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Ein schönes Wiedersehen und viele Überraschungen

„Hey, I just met you and this is crazy, but here’s my number, so call me maybe. It’s hard to look right, at you baby, but here’s my number so call me maybe”, sang Priscilla laut mit. Das ging schon seit Stunden so, Priscilla hörte mit ihren ihrem Mp3-Player Musik und mimte den kleinen Popstar. Es ging mir tierisch auf die Nerven und meine Ohren litten schon seit Stunden! Leider konnte ich mein Gehör nicht für einen Moment ausstellen. Meine Cousine saß neben mir, sie sang jedes Lied voller Eifer mit und wippte im Takt mit. Die Getränkeflasche war ihr Mikrofon und nach jedem Lied warf sie ihrem imaginären Publikum Kusshändchen zu. Es war nicht zum aushalten, ihr Gesang war dermaßen schief und schräg. „Prissy“, rief ich genervt, „Hör auf, du triffst keinen einzigen Ton!“ Priscilla trällerte inzwischen ein Lied von Lady Gaga und hörte mich nicht, weil sie ihre Kopfhörer trug. „Priscilla, reagier doch endlich und hör auf zu singen“, sagte ich in einem härteren Tonfall und packte sie am Arm. „Was ist denn?“, fragte sie erschrocken und nahm ihre pinken Kopfhörer ab. „Nicht jeder will deinen Gesang hören“, versuchte ich ihr zu erklären.

 

„Wir sind in einer halben Stunden da“, sagte Tante Helen vor uns, damit die Situation zwischen uns nicht eskalierte. „Priscilla, du kommst eine Woche vor deiner offiziellen Einschulung nach Saint Malory. Emily wird dir bestimmt das Internat und die ganze Anlage zeigen. Deine neuen Klassenkameraden kommen ein paar Tage später“, sagte Onkel Thomas. „Ich will nicht die ganze Zeit alleine sein und mich langweilen“, jammerte Priscilla und zog eine Schnute. „Nein, das wirst du nicht. Emily wird für dich da sein“, tröstete sie Tante Helen. „Freust du dich schon auf die Schuluniform?“, fragte ich meine Cousine neckend. „Um Himmels Willen, ich muss eine Schuluniform tragen“, stieß Priscilla entsetzt aus, „Das ist wie im Kloster! Mein Gott, wir werden in schwarz-weiße Gewänder gesteckt und sehen aus wie Pinguine! Nein Danke!“ „Ich finde Pinguine total attraktiv, die meisten Jungen sind auch meiner Meinung“, neckte ich. Meine flippige Cousine trug heute einen geblümten Rock, ein lila Top und rosa Flipflops. Ihre aschblonden Haare waren zu einem Knoten hochgesteckt, nur ein paar Ponyhaare umrahmten ihr hübsches Gesicht. Ihre grünbraunen Augen hatte sie besonders mit Mascara, Lidschatten und Wimperntusche betont. An ihren Ohren baumelten große neonfarbene Sternohringe. Sie war schon ein anderer Typ als ich. Ich trug heute meine Haare offen und Kleidung, die mir bequem war. Meine Ohrringe hatte ich heute nicht drin und auf Schminke hatte ich auch ganz verzichtet.

 

„Du weißt hoffentlich, dass du die Schuluniform während des Vormittages tragen musst. Schminken ist nicht erlaubt und du darfst nur einfachen Schmuck tragen. Das wäre höchstens ein Ring, einfache Ohrstecker oder eine Kette“, klärte ich sie auf. „Das ist doch voll blöd“, murrte Priscilla, „Man darf sich nicht einmal persönlich entfalten“ „Das ist auch nicht das Ziel unsere Schule“, sagte ich, „Es gibt auch Schüler, die nicht viel Geld haben. Sie gehen nur auf dieses Internat, weil sie ein Stipendium haben. Meine Freundin Rosanna hat ein Stipendium und kann nur deshalb unsere Schule besuchen. Die Kleiderordnung soll verhindern, dass Schüler wegen ihrer Kleidung nicht gehänselt und ausgegrenzt werden“ Priscilla verschlug es die Sprache, offensichtlich hatte sie sich das Internat anders vorgestellt. Ich schaute aus dem Fenster, draußen rauschte die irische Einöde an uns vorbei.

 

„Wir sind da!“, jubelte ich innerlich. „Kommst du mit zum Schulleiter?“, fragte Priscillas Mutter. „Das kann ich eben machen“, nickte ich. „Ist jemand aus der ersten Klasse außer mir da?“, fragte meine Cousine leise. „Nein Schatz, deine Klassenkameraden kommen erst in den nächsten Tagen. Nächsten Montag ist die Einschulung“, sagte Tante Helen. Unser Schulleiter Mr. Scott begrüßte uns herzlich und lud uns zu einer Tasse Tee ein. Priscilla setzte sich zwischen ihre Eltern und verschränkte ihre Arme vor sich. „Hallo Priscilla, es ist nett dich kennen zu lernen. Du bist die erste Schülerin, die aus dem ersten Jahrgang eingetroffen ist. Ich kann dir schon mal mitteilen, dass du dir mit Dylan Hadley und Jennifer Robins ein Zimmer teilst. Sie kommen ein paar Tage später. Montag beginnt der Unterricht für euch. Damit dir nicht langweilig wird, darfst du beim Training der Springreiter teilnehmen“, sagte Mr. Scott, „Ich habe erfahren, dass Emily deine Cousine ist. Sie besucht unsere Schule seit letztem Jahr, sie wird dir das ganze Internat zeigen“ Mr. Scott nickte mir freundlich zu und wandte sich an Priscillas Eltern. Priscilla und ich verließen das Büro des Direktors, ich wollte ihr das Schulhaus und die ganze Anlage zeigen. „Das ist hier ziemlich groß. Ich kriege jetzt schon Angst, dass ich mich hier verirre“, meinte meine Cousine und schaute sich um.

 

„Ich habe mich mit meinen Freundinnen am ersten Schultag verlaufen, wir kamen zu spät zu Französisch und Madame Noire war davon gar nicht begeistert“, erzählte ich, „Du bist im Vorteil, weil du früher da bist als deine Klassenkameraden und du kannst ihnen die gesamte Anlage zeigen“ Ein Lächeln huschte über Priscillas Gesicht, es war schön Jemand an seiner Seite zu haben. Während wir durch den Park gingen, zog sie mich am Ärmel. „Komm Emmi, da hinten sind die Pferde“, sagte Priscilla aufgeregt. „Genau, das sind unsere Schulpferde“, erwiderte ich und ging mit ihr zum Gatter. Ich schnalzte mit der Zunge und wenig später kam meine Lieblingsstute Hermine, ein Connemarapony mit dichtem Fell. Ich tätschelte ihren Hals und wickelte eine Strähne ihrer Mähne um meinen Zeigefinger. „Darf man die Pferde füttern“, fragte mich meine Cousine. Ich schüttelte den Kopf, „Das wird hier nicht gerne gesehen, man könnte ihnen etwas Falsches geben und die Pferde würden davon krank werden. Es gibt giftige Pflanzen wie zum Beispiel der Fingerhut oder der Adelfarn, die die Pferde krank machen können. Aber die Pferde finden schon genug zu fressen und werden täglich gefüttert“ Priscilla berührte Hermine erst ganz leicht mit den Fingerspitzen. Als sie mehr Vertrauen zu dem Pferd bekam, umarmte sie schließlich Hermine.

 

Danach zeigte ich ihr die ganzen Sportplätze, meine Cousine war erstaunt. „Müssen wir eine bestimmte Sportart machen?“, fragte sie. „Es ist Pflicht ein Fach im Reiten und ein Sportfach zu belegen“, erklärte ich, „Ihr werdet nächste Woche wählen, was ihr machen wollt“ „Ich nehme im Reiten auf jeden Fall Springen“, sagte Priscilla sofort. „Außerdem musst du noch ein anderes Sportfach nehmen“, klärte ich sie auf. Priscilla ließ ihren Kopf hängen. „Bei den Mädchen gibt es Kunstturnen, Hockey, Handball, Volleyball, Tischtennis und Schwimmen“, fuhr ich fort. „Ich nehme auf gar keinen Fall Hockey oder Handball, das habe ich schon auf meiner alten Schule wie die Pest gehasst“, sagte sie.

 

Vor dem Hauptgebäude sah ich einige bekannte Gesichter. „Hallo Emily“, rief Jemand. „Emmi!“, rief Oli und umarmte mich, „Wie geht es dir und wie hast du die Ferien überlebt? Noch mal vielen Dank für deine Karte“ Ich war überglücklich meine beste Freundin endlich wieder zu sehen, sechs Wochen ohne sie und die Anderen waren eine Unendlichkeit. Mir fiel auf, wie braun gebrannt sie war und wie deutlich ihre Sommersprossen zu sehen waren. „Ich war zwei Wochen in Italien. Jeden Tag Sonne, Strand, Eis und Meer“, strahlte sie. Oli hatte sich zudem ihre Haare auf Kinnlänge abgeschnitten und trug jetzt einen Seitenscheitel. Das stand ihr fiel besser, weil sie so ein spitzbübischer Charakter war. „Emily! Schön, dass du wieder da bist“, rief Greta fröhlich und fiel mir um den Hals. Wir gingen auf die Gruppe von Schülern zu. „Fintan, da bist du endlich“, rief ich und stürzte mich auf meinen Freund. Er gab mir zur Begrüßung einen dicken Schmatzer auf den Mund und nahm mich in den Arm. „Schön dich wieder bei mir zu haben!“, sagte er und drückte mich an sich, „Du scheinst dich ein wenig verändert zu haben. Deine Haare sind röter geworden als vor den Ferien und du hast ein paar Kilo zugenommen“ „Das kommt von der starken Sonneneinstrahlung auf Teneriffa“, antwortete ich und neckte ihn, „Na, du bist wohl auch fülliger geworden, hat man dich zu gut gefüttert?“ „Ich bin wirklich ein paar Kilo schwerer als vorher“, gab Fintan zu meinem Erstaunen offen zu, „Ich war drei Wochen mit meinem Onkel und seiner Familie Segeln. Meine Tante hat gemeint, ich wäre zu dünn gewesen. Sie hat mir die leckersten Sachen vorgesetzt und hatte alle Variationen von Pasta und Pizza ausprobiert. Da konnte ich nicht widerstehen“ Ich fand, dass es ihm gut stand, dass er kräftiger geworden ist und es wirkte zugleich männlicher. Auch seine Haare sind durch die viele Sonneneinstrahlung heller geworden, so dass sie in der Sonne einen goldenen Schimmer hatten.

 

„Wer steht neben dir?“, fragte mich May, „Ist das etwa eine neue Mitschülerin?“

Sie hatte meine Cousine als erstes bemerkt. „Nein, das ist meine Cousine Priscilla. Sie kommt in die erste Klasse“, antwortete ich. Nach und nach begrüßten meine Freunde meine Cousine. Priscilla wurde wieder etwas schüchterner, von der kleinen Popdiva vorhin im Auto war nichts mehr zu sehen. „Warum bist du jetzt schon da?“, fragte Oli, „Die Einschulung für euch ist erst Montag. Ich hoffe nicht, dass du dich in den nächsten sechs Tagen zu Tode langweilen wirst“

 

Priscilla nickte, „Der Direktor hat mir versprochen, dass ich täglich reiten und im Stall mithelfen darf“ „Soso, du reitest den lieben langen Tag und flechtest den Pferden Zöpfe in die Mähne. Während wir büffeln dürfen“, machte ihr Greta einen ironischen Vorwurf und grinste. Meine Cousine sah sie verunsichert an. „Lass dich nicht von Margareta hochnehmen, sie ist halt eine Spottdrossel. Sonst ist sie ein echt netter Kerl“, mischte sich Rosy ein, „Ich bin übrigens Rosanna O’Sullivan“ „Hallo allerseits, schön euch alle wieder zu sehen“, sagte ein junges Mädchen mit einem kurzen blonden Bobhaarschnitt und sah uns hochnäsig an. „Ich fass es nicht, das ist Arabella“, wisperte Greta, „Wie sie sich verändert hat, das ist krass. Sie hat sich ihre Engelslocken abgeschnitten“ Arabella setzte sich auf eine Bank und redete kaum mit uns, die Sonne spiegelte sich in ihrer Prada-Sonnenbrille und sie legte ihre Gucci-Handtasche auf den Schoß. „Genauso eingebildet wie vor den Sommerferien“, bemerkte Oli.

 

Plötzlich stand Arabella auf und ging auf Priscilla zu. „Aha, eine Neue“, sagte Arabella kühl und herablassend. „Hallo“, grüßte meine Cousine schüchtern zurück, sie war von Arabellas herablassender Art verunsichert. „Wo kommst du her, meine liebe Cinderella?“, fragte Arabella hochnäsig. Ich wurde langsam ziemlich wütend, wie fies sie meine Cousine behandelte. „Sie hat auch einen richtigen Namen, Arabella Wendworth“, blaffte ich die blöde Kuh an. „Sei nicht gleich so aufbrausend, Möhrenkopf“, erwiderte sie prompt, „Mit dir hatte ich das letzte Jahr das Vergnügen die gleiche Klasse zu besuchen“ „Ich auch, du Pottschnitt“, raunzte ich Arabella an, „Du hast mir von Allen hier am wenigstens gefehlt“ „Ihr seid doch alle nur Möchtegerns“, stieß Arabella schnippisch aus, „Wo sind eigentlich meine richtigen Freundinnen, mit denen man sich abgeben kann?“ „Falls du überhaupt welche hast!“, fuhr ihr Oli keck über den Mund. „Sei du nur ganz ruhig, du grobschlächtiges Bauernmädchen“, zischte Arabella. „Hey, hört auf zu streiten. Das vermiest total den ersten Schultag“, ging Rosy dazwischen und wandte sich an Arabella, „Ich finde es nicht fair, wie du meine Freundinnen und Priscilla behandelst. Du brauchst nicht bei uns stehen, wenn du dich so verhältst“

Rosy sprach mir aus der Seele, es war ganz schön mutig sich der größten Zicke entgegen zu stellen.

 

Arabella drehte sich um und stieß einen Freudenschrei, als sie ihre besten Freundinnen Natascha und Stella sah. Ihre beiden Freundinnen waren nicht viel besser als sie, aber sie verhielten sich längst nicht so unverschämt. Natascha trug ein dunkelblaues Kleid, lange Perlenohrringe und ebenfalls eine Prada-Handtasche. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Kranz geflochten und ihre katzengrünen Augen hatte sie besonders mit einem blauen Lidschatten betont. Stella hatte zufälligerweise den gleichen Haarschnitt wie Arabella und trug ein rotes Cocktailkleid. „Du hast mir erzählt, man dürfte hier keine prunkvollen Kleider und teuren Schmuck tragen“, sagte Priscilla zu mir, „Die sehen aus, als kämen sie gerade vom Laufsteg“ „Na warte ab, spätestens Morgen müssen sie sich wieder in ihre Schuluniform zwängen“, grinste Oli, „Es ist nicht erlaubt, sich wie auf dem Laufsteg zu kleiden“ Oli nannte Arabella und ihre Freundinnen nur „die Barbys“. Sie machte sich nicht viel aus teuren Kleidern und Schmuck, sie war mehr ein burschikoser und jungenhafter Typ. „Wir müssen los, die Klassenversammlung fängt gleich an“, sagte Lars und griff nach Olis Hand. „Was ist mit mir?“, fragte Priscilla ratlos, „Soll ich mitkommen?“

In dem Moment kamen schon Priscillas Eltern um die Ecke. „Priscilla, kommst du eben mit? Wir zeigen dir, wo du wohnst“, sagte Tante Helen. Meine Tante und meine Cousine verabschiedeten sich von mir.

 

In der Aula saß ich zwischen Oli und Fintan. „Wir kriegen dieses Jahr ernorm viele Neuzugänge“, meinte Tiago, „Es sind mehr als zehn neue Schüler“ „Die neuen Schüler sitzen in der ersten Reihe“, sagte Oli und hob ihren Kopf. „Das bedeutet wohl, dass unsere Klasse ziemlich groß wird“, behaupte ich. Es wurde ganz ruhig und unser Schulleiter trat nach vorne. „Liebe Schüler und Schülerinnen des zweiten Jahrganges, ich heiße euch nach den Sommerferien herzlich willkommen. Sicher seid ihr schon gespannt, was euch im neuen Schuljahr erwartet. Es wird sich Einiges ändern. Ihr habt wahrscheinlich mitbekommen, dass es viele Neuzugänge gibt. Deshalb wird es im zweiten Jahrgang zwei Klassen geben. Der Lehrer der 2a ist Mr. O’Connor und die 2b wird von unserer neuen Lehrerin Miss Greene übernommen“, sagte Mr. Scott. Fintan und ich tauschten ungläubige Blicke aus. „Hoffentlich bleibt unsere Klasse zusammen und die neuen Schüler kommen in die andere Klasse“, meinte Fintan, „Wir sind letztes Jahr so gut zu einem netten Haufen zusammen gewachsen. Zwar bin ich nicht mit Jedem befreundet, aber ich komme mit fast Allen gut klar“ „Das wäre echt schade, wenn unsere alten Klasse aufgelöst wird“, stimmte ich zu, „Obwohl ich Arabella nicht vermissen würde, wenn sie in die andere Klasse käme“ Mr. O’Connor und die neue Lehrerin gingen nach vorne und lasen die Klassenlisten vor. Nataschas Name wurde als erstes von Mr. O’Connor genannt und als zweites wurde ihre Freundin Stella Crumbell aufgerufen. Es kamen einige unbekannte Namen, bis Greta und May genannt wurden. Oli und ich wurden nicht genannt, wir gaben uns einen Highfive. „Wir bleiben in einer Klasse“, wisperte ich. Nun war Mr. O’Connor bei den Jungen angelangt. Lars, Tiago und Pattrick wurden genannt, Fintan nicht. „Finn, wir bleiben zusammen“, jubelte ich leise. Plötzlich machte Oli ein langes Gesicht, „Jetzt bin ich gar nicht mehr mit Lars in einer Klasse“ „Macht doch nichts, ich könnt euch nachmittags sehen“, tröstete ich sie. Miss Greene las die restlichen Namen vor.

 

Außer Oli, Fintan, Rosy, Darcy, Tom und Matthew kannte ich Niemand. „Ich bleibe bei euch, Oli und Emily!“, freute sich Rosy und ging mit uns nach vorne. Fintan sah ein wenig unzufrieden aus. „Alle meine guten Kumpels außer Tom sind in der Parallelklasse“, sagte er enttäuscht, „Ich soll mir in Zukunft mir mit Lucien Frey und Alexander Arnold das Zimmer teilen. Dabei kenne ich sie noch nicht einmal“

Letztes Jahr hatte er sich mit seinem besten Freund Lars das Zimmer geteilt. Ich hatte richtiges Glück, ich war wieder mit Oli und neuerdings auch mit Rosy in einem Zimmer. Oli legte ihre Arme über mich und Rosy und wir hüpften vor Freude. „Ist es nicht genial!“, rief Rosy überglücklich, „Ich muss nicht mehr alleine in einem Zimmer schlafen“ Zu dritt gingen wir zu dem Wohnblock des zweiten Jahrgangs und suchten unser Zimmer. „Ich habe es gefunden“, rief Rosy am anderen Ende des Flures. Oli und ich stolperte mit unseren Koffern ihr hinterher. Das Zimmer war hell und freundlich, es hatte orangefarbene Vorhänge an den Fenstern, mehrere große Schränke und ein eigenes Badezimmer. „Wo ist das dritte Bett?“, fragte ich. „Hier!“, rief Oli, „Hinter der Ecke“ „Ich kann wohl das Bett nehmen“, meldete sich Rosy freiwillig, „Ihr könnt ruhig die anderen Betten nehmen, die näher zusammen stehen“ „Musst du nicht“, meinte Oli, „Ich kann auch in dem Bett hinter der Ecke schlafen. Ich kann euch zwar nicht sehen, aber ich weiß, dass ihr da seid“ Rosy und ich bezogen die Betten, die an der Fensterseite standen und Oli das Bett hinter der Ecke.

 

Nach dem Abendessen trafen wir Greta und May, beide sahen nicht besonders glücklich aus. „Wir müssen uns das Zimmer mit einer verwöhnten Tussi aus Kanada teilen. Sie heißt Samantha Wilcox und ist die Tochter eines Hollywoodregisseurs“, sagte Greta mit bitterer Miene, „Sie hat sich von Anfang an sehr hochnäsig verhalten und hat über unser Zimmer geschimpft, weil es keine Wellness Lounge gibt und sie die Schränke nicht alleine nutzen kann“ „Dieses Mädchen hat vier Koffer dabei gehabt, einer davon war voll mit Kleidern“, fuhr May fort, „Sie ist noch schlimmer als Arabella“ „Wie sieht Samantha überhaupt aus?“, fragte ich. „Sie ist mittelgroß, ultraschlank, trägt Markenklamotten und hat dunkelbraune Haare mit blonden Strähnen“  „Arabella und Samantha werden sich bestimmt gut verstehen“, meinte Oli. „Ich bin mir sicher Arabella nimmt bald Witterung auf. Alles was glänzt und berühmt ist, passt in ihr Beuteschema“, sagte Greta mit einem sarkastischen Unterton. „Kennt ihr eure neuen Mitschüler schon?“, fragte Rosy. May schüttelte den Kopf, „Bis auf Samantha keinen“ „Ich weiß, dass Stella und Natascha sich mit einer gewissen Lia-Mary das Zimmer teilen müssen“, antwortete Greta.

 

„Mit wem ist Arabella auf einem Zimmer?“, fragte ich. „Mit zwei Neuen, die wir noch nicht kennen“, sagte May. „Ich wünschte wir könnten in eure Klasse gehen“, bedauerte Greta, „Dann wäre unsere Clique noch zusammen“ „Was redest du da, Greta?“, fiel ihr Oli ins Wort, „Du brauchst kein Trübsal blasen. Selbstverständlich sind immer noch fünf gute Freundinnen. Wir können uns jeden Nachmittag treffen und etwas zusammen machen“ „Wollen wir heute Abend ausreiten?“, schlug Rosy vor. „Das ist eine gute Idee, wir müssen nur um Erlaubnis fragen“, sagte ich. Am Reitstall begegneten uns meine Cousine und eine junge Frau. „Ich bin Jennifer Moor, ich bin die neue Pferdewartin“, sagte sie und schüttelte uns die Hand, „Das ist hier erst mein dritter Arbeitstag. Davor habe ich in England gearbeitet und bin durch meine Tante Miss Hanson hierher gekommen“ Wir trugen uns in die Ausreitliste ein. „Darf ich mitkommen?“, fragte uns Priscilla. „Du musst erst Jennifer fragen“, sagte ich. „Aber ich habe der Pferdewartin den ganzen Nachmittag geholfen die Ställe auszumisten“, entgegnete sie mir, „Zur Belohnung muss sie mir das erlauben“ „Erlauben Sie mir es, dass ich mit meiner Cousine ausreite?“, fragte Priscilla die Pferdewartin. Jennifer Moor machte einen bedenklichen Gesichtsausdruck, „Du bist erst seit heute hier, du kennst dich noch gar nicht aus. Ich würde dich auf dem Reitplatz reiten lassen, aber noch nicht im Gelände“, sagte Jennifer bestimmt. Priscilla war beleidigt, „Emily und ihre Freundinnen begleiten mich, was soll denn dagegen sprechen?“ Priscilla bettelte und nörgelte so lange, bis sie Patty, das kleinste Pony im Stall, bekam.

 

Zu sechst ritten wir vom Schulgelände runter und an der Landstraße entlang. „Was gibt es Schöneres als wieder in Saint Malory zu sein, die Jungs wieder zu sehen und mit den besten Freundinnen einen Ausritt in den Sonnenuntergang zu machen“, sagte Oli und schloss dabei die Augen. Wir ritten über eine alte Holzbrücke, die nicht mehr sehr stabil zu sein schien. Sie knarrte etwas als Hermine ihre Hufen auf das Holz setzte, aber sie blieb stabil. Auf einer freien Fläche ließen wir unsere Pferde angaloppieren. Ich stellte mich in die Steigbügel, nahm die Zügel kürzer und ließ Hermine schneller werden. Bald hatte ich Priscilla, Rosy, May und Greta überholt und lieferte mir ein Wettrennen mit Oli. Sie ließ Esparado auf schneller werden und überholte mich. „Erster!“, triumphierte sie an der großen Eiche. Plötzlich hörte lautes Gebell und Jemand schrie auf. Benommen sah ich, wie Patty an uns vorbei galoppierte und zwei Hunde dem Pony folgten. „Brems ihn, Pris!“, schrie ich entsetzt. „Ich kann nicht“, brüllte Priscilla und krallte sich im Sattel fest. „Ich habe nicht gedacht, dass Patty so schnell werden kann“, meinte Greta hinter mir. Im nächsten Moment sprang Patty mit Pris über einen Zaun. Ich hörte Pris schreien. „Ist was passiert?“, rief ich außer mir. Niemand antwortete mir. Ich bekam Herzklopfen. „Wo sind diese verdammten Hunde?“, rief ich. Die Hunde hatten bereits von Patty abgelassen, aber von Pris und dem Pony fehlte jede Spur. „Es ist unverantwortlich, dass Leute ihre unerzogenen Hunde frei laufen lassen!“, empörte sich Oli. „Priscilla, Priscilla, Priscilla“, riefen meine übrigen Freundinnen im Chor. „Sie ist über diesen Zaun gesprungen, das habe ich noch sehen können“, sagte May. „Bist du dir ganz sicher?“, fragte Rosy skeptisch, „Ich meine sie ist geradeaus weiter galoppiert“„Ich geh sie auf der Weide suchen“, beschloss ich, „Oli, hilfst du mir beim Suchen?“

 

Rosy und Greta hielten unsere Pferde fest, während wir über den Zaun kletterten. „Ich bin hier“, sagte eine weibliche Stimme schluchzend. „Ich sehe sie“, rief ich und rannte los. Meine Cousine lag wimmernd mit dem Gesicht im hohen Gras. „Ist dir was Schlimmes passiert?“, rief ich. Pris richtete sich auf und wischte sich über das Gesicht. „Zwei wild gewordene Hunde sind hinter meinem Pony her gerannt und haben es zu Tode erschreckt. Patty ist über den Zaun gesprungen und hat mich angeschüttelt“, berichtete sie und schnappte nach Luft. „Schaut mal her, wer hier steht und seelenruhig grast“, rief Oli und hielt Patty am Zügel fest. Pris rappelte sich langsam auf, obwohl sie immer noch zitterte. „Hast du dich verletzt?“, fragte ich und hielt sie am Arm fest. Meine Cousine schüttelte den Kopf, „Ich habe nur einen großen Schreck bekommen, aber ich bin doch nicht so hart gelandet. Ich will das Pony führen, ich glaube heute ist mir die Lust am Reiten vergangen“ Meine Cousine war immer noch bleich im Gesicht und führte Patty den ganzen Weg zurück. Meine Freundinnen und ich ritten im Schritttempo neben ihr her. „Keiner sagt Jennifer oder Miss Hanson, dass ich gestürzt bin, okay“, bat Pris, „Sonst würden sie mich nicht mehr so schnell ausreiten lassen“ „Eigentlich sieht man gar nicht, dass du gestürzt bist, außer dass du ein paar Grasspuren an deinem T-Shirt hast“, sagte ich. „Falls dich jemand danach fragt, sag einfach, dass Patty dein T-Shirt total lecker fand und hinein gebissen hat, weil er probieren wollte wie es schmeckt“, scherzte Oli und meine Freundinnen brachen in lautes Gelächter aus. Meine Cousine lachte verhalten. „Wisst ihr, was unsere Jungs heute Abend machen?“, fragte Greta. „Mir ist wieder eingefallen, heute findet die Schuljahrseröffnungsparty am Pool mit den anderen Klassen statt“, rief Rosy.

 

Nach dem Ausritt eilten wir in unsere Zimmer zogen uns schnell um, wir wollten nicht in Reithose dort erscheinen. Ich zog ein dunkelblaues Top und einen Wickelrock an, den ich mir im Urlaub gekauft habe. Schon von weitem hörten wir die Musik, Lichterketten leuchteten und überall waren Fackeln aufgestellt. Am Swimmingpool war der Teufel los, anscheinend war das ganze Internat da. Im Menschengetümmel kam mir meine Cousine entgegen. „Was machst du hier?“, fragte ich sie. „Ich wollte sehen, was hier los ist“, sagte sie und fügte leicht beleidigt hinzu, „Willst du nicht, dass ich hier bin?“ „Nein, nein! So habe ich es nicht gemeint“, widersprach ich ihr. „Darf ich bei dir bleiben?“, fragte Priscilla und ich hörte den bettelnden Unterton in ihrer Stimme heraus. Ich hackte mich bei Priscilla ein und zusammen drängelten wir uns durch die Massen von Schülern. „Ich setze mich einen Augenblick hin. Kommst du gleich wieder und holst mich wieder ab?“, sagte Priscilla zu mir. „Keine Panik, ich suche eben meinen Freund und dann kommen wir wieder zu dir“, versicherte ich ihr. Insgemein ging mir Priscillas klammerndes Verhalten langsam auf die Nerven, aber ich konnte sie verstehen, sie war erst seid heute hier. Ich grüßte Debbie und Lynn, die mit mir in der Hockeymannschaft spielten.

 

Aber ich suchte Fintan. Wo konnte er nur stecken? Im Pool spielten einige Mitglieder der Fußballmannschaft mit einem Wasserball und johlten ziemlich laut. Ich entdeckte Lars, Tiago und ein paar weitere Fußballer, aber Fintan war nicht unter ihnen. Ich suchte weiter und ließ meinen Blick schweifen. „Pass doch auf, wo du hinlatscht! Hast du nicht gelernt, dass man die Augen aufmacht, wenn man läuft?“, empörte sich ein junges Mädchen mit gewellten braunen Haaren in einem knappen lila Bikini. Erschrocken fuhr ich zusammen, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich diesem Mädchen zusammengestoßen bin. Ich schaute wie versteinert in ihre kalten grauen Augen. „Entschuldigung“, murmelte ich und schämte mich, dass ich wie ein kleines Schulmädchen sprach. „Das willst du als Entschuldigung gelten lassen?! Du bist hier der Beweis für den schlechten Geschmack“, sagte sie spöttisch und schaute auf mich hinab. Ich drehte ihr schnell den Rücken zu und mit ihr nichts länger zu tun haben. Greta drängelte sich zu mir durch und griff nach meiner Hand. „Emmi, lass dich nicht so blöd von der Seite anmachen“, sagte sie. „Wer war das?“, fragte ich. „Meine neue Mitbewohnerin Samantha Wilcox aus Kanada“, antwortete Greta prompt, „May und ich müssen uns mit ihr ein Zimmer teilen. Es gab schon eine heftige Diskussion vorhin, weil sie unsere Kleiderschränke für unsere Kleidungsschränke für ihre Garderobe mitbenutzen will“ „Das wird sicher noch ein tierischer Spaß mit ihr“, sagte ich und meine Stimme triefte vor Ironie. „Hey Chicas, was läuft bei euch?“, rief Oli, die aus dem Nichts auftauchte und legte ihre Arme uns. „Nur ein kleines Insidergespräch über meine neue Zimmernachbarin“, antwortet Greta knapp. „Ach ja, von der habe ich gehört, dass ihr Vater Hollywoodregisseur ist“, fiel Oli spontan ein. Greta und ich hatten keine Lust mehr weiter über die verwöhnte Tochter eines Hollywoodregisseurs zu sprechen.

„Wisst ihr wo Fintan ist?“, fragte ich stattdessen. „Er ist vor fünf Minuten auf sein Zimmer gegangen“, sagte Oli. „Warum das denn?“, fragte ich. „Ihm ist schlecht geworden, so dass er sich beinahe übergeben musste“, erwiderte sie. Vorhin ging es ihm noch gut, aber vielleicht hatte er etwas Falsches gegessen. Oli bemerkte meinen betroffenen Gesichtsausdruck. „Mach dir keine Sorge um ihn, es wird ihm garantiert morgen oder in den nächsten Tagen besser gehen“, sagte sie aufmunternd.

 

Plötzlich stand Priscilla vor mir. „Du hast mich vergessen“, sagte sie zu mir und klang ein wenig vorwurfsvoll. Ich presste zuerst meine Lippen zusammen, damit mir keine spitze Bemerkung entwich. „In den ersten Tagen kannst du ruhig noch mit mir mitgehen, aber nur solange bis du neue Freunde gefunden hast“, sagte ich etwas genervt, „Glaub bloß nicht, dass ich dein Babysitter bin“ Priscilla setzte schlagartig eine beleidigte Miene auf. „Du weißt doch, dass ich deine Cousine bin“, sagte sie leicht empört, „Natürlich brauche ich keinen Babysitter“ „Emily, sie kann doch ruhig bei uns bleiben“, meinte Oli, „Sie hat hier außer dich noch niemanden“ Ich nickte etwas betreten, anscheinend hatte ich mich im Tonfall vergriffen. „Ich wollte dich kränken, Pris“, sagte ich, „Es ist nichts gegen dich, aber manchmal will man auch alleine sein“

 

Der ganz normale Wahnsinn

„Dylan ist auf jeden Fall ziemlich nett“, erzählte mir Priscilla in der großen Pause, „Mit ihr kann man sehr gut reden und sie interessiert sich auch sehr für Mode. Meine zweite Zimmernachbarin Jennifer ist etwas merkwürdig, sie sagt kaum was und sieht immer sehr traurig aus“ „Ich freue mich für dich, dass du jemand gefunden hast, mit du dich gut verstehst“, meinte ich und biss von meinem Apfel ab. „Pris, ich hab dich schon gesucht“, rief ein hübsches blondes Mädchen. „Dylan, das ist meine Cousine Emily“, sagte meine Cousine. Dylan gab mir die Hand und wandte sich wieder an Priscilla, „Kommst du mit zu den Anderen? Sie stehen auf der anderen Seite des Schulhofes“ Priscilla ging mit Dylan davon und Sandrina, eine neue Klassenkameradin, kam auf mich zu.

 

„Hallo, Emily“, sagte sie zaghaft. Ich grüßte sie zurück und fragte, „Wie gefällt es dir hier?“ „Bis jetzt gefällt es mir ganz gut“, sagte sie, „Ich bin erst seit einer Woche hier, aber die Leute scheinen ganz freundlich zu sein. Im Unterricht komme ich auch ganz gut mit und das Hockeyspielen macht mir Spaß. Aber meisten gefällt mir das Reiten“ „Gestern warst du echt super“, bemerkte ich, „Du hast mit Queeny kein Hindernis gerissen“ „Ich reite erst seitdem ich dreizehn bin, aber ich habe bereits nach einem Jahr Reiterfahrung mit dem Springen angefangen. Ich konnte es teilweise besser als manche Mädchen mit fünf Jahren Reiterfahrung, aber mich hat niemand in meinem alten Reitverein beneidet. Meine alten Freundinnen waren sogar stolz auf mich, dass ich das Stipendium für Saint Malory bekommen habe und den Sprung nach Oben geschafft habe“, erzählte Sandrina. „Du bist ja ein richtiges Naturtalent“, sagte ich. „Du wirst es mir nicht glauben, aber ich habe zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen, als ich elf war“, sagte Sandrina.

 

Sandrina und ich setzten uns auf eine Bank, wir unterhielten uns angeregt. Sie erzählte mir, dass ihre Eltern aus Italien kamen und im Dorf eine Eisdiele besitzen. Außerdem war sie ein sehr hübsches schlankes Mädchen mit dunklen Augen und glänzenden schwarzen Haaren. Immer wieder warf sie ihre langen Zöpfe nach hinten. „Bist du die einzige externe Schülerin?“, fragte ich sie. „Aus unserer Parallelklasse gibt es zwei weitere Tagesschüler, sie heißen Mike und Elaine“, antwortete sie. Wir wechselten das Thema und sprachen über unsere Mitschüler. „Wie findest du die Jungs?“, fragte ich. „Ich finde sie alle in Ordnung, nur Matthew ist in meinen Augen zu streberhaft“, meinte Sandrina, „Aber Shane finde ich total nett, neben ihm sitze ich im Klassenraum“ „Die neuen Mitschüler sind eigentlich soweit in Ordnung, obwohl ich die Burton Schwestern total arrogant und merkwürdig finde“, äußerte ich mich. „Da hast du recht, Alison und Isabel-Janet sind wirklich komisch, sie haben noch kein Wort mit uns gesprochen und gestern habe ich mitbekommen, dass sie über uns lästern“, sagte Sandrina. Im nächsten Augenblick gesellten sich Greta und May zu uns. „Ich wäre so gerne in eurer Klasse!“, klagte May, „Bei uns gibt es fast nur Zicken. Sie versammeln sich alle um Arabella“ „Der Club der Barbys hat sich um ein paar Mädchen erweitert“, sagte Greta spitz, „Jetzt sind es nicht mehr nur Arabella, Natascha und Stella, sondern auch Samantha, Francis und Lia-Mary. Leider ist das mehr als die Hälfte der Mädchen“ „Ihr könnt doch immer noch zu kommen. Wir haben doch geschworen Freundinnen zu bleiben, auch wenn wir in unterschiedlichen Klassen sind“, erinnerte ich sie. „Ich weiß“, sagte May etwas niedergeschlagen, „Aber die Zeiten, in denen man im Unterricht gemeinsam heimlich reden und kleine Streiche aushecken konnte sind vorbei“ „Male nicht gleich schwarz“, rief Greta mit gespielter Empörung, „Du hast doch mich. Uns wird auch noch sicher ein lustiger Streich einfallen und reden können wir auch, du sitzt nur eine Reihe vor mir“ „Wisst ihr wie wir letztes Jahr Madame Noire an Halloween einen großen Schrecken eingejagt haben“, sagte ich kichernd. Greta schlang die Arme um May und drückte sie an sich.

