Dieses Buch widme ich all meinen treuen Leser und Leserinnen sowie allen, die mich dazu inspiriert haben dieses Buch zu schreiben. Ebenfalls widme ich dieses Buch allen Bandenmädchen und denen, die es im Herzen sind.
Wir sind zudem auch noch bei Instagram zu finden: die_roten_tulpen
„So lässt sich es leben!“, schloss Lotta die Augen und machte sich bäuchlings auf dem riesigen Bandehandtuch lang und schob ihre Prada-Sonnenbrille nach hinten in ihre mittelblonden Haare.
„Habt ihr Lust auf Brotchips und rote Paprika?“, wühlte Fianna in ihrer Badetasche herum.
„Oh ja, ich kriege langsam Appetit“, richtete sich Kiki neben ihr auf.
„Puh, ist das warm!“, ächzte Emily und griff nach ihrer Flasche mit dem zuckerfreien Eistee.
„Warum müssen wir dann morgen wieder zur Schule?“, grummelte Aylin und drehte sich zum Dösen zur Seite. Heute war der letzte Ferientag der Sommerferien, den die Roten Tulpen im Freibad verbrachten. Nachdem es ein paar Tage regnerisch und nicht besonders warm war, hatte sich nun der Sommer wieder zurück gekämpft. Kein einziges Wölkchen war zu sehen und die Sonne brannte erbarmungslos auf die Bandenmädchen herab, sodass sie im Schatten einer großen Buchen Schutz vor der heftigen Mittagssonne suchten.
Mittendrin waren auch Mathilda und Annemieke, zwei eineiige Zwillingsschwestern, die auf dem ersten Blick identisch aussahen. Beide trugen ihre wilden hellblonden Locken auf Kinnlänge, sie hatten eine Himmelfahrtsnase, helle blaugraue Augen, unzählbar viele Sommersprossen und sie waren gleich groß. Gerade waren sie nur dadurch voneinander zu unterscheiden, weil Mathilda einen dunkelblauen Sportbikini trug und ihre Schwester einen weißen Designerbikini mit roten Tulpen bevorzugte. Obwohl die Schwestern gleich aussahen, wunderten sich ihre Freundinnen und ihre Eltern nicht selten, wie verschieden sie auf dem zweiten Blick waren.
„Wir sind und waren immer schon zwei unterschiedliche Menschen und werden es auch bleiben“, sagten die Zwillinge nicht selten zu den Menschen um sich herum.
„Lotta, wirst du immer rot, wenn du Jannis siehst?“, zog Kiki ihre Freundin auf.
„Was für ein Quatsch!“, fuhr Lotta sie an und richtete ihre stylische Prada-Sonnenbrille.
„Ich sehe es trotzdem, wie du mega die Stielaugen kriegst, wenn dir die Fischköppe über den Weg laufen“, neckte Mathilda sie. „Jedes Mal wenn ein hübscher Junge deinen Weg läufst, wirfst du deine Haare in den Nacken, richtest deine Sonnenbrille, reckst deine Brust raus und wackelst dabei mit den Hüften.“
„Pah, was erzählst du nur einen Mist!“, entgegnete ihr Lotta voller Empörung und fügte mit kurz darauf mit einem fiesen Grinsen hinzu: „Aber bei dir sieht man auch, dass du gut aussehen willst, sobald Sven in der Nähe ist. Mir entgeht nicht, dass du total in ihn verknallt bist. Jedes Mal wenn er auftaucht, sortierst du deine Haare, setzt ein verlegenes Lächeln auf und ziehst den Bauch ein.“
Anstatt eine passende Antwort zu geben, fing Mathilda an ihre Freundin durchzukitzeln. Kiki half ihr Lottas Arme festhalten, da sich Lotta heftig wehrte.
„Matti und Kiki, ihr seid die fiesesten Freundinnen aller Zeiten!“, quietschte Lotta los.
