irgendwo im Hintergrund kläffte ein Hund. Malin, die von den ganzen Eindrücken überwältigt war, holte immer wieder ihr Handy hervor und knipste ein paar Fotos.

 

Kurz nach drei fing es an zu dämmern und gegen vier war die Sonne fast hinter dem Horizont verschwunden. "Endlich mehr Zeit füreinander", legte er ihr den Arm um die Schulter. "Oh ja, ich habe dich letztens schon so vermisst", nickte sie. "Ich freue mich, dass wir zusammen Silvester bei mir zuhhause feiern. Das wird eine große Party, denn es haben unefährlich fünfzehn Leute zugesagt" "Da bin ich echt gespannt, wen ihr alles eingeladen habt", erwiderte sie. "Es sind auch ein paar Freunde von Lynn dabei, aber es kommen auch zwei Kumpels aus meiner Mannschaft", antwortete er. Bei der nächsten Gelegenheit setzten sie sich auf eine Bank und Morten holte heißen Tee, eine Dose Plätzchen und Apfel-Zimt-Muffins aus seinem Rucksack. Der Himmel verfärbte sich von hellblau, über goldorange nach rotviolett. Malin und Morten fütterten sich gegenseitig mit den mitgebrachten Leckereien und tranken den Tee zusammen aus einer Tasse. Natürlich durften ein paar verliebte Selfies und Kussfotos nicht fehlen, die sie per WhatsApp fleißig an ihre Freunde schickten. "Ich bin so dankbar, dass es dich gibt", nahm er ihre Hand, "Du bist tausend mal besser als diese nervige Sophia und ihre genauso dämlichen Freundinnen" "Wärst du nicht gewesen und hättest dich auf meine Seite gestellt, wäre ich immer noch die unbeliebte Außenseiterin", konnte sie ihm zurückdanken. "Ich konnte mir es echt nicht ansehen, wie du von allen Seiten fertig gemacht wurdest. Je mehr ich dich kannte, desto interessanter wurdest du, da du nicht so oberflächlich bist, wie die anderen Tussen und schließlich habe ich mich in dich verliebt", sagte er. "Ich traute mich nicht dich anzusprechen, ganz im Gegenteil zu Sophia", lachte sie. "Oh je, hör bloß auf mit der auf", verdrehte ihr Freund die Augen, "Die nervte schon vom ersten Tag an"

 

Da es rasch dunkel wurde, gingen sie zum Auto zurück. "Halt!", rief sie plötzlich. "Was ist?", verharrte Morten mitten in einer Bewegung. "Ich habe was vergessen", sagte sie und holte ein kleines Kästchen aus ihrer Umhängetasche. "Darf ich aufmachen?", fragte er. "Klar, ist doch dein Geschenk", nickte sie. "Wow Malin, du bist ein Schatz!", fiel er ihr überschwänglich um den Hals und küsste sie. "Habe ich es doch gewusst, dass es dir gefällt", strahlte sie siegesgewiss. Sie hängten sich gegenseitig die Ketten um und hielten die Herzhälften so aneinander, sodass sie ein ganzes Herz ergaben. "Ich habe auch dein Geschenk dabei", eilte Morten zum Auto und öffnete den Kofferraum. Mit einem Geschenk, welches leicht und weich war, kam er wieder zurück. Malin konnte nicht erwarten und riss das Geschenkpapier ab. "Danke, vielen Dank!", sprang sie im jubelnd in die Arme. In der einen Hand hielt sie das ausgepackte Kissen fest, auf das ein Foto von ihnen geruckt war. "Ich brauche ein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass du es mögen wirst", grinste er und im nächsten Moment gaben sie sich einen langen Kuss. "Weihnachten kann kommen!", murmelte er.

 

 

20. Die Silvesterparty

Die Tage bis zu Silvester konnte Malin kaum abwarten. Zwar waren die Weihnachtstage im Kreise der Familie auch ganz schön, aber sie freute sich auf die große Party mit ihrem Freund. Dieses Mal feierte sie Silvester ohne ihre Familie und war richtig aufgeregt, als sie sich nachmittags im Bad schick machte. Malin trug ein edles schwazes enganliegendes schwarzes Kleid, dazu silberne Ballerinas und eine dünne Strumpfhose. Ihre Haare band sie zu einem Dutt und betonte ihr Aussehen mit silbernen Armreifen, kristallinen Ohrsteckern und einer Kette. Dazu schminkte sie sich entsprechend, was eine gefühlte Ewigkeit dauerte, da ihr der Kayal verschmierte und sie vom Neuen anfangen musste. Um auf Nummer sicher zu gehen, machte sie ein Selfie und schickte es Fredie. "Du siehst top aus", antwortete ihre Freundin innerhalb der nächsten Minute.