 

„Das sind meine Freundinnen May und Margaretha aus der Parallelklasse“, sagte ich zu Sandrina. „Hallo ich heiße Margaretha Neill, aber du kannst mich ruhig Greta nennen, so nennen mich hier alle“, stellte sich Greta selber noch mal vor. „Ich heiße May Li Sung und komme aus London. Meine Eltern stammen aus dem Vietnam, aber ich bin in England geboren worden“, sagte May und gab Sandrina die Hand. „Hallo Greta und May, wie ihr schon mitbekommen habt, heiße ich Sandrina Rosario. Meine Eltern kommen aus Italien und ich bin Mailand geboren. Ich bin erst mit sieben Jahren nach Irland gekommen“, stellte sich Sandrina vor. „Hast du einen Spitznamen wie z.B. Drina oder Sanny?“, fragte Greta, „Wir Mädels haben alle einen z.B. Olivia heißt einfach Oli. Nur May hat keinen“ Sandrina schüttelte den Kopf, „Nein ich habe noch nie einen Spitznamen gehabt. Nennt mich so wie ich heiße, ich mag meinen Namen total gerne“ „Auf jeden Fall hat dein Name einen sehr hübschen Klang“, fand May. Im nächsten Augenblick klingelte es. „Tschüss, bis nachher“, rief ich meinen Freundinnen hinterher.

 

Nachmittags stand das zweite Springtraining auf dem Programm. Während ich Hermine auf dem Sandplatz warm ritt, sprach mich jemand von hinten an, „Warum bist du alleine? Wo sind eigentlich deine Freunde?“ Ich drehte mich um, es war Sandrina. „Oli, Greta, Lars und Rosy sind am Anfang des Schuljahres zum Vielseitigkeitsreiten gewechselt“, antwortete ich. Seit dem Anfang des Schuljahres hatte sich unsere Springmannschaft ziemlich geändert, viele sind zum Vielseitigkeitsreiten gewechselt und einige neue Schüler sind dazu gekommen. Im nächsten Augenblick ritt Arabella auf ihrem neuen Pferd Colorado auf den Platz und einige Reiter machten ihr extra Platz. „Warum müssen sie dieser arroganten Kuh so viel Ehre erweisen?“, ärgerte ich mich innerlich. Plötzlich machte Hermine einen Satz. „Arabella, du bist viel zu nah an Hermine aufgeritten!“, schimpfte ich. Arabella ritt an uns vorbei ohne uns eines Blicke zu würdigen. „Ich werde heute zeigen wie viel in Colorado steckt“, sagte sie zu ihrer Freundin Natascha, „Er ist nicht umsonst ein Nachfahre des berühmten Springpferdes Tybalt“ „Ja, da werden die Anderen wohl staunen“, meinte Natascha zustimmend.

„Nachdem ich den Parcour aufgebaut habe, kann jeder einzeln zum Springen kommen“, rief Miss Hanson.

 

Lilly, eine Erstklässlerin, ritt den Parcour mit ihrem Pony als Erste. Das Resultat war ernüchtern, der halbe Parcour musste wieder aufgebaut werden. „Kein Wunder das es nichts wird, das Pony hat solche Stummelbeine“, lästerte Arabella. Bei Abby, einer Viertklässlerin, sah es schon eindeutig besser aus, allerdings scheute Pferd einmal und riss ein ganzes Hindernis. „Abby ist eine gute Reiterin, aber ihr Pferd hat einen Knall“, kommentierte Arabella den Ritt. „Arabella, könntest dich lieber mit deinem Pferd warm reiten anstatt unnütze Kommentare zu machen“, wurde sie von Miss Hanson ermahnt. Als nächstes ritt Lucien, ein neuer Mitschüler aus meiner Klasse, er blieb fehlerfrei und alle applaudierten. „Da seht ihr es“, sagte Lucien mit einem starken Schweizer Akzent. Arabella, Sandrina und ich traten zuletzt an. „Einer von euch muss jetzt kommen“, sagte unsere Reittrainerin.

 

Ich meldete mich freiwillig und trieb Hermine mit Schenkeldruck an. Hermine galoppierte an und wurde immer schneller, vor dem ersten Hindernis verkürzte ich die Zügel und verlagerte mein Gewicht nach vorne. Über die ersten Hürden kamen wir ohne Probleme, aber kurz vor dem Ziel hörte ich eine Stange fallen. „Super gemacht, Emily“, rief Miss Hanson. Sandrina ritt nach mir. „Sandrina, Sandrina, Sandrina!“, feuerte ich meine neue Freundin an. Sandrina trieb Queeny unermüdlich an und riss kein einziges Hindernis. Sogar die schweren Hindernisse meisterte sie mit Bravour. „Sehr gut, Sandrina! Kein einziger Fehler und dazu noch die beste Zeit“, lobte Miss Hanson. Nun musste Arabella an den Start, ich konnte von weitem sehen, wie nervös sie war. „Sie ist keine erfahrene Springreiterin“, sagte ich zu Sandrina, „Zuvor ist sie Dressur geritten“

 

Arabella drückte krampfhaft die Waden in Colorados Seiten. „Treib ihn nicht so brutal, Arabella!“, gab Natascha ihrer Freundin den Rat. „So ein hübsches Pferd habe ich noch nie gesehen“, schwärmte Sandrina, „Ich kann nicht verstehen, wie sie so gefühllos mit diesem Tier umgeht“ Ich konnte ihr nur Recht geben. Colorado war ein hübscher Apfelschimmel mit einer silbernen Mähne. Im nächsten Augenblick hörte ich Arabella schreien und jede Menge Stangen fallen. „Sie ist stumpf gegen ein Hindernis geprallt“, wisperte Sandrina. Arabella trieb Colorado erneut an, aber er sträubte sich und bäumte sich auf. Panisch klammerte Arabella sich im Sattel fest und riss vor Schreck die Augen weit auf. Im Jagdgalopp raste Colorado bis zum nächsten Zaun und es dauerte eine Weile bis Arabella ihn unter Kontrolle hatte. „Sandrina und Arabella, tauscht bitte einmal eure Pferde und reitet den Parcour noch mal“, bat Miss Hanson. Arabellas zorniger und ohnmächtiger Gesichtsausdruck entging uns nicht. Sandrina und Arabella stiegen ab, mit einem missbilligen Blick überreichte Arabella Colorado an Sandrina. Diesmal ritt Arabella den Parcour zuerst, sie versuchte ruhiger zu bleiben und zehrte nicht mehr so stark an den Zügeln. Bis zum vierten Hindernis blieb sie fehlerfrei, danach fielen zwei Stangen und zum Schluss hatte sie acht Fehlerpunkte. Sandrina winkte mir zu strahlte über das ganze Gesicht. Sie trieb Colorado mit Gefühl an, der Wallach reagierte und galoppiert an. Colorado flog elegant über das erste, dann über das zweite und über die anderen Hindernisse. Ich habe nie geglaubt, dass ein Pferd so viel Kraft haben könnte. Vor jedem Hindernis stieß er sich kraftvoll vom Boden ab und besiegte für einen kurzen Moment die Erdanziehungskraft.

 

Wieder blieb Sandrina fehlerfrei. „Bravo!“, jubelte ich und klatschte. „Ich fass es nicht“, zischte Arabella hinter mir, „Wie kann dieses arme Bauernmädchen, das ein Stipendium braucht, um diese Schule zu besuchen, mein Pferd besser reiten als ich“ Ihr Gesicht verfärbte sich rot wie eine Tomate, Tränen stiegen in ihre Augen und ihre Lippen zitterten. „Reg dich, so schlecht warst du im zweiten Ritt gar nicht“, versuchte Natascha ihre Freundin aufzumuntern. „Wie soll ich denn! Ich habe mich vor allen blamiert, ich kann noch nicht mal mein eigenes Pferd richtig reiten. Alle haben es gesehen!“, schrie Arabella sie beinahe an. „Warum schreist du mich so an, ich wollte dich nur trösten“, erwiderte Natascha betroffen und stieg von ihrem Pferd ab. Sie ging auf Sandrina zu. „Ein super Ritt, Sandrina!“, lobte Natascha, „Du kannst echt gut mit Pferden umgehen“ Sandrina brachte nur ein knappes „Danke“ über die Lippen. „Taschi!“, rief Arabella spitz und ihre Freundin drehte sich wieder um. Insgeheim mochte ich Natascha lieber als Arabella, obwohl sie sich viel zu sehr von ihren Freundinnen beeinflussen ließ. Wenigstens konnte sie Leistung anderes ohne Neid anerkennen. Arabella war das komplette Gegenteil sie warf beim Putzen Sandrina ständig tötende Blicke zu.

 

Nach dem Abendbrot fuhren Fintan und ich mit dem Fahrrad ins Dorf. Vor der Eisdiele parkte wir unsere Fahrräder und suchten uns einen freien Tisch draußen aus. Es war für einen Septemberabend relativ warm und die Grillen zirpten. Spätsommergeruch klebte in der Luft. „Kennen wir die nicht?“, raunte mir Fintan ins Ohr. „Sandrina!“, rief ich halblaut. „Hallo Emmi und Fintan, euch habe ich im Halbdunkeln nicht sofort erkannt“, begrüßte sie uns überschwänglich mit ihrem italienischen Akzent. „Seit wann arbeitest du auch in der Eisdiele?“, fragte Fintan erstaunt. „Ich helfe abends und samstags gelegentlich in der Bedienung aus, meinen Eltern gehört diese Eisdiele“, erzählte sie und strich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie nahm unsere Bestellungen auf und verschwand wieder. „Unser Renntraining war ganz amüsant gewesen, Tiago hat die besten Witze von sich gegeben, wie in alten Zeiten“, erzählte Fintan, „Als ich auf Zeit geritten bin, hat Tiago so viele Faxen gemacht, dass ich vor Lachen fast von Felicitas Rücken gefallen bin“ Ich erzählte ihm von Sandrinas Triumph und von Arabellas Blamage. „Es tut Arabella gut auf den Boden der Tatsachen zu fallen“, sagte er trocken und fuhr sich mit der Hand durch seine gestylten Haare. Wir unterhielten uns über unseren neuen Mitschüler und Lehrer. „Manchmal wünsche ich mir Mr. O’Connor zurück, er ist viel lustiger und wirkt authentischer als Miss Greene“, meinte Fintan. „Ich mag sie auf jeden Fall ganz gerne“, entgegnete ich ihm, „Sie ist noch relativ jung und daher noch nicht so erfahren“

 

Miss Greene war seid kurzem unsere Klassenlehrerin. Sie unterrichtete uns in Geographie, Biologie und Mathematik. „Eigentlich bin ich mit meinen Lehrern und Mitschülern sehr zufrieden. Nur schade, dass Lars und Pattrick in der Parallelklasse sind. Sie sind meine besten Kumpels, aber ich kann sie nach der Schule noch sehen und wir spielen in der gleichen Fußballmannschaft“, sagte Fintan. „Wie kommst du mit deinen neuen Zimmernachbarn zurecht?“, fragte ich. „Bis jetzt klappt es gut. Alex kommt aus Dresden, das ist eine Stadt in Ostdeutschland. Er ist total freundlich und ist Fan von Dynamo Dresden und Hertha BSC Berlin. Lucien ist ein Schweizer aus Genf, er ist ein wenig arrogant und hört dauernd französische oder deutsche Hip-Hop-Musik. Ansonsten ist er ganz in Ordnung“, erzählte er. Wir lästerten noch ein bisschen über die unfreundlichen Schwestern Alison und Isabel-Janet Burton bis Sandrina unsere Eisbecher brachte.

 

„Wie war es auf Colorado zu reiten?“, fragte ich sie. „Es war traumhaft und der Ritt hat echt Spaß gemacht, aber Arabella hat mich nach der Stunde beleidigt“, erzählte sie. „Wie bitte? Was?“, fragte ich entsetzt. „Ihr habt es nicht mehr mitbekommen, ihr seid schon vorher gegangen, um euch umzuziehen, aber Arabella hat mich abgefangen. Sie hat mich als Kanake, armseliges Lumpenweib und als Gift für Colorado bezeichnet. Das Schlimmste war, dass sie gesagt hat, dass mein Status zu niedrig sei, um Saint Malory zu besuchen. Zum Schluss hat mir gedroht, dass sie alles tun werde, damit ich mein Stipendium verliere“

 

„Ist das wirklich war?“, rief ich entsetzt und mir tropfte fast das Eis aus dem Mund. „Ich habe auf dem Rückweg sogar geweint“, fuhr Sandrina fort. „Arabella hat einen Schaden, daran lässt sich leider nichts ändern“, mischte sich Fintan ein, „Ich war mit ihr vor einem Jahr fünf Monate zusammen, bis sie mich mit einem anderen Kerl betrogen hat“ „So sieht dieses Weib auch aus, wie eine Nutte“, sagte Sandrina gehässig. „Lass dich nicht von dieser blöden Zicke einschüchtern“, gab ich ihr auf den Weg, „Es war schließlich sie, die die ganze Zeit mit den Tränen gekämpft hat, als du ihr die Schau gestohlen hast und sie einmal nicht im Mittelpunkt stand“ Sandrina und ich ereiferten uns noch eine ganze Weile über Arabellas gemeines Verhalten. „Regt euch wegen der nicht den ganzen Abend“, beschwichtigte uns Fintan, „Ihr verderbt euch damit den ganzen Abend“

Sandrina musste wieder an die Arbeit und verabschiedete sich von uns. Nachdem wir unser Eis aufgegessen hatten, fuhren wir wieder zurück, es war schon spät und wir mussten vor zehn Uhr wieder zurück sein.

 

 

 

 

 

 

 

Neue Freund- und Feindschaften

„Wir sind seid zwei Wochen zurück und in der Schule und ich habe euch in der kurzen Zeit besser kennen lernen können. Ich denke ihr werdet euch besser kennen als ich euch. Aber unsere Klasse braucht zwei Klassensprecher und einen Klassenrat mit zwei weiteren Leuten“, sagte Miss Greene an einem Montagmorgen in der Mathestunde, „Bitte holt einen Stift und Papier raus. Jeder von euch hat eine Erst- und eine Zweitstimme, dabei zählt die Erststimme doppelt so viel wie die Zweitstimme. Zuerst dürft ihr vorschlagen, wer zur Wahl aufgestellt werden soll“ Tom zeigte als Erstes auf und schlug seinen Kumpel Fintan vor. Dann hob ich meine Hand, „Ich schlage Olivia vor“

 

Daraufhin schlug Oli mich vor. Am Ende standen sechs Namen an der Tafel. „Wer wählt schon freiwillig Matthew!“, dachte ich und schaute zu wie Miss Greene und Stefanie die Stimmen auszählten. „Erststimme für Emily, noch mal Erststimme für Emily, Erststimme für Lucien, Erststimme für Shane“, las Stefanie vor. Oli stieß mich von der Seite an, „Du liegst mit fünf Stimmen vorne“, wisperte sie. „Emily hat die Wahl gewonnen, herzlichen Glückwunsch!“, sagte Miss Greene, „Emily, nimmst du den Wahlsieg an?“ Ich nickte lächelnd. „Olivia, du bist die zweite Klassensprecherin“, fuhr Miss Greene fort, „Lucien und Fintan, ihr seit als weitere Vertreter in den Klassenrat gewählt worden“

 

In der Frühstückspause kamen meine Freunde zu meinem Tisch und gratulierten mir. „Wir werden ein super Klassensprecherinnenduo sein!“, jubelte Oli und griff nach meinen Händen. Wir tanzten einen Moment vor Freude. Sandrina kam und umarmte uns beide. „Meine Stimmen gingen direkt an euch“, sagte sie. „Meine auch“, kam es von Fintan, „Ich glaube ihr werdet den Job schon gut machen“ „Oh Mann, sind die kindisch“, sagte Alison zu ihrer jüngeren Schwester, „Sie feiern beinahe die Wiederauferstehung von Jesus, obwohl sie nur eine popelige Klassensprecherwahl gewonnen haben“ „Tja, ihr wäret wohl auch gerne Klassensprecherinnen geworden, aber von euch hätte sich niemand etwas sagen lassen“, erwiderte Oli schnippisch und sah Alison direkt in die Augen. „Ihr seht aus, als gäbe es bei euch gleich ein Gewitter“, setzte Oli einen drauf. Alisons Gesicht wurde beinahe so rot wie ihre Haare. „Oli, es reicht!“, zischte ich, „Du siehst doch, dass die Schwestern gleich vor Wut hochgehen“

 

Nachmittags ließ uns Mr. Jenks, unser Hockeytrainer, gegen eine Damenmannschaft aus dem Nachbardorf antreten. „Ich erwarte von euch, dass ihr dieses Testspiel ernst nimmt“, sagte er vor dem Anstoß. Oli und ich spielten in der Verteidigung. Holly aus der dritten Klasse stand im Tor. Kurz bevor angepfiffen wurde, winkten wir unseren Freundinnen auf der Ersatzbank zu. Schnell bekam ich zu spüren, dass ich seit den Sommerferien nicht mehr richtig Hockey gespielt habe, anfangs verlor ich fast jeden Zweikampf und verschuldete auch noch das erste Gegentor. Ich ärgerte mich darüber und schwor konzentrierter zu spielen. „Emily, deck deine Gegenspielerin“, rief Debbie. Reflexartig drehte ich mich um und sah meine Gegenspielerin schon hinter mir stand. Sie bekam von ihrer Mitspielerin einen Pass zu gespielt, aber ich konnte den Pass abfangen und hatte viel Platz zum Dribbeln. „Abspielen!“, rief Lynn und lief sich neben mir frei. Ich spielte ihr einen Pass in den Lauf und Lynn versuchte aus der Distanz auf das gegnerische Tor zu schießen. „Emily und Marilyn kommt bitte zum Spielfeldrand, ich wechsle euch aus und für euch werden Rosanna und Sandrina spielen“, rief Mr. Jenks.

 

Die nächsten Minuten verfolgte ich das Spiel von der Ersatzbank aus und unterhielt mich mit Greta. „Siehst du wie schnell Sandrina ist“, sagte Greta, „Sie ist schon wieder in Ballbesitz und sie kann keine scheu vor größeren Gegenspielerinnen“ „Allein vor der Riesin da vorne hatte ich schon ziemlich viel Respekt“, bemerkte ich. Ich schaute einen Moment die Erde an, als auf einmal alle Ersatzspielerinnen aufsprangen und jubelten. „Sandrina hat für uns ausgeglichen“, rief Greta. Zur Halbzeit stand es immer noch 1:1. Beim Wideranpfiff wurden Greta und ich für Lynn und Oli eingewechselt. „Emmi!“, rief Sandrina und spielte mich frei. Sie hatte immer noch den Ball als drei Gegenspielerinnen sie bedrängten und spielte einen Pass auf mich. Ich stand nur fünf Meter vom Tor entfernte, entweder ich konnte aufs Tor schießen oder einer anderen Mitspielerin den Ball zuspielen. Ich versuchte es selbst und drosch den Ball voller Wucht ins Netz. Meine Gegenspielerinnen gaben mir nacheinander einen Highfive. „Wir müssen nur noch 20 Minuten durchhalten, Mädels!“, rief Debbie und dribbelte durch die Abwehrreihe der Gegnerinnen. Plötzlich pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab, da Debbie gefoult wurde. Es gab einen Strafstoß für uns. „Willst du schießen?“, fragte Debbie Sandrina. Sandrina nickte und wartete bis der Schiedsrichter den Ball frei gab. Mit einem kräftigen Schlag versenkte sie ihm Tor, sodass die Torhüterin vorsichtshalber ein Stück zur Seite sprang. Nun stand 3:1 für uns. Sandrina und ich fassten uns an den Händen und tanzten einen Moment Samba.

 

Am Abend lud Sandrina meine Freundinnen und mich zu einem Mädelsabend in die Eisdiele ein. Mit Eisbechern und Milchshakes feierten wir den Sieg, sogar May konnte sich mit uns freuen, obwohl sie nicht Hockey spielte. Sie konzentrierte sich stattdessen aufs Kunstturnen. „Habt ihr schon mitbekommen, dass Alison sich beim Handballspiel verletzt hat und im Krankenhaus liegt?“, fragte May in die Runde. „Wir hatten unser Spiel und haben daher nichts mitbekommen“, sagte ich. „Keiner von euch hat den Krankenwagen gesehen?“, fragte May ungläubig, „Alison hat vorhin im Handballspiel drei Tore geworfen und ziemlich gut gespielt, doch kurz vor Schluss ist sie mit einer Gegenspielerin zusammen gestoßen und ist mit dem Kopf auf den Boden geprallt. Daraufhin war sie einen Moment bewusstlos“ „Das ist ganz schön heftig“, bemerkte Rosy, „Jetzt kann ich mir erklären, warum ihre Schwester mir weinend entgegen gekommen ist, aber sie hat mir nicht gesagt, was sie hatte“ Über Olis Gesicht huschte einen Moment Schadenfreude, ich wusste ganz genau, dass sie Alison nicht mochte. Im nächsten Moment gingen Ivan, Jacob und Emil an unserem Tisch vorbei und grüßten uns kurz. Sie setzten sich an unseren Nachbartisch und unterhielten sich. „Ich habe vorhin von Shane mitbekommen, dass er in dieser Italienerin verknallt ist“, sagte Ivan. Sein russischer Akzent war nicht zu überhören. „Du meinst wohl Sandrina“, ergänzte Jacob. Sandrina wurde plötzlich ganz neugierig und hörte auf ihr Eis zu löffeln. „Was reden sie da?“, wisperte sie und schaute zu den Jungen rüber.

 

„Du hast einen Verehrer“, raunte Greta und stieß Sandrina an. „Ich mag solche Gerüchte nicht“, sagte Sandrina trocken, „Shane soll es mir selber sagen, wenn er in mich verliebt ist“ „Da ist etwas Wahres dran“, stimmte ich zu, „Ich mag es auch nicht, wenn irgendwelche Gerüchte in die Welt gesetzt werden. Glaube erstmal nur die Hälfte, Sandrina“ Die Jungen am Nachbartisch wechselten das Thema. „Ich hatte heute Abend keine Lust zur Luciens Party zu gehen“, sagte Jacob, „Da gibt es bestimmt nur Bier, Zigaretten und harte alkoholische Getränke“ „Wenn Lucien und seine Freunde erwischt werden, gibt es großen Ärger“, meinte Emil, „Ich bin erst zwei Wochen hier, aber ein absolutes Alkohol- und Rauchverbot steht ganz weit oben in der Schulordnung“ „Lucien hat sogar Lars, Patrick und Tiago aus der Parallelklasse eingeladen“, sagte Ivan, „Das habe ich gestern nach dem Fußballtraining in der Umkleidekabine erfahren“

 

Um halb Zehn stiegen wir auf unsere Fahrräder, wir mussten auf jeden Fall vor zehn Uhr zurück sein, sonst gäbe es ein Donnerwetter mit der Hausmutter. Als wir unsere Fahrräder im Schuppen parkten hörten wir Musik und lautes Gelächter. „Ich glaube das sind die Jungen“, sagte Rosy. „Lass uns nachschauen, was sie machen“, schlug ich vor. „Nein, wir sind müde und gehen jetzt schlafen“, sagte May und ging mit Greta davon. „Ich gehe auch nicht, mir sind angetrunkene Leute nicht ganz geheuer“, sagte Rosy. Oli und ich gingen alleine los und folgten dem Krach. „Lass uns nicht so nah rangehen“, flüsterte ich. Tatsächlich auf dem Schulhof saß eine Gruppe von Schülern, aber wir konnten in der Dunkelheit nicht erkennen wer es war. „Hast du nicht mitbekommen, dass die Jungs am Nachbartisch gesagt haben, dass Lucien eine Party schmeißt?“, erinnerte mich Oli. „Stimmt, da sagst du was“, wisperte ich, „Ich habe gedacht, sie würden in einem Pub oder drinnen feiern“

Oli ging noch ein Stück näher ran, aber ich blieb stehen. Einen Augenblick kam meine Freundin wieder zurück. „Ich habe Lars Stimme gehört“, wisperte sie aufgeregt, „Er darf sich nicht erwischen lassen, sonst gibt es großen Ärger“ „Lass uns auf unser Zimmer gehen ich bin müde“, sagte ich leise.

 

Am nächsten Morgen fehlten in der ersten Doppelstunde ein paar Jungen. Die Plätze von Shane, Fintan, Alexander und Tom waren leer. „Sie liegen wahrscheinlich auf der Krankenstation, weil ihnen wegen zu hohem Alkoholkonsums schlecht geworden ist“, vermutete ich. „Nein, sie müssen erstmal ihren Kater ausschlafen“, meinte Oli. In der Frühstückspause betraten vier Jungs mit hängenden Köpfen den Klassenraum. „Das kann nicht wahr sein, dass sich Lucien aus der Verantwortung zieht“, regte sich Alexander auf, „Er hat dieses Saufgelage schließlich organisiert“ Lucien versuchte seine wütenden Freunde zu ignorieren. „Was ist passiert?“, fragte ich Fintan, nachdem er sich gesetzt hatte. „Lucien hat gestern Abend auf dem Schulhof eine Party gegeben, es war erst ganz lustig, aber nachher wurden wir von unserem Fußballtrainer erwischt. Ich gebe zu, wir waren ziemlich besoffen. Tom hat beinahe unseren Trainer geschlagen, als er gesagt hat, dass Alkohol trinken verboten ist. Heute Morgen hatten wir ein Gespräch mit dem Direktor und wir werden für zwei Fußballspiele suspendiert“, erzählte er zerknirscht, „Lucien wurde im Gegensatz zu uns nicht erwischt, er war schon vorher verschwunden. Verpetzen wollten wir ihn auch nicht, weil sich das unter Klassenkameraden nicht gehört. Entweder er gesteht vor den Lehrern ein, dass er das Saufgelage in die Wege geleitet hat oder wir werden ihn verachten“

 

„Lucien, du wirst gleich vor der Klasse und Miss Greene zugeben, dass du das Saufgelage geplant hast“, sagte Alexander aufgebracht. „Warum sollte ich das?“, erwiderte Lucien mit einer Unschuldsmiene, „Es ist nicht mein Problem, dass ihr für zwei Spiele aus der Mannschaft gestrichen werdet. Ich wurde im Gegensatz zu euch nicht erwischt, weil ich so klug bin und mich nicht erwischen lasse“ „Feigling!“, rief Shane erbost und packte Luciens Schulter. „Wenn du es nicht zugibst, wird dich jeder hier verachten“, setzte Fintan oben drauf.

„Warum soll ich mich schuldig fühlen, wenn ich mit der Sache nichts zu tun habe“, sagte Lucien. „Oh doch, du hast den Mist angestiftet!“, schrie Shane den verblüfften Schweizer an. Alexander und Shane bauten sich vor Luciens Tisch auf. „Ich schäme mich, dass ich mit so einem Feigling und Lügner wie dir befreundet war“, herrschte Alexander ihn an. „Ich habe immerhin noch Fintan als guten Kumpel“, entgegnete Lucien, „Ich brauche so einen Idioten wie dich nicht als Freund“ „Mich kannst du vergessen, Lucien!“, rief Fintan wütend, „Ich habe keine Lust mich mit so jemanden wie dich abzugeben. Wahrscheinlich bist du abgehauen, um uns zu verpfeifen“ „Mach mir bloß keine falschen Vorwürfe! Ich bin gegangen, weil ich Kopfschmerzen hatte“, sagte Lucien ruhig und versuchte glaubwürdig zu klingen, „Warum soll ich das Interesse haben, euch zu verpfeifen?“ „Ganz einfach, weil du uns aus der Fußballmannschaft kicken wolltest“, sagte Shane kühl. „Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ihr seid meine Kumpels und warum soll ich euch etwas Böses wollen“, rief Lucien aufgebracht und riss seine grünbraunen Augen weit auf. „Lars hat mir erzählt, dass du dich geärgert hast, weil du keinen Stammplatz in der Mannschaft hast“, warf Tom ein. Lucien schwieg und sagte nichts mehr. Er gab noch nicht einmal zu, dass Trinkgelage in die Wege geleitet zu haben.

 

Nachmittags gingen Fintan und ich an den Weidezäunen spazieren. Ich versuchte ihn zu beruhigen, aber er war immer noch ziemlich aufgebracht. „Ich habe gedacht er wäre ein guter Kumpel, er hat zuvor mit uns Freundschaft gemacht und im Nachhinein hat er uns ziemlich gelinkt. Na toll, er ist zudem noch mein Zimmernachbar und ich kann ihm keine Sekunde aus dem Weg gehen. Alexander mag ihn mittlerweile genau so wenig wie ich“, sagte er enttäuscht, „Richtige Freunde würden uns niemals so im Stich lassen“ „Wurde noch Jemand aus der Nachbarklasse erwischt?“, fragte ich. „Lars, Tiago, Sergio und Pattrick mussten heute Morgen auch beim Schulleiter erscheinen“, erwiderte Fintan, „Das schlimmste ist, dass wir für drei Wochen aus der Fußballmannschaft ausgeschlossen werden, wir dürfen noch nicht einmal trainieren. Dabei findet im Oktober die Junioren Europameisterschaft in Berlin statt. Jetzt habe ich Angst, dass meine Freunde und ich nicht mitfahren dürfen. Alles nur wegen einem Arschloch namens Lucien“ „War Lucien schon im Zimmer, als du rein kamst?“, hakte ich nach. „Er lag in seinem Bett und wie ein blöder geschnarcht“, regte er sich wieder auf, „Nur weil er sich früher verzogen hat, kam er ungeschoren davon“

 

„Reg dich ab, Finn!“, beruhigte ich ihn und schlang meine Arme um ihn. Wir küssten uns einen Moment lang und Fintan holte eine Tüte Weingummi aus seiner Jackentasche. „Ich brauche erstmal Zucker zur Frustbewältigung“, sagte er und ließ ein grünes Gummitier im Mund verschwinden. Er bot mir auch welche von seinen Weingummis an. Kauend schauten wir uns an und schwiegen. „Die Erfahrung mit fiesen Leute macht jeder mal, ich wurde früher von einer gewissen Georgina ziemlich fies rein gelegt“, erzählte ich. „Von solchen Leuten bleibt man nie verschont“, seufzte er, „Weißt du noch, was für fiese Intrigen Pamela und Arabella gesponnen haben? Es gibt auch noch einige Andere, die ich nie richtig leiden konnte, beziehungsweise mit denen ich mir nichts zu sagen hatte. Aber so Leute wie Natascha, Stella, Dave, Matthew, Garry und ein paar Andere waren dabei nicht so fies wie Lucien, Arabella und auch Pamela“

 

Inzwischen war fast die ganze Tüte mit den Weingummis leer. „Pass auf, dass du nicht zu viel isst“, neckte ich ihn, „Sonst platzt du aus allen Nähten und ich muss dich wieder zusammennähen“ „Mach dir keine Sorgen“, sagte er mit vollem Mund, „Ich treibe genügend Sport. Ich werde in den nächsten vor der Junioren EM hammerhart trainieren. Ich habe mich schon mit Lars und Tiago abgesprochen, wir wollen jeden Tag nach der Schule entweder ins Fitnessstudio gehen oder Fußball spielen. Ich merke, dass ich nicht mehr so fit bin, wie vor den Sommerferien. Wenn ich alleine schon zwei Kilo weniger wiege, bin ich auf jeden Fall schneller und wendiger. Ich habe leider in letzter Zeit doch etwas zugenommen und bin noch nicht richtig in Form“ „Vielleicht hat euer Trainer Gnade mit euch, wenn ihr ordentlich trainiert und ihr dürft mit nach Berlin fahren“, meinte ich optimistisch. „Das hoffe ich wohl“, erwiderte Fintan, „Sonst würden meine Freunde und ich das ganze Fitnessprogramm umsonst machen. Wir werden zeigen, dass wir im Fußball mehr draufhaben. Lucien ist quasi unser kleiner Christiano Ronaldo, der bei jeder Kleinigkeit rumheult. Er hat vorgestern Tränen vergossen, als er mit mir zusammengestoßen ist und meinen Ellenbogen ins Gesicht bekommen hat“ „Mach dir keine Sorge, alles wird gut“, sagte ich sanft und streichelte über seinen Kopf.

 

Die Burton Schwestern und Sandrinas Geburtstag

Am Samstagmorgen fuhren Fintan und ich mit unseren Fahrrädern zum nächsten Bahnhof in Greentown, um den Zug nach Ippswitch zu nehmen. Wir wollten dieses Wochenende bei Fintan zuhause verbringen und ich war sehr gespannt, wie seine Familie sein wird. Zuvor habe ich Fintans Eltern und seine kleine Schwester Fianna nur wenige Male von weitem gesehen. „Sieh mal, wer mit uns in den gleichen Zug steigt!“, raunte Fintan zu mir rüber. „Wer denn?“, fragte ich irritiert und meine Augen suchten den Bahnsteig nach Leuten ab, die ich kannte. „Die Burton Schwestern“, zischte Fintan. „Sei still, sie sonst denken sie, wir lästern über sie“, erwiderte ich leise. Tatsächlich die unbeliebten Burton Schwestern stiegen direkt vor uns in den Zug und ließen sich zwei freien Plätzen nieder. Fintan und ich ließen uns schräg gegenüber von ihnen nieder.

 

„Hallo Alison und Isabel-Janet, es ist ein Zufall, dass wir uns ausgerechnet hier treffen“, begrüßte ich meine Klassenkameradinnen. Isabel-Janet hob nur den kurz den Kopf und Alison schnaubte etwas Unfreundliches. „Wo fahrt ihr hin?“, fragte ich sie. „Sagen wir dir nicht!“, fuhr mich Isabel-Janet an und steckte ihre Nase wieder in ein Buch. „Das geht euch gar nichts an“, warf ihre großes Schwester mir an den Kopf, „Hör auf uns auf die Nerven zu gehen“ „Wieso? Ich habe euch nur freundlich angesprochen und euch eine Frage gestellt“, verteidigte ich mich, „Bei uns gehört es sich, dass man miteinander redet und höflich ist“ „Was bei euch höflich ist, interessiert mich einen Scheißdreck. Checkt ihr nicht, dass wir gerade nicht mit euch reden wollen?!“, schnaubte Alison und pustete sich eine rote Haarsträhne aus ihrem sommersprossigen Gesicht. „Emily und ihre Freundinnen sind nur Glucken, wer nicht ihrer Clique ist, den behandeln sie nur wie einen halben Menschen“ „Das stimmt überhaupt nicht!“, erwiderte ich und spürte, dass ich langsam wütend wurde. „Von wegen, ihr grenzt jeden aus, der nicht in euer Konzept passt und nicht so tickt wie ihr“, rief Isabel-Janet erbost, „Merkt ihr nicht, wie unwohl wir uns bei euch fühlen?“ „Auf unserer vorigen Schule hatten wir viele Freundinnen und waren Klassensprecherinnen“, fuhr Alison gehässig fort, „Seitdem wir in Saint-Malory sind, fühlen wir uns wie erbärmliche Außenseiter. Besonders du stachelst den Hass gegen uns an, Emily!“ „Jetzt reicht es langsam!“, mischte sich Fintan ein, „Bloß weil Emily euch freundlich anspricht, müsst ihr sie nicht unfreundlich von der Seite anmachen“

 

Die Burton Schwestern standen auf und gingen in ein anderes Abteil. „Wenn sich die Mädchen so verhalten, werden sie sich nie integrieren. Na toll und ich bin die Klassensprecherin, die dafür verantwortlich ist, dass wir uns einigermaßen in der Klasse vertragen“, sagte ich zu Fintan. „Ganz ehrlich, ich sehe schon, dass sie sich in unserer Klasse sehr unwohl fühlen. Aber auf der anderen Seite müssen sie sich langsam in unsere Klasse einfügen und ihre Unfreundlichkeit ablegen. Wer will sich dauernd mit Jemand unterhalten, der entweder den Mund nicht aufkriegt oder nur unfreundliche Antworten gibt“ „Warte es erstmal ab, ich denke die Schwestern zeigen momentan eine enorme Trotzreaktion, weil sie nicht nach Saint-Malory wollten und dafür ihre alte Schule verlassen mussten. Pass auf, eines Tages werden sie freundlicher sein, wenn sie sich mit unserer Schule abgefunden haben“, versuchte Fintan mich positiv zu stimmen und legte seine Hand auf meine Schulter. „Findest du, dass wir den Burton Schwestern noch eine Chance geben sollten?“, fragte ich nachdenklich. „Ich habe gedacht, du bist die Klassensprecherin!“, stupste mein Freund mich an und wurde wieder ernst, „Ich finde schon, wir sollten ihnen die Chance geben. Sie sind erst wenige Wochen an unserer Schule und es ist unfair, wenn wir sie zu früh stigmatisieren. Wenn wir ihnen zeigen, dass wir sie mögen, werden aus ihnen sicher gute Menschen. Wir müssen das vermeiden, was uns letztes Jahr mit Pamela passiert ist. Wir haben sie ausgegrenzt und schlecht behandelt, leider war ich auch daran schuld. Ich habe damals mitgemacht sie zu mobben und du siehst ja, wie sie reagiert hat“

 

Über die ganze Bahnfahrt hinweg gab es kein anderes Thema als die Burton Schwestern. Zwei Stationen bevor wir aussteigen mussten, sahen wir sie auf dem Bahnsteig stehen und wie sie einen Mann im Anzug umarmten. „Wen umarmen sie?“, fragte ich. „Es könnte ihr Vater oder ihr Unkel sein“, vermutete Fintan. „Aber ist ihr Vater so ein feiner Herr?“, fragte ich erneut. Mein Freund zuckte mit den Schultern, „Ich weiß es nicht. Zwar sehen Alison und ihre Schwester nicht aus wie Töchter von Millionären, aber man kann es nie wissen“

 

Am Bahnsteig hielten wir Ausschau nach Fintans Eltern, aber wir konnten sie nicht sehen. „Mensch, ich habe Mom gestern Abend gesagt, dass wir um halb zwölf am Bahnhof sind“, sagte Fintan unruhig. Wir warteten einen Moment, bis eine kleine ältere Dame auf uns zukam. „Grandma!“, rief Fintan überschwänglich und gab der alten Frau einen Kuss. „Hallo Fintan, wie schön ist es, dich endlich wieder zu sehen“, begrüßte sie ihn, „Hast du deine Freundin mitgebracht?“ „Ja, das ist Emily Dean“, stellte er mich vor, „Wir gehen in die gleiche Klasse. Wo ist eigentlich Mom?“ „Sie konnte dich nicht abholen, weil sie bei Fianna im Krankenhaus ist“, sagte seine Großmutter. „Was ist ihr passiert?“, unterbrach Fintan seine Oma geschockt. „Sie wollte heute Morgen Rocky auf Weide bringen und dabei ist sie leichtsinnigerweise auf seinen Rücken gestiegen, ohne Helm und Alles. Kurz vor dem Gatter hat Rocky kurz gescheut und Fianna fiel runter, dabei fiel sie mit dem Kopf auf einen Stein und war bewusstlos“ „Oh nein!“, stieß Fintan entsetzt aus, „Hat sie sich schwer verletzt?“ „Ich weiß es nicht, antwortete seine Oma, „Der Unfall ist vor einer halben Stunde passiert“ „Wir müssen so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren!“, drängte Fintan. „Hab nur etwas Geduld! Wie wäre es, wenn wir in diesen Souvenirladen da vorne gehen und ihr ein kleines Geschenk mitbringen“, schlug seine Großmutter vor. Wir nickten und folgten ihr. Fintan und seine Oma wurden schnell fündig und suchten für seine kleine Schwester ein Stoffpferdchen aus, während ich ein seidenes Halstuch für Sandrina kaufte. Sie hat am Montag Geburtstag und sie wird sich bestimmt über dieses Tuch freuen. Danach fuhr uns seine Großmutter in ihrem Auto zum Krankenhaus.

 

An der Rezeption des Krankenhauses empfing uns eine junge Frau. „Guten Tag! Wie ist Ihr Name und zu wem wollen Sie?“, fragte sie uns. „ Mein Name ist Jillian O’Kelley und wir wollen meine Enkelin Fianna Bentley besuchen“, antwortete Fintans Oma freundlich. „Ihre Enkelin liegt auf der Kinderstation im Zimmer 212, das ist im Neubau, wenn Sie durch die Glastür gehen und dann mit dem Aufzug in den zweiten Stock fahren“, sagte die Empfangsdame. Wir gingen durch die große Glastür wie uns gesagt wurde und fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Auf dem Flur kam uns Fintans Mutter entgegen. „Ich habe schon gedacht, dass ihr kommt“, sagte sie zu uns. „Hi, Mom. Wie geht es Fianna?“, begrüßte Fintan seine Mutter und fiel ihr um den Hals. „Sie hat eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Kopf, die genäht werden musste. Außerdem hat sie sich den Unterarm gebrochen“, sagte sie. „Gott sei dank, ist ihr nicht Schlimmeres passiert“, seufzte Fintan erleichtert. „Wir haben am Anfang gedacht, dass sie sich an der Wirbelsäule verletzt hat, weil sie ihre Beine nicht bewegen konnte. Deshalb wurde sie vorhin in den Kernspintomographen geschoben, aber zum Glück hat sich nichts Heftigeres getan, das war nur der Schock“, meinte seine Mutter und forderte uns auf, ihr zu folgen.

 

Fianna lag mit zwei weiteren Kindern in einem Zimmer. Ihr Kopf  und ihr linker Arm waren in einen dicken Verband eingewickelt. „Wie geht es unserer verunglückten Prinzessin?“, begrüßte Fintan seine Schwester und gab ihr einen Kuss. „Schon viel besser, aber mein Kopf brummt immer noch ganz schön“, strahlte Fianna über das ganze Gesicht, als sie ihren großen Bruder sah, den sie häufig vermisste, da er nur selten zuhause war. Fintan überreichte ihr das Stoffpferdchen und die Augen seiner Schwester fingen an zu strahlen. „Das haben Grandma und ich extra für dich ausgesucht und ich sehe, es gefällt dir“, sagte er zufrieden. „Wer ist das Mädchen mit den roten Haaren?“, fragte Fianna, „Ist das deine Freundin?“ „Ganz genau“, erwiderte Fintan, „Das ist Emily Dean“ „Hallo Fianna“, begrüßte ich seine kleine Schwester, „Ich hoffe, dir geht es bald wieder besser“ Viel Zeit blieb uns nicht, bereits nach zehn Minuten kam eine Krankenschwester rein und bat uns zu gehen.

 

Später saßen wir zuhause bei Fintan im Garten unter einem alten Kirschbaum, tranken Tee und aßen Kuchen, den seine Oma selber gebacken hatte. „Magst du noch ein Stück Erdbeertorte?“, fragte mich Fintans Großmutter. „Nein danke, ich habe bereits zwei Stückchen gegessen und jetzt bin ich satt. Aber es war trotzdem sehr lecker“, lehnte ich dankend ab, während Fintan sich noch ein Stückchen nahm. Danach zeigten Fintan und seine Mutter mir den ganzen Hof. „Früher wurde in dieser riesigen Scheune Heu und Stroh gelagert“, erzählte seine Mutter, „Aber heutzutage haben wir nur noch sechs Pferde, eine handvoll Schafe und zwei Hunde, deshalb haben wir einen Teil der Scheune in einen Partyraum umgebaut. Dort hat Fintan letztes Jahr seinen siebzehnten Geburtstag gefeiert“ „Ich würde mir gerne die Pferde ansehen“, sagte ich begeistert.

 

„Die Pferde stehen auf der Weide. Magst du uns nachher helfen sie in den Stall zu bringen, Emily?“, fragte seine Mutter mich, „Aber wir müssen eben auf die Weide gehen und nach Megan Ausschau halten. Ich habe heute Morgen gesehen, dass sie lahmt, weil sie eine Wunde am Hinterbein hat. Wir müssen ihr eine Salbe drauf machen, sonst könnte sich die Wunde entzünden“ Zu dritt kletterten wir über den Zaun und Fintan stieß einen schrillen Pfiff aus. Eine grauweiße Schimmelstute kam langsam auf uns zu und blieb einen Moment stehen. „Megan ist eine ganz Liebe, aber vor fremden Leuten hat sie dennoch ein wenig Angst“, sagte Fintan und schnalzte mit der Zunge. Megan machte noch zwei Schritte auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. „Fintan, kannst eben das Pferd festhalten, während ich die Wunde reinige?“, bat seine Mutter und begann die Wunde mit einem Tuch zu reinigen. Sanft streichelte ich Megan über ihren Hals und redete ihr gut zu. Ich merkte, dass es der Stute gut tat. Offensichtlich hatte das Bein zuvor ziemlich geschmerzt. „Jetzt sind wir fertig!“, meinte seine Mutter zufrieden, „Ich habe ihr Bein mit einer entzündungshemmenden Salbe eingerieben und ihr einen Verband gemacht, damit dort keine Insekten ran können“ Nachdem wir das Pferd behandelt hatten, gingen wir wieder von der Weide runter. „Wenn das Wetter nachher immer noch so schön ist, können wir eine Fahrradtour machen oder ausreiten“, schlug Fintan vor.

Während des ganzen Abends regnete es die ganze Zeit, deshalb beschlossen wir einen Videoabend zu machen und dabei Pizza zu essen.

 

Montag war Sandrinas Geburtstag und wir überraschten sie mit einem Geburtstagsständchen vor dem Klassenraum. Nach und nach gratulierten wir ihr, nur die Burton Schwestern starrten sie unfreundlich an. „Ist es nicht unhöflich, jemanden der Geburtstag hat nicht zu gratulieren?“, warf Shane ihnen vor. „Alison hat doch auch niemand zum Geburtstag gratuliert!“, kam eine patzige Antwort von Isabel-Janet. „Oh, wann hatte sie Geburtstag?“, fragte ich sie. „Sie hatte schon vor mehr als zwei Wochen Geburtstag“, sagte Isabel-Janet unfreundlich. „Das haben wir aber nicht gewusst“, mischte sich Oli ein, „Niemand hat uns gesagt, dass Alison Geburtstag hatte, sonst hätten wir auf alle Fälle gratuliert“ Die Burton Schwestern schauten meine vorlaute Freundin wütend an. „Mensch, was habt ihr eigentlich die ganze Zeit gegen Olivia?“, fragte Rosy, „Na gut, sie ist zwar sehr direkt, aber dafür immer ehrlich und ein lieber Mensch“ „Wisst ihr was, wir mögen euer kindisches und albernes Gehabe nicht. Das ist unter unserer Würde“, zischte Alison wütend und drehte sich von uns weg.

 

„Wenn du meinst!“, rief Oli beschwichtigend und fügte hinzu, „Aber beschwert euch nicht, wenn ihr euch es mit eurem Schulkameraden verscherzt habt“ „Ich verstehe überhaupt nicht, warum ihr immer so schlecht gelaunt seid!“, nahm sich Fintan die beiden Mädchen vor, „Ihr seid zwei hübsche Mädchen und ich kann mir vorstellen, dass ihr auch ganz anders sein könnt, wenn ihr wollt“ „Wie sollen wir zufrieden sein, wenn unser Dad uns gegen unseren Willen auf ein Internat steckt, damit er und Mom sich zuhause so heftig streiten können, dass die Wände wackeln. Sie wollen bloß keine Zeugen für ihre verdammten Ehestreitigkeiten haben“, erklärte Alison mit wütender und zitternder Stimme. Ich sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und schnell wandte sie sich von uns ab. „He he, lasst euch doch nicht die Stimmung verderben“, ging Sandrina dazwischen, „Ich bin froh, dass ich heute mit euch zusammen bin und ich mit euch meinen achtzehnten Geburtstag feiern kann. Ich habe einen großen Kuchen für euch mitgebracht. Emmi und Oli, könnt ihr Greta und May bescheid sagen, dass sie nachher zum Picknick kommen sollen“

 

In der ersten großen Pause kam Sandrina aufgeregt auf mich zu. „Sieh nur einmal, was Shane mir geschenkt hat“, rief sie und hielt mir ihren Arm hin. „Hat er dir das Muschelarmband geschenkt?“, fragte ich neugierig. „Bingo! Komm lass uns Oli und die Anderen suchen gehen“, rief Sandrina und hakte sich bei mir unter. Dass Shane Sandrina etwas zum Geburtstag geschenkt hatte, machte in der ganzen Klasse schnell die Runde. „Wer weiß, vielleicht hast du einen Anbeter“, vermutete Oli. „Shane finde ich auf jeden Fall ziemlich nett und er sieht auch nicht schlecht aus“, meinte Sandrina lächelnd und warf ihre langen schwarzen Haare über die Schulter. „Er ist groß, sportlich, hat blaue Augen und kurze dunkelbraune Haare. Welches Mädchen steht nicht auf ihn? Er sieht sogar besser als Fintan aus“, sprudelte es aus Greta heraus. „Sei du mal ganz ruhig, wenn du keine Ahnung hast“, warf ich Greta mit gespielter Empörung an den Kopf und streckte ihr die Zunge raus. „Mir ist es eigentlich egal, wie ein Junge aussieht“, meinte Rosy, „Mir kommt es auf die inneren Werte an“

 

In der dritten und vierten Stunde hatten wir Französisch bei Mme Noire. Leise sangen Oli, Rosy und ein paar Andere „Happy Birthday“. „Wer hat von euch Geburtstag?“, fragte Mme verwirrt und ließ ihren Blick durch die ganze Klasse wandern. Unser Chor verstummte, bis Shane auf Sandrina zeigte. „Ah Sandrina, ich wünsche dir alles gute zum Geburtstag“, sagte unsere Französischlehrerin und gab ihr die Hand. „Wollen wir ihr nicht ein nettes Ständchen singen?“, fragte Emil. Einige Mitschüler fingen leise an zu lachen, mittlerweile wusste jeder, dass Emil Französisch nicht besonders mochte und ein wenig Zeit heraus schinden wollte. „Ich kenne leider kein italienisches Geburtstagslied, aber dafür ein Wunderschönes auf Französisch. Kommt, lasst uns alle für Sandrina singen“, forderte Mme Noire die Klasse auf. Nur wenige konnten dieses Lied mitsingen, da es fast keiner kannte. Neben Mme Noires schiefen Gesang hörte ich nur Lucien und Stefanie, die beide Französisch als Muttersprache hatten.

 

Nach einem anstrengenden Hockeytraining gab es nichts Besseres als mit den besten Freundinnen bei einem Picknick im Schatten einer alten Rotbuche zu sitzen. Heute war ein besonders schöner und goldiger Spätsommertag, obwohl es schon Mitte September war. Wir saßen zu sechst auf einer karierten Picknickdecke und stießen mit Cola, Fanta und Eistee auf Sandrinas Volljährigkeit an. Sandrina zückte ein Messer und schnitt den Kuchen in mehrere Teile. May stimmte ein Geburtstagslied auf Vietnamesisch an, darauf sang Oli Happy Birthday auf Schwedisch und Rosy konnte ein gälisches Geburtstaglied vorsingen. „Es ist schön, wenn wir alle sehr multikulturell sind, aber ich kann kein anderes Geburtstagslied in einer anderen Sprache“, seufzte Greta. „Kannst du uns Happy Birthday auf Italienisch vorsingen?“, fragte Oli. „Es ist komisch, sich selber ein Geburtstagslied zu singen. Aber von mir aus, kann ich es gerne machen, es gibt hier sowieso niemanden, der Italienisch versteht“, lachte Sandrina und begann zu singen. „Super! Ich habe keine Wort verstanden“, rief ich, „Aber die Melodie hat wohl jeder erkannt“ „Können wir endlich aufhören zu singen? Mein Magen knurrt ganz entsetzlich laut“, bettelte Greta. Sandrina gab jedem von uns ein Stück.

 

Während wir aßen, schrie sie plötzlich entsetzt auf, „Igitt! Ich fasse es nicht! Ein Käfer auf meinem Kuchen!“ „Tja, das ist ein Stück Natur pur, Sandrina! Wahrscheinlich mag dich das kleine Kerlchen besonders gerne“, funkte Olis schnelle Zunge dazwischen. „Du kannst ihn gerne haben, Olivia!“, rief Sandrina und schnippte angeekelt mit ihrer Gabel das kleine Tier in Olis Richtung. „Pfui! Jetzt habe ich deinen blöden Käfer in meinem Ausschnitt!“, kreischte Oli entsetzt und Greta fing an zu kichern.Schließlich konnten Sandrina, May und ich uns auch nicht mehr vor Lachen halten. „Ihr seid echt total fies!“, rief Oli beleidigt und warf ein Büschel Gras nach uns. „Bah, deinen Marienkäfer du gerne selber behalten!“, rief ich lachend und wehrte mich, indem ich ebenfalls eine Munition Gras nach meiner besten Freundin warf. Bald waren wir alle in eine wilde Grashalmschlacht verwickelt, lachend jagten wir uns durch den halben Park und klaubten uns die Grashalme aus den Haaren.

 

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Oli hinter Sandrina her rannte und sie eifrig mit einer großen Grasmunition bewarf. Auf einmal stieß Oli mit Alison zusammen und beide fielen hin. Reflexartig im Fallen warf Oli der älteren Burton Schwester eine handvoll Gras ins Gesicht. „Kannst du nicht aufpassen, du Obervolltrottel!“, schrie Alison. Erst nach heftiger Ohrfeige von Alison, merkte Oli, dass sie nicht mit Sandrina zusammengeprallt war, sondern mit einer dieses unsäglichen Schwesterngespannes. „Oh, Entschuldigung, dass tut mir jetzt aber Leid“, nuschelte Oli undeutlich und rappelte sich auf.

 

„Vor euch Babys kann man nirgendwo sicher sein!“, ereiferte sich Alison. „Ach, das tut mir aber leid, ich habe euch nicht gesehen“, sagte Oli gespielt freundlich. „Dafür glaubst du, dass du das Recht hast andere Leute über den Haufen zu rennen. Ich sage die ganze Zeit schon, die Schüler hier haben keine Manieren!“, blaffte Alison ihre neue Feindin an. „So wie du die ganze Zeit mit uns redest, bin ich froh, dass ich ausgerechnet dich umgerannt habe“, zischte Oli, „Pass mal auf, Alison! Mit deinem arroganten Verhalten, machst du dir hier nur Feinde“ „Lass meine Schwester in Frieden, sonst kriegt ihr Ärger mit mir!“, rief Isabel-Janet von weitem. Bevor Oli noch eine giftige Bemerkung rausrutschte, zog ich sie weg und hakte mich bei ihr unter. „Lass dich nicht von diesen Hennen provozieren“, raunte ich und wir gingen zu unseren Freundinnen zurück. „Wer mag jetzt noch Kuchen mit Grasstreifen essen?“, fragte Rosy. „Oli und Sandrina müssen die Reste essen“, mischte sich May ein, „Schließlich haben sie die Grasschlacht angezettelt“ Oli und Sandrina sahen sich seufzend an.

 

Irrungen und Wirrungen der Liebe

Mme Noire schrieb mit ihrer krakeligen Handschrift den Notenspiegel an die Tafel und drehte sich wieder zu uns um. „Das war ein Desaster, anders kann man das nicht betiteln“, sagte sie enttäuscht und sah uns vorwurfsvoll an, „Es gibt nur eine Eins und eine Zwei, der Rest der Klasse ist unter dem Strich“ „Oh, nein! Bitte nicht!“, wisperte Oli und hielt sich die Hand vor den Mund. Lucien und Stefanie, die die besten Arbeiten geschrieben hatten, bekamen ihre Arbeiten als erstes ihre Arbeiten zurück. „Nehmt euch ein Beispiel an ihnen. Ihre Arbeiten waren exzellent und fast fehlerfrei!“, lobte Mme Noire und richtete sich wieder an uns, „Ich sehe, ihr müsst noch viel arbeiten, anstatt euch einen faulen Lenz zu machen“ „Ich habe zwei Tage für diese bescheuerte Arbeit gelernt und nun ist es wieder nichts geworden“, schimpfte Oli leise, „Ich habe meinen Eltern versprochen, dass ich dieses Schuljahr bessere Noten schreiben werde“ Oli und ich hatten beide eine Fünf, genauso wie Fintan und Tom. Sandrina und Rosy konnten wegen ihrer Vier noch ziemlich glücklich sein.

 

„Ihr könnt jetzt schon einmal anfangen, eure Arbeiten in dieser Stunde zu berichtigen“, sagte unsere Französischlehrerin, „Der Rest ist Hausaufgabe“ Ich stöhnte innerlich und stützte meinen Kopf auf meinen Händen. „Soll ich dir helfen?“, bot mir mein Sitznachbar Lucien an. „Gerne, ich steige durch meinen Schreibsalat nicht mehr durch“, erwiderte ich dankbar und schob ihm mein Heft hin. „Aha, ich weiß, was du verkehrt gemacht hast“, sagte er, „Du vergisst an manchen Stellen Accents, konjugierst die Verben falsch und verdrehst die Satzstellung“ Mit Luciens Hilfe schaffte ich es bis zum Ende der Stunde fast fertig zu werden. „Ich biete dir sehr gerne weitere Nachhilfestunden in Französisch an“, sagte Lucien in der großen Pause zu mir, „Wie wäre es mit Dienstagabend nach dem Abendessen?“ „Das geht klar!“, erwiderte ich dankbar, „Danke dafür, dass du mir hilfst! Wie viel Geld soll ich dir pro Nachhilfestunde zahlen?“ „Nein, du brauchst mir kein Geld zu zahlen. Das mache ich so gerne für dich“, lehnte er ab. 

 

Am nächsten Dienstag gingen Lucien und ich nach dem Abendessen in mein Zimmer und setzten uns an meinen Schreibtisch. Wir waren alleine, da Oli und Rosy mit Greta ausreiten wollten. „Dann lass uns beginnen“, meinte Lucien und nahm einen Stift in die Hand, „Ich werde dir zuerst die grammatikalischen Regeln erklären, weil sie für das freie Schreiben sehr wichtig sind“ Er nahm sich ein leeres Blatt Papier und fing an zu schreiben. „Ich mache dir ein Exzerpt, an dem du entlang lernen kannst“, sagte er, „Schaust du dir es oft genug an, wirst du diese Regeln bald im Schlaf beherrschen“ „Ist Französisch deine Muttersprache?“, fragte ich ihn zwischendurch. „In Genf und in der Südschweiz wird hauptsächlich Französisch gesprochen, aber fast alle Schweizer wachsen zweisprachig auf. Ich kann nebenbei auf fließend Deutsch sprechen. Ich spreche mit Alex ziemlich oft Deutsch und Fintan fragt sich immer, über was wir gerade sprechen“, erzählte Lucien. Nach anderthalb Stunden Vokabelpaukerei und Grammatikbüffelei qualmte mir der Schädel. „Was hältst du davon, wenn einen Spaziergang zu Fluss machen?“, schlug er vor, „Wir haben noch eine ganze Stunde Zeit, bevor wir wieder auf unseren Zimmern sein müssen“ „Das ist keine schlechte Idee!“, stimmte ich ihm zu und zog meine Straßenschuhe an. Wir gingen die Treppe hinunter.

 

Obwohl es draußen langsam dunkel wurde, spielten viele von unseren Mitschülern entweder Tischtennis oder Fußball. „Komm lass uns hier lang gehen, das ist der schnellste Weg zum Fluss“, sagte Lucien leise und ich spürte, wie er sanft meinen Arm berührte. „Dafür dass Irland das Land des Regens und des Nebels ist, ist es erstaunlicherweise das Wetter richtig gut“, bemerkte Lucien. „Nein, im Sommerhalbjahr regnet es längst nicht jeden Tag. Es gibt Tage im Sommer, an denen es richtig warm und sonnig wird“, widersprach ich ihm, „Aber von Oktober bis April kann der Himmel tagelang grau sein“ Wir verließen das Schulgelände und gingen einen kleinen Pfad entlang, der in den Wald führte. Lucien stieg über mehrere Äste und kletterte über einen umgefallenen Baum. „Wo willst du hin?“, fragte ich unsicher und blieb stehen. „Komm mit, ich zeige dir meinen Lieblingsort“, forderte er mich auf. Langsam kämpfte ich mich durch das Geäst und verfing mich in einer Brombeerranke. „Warte, Lucien!“, rief ich. „Hast du ein Problem?“, rief er zurück. „Ja, ich habe mich verfangen“, antwortete ich ihm. „Jetzt habe ich blutige Finger, aber für dich piekse ich mir gerne in die Finger“, sagte er, nachdem er mich befreit hatte.

 

„Hier ist es!“, sagte Lucien und zeigte auf den kleinen tosenden Bach. „Ich war hier noch nie“, murmelte ich. „Den Fluss habe ich ganz zufällig entdeckt, als ich vor zwei Wochen einen Ausritt gemacht habe. Seitdem ist es mein Lieblingsort, weil ich hier meine Ruhe vor dem Internatrubel habe“, meinte er und kletterte die Böschung hinunter. Ich folgte ihm und merkte wie ich den Halt unter meinen Füßen verlor. „Verdammt, ich hätte mir andere Schuhe anziehen müssen!“, schimpfte ich. Im Fallen spürte ich, wie Lucien mich auffing und seine Arme mich umschlossen. „Danke!“, seufzte ich erleichtert und schaute in seine grünbraunen Augen, die in der Abendsonne glänzten. Plötzlich überkam mich ein Gefühl der Geborgenheit, aber zugleich spürte ich ein Kribbeln im Bauch. Was war mit mir los? Hatte ich mich etwa schon in meinen neuen Mitschüler verliebt oder wieso fühlte ich mich von null auf hundert zu ihm hingezogen? Ich musste schon zugeben, dass Lucien sehr charmant war und wusste wie er Mädchen den Kopf verdrehen konnte. Lucien ließ mich los und wir gingen ein paar Meter am Fluss entlang.

 

„Hier bin ich abends viel lieber, als mit meinen Schulkameraden Billard oder Fußball zu spielen. Ich bin ein Mensch, der die Natur liebt und manchmal seine Ruhe braucht. Im Internat ist man fast nie alleine, deshalb gehe ich hier jeden Tag hin“, erzählte er mir, „Aber trotzdem vermisse ich die Berge. In der Schweiz gibt es fast überall hohe Berge, Täler und Almwiesen. Ich bin mit ihnen aufgewachsen und habe früher meinen Großeltern geholfen, die Ziegen auf die Alm zu treiben“ „Vermisst du manchmal deine Heimat oder hast Heimweh?“, fragte ich ihn. „Manchmal vermisse ich meine Heimat schon, aber richtig Heimweh hatte ich bislang noch nicht“, erwiderte er, „Mir gefällt es hier schon ziemlich gut, da die Leute ganz in Ordnung sind und ich mich hier richtig dem Sport widmen kann“ „Ich hatte letztes Jahr anfangs ziemlich großes Heimweh, weil ich London und meinen Dad richtig vermisst habe“, erzählte ich, „Anfangs habe ich jeden Abend mit Dad telefoniert, aber ich habe mich schnell eingelebt und schnell neue Freunde gefunden“ „Ein paar Freunde habe ich auch gefunden, aber ich spüre dass, Fintan und Alex nicht gut auf mich zu sprechen sind“, meinte Lucien, „Sie zeigen es nicht offen, aber ich spüre es. Sie glauben, dass ich daran schuld sei, dass sie aus der Fußballmannschaft geflogen sind. Ich bin zwar für diese Party verantwortlich, aber ich habe niemanden verpfiffen. Irgendwann bin ich ins Bett gegangen, weil ich so müde war, dass ich fast eingeschlafen bin“

 

Am Donnerstagnachmittag hatten wir ein Fußballspiel gegen unsere Parallelklasse, welches die Jungs organisiert hatten. Obwohl ich normalerweise nur selten Fußball spielte, wollte ich heute unbedingt spielen und ließ mich mit Oli, Rosy und Sandrina zusammen aufstellen. „Wollen die Burton-Schwestern etwa freiwillig mitspielen? Da wäre mir ganz neu“, flüsterte mir Oli ins Ohr. „Sieht so aus“, erwiderte ich, „Aber ich glaube, dass Alison ziemlich gut in Sport ist und ziemlich schnell laufen kann“ „Hey Mädels, spielt ihr auch mit?“, fragte Greta und lief auf uns zu. „Ja klar, natürlich werden wir mitspielen“, sagte Oli selbstbewusst, „Ihr könnt euch schon einmal auf ein Dutzend Gegentore gefasst machen“ „Ha, das wissen wir zu verhindern!“, fiel ihr May ins Wort. „Bei uns wollen nur May, Francis, Elaine und ich von den Mädchen freiwillig mitspielen. Arabella und ihr Schönheitskomitee sitzen dahinten auf der Tribüne, sie weigern sich sogar einen Ball anzurühren, da sie an einer ganz schlimmen Fußballallergie leiden. Stehen sie auf einen Fußballplatz und sehen einen Ball, bekommen sie tausende Pickel am ganzen Körper und das tut keiner Schönheitskönigin gut“, spottete Greta und lief zurück, da sich die Teams aufstellten. Rosy und ich setzten uns an den Spielfeldrand, da wir Reservespielerinnen waren. Pro Mannschaft durften immer nur drei Mädchen spielen. Bei uns spielten Oli, Sandrina und Alison von Anfang und im gegnerischen standen Elaine, Francis und Greta auf dem Platz. „Ich sage dir fünf Minuten vorher bescheid, wenn du eingewechselt wirst und dann läufst du dich ganz locker warm“, sagte Fintan zu mir und trabte auf das Spielfeld zurück. Alan, ein Schüler aus der vierten Klasse, pfiff das Spiel an.

 

Lauthals feuerten wir unsere Spieler an. „Mensch! Gut, dass wir Fintan haben!“, bemerkte Rosy, „Er konnte gerade noch den Ball wegschießen, bevor unser Gegner das Tor hätten machen können“ „Lucien und Shane sind auch nicht schlecht“, fand ich, „Sieh mal, gerade hat Sandrina den Ball“ „Sandrina, Sandrina, Sandrina!“, jubelten wir ihr zu. Ich sah wie unsere Freundin Mike und Kevin wie zwei Fahnenstangen stehen ließ und aufs Tor schoss, aber der Ball prallte gegen den Pfosten. „Schade!“, rief Fintan, „Das wäre ein schönes Tor gewesen“ Der Ball kam zu Shane. „Mach ihn rein, Shane!“, rief Fintan. Shane fackelte nicht lange und zog an der Strafraumgrenze ab. 1:0 für uns! Der Schuss war unhaltbar für den Torwart, obwohl Dave den Ball noch mit den Fingerspitzen berührte. Einige Sekunden später hatte Lars die Chance zum Ausgleich, aber Lucien konnte den Ball gerade noch rechtzeitig weggrätschen. Wenig später ertönte der Pfiff zur Halbzeitpause. „Emily, du gehst gleich für Olivia ins Spiel“, sagte Fintan, „Lauf dich am besten zwei Runden warm“ „Muss ich das!“, stöhnte ich. „Das ist wichtig, damit du dich im Spiel nicht verletzt. Du weißt doch, dass Zerrungen und Wadenkrämpfe ziemlich unangenehm sind“, beharrte mein Freund darauf. „Oha, dass Fußballspielen so anstrengend ist, hätte ich nicht gedacht“, kam Oli keuchend auf mich zu. „Aber dafür hast du gut gespielt“, fand Rosy, „Ich fand es toll, wie du es geschafft hast, den Jungs ein paar Male den Ball abzunehmen“ „Ich habe früher mit meinen Brüder und meinen Cousins Fußball auf dem Hof gespielt“, erzählte Oli, „Aber das ist nicht mit einem richtigen Spiel vergleichbar“

 

Das Spiel ging weiter und nun stand ich auch auf dem Platz. „Emily, lauf dich frei“, rief Lucien und passte mir den Ball zu. Aus Reflex versuchte ich den Ball aus der Distanz auf das Tor zu schießen, aber ich traf ihn nicht richtig und er rollte auf den nächsten Abwehrspieler zu. „Das nächste Mal, schießt du ihn erst aufs Tor, wenn du nah genug dran bist“, rief Fintan und nahm Tiago den Ball ab. Er flankte in die Mitte und Lucien köpfte den Ball ins Tor. Nun stand es 2:0. „Bravo!“, jubelten meine Mitspieler. „Tolle Flanke, Finn!“, lobte Lucien und klopfte seinem Kameraden auf die Schulter. „Klasse Kopfballtor, Lucien!“, erwiderte Fintan anerkennend. Wenige Sekunden nach dem Anstoß bekamen wir ein Kontertor von Lars rein. Nun führten wir nur noch mit 2:1, aber davon ließen wir uns wenig beeindrucken. Shane nahm Patrick den Ball ab, stürmte nach vorne und spielte einen Steilpass auf Rosy. „Rosy, spiel auf Emily, sie steht frei!“, rief Lucien. Rosy spielte mir den Ball zu, obwohl sie nur ein paar Meter von mir entfernt war, offensichtlich war sie in diesem Moment so perplex, dass sie nicht wusste, was sie mit dem Ball anfangen sollte. Nun hatte ich freie Bahn und zog wenige Meter vor dem Torwart ab. Im ersten Moment schien der Torwart den Ball zu halten, aber dann faustete er den Ball zum 3:1 in sein eigenes Tor. „Bravo, Emily!“, riefen meine Freunde und klopften mir auf die Schulter. „Aber das war doch gar nicht mein Tor“, sagte ich irritiert. „Aber es ist trotzdem eine starke Leistung, den Torwart zu einem Eigentor zu zwingen“, meinte Fintan und legte seine Hand auf meine Schulter. Kurz vor Schluss gab es einen Foulelfmeter für unsere Parallelklasse, den Patrick sicher verwandelte, aber trotzdem gewannen wir knapp mit einem Tor Vorsprung. „Das war eine knappe Kiste!“, sagte Lars zu Oli, „Bei der Revanche werden wir so viel Wut im Bauch haben, dass ihr keine Chance haben werdet“ „Das werden wir ja sehen“, erwiderte Fintan hämisch, „Trotzdem muss eure Klasse uns einen ausgeben“ „Wohl heute Abend nicht mehr oder?“, fragte Lars seinen besten Kumpel. „Es reicht auch morgen oder übermorgen“, sagte Oli.

 

Unsere Reise nach Berlin

„Was hat Mr. Scott gesagt, dürft ihr kurz vor den Herbstferien mit nach Berlin fliegen oder nicht?“, fragte Greta, die mit May vor dem Zimmer des Schulleiters auf uns gewartet hatte. „Wir dürfen nach Berlin, weil meine Eltern zu diesem Zeitpunkt auch dort sein werden. Wir werden im gleichen Hotel unterkommen wie sie“, strahlte Oli über ihr ganzes Gesicht. „Das ist spitze!“, meinte Greta, „Schade, dass meine Eltern es mir partout nicht erlauben wollen. Ich war noch nie in Deutschland, aber ich würde dort mal gerne hin“ „Ich war auch noch nie in Deutschland“, sagte ich, „Deshalb bin ich gespannt, wie ist dort ist“ „Bestimmt laufen sie da in ihren komischen Trachten rum, trinken viel Weißbier und essen Sauerkraut mit Weißwurst“, vermutete May.

 

„Haha, damit liegst du etwas verkehrt“, erwiderte Oli lachend, „Ich war einmal in Hamburg, aber dort tragen die Leute normale Kleidung wie hier und sie essen viel lieber Fisch als Sauerkraut und Weißwurst“ Ich sah Fintan auf uns zukommen. „Wie ist das Gespräch gelaufen, Emmi und Oli?“, fragte er. „Sehr positiv! Wir dürfen euch hinterher reisen, sobald wir alle Klassenarbeiten geschrieben haben“, antwortete ich mit einem Lächeln. „Das ist doch toll!“, meinte er, „Wir fliegen schon übermorgen nach Berlin, aber wir brauchen eure mentale Unterstützung, denn es werden bei diesem Turnier Topmannschaften aus ganz Europa erwartet. Das wird bestimmt nicht einfach für uns“ „Sandrina wäre wegen Shane auch gerne mitgekommen, aber sie hat leider nicht genug Geld“, erzählte Oli. „Das ist schade! Ich weiß, wie wichtig sie für ihn ist“, sagte Fintan und verschwand wieder.

 

Freitagnachmittag im Eiscafe bekam ich gleich zwei SMS, eine von Lars und eine von Fintan. „Hey Süße, wir haben das erste Vorrundenspiel gegen ein Team aus Griechenland mit 3:0 gewonnen und als nächstes erwartet uns ein Team aus Frankreich. Ich freue mich schon, wenn ihr uns demnächst life anfeuern könnt! I

I love you and miss you, my sweetheart! “, schrieb mein Freund. „Herzlichen Glückwunsch zum ersten Sieg! Ich hoffe, ihr spielt das nächste Spiel genauso gut wie das erste. Ich kann gar nicht abwarten, bis es losgeht. Gestern hat mein Vater die Flugtickets für uns gebucht. Ich vermisse dich und deine Kumpels schon! Liebe Grüße von mir und meinen Freundinnen!“, antwortete ich ihm. „Ich kann gar nicht erwarten, bis es Montag losgeht!“, sagte ich zu Oli. „Ich auch!“, meinte meine beste Freundin. „Und ich werde euch jämmerlich vermissen!“, meinte Sandrina und setzte eine traurige Miene auf, „Ohne euch wird die Klasse noch leerer sein und dann habe ich nur noch die Burtonschwestern als Gesellschaft“ „Hey, jetzt sieh doch nicht so schwarz! Du hast immer noch Greta, May und mich“, munterte Rosy Sandrina auf. „Wir werden euch auf jeden Fall eine Karte aus Berlin schreiben“, munterte ich meine Freundinnen auf. „Das will ich wohl hoffen“, sagte Greta und sah mir fest in meine Augen. „Seht mal, ich habe eine SMS von Shane!“, jubelte Sandrina und hielt uns ihr Handy hin. Shane hatte ihr ein Bild gesimst, auf dem Fintan, Lars, Tiago, Alexander und er vor dem Brandenburger Tor standen.