 

"Bist du langsam mal fertig?", hörte sie die Stimme ihre Mutter, "Ich habe auch nicht mehr so viel Zeit. Wir sind nachher bei Freunden eingeladen und ich muss noch einen Salat vorbereiten" "Ich bin fertig", schloss sie die Badezimmertür auf und stand im Flur. "Deine Sachen habe ich dir freundlicherweise schon ins Auto gepackt und nun komm!", sagte ihre Mutter. Malin war echt froh, dass ihre Mutter sie heute ausnahmsweise fuhr. Heute war es im Gegensatz zu den vergangenen Tagen echt kalt und da wäre Fahrradfahren kein großes Vergnügen gewesen. "Trink bloß nicht zu viel Alkohol, gehe vorsichtig mit Feuerwerkskörpern um und lasse dich nicht zu irgendwelchem Blödsinn verleiten", redete ihre Mutter auf sie ein, als sie an einer Kreuzung standen. "Mama, für wie alt hälst du mich?", rollte Malin mit den Augen. "Du weißt, dass an Silvester die meisten Unfälle passieren", erinnerte ihre Mutter sie. "Aber mir wird schon nichts passieren, das verspreche ich dir", konnte Malin sie beruhigen und musste in ihrem Inneren grinsen. Im nächsten Moment bogen sie in eine kleine Seitenstraße ein und ihre Mutter hielt am Staßenrand. "Ich wünsche dir einen guten Rutsch", verabschiedete sie sich von ihrer Tochter.

 

Die Zeit bis Mitternacht schien förmlich zu rennen. Eine Viertelstunde vor Mitternacht gingen Morten, Malin, Lukas und Lynn in die Küche, um das Tablett mit den Sektgläsern fertig zu machen. Wenige Minuten vor Mitternacht versammelte sich die Partygesellschaft um den großen Fernseher. Lynn verteilte an alle Sektgläser. Lauthals wurde der Countdown angestimmt und bei null lagen sich alle jubelnd in den Armen.

 

"Cool, dass du auch schon da bist", öffnete Lynn die Tür, "Inka, Lukas und Morten sind gerade im Keller und schmücken unseren Partyraum" Lynn half Malin dabei ihr Gepäck zu verstauen und dann gingen die beiden Freundinnen zusammen in den Keller. "Hi Schatz!", fiel ihr Morten freudig um den Hals und gab ihr einen Kuss. "Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich auf den heutigen Abend freue", tippelte Malin vor Vorfreude unruhig auf der Stelle. "Wir werden knapp zwanzig Leute sein", drehte sich Lukas zu ihnen um, der auf einer Leiter stand und eine Girlande an der Decke befestigte. "Ron wird auch dabei sein, sowie Jonas und Lisa, zwei Cousins von uns, die etwas älter sind als Ron. Momentan sind sie in Rons Zimmer und zocken irgendein ein Spiel an der Konsole", fuhr Lynn fort. "Die kannst du auch noch aufhängen", drückte Inka Malin ein paar glitzernde Dekospiralen in die Hand.

 

Punkt sieben Uhr kam die bestellten Pizzen, die von zwei Pizzaboten geliefert wurden. Im Wohnzimmer nahmen siebzehn Leute platz, die verteilt an zwei Tischen saßen. "Gleich kommt etwas, was mir spontan in den Sinn gekommen ist", meldete sich Lynn zu Wort, während sie aßen. "Da ich wissen was?", sah Morten von seinem Teller auf. "Gedulde dich einen Moment, Bruder", erwiderte sie nur. "Könnt ihr nochmal kurz her hören?", bat Lynn um Aufmerksamkeit, nachdem die meisten Gäste zuende gegessen hatten. "Wir wollen folgendes machen. Gleich entzünden wir im Kamin ein Feuer. Ihr sollt kleine Zettelchen ins Feuer werfen, wo ihr euren schlechten Erinnerungen draufschreibt. Alle guten Erinnerungen schreibt ihr auch auf Zettelchen auf, aber ihr hängt sie an unseren Wunschbaum neben der Wohnzimmertür. Verstanden?", fuhr sie fort. "Sie hat ja schon klasse Ideen", hörte Malin Kiki sagen, die direkt neben ihr saß. Lukas entzündete im Kamin ein Feuer, während die anderen munter Zettelchen schrieben. Malin hängte eindeutig mehr Zettelchen an den Wunschbaum, als dass sie Zettel mit schlechten Erinnerungen ins Feuer warf. All in einem war dieses Jahr ein gutes Jahr gewesen, was hauptsächlich daran lag, dass sie Morten kennen gelernt hatte, sowie ein paar Freundinnen an ihrer Schule.