 

„Da werden wir ab Montag auch sein!“, freute sich Oli und gab mir einen Highfive. „Ihr Glücklichen!“, seufzte Greta und ließ ihren Kopf hängen. „Wir können doch bald bestimmt zusammen nach Berlin fahren, wenn wir erwachsen sind“, versuchte ich meine Freundin zu trösten. „Genau, dann machen wir ein Shoppingweekend und zwar nur wir Mädels!“, jubelte May. „Hm, ich muss bestimmt einige Jahre sparen, bis ich das Geld zusammen habe. Ihr wisst, dass wir nicht gerade mega viel Geld haben. Um mir die Reise leisten zu können, muss ich erstmal arbeiten gehen“, überlegte Rosy und warf uns einen skeptischen Blick zu. „Sieh nicht gleich so schwarz, Rosy! Ich würde dir auf alle Fälle Geld für unsere Berlinfahrt vorschießen“, freundschaftlich klopfte Oli Rosy auf die Schulter. „Ihr seid die besten Freundinnen, die man auf dieser Welt haben kann“, Rosy strahlte vor Freude. „Und ich bin froh, so eine gute Freundin wie dich zu haben“, sagte ich zu ihr. Noch vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, dass wir so gute Freundinnen werden können wie jetzt. Damals war Rosy eine richtige Außenseiterin, die keine Freunde hatte und mit der niemand sprach.

 

Am Montagmorgen verließen Oli und ich schon um kurz nach fünf Minuten das Internatsgebäude, ein Taxi fuhr uns zum nächstgelegenen Bahnhof und dort stiegen wir eine Regionalbahn. Mit Kaffee, Kreuzworträtseln und Olis Witzen hielten wir uns wach, obwohl uns abwechselnd für kurze Zeit die Augen zufielen. „Uhhh, ich bin leider kein Frühaufsteher“, gähnte ich und ließ meinen Kopf auf meine Hände sinken. „Hey Schlafmütze, gleich verpasst du den nächsten Umsteigebahnhof!“, rüttelte Oli mich wach. „Warum muss Reisen immer so anstrengend sein?“, murrte ich. „Emmi, du hast keine Zeit zu träumen. In drei Minuten müssen wir in drei Minuten umsteigen!“, drängte meine Freundin. Ich murmelte etwas Unverständliches, streckte mich und setzte mich aufrecht hin. Der Zug bremste stark ab, wir schnappten uns unser Gepäck und eilten zum Ausgang. „Jetzt ist Zeit für ein ordentliches Frühstück!“, meinte Oli, „Unser Anschlusszug nach Dublin kommt erst in einer Stunde“ „Ich glaube, ich bin noch zu müde, um etwas zu essen“, erwiderte ich. „Das ist jetzt die beste Gelegenheit zu frühstücken, nachher haben wir dazu keine Zeit mehr“, lag sie mir in den Ohren. „Na gut, dann lass uns in das Bahnhofsbistro dahinten gehen“, gab ich nach.

 

„Guten Morgen, Mädels!“, begrüßte uns ein junger Mann, der hinter dem Tresen stand. „Wohin geht es in dieser Herrgottsfrühe?“, fragte er und wies uns zu unserem Tisch. „Wir sind auf den Weg nach Dublin“, sagte ich knapp. „Und danach fliegen wir nach Berlin“, ergänzte Oli. „Oh, nach Berlin!“, die Augen des Mannes wurden vor Neugier ganz groß. „Meine Eltern sind dort gerade und wir wollen ihnen hinterher reisen“, erzählte Oli. „Ihr seid Schwester oder?“, vermutete der Typ. „Nein, das ist meine beste Freundin!“, Oli legte ihren Arm um mich. „Es ist schon witzig, dass der Kerl uns für Schwestern gehalten hat“, grinste ich. „Aber du fühlst dich für mich an wie eine Schwester“, meinte sie. „Du auch!“, erwiderte ich, „Ich hätte auch gerne Geschwister gehabt, aber nach Moms Tod habe ich diese Hoffnung begraben. Zwar hat Dad seit wenigen Wochen wieder eine neue Freundin, aber ich glaube, das ist nichts Ernsthaftes. Er hat viel zu wenig Zeit für eine Beziehung, da er viel zu sehr mit seinem Job zu kämpfen hat“ „Leider habe ich nur Brüder!“, seufzte Oli, „Dabei habe ich mir sehnlichst eine jüngere Schwester gewünscht“ „Nun hast du mich, deine selbsternannte Schwester“, grinste ich und nahm einen Schluck von meinem Orangensaft. Wir ließen uns das Frühstück schmecken, aber dennoch behielt Oli ständig die Uhr im Auge. „Würden wir diesen Zug verpassen, wäre das mehr als ärgerlich. Der Nächste käme erst drei Stunden später und dann hätten wir keine Chance unseren Flug zu bekommen“, sagte sie und warf wieder einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Keine Panik, wir werden den Zug nie und nimmer verpassen, er kommt erst in knapp einer halben Stunde“, beruhigte ich sie. Es war ungewohnt, dass sie so nervös war. Normalerweise war sie immer sehr locker und konnte in jeder Situation lachen. „Warum bist du so nervös? Wegen Lars?“, fragte ich sie. „Hm, ich weiß nicht“, zuckte sie mit den Schultern. Als wir gingen, wünschte uns der junge Mann, der uns bediente, eine gute Reise und winkte uns hinterher.

 

Am Dubliner Flughafen war schon ziemlich viel los, obwohl es erst zehn Uhr morgens war. Ich war die meiste Zeit damit beschäftigt, Oli nicht aus den Augen zu verlieren, die sich ohne Skrupel zwischen Menschenmassen hindurch zwängte. „Komm, Emmi!“, energisch packte sie meinen Arm und zog mich hinter ihr her. Mir fiel auf, wie viele verschiedene Sprachen gesprochen wurden: Englisch, Russisch, Spanisch, Türkisch, Dänisch, Italienisch, Schwedisch und auch Deutsch! Vor mir stolperte ein kleiner Junge und ließ sein Köfferchen fallen, sodass ich beinahe gestolpert und hingefallen wäre, wenn Oli mich nicht die ganze Zeit am Arm festgehalten hätte. Nachdem wir am Schalter unsere Koffer abgegeben hatten und durch die Sicherheitskontrolle gegangen waren, hatten wir Zeit um uns hinzusetzen. Während wir auf die Start- und Landebahn schauten, erklärte mir Oli ihre Nervosität. „Ich habe gestern eine SMS von Lars bekommen, in der er mir geschrieben hat, dass sie Alexanders Schwester kennen gelernt haben. Sie soll angeblich sehr gut aussehen und etwas über Zwanzig sein, zumindest studiert sie Medizin in Berlin“, erzählte sie mir. „Glaubst du, dass Lars sich in sie verguckt hat?“, fragte ich sie und sah ihr ungläubig in die Augen. „Ich befürchte beinahe ja“, nickte meine Freundin, „Er hat so von ihr geschwärmt, dass sie fließend Englisch spricht und er perfekt mit ihr klar kommt“ „Oli, er ist immer noch dein Freund“, redete ich ihr ein, „Ihr seid seit fast einem Jahr ein perfektes Paar. Ihr habt euch zwar manchmal ziemlich gefetzt, aber wenigstens habt ihr euch danach wieder verstanden“

 

Im nächsten Moment klingelte mein Handy. „Hey, wo seid ihr gerade?“, fragte Greta am anderen Ende der Leitung. „Wir sind immer noch in Dublin am Flughafen“, antwortete ich. „Wann fliegt ihr?“, wollte sie wissen. „In einer dreiviertel Stunde. Oli und ich sind gerade im Duty Free Bereich“, sagte ich. „Habt viel Spaß in Berlin, grüßt die Jungs von uns und vergesst nicht, uns eine Karte zu schreiben. Leider muss ich aufhören, gleich klingelt es zum Pausenschluss. Euch noch einen guten Flug!“, wünschte mir meine Freundin. „Danke, ich wünsche euch eine schöne Woche, auch wenn wir nicht da sind. Ciao!“, ich legte wieder auf und sah Oli telefonieren. „Ich spreche gerade mit Rosy“, wandte sie sich kurz an mich, „Sandrina und sie wollen wissen, ob wir schon abgeflogen sind“ „Wow, du hast ganz schön lange telefoniert“, bemerkte ich, als Oli endlich auflegte. „Ja, sie hat tausendmal beteuert, wie schade sie es fände, dass sie nicht dabei sein könnte“, erwiderte sie, „Rosy und Sandrina vermissen uns bereits jetzt schon“ „Genauso wie Greta und May“, fügte ich hinzu. „Naja, wenigstens haben uns die Jungs wieder“, meinte meine beste Freundin und grinste verschmitzt. „Und nach den Herbstferien haben wir uns alle wieder“, ergänzte ich. Wenig später machten wir uns auf den Weg zur Abflughalle, nachdem unser Flug zum dritten Mal aufgerufen wurde.

 

Beim Start wurde mir ein wenig schwindelig und ich bekam einen höllischen Druck auf die Ohren. „Magst du ein Kaugummi, dieses ist mit Kirschgeschmack“, Oli hielt mir eine Packung Five-Gums unter die Nase. Dankend nahm ich mir eins raus und wickelte es aus. „Danke, jetzt ist es schon hundertfach besser“, sagte ich kauend. „Nun haben wir unsere endgültige Reisehöhe von 11000 Metern erreicht, nun können Sie sich abschnallen. Wenn das Anschnallzeichen wieder erscheint, kehren Sie zu ihren Plätzen zurück und schnallen Sie sich wieder an. Bei der übrigen Reise bedient unser Team Sie gerne mit Snacks und Getränken“, ertönte eine Borddurchsage. „Guck mal, was für eine schöne Aussicht!“, stupste ich Oli an. „Stimmt, jetzt sind über dem Meer und gleich kommt das englische Festland“, bemerkte sie. An manchen Stellen klaffte ein Loch in der Wolkendecke, sodass wir das Meer und einige kleine Inseln sehen konnten. Mir wurde wieder unbehaglich, als die Turbulenzen heftiger wurden und das Flugzeug in Schräglage geriet. „Hoffentlich sind wir gleich wieder auf dem Boden“, wisperte ich matt. „Hilfe, bist du bleich!“, entfuhr es Oli und legte ihren Arm auf meinen. „Wir sind in fast einer Stunde da“, tröstete sie mich.

 

Kurz vor dem Landeanflug ging es mir wieder besser, aber je tiefer wir flogen, desto mehr stieg der Druck auf meinen Ohren. Bald kam die Ansage, dass wir den Flughafen in zehn Minuten erreichen werden und sich alle Passagiere anschnallen müssten. Ich freute mich mit jeder Minute mehr, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Mit steigender Vorfreude schauten wir aus dem Fenster, Berlin lag mittlerweile unter uns und wir konnten die Gebäude und Straßen immer besser erkennen. Wenig später spürte ich, wie die Maschine aufsetzte und die Landebahn entlang rollte. „Yeah, wir sind da!“, jubelte Oli leise und schlug bei mir ein. Erst als wir standen, erlosch das Anschnallzeichen und wir durften das Flugzug verlassen. „Das erste Mal, dass ich deutschen Boden betrete“, sagte ich, während wir durch das Gate liefen. 

 

 

 

Olis Eifersucht

Olis Eltern warteten bereits vor dem Flughafen auf uns. Sie umarmten ihre Tochter, als wir auf sie zuliefen. „Hallo Emily, heute darf ich dich richtig kennen lernen. Ich kenne dich nur aus Olis Erzählungen und einigen Bildern, die sie mir gezeigt hat“, lachte Olis Mutter und ihre freundlichen blauen Augen funkelten in der Sonne. „Guten Tag, Mrs. Lindquist! Ich sehe Sie auch zum ersten Mal!“, erwiderte ich freundlich. „Guten Tag, Emily! Schön, dich zu sehen! Ich habe gehört, du bist Olivias beste Freundin?“, Mr. Lindquist schüttelte mir höflich die Hand. „Ja, das bin ich“, nickte ich. „Mom, wie geht es jetzt weiter?“, Oli schaute ihre Eltern ungeduldig an. „Wir steigen in die S-Bahn und fahren zum Hauptbahnhof“, meinte Mr. Lindquist, „Dort wollen wir uns mit Lars treffen, er kann es nicht erwarten dich zu sehen“ „Wenn Lars kommt, ist bestimmt auch Fintan dabei“, mutmaßte ich. „Garantiert!“, nickte Oli und drängelte sich an einer japanischen Reisegruppe vorbei. Voller Vorfreude stiegen wir in eine volle S-Bahn, die zum Hauptbahnhof fuhr. Ich schaute ununterbrochen nach draußen. Zwar hatte ich Berlin schon tausend Mal im Fernsehen gesehen, aber trotzdem waren die Impressionen ganz neu für mich. An der Tür standen zwei Jugendliche, die zu einem Hiphop Song rapten und Baseballkappys trugen. Hinter uns saß eine arabische Familie mit ihren fünf kleinen Kindern. „So viel Multikulturalität hätte ich hier nicht erwartet“, sagte ich staunend. „Du bist ja auch in Berlin und nicht in so einer kleinen Milchkanne auf dem platten Land“, meinte Oli und schaute in die Richtung zweier schwarzer Männer.

 

Am Hauptbahnhof drängelten wir uns der Bahn, wir fühlten uns schon beinahe verloren in so einem großen Pulk von Menschen. „Hey, hier sind wir!“, ein großer Junge mit kurzen dunklen Haaren lief winkend auf uns zu. Es war Alex. „Hi Alex!“, rief Oli, „Bist du alleine hier?“ „Nein, die anderen warten beim Imbiss auf uns“, sagte er keuchend, „Ich bin den ganzen Bahnsteig auf und ab gerannt, um euch zu finden“ „Nicht so schnell, meine Eltern kommen sonst nicht hinterher“, rief Oli und zog Alex am Ärmel seiner Jacke. Von einer Currywurstbude aus winkten uns Lars, Fintan, Shane und eine fremde junge Frau uns zu. Oli stieß einen Jubelschrei aus und rannte auf Lars zu. „Hi Darling, ich habe dich schon schmerzlich vermisst“, Fintan schloss mich in seine Arme und gab mir einen Begrüßungskuss. „Wer ist die junge Frau mit den braunen Haaren?“, fragte ich. „Das ist Sabrina, die ältere Schwester von Alex. Sie studiert hier Medizin“, antwortete mein Freund. „Hallo, ich habe gehört, du bist Fintans Freundin“, Sabrina drehte sich zu mir um und begrüßte mich herzlich. Für eine Deutsche sprach sie sehr akzentfrei, bei Alexander merkten wir es manchmal, dass Englisch nicht seine Muttersprache war. Als Sabrina Oli begrüßte, wusste Oli nicht, ob sie lächeln oder die junge Frau grimmig anstarren sollte.

 

„Lass uns am besten schnell auf dem Weg zur U-Bahn machen“, schlug Mr. Lindquist vor, von dem noch niemand richtig Notiz genommen hatte. „Hallo, Mr. Lindquist! Sorry, ich hätte Sie fast übersehen!“, sagte Lars und gab Olis Vater zur Begrüßung die Hand. „Hallo Lars!“, nun trat Olis Mutter vor und schüttelte dem jungen Dänen die Hand. „Guten Tag, Mrs. Lindquist“, erwiderte er. „Welche U-Bahn müssen wir überhaupt nehmen, um zum Hotel zu kommen?“, fragte ich. „Am besten wir nehmen die U5“, meinte Fintan, „Ich weiß genau, wo euer Hotel ist. Es ist nur zwei Straßen von unserer Jugendherberge entfernt“ „Wenn ihr jetzt fahren wollt, müsst euch beeilen!“, drängte Shane, „Die Nächste fährt in drei Minuten“ „Nun mal nicht so hektisch! Emily und Olivia sind mit ihren schweren Koffern nicht so schnell wie ihr“, rief Olis Vater, „Die Bahnen fahren bestimmt im Fünfminutentakt“ Im gemütlichen Tempo schleppten wir unsere Taschen und Koffer die Treppen hoch. „Falsche Richtung!“, rief Lars und winkte Oli, ihre Eltern und mich zu sich rüber. „Uff, der Bahnhof ist ziemlich unübersichtlich und groß!“, stöhnte ich. Wir fuhren eine Rolltreppe hinunter und kamen auf ein Bahngleis, von dem gelbe Bahnen ein und aus fuhren.

 

In der U-Bahn besetzten wir zwei Vierersitze. Lars saß Sabrina gegenüber, sie unterhielten sich während der ganzen Fahrt angeregt und schienen sich prächtig zu verstehen. Oli hatte ihr Kinn auf ihre Hand gestützt, ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass eine Eifersucht bei ihr im Anflug war. „Wollt ihr nicht um halb acht zur Jugendherberge kommen?“, fragte mich Fintan, als ich mit meinen Gedanken fast weggedriftet war. „Na klar“, erwiderte ich sofort und fügte hinzu, „Was habt ihr genau vor?“ „Alex Schwester schmeißt heute Abend in ihrer Wohnung eine Party und ihr seid herzlich eingeladen“, erzählte Lars mit einem breiten Lächeln im Gesicht. „Wir kommen gerne“, willigte ich sofort ein. Oli sagte erst einmal nichts, immer noch schaute sie schlecht gelaunt drein. „Oli, kommst du nun heute Abend mit oder nicht?“, fragte ich als wir ausgestiegen waren. „Na gut, ich werde mitkommen“, nickte sie leicht zerknirscht. „Ich bringe euch noch zum Hotel, aber dann muss ich schnell zurück. Bald gibt es Mittagessen und heute Nachmittag haben wir noch eine Trainingseinheit“, sagte Fintan zu uns. „Wie weit ist es ungefähr bis zum Hotel?“, fragte Mrs. Lindquist, die einen besonders großen und schweren Koffer dabei hatte. „Nur fünf bis sieben Minuten“, erwiderte Fintan, „Jetzt müssen wir hier die Straße überqueren und hinter der Bushaltestelle müssen rechts in die Straße einbiegen“ „Danke, dass du uns den Weg zeigst“, bedankte sich Olis Vater. „Ach, kein Ding!“, sagte mein Freund nur und verabschiedete sich von uns, nachdem das Hotel in Sicht kam.

 

„Ich bin gespannt, was für eine Party es werden wird“, sagte Oli zu mir, als wir wenig später im Hotelrestaurant saßen. „Bist du immer noch skeptisch, dass Sabrina etwas von Lars will?“, fragte ich leicht genervt. „Hm, ich bin mir da irgendwie nicht hundertprozentig sicher“, erwiderte meine Freundin. „Was haltet ihr davon, wenn wir heute Nachmittag eine Sightseeingtour mit einem dieser Doppeldeckerbusse machen und danach Shoppen gehen?“, schlug Mr. Lindquist vor. „Dad, die Idee ist genial!“, endlich schaffte Oli es ein Lächeln über die Lippen zu bringen.

Bei unserem Ausflug durch das Regierungsviertel und entlang der Sehenswürdigkeiten vergaß Oli alle ihre Zweifel wegen Lars. Sie war wieder richtig fröhlich, so wie wir sie kannten. Bei jeder Gelegenheit holte sie ihre neue Digitalkamera hervor und fotografierte sogar einmal einen Streifenwagen. Nachdem wir die Reichstagkuppel besichtigt hatten, schrieben wir unseren Freundinnen, die daheim bleiben mussten, eine Karte mit dem Brandenburger Tor drauf. „Witziger wäre es noch, wenn unsere ganze Mädchenclique dabei wäre“, sagte Oli. „Stimmt, zu sechst würden wir Berlin richtig unsicher machen und die Geschäfte leer kaufen“, nickte ich grinsend. „Habt ihr Lust noch in die Geschäfte reinzugucken?“, fragte Olis Mutter, als wir die Karte in den Briefkasten gesteckt hatten. Olis Vater setzte sich in ein Straßencafe, während wir knapp zwei Stunden fast alle Läden der Shoppingmeile abklapperten. Da ich nicht besonders viel Geld dabei hatte, kaufte ich mir nur ein Halstuch und ein Paar neuer Ohrstecker. Oli kam mit zwei Tüten wieder. „Was hast du dir alles gekauft?“, fragte Mr. Lindquist mit erstauntem Gesichtsausdruck. „Oli wollte unbedingt zwei neue Oberteile, ein T-Shirt und Wildlederboots haben“, antwortete seine Frau.

 

Nachdem wir uns schick gemacht hatten, machten wir uns auf dem Weg. Mit ihrem Smartphone konnte Oli die Route eingeben. Das war sehr hilfreich für uns, denn falls wir Jemanden hätten fragen müssen, wäre es schwierig geworden, da keiner von uns kein Wort Deutsch konnte. Tom und ein Junge aus dem dritten Jahrgang standen vor der Eingangstür zur Jugendherberge und rauchten eine Zigarette. „Falls ihr Fintan, Lars und co sucht, sie sind auf ihrem Zimmer“, sagte Tom. „Kannst du uns sagen, in welchem Zimmer sie sind?“, bat Oli. „In Zimmer 34. Ihr müsst in der Eingangshalle nur die Treppe in den ersten Stock hinauf gehen“, antwortete Tom. „Vielen Dank, Tom!“, bedankte ich mich. Wir gingen die Treppe hinauf und suchten die Korridore nach der Zimmernummer 34 ab. „Hier ist es!“, zischte Oli und klopfte an eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite. „Ach, ihr seid es!“, mit einem Lächeln im Gesicht machte uns Alex auf. Oli und ich traten ein. „Oh mein Gott! Wie sieht es hier aus!“, flüsterte mir Olis ins Ohr und schaute beinahe entsetzt auf die Kleidungsstücke, die überall auf dem Boden lagen. „Ihr denkt wohl, hier eine Bombe eingeschlagen“, sagte Alex zu uns, „Wenn ihr euch setzen wollt, dann setzt euch auf Finns Bett. Bei ihm ist es immer noch am ordentlichsten“ „Wer schläft denn alles hier?“, fragte Oli neugierig. „Patrick, Finn, Tiago, Lars, Tom und ich schlafen hier. Marc, Ivan, Lucien und Shane sind in unserem Nachbarzimmer und kommen jeden Abend hier her, um mit uns ein paar Bierchen zu zischen“ „Na na na, wenn das nur euer Trainer wüsste!“, tadelte Oli ihn scherzhaft.

 

„Wo sind eigentlich Fintan und Lars?“, fragte ich. „Sie sind vor einer halben Stunde weggegangen, aber ich weiß nicht wohin“, zuckte Alex mit der Schulter. „Wer geht denn noch mit uns zur Party?“, fragte Oli interessiert. „Nur wir drei und dann habe ich noch Shane gefragt. Meine Schwester würde einen Herzkasper kriegen, wenn wir mit der ganzen Mannschaft bei ihr auflaufen würden“, meinte Alex. Wenig später hörten wir wie die Tür aufging, es waren Fintan und Lars. Beide trugen Sonnenbrillen, karierte Hemden und hatten sich ihre Haare gegelt. „Na Mädels, seid ihr bereit?“, fragte Lars und setzte sich gutgelaunt zwischen mich und Oli. „Wo wart ihr, ihr Homies?“, fragte Alex. „Wir haben nur mit ein paar Belgiern und Polen gechillt, die wir am Tischkicker getroffen haben“, meinte Fintan. „Wisst ihr wo Shane ist? Wir müssen langsam los, sonst werden wir nicht mehr pünktlich sein!“, drängte Alex. Gerade als wir aufbrechen wollten, platzte Shane ins Zimmer hinein. „Sorry, dass ich so spät bin, ich war gerade noch unter der Dusche“, schnaufte er. „Es wurde auch langsam Zeit. Kommt, lasst uns losgehen, sonst kommen wir nicht vor Mitternacht an“, brummte Alex und schob uns auf den Flur hinaus. Zu sechst stiegen wir in die U-Bahn, mit der wir fünf Stationen weit fahren mussten. „Ich weiß gar nicht mehr, wo wir sind“, sagte Oli leise. „Ich habe hier auch keine Orientierung“, murmelte ich. „Immerhin haben wir Alex, er weiß ganz genau, wo wir hinmüssen“, meinte Fintan und legte den Arm um meine Schulter. „Macht euch nicht ins Hemd, ich kenne Berlin wie meine Westentasche“, beruhigte uns Alex.

 

Alex Schwester wohnte in einem Mehrfamilienhaus. Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in den dritten Stock hinauf. „Hi, da seid ihr endlich!“, begrüßte uns Sabrina freudig. „Hi, es hat ein wenig länger gedauert“, begrüßte Alex seine Schwester. Dann gab Sabrina uns der Reihe die Hände und forderte uns auf, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. Im Wohnzimmer saßen zwei junge Frauen und ein Kerl mitte Zwanzig auf dem Sofa. Im Hintergrund lief leise Musik. „Das sind Stefanie, Katharina und Florian“, stellte uns Alex Schwester ihre Freunde vor. „Das neben mir sind meine Freunde Olivia, Emily, Lars, Fintan und Shane“, stellte uns Alex den anderen Gästen vor. Der Tisch war schon gedeckt. Es war schon auffällig, dass sich Lars direkt neben Sabrina setzte. Oli quetschte sich zwischen mich und Florian. Wieder entdeckte ich die Sorgenfältchen in ihrem Gesicht, die sie normalerweise nur hatte, wenn sie besorgt oder skeptisch war. Vorsichtshalber sprach ich sie nicht an, was ihr auf dem Herzen lag. Ich wollte nicht dafür sorgen, dass die Stimmung von Anfang an kippte. „Hoffentlich mögt ihr Pizzabrötchen und Thunfischsalat“, sagte Sabrina gutgelaunt, während sie das Essen servierte. „Kein Ding! Wir sind vom Nachmittagstraining so hungrig, dass wir zusammen bestimmt mehrere Pferde auffuttern können“, sagte Shane scherzend und goss sich Cola ein.

 

„Mögt ihr Bier oder V-Plus?“, fragte Sabrina in die Runde. „Von mir aus kannst du mir beides mitbringen“, murmelte Florian, der bereits schon angefangen hat zu essen. Ich nahm mir zwei Pizzabrötchen und lud mir ein wenig Salat auf den Teller. Oli zögerte einen Moment und nahm sich erst ein Pizzabrötchen, nachdem wir uns alle schon genommen hatten. Lustlos schob sie ihr Brötchen auf dem Teller hin und her. „Na, hast du keinen Hunger?“, fragte Shane und sah sie erstaunt an. „Ich habe gerade schon eine Kleinigkeit gegessen“, meinte sie. Ich wusste ganz genau, dass das nicht stimmte. Wir hatten nachmittags vor einigen Stunden im Kaffee ein Stück Kuchen gegessen. „Es schmeckt fantastisch!“, lobte Lars Sabrina. „Dem kann ich nur zustimmen“, meinte Fintan und spießte mit seiner Gabel ein Salatblatt auf. Oli legte ihr halbaufgegessenes Pizzabrötchen auf ihren Teller zurück und schob ihn von sich weg. „Schmeckt es dir nicht?“, fragte ich sie. „Momentan habe ich noch keinen großen Hunger“, erwiderte sie und verstummte wieder.Ich drehte mich wieder zu Fintan, der sich mit Katharina und Florian unterhielt. Lars unterhielt sich währenddessen lebhaft mit Sabrina, immer wieder brachen sie in lautes Gelächter aus und legten sich gegenseitig die Arme um die Schultern. „Hey, hört mir kurz zu!“, plötzlich sprang Sabrina auf und bat um Aufmerksamkeit. „Wie wäre es, wenn wir ein Trinkspiel spielen?“, schlug sie vor. „Keine schlechte Idee!“, stimmten ihr Alex, Fintan und Katharina zu. Nur Oli starrte abwesend aus dem Fenster. „Willst du nicht mitspielen?“, tippte ich sie an. „Meinetwegen!“, brummte sie und drehte sich wieder in unsere Richtung.

 

Sabrina stellte das Spiel auf den Tisch und drehte den Pfeil in der Mitte zuerst. Alexander musste gleich eine Schätzfrage beantworten und lag mit seiner Antwort meilenweit daneben. „Trinken, trinken, trinken, trinken“, grölten wir im Chor. Sabrina goss ihrem Bruder ein Schnapsglas Kräuterlikör ein, welches er in Windeseile hinunterschluckte. In der nächsten Runde zeigte der Pfeil auf mich und ich musste einen Schnaps meiner Wahl trinken. Schnell schluckte ich das bitter schmeckende Zeug runter und musste hinterher ein halbes Glas Limonade trinken, damit der Geschmack wieder weg ging. Ich drehte den Pfeil und er blieb bei Oli stehen. „Drehe dich zehnmal um dich selber und versuche gerade zu laufen“, las Sabrina die Aufgabe vor. Oli drehte sich einige Male um ihre eigene Achse und versuchte wieder zu ihrem Platz zurück zu laufen, doch stolperte über den Teppich und konnte sich noch gerade eben an der Tischkante festhalten. Fintan, Lars und ich konnten uns ein Lachen nicht länger verkneifen. Oli setzte sich wortkarg auf ihren Platz zurück und stützte das Kinn auf ihre Hände.

 

Wir spielten dieses Spiel schon über eine Stunde, als Lars die Aufgabe bekam, die Person seiner Wahl zu küssen. Er fackelte nicht lange, legte Sabrina seine Hände auf ihre Schulter und küsste sanft ihre Lippen. Oli stand wortlos auf und ging mit hängendem Kopf auf den Balkon. Mit einem dumpfen Schlag knallte sie die Tür hinter sich zu. „Was mit ihr los?“, stutzte Fintan. „Sie ist garantiert eifersüchtig“, zischte ich. Ich war ebenfalls erschrocken und wusste nicht, ob ich ihr folgen sollte. Einerseits konnte ich meine beste Freundin gut verstehen, aber manchmal reagierte sie zu übertrieben. Es war sehr eigenartig, dass Oli die ganze Zeit keinen Ton gesagt hatte, denn das war sonst nicht im Geringsten ihre Art. „Geh hinterher und schau nach, ob sie okay ist! Schließlich bist du ihre beste Freundin und kannst viel besser mit ihr reden als ich“, raunte mir Fintan zu. „Ich weiß!“, seufzte ich, „Aber ich weiß nicht, ob sie gerade überhaupt mit mir reden möchte“ „Geh einfach und schau nach ihr!“, drängte mich mein Freund.

 

Zaghaft öffnete ich die Tür zum Balkon und trat nach draußen in die Kälte. Oli lehnte sich gegen die Wand und drehte mir den Rücken zu, als ich mich ihr näherte. Ohne ein Wort zu sagen, legte ich ihr den Arm um die Schulter. „Geh weg und lass mich allein!“, sagte sie schluchzend und stieß mich weg. „Ich wollte doch nur mit dir reden“, sagte ich sanft. „Es gibt nichts zu Reden, nun ist es passiert! Lars liebt diese blöde Gans von Sabrina anstatt mich! Hast du nicht gesehen, wie er sie mitten auf den Mund geküsst hat?“, rief sie mit tränenerstickter Stimme und fing richtig an zu heulen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und nahm sie in den Arm. „Ich will sofort zurück zum Hotel“, sagte sie, als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. „Aber wir finden unser Hotel niemals in diesem Straßenlabyrinth wieder“, widersprach ich ihr. „Mir egal, aber ich möchte Lars und Sabrina diesen Abend nicht mehr sehen“, schnaubte Oli wütend. „Wir können Fintan fragen, ob er uns wieder zurückbringt“, schlug ich vor. „Nein, es ist besser, wir rufen ein Taxi“, schüttelte Oli den Kopf. „Das ist doch viel zu teuer! Lass uns lieber Fintan fragen, ob er uns zurück zum Hotel begleiten mag“, meinte ich.  

Ich ging wieder ins Wohnzimmer. Mein Freund, Lars, Sabrina, Shane und Katharina saßen um einen kleinen Couchtisch herum und ließen eine Wasserpfeife kreisen. „Fintan, kannst du Oli und mich zu unserem Hotel begleiten?“, fragte ich ihn freundlich und stützte mich von hinten auf seine Schulter. „Jetzt schon?“, erwiderte er ungläubig und zog die Augenbrauen hoch. „Ja, Oli will unbedingt ins Hotel zurück, sie ist so müde“, bekräftigte ich. „Eigentlich wollte ich noch eine Stunde bleiben“, erwiderte Fintan zögernd und sah mich nachdenklich an. „Sonst kann ich euch eben zu eurem Hotel begleiten und komme danach wieder zurück. Ich kann euch in einer wildfremden Stadt nicht alleine laufen lassen“, meldete sich Alex freiwillig.

 

Wir zogen uns unsere Mäntel und fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten. „Tolle Freunde haben wir!“, zischte Oli wütend und versetzte einer Mülltonne einen leichten Tritt. „Hey, hey! Beruhig dich wieder! Du hast doch garantiert auch gemerkt, dass Lars schon angetrunken ist. Du brauchst das Ganze nicht so ernst zu nehmen“, versuchte Alex sie zu beschwichtigen, aber ohne Erfolg. Olis Stimmung war auf dem ganzen Heimweg im Eimer. Sie redete kein einziges Wort mehr mit uns. In mir merkte ich ebenfalls einen kleinen Stich, denn jetzt wurde mir auch bewusst, dass mich auch Fintan im Stich gelassen hatte. Offenbar war es ihm wichtiger Spaß auf der Party zu haben, anstatt uns nach Hause zu begleiten. Krampfhaft versuchte ich diesen Gedanken beiseite zu schieben und schaffte es solange bis ich im Bett lag. Plötzlich stellte ich mir vor, wie Fintan sich an Katharina heranmachte und sie ebenfalls küsste. Kurz nach Elf kam die rettende SMS. „Seid ihr sicher in eurem Hotel angekommen? Wir machen uns gerade auf den Weg zur Herberge. Ich wünsche dir eine gute Nacht, mein Schatz!“, schrieb er mir. Erleichtert ließ in mein Bett sinken und löschte das Licht.

 

 

 

Großes Pech für Fintan

Es war elf Uhr morgens, wir saßen zusammen mit Olis Eltern auf der kleinen Tribüne des Fußballplatzes. Am Vormittag stand das erste Spiel des Achtelfinales an. Unten auf dem Feld liefen sich unsere Fußballer warm und machten Dehnübungen. Auf der anderen Seite des Platzes absolvierten die Gegner, eine Mannschaft aus Polen, ihr Aufwärmprogramm. Fintan und Lars winkten uns jedes Mal zu, wenn sie an uns vorbei liefen. Wenig später versammelte sich unsere Mannschaft in einem geschlossenen Kreis. „Offenbar noch eine Teambesprechung“, murmelte Oli. „Weißt du, wer heute in der Startelf spielt?“, fragte ich. „Keine Ahnung, aber das sehen wir gleich“, zuckte Oli mit den Schultern. Die Spieler gingen auf ihre Positionen. Fintan, Marc, Steven und ein weiterer Spieler setzten sich auf die Auswechselbank. „Oh nein, siehst du das?“, raunte mir Oli ins Ohr, „Lucien spielt für Fintan im offensiven Mittelfeld“ Ich nickte bedrückt und warf meinem Freund einen Liebesgruß zu, um ihn aufzumuntern. „Ich werde nachher mein Bestes geben!“, rief er mir laut zu. Die polnische Mannschaft hatte Anstoß. Ein Pfiff erklang und die Kugel rollte in unsere Hälfte. Ein Gegenspieler versuchte den Ball nach vorne zu passen, doch Tiago war schnell genug zur Stelle und konnte den Ball abfangen. Mit einer geschickten Körpertäuschung dribbelte er an zwei Gegenspielern vorbei und passte auf Lucien. Dieser setzte zu einem Sprint an und krachte den Ball den Pfosten. „Wow, schade!“, riefen einige Mitspieler und die Zuschauer klatschten. „Saint Malory vor, noch ein Tor!“, feuerten wir unsere Mannschaft ununterbrochen an. Einige Plätze links von uns saß Sabrina, die ihren Bruder aus voller Kehle anfeuerte. Ich hoffte, dass Oli sie nicht entdecken würde, denn sonst würde sie sofort das Stadion verlassen.

 

Die erste Halbzeit blieb torlos, obwohl unsere Mannschaft ein deutliches Chancenplus zu verzeichnen hatte. „Wollt ihr etwas trinken?“, fragte uns Olis Vater. „Gerne!“, nickte Oli, „Bring mir ne Cola mit“ „Mir auch!“, pflichtete ich schnell bei. Mein Blick wanderte unfreiwillig nach unten zum Spielfeldrand, wo Sabrina stand. Sie redete mit ihrem Bruder und Lars. Ich lenkte Oli von dem Geschehen ab, indem ich sie in ein tiefes Gespräch verwickelte.

Anfang der zweiten Hälfte wurde Fintan für Andrew im defensiven Mittelfeld eingewechselt. „Warum hat er nicht gleich von Anfang gespielt? Mit Fintan spielen sie viel effizienter und können viel schneller Angriffe aufbauen“, meinte Oli fachmännisch und blätterte wieder in ihrem Fußballfachbuch. „Wer weiß“, zuckte ich mit den Achseln, „Vielleicht hat ihm Lucien schon seine Position weggeschnappt“ „Quatsch, Lucien ist längst nicht so schnell und zweikampfstark wie er“, schüttelte sie den Kopf. Lars passte Fintan in den Lauf. Mit viel Geschick nahm Fintan den Ball mit, doch vor ihm tauchte ein Pole auf, der ihm das Spielgerät abnehmen wollte. Deshalb beschloss er in den Strafraum zu flanken, wo Shane stand und zum Kopfball hochsprang. Er erwischte den Ball mit voller Wucht. Bruchteile von Sekunden später zappelte der Ball im Netz. Das war das 1:0! „Tooor!“, jubelten wir und fielen uns in die Arme.

 

„Bravo, Fintan und Shane!“, rief der Trainer und klatschte seine beiden Spieler ab. Die gegnerische Mannschaft wehrte sich massiv gegen den Rückstand und versuchte bei jeder Gelegenheit zu kontern. „Diese Polen sind ganz schön bissig!“, stellte Oli fest. „Rückt mehr zur Abwehr hin und macht die Räume dicht!“, rief der Trainer unseren Spielern zu. Die halbe Mannschaft rückte nach hinten auf. Die Abwehrspieler passten wie die Wachhunde auf die gegnerischen Offensivspieler auf. Tom, Jamie, Andy und Alex ließen keinen Pass durchkommen. Fintan versuchte sich jeden Ball zu erkämpfen und holte mehrmals einen Freistoß für sein Team raus, da er oft attackiert wurde. Nach einem besonders üblen Foul an Tiago im gegnerischen Strafraum, zeigte der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt. Lars schnappte sich die Kugel und legte sie sich bereit. Der Pfiff ertönte und Lars nahm Anlauf. Zielsicher setzte er den Schuss flach in das linke Eck. „Yippie!“, jubelte ich und sprang auf. Oli blieb sitzen und klatschte nur verhalten. „Freust du dich gar nicht mit Lars?“, fragte ich sie. Nachdenklich sah mich meine Freundin an. „Ich weiß nicht, schließlich kann ich ihm nicht mehr richtig trauen“, seufzte sie tief. „Mensch Oli, hör auf eifersüchtig zu sein!“, rief ich heftig und erschrak über meine eigene Lautstärke. „Lars war gestern betrunken und realisierte nicht, was er tat“, fügte ich leiser hinzu. „Das weiß er jetzt immer noch nicht! Dieser Kerl hat mich eindeutig mit Sabrina betrogen. Es ist schon peinlich genug, dass meine beste Freundin versucht so zu tun, als wäre da nichts gewesen“, brauste Oli auf und funkelte mich wütend an. Betreten schwiegen wir uns an, schließlich kam es nicht oft vor, dass sich ihre spitze Zunge gegen mich richtete.

 

Das Spiel wurde mit 3:1 gewonnen, da Tiago noch einen Treffer in der Nachspielzeit erzielte. Mein Blick heftete sich immer wieder an Fintan, Lucien, Lars und Alex, die mit den Gegnern ihre Trikots tauschten. „Komm!“, stupste ich Oli an, griff ihre Hand und zog sie hintern mir her. Unten am Spielfeldrand kamen uns unsere Freunde in den gegnerischen Trikots entgegen. „Gutes Spiel, Darling!“, lobte ich Fintan und gab ihm einen Kuss. „Danke, dass war ganz schön heavy!“, erwiderte er atemlos und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. „Hallo, wie geht es euch? Schön euch zu sehen!“, hörte ich Sabrina sagen, die auf einmal hinter uns stand. „Hallo!“, erwiderte ich freundlich. Oli warf Sabrina, die Lars für sein schönes Elfmetertor beglückwünschte, bitterböse Blicke zu. „Komm lass uns gehen! Meine Eltern warten schon auf uns“, flüsterte sie mir ins Ohr. „Hey, wo wollt ihr so schnell hin?“, rief uns Alex hinterher. „Meine Eltern wollen mit uns essen gehen“, erwiderte Oli und zog mich am Arm mit sich. „Na, dann bis nachher!“, rief uns Lars nach. Fintan folgte uns noch ein Stückchen. „Heute um fünf Uhr ist das Viertelfinalspiel, das dürft ihr auf keinen Fall verpassen. Wir brauchen eure Unterstützung dringend, denn es wartet ein schwerer Gegner auf uns“, erinnerte er uns und rannte zurück zu seinen Mannschaftskollegen.

 

„Lars ist ein totaler Idiot! Er kapiert immer noch nicht warum ich sauer auf ihn bin und tut so, als wäre nichts passiert! Er merkt selbst nicht einmal, dass sein Blick sich an Sabrinas braunen Locken heftet!“, verbittert sah mich Oli an. „Mach dir nicht so viele Gedanken, es wird schon wieder gut“, versuchte ich sie aufzumuntern. „Es wird schon wieder gut, wieder gut, wieder gut!“, äffte mich Oli nach und fügte grimmig hinzu, „Du glaubst immer nur an das Gute im Menschen und verpeilst darüber hinaus die Realität“ Gerade als mir eine schnippische Antwort auf der Zunge lag, vibrierte mein Handy. Es war eine Nachricht von Rosy. „Hilfe, Rosy ist eifersüchtig, seitdem Alex Schwester aufgetaucht und sich blendend mit Lars versteht. Eine schlechtgelaunte Oli ist der wahre Horror, hoffentlich kriegt sich bald wieder ein. Ach ja, unser Team ist mit einem 2:0 Sieg in das Viertelfinale eingezogen. HDL, deine Emmi! Ps: Grüß die anderen Freundinnen von uns“, schrieb ich zurück. „Emily und Oli, trödelt nicht so, wir haben Hunger und wollen das nächste Restaurant ausfindig machen!“, rief Olis Mutter uns zu. „Ja, wir kommen schon!“, rief Oli gereizt und beschleunigte ihre Schritte. Auch ich merkte, wie mein Magen anfing zu knurren.

 

Nachmittags versammelten sich noch mehr Zuschauer auf der Tribüne und rund um den Platz als heute morgen. Es kamen noch einige Überraschungsgäste, Alex gesamte Verwandtschaft ließ sich blicken und Lars Eltern tauchten aus heiterem Himmel auf, um ihrem Sohn eine Freude zu machen.

Fintan kam auf mich zu gerannt und teilte mir mit, dass er von Beginn an spielen durfte. „Das freut mich!“, rief ich und fiel ihm um den Hals. „Fintan, lauf weiter!“, rief sein Trainer streng. „Dann bis nachher!“, verabschiedete er sich und trabte seinen Mannschaftskameraden hinterher. Oli und ich setzten uns in die erste Reihe, um so nah wie möglich am Spiel zu sein. „Herzlich Willkommen beim ersten Viertelfinalspiel zwischen Saint Malory aus Irland und San Silvestre aus Spanien!“, verkündete der Stadionsprecher, als die Mannschaften geschlossen auf das Feld marschierten. Fintan winkte in unsere Richtung und warf mir die Kusshand zu. Unsere Mannschaft begrüßte die Gegner und das Schiedsrichtergespann. Die Spielführer tauschten untereinander die Wimpel aus. Dann stellten sich die Mannschaften auf, Fintan durfte auf seiner Lieblingsposition rechts im offensiven Mittelfeld spielen.

            

Die Gegner hatten Anstoß und machten sofort Druck. Beinahe hätte es zwei Gegentore in den ersten zehn Minuten gegeben, wenn unser Torwart nicht blitzschnell reagiert hätte. Es gab Abstoß für Saint Malory, der Torwart rollte den Ball zu Tiago, der die Kugel an sich nahm und Slalom durch die gegnerischen Reihen dribbelte. Fintan lief mit und wartete bis sein Kumpel ihm den Ball in den Lauf spielte. Er nahm den Ball an und dribbelte zwei Abwehspieler aus. Der Torwart stürmte raus und Fintan lupfte den Ball über seinen Kopf hinweg ins Tor. 1:0 für uns! Die ganze Tribüne tobte. Fintan zeigte in meine Richtung und wurde von Shane, Lucien, Lars und Tiago gleichzeitig umarmt. „Saint Malory, Saint Malory, Saint Malory, Saint Malory!“, wurde um uns herum laut gerufen. Oli und ich sprangen vor Freude auf und umarmten uns, ihre schlechte Laune war für einen Moment wie weggeblasen. Die Spanier konterten und versuchten das Spiel an sich zu reißen. Durch einen Torwartfehler stand es fünf Minuten später 1:1. „Nicht aufgeben!“, rief ich den Jungs zu, die sich gegen schnelle und engagierte Spanier abackerten. Es waren immer wieder Fintan, Lars und Tiago, die die Bälle zurückeroberten und das Angriffsspiel einleiteten. Wenig später war Halbzeit. Fintan, Lars und Shane liefen über die Laufbahn auf uns zu. Ich beglückwünschte meinen Freund für sein schönes Tor und fuhr ihm mit der Hand über seine verwuschelten Haare. „Die Spanier sind mindestens zwei Nummern größer als die Polen heute morgen“, meinte Lars außer Atem und biss von seinem Müsli-Powerriegel ab. Oli würdigte ihn keines Blickes und fing ein Gespräch mit Shane an. Bald darauf wurden die Jungs von ihrem Trainer gerufen und wir wünschten ihnen eine zweite erfolgreiche Halbzeit.

 

Kurz nach Wiederanpfiff wurde Jacob kurz vor der Strafstoßgrenze gefoult, sodass es einen direkten Freistoß gab. Diesmal legte sich Fintan die Kugel zurecht und wartete bis der Pfiff erklang. Er versierte das obere Eck an und nahm zielstrebig Anlauf. Der Schuss zerschnitt die Luft und streifte leicht die Hand des Torwarts. Wieder war der Ball im Kasten und das war Fintans zweites Tor. Er rannte los, schlug ein Rad und winkte mir zu. Seine Mitspieler kamen auf ihn zu gerannt und warfen sich auf ihn drauf. „Der Junge macht ein geniales Spiel“, meinte ein Fan hinter mir. Die Spanier wurden von Minute zu Minute bissiger und erzwangen eine Viertelstunde später den Ausgleich durch einen schnellen Konter nach einer Ecke von uns. „Jungs, ihr müsst mehr auf der Hut sein!“, rief der Couch ihnen zu und versuchte die Abwehr neu zu organisieren. Ivan kam für Tom ins Spiel und ließ von seinem Gegenspieler nicht locker. Keiner wollte den Sieg freiwillig hergeben. Unermüdlich versuchten Pattrick und Tiago das Spiel nach vorne anzutreiben. Beinahe hätte Pattrick das 3:2 erzielt, wenn er bei seinem Tor nicht im Abseits gestanden hätte. Beschwichtigend klopfte ihm Fintan auf die Schulter und fand aufmunternde Worte für seinen Freund. Nach einem harmlosen Zweikampf blieb Fintan mit schmerzverzehrtem Gesicht liegen. Der Schiedsrichter unterbrach das Spiel und schaute nach, was passiert war. „Ich verstehe nicht, was mit ihm los ist. Ich habe nicht sehen können, dass er sich im Zweikampf verletzt hat“, rätselte der Trainer und schickte einen Betreuer zu ihm auf das Feld.

 

Zwei Gegenspieler halfen Fintan auf die Beine zu kommen, aber merkwürdiger Weise presste er seine Hände gegen den Unterleib. Ich vermutete, dass er einen Tritt abbekommen hatte. Der Betreuer und Tom mussten ihn stützen. Fintans Gesicht sah noch schmerzverzehrter aus als gerade eben. „Es hat keinen Sinn, ich werde Sid für ihn einwechseln“, meinte der Trainer. Fintan setzte sich auf seine Trainingsjacke am Randstreifen und ließ sich untersuchen. Einen Augenblick später, als ich mich wieder dem Spiel widmete, sah ich wie ein Spanier freistehend an unserem Keeper vorbei schoss. Nun lautete der neue Spielstand 2:3 gegen uns. „Oh nein! Das können wir nie im Leben wieder gut machen, es sind bloß nur noch fünf Minuten zu spielen“, hörte ich Oli neben mir stöhnen. „Versuch aufzustehen und einige Schritte zu laufen“, sagte der Betreuer zu Fintan. „Nein, das geht nicht, dafür sind die Schmerzen zu groß“, antwortete Fintan mit gepresster Stimme. Seine Wangen glühten und er musste die aufsteigenden Tränen wegblinzeln. Nichts fand er schlimmer, als vor Leuten anfangen zu weinen. Wenig später erklang der Schlusspfiff.

 

Melancholisch und mit hängenden Köpfen trotteten unsere Spieler vom Feld. Einige Spieler, darunter auch Lucien und Pattrick, brachen in Tränen aus. „Weint Fintan etwa auch?“, flüsterte mir Oli ins Ohr. „Tatsächlich!“, erwiderte ich nickend und sah, wie mein Freund sich mit der Hand über sein tränennasses Gesicht fuhr. „Man das muss ihn wohl derbe getroffen haben“, sagte ich geknickt, „Am liebsten möchte ich zu ihm gehen und ihn trösten“ „Ich weiß nicht, ob du das darfst“, zuckte Oli mit den Achseln. Ich rannte über die Tartanbahn auf ihn zu und hockte mich neben ihn. Er schniefte und wischte sich über seine Augen. Ich umschloss seinen Oberkörper von hinten. Fintan zitterte ein wenig und fühlte sich warm und verschwitzt an. „Alles war umsonst, meine Tore, die Rennerei, die Zweikämpfe, einfach alles!“, sagte er leise mit tränenerstickter Stimme und schniefte in sein Trikot. „Kannst du wieder auf deinen Platz zurückgehen? Wir werden Fintan zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen“, sagte ein Betreuer von seinem Team. Ich verabschiedete mich von meinem Freund und lief zur Tribüne zurück.

 

„Ihn muss es ihn ziemlich schlimm erwischt haben“, sagte Oli, als wir in unserem Hotelraum auf unseren Betten saßen. Berückt sahen wir uns einen kleinen Moment schweigend an. Oli griff schließlich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Wir zappten durch viele Kanäle, bis wir einen richtig guten Film fanden. Gerade an einer spannenden Stelle klingelte Olis Handy. „Hallo, hier spricht Olivia“, meldete sie sich. „Hey, hier ist Lars. Ich muss euch etwas erzählen, in zehn Minuten sind Alex und ich bei euch“, hörten wir Lars am anderen Ende der Leitung sagen. Dann knackte es und er legte auf. „Was ist jetzt los?“, wunderte ich mich. „Tja, das weiß ich auch nicht. Lars hat nur gesagt, dass er zusammen mit Alex kommt“, zuckte Oli mit der Schulter. Wir warteten, bis es an unserer Tür klopfte. Es waren tatsächlich Lars und Alex. Wir ließen sie hinein und boten ihnen ein paar Süßigkeiten an. „Es geht um Fintan“, begann Lars und musste schlucken, „Er wurde ins Krankenhaus gebracht und unser Trainer hat uns vor etwa einer Stunde mitgeteilt, dass Fintan einen akuten Leistenbruch erlitten hat und sich noch an diesem Abend einer Not-Operation unterziehen muss“ „Was? Das kann doch nicht wahr sein!“, entfuhr es mir schockiert. Plötzlich füllten sich meine Augen mit Tränen, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. „Wir waren genauso schockiert wie du, Emily. Wir brachten für einige Minuten kein Wort über die Lippen. Das es ausgerechnet den armen Finn treffen muss, wobei er so ein gutes Spiel gemacht hat! Nachdem er ausgewechselt wurde, ging gar nichts mehr und deshalb haben wir das Spiel noch in den letzten Minuten verloren. Er war heute eindeutig unser Spielmacher! “, meinte Alex.

 

„Sei nicht traurig, ihm wird es in ein paar Tagen wieder besser gehen“, tröstete mich Oli. Jetzt konnte ich mir erklären, wieso er vorhin die Hände gegen seinen Unterleib gepresst hatte. Schnell zückte ich mein Handy und benachrichtigte alle meine daheim gebliebenen Freundinnen von den Geschehnissen am Nachmittag. „Oh my god, der Arme! Richte ihm ganz liebe Genesungswünsche von mir und May aus“, antwortete mir Greta nach wenigen Minuten. Von Lars erfuhren wir, dass sie übermorgen abreisten. „Fintan wird nicht mit euch zurückfliegen oder?“, fragte Oli. „Nein, er wird noch einige Tage im Krankenhaus bleiben“, erwiderte Lars. „Ich werde einige Tage hier bei meiner Schwester in Berlin bleiben. Wenn Fintan entlassen wird, lade ich ihn für die erste Ferienwoche zu mir nach Leipzig ein. Meine Mutter freut sich schon, dass sie einen meiner neuen Freunde kennen lernen wird“, sagte Alex. Gegen zehn Uhr machten sich die Jungs auf den Rückweg. Ich konnte bis Mitternacht nicht einschlafen, da ich mir Gedanken wegen Fintan machte. Wie es ihm jetzt wohl ging? Ob die er schon operiert wurde oder ob die Operation gut verlaufen war? „Das werden wir alles morgen erfahren!“, gähnte Oli in ihr Kissen und drehte sich auf die Seite.

 

Morgens beim Frühstück stand auf einmal Lars an unserem Tisch. „Hey, was machst du jetzt schon hier?“, begrüßte Oli ihn. „Ich wollte euch nur die gute Nachricht überbringen, dass die Operation erfolgreich war. Er wurde gestern Abend bereits um sieben Uhr unter Vollnarkose operiert, aber es dauerte nicht lange. Laut dem Trainer soll es ihm nun wieder besser gehen“, erzählte Lars uns. „Dürfen wir Fintan besuchen kommen?“, fragte ich sofort. „Ich weiß es nicht, wir müssen zuerst nachfragen. Ich kann eben unseren Trainer nachfragen, dass er für uns im Krankenhaus anruft“, meinte Lars und wählte die Nummer seines Trainers. Nach einem kurzen Telefonat teilte er uns mit, dass wir Fintan erst morgen besuchen durften. „Wieso erst morgen?“, fragte ich verständnislos. „Unser Trainer meinte, dass er sich noch von der OP erholen sollte“, antwortete Lars. „Lass uns ihm heute eine SMS schreiben“, schlug Oli vor. „Au ja, super Idee!“, fand ich und sendete ihm von uns allen Genesungswünsche. Ich wartete den ganzen Vormittag auf eine Antwort, doch mein Handy vibrierte nicht oder zeigte eine neue Nachricht an. „Wahrscheinlich hat er deine Nachricht nicht gelesen, da er bestimmt noch schläft. Du musst dich ein wenig gedulden, aber wie ich ihn kenne, schreibt er dir auf jeden Fall bestimmt zurück“, munterte mich Oli auf. Erst nach dem Mittagessen, als wir wieder in unser Zimmer gingen, steuerte ich den Nachttisch an, auf dem mein Handy lag. Tatsächlich stand auf dem Display „Eine neue Nachricht!“. Jubelnd öffnete ich sie. „Hey, vielen Dank für eure Genesungswünsche. Mir geht es von Stunde zu Stunde besser, aber als ich gestern nach der Operation aufwachte, war mir total schummrig und ich wusste nicht, wo ich war. Heute habe ich knapp zwei Stunden mit meinen Eltern telefoniert. Ich freue mich riesig, euch bald wieder zu sehen. Liebe Grüße, dein Finn!“, las ich laut vor. 

Ein ungeheuerlicher Verdacht!

Kurz nach den Herbstferien fand das alljährliche Schulreitturnier statt. Beim Abschlusstraining durchquerte ich den Parcour in Rekordzeit. „Bravo, Emmi!“, klatschten Oli und Sandrina. „Emily, das war dein bester Ritt seit langer Zeit!“, lobte mich Miss Hanson, meine Trainerin. „Sie hat sogar Sandrina geschlagen“, hörte ich Natascha sagen. „Na und was soll’s?“, zuckte ihre Freundin Arabella gleichgültig mit den Schultern. „Gönn doch wenigstens einmal Emily einen Sieg!“, wandte sich Oli an Arabella, die wieder ihre Augen verdrehte. Ich lehnte mich im Sattel nach vorne und klopfte Hermine lobend den Hals. „Fein gemacht, mein Mädchen! Es wäre traumhaft, wenn es morgen genauso gut klappen würde“, flüsterte ich der Stute leise zu. Ich stieg ab und führte Hermine zum Stall.

 

Vor der Stalltür saßen Greta und May auf einem Heuballen und waren in ein Gespräch vertieft. „Hey, ihr Beide!“, rief ich ihnen laut zu. „Ach du bist es, Emmi!“, stieß Greta erstaunt hervor. „Können wir dir helfen?“, fragte May und stand mit einem Mal neben mir. „Danke, das wäre ich nett“, erwiderte ich. „Na, wie war das letzte Training bei euch?“, fragte Greta neugierig, während sie Hermine die Hufe auskratzte. „Grandios, heute bin ich Rekordzeit geritten“, antwortete ich mit einem Strahlen im Gesicht. „Das muss nur morgen genauso klappen, aber ich weiß, dass du und Hermine ein eingespieltes Team seid“, meinte May zuversichtlich. „Wird Sandrina morgen Colorado reiten?“, wollte Greta wissen. „Ja, Miss Hanson hat bestimmt, dass Sandrina ihn reiten wird. Arabella willigte nur grollend ein, obwohl es jeder gesehen hatte, dass es ihr nicht wirklich recht war“, nickte ich. „Kommt Arabella immer noch nicht richtig mit Colorado klar?“, fragte May weiter nach. „Nicht wirklich!“, schüttelte ich den Kopf, „Jedes Mal wird sie zu nervös, wenn sie ihn reitet und er bäumt sich auf. Sie wird morgen Castaneas reiten, die viel geduldiger ist und sich nicht so schnell von der Unruhe des Reiters anstecken lässt“, erzählte ich.

 

Das schulinterne Reitturnier von Saint Malory war eines der größten Events unserer Schule. In mehreren Disziplinen wie Springreiten, Dressur, Reitrennen und seit neustem auch im Vielseitigkeitsreiten wurde um die vordersten Plätze gekämpft. Familien und Freunde der Schüler kamen und feuerten von der Tribüne aus an. Die Reitplätze und alle Wege wurden mit Kübelpflanzen geschmückt und die Flagge unserer Schule wurde gehisst. Ich freute mich sehr meinen Dad wieder zu sehen, er kam zu mir in den Stall und sah mir über die Schulter, wie ich Hermine startklar für den Wettkampf machte. „Dad, wir sehen uns nachher“, sagte ich und klang kurz angebunden, „Ich muss Hermine noch die Mähne einflechten und in einer halben Stunde muss ich auf dem Warmreitplatz erscheinen“ „Na gut, dann bis nachher und viel Glück, mein Schatz! Ich werde mir deinen Ritt auf der Tribüne ansehen“, rief mir Dad hinterher und trat hinaus ins Freie. „Oh Gott, ich werde vor Scham im Erdboden versinken, wenn ich nicht unter die ersten Fünf komme“, stöhnte Arabella hinter mir, die Castaneas mit einem Schwamm putzte, bis ihr weißes Fell glänzte. „Mach dich nicht verrückt, sonst überträgst du deine Nervosität auf dein Pferd!“, versuchte ich sie zu beruhigen. Normalweise fand ich selten gute Worte für Arabella, aber in diesem Moment wollte ich besonders kameradschaftlich sein. „Meine ganze Familie samt Großeltern, Onkels, Tanten, Cousinen und Cousins sind da! Überleg dir wie es aussieht, wenn ich meinen Ritt total vermassle! Meine älteren Geschwister waren in den vorigen Jahren immer erfolgreich gewesen. Meine Eltern wären enttäuscht, wenn ich ein schlechtes Ergebnis abliefere“, rief Arabella laut und klang fast schon verzweifelt. „Beruhig dich, Arabella! Du machst dich nur selbst verrückt. Gleich konzentrierst du dich nur auf den Ritt und blendest den Gedanken an deine Familie aus“, Mischelle, eine Reiterin aus dem vierten Jahrgang, kam zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schulter. Arabella nickte und fuhr fort Castaneas die Mähne einzuflechten.

 

Als ich Hermine auf den Warmreiteplatz führte, kam mir Fintan entgegen. „Na, bist du schon aufgeregt?“, fragte er mich und nahm mir kurz die Zügel aus der Hand, damit ich den Sattelgurt noch einmal richtig einstellen konnte. „Es geht so!“, erwiderte ich und fragte ihn, „Wie ist das Reitrennen ausgegangen?“ „Ich durfte leider nicht daran teilnehmen, da ich zwei Monate nach der Leistenoperation absolutes Sportverbot habe. Ich habe Tiago Felicitas reiten lassen und prompt hat er den zweiten Platz gemacht“, erzählte er mir. „Wow, das ist doch was!“, staunte ich und erzählte ihm, dass Sandrina Colorado reiten wird. „Ich muss wieder zurück zu meiner Familie. Viel Erfolg, mein Schatz!“, rief mein Freund mir nach und verschwand in der Menschenmenge.

 

Ich war froh, dass ich die vorletzte Reiterin war. Gerade als ich Hermine warm ritt, wurden nach und nach die Namen der Starterinnen vor mir aufgerufen. Nebenbei bekam ich mit, wie über Lautsprecher verkündet wurde, dass Sandrina vorläufig mit null Fehlerpunkten und mit der Bestzeit auf dem ersten Platz lag. Ich freute mich sehr für sie, obwohl ich auch noch vorhatte, ihr den ersten Platz streitig zu machen. Nun war Arabella am Start, mit dem Startsignal trieb sie Castaneas heftig an und überstand die ersten fünf Hindernisse ohne Probleme. Doch dann scheiterte sie gleich an zwei Hindernissen hintereinander. „Gut, sie wird schon mal auf keinen Fall Siegerin!“, dachte ich zufrieden und hörte wie mein Name aufgerufen wurde. Ich ritt Hermine auf den Hautplatz und begrüßte die Wettkampfrichter mit einem Winken. Zeitgleich mit dem Startsignal erhöhte ich den Schenkeldruck und ließ Hermine vor dem ersten Hindernis immer schneller werden. Die erste Hälfte des Parcours ritt ich tadellos, doch bei dem Hindernis mit dem Wassergraben, scheute mein Pferd kurz und riss eine Stange. „Jetzt nur nicht panisch werden und bloß nicht aufgeben!“, schwor ich mir und ließ Hermine wieder schneller werden, um die nächsten Hindernisse zu packen. „Vier Fehlerpunkte und 19:34 Sekunden!“, wurde verkündet. Erleichtert parierte ich Hermine durch zum Schritt und lobte sie, indem ich ihr den Hals tätschelte.

 

Nun hatte ich zwar keine Chance unter die ersten Drei zu kommen, aber vielleicht war immer noch der vierte oder der fünfte Platz drin. Zum Schluss startete meine Cousine Priscilla mit Minerva. Sie legte einen holprigen Start hin, aber gewann mit jedem Hindernis an Sicherheit und schaffte es ziemlich gut die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Am Ende hatte sie acht Fehlerpunkte und brauchte nur eine halbe Sekunde mehr als ich. Mit einem zufriedenen Lächeln ritt sie auf den Abreitplatz und grüßte mich. „Ihr seid echt spitze geritten!“, lobte Oli Sandrina und mich. Oli hatte sich zum Schluss des Parcours acht Fehlerpunkte eingefangen, was besonders ärgerlich war. Nach und nach wurden unsere Namen zu Siegerehrung aufgerufen. Sandrina hatte das Springen deutlich gewonnen, Daisy und Mischelle belegten hinter ihr die Plätze zwei und drei. Dann kam ich auf dem vierten Platz und Priscilla belegte den fünften Platz, somit hatten wir auch einen Platz in der Schulmannschaft sicher. Oli machte den sechsten Platz und Arabella den Achten. Dad und Fintan gratulierten mir als erstes, sie kamen direkt auf mich zu, als ich Hermine zurück zum Stall führte. „Soll ich Hermine für dich absatteln und putzen?“, bot Fintan an und fügte hinzu, „Zwar konnte ich nicht an dem Turnier teilnehmen, aber als Stalldiener eigne ich mich dennoch!“ „Danke, du bist ein wahrer Schatz!“, rief ich und gab ihm einen Kuss. „Magst du etwas mit mir trinken?“, fragte Dad. „Gerne!“, nickte ich und suchte mit ihm den nächsten Getränkestand.

„Auf Emilys Erfolg!“, Dad hob sein Bierglas und ich meine Cola. Wir ließen unsere Gläser geräuschvoll klirren und begannen zu trinken. Ich schloss für einen Augenblick meine Augen und genoss es, einen Moment alleine mit meinem Dad zu sein.

 

Wenige Tage später, als ich das Wochenende bei Fintan zuhause verbrachte, bekam ich Samstagnachmittags einen Anruf von Sandrina. „Colorado ist verschwunden, niemand weiß wo er ist“, rief meine Freundin atemlos in ihr Handy. „War das Gatter denn richtig verschlossen?“, stellte ich ihr sofort eine Gegenfrage. „Ja, das war es“, antwortete Sandrina und ergänzte, „Arabella hat es zuerst bemerkt, dass er nicht mehr auf der Weide stand und gibt mir nun die Schuld für sein Verschwinden. Ich habe mich in den letzten Tag um ihn gekümmert und habe ihn nach dem Frühstück auf die Weide zu den anderen Pferden gestellt. Als Arabella vorhin nachgeschaut hat, war er nicht mehr da und nun behauptet sie, dass ich das Gatter geöffnet hätte und ihn habe laufen lassen“ „Das gibt’s doch gar nicht!“, entsetzt schnappte ich nach Luft und fuhr empört fort, „Ich wette, sie will dir einen Haufen Ärger einhandeln, weil sie neidisch ist, da du das Turnier gewonnen hast“ „Tja, das Gefühl habe ich auch. Ich muss jetzt das Stallmädchen fragen, ob sie zufällig etwas gesehen hat. Machs gut!“, Sandrina legte auf.

 

Ich brauchte einen Moment um das Ganze zu verarbeiten. „Soso, als Arabella schiebt es Sandrina in die Schuhe, dass Colorado wie vom Erdboden verschluckt ist!“, Fintan sah mich ernst an und zog seine Stirn in Falten. Ich erzählte ihm alles, was ich bis jetzt von Sandrina erfahren hatte. „Ich traue Arabella schon zu, dass sie die Sache geschickt eingefädelt hat, um Sandrina eins auszuwischen. Du hast doch bestimmt gemerkt, dass Arabella versucht ihre Konkurrenz mittels gemeiner Intrigen auszustechen“, meinte er. „Inwiefern glaubst du, dass Arabella selbst etwas mit dem Verschwinden ihres Pferdes zu tun hat?“, fragte ich ihn. „Ich kann mir irgendwie schon vorstellen, dass sie Colorado hat laufen lassen, damit sie einen Grund hat, Sandrina anzuklagen und wie ich mitbekommen habe, kam Arabella sowieso nicht mit ihm zurecht. Bleibt Colorado länger verschwunden, kaufen ihre Eltern ihr ein neues Pferd“, erklärte mir mein Freund. „Warum diskutiert ihr so angespannt? Worum geht es?“, plötzlich stand Fintans kleine Schwester Fianna vor uns. „Es geht um ein Pferd bei uns im Internat, das verschwunden ist und eine Freundin von mir wird von der Besitzerin des Pferdes beschuldigt, es laufen gelassen zu haben“, erklärte ich ihr. Fianna nickte und sagte, „Mom sucht euch schon, ihr sollt mithelfen den Schafsstall auszumisten“ „Na gut!“, brummte Fintan und erhob sich ächzend aus seinem Sessel.

 

Wir zogen uns die Schuhe und Jacken an und stapften nach Draußen in den Nieselregen. „Na, da seid ihr ja“, Fintans Mutter kam uns mit einer leeren Schubkarre entgegen. Unsere ernsten und angespannten Gesichter entgingen ihr nicht. „Nanu, was ist mit euch los? Ihr seid gerade wortkarg“, stellte sie fest und sah uns abwechselnd an. „Eine Freundin von mir wird von Arabella beschuldigt, für das Verschwinden ihres Pferdes Colorado verantwortlich zu sein“, begann ich und musste mich einige Male räuspern. „Stand das Pferd auf der Weide?“, fragte sie weiter nach. Ich nickte und fuhr fort, „Meine Freundin brachte das Pferd am morgen auf die Weide, wo es einige Stunden später nicht mehr stand, aber das Gatter war merkwürdiger Weise verschlossen“ „Vielleicht ist das Pferd über den Zaun gesprungen, wenn er zu niedrig ist“, überlegte Mrs. Bentley und setzte sich wieder die Kapuze ihres gelben Regenmantels auf, welche ihr durch einem Windstoß nach hinten geweht wurde. „Der Zaun müsste ungefähr anderthalb Meter hoch sein. Normalerweise springen Pferde nicht über die Zäune“, versicherte ich ihr. „Das ist stimmt wohl!“, nickte Fintans Mutter.

 

Wir machten uns an die Arbeit, zu dritt schaufelten wir den Schafsmist in die Schubkarren. Nur Fintan kniete sich wegen seiner Leiste nicht besonders in die Arbeit hinein und setzte sich immer wieder auf eine kleine Holzbank, um sich auszuruhen. „Wisst ihr, ich glaube es fällt auf, wenn ein Pferd plötzlich ohne Besitzer auftaucht und daher bin ich mir sicher, dass es bald einer der Polizei melden wird“, meinte seine Mutter mitten bei der Arbeit und lehnte ihre Mistforke gegen die Stallwand, um einen Augenblick zu verschnaufen. „Ich weiß noch nicht einmal, ob überhaupt die Polizei schon kontaktiert wurde oder mehrere Personen, außer Sandrinas Freunden, davon wissen“, gab ich zu. „Es müssen doch einige davon wissen“, widersprach sie mir, „Bestimmt werden bald Suchzettel ausgehängt und somit werden viele Leute aufmerksam auf das Verschwinden von Colorado“ „Mom, du weißt doch gar nicht, was wirklich hinter Colorados Verschwinden steckt. Vielleicht war es von Arabella selbst inszeniert“, rief Fintan vom anderen Ende des Stalles und klang ein wenig genervt. Auch beim Abendessen und danach, als wir in seinem Zimmer einen Film schauten, bekam ich Colorados Verschwinden einfach nicht aus dem Kopf.  

 

Die Hetzjagd auf Sandrina beginnt

Sandrina litt sehr unter dem Verschwinden von Colorado, den sie in letzter Zeit sehr lieb gewonnen hatte. Beinahe jeden Tag kümmerte sie sich um ihn und brachte ihm bei jedem Besuch einen Apfel oder eine Möhre mit. Nicht einmal ihr Freund Shane konnte sie richtig aufmuntern. Montags beim Mittagessen kam Samantha Wilcox auf sie zu und rempelte Sandrina so, dass sie beinahe ihr Tablett fallen ließ. „Das nächste Mal machst du besser das Gatter zu, bevor dir noch mehrere Pferde durch die Latten gehen!“, fauchte sie gehässig in Sandrinas Richtung. Sandrina verschlug sie Sprache und biss sich auf ihre Lippe. „Verzieh dich, du hast an unserem Tisch nichts zu suchen!“, zischte Greta wütend. „Genau, in der Gegend unseres Tisches ist zickenfreie Zone“, setzte Oli obendrauf. „Mach die Fliege!“, rief ich laut. Samantha drehte sich um und dampfte ab.

 

Erleichtert lächelte uns Sandrina an und setzte sich zwischen Rosy und May. „Sandrina war diejenige, die das Gatter geöffnet hat und Colorado mit einer Möhre ins Freie lockte“, ereiferte sich Arabella laut am Nachbartisch. Ihre Freundinnen stimmten ihr nickend zu. „Diese Ziege spinnt total, jetzt unterstellt sie dir auch noch, dass du ihn von der Weide weggelockt hast!“, empörte sich Rosy. „Das stimmt, die Vorwürfe werden immer schlimmer“, seufzte May. Sandrina biss sich auf die Lippen und stand auf. „Halt, wo willst du hin?“, fragte ich sie und hielt sie am Ärmel fest. „Ich will überall anders sein, aber nicht hier“, sagte Sandrina kurz angebunden, „Ich gehe nach Hause und esse dort eine Kleinigkeit, aber hier werde ich in Zukunft nicht mehr essen“ „Lass dir von diesen dämlichen Kühen nicht gleich den Brei verderben“, meinte Oli und legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter. „Ich weiß, aber ich halte diese fiesen Blicke nicht mehr aus“, jammerte Sandrina, „Seht nur, jeder zweite sieht mich so an, als wäre ich daran schuld“ Mit schnellen Schritten ging sie zur Tür hinaus. Durch das Fenster war zu sehen, wie sie auf ihr Fahrrad stieg und davon fuhr.