 

Wenig später startete die richtige Party im Keller. Bunte Lichter blitzten und leuchteten. Die Menge war am toben, obwohl es noch nicht viel Alkohol gab. Einer von Mortens Kumpels betätigte sich als DJ und spornte die Menge zum Tanzen an. Malin half Lynn und Morten in der kellereigenen Hausbar und teilte fleißig Getränke und Cocktails aus. Zwischendrin schaute sie auf ihr Handy und guckte, ob Fredie oder andere Freundinnen ihr geschrieben hatten. Fredie hatte ihr bestimmt schon zehn Bilder von ihrer Party geschickt, auf der sie eingeladen war. "Sollen wir euch ablösen?", fragte Lukas nach über einer Stunde. "Danke, das wäre echt nett", nickte Morten. "Jetzt können wir endlich tanzen!", freute sich Malin und zog ihren Freund auf die Tanzfläche. Eng umschlungen bewegten sie sich zu den Beats. Malin war so glücklich und ausgelassen, wie seit langem nicht mehr und malte sich aus, wie sie in einem Märchenschloss mit ihrem Prinzen über das Parkett schwebte. Neben ihnen machte sich Justus, einer von Mortens Mannschaftskameraden zum Affen, indem er sich halbbetrunken Bier über seinen eigenen Kopf schüttete. "Du kriegst nicht mehr viel!", rief ihm Morten mahnend zu. Die Stimmung schien von Minute zu Minute besser zu werden, was vielleicht daran lag, dass der manch ein Bier oder manch ein Cocktail ausgeschenkt wurde. Malin probierte vorsichtig bei ihrem Freund, bevor sie sich selbst einen Sex on the Beach bestellte. Immer wieder war der Blitz eines Hnadys im Halbdunkeln zu sehen. Offenbar wurden doch viele Bilder gemacht, um die lustigen Momente dieser Party festzuhalten. "Kaum zu glauben, dass wir uns fast ein ganzes Jahr kennen", meinte Morten, als sie sich auf zwei Barhocker setzten und sich kurz vom Tanzen ausruhten. "Schon krass, wie die Zeit rennt. In paar Monaten haben wir schon einjähriges Jubiläum", erwiderte Malin.

 

"Frohes Neues!", rief Morten übermütig und bald darauf erklang das Klirren von Sektgläsern. Morten und Malin lagen sich selig in den Armen und küssten sich. Lukas und Lynn taten es ihnen gleich. "Lasst uns endlich nach draußen gehen!", drängte Ron, der sich schon eine Packung Raketen unter den Arm geklemmt hatte. Rasch ging es nach draußen auf die Straße. Überall krachte, knatterte und pfiff es. Über ihren Köpfen stiegen bereits dutzende Raketen in den Himmel. Morten entzündete die erste Rakete, bevor einer seiner Kumpels eine Regenbogen-Feuerwerksbatterie startete. Bunte Kugel stiegen in den Himmel und explodierten über ihren Köpfen. Malin war fröhlich und übermütig zugleich, dass sie ausgelassen umher hüpfte, bis Morten sie in seine Arme schloss und ihr einen leidenschaftlichen Kuss gab. Kurz holte Malin ihr Handy aus der Jackentasche. Bereits zwanzig ungelesene Nachrichten wurden ihr bei WhatsApp angezeigt. Natürlich hatten Fredie, ihre Mutter, eine ihrer Cousins und viele weitere Freunde ihr ein frohes neues Jahr gewünscht. Malin hatte kaum Zeit zu antworten, da sie eine Wunderkerze in die Hand gedrückt bekam. Lynn entzündete als erste ihre Wunderkerze und steckte die Kerzen von Inka und Lukas an. So wanderte das Feuer immer weiter, bis alle Wunderkerzen brannten. Malin machte mehrere Fotos davon und schickte sie Fredie und Gritje. "Auf ins neue Jahr!", lächelte Morten zufrieden. "Auf das, dass uns das neue Jahr uns allen viel Glück bringt", zwinkerte Malin und schmiegte sich überglücklich an ihren Freund.

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Tag der Veröffentlichung: 16.07.2014

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