 

Sandrina blieb auch am Nachmittag vom Hockeytraining fern. Mit angesäuerter Miene notierte unser Trainer Mr. Jenks ihren Namen als unabgemeldet fehlend. „Wir müssen der Sache auf den Grund kommen“, sagte ich zu meinen Freundinnen, während wir uns warm liefen. „So wie Sandrina von ein paar Leuten beschuldigt wird, geht es auf keine Kuhhaut mehr! Sie und ihre Freundinnen organisieren eine richtige Hetzjagd gegen Sandrina, sodass sie nicht mehr durch die Schule gehen kann, ohne dass sie sich Vorwürfe und blödes Gerede hinter ihrem Rücken anhören muss“, regte sich Oli auf. „Ich habe vorhin Jenny, das Stallmädchen gefragt und sie meinte, dass der Zaun an einer Stelle beschädigt sei. Ich kann mir vorstellen, dass er durch diese Lücke im Zaun entwischt ist“, platzte Rosy mit der Neuigkeit heraus. „Das ist ein eindeutiges Indiz, das Sandrina das Gatter auf gar keinen Fall geöffnet haben kann“, meinte Greta, „Andererseits hing sie sehr an Colorado und deshalb würde sie ihn bestimmt nie im Leben weglaufen lassen“ „Hey, Mädels!“, rief Mr. Jenks streng, „Konzentriert euch, unterhalten könnt ihr euch später noch“

 

Später in der Trinkpause kam unser Trainer noch einmal auf uns zu. „Richtet eurer Freundin aus, dass ich sie für drei Spiele suspendieren werde, wenn sie noch einmal unentschuldigt beim Training fehlt“, sagte er zu uns. „Ich werde es ihr sagen“, erwiderte Rosy und drehte sich wieder zu uns. Während des Trainingspiels war ich so unkonzentriert, dass ich drei gute Torchancen vergab und zweimal meinen Schläger fallen ließ. „Emily, bitte mehr Konzentration!“, rief Mr. Jenks von der Seitenlinie. Gerade als mich wieder umdrehte, spielte mir Lynn den Ball zu. Doch schneller als ich zusehen konnte, nahm mir eine Gegenspielerin den Ball wieder ab.

 

Am späten Nachmittag ging ich mit Rosy, May und Greta zu den Pferden in den Stall, Oli musste noch die Berichtigung für die Englischklausur machen. Die Stalltür ging auf und Arabella stand auf der Stallgasse vor uns. Ich sah im Halbdunkeln, wie sie sich ihr neues Smartphone an ihr Ohr hielt. „Weißt du was, Jenny! Ich hatte gestern ein Date mit Shane, zuerst waren in die Eisdiele und danach gingen in die Musikkneipe. Er ist absolut der heißeste Typ an unserer Schule. Er hat dunkle Haare, blaue Augen und dazu noch einen geilen Body. Er ist wie für mich gemacht!“, schnatterte sie. Ich kochte innerlich, als ich das hörte und musste mich beherrschen, ihr nicht an die Gurgel zu gehen. Shane war Sandrinas Freund! Als Arabella uns bemerkte, drehte sie sich hastig um und machte kehrt. Erst nachdem sie die Stalltür hinter sich geschlossen hatte, fingen wir an uns über sie zu ereifern. „Das ist ja unglaublich, nun versucht Arabella Sandrina ihren Freund auszuspannen!“, regte ich mich auf und schnippte einen Strohhalm weg. „Der Intrigenfüchsin ist beinahe alles zu zumuten! Leider hat sie sich total auf Sandrina eingeschossen und versucht ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen, indem sie ihr auch noch den Freund wegnimmt“, meinte May. „Arabella will es, Arabella quengelt, Arabella kriegt es!“, spottete Greta. „Irgendwie bin ich ganz froh, dass Arabella nicht mehr in unserer Klasse ist“, sagte Rosy. „Haha, dafür haben wir sie rund um die Uhr an den Hacken!“, stöhnte Greta.

 

Am nächsten Tag kam Sandrina erst in der allerletzten Minute, als Miss Greene den Klassenraum aufschloss. „Hey, warum bist du heute so spät dran?“, raunte ich ihr zu. „Ich wollte eine Begegnung mit Arabella und den Zicken am frühen Morgen aus dem Weg gehen“, erwiderte sie atemlos und ließ sich auf ihrem Platz in der Reihe vor mir nieder. „Lass dich von den Ziegen nicht verrückt machen“, gab ihr Rosy, die neben ihr saß, den Tipp. Sandrina nickte nur und nagte an ihrem Daumenagel. Wir legten unsere Mathehefte auf den Tisch, da Miss Greene vor jeder Stunde die Hausaufgaben kontrollierte. „Sandrina, wo sind deine Hausaufgaben?“, unsere Klassenlehrerin blieb vor ihrem Tisch stehen und sah ihr streng in die Augen. „Ich dachte, wir sollten die Nummer 8 auf der Seite 45 machen“, erwiderte Sandrina verunsichert. „Nein, ich habe an die Tafel geschrieben, ihr solltet die 8 auf Seite 54 machen“, meinte Miss Greene. „Sorry, ich habe es falsch von der Tafel abgeschrieben“, sagte Sandrina kleinlaut und wurde ein wenig rot. Im Hintergrund fingen Alison, Isabel-Janet und Rachel an zu kichern. „Was soll das?“, fragte Miss Greene streng. Sofort verstummte das Gekicher, aber dennoch war es Sandrina anzusehen, dass sie getroffen war. Auf einmal klopfte es an der Tür und Mr. Scott stand im Türrahmen. Er bat Sandrina kurz in sein Büro zu kommen.

 

„Oh je, wird sie jetzt doch beschuldigt, dass sie das Gatter geöffnet hat, damit Colorado weglaufen konnte“, wisperte Rosy entsetzt. „Ja, natürlich und jetzt wird sie dafür von der Schule fliegen!“, flüsterte Alison gehässig. „Halt die Klappe!“, zischten Oli und ich gleichzeitig. Wenig später kam Sandrina mit einem erleichterten Gesichtsausdruck zurück.

In der Pause erzählte sie uns, dass Colorado einem Bauern in der Umgebung zugelaufen war. „Mr. Scott ist überzeugt, dass ich nichts mit seinem Verschwinden zu tun habe. Erstens war ich bei dem Zeitpunkt, wo Colorado verschwand nicht auf dem Schulgelände und zweitens er ist durch eine beschädigte Stelle im Zaun abgehauen“, berichtete sie uns. „War Arabella auch bei dem Gespräch gerade eben dabei gewesen?“, fragte ich. Sandrina nickte, „Sie hat sich fürchterlich aufgeregt, als Mr. Scott ihr nicht geglaubt hat und sie beschuldigt hat, dass sie mir Dinge in die Schuhe schiebt, die nicht wahr sind“ „Jetzt hat es endlich die Richtige erwischt, die den Ärger bekommt. Denn wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!“, grinste Oli und legte Sandrina lässig den Arm um die Schulter.

 

Beim Mittagessen empfingen Arabella, Stella, Natascha und zwei ihrer Freundinnen Sandrina mit herablassenden Blicken und fingen an zu kichern. Gerade als Sandrina sich setzen wollte, kam Lia-Mary von hinten und zog ihr den Stuhl weg. Greta konnte Sandrina gerade noch festhalten. „Was soll das?“, rief Sandrina wütend. „Haben wir etwas gemacht?“, erwiderte Francis. „Natürlich, ihr habt ihr den Stuhl weggezogen“, rief ich wütend und baute mich vor dem Zickentisch auf. „Jetzt werde nicht so frech, Emily!“, versuchte Stella mich zu beschwichtigen. Bevor ich eine Antwort geben konnte, baute sich Oli neben mir auf. „Wenn es einen Zauber gäbe, bei dem sich fiese Mädchen in Luft auflösen“, begann meine Freundin und machte eine kleine Pause, „Dann würde niemand mehr an eurem Tisch sitzen“ Arabella und ihre Freundinnen waren so perplex, dass es ihnen die Sprache verschlug. Sandrina musste plötzlich grinsen und sah dankend in Olis Richtung. Mitten beim Essen fingen die Mädchen am Nachbartisch wieder an, schlecht über Sandrina zu reden. „Mach dir nichts draus!“, versuchte May sie zu trösten. Langsam stand Sandrina auf und ging zum Zickentisch. „Was habt ihr gegen mich? Ich bin weder an Colorados Verschwinden Schuld gewesen, noch habe ich euch etwas getan“, sagte sie langsam und betont. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Arabella Sandrina zu sich hin zog und ihr etwas leise ins Ohr flüsterte. Mit Tränen in den Augen setzte sich Sandrina auf ihrem Platz zurück und stocherte lustlos in ihrem Essen herum. „Was ist los?“, fragte ich überrascht. „Ach nichts!“, erwiderte Sandrina und wischte sich eine Träne von der Wange, die ihr plötzlich hinunter kullerte. „Mit dir kann etwas nicht in Ordnung sein. Wir sehen doch, dass du weinst“, meinte Greta und nahm sie in den Arm.

 

Sandrina brach richtig in Tränen aus. „Es ist so, dass Arabella mit erzählt hat, dass Shane mich nicht mehr liebt und gar nichts mehr von mir will“, schluchzte sie auf. „Komm kurz mit nach draußen, ich muss dir unbedingt etwas Wichtiges erzählen“, sagte ich zu ihr. „Wohin willst du mit mir gehen?“, fragte Sandrina mit zittriger Stimme. „An einen Ort, wo uns niemand hört“, erwiderte ich und hakte mich bei ihr unter. Wir gingen zur Hintertür raus zu den Fahrradständern. „Gestern haben wir mitbekommen, dass Shane ausgerechnet mit Arabella ein Date hatte“, offenbarte ich ihr. „Stimmt das wirklich?“, Sandrina sah noch verletzter aus als gerade eben. „Ich befürchte, Shane hat sich von der dummen Ziege um den Finger wickeln lassen“, fuhr ich fort. „Hast du mitbekommen, was Shane über mich gesagt hat?“, wollte meine Freundin wissen. „Ich habe nichts mitbekommen, da ich in letzter Zeit kaum mit Shane gesprochen habe“, zuckte ich mit den Achseln. Eine Zeit lang standen wir uns gegenüber und schwiegen. Dann sagte ich schließlich, „Ich glaube nicht daran, dass er dich nicht mehr liebt. Es ist so, dass Arabella ihn versucht dir auszuspannen. Sie steht ebenfalls auf ihn“ „Das ist ihr zu zutrauen, denn sie ist danach aus, mir alles kaputt zu machen. Zudem kann ich Shane auch nicht mehr trauen, er hat sich auf ein Date mit Arabella eingelassen und ohne, dass ich davon etwas wusste“, Sandrinas dunklen Augen verengten sich zu engen Schlitzen. „Steck nicht zu früh den Kopf in den Sand!“, versuchte ich sie aufzumuntern, „Wir werden versuchen heraus zu finden, was nun wirklich Sache ist“ „Gott sei Dank, dass ich wenigstens so gute Freundinnen wie euch habe“, plötzlich konnte Sandrina wieder lächeln und wischte sich die letzten Tränen weg. 

 

Nach dem Springtraining traf ich mich mit Fintan im Gemeinschaftsraum. Ich überredete ihn dazu, noch einen kurzen Spaziergang zu machen, obwohl es schon dunkel war und der Wind uns den Regen ins Gesicht peitschte. „Ich muss dich unbedingt etwas Wichtiges fragen“, begann ich, während wir die Allee entlang gingen. „Was gibt’s Neues?“, fragte mein Freund überrascht und griff nach meiner Hand. „Weißt du, was zwischen Sandrina und Shane los ist?“, fragte ich. „Mir ist heute Morgen schon aufgefallen, dass sie nicht miteinander geredet haben und gestern hat er mir beiläufig erzählt, dass er mit Arabella ausgegangen ist. Angeblich soll sie ihm erzählt haben, dass Sandrina sich in Emil verguckt hat“, erwiderte er. „So ein Blödsinn!“, entfuhr es mir, „Das ist doch gar nicht wahr, sie liebt ihn immer noch. Sag es deinem Kumpel, dass Arabella nur Müll erzählt, um sie auseinander zu bringen. Arabella will sich ihn natürlich selbst angeln!“ „Ja, ich werde nachher noch mit ihm reden“, nickte Fintan. Mit einem Blick auf seine Uhr, stellte er fest, dass wir schleunigst zurückgehen mussten, damit wir nicht zu spät zum Abendessen kamen. Im Essensraum trafen wir Shane an, der vor dem Essen mit Jacob und Emil eine Runde Skat spielte. Wir sagten ihm bescheid, dass wir uns nach dem Abendbrot mit ihm in Fintans Zimmer treffen wollten. „Was habt ihr gleich noch vor?“, fragte Oli in die Runde, „Wollt ihr eine Partie Tischtennis spielen?“ Rosy, Greta und May nickten begeistert. „Was ist mit dir, Emmi?“, fragten mich meine Freundinnen. „Ne, ich kann heute Abend leider nicht mitspielen“, schüttelte ich den Kopf. „Wieso denn nicht?“, bohrte Oli nach. „Fintan und ich werden gleich Shane fragen, was zwischen ihm und Sandrina Sache ist“, antwortete ich. „Es wäre so schade, wenn Arabella die Liebe zwischen den Beiden kaputt macht“, meinte Rosy. „In meinen Augen gehören sie zusammen, egal was momentan passiert ist“, bekräftigte Greta.

 

Gleich nach dem Abendbrot verschwanden wir in Fintans Zimmer. „Shane, setz dich ruhig auf mein Bett oder auf den Schreibtischstuhl“, sagte Fintan und fuhr fort, „Wir wollten dich fragen, wie es momentan zwischen dir und Sandrina aussieht. Habt ihr euch gestritten?“ „Nein, wir haben uns gar nicht gestritten“, verneinte Shane sofort. „Du warst doch mit Arabella ausgegangen, stimmt’s?“, übernahm ich das Wort. „Ja, wir waren einen Abend zusammen weg und ich finde Arabella wirklich ganz nett, aber das heißt längst nicht, dass wir etwas Ernstes miteinander hatten. Es war so, dass Arabella behauptet hatte, dass Sandrina mit Emil geschmust hat. Daraufhin habe ich gedacht, dass sie mich hintergangen hat und bin ihr aus dem Weg gegangen“, versuchte uns Shane zu erklären. „Ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt“, setzte ich an. „Was willst du mir sagen?“, unterbrach mich Shane unwirsch. „Sandrina hatte gar nichts mit Emil, sie unterhält sich manchmal nur nett mit ihm, weil sie sich gut verstehen“, fuhr ich fort. „Bist du schon auf den Gedanken gekommen, dass Arabella Sandrina übel mitspielen will?“, meldete sich Fintan wieder zu Wort, „Da du neu bist und sie nur flüchtig kennst, kann ich verstehen, dass du von ihrer Intrigenspinnerei nichts weißt. Ich selber kann dich nur vor ihr warnen, denn ich war auch ein paar Monate mit Arabella zusammen und am Ende hat sie mich betrogen“

 

„Wen magst du lieber, Sandrina oder Arabella?“, stellte ich Shane die nächste Frage. Ich sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er sich so fühlte, als wäre er bei einem Verhör. „Ich mag vom Aussehen her beide, aber Sandrina doch noch ein wenig lieber, weil sie authentischer wirkt“, sagte er schließlich. „Sag Sandrina morgen, dass das Date mit Arabella nichts Ernstes war und du sie lieber magst als Arabella“, riet Fintan ihm. „Du musst morgen unbedingt mit ihr sprechen, denn sie fühlte sich hundeelend, als sie erfuhr, dass du mit Arabella ausgegangen bist“, betonte ich. Shane ging einen Moment in sich und sagte, „Morgen werde ich ihr beim Mittagessen ein Liebesgeständnis vor dem ganzen Jahrgang machen“ „Das ist doch was!“, bemerkte ich anerkennend. „Wisst ihr, ich bin froh, dass ihr mich über Arabella aufgeklärt habt. Jetzt weiß ich, was für einen miesen Charakter sie hat und werde ihr aus dem Weg gehen“, meinte Shane.

 

 

 

Ein böser beste Freundinnenstreit

Im November regnete es oft und raue Windböen fegten über das Land. Draußen war es dunkel, der Wind heulte und der Regen klatschte gegen die Fensterscheiben. Drinnen, in unserem Zimmer, machten meine Freundinnen und ich uns gemütlich. Ich saß zwischen Oli und Sandrina auf einem alten Ledersofa, während Greta und May sich zu zweit ihren Platz auf dem Ohrensessel teilten. Oli hatte vorgeschlagen, nachdem die ganzen Klausuren geschrieben worden waren, uns einen gemütlichen Mädelsabend in unserem Zimmer zu machen. Gleichzeitig wollte sie ihren achtzehnten Geburtstag nachfeiern, wofür während der Klausurenphase kaum Zeit war. Greta und May brachten eine Kanne heiße Schokolade mit und Sandrina hatte eine große Box Tiramisu mitgebracht. Ich stellte eine Schüssel mit Süßigkeiten auf den Couchtisch, die mir mein Freund vor kurzem geschenkt hatte. „Wo bleibt Rosy eigentlich?“, fragte sich Oli. „Ich habe sie seit dem Abendbrot nicht mehr gesehen“, zuckte ich mit den Achseln. „Bestimmt ist sie noch mal zu den Pferden gegangen“, vermutete Greta. „Ich meine, sie hat mir beim Mittagessen gesagt, sie wolle heute Abend ein bisschen später kommen“, erinnerte sich May. „Was heißt ein wenig später?“, unterbrach Oli sie, „Das können fünf Minuten, eine Viertelstunde oder gleich eine ganze Stunde später sein“ „Sie ist garantiert nicht zu den Pferden gegangen“, schüttelte ich den Kopf, „Seht euch das Wetter an, da gehen noch nicht einmal Hunde freiwillig zum Spazieren vor die Tür“ „Willst du vielleicht im Gemeinschaftsraum nachsehen, Emmi?“, schlug Sandrina vor. „Ich weiß allerdings nicht, warum sie ausgerechnet, jetzt dort sein sollte“, zuckte Greta mit der Schulter. „Ich mach mich eben auf den Weg!“, ich sprang auf und verließ das Zimmer.

 

Unten im Gemeinschaftsraum und im benachbarten Hobbyraum waren nicht mehr besonders viele Schüler. Matthew, Jacob, Dave, Morten und Mike hatten einen Tisch für sich reserviert und spielten ein Kartenspiel. Im Hobbyraum standen Sergio, Tiago, Patrick und Ivan um den Billardtisch herum. Schließlich entdeckte ich meine Freundin, die zusammen mit Isabel-Janet, sie saßen auf dem Sofa neben dem Meerschweinchenkäfig. Beide Mädchen schauten erschrocken auf, als sie mich sahen. „Wolltest du nicht langsam kommen, Rosy?“, fragte ich meine Freundin. „Ich habe May doch vorhin gesagt, dass ich ein wenig später komme“, antwortete sie mir und sah mich an, als ob ich sie und Isabel-Janet nur stören würde. Nun bemerkte ich, dass Isabel-Janet rote und aufgequollene Augen hatte, offensichtlich hatte sie geweint. „Was los mit dir?“, fragte ich sie besorgt. „Dad hat uns gerade angerufen, dass er und Mom sich scheiden lassen. Meine Schwester hat daraufhin ihre miese Laune an mir ausgelassen und irgendwann habe ich es nicht mehr in meinem Zimmer ausgehalten“, schniefte Isabel-Janet in ihr Taschentuch. „Das tut mir leid für dich!“, ich setzte mich neben ihr und legte ihr die Hand auf den Arm. Erneut liefen ihr Tränen über das Gesicht. „Mom wird wieder zurück nach England ziehen, während mein Dad mit uns hier bleiben wird. Wir werden Mom kaum noch sehen“, sagte sie mit belegter Stimme. „Mein Dad lebt auch alleine, aber das liegt daran, dass meine Mutter vor zwei Jahren gestorben ist. Im Gegensatz zu mir hast du eine Mutter, auch wenn du sie nicht mehr oft sehen kannst. Ich werde meine Mutter nie wieder sehen, mir bleiben nur noch Bilder, Videos und Erinnerungen an sie“, meinte Worte konnten Isabel-Janet ein wenig aufmuntern. „Unsere Mom ist Engländerin und mein Vater Ire“, erzählte sie Rosy und mir, „Bis zu den Sommerferien sind wir auf eine englische Privatschule gegangen, aber dann ist mein Vater mit unserer Familie in seine Heimatstadt zurückgekehrt und er bestand darauf, dass wir hier zu Schule gehen. Seiner Meinung nach, ist das beste Sportinternat mit einer ausgezeichneten Talentförderung weit und breit“

 

„Ich bin froh, dass ich hier zur Schule gehen kann“, redete Rosy auf sie ein, „Ich bin hier nur wegen meines Stipendiums. Meine Eltern könnten sich die Internatskosten gar nicht leisten, insofern war das Stipendium das größte Geschenk meines Lebens. Ich hatte am Anfang auch meine Probleme hier und war ständig alleine, aber doch als ich mich geöffnet habe und mein wahres Ich gezeigt habe, fand ich in diesem Internat meine besten Freundinnen, die ich jemals hatte“ „Eigentlich hatten meine Schwester und ich vornherein vor, dieses Internat so schnell wie möglich zu verlassen. In unserer alten Schule haben wir uns richtig wohl gefühlt, schrieben gute Noten und hatten viele Freundinnen. Hier ist alles ganz anders und ich habe das Gefühl, dass wir nicht hier her gehören“, erzählte Isabel-Janet. „Es ist nicht so, als ob wir euch keine Chance geben würden“, begann ich. „Das sehe ich ganz anders, ein paar von euren Freunden machen uns das Leben schwer, ganz besonders diese Olivia“, unterbrach mich Isabel-Janet. „Lass Emily doch erst einmal ausreden!“, sagte Rosy zu Isabel-Janet. „Wir wollen, dass ihr dazugehört, aber dazu müsst ihr euch auch uns gegenüber öffnen“, sagte ich und sah meiner Mitschülerin in die Augen. „Wenn meine Schwester mitbekommt, dass ich mich mit euch unterhalte, wird sie mir den Hals umdrehen. Anfangs wollte ich auch nichts mit dieser Klasse zu tun haben, doch nun merke ich, wie sehr es wehtut, von allen anderen geschnitten zu werden. Alison versucht immer noch verkrampft mich von euch weg zu halten“, hielt uns Isabel-Janet entgegen. „Warum lässt du dir das von deiner großen Schwester bieten?“, entgegnete ich ihr. „Ich weiß es manchmal auch nicht“, zuckte sie ratlos mit der Schulter.

 

„Mensch, wo bleibt ihr nur? Ich dachte schon, der Erdboden hätte euch schon verschluckt“, mit hochrotem Kopf steckte Oli ihren Kopf in den Gemeinschaftsraum. „Sorry, das tut uns wirklich leid, dass wir dich so langen warten gelassen haben!“, entschuldigte Rosy sich sofort. „Hast du nicht gemerkt, dass eine halbe Stunde vergangen ist“, wandte sich Oli an mich und zog die Augenbrauen hoch. „Nein, wir haben uns gerade mit Isabel-Janet unterhalten“, sagte ich. „Aha!“, stieß meine beste Freundin verächtlich aus und verdrehte die Augen. „Ja, wir kommen schon. Mach dir bloß keine Sorgen, Oli! Ich habe nicht vergessen, dass du heute deinen Geburtstag nachfeierst“, rief Rosy beschwichtigend. Unsere Freundin konnte richtig unangenehm werden, wenn sie verärgert war. „Kommt mit!“, sagte sie zu uns, dabei hakte sich mich und Rosy unter. Isabel-Janet sah mir unglücklich hinterher, als ich mich vor der Tür noch einmal zu ihr umdrehte.

 

„Halleluja, unsere beiden Vermissten sind wieder da!“, empfing uns Greta und sprang mit ausgebreiteten Armen von dem Sessel auf. „Wieso hat das so lange gedauert?“, fragte uns May. „Weil Emmi und Rosy sich ausgiebig mit Isabel-Janet unterhalten haben“, antwortete Oli. Ihre Stimme triefte vor Hohn und Spott. „Was soll daran schlimm sein?“, rief Rosy und klang ein wenig beleidigt. „Ich frage mich generell, wie man sich mit den Burton-Schwester abgeben kann. Sie sind mittlerweile schon an der ganzen Schule wegen ihrer miesepetrigen Laune verschrien“, meinte Greta herablassend. „Ich weiß ganz genau, warum sie die ganze Zeit schlechte Laune haben“, begann ich und biss mir auf die Zunge, da ich meinen Freundinnen nichts davon erzählen wollte, dass sich die Eltern der Burton-Schwester haben scheiden lassen. „Aha!“, stieß Oli hervor, „und wieso willst du uns nichts erzählen? Wir sind doch deine wahren Freundinnen und niemand anderes. Mir ist gerade eben eure Heimlichtuerei schon negativ aufgefallen“ „Schlicht und ergreifend, es geht niemanden etwas an!“, erwiderte ich trocken. Oli funkelte mich wütend an und drehte sich von mir weg.

 

Donnerstags im Kunstkurs platzte die Bombe richtig. Miss Antony, die junge Kunstlehrerin, hatte mit uns vor Skulpturen aus Holz und Draht anzufertigen, um sie im Foyer auszustellen. Während der Mittagspause fing mich Isabel-Janet auf dem Flur ab. „Magst du in Kunst mit mir zusammenarbeiten?“, fragte sie mich. „Von mir aus!“, nickte ich. Ich war erstaunt, dass sie mich fragte, da sie sonst jede Partnerarbeit mit ihrer Schwester zusammen machte. Es klingelte, ich nahm meine Sachen und ging die Treppe in den ersten Stock zum Kunstraum hinauf. „Halt, warte auf mich!“, Isabel-Janet holte mich mit großen Schritten ein. „Hast du schon eine Idee für eine Skulptur?“, fragte sie mich. „Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht“, zuckte ich mit den Achseln und setzte mich auf meinen angestammten Platz. „Kann ich mich an den freien Tisch links von dir sitzen?“, fragte mich meine Mitschülerin. Ich nickte nur, während ich meine Sachen auf den Tisch stellte. Oli, Sandrina und Greta saßen eine Reihe hinter uns. „Seit wann ist Emily so dicke mit Isabel-Janet?“, hörte ich einer meiner Freundinnen wispern. Ich blendete das Getuschel hinter meinem Rücken aus und konzentrierte mich lieber auf Miss Antonys Worte. Sie notierte sich, wer mit wem zusammenarbeitete.

 

Isabel-Janet stieß mich an und wir zeigten zu zweit auf. „Wir beide würden sehr gerne zusammenarbeiten“, sagte Isabel-Janet und zeigte auf mich. Als nächstes meldeten sich Greta und Sandrina, die zusammen arbeiten wollten. Ganz zum Schluss blieben nur noch Oli und Alison übrig. Keine von beiden war begeistert, dass sie nun zusammenarbeiten mussten. Beleidigt verschränkte Oli die Arme vor ihrer Brust. Alison schaute nur aus dem Fenster und flocht sich kleine Zöpfe in ihre roten Haare. „Es gibt im Leben manchmal Momente, da muss man in den sauren Apfel beißen“, meinte Miss Antony und sah beide Mädchen durchdringend an, „Ihr habt es euch beide nicht ausgesucht, aber wollt ihr trotzdem nicht zusammenzuarbeiten?“ „Von mir aus“, antwortete Oli zaghaft. Alison nickte nur stumm mit dem Kopf und drehte sich gleich wieder weg. Neben mir fing Isabel-Janet an mehrere Skizzen auf ein weißes Blatt Papier zu zeichnen. Sie war wirklich eine begabte Zeichnerin, was ich nie im Leben von ihr erwartet hätte. Mir gefielen drei ihrer Vorschläge sehr gut und wir konnten uns nur schwer zwischen Einhorn und Seeungeheuer entscheiden. Schließlich fanden wir doch, dass das Einhorn besser zu uns passte. In Windeseile fertigte Isabel-Janet eine noch genauere Skizze von unserer zukünftigen Skulptur an. „Wenn wir deine Skizze eins zu eins umsetzen könnten, wäre unsere Skulptur der Hammer!“, raunte ich meiner Mitschülerin zu. Oli und Alison hockten eine Reihe vor uns wortlos nebeneinander und hatten noch keinen einzigen Strich zu Papier gebracht. Auch noch nicht, als es zum Ende der Stunde klingelte.

 

Direkt nach der Stunde fing mich Oli mit Zornesfalten im Gesicht ab. „Was hast du dir dabei gedacht, mich vor versammelter Mannschaft so aus zu boten?“, herrschte sie mich zornig an und stieß mich unsanft gegen die Feuerschutztür. „Isabel-Janet hat mich schon in der Mittagspause gefragt, ob wir nicht zusammenarbeiten könnten. Ich wollte sie nicht abweisen, da ich ihr helfen möchte, dass sie sich besser bei uns einlebt“, verteidigte ich mich. Auf dem ganzen Weg in unser Zimmer ließ meine Freundin die schlechte Laune an mir raus. „Bist du meine beste Freundin oder tust du nur so?“, Oli setzte sich auf ihr Bett und verschränkte ihre Arme vor sich, dabei durchbohrten mich ihre finsteren Blicke. „Natürlich bin ich das!“, rief ich und klang beinahe empört. „Wieso klebst du seit Tagen mit Isabel-Janet zusammen?“, warf sie mir an den Kopf. Mir blieb die Antwort im Hals stecken. „Ich stelle dich vor eine Entscheidung, entweder du bist mit uns befreundet oder mit den Burton-Schwestern“, fuhr Oli mit frostiger Stimme fort. „Ich will mit euch beiden befreundet sein, versteh das endlich!“, sagte ich bestimmt. „Ich verstehe, du willst lieber mit Isabel-Janet dicke befreundet sein als mit uns“, setzte mir Oli weiter mit ihrer spitzen Zunge zu.

 

Nun platzte mir endgültig der Kragen. Ich baute mich wütend vor meiner Freundin auf. „Du hast nicht zu bestimmen, mit wem ich befreundet bin! Halte dich gefälligst raus!“, schrie ich sie an. „Ne tolle Freundin bist du!“, brüllte Oli zurück, „Du lässt mich einfach so für irgendwelche Außenseiterinnen stehen, schaust mich seit einiger Zeit nicht mehr mit dem Hintern an und sowas nennt sich dann auch noch beste Freundin!“ „Wenn du meinst, so über mich bestimmen zu können und mich wie einen Hund zu behandeln, kannst du unsere Freundschaft vergessen!“, rief ich wütend. „Ich habe immerhin noch Greta, Sandrina, Rosy und May, während du bald genauso unbeliebt wie die Burton-Schwestern sein wirst und du von uns gemieden wirst!“, schoss sie zurück. „Du kannst mir den Buckel runter rutschen, du blöde Kuh!“, ich sprang auf und sprintete zur Tür. Mit einem lauten Knall schlug ich sie hinter mir zu. Von außen hörte ich, wie ein Buch oder so ein ähnlicher Gegenstand gegen die Tür flog.

 

„Hey, was ist mit dir los?“, plötzlich stand Lucien vor mir und legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter. „Ich habe einfach nur miese Laune“, antwortete ich knapp. „Schlechte Laune kann eigentlich nie von alleine kommen“, entgegnete er mir, „Es wird sicherlich einen Grund geben, wieso du so wütend bist“ Ich beschloss nach kurzem Zögern ihm die ganze Wahrheit zu erzählen. „Ich habe mich mit vorhin heftig mit Oli gestritten, weil ich in Kunst mit Isabel-Janet zusammenarbeite, anstatt mit ihr und sie das Gefühl hat, dass sie für mich nicht mehr wichtig genug ist“, berichtete ich. Meine Wangen waren immer noch gerötet. „Was hältst du davon, wenn wir einfach eine halbe Stunde spazieren gehen?“, schlug er vor, „Dann sieht die Welt vermutlich wieder ganz anders aus“ „Von mir aus gerne“, nickte ich. Doch dann fiel mir ein, dass meine Jacke noch in meinem Zimmer hing und ich gerade keine Lust hatte den Fuß dort hinein zu setzen. „Lass uns doch lieber drinnen bleiben, ich habe gerade keine Lust die Jacke aus meinem Zimmer zu gehen“, lehnte ich ab. „Das kann ich doch eben für dich machen, das ist kein Ding!“, meinte Lucien. „Danke!“, erwiderte ich und lehnte mich gegen die Wand. Einen kurzen Moment später kam er mit meiner Jacke in der Hand wieder. Während ich sie überzog, legte er mir erneut den Arm um die Schulter und zog mich zu sich hin.

 

Draußen an der frischen Luft ging es mir viel besser. „Manchmal habe ich mit meinen Zimmernachbarn auch Streit“, erzählte Lucien, „Doch meist ist das Ganze nach spätestens zwei Stunden vergessen und wir reden wieder normal miteinander. Das wird bei dir und Oli nicht anders sein“ „So wie wir uns gestritten haben, werden wir uns einige Tage nicht mehr angucken können. Wir haben uns gezofft, so dass die Fetzen geflogen sind“, entgegnete ich ihm. Schweigend gingen wir am Weidezaun entlang. Auf einmal legte er die Arme um mich und ich spürte wieder dieses Kribbeln im Bauch. „Wäre ich vorhin nicht so ausgerastet, sonst würde die Versöhnung garantiert leichter sein!“, bedauerte ich. „Du bist zu Recht ausgerast, schließlich musstest du ihr die Meinung sagen. Du musst es dir nicht bieten lassen, dass andere Personen über deine Freundschaften bestimmen, Emily!“, bestärkte er mich. Aus heiterem Himmel überkam mich der Wunsch ihn zu küssen, nur dass ich bereits einen Freund hatte, hielt mich davon ab. Trotzdem strahlte er das Gefühl der Geborgenheit aus wie kein anderer. „Ich will nicht immer den ersten Schritt machen, wenn wir uns gestritten haben“, klagte ich, „Jedes Mal wenn wir einen kleinen Streit hatten, bestand Oli darauf, dass ich den ersten Schritt gemacht habe. Sie von sich aus nur ungern nach“ „Ihr müsst beide einen Schritt aufeinander zu machen, doch zuvor müsst ihr hinterfragen, was ihr verkehrt gemacht habt und wie sich der Streit aufgebauscht hat“, erklärte Lucien mir, „Ich mache es mit meinen Freunden nicht anders. Bei einem Konflikt gehören meist zwei dazu, da beide dazu betragen, dass sich der Streit zuspitzt“

 

Beim Abendbrot setzte sich Oli mit Greta und May zu Darcy an den Tisch. Rosy und ich holten Isabel-Janet zu uns. Alison zischte etwas Unverständliches und schaute uns wütend hinterher, obwohl wir ihr einen Platz an unserem Tisch angeboten haben. „Ich habe mitbekommen, dass du dich mit Oli gestritten hast“, flüsterte mir Rosy leise zu. „Ja, ich frag mich, wie ich es mit ihr noch in einem Zimmer aushalten soll“, erwiderte ich mit Flüsterstimme. „So schlimm kann der Streit doch gar nicht gewesen sein?“, kopfschüttelnd sah mich meine Freundin an, „Du und Oli, ihr war doch immer beste Freundinnen und einfach unzertrennlich“ „Das wird jetzt der Vergangenheit angehören, denn ich lass mir von dieser Ziege nichts mehr diktieren“, sagte ich kurz angebunden und biss in mein Salamisandwich. „Nein, das kann ich dir nicht glauben“, ungläubig schaute mir Rosy fest in die Augen, „Wenn ihr euch nicht von alleine vertragt, werde ich dafür sorgen, dass ihr wieder Freundinnen seid“

 

„Was hat Olivia dagegen, dass ich mich mit euch anfreunde?“, fragte Isabel-Janet. „Wir wissen es auch nicht!“, zuckte Rosy ratlos mit den Achseln. „Wahrscheinlich hat sie Angst, dass du ihr die Freundinnen ausspannen könntest“, vermutete ich. „Ich habe nicht vor, irgendjemanden die Freunde ausspannen!“, sagte Isabel-Janet betont und schaute mich einen Moment lang empört an. „Macht es euch etwas aus, wenn ich mich gleich zu Oli und Greta setze?“, fragte Rosy. Schon die ganze Zeit beobachtete ich, wie sie unauffällig in die Richtung von Oli und ihren Freundinnen schaute. „Na gut, von mir aus kannst du gehen“, nickte ich. Während Rosy sich mit den anderen Freundinnen unterhielt, setzte ich mich mit Isabel-Janet auf das Sofa am anderen Ende des Raumes und holten zwei der Meerschweinchen aus dem Stall. Alison ging an uns vorbei und warf ihrer Schwester einen fiesen Blick zu. „Alison mag es gar nicht, dass ich mit einer Person hier anfreunde, aber das ist mir jetzt egal“, wisperte Isabel-Janet und kraulte Mickeys weiches Fell. „Lass dir nicht die Entscheidungen von einer anderen Person abnehmen, mit wem du befreundest sein sollst! Such dir deine Freunde selber aus!“, bestärkte ich sie.

 

Kurz vor der Nachtruhe war Oli immer nicht in unserem Zimmer. „Ich mach schon einmal das Licht aus“, gähnte Rosy. „Mach das von mir aus, ich bin auch hundmüde“, murmelte ich und kuschelte mich in meine Bettdecke. Ich warf noch einen letzten Blick auf meinen Wecker, es war bereits Viertel nach zehn und innerhalb der Woche galt die Nachtruhe ab zehn Uhr. „Mir ist es jetzt egal, ob sie noch kommt, ich will jetzt schlafen“, murrte ich. „Ich mache eben Licht aus“, Rosy stand auf und löschte das Licht. Ich gähnte lang gezogen, drehte mich auf die Seite und schlief beinahe sofort ein. Gerade als ich in einen Traum versunken war, wurde ich auf einmal aus dem Schlaf gerissen. Oli stand mitten im Zimmer, sie hatte das Licht angemacht und warf mit einem lauten Rumms die Tür hinter sich zu. „Mensch, musst du so laut sein und das Licht anmachen!“, herrschte ich sie an. „Was geht es dich an, wann ich zu Bett gehe“, erwiderte sie schnippisch. Mein Wecker zeigte bereits halb zwölf an. „Du hättest seit anderthalb Stunden hier sein müssen. Sei froh, dass du der Hausmutter um diese Uhrzeit nicht mehr auf dem Flur begegnet bist, sonst hätte es wohl einen Rieseneinlauf gegeben“, wies ich sie zurecht.

 

„Hey, hört auf zu streiten!“, mischte sich Rosy ein, nun war auch sie hellwach und richtete sich in ihrem Bett auf. „Sie hat damit angefangen“, mit ihrem spitzen Zeigefinger zeigte Oli auf mich. Ich musste mich beherrschen, um nicht noch einmal einen Streit mit ihr anzufangen. „Es ist egal, wer von euch angefangen hat, ich will einfach nur schlafen. Morgen lässt uns die alte Mamsell wieder einen Vokabeltest schreiben und daher will ich ausgeschlafen sein“, murrte Rosy. Sie zog sich die Decke über den Kopf, sodass nur noch ihre blonden Locken zu sehen waren. Oli schlappte zum Lichtschalter und knipste die Lampe aus. Ohne uns gute Nacht zu wünschen, ließ sie sich auf ihr Bett fallen und kickte ihre Hausschuhe gegen den Schrank. „Sei endlich leise!“, wisperte ich genervt und drehte mich wieder auf die Seite. Oli schnalzte daraufhin nur zickig mit der Zunge. Ich seufzte leise und wieder hatte ich dieses merkwürdige Gefühl im Magen. Mit der besten Freundin im Clinch zu liegen, war für mich kein Zuckerschlecken. „Wie halte ich es mit ihr noch länger zusammen in einem Zimmer aus?“, dachte ich angestrengt nach. Plötzlich verspürte ich den Wunsch mich wieder mit ihr zu vertragen, aber anderseits hatte ich die Schnauze voll davon, dass sie mich in letzter Zeit wie einen Hund behandelte. Auf der anderen Seite ließ mich der Streit nicht einschlafen. Ich wälzte mich die halbe Nacht schlaflos in meinem Bett von der einen auf die andere Seite und konnte erst sehr später wieder einschlafen.

 

Oli und ich gingen uns auch einige Tage nach dem Streit aus dem Weg und redeten nur miteinander, wenn es notwendig war. Niemand von uns wagte es, den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen. Außerdem mochte sie es immer noch nicht akzeptieren, dass ich viel Zeit mit Isabel-Janet verbrachte. Rosy stand eher mehr auf meiner Seite, obwohl sie Oli ungern vor den Kopf stoßen wollte. Greta, May und Sandrina waren sich unschlüssig, auf welcher Seite sie stehen wollten und hielten zu uns beiden Distanz.

Beim Hockeytraining am Montagnachmittag kam es zum nächsten Eklat, Mr. Jenks ließ uns die letzte halbe Stunde ein Trainingspiel sieben gegen sieben spielen. Meine Freundinnen und auch Oli spielten in der gegnerischen Mannschaft. „Lauf, Emily!“, rief Mailina, eine Schülerin aus der ersten Klasse und flankte zu mir in die Mitte. Ich nahm den Ball geschickt mit meinem Schläger an, machte eine Körpertäuschung und zog an der Gegenspielerin vorbei. Gerade als ich auf das Tor zielen wollte, spürte ich, wie mir von hinten die Beine weggezogen wurden.

 

Mit einem harten Aufprall schlug ich auf dem harten Boden auf und im nächsten Moment fuhr mir ein stechender Schmerz durch den rechten Knöchel. Es war Oli gewesen, die mich absichtlich gefoult hatte, damit ich nicht zum Schuss kam. Im nächsten Moment hörte ich die Pfeife unseres Trainers. „Olivia, was soll das?“, rief er erbost, „Du kannst doch nicht deine eigene Teamkollegin so niederstrecken, ihr spielt bei den Turnieren an den Wochenenden in einer Mannschaft. Willst du, dass sich Emily eine Verletzung zuzieht?“ Oli starrte ihn wortkarg und schluckte ihre Antwort hinunter. Zur Strafe setzte Mr. Jenks sie auf die Bank und ließ Daisy für sie spielen. „Komm, steh auf!“, Dylan hielt mir die Hand und half mir auf. „Autsch, ich kann nicht mehr auftreten!“, jammerte ich und Tränen schossen mir in die Augen. „Ist es wirklich so schlimm?“, besorgt kam Mr. Jenks auf mich zu gerannt. „Zieh deinen Schuh und deine Socke aus!“, befahl er und tastete meinen Fuß ab. Ein großer blauer Fleck war zu sehen und mein Knöchel schwoll immer weiter an. „Geh zur Krankenstation und lass deinen Knöchel verbinden, du hast ihn dir wahrscheinlich nur geprellt“, sagte mein Trainer. Ich nickte, während ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. „Sollen wir sie begleiten?“, fragte Debbie. „Ja, macht das!“, nickte Mr. Jenks. Debbie und Lynn mussten mich stützen, da ich das rechte Bein nicht mehr belasten konnte. Im nächsten Moment kam uns Fintan entgegen, der gerade aus dem Pferdestall kam. „Was ist dir passiert, Darling?“, fragte er mich überrascht und besorgt zugleich. „Sie hat sich den Knöchel bei einem Trainingsspiel verletzt und nun bringen wir sie zur Krankenstation“, antwortete Lynn für mich. „Ich komme eben mit, wenn ihr damit einverstanden seid“, sagte er und hielt uns die Tür auf. Ich nickte nur und biss mir vor Schmerzen auf die Lippen.

 

„Du hast dir nur den Knöchel geprellt und dir einige Bänder überdehnt. Am besten bleibst du für einige Stunden hier, stellst dein Bein hoch und legst dir ein Kühlpack auf deinen Fuß“, sagte die Krankenschwester zu mir und verließ kurz darauf das Zimmer. Nun waren mein Freund und ich alleine. Er setzte sich neben mich auf die Krankenliege. „Erzähl mir, was genau passiert ist!“, forderte er mich auf. Ich holte tief Luft. „Vorhin beim Trainingsspiel hat mich Oli von hinten gefoult und ich habe mir dabei meinen Fuß verdreht, sodass ich nicht mehr laufen konnte“, begann ich, weiter kam ich nicht. Die aufgestauten Tränen glänzten wieder in meinen Augen. „Hat sie es mit Absicht getan, nur weil ihr euch gestritten?“, fragte Fintan und schaute mich entsetzt an. „Ja, das hat sie mit absichtlich getan, weil sie es immer noch nicht verkraften an, dass ich mich mit Isabel-Janet anfreunde“, erwiderte ich den Tränen nahe. Er drückte mich an sich und küsste mich auf die Stirn. Im nächsten Moment waren bei mir alle Dämme gebrochen und ich fing an zu heulen. Tröstend redete er mit seiner warmen Stimme auf mich ein, während ich mein Gesicht gegen seine Brust drückte und die Tränen laufen ließ. Mit einem auflockernden Witz schaffte er es schließlich mich wieder zum Lachen zu bringen. „Gerade hast mein neues T-Shirt nass geweint!“, klagte Fintan gespielt, was uns beide erneut zum Lachen brachte. Er musste mich sogar einmal festhalten, da ich drohte von der Liege herunter zu fallen. „Ach, wenn ich dich nicht hätte!“, seufzte ich und küsste ihn auf die Lippen. „Versuch den Streit mit Oli zu vergessen! Schließlich hast du hier noch einige andere Freunde“, sagte er mit sanfter Stimme, „und falls es dir nicht gut geht, bin ich immer für dich da!“

 

 

 

Neue Freundinnen

Mein Knöchel verheilte schneller als die Freundschaft zwischen mir und Oli. Dafür fand ich in Isabel-Janet eine liebenswerte Freundin. „Oli grenzt sich mit ihrem Verhalten schon selber aus“, sagte Rosy eines Abends, nachdem Oli schlechtgelaunt aus unserem Zimmer gerauscht ist. „Irgendwie ist das nicht mehr zum aushalten!“, stöhnte ich, „Nun sind zwei Wochen nach dem Streit vergangen und nichts hat sich geändert“ Es klopfte an unserer Tür. „Herein!“, riefen wir zweistimmig. „Ich bin es nur!“, Isabel-Janet steckte den Kopf zur Tür hinein, „Ich wollte euch fragen, ob wir die Halle gehen und eine Runde reiten sollen“ „Keine schlechte Idee, Isabel-Janet!“, rief ich und wühlte in einem Berg von Kleidern nach meiner Reithose. „Ach, bitte nennt mich in Zukunft nur Isa! Mir geht mein Doppelnamen langsam auf die Nerven“, meinte meine neue Freundin. „Okay, das ist gebongt, Isa!“, erwiderte ich. Rosy und ich zogen uns in Windeseile um, während Isa im Flur auf uns wartete. „Wollen wir eure anderen beiden Freundinnen aus der Parallelklasse auch fragen, ob sie mitkommen wollen?“, schlug Isa und band ihre schulterlangen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Du meinst bestimmt Greta und May“, erwiderte Rosy. „Genau, die Beiden“, nickte Isa. Zu dritt klopften wir an ihre Zimmertür. „Habt ihr Lust eine Runde in der Halle mit uns zu reiten?“, fragte ich. „Na klar, warum nicht, wo uns gerade so langweilig ist“, nickte Greta. „Wartet, ich komme ich mit!“, rief May und sprang von ihrem Schreibtischstuhl auf. „Was ist mit Oli?“, fragte Greta. „Keine Ahnung, sie ist gerade weggegangen und hat uns nicht gesagt, wo sie hingeht“, antwortete Rosy. „May, beeil dich!“, drängte Greta, die sich in Rekordzeit in ihre Reithose geschält hatte. „Darf ich eben den Satz zuende schreiben?“, erwiderte ihre Freundin.

 

Als wir zu fünft unsere Pferde auf die Reitbahn führten, trafen wir Jenny. „Hi, Jenny“, rief Greta ihr zu, „Was machst du gerade mit Fintans Pferd?“ „Ich halte sein Pferd fit, da er momentan sowieso nicht reitet. Er hat mich vor wenigen Tagen darum gebeten. Nebenbei bringe ich Felicitas Kunststückchen bei, sie ist durchaus ein sehr lernfähiges Pferd“, antwortete das Stallmädchen und ließ die Stute an der Longe über ein Hindernis springen. Ich ritt mit Hermine voran und ließ sie antraben. Isa, die auf Greenmoon direkt hinter mir war, musste ihr Pferd immer wieder zügeln. Er wollte immer nach links ausscheren und Hermine überholen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich anfange mich eines Tages hier wohl zu fühlen“, sagte Isa und lehnte sich im Sattel nach vorne, um den Hals ihres Pferdes tätscheln zu können. „Ich werde hier bleiben, egal ob Alison das Internat verlässt oder nicht“, fügte sie hinzu. „Warum will Alison unbedingt hier weg?“, fragte May verständnislos, „Nirgendwo sonst bekommt man eine so gute Reitausbildung wie hier“ „Manchmal kann meine Schwester stur wie ein Muli sein, aber ich denke, sie trauert immer noch England und ihrer alten Schule hinterher“, meinte Isa. „Wollen wir ein kleines Hindernis aufbauen und springen?“, schlug Greta mit leuchtenden Augen vor, die auf Alice ganz am Ende der Abteilung ritt. „Baut das Hindernis am anderen Ende der Halle auf!“, rief uns Jenny zu, „Sonst kommen wir uns in die Quere“ Rosy bat mich Esparado festzuhalten, während sie sich von seinem Rücken schwang. „Warte, ich helfe dir!“, rief Isa. „Soll ich so lange dein Pferd nehmen?“, bot Greta ihr an und hielt Greenmoons Zügel fest.

 

Zu zwei trugen Isa und Greta das kleine Hindernis zum anderen Ende der Reithalle. „Geschafft!“, triumphierte Greta. Ich ließ Hermine angaloppieren und drehte meine rechte Hand über meinen Kopf, als hätte ich ein Lasso in der Hand. „Go, Cowgirl, go!“, feuerte mich Greta an. „Yippie yeah!“, jubelte ich und im nächsten Moment setzte Hermine zum Sprung an. Mit einem Riesensatz flog sie über die Stange und es fühlte sich einen kurzen Augenblick an, als würden wir fliegen. Nun ließ Greta Alice angaloppieren und verringerte den Abstand zu mir. Wenig später lieferten sich Greenmoon, Alice und Hermine eine kleine Verfolgungsjagd, jeder von ihnen wollte zuerst über das Hindernis springen. „Nicht zu zweit oder zu dritt gleichzeitig über das Hindernis springen, das ist zu gefährlich!“, ermahnte uns Jenny sofort. Ich drosselte das Tempo und parierte Hermine durch zum Schritt. „Das hat gerade richtig Spaß gemacht“, strahlte Isa, ihre grünen Augen glänzten vor Freude. „Jetzt habe ich aber ganz schön viel Adrenalin im Blut, sogar noch mehr als bei einer Achterbahnfahrt“, bemerkte Greta und pustete sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das können wir gerne noch mal machen“, nickte Rosy. „Bevor ich es vergesse“, wechselte Greta abrupt das Thema und fuhr fort, „Ich habe nächste Woche Geburtstag und wollte euch ins Cafe in die Stadt einladen. Ich werde sogar Oli und Alison fragen“ „Wir sind nicht das Problem, aber Oli und Alison garantiert. Ich weiß nicht, ob sie deine Einladung annehmen werden, wenn sie wissen, dass wir auch kommen“, gab ich zu Bedenken. „Ach, zerbreche dir deswegen nicht den Kopf, vielleicht sieht die Welt in wenigen Tagen ganz anders aus“, versuchte Rosy meinen Zweifeln etwas Optimistisches entgegen zu setzen.

 

Am nächsten Tag verbrachte Oli die Pausen bei Lars und seinen Freunden, als sie sah, dass wir uns mit Isa auf eine Bank setzten. „Wenn ihr euch bis Morgen nicht vertragt, werde ich euch beide zu einer Aussprache zwingen“, drohte Rosy an, „Dass ihr euch seit Wochen aus dem Weg geht, tut mir in meinem Innersten ziemlich weh und die frostige Atmosphäre ist bald nicht mehr zum Aushalten“ „Ich hoffe auch, dass meine Schwester endlich wieder vernünftig wird und wieder mit mir redet“, warf Isa ein, Seitdem ich mit euch befreundet bin, redet sie kein Wort mehr mit mir“ „Langsam verstehe ich nicht, was Oli und Alison haben“, sagte May ratlos, „Sie merken noch nicht einmal, dass sie sich mit ihrem Verhalten ins Abseits manövrieren“ Alison, die alleine auf einer Parkbank saß und ihr Pausenbrot aß, funkelte uns aus der Distanz böse an. „Wollen wir sie nicht fragen, ob sie sich zu uns setzen mag?“, fragte mich Rosy leise. Ich fasste mir ein Herz und ging auf sie zu. „Was willst du von mir?“, brummte Alison mit heruntergezogenen Mundwinkeln und hob nur langsam den Kopf. Ihre langen roten Haare hingen ihr ins Gesicht. „Magst du dich nicht zu uns setzen?“, fragte ich und schaute sie etwas verunsichert an. „Ich glaube, hier sitze ich besser“, lehnte sie ab, „Ich mag es nicht besonders mich mit vielen Personen auf eine Bank zu quetschen, schließlich kann ich mir immer noch selber aussuchen, mit wem ich kuschele und mit wem nicht“ Ihre grünen Augen blitzten abweisend. Ohne etwas zu erwidern drehte ich mich wieder um und ging zu meinen Freundinnen zurück. „Wenn Alison sich so verhält, ist es ihre eigene Schuld, dass ihr bald niemand mehr eine Chance gibt“, meinte Isa und klang gereizt. „Wahrscheinlich ist sie immer noch darauf aus Saint Malory zu verlassen“, warf May ein. „Eigentlich ist blöd, dass wir uns ein Bild von Alison machen“, dachte Rosy laut nach, „Es ist töricht über eine Person zu urteilen, die man nicht richtig kennt“ „Damit wir die wahre Alison kennen lernen können, muss sie andere Personen an sich heranlassen“, fand Greta. „Bis dieser Widerstand gebrochen ist, kann es noch ein Weilchen dauern“, meinte Isa, „Meine Schwester ist die sturste Person, die je in meinem Leben über den Weg gelaufen ist. Sie kann manch einen Esel damit sogar noch toppen“

 

Oli und Alison saßen zu allem Überfluss im Klassenraum nebeneinander. Immer wieder schwenkte mein Blick heimlich zu ihnen hinüber. Im Matheunterricht fiel mehr mehrfach auf, dass sie die Köpfe zusammen steckten und leise miteinander redeten. „Das kann doch nicht wahr sein!“, dachte ich erstaunt. Zuvor konnten sie sich überhaupt nicht ausstehen. Beim Mittagessen erzählte ich Greta und May davon. „Das ist kaum zu glauben!“, Greta fielen vor Staunen fast die Augen aus dem Kopf, „Die Beiden waren doch noch vor kurzem die ärgsten Feindinnen an unserer Schule“ „Vielleicht schweißt es die Beiden zusammen, dass sie sich beide ins Abseits manövriert haben und in Kunst zusammen die Skulptur anfertigen müssen“, vermutete ich. Gerade als wir über sie sprachen, betraten Oli und Alison gemeinsam den Gemeinschaftsraum. Sie blieben kurz hinter der Tür stehen. „Wo wollen wir uns hinsetzen?“, fragte Oli. „Lass uns den Tisch neben dem Fenster nehmen“, Alison deutete mit der Hand auf einen freien Tisch. Kurz darauf steuerten Matthew, Dave und Mike mit ihren Tabletts auf ihren Tisch zu und ließen sich neben den beiden Mädchen nieder. Oli und Alison saßen sich gegenüber und waren in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. „Offensichtlich versteht sich meine Schwester ziemlich gut mit deiner ehemaligen besten Freundin“, stellte Isa fest, als sie sich eine Kelle voll Gemüsereis auf ihren Teller lud.

 

Am frühen Nachmittag als Oli und Alison zusammen zum Stall gingen, um ihre Pferde für einen Ausritt zu satteln, lief ihnen Greta hinterher. „Wo wollt ihr hin?“, rief sie ihnen hinterher. Beide Mädchen drehten sich auf dem Absatz um. „Wir wollen solange es noch hell ist eine Runde um die Weidezäune reiten“, antwortete Oli. „Stört es euch, wenn wir mitkommen?“, fragte Greta. „Wer möchte, denn alles mitkommen?“, wollte Alison wissen. „May, Emily und ich“, erwiderte Greta. Rosy, Isa und Sandrina hatten beschlossen ihre Referate für Geschichte vorbereiten und zogen sich in den Gemeinschaftsraum zurück. Während wir unsere Pferde putzten und sattelten, ergriff Greta die Gelegenheit Oli und Alison zu ihrem Geburtstag einzuladen. „Wann hast du denn Geburtstag?“, fragte Alison interessiert. „Nächste Woche am Sonntag und ich würde euch gerne in ein Cafe in die Stadt einladen“, erwiderte Greta und pflückte Stroh aus Greenmoons Schweif. „Wer kommt noch außer uns?“, nun war auch Oli interessiert. „Die üblichen Verdächtigen“, antwortete Greta nur. Sie war damit beschäftigt Greenmoon das Geschirr anzulegen und schob in mit Fingerspitzengefühl die Trense in sein samtiges Pferdemaul. Aus dem Augenwinkel sah, ich dass Oli Probleme hatte, Esparado die Hufe auszukratzen. „Soll ich dir seinen Huf festhalten?“, bot ich ihr an. „Danke, das wäre total lieb von dir!“, nickte sie erleichtert. Ich hielt Esparados Huf fest, während Oli mit dem Hufkratzer den Dreck entfernte. „Zu zweit geht’s doch viel besser!“, zwinkerte uns Greta zu. „Da hast du Recht!“, pflichtete ihr Oli bei und lächelte.

 

Draußen war ziemlich kalt, die rotorange Abendsonne senkte sich dem Horizont entgegen und Raureif glitzerte auf den Koppeln. Eiskalte Windböen rüttelten die letzten Blätter von den kahlen Ästen. Ich schloss für einen Moment die Augen und genoss diese unverwechselbar schönen Momente draußen in der Natur. „Wollen wir den Pfad hinauf galoppieren?“, rief Oli, die unsere Gruppe anführte und ließ Esparado schneller werden. „Nein, lasst uns lieber über das Feld galoppieren, dort haben wir mehr Platz“, schüttelte Greta den Kopf. Auch in meinen Augen war der Pfad zum Galoppieren zu schmal und zu holprig. Oben auf dem Feld angekommen, ließen wir unsere Pferde angaloppieren und lieferten uns ein atemberaubendes Wettrennen. „Greenmoon ist immer noch der Schnellste!“, juchzte Greta. „Nicht mehr lange!“, Oli zog mit Esparado an ihr vorbei. „Wer als Erstes beim Zaun ist?“, rief Greta. Sie holte mit Black Beauty kräftig auf und gewann das Rennen um eine Haaresbreite vor Oli. „Das hat Spaß gemacht, aber nun brauch ich einen Moment Pause“, sagte Greta atemlos und stieß weiße Atemwölkchen aus. „Lasst uns ganz gemütlich im Schritt zurück reiten“, sagte Alison ruhig und wärmte sich ihre klammen Finger an Lucys dichtem Fell. 

 

„Ist neben euch noch ein Platz frei?“, fragte Oli und balancierte ihr Tablett in einer Hand. „Setz dich ruhig!“, nickte ich und machte mit meinem Tablett Platz. „Wir müssen gleich nach dem Abendbrot unbedingt miteinander reden, aber nur wenn wir alleine sind“, flüsterte mir Oli ins Ohr. Ich nickte wieder und rührte meinen heißen Tee um. Unsere Freundinnen warfen uns viel sagende und erleichterte Blicke zu. Nach dem Essen räumten wir schnell unsere Tabletts weg und gingen in unser Zimmer. Zu zweit setzten wir uns auf mein Bett. „Es war blöd von mir, mich drei Wochen lang wie eine Idiotin aufzuführen“, begann Oli und machte eine Pause. „Ich war eifersüchtig auf Isabel-Janet, weil ihr plötzlich sehr viel mit ihr zusammen gemacht habt und ich ins Hintertreffen geriet. Nun weiß ich, wieso ich nachher im Abseits stand. Es lag an mir und nicht an euch“, fuhr sie fort. Ich hörte ihr schweigend zu und wusste nicht, was ich erwidern sollte. „Wollen wir nicht wieder Freundinnen sein? Mir tut es leid, dass ich dich beim Hockeytraining absichtlich gefoult habe und dafür entschuldige ich mich. Bitte lass mir eine Chance es wieder gut zu machen“, bettelte Oli beinahe. „Natürlich sind wir wieder Freundinnen, das hast du doch vorhin beim Ausritt sicherlich doch auch schon gemerkt“, sagte ich. „Danke, ich habe dich in den letzten Wochen echt vermisst, altes Haus!“, Oli umarmte mich. „Ich habe dich auch vermisst!“, gab ich zu, „Ohne dich war Saint Malory nicht richtig Saint Malory!“ „Da sagst du was!“, grinste Oli plötzlich und warf ein Kissen nach mir.

 

„Na warte!“, rief ich mit gespielter Empörung und schnappte mir ein Kissen von meinem Bett. „Treff mich doch!“, Oli drehte mir eine lange Nase und duckte sich rechtzeitig als ein Kissen von mir geflogen kam. „Hehe, versuch mich doch zu treffen!“, zog ich sie auf und rannte wild im Zimmer umher. Oli kramte alle Kissen und Kuscheltiere zusammen, die sie auf mich abfeuerte. Jedes Mal wich ich geschickt aus. Ich sammelte die Kissen und Kuscheltiere auf, mit denen ich nach meiner Freundin zielte. Rosy bekam einen Plüschhund ins Gesicht, als sie die Tür öffnete. „Hey, was ist denn hier los?“, rief sie irritiert. „Hier ist wohl eine Kissenschlacht im Gange!“, hinter Rosy tauchte Isas Gesicht auf. „Alle mitmachen!“, jubelnd stürmte Greta mit May, Sandrina und Alison das Zimmer. Blitzschnell kroch Greta auf dem Boden entlang und sammelte wie ein Staubsauer alle Kissen auf, die sie in alle Richtungen um sich warf. „Yippie Yeah!“, mit einem Jubelschrei ließ sich Oli auf ihr Bett fallen, sodass die Federn beinahe heraus sprangen und strampelte vor Freude mit den Füßen in die Luft. Mehrfach wehrte sie auf diese Weise Kissen ab, die in ihre Richtung flogen. „Kitzelt Greta aus, sie bombardiert mich die ganze Zeit!“, rief Oli lachend. Alison, Rosy und Isa schnappten sich Greta, während May und ich sie kräftig durchkitzelten. „Bitte, lasst mich los!“, schrie Greta und erstickte fast an ihrem Lachen. Mit ihrem rechten Fuß trat sie gegen unseren großen Kleiderschrank, sodass es laut krachte.

 

„Könnt ihr mir sagen, was hier los ist?“, ohne Vorwarnung stand die Hausmutter wie ein Racheengel im Türrahmen. Vor Schreck verstummten wir und ließen Greta los. „Es ist nur eine kleine Kissenschlacht“, Oli konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Wie respektlos von euch, im Haus so einen Lärm zu machen!“, donnerte die Hausmutter los, „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit so großen Mädchen wie euch deswegen schimpfen muss. Es haben sich schon einige eurer Mitschüler, die an ihren Hausarbeiten sitzen darüber beschwert, dass sie sich wegen des Kraches nicht konzentrieren können“ „Wir wollten niemanden stören und es tut uns leid, dass wir so einen Lärm gemacht haben“, versuchte Rosy als Erstes die Hausmutter zu besänftigen. „Na gut!“, meinte die Hausmutter, „Ich werde jetzt wieder gehen, aber ich will heute Abend keinen Pieps mehr von euch hören. Habt ihr mich verstanden? Sonst muss ich mir über Strafen wie Ausgehverbot oder Spüldienst Gedanken machen“ „Ja, wir werden für den Rest des Abends die ruhigsten Mädchen im ganzen Haus sein“, versicherte ihr Oli. Die Tür fiel wieder ins Schloss und die Hausmutter war wieder weg.

 

Gretas Geburtstag und die Weihnachtsfeier!

„Die Erdbeercupcakes hier sind einfach eine Sensation! Sie schmecken einfach göttlich!“, schwärmte May. „Ich wette die Blaubeerpancakes übertreffen das Ganze noch! Sie machen einfach nur noch süchtig“, war sich Isa sicher. „Meine Brownis kann jedenfalls nichts mehr toppen!“, setzte Oli oben drauf. Heute war der letzte Nachmittag vor den Ferien und Greta hatte uns zu ihrem achtzehnten Geburtstag uns in ein Cafe in Riverview eingeladen. Damit wir zu acht zusammensitzen konnten, hatten wir zwei Tische zusammen geschoben und uns Stühle von den Nachbartischen geholt. „Diese Cafe ist das einzige Brilliante in diesem gottverlassenen Nest“, seufzte May, die genauso wie ich aus London kam und den Trubel der Großstadt gewohnt war.

 

„Sei froh, dass du nicht in Asien im Regenwald lebst, dort essen die Menschen sogar Spinnen und lutschen sie roh aus“, bemerkte Greta und weidete sich an unseren angeekelten Blicken. „Bah, mir wird schlecht, wenn du sowas erzählst!“, würgte ich hervor. „Ich würde nur zu gerne sehen, wie Greta demnächst eine Spinne ist, die sie in ihrem Zimmer findet“, grinste Oli schelmisch. „Igitt, nur über meine Leiche“, Greta zeigte ihr einen Vogel. Oli, Isa, Sandrina und ich fingen an zu lachen. „Können wir das Thema wechseln, mir schmeckt die Sahneschnitte nur noch halb so gut“, bat Rosy. „Dafür wäre ich auch, mir ist das auch zu spinnös. Wie wäre es, wenn wir uns über Delikatessen unterhalten“, pflichtete ihr Sandrina bei. „Ich kenne einige Delikatessen aus fernen Ländern. In Japan essen sie Algen, in Thailand sind gegrillte Vogelspinnen sehr beliebt, in China werden sogar Quallen aufgetischt und zu guter letzt werden in Gourmetrestaurants rohe Fischeier angepriesen“, zählte Oli auf. „Fliegen essen sogar Kot und Mist“, rief Greta dazwischen. „Langsam reicht es!“, schlug Alison mit der flachen Hand auf den Tisch. „Langsam vergeht mir auch der Appetit“, murmelte ihre Schwester und stocherte mit der Gabel im Rest ihres Kuchens herum.

 

Unser fröhliches Gefrotzel wurde mit dem Schlagen der Kirchturm beendet. „Oh verdammt, es ist schon sechs Uhr!“, schreckte Rosy auf, „May und ich müssen um halb Sieben zum Einspielen im Musikraum sein. Komm May, wir müssen uns sputen!“ „Wir haben noch Zeit!“, wandte sich Oli an uns und lehnte sich gemütlich zurück, „Die Weihnachtsfeier beginnt regulär um halb Acht mit einem Gottesdienst in der Kapelle“ „Dort werden wir heute Abend mit dem Schulorchester ein kurzes Konzert geben“, nickte May und rauschte mit Rosy aus dem Cafe. „Tschüss, bis nachher!“, winkte ihnen Isa hinterher.„Dass es Rosy immer so eilig haben muss!“, Greta verdrehte die Augen. „Rosy will halt besonders aufrichtig sein, schließlich ist sie nur wegen eines Stipendiums hier“, nahm ich meine Freundin in Schutz.

 

„Kann es sonst noch etwas für euch sein?“, eine junge Kellnerin kam zu unserem Tisch. „Wir hätten gerne eine große Kanne heiße Schokolade“, nickte Greta. „Seid ihr mir böse, wenn ich eben nach Hause fahre und mich schick mache?“, fragte Sandrina und stand auf. „Fahr ruhig!“, meinte Greta locker. „Okay, aber ich komme zur Weihnachtsfeier auf jeden Fall nickte Sandrina und zog sich ihrem Mantel an. „Hoffentlich lasst ihr mich nicht alleine mit der Rechnung sitzen!“, bemerkte Greta. „Nein, so unsolidarisch sind wir nie im Leben“, versicherte ich ihr. „Wir werden in einer halben Stunde auch zurück fahren, da wir uns noch umziehen wollen. Dad hat mir und Isa neue Kleider geschickt, die wir heute Abend anziehen wollen“, sagte Alison. „Ihr Beide im Kleid! Das will ich sehen!“, überrascht riss Oli die Augen weit auf. „Ich wette mit euch, dass Oli in einem ihrer Holzfällerhemden zur Weihnachtsfeier geht“, mischte sich Greta ein. „Nein, ich werde mir eine seidene Bluse anziehen, die ich von meiner Oma zum Geburtstag bekommen habe und die ich bis jetzt noch kein einziges Mal getragen habe“, schüttelte Oli den Kopf. „Und was ziehst du an, Emmi?“, wandten sich die Freundinnen an mich. „Ich weiß es noch nicht genau“, gab ich zu, „Aber ich habe ein paar schicke Oberteile und eine Röhrenjeans, die ich im Internat selten trage“ „Ich habe ein schulterfreies dunkelgrünes T-Shirt und dazu könntest du ein hellgrünes Tanktop tragen“, schlug Isa vor, „Damit haust du Fintan garantiert vom Hocker“ „Wenn ihr euch über eure Outfits unterhaltet, wie wäre es wenn wir uns auf den Weg machen? Sonst haben wir keine Zeit uns schick zu machen“, rief Alison. „Aber erst muss ich meine Rechnung bezahlen und ihr wollt mich nicht alleine hier sitzen lassen“, fiel ihr Greta ins Wort. „Keine Bange, wir lassen dich nicht alleine auf der Rechnung sitzen“, beruhigte Oli ihre Freundin.

 

Die Weihnachtsfeier begann mit einer Ansprache unseres Schulleiters. Unsere Klasse saß in der kleinen Kapelle in den vorderen Reihen. Rosy und May winkten uns aus der Reihe der Musiker von der Empore aus zu. „Viel Glück!“, krähte Oli zu ihnen hinauf. „Mensch, sei doch nicht so laut“, verpasste ich ihr einen Rippenstoß. Im nächsten Moment begann das Orchester ein bekanntes Weihnachtslied zu spielen und der Schulchor sang dazu. Rachel, eine begabte Sängerin, trat auf die Bühne und setzte zu einem Solo an. „Wow, sie hat eine fantastische Stimme!“, raunte mir Sandrina zu. „Das stimmt und das hätte ich von ihr nicht erwartet, da sie sonst immer so zurückhaltend ist“, pflichtete ich ihr bei. Als die Musik verstummte, lasen Mr. Scott und der Elternvorsitzende die Ehrungen für die Schüler vor, die in diesem Jahr etwas Besonderes erreicht hatten. Zuerst erst wurde Matthew für seinen ersten Platz in einem landesweiten Mathematikwettbewerb auf die Bühne gerufen. Matthew wurde leicht rot im Gesicht und nahm mit einem Lächeln den Beifall entgegen. „Als nächstes gratuliere ich der Fußballmannschaft, die im letzten Schuljahr Vizemeister wurde und bei einem internationalen Juniorenturnier sensationell das Viertelfinale erreicht hat“, sprach Mr. Scott in sein Mikrofon. Jeremy, der Mannschaftskäpitän stand auf und nahm die Auszeichnung entgegen. Großer Applaus brandete auf. „Auch die Siegerin unseres diesjährigen Springturniers bitte ich nach vorne zu kommen. Einen großen Applaus für Sandrina Rosario!“, fuhr Mr. Scott. „Yeah! Das muss gefeiert werden!“, jubelte ich und gab meiner Freundin einen Highfive. Wir jubelten und klatschten, bis uns die Hände wehtaten.

 

Nachdem die Ehrung vorbei war, führten die beiden ersten Klassen einen Weihnachtssketch auf. Die Zuschauer schlugen sich vor Lachen auf die Schenkel und erst als der Schulchor als verkleidete Engel erneut auftrat, herrschte wieder Ruhe. Zum Schluss sang die ganze Schule zusammen ein Weihnachtslied und Kerzen wurden entzündet.

Fintan fing mich draußen vor der Kapelle ab. „Magst du mit Alex, Lars und mir um halb Elf in den Pub gehen?“, fragte er. „Ich weiß nicht, ob das erlaubt und außerdem habe ich keine Lust und außerdem habe ich keine Lust mit dem Fahrrad dort hinzufahren“, lehnte ich ab. „Wir fahren nicht mit dem Fahrrad, sondern ein Freund von mir holt uns nachher mit dem Auto ab“, widersprach er mir. „Na gut, ich überlege es mir!“, gab ich nach. „Mensch Emily, wo bleibst du nur!“, rief Rosy. „Ich komme!“, antwortete ich. „Wir sehen uns nachher!“, Fintan gab mir einen Kuss und verschwand mit seinen Kumpels.

 

Der zweite Teil der Weihnachtsfeier fand in der Turnhalle statt. Drei Jungs aus dem vierten Jahrgang laute legten fetzige Musik auf und die Drittklässler haben ein Büfett vorbereitet. „Wenn ich die ganzen Köstlichkeiten sehe, sterbe ich vor Hunger!“, hauchte Oli. „Aber wir waren erst vorhin im Cafe und das war noch nicht lange her“, meinte May. „Eine Raupe Nimmersatt wie Oli wird halt nie satt!“, neckte Greta. Oli streckte ihr für diese Bemerkung undamenhaft die Zunge raus. Zu dritt stellten wir uns mit Tabletts am Ende der langen Schlange an. „Was hat Fintan gerade eben zu dir gesagt?“, fragte Oli interessiert. „Nichts besonders“, erwiderte ich gleichgültig. „Komm schon, über irgendetwas musstet ihr euch doch unterhalten haben. Sag uns bloß nicht, dass du etwas vor uns zu verbergen hast!“, kam mir Greta auf den Leim. „Na gut, euch erzähle ich es“, nun war mein Widerstand gebrochen, „Fintan hat mich gefragt, ob ich mit ihm und seinen Kumpels in den Pub gehe“ „Wenn Rosy jetzt hier wäre, würde sie dir einen Vogel sei und dir sagen, dass es sich nicht gehört einfach so die Weihnachtsfeier der eigenen Schule zu verlassen. Ich würde das an deiner eigenen Stelle nicht machen, sonst riskierst du einen Riesenärger“, rutschte es aus Oli raus. „Aber gerade ist unser Moralapostel alias Rosanna O’Neill nicht da und sie brauch es auch nicht zu erfahren“, erwiderte ich scharf. „Gehst du mit oder nicht?“, bohrte Greta nach. „Ich überlege es mir noch“, antwortete ich zögernd, während ich meinen Teller mit belegten Brötchen, Fruchtspießen und Schokoladenkuchen belud.

 

Mittendrin stoppte die Musik auf einmal und ein DJ schnappte sich das Mikro. „Habt ihr alle eine Person, die ihr aus ganzem Herzen liebt oder in die ihr verliebt seid? Wir bitten euch für diesen Lovesong auf die Tanzfläche. Wir wollen gemeinsam die Halle beben bringen!“, rief er. Einige Schüler jubelten und meine Augen suchten nach Fintan. Ich sah wie Oli Lars auf die Tanzfläche zog. Sandrina ließ sich in Shanes Arme sinken und Tom forderte die kleine Rosy zum Tanz auf. Um mich herum bildeten sich immer mehr Tanzpaare. Meine jüngere Cousine Priscilla winkte mir in ihrem türkisenen Abendkleid zu, sie tanzte ebenfalls mit einem Jungen aus ihrer Klasse. „Wo steckt mein verdammter Freund?“, fluchte ich innerlich und drängelte mich durch die Menschenmasse. Fintan schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein, nirgendwo war er zu entdecken. Seufzend gab ich auf und schlenderte zu meinen Freunden zurück. „Wie wäre es mit uns?“, aus dem Nichts tauchte Lucien auf und legte mir die Arme um mich. Ich erwiderte meine Annäherung und schmiegte mich an seinen Oberkörper. Momentan war es mir egal, dass ich mit ihm tanzte. Ich genoss es für den Augenblick seine Wärme und seine Nähe zu spüren. Fintan konnte ich für einige Minuten aus meinem Gedächtnis eliminieren.

 

„Was machst du noch an diesem Abend?“, fragte Lucien nachdem wieder ein fetzigerer Popsong gespielt wurde. „Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht gehe ich mit Finn in einen Pub“, antwortete ich und fragte ihn, „Hast du ihn eigentlich gerade eben gesehen?“ „Doch, bis vor einer Stunde stand er mit drei, vier andere Kumpels draußen“, erwiderte er. „Wieso draußen in der Kälte?“, entfuhr es mir verständnislos. „Ich glaube, dass zwei der Jungs geraucht haben“, sagte Lucien. „War es Fintan?“, nun klang meine Stimme doch besorgt. Ich wusste ganz genau, dass mein Freund freiwillig keine Zigarette anrührte. „Das konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen“, schüttelte er den Kopf. Er verabschiedete sich, da er mit Ivan und Emil noch ein Bier trinken wollte. Gerade als ich meinen Mantel überzog, stellte sich Greta mir in den Weg. „Warum willst du jetzt schon in dein Zimmer gehen?“, fragte sie mich verwundert, „Wir haben es erst kurz nach zehn“ „Ich will schauen, ob Fintan sich draußen herum treibt. Schließlich habe ich ihn hier drinnen nur kurz gesehen und dann nicht mehr“, erwiderte ich. Mit Körpereinsatz kämpfte ich mich zum Ausgang und trat nach draußen in die Eiseskälte. Brrr, war das kalt! Ich zog meinen Mantel noch enger an mich.

 

„Na, da bist du ja, Schätzchen!“, Fintan nahm mich in den Arm, er mitbekam, dass ich vor Kälte zitterte. „Kommt Emily nun doch mit?“, fragte Lars. „Doch sie kommt mit“, bestätigte mein Freund, bevor ich zu Wort kommen konnte. Ein Auto rollte auf den Hof und blieb stehen. „Ist das nicht dein Kumpel?“, fragte ich Fintan. „Doch, das ist er. Ich erkenne sein Auto mittlerweile schon aus mehreren Hundert Metern Entfernung und sogar im Dunkeln“, nickte er. Ein großer, kräftiger, junger Mann mit kurz geschorenen Haaren stieg aus. „Hey, ich bin Liam, einer von Finns besten Kumpeln“, stellte er sich vor und gab uns allen lässig die Hand. „Ich glaube, dich habe ich erst letztens gesehen“, nachdenklich schaute er mich an. „Ihr habt euch erst vor zwei Wochen gesehenen, als ich am Wochenende bei meinen Eltern war“, half Fintan ihm auf die Sprünge. Dann drehte sich Liam sich zu Alex um. „Dich kenne ich aber noch nicht“, meinte er. „Das Alexander Arnold, ein guter Kumpel von mir. Er ist neu hier und kommt aus Deutschland“, stellte Fintan seinen Freund vor.

 

Nachdem wir uns zu fünft in Liams kleines Auto gequetscht hatten, fuhr Liam in eine nah gelegene Kleinstadt und parkte vor dem „Old Times“, einem gemütlichen Pub. Heute fand dort ein Irisch-Folk Abend statt. Im Pub ging es wie in einem Bienenstock zu, Leute kamen und gingen. Liam, der mit dem Besitzer des Pubs befreundet war, hatte in der hintersten Ecke einen Tisch für uns reserviert. Während sich die Jungs über Fußball, Computerspiele und Formel-1 unterhielten, lauschte ich der fröhlichen Musik. Es spielte sogar eine Lifeband und einige Leute tanzten. Nur dass an unserem Nebentisch Zigarillos geraucht wurde, störte mich ein wenig. „Was möchtest du trinken?“, fragte Liam, „Ich gebe eine Runde Getränke für alle aus“ Da ich kein großer Fan von Bier und anderen alkoholischen Getränken war, entschied ich mich für eine Apfelsaftschorle. Die Jungs orderten sich ein Guinness. Die Band stimmte ein munteres Tanzlied an. „Wollen wir tanzen?“, Fintan stupste mich an und nahm mich an den Händen. „Willst du den Tanz nachholen, den du vorhin verpasst hast?“, fragte ich ihn amüsant. „Was für ein Tanz?“, mein Freund zog die Stirn kraus. „Vorhin auf der Weihnachtsfeier hat ein DJ einen Lovesong für alle Liebespaare aufgelegt und dazu wurde getanzt“, erzählte ich ihm. „Ach so, davon habe ich nichts mitbekommen, ich war draußen“, er sah mich entschuldigend an und küsste meine Lippen. Irgendetwas war anders als sonst, der Kuss schmeckte aus unerklärlichen Gründen merkwürdig. „Hast du vorhin geraucht?“, bohrte ich nach. „Wer behauptet so einen Quatsch?“, erwiderte er leicht empört. „Lucien hat dich und ein paar andere Jungs vor der Turnhalle gesehen. Laut ihm haben einige von euch geraucht, aber er konnte nicht erkennen wer“, hielt ich ihm vor. „Ach, Lucien! Schnüffelt er mir wieder hinterher? Es ist manchmal schon nervig genug, sich ein Zimmer mit ihm zu teilen“, schnaubte Fintan verächtlich.

 

Die Jungs tranken einige Biere hintereinander, irgendwann waren auch Fintan und Lars leicht angetrunken. Mitten im Gespräch holte Liam eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche und bot uns welche davon an. „Möchtest du eine?“, Liam hielt mir eine Zigarette hin. „Nein, danke!“, lehnte ich ab. „Was ist mit euch, Jungs?“, fragte Liam seine Kumpels. „Ja, du kannst mir eine geben“, erwiderte Alex. „Mir auch“, fügte Fintan hinzu. Nur Lars lehnte, nachdem er gezögert hatte, die Zigarette von Liam ab. „Du rauchst? Das hätte ich nie und nimmer von dir erwartet, Finn“, stieß ich schockiert hervor, wobei mir fast der Mund offen stehen blieb. „Zugeben ich rauche nur bei Gelegenheit“, gestand mein Freund offen, „Das heißt längst nicht, dass ich jeden Tag rauche, dafür wären mir meine Gesundheit und meine sportlichen Erfolge zu wertvoll. Es kommt nur ganz wenige Male im Jahr vor, dass ich mal eine Zigarette anzünde“ „Ich weiß noch, wie wir beide unsere ersten Zigaretten geraucht haben“, grinste Liam plötzlich, „Finn war zwölf und ich vierzehn“ „Bestimmte Personen dürfen auf keinen Fall erfahren, dass ich mal eine geraucht habe. Dazu gehören die Lehrer, mein Fußballtrainer und meine Mutter, sie würden mich umbringen, wenn sie das wüssten“, Fintan schlug wieder einen ernsteren Tonfall an. Die Jungs steckten sich ihre Zigaretten an einer Kerze an, die auf unserem Tisch stand und pusteten weiße Rauchwölkchen in die Luft.

 

Auf in die Ferien!

Am nächsten Morgen wachte ich müde und unausgeschlafen auf. Ich hätte am liebsten meinen Wecker genommen und ihn mit Schmackes gegen die Wand geworfen. Da heute der Abreisetag war, mussten wir eine Dreiviertelstunde früher aufstehen, da wir unsere Sachen packen mussten. „Jetzt schon aufstehen?“, murrte Oli, die genauso müde war wie ich. „Na klar, sonst bekommt ihr euer Chaos bis zwölf Uhr nicht aufgeräumt“, meinte Rosy, die schon fleißig ihren Schrank ausräumte. „Für mich ist die Uhrzeit definitiv zu früh“, gähnte ich. Ich gab mir einen Ruck, strampelte mich von der Bettdecke frei und mit einem Mal saß ich auf der Bettkante. „Wie lange warst du gestern Abend noch weg?“, fragte mich Rosy. „Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ein oder doch schon zwei Uhr war“, überlegte ich, „Auf jeden Fall habt ihr schon geschlafen, als ich in unser Zimmer kam“ „Kein Wunder, dass du so knatschig bist, du hast doch nur fünf oder sechs Stunden geschlafen“, hielt mir meine Freundin vor. Ohne viel mit meinen Freundinnen zu reden, zog ich mich an und fing an meinen Koffer zu packen. „Was macht ihr eigentlich in den Ferien?“, fragte uns Oli. „Ich verbringe die ersten Ferientage bei Fintan, mein Vater kommt in vier Tagen und holt mich ab und Weihnachten feiern wir bei uns zuhause in London. Fintan kommt nach London und wir wollen zusammen Silvester feiern“, erzählte ich. „Ich werde mit meiner Familie Ski fahren!“, jubelte Oli. „Ski fahren, wie geil!“, rief ich, „Da könnte man glatt neidisch auf dich werden“ „Nach Weihnachten fahren wir mit meinem Onkel in eine Skihütte nach Lappland, dort liegt irre viel Schnee“, berichtete uns Oli mit glänzenden Augen. „Ich werde die ganzen Ferien zuhause verbringen, aber darauf freue ich mich auch. Ich habe meine Familie, unser kleines gemütliches Haus und meine Katze schrecklich vermisst“, meinte Rosy.

 

Die Burton-Schwestern rissen unsere Zimmertür auf. „Guten Morgen, wir wollen euch nur zum Frühstück abholen“, rief Alison und stürmte in unser Zimmer. „Wir dachten schon, ihr kommt gar nicht mehr“, fügte ihre jüngere Schwester hinzu. „Wir kommen schon, aber ich muss mir noch meine Haare kämmen und mein Gesicht waschen“, brummte Oli. „Seit wann kümmerst du dich um dein Aussehen?“, stichelte ich. Statt mir zu antworten, zog Oli eine Grimasse. Alison und Isa fingen an zu lachen. „Von mir aus könnten wir schon gehen, dann lassen wir Oli halt hier“, sagte Rosy. „Menno, ihr seid vielleicht fies!“, Oli zog einen Schmollmund und schloss die Badezimmertür hinter sich ab. „Ihr könnt vielleicht noch fünf Minuten warten, Oli ist im Bad ein Rennpferd“, sagte ich zu meinen Freundinnen. „Wie kommst du nur auf diesen Vergleich?“, lachte Isa. Einen Moment später öffnete sich die Badezimmertür und Oli kam mit gekämmten Haaren heraus. „Jetzt können wir von mir aus losgehen, ich bringe einen guten Hunger mit“, sagte sie. Auf dem Flur begegneten wir der Hausmutter. „Jetzt aber schnell Mädels, das Frühstück wird in einer halben Stunde abgeräumt“, mahnte sie uns. „In einer halben Stunde frühstücken ist für mich kein großes Problem“, meinte Oli, „Ich habe schon öfter nur in fünf Minuten gefrühstückt“ „Nur weil du zu faul bist, um früher aufzustehen!“, neckte Rosy. „Das ist wirklich war, ich bin eben kein Frühaufsteher wie du, Rosy“, gestand Oli ehrlich.

 

Im Gemeinschaftsraum winkten uns Greta und May von ihrem Tisch aus zu. „Ich dachte schon, ihr wolltet schon auf das Frühstück verzichten“, rief uns Greta entgegen. „Wie können wir nur auf den fantastischen Obstsalat, die himmlischen Zimtcroissants und auf das leckerste Rührei der Welt verzichten“, schüttelte Oli den Kopf. „Wo ist eigentlich Sandrina?“, Alison fiel auf, dass an unserem Tisch ein Platz frei war. „Sie kommt heute nicht, schließlich ist sie externe Schülerin und wohnt zuhause“, sagte ich, „Heute ist kein Schultag mehr, sondern Abreisetag“ „Ich werde ihr auf jeden Fall eine Karte schreiben und ihr frohe Weihnachten wünschen. Ich hatte gestern bei der Weihnachtsfeier auch nicht mehr auf dem Schirm, dass sie heute nicht mehr kommt“, meinte Oli. „Wollen wir nicht, nach draußen gehen und uns von den Pferden verabschieden, wenn wir fertig sind“, schlug Rosy vor. „Wir müssen erst noch unsere Sachen packen, aber dann wir gerne die Pferde verabschieden“, nickte Greta. „Wir haben bestimmt noch ein größeres Tohuwabohu als ihr“, ein schelmisches Grinsen umspielte Olis Mundwinkel. „Das kann ich nur bestätigen“, nickte Rosy. „Ach was, unsere Zimmernachbarin Samantha Wilcox beschwert sich ununterbrochen, dass May und ich der größte Chaosverein der Welt sind“, entgegnete uns Greta. „Wir können von Glück reden, dass Rosy nicht so drauf ist wie dieses Samantha“, bemerkte ich.

 

Nachdem Frühstück und dem Zähneputzen verstauten wir unsere Kleider und Schulsachen in unseren Koffern. „Heureka, das Zimmer ist für einen Moment blitzblank ordentlich!“, lobte Rosy. „Nur über die Ferien hinweg“, fiel ihr Oli ins Wort, „Danach wird es wieder genauso wie vorher aussehen“ „Wollt ihr nicht zu den Pferden gehen?“, ich stand schon angezogen vor der Tür und wartete ungeduldig auf meine beiden Freundinnen. „Ich muss mir noch meine Schuhe anziehen, schließlich sind alte Omas keine D-Züge“, murmelte Oli und zwängte sich in ihre ausgelatschten Turnschuhe. „Du nennst dich schon alt?“, kicherte ich. „Wieso? Ich bin die Einzige von uns dreien, die schon volljährig ist“, versuchte meine beste Freundin mir zu erklären. „Nur noch ein paar Monate und dann ich auch achtzehn“, sagte ich. Wir zogen unsere Jacken an und gingen über den Hof zum Stall. Im Halbdunkeln erkannte ich ein Mädchen mit langen Zöpfen, die vor Colorados Box stand. „Sandrina!“, rief Oli so laut, dass Rosy und ich zusammenzuckten. Zu dritt rannten wir auf sie zu und umarmten sie. „Hey, nicht so stürmisch, Mädels!“, rief Sandrina lachend, „Nicht, dass ihr Colorado noch Angst macht“ „Ich habe gar nicht mit dir gerechnet. Ich dachte, du kommst nicht mehr“, gestand Oli. „Ich habe mit Jenny und Miss Hanson abgesprochen, dass ich in den Ferien fast jeden Tag hier her komme und mithelfe die Pferde zu versorgen und dafür darf ich auch reiten“, erzählte Sandrina mit strahlenden Augen. „Ist das cool!“, rief ich begeistert, „Wollen wir nicht tauschen? Ich werde in den Ferien Hermine bestimmt schrecklich vermissen“ „Ich werde dir jeden Tag oder doch jeden zweiten Tag dir eine SMS schreiben wie es Hermine geht“, versprach mir Sandrina. „Wirst du jeden Tag hier her kommen?“, wollte Rosy wissen. „Ich bekomme an Weihnachten und Silvester frei“, antwortete unsere Freundin.

 

„Verdienst du eigentlich ein wenig Geld, wenn man dich hier wie eine Sklavin im Stall schuften lässt?“, plötzlich stand Arabella hinter uns, die unser Gespräch belauscht hatte. So eine herablassende Frage konnte nur von ihr kommen. „Ich brauche kein Geld, mir sind die Pferde genug und außerdem darf ich hier in den Ferien auch reiten“, antwortete Sandrina, „Ich mach mir nicht viel aus Geld, denn es gibt viel schönere Dinge als Reichtum. Hast du darüber schon einmal nachgedacht, dass wahre Freundschaft, Liebe, schöne Momente und gemeinsame Erlebnisse viel wichtiger sind als der Materialismus? Du hast den wahren Reichtum noch nie zu schätzen gelernt, stattdessen wurde dir anerzogen, dass nur Geld und Status zählen. Überlege dir einmal wie es ist stinkreich zu sein, aber keinen einzigen richtigen Freund zu haben“ Sandrinas ehrliche Antwort schien Arabella zum nachdenken zu bringen. Ruhig verließ sie den Stall, ohne eine blöde Bemerkung von sich zu geben. „Toll wie du Arabella mundtot gemacht hast“, lobte Oli. Im nächsten Moment ging die Stalltür auf und Greta kam mit May, Isa und Alison herein. „Wir sind komplett! Ich hätte nicht gedacht, dass du auch noch hier bist!“, jubelte Greta und fiel Sandrina um den Hals. Sandrina musste zum zweiten Mal erzählen, dass sie in den Ferien jeden Tag hier her kommen und sich um die Pferde kümmern wird. „Wow, wollen wir nicht tauschen?“, Greta klang wirklich ein wenig neidisch. „Ich weiß nicht, ob ich selbst große Lust hätte, mich alleine um die Pferde zu kümmern, wenn niemand von meinen Freundinnen da ist“, seufzte Alison. „Ach, das macht mir nichts, schließlich habe ich immer noch die ganzen Pferde um mich herum und außerdem darf ich sie auch reiten“, widersprach ihr Sandrina.

 

Kurz vor zwölf rollten die ersten Autos der Eltern auf den Hof. Gretas Eltern und ihre kleine Schwester Kelly stiegen aus dem ersten Wagen aus. „Hallo Liebling, wie geht es dir?“, ihre Mutter umarmte sie zuerst und gab ihr ein Kuss auf die Wange. Kelly hüpfte vor Vorfreude um ihre große Schwester herum. „Wer ist die ganze Mädchenschar hinter dir, Greta?“, fragte ihr Vater. „Das sind meine Freundinnen“, antwortete Greta und begann uns der Reihe nach vorzustellen. „Ich kann mir die ganzen Namen nicht merken, du hast so viele Freundinnen“, seufzte ihre Mutter. Gretas Eltern nahmen gleich auch noch May mit. „Habt ein frohes Fest und einen guten Rutsch!“, wünschte ich meinen Freundinnen bevor sie ins Auto stiegen. Wir winkten ihnen so lange hinterher, bis der Wagen hinter einer Kurve verschwand. Einen Augenblick später kamen die Eltern von Alison und Isa. Sie stiegen zu zweit aus dem Auto.

 

Ihre Töchter schauten sie überrascht an. „Mom und ich haben uns überlegt uns an Weihnachten noch eine zweite Chance zu geben“, überbrachte ihr Vater die positive Nachricht. „Das ist fantastisch!“, rief Alison und umarmte ihren Vater. „Wir haben einen Monat getrennt gelebt und nun versuchen wir es auch wegen euch beiden noch einmal und außerdem ist Weihnachten das Fest der Liebe“, meinte ihre Mutter und gab ihren Töchtern einen Kuss. „Dad, ich werde weiterhin Saint Malory besuchen“, sagte Alison überzeugt, „Dieses Internat ist doch viel besser, als ich am Anfang gedacht habe und nun fühle mich hier perfekt aufgehoben, da ich einige nette Freundinnen gefunden habe und die Reitförderung spitzenmäßig ist“ „Das ist doch schön, dass es euch hier besser gefällt als am Anfang“, freute sich ihr Vater. Wir wünschten den beiden Schwestern frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. Nachdem sie weggefahren waren, setzten wir uns in den Gemeinschaftsraum. Fintan saß alleine an einem Tisch und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Ich setzte mich zu ihm. „Was ist mit dir los?“, fragte ich ihn. „Nichts, nur ich bin immer noch hundemüde. Ich bin erst vor einer Stunde aufgestanden und habe in Rekordtempo meine Sachen gepackt“, gähnte er und reckte sich. „Dann hast du noch gar nicht gefrühstückt“, bemerkte ich. „Morgens habe ich eh keinen großen Hunger und nachher wird meine Oma groß für uns kochen“, erwiderte er. „Wann werden wir abgeholt?“, fragte ich. „Mein Vater müsste gleich kommen, er wollte um zwölf Uhr da sein“, sagte er mit einem Blick auf seine Uhr.

 

„Na, braucht ihr eine Extraaufforderung um mitzukommen?“, wie aus dem Nichts stand Fintans Vater hinter uns und beugte sich über unsere Köpfe. „Mensch Dad, musst du uns immer so einen Schrecken einjagen!“, zuckte Fintan zusammen und gab seinem Vater die Hand. „Hallo Emily!“, begrüßte sein Vater mich und schüttelte mir die Hand. „Hallo Mr. Bentley!“, erwiderte ich freundlich. „Seid ihr bereit zum Abmarsch?“, fragte er gutgelaunt. „Erst mal müssen wir uns von unseren Freunden verabschieden“, bremste Fintan seinen Vater. Ich stand auf, um mich von meinen Freundinnen zu verabschieden. „Ich wünsch dir frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!“, Rosy und ich nahmen uns fest in den Arm. „Ich wünsche dir auch frohe Weinachten, aber bitte esse nicht so viel Süßes bis du platzt und rutsch an Silvester nicht zu tief“, gab mir Oli auf den Weg. „Du alte Spottdrossel, dich werde ich in den drei Wochen am allermeisten vermissen!“, rief ich lachend und piekste ihr in die Seite. „Kommst du, mein Vater möchte endlich fahren und wir müssen noch unsere Koffer holen“, rief Fintan. „Dann bis nächstes Jahr“, Oli umarmte mich. „Ciao, ich werde unsere gemeinsamen Späße tierisch vermissen“, winkte ich meiner besten Freundin hinterher.

 

Fintans Vater half uns die Koffer im Kofferraum zu verstauen. „Wie war es in den letzten Monaten?“, fragte er uns interessiert. „Er fragt mich das jedes Mal, obwohl ich jedes zweite Wochenende zuhause verbringe“, flüsterte Fintan ins Ohr und musste grinsen. „Es war in letzter Zeit wegen der Klausuren sehr anstrengend, aber wir haben auch schöne Momente erlebt“, antwortete ich für Fintan. „ Bitte fangt nicht an über Noten und Klausuren zu reden! Besonders die Französisch- und die letzte Englischklausuren waren bei mir der Horror und ich befürchte, dass meine Chemieklausur auch nicht gerade toll sein wird, da ich zwei Teilaufgaben übersehen habe“, stöhnte Fintan neben mir und stützte sein Kinn auf seinen Händen. „Denkst du, dass meine Arbeiten unbedingt viel besser waren? Ich finde der ganze Stoff im Vergleich im letzten Jahr ist viel schwerer geworden. In Französisch und in Geschichte komme ich einfach nicht über eine Vier hinaus, egal wie sehr ich mir den Arsch aufreiße“, warf ich ein. „Egal, ihr habt es jetzt wenigstens hinter euch und nun könnt ihr drei Wochen lang an nichts denken“, munterte sein Vater uns auf und fuhr im hohen Tempo um scharfe Linkskurve. „Dad, musst du immer so rasant fahren?“, beschwerte sich Fintan, „Mein Fahrlehrer hat mir immer gesagt, ich soll beim Durchfahren scharfer Kurven vorher abbremsen“ „Fahr du doch, wenn du meinst, wenn du es besser kannst“, erwiderte sein Vater gelassen. Daraufhin schwieg und schaute verträumt aus dem Fenster. „Wann sind wir da?“, fragte ich, „Denn ich kriege langsam wieder Hunger“ „Bei der nächsten Abfahrt fahre ich von der Autobahn runter“, erwiderte sein Vater.

 

Als wir aus dem Auto ausstiegen wurden wir als erstes von der lieben und treuen Corgihündin Bella begrüßt. Sie sprang an Fintan hoch und leckte ihm seine Hände. „Ich freue mich auch dich wieder zu sehen, meine Liebe!“, lachte er und kraulte sie am Hals. Dann stürzte sich die Hündin mit einem fröhlichen Bellen auf mich und wuselte um meine Beine herum. Fintans Vater lud währenddessen unsere schweren Koffer aus dem Auto. „Uff, was habt ihr alles aus dem Internat mitgebracht?“, stöhnte er. „Dad, wir haben alle Kieselsteine aufgesammelt, die wir auf den Wegen des Internatgeländes gefunden haben“, scherzte Fintan, worüber wir alle lachen mussten. „Am besten bringt ihr die Koffer in den Flur und dann könnt ihr sie nachher in Fintans Zimmer hinauftragen“, meinte sein Vater und parkte den Wagen in der Garage. „Hi grandma!“, rief Fintan als wir den Kopf in die Küche hineinsteckten. „Hallo ihr beiden, setzt euch beide schon mal an den Tisch, ihr müsstet sicherlich schon halb verhungert sein“, begrüßte sie uns fröhlich. „Ja, ich bin schon halb am verhungern“, bestätigte Fintan, „Ich bin so spät aufgestanden, dass ich nicht mehr frühstücken konnte“ Im nächsten Moment kam Fianna herein, sie freute sich sehr uns zu sehen und sprang ihrem Bruder in die Arme. „Ich habe dich schon vermisst!“, sagte sie zu ihrem Bruder. „Dabei waren es nur zwei Wochen, die wir uns nicht gesehen haben“, erwiderte er lächelnd. „Kinder setzt euch hin, es gibt Suppe“, sein Grandma stellte eine große Schüssel auf den Tisch. Gierig langten wir zu. „Lasst noch etwas für uns Alten übrig!“, ermahnte uns Fintans Großmutter, dennoch freute sie sich, dass wir großen Appetit mitbrachten. „Wo ist eigentlich Mom?“, fragte Fintan. „Sie ist eben einkaufen und kommt gleich wieder“, antwortete seine Großmutter und wendete die Bratkartoffeln in der großen Pfanne.

 

Mitten beim Essen kam Fintans Mutter herein, sie stellte ihre Einkaufstaschen neben dem Kühlschrank und wickelte sich aus ihrem langen Schal. „Hey, ihr seid sogar vor mir wieder da“, sagte sie und begrüßte uns. „Dad ist vorhin mit einem Affenzahn zurückgefahren, so dass uns beinahe schwindelig wurde, weil mit einem hohem Tempo durch die ganzen Kurven gefahren“, berichtete Fintan. „Oh je, lass nie deinen Vater ans Steuer“, schmunzelte seine Mom und setzte sich gegenüber von uns hin. „Das will ich wohl nicht gehört haben, Cathy!“, rief ihr Ehemann und steckte seinen Kopf zur Tür hinein. „Ich nehme es von mir aus wieder zurück!“, entschuldigte sich Fintans Mutter. „Wo warst du die ganze Zeit?“, wandte sich die Grandma an seinen Vater. „Ich musste noch die Schafe versorgen, sie waren von den Socken, weil bis gerade eben noch kein Futter gesehen haben“, schnaubend setzte er neben seiner Frau an den Tisch und lud sich Suppe auf seinen Teller. „Wie waren die letzten Tage in der Schule? Habt ihr noch viele Klausuren geschrieben? Wie läuft es sportlich bei euch?“, wollte Fintans Mutter wissen. Sie hörte uns aufmerksam zu, als wir von den Klausuren, der Weihnachtsfeier und von all den schönen Momenten mit unseren Freunden erzählten.

 

Nach der Suppe wurden Nackensteaks mit Bratkartoffeln aufgetischt. Fintans Grandma konnte wirklich exzellent kochen, nachher blieb kaum noch etwas übrig. „Ich glaube ich platze gleich, wenn ich noch mehr esse“, flüsterte ich Fintan ins Ohr. „Warte einmal ab, gleich gibt es noch ein Dessert. Omas Vanillemousse mit Himbeerpüree kann man einfach nicht mehr widerstehen“, erwiderte er und stellte kleine Schüsselchen auf den Tisch. Mit Mühe und Not schaffte ich es ein bisschen von dem Dessert zu essen, dennoch schmeckte es fabelhaft. Was würden wir dafür geben, wenn unsere Internatsköche genauso gut kochen könnten! „Ich bin so satt, dass ich mindestens hundert Jahre Verdauungsschlaf halten muss“, seufzte ich leise. „Mir geht es gerade nicht anders, aber in zwei Stunden sieht es wieder ganz anders aus, wenn es später nämlich Kuchen gibt. Ich habe die Eigenschaft bis zum Umfallen zu essen, wenn die meisten Personen bereits satt sind“, Fintan grinste mich verschmitzt an. „Das ist kein Wunder, wenn deine Oma immer so gut kocht. Nicht einmal die Köche unseres Internats kommen annähernd an ihr Niveau“, pflichtete ich ihm bei. „Obwohl dass Essen in der Schule ist auch ziemlich gut. An meiner alten Highschool hat das Essen in der Kantine so fürchterlich geschmeckt, dass Grandma mir jeden Morgen ein großes Packet mit belegten Broten, Äpfeln, Joghurts und Müsliriegeln mitgegeben hat“, erzählte er.

 

Am Nachmittag kam Besuch. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als Greta auf dem Flur stand und sich ihre Jacke auszog. „Greta, was machst du hier?“, entfuhr es mir baff und fiel ihr stürmisch um den Hals. „Fintans Mutter hat uns zum Kaffee eingeladen“, erwiderte meine Freundin, „Unsere Mütter sind seit vielen Jahren eng mit einander befreundet, Fianna und Kelly ebenfalls. Ich bin mitgekommen, weil ich wusste, dass ihr hier seid“ „Das ist die Überraschung des Tages!“, freute ich mich. „Kommt, lasst uns ins Wohnzimmer setzen. Gerade läuft eine interessante Sendung im Fernsehen“, schlug Fintan vor. Gerade als wir uns es auf der Couch bequem gemacht hatten, kamen Fianna und Kelly herein. „Mom hat uns erlaubt im Wohnzimmer Kuchen zu essen, aber wir dürfen nicht krümeln“, sagte Fianna und stellte die Teller vor uns auf den Couchtisch. Kelly brachte den Kuchen und eine Kanne warmen Kakao mit. „Was hält ihr davon, wenn wir gleich ausreiten?“, schlug ich vor. „Wenn dann müssen wir es machen, bevor es total dunkel ist und im Winter geht die Sonne schon um halb Vier unter“, erwiderte Fintan mit vollem Mund. „Ich habe keine Reitsachen mit, aber ich kann bestimmt auch in Jeans reiten“, meinte Greta. „Ich würde auf jeden Fall wieder gerne reiten, denn ich habe seit zwei Monaten nicht mehr auf dem Pferd gesessen“, nickte Fintan. „Darf ich Fury reiten?“, fragte Kelly mit leuchtenden Augen. „Von mir aus, kannst du ihn reiten“, nickte Fianna, „Ich möchte sowieso viel lieber Princess nehmen“ „Wer ist Fury?“, fragte ich Fintan. „Es ist unser ruhigstes und ältestes Pferd, er ist sogar vier Jahre älter als ich und mir als ich klein war, mir das Reiten beigebracht“, antwortete er. „Kommt, lasst uns gehen, bevor es dunkel wird“, drängelte Fianna, „Wir müssen die Pferde schließlich noch von der Weide holen, putzen und satteln“

 

Eine halbe Stunde später ritten wir zu fünft vom Hof. Fiannas Stute Princess und mein Pferd Rocky führten die Gruppe an, es schien beinahe so, als wollte sie ein kleines Wettrennen untereinander austragen. „Nicht so schnell ihr da vorne“, rief Fintan, der auf Sally das Schlusslicht bildete und nach hinten absicherte. Ich musste Rocky drosseln, da er bei jeder Gelegenheit schneller wurde und einmal kurz von alleine angaloppierte. Auf einem Acker ließen wir unsere Pferd angaloppieren. Rocky und ich setzten uns meilenweit von der Gruppe ab. Als ich mich umdrehte, erkannte ich nur noch die Silhouetten meiner Freunde. Ich parierte Rocky durch zum Schritt. „Rocky macht einem Rennpferd alle Ehre!“, bemerkte Greta. „Er ist sehr temperamentvoll, nicht umsonst hat er mich vor wenigen Monaten abgeworfen“, nickte Fianna. Eine Schar Krähen erhob sich von dem benachbarten Feld und flog schnatternd über unseren Köpfen hinweg. Hinter einem Dolmengrab kehrten wir wieder um, da die Dämmerung einsetzte und es langsam empfindlich kühl wurde. „Ich habe so kalte Hände“, beklagte sich Kelly. „Wieso wärmst du sie nicht an Furys Hals? Er hat das dichteste und wärmste Fell von allen Pferden“ Auf einmal spürte ich, wie müde ich war. Heute Morgen war ich früher aufgestanden als sonst und ich hatte letzte Nacht nicht besonders viel geschlafen.

 

Als wir in die Küche kamen unterhielten sich Fintans Grandma, seine Mutter und Gretas Mutter immer noch angeregt. Erst kurz vor dem Abendbrot verabschiedeten sich Greta, ihre Schwester und ihre Mutter. Wir wünschten ihnen ein frohes Fest und einen guten Rutsch. „So einen schönen Ferienanfang hatte ich seit langem nicht mehr!“, dachte ich zufrieden, während ich mir eine Scheibe Brot mit Butter beschmierte. Drei Wochen keine Schule, keine Hausaufgaben und kein Schulstress! Stattdessen konnte man wieder einen freien Kopf bekommen und sich Zeit für Dinge nehmen, für die man sonst wenig Zeit hatte. Nach dem Essen machten wir es uns im Wohnzimmer bequem und gingen danach früh ins Bett.

 

Vorschau: Saint Malory - Gefühlschaos

Nach den Weihnachtsferien fehlt Fintan für einige Zeit wegen einer Grippe. Emily nähert sich Lucien beim Besuch einer Bowlingbahn an und es entwickelt sich zunächst eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen. Als sie zusammen an einem Reitturnier in Galway teilnehmen, merken sie, dass bei ihnen noch mehr drin ist als Freundschaft. Auf der anderen Seite ist Fintan immer noch ihr Freund, den sie liebt. Emily befindet sich in einem Zwiespalt, nicht einmal die Ratschläge ihrer Freundinnen helfen ihr weiter. Sie kann sich zwischen den Jungs nicht entscheiden und versucht sich bedeckt zu halten. Als Fintan wiederkommt, bleibt ihm Luciens Nähe zu seiner Freundin nicht unbemerkt, was bei ihm zu großer Eifersucht führt und die Beziehung zwischen Emily und ihm gefährlich zum wanken bringt. Zudem erfährt May aus heiterem Himmel, dass ihre Familie im April nach Singapur zieht und ihr Vater möchte, dass sie dort eine Privatschule besucht. Nicht May ist verzweifelt, sondern auch Greta, da May ihre einzige Freundin in der Klasse ist. Oli und Lars führen einen Dauerstreit und trennen sich, worauf Lars mit Greta eine Beziehung anfängt. Lucien setzt alles daran, um seinen Rivalen Fintan schachmatt zu setzten und schwärzt ihn sogar einige Male an. Auf Emilys Geburtstagsfeier kommt es zu einem Eklatat und das Gefühlschaos ist perfekt. Nichts ist mehr so wie es war und es passieren im Internat einige ungeheuerliche Dinge. Sachen verschwinden, üble Gerüchte werden verbreitet und Emilys Cousine erhält einen Drohbrief. „Wie kann das Schuljahr nur gerettet werden?“, denkt sich Emily verzweifelt. Zum Glück gibt es ihre Freundinnen, die in jeder Situation Zusammenhalt beweisen und füreinander da sind.

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.01.2014

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