„Kommt, kitzelt das Lästermaul aus!“, spornte Mathilda die anderen Freundinnen an. Nun stürzten sich die anderen ins Getümmel.
„Hey! Sechs gegen eins, das ist gemein!“, protestierte Lotta. „Außerdem hat Mathilda angefangen!“
„Kann man nicht einmal seine Ruhe haben!“, stand unerwartet eine ältere Frau vor den Bandenmädchen und moserte: „Müsst ihr die ganze Zeit laut kreischen und laut kichern? Geht’s noch?“
„Sorry, wir wollten Sie nicht stören“, entschuldigte sich Emily schnell.
„Okay, wenn ihr noch einmal wegen Ruhestörung auffallt, beschwere ich mich beim Bademeister“, schimpfte die Dame weiter.
„Versprochen, wir werden Sie nicht weiter stören“, versicherte ihr Kiki, bevor sich die alte Dame trollte.
„Was für ein fettes Walross!“, zischte Mathilda, als sie außer Hörweite war.
„Du bist manchmal echt krass, wie du über Leute redest“, blieb Aylin der Mund offen stehen.
„So ist nun mal meine liebe Schwester, sie nimmt nun mal kein Blatt vor den Mund“, wusste Annemieke bescheid und musste unwillkürlich grinsen.
„Hey, habt ihr Lust noch mal schwimmen zu gehen?“, setzte sich Fianna auf. „Ich brauche jetzt eine Abkühlung.“
„Oh ja, ich brauche unbedingt eine Revanche gegen Lotta“, zeigte sich Kiki begeistert.
„Aber eine Vereinsschwimmerin wirst du nie im Leben schlagen“, meinte Emily dazu.
„Wer als erster bei der Wasserrutsche ist!“, riefen die Zwillinge auffordernd.
„Manno, ich will aber liegen bleiben!“, nörgelte Aylin und drehte sich wieder auf die Seite. Die anderen Mädchen sprangen auf und flitzten den Schwestern hinterher, die ein ganzes Stück voraus gelaufen waren.
Kurz bevor die Bande an der Rutsche angekommen war, fiel Mathilda auf, dass Aylin nicht dabei war.
„Komm Micky, wir holen Aylin ab!“, raunte sie ihrer Schwester zu. Zügig sprinteten sie zurück zur Liegewiese.
„Was wollt ihr eigentlich?“, murrte Aylin, als sie das Schwesternpaar entdeckte.
„Los, geb hier nicht die Spielverderberin! Also hopp!“, klatschte Mathilda in die Hände.
„Aylin, du wirst eine Menge Spaß verpassen“, beugte sich Annemieke zu ihr runter. Noch immer schien ihre Freundin nicht überzeugt zu sein.
„Darf man nicht einmal dösen? Ich bin doch vorhin die ganze Zeit geschwommen. Was wollt ihr also?“, maulte sie. Die Zwillinge ließen sich nicht beirren, griffen nach ihren Händen, zogen sie vom Handtuch hoch und rannten mit ihr Hand in Hand über die Wiese.
„Eine alte Frau ist kein D-Zug“, keuchte Aylin, da ihre beiden Freundinnen ein ordentliches Tempo vorlegten. Einmal stolperte sie über eine Baumwurzel und quiekte vor Schmerzen kurz auf. Hätten Annemieke und Mathilda sie nicht gehalten, wäre sie hingefallen.
„Alles in Ordnung bei dir?“, machte Annemieke ein besorgtes Gesicht.
„Ja, es geht wieder, aber wir müssen nicht wie die besengten Säue durch das Freibad rasen“, biss Aylin ihre Zähne aufeinander.
„Okay, wir können auch gehen“, nickte Mathilda und hielt Aylins Hand immer noch fest, damit ihre Freundin nicht auf die Idee kam, wieder zurück zu gehen.
„Annemieke und Mathilda, manchmal seid ihr die erbarmungslosesten Zwillinge auf dieser Erde!“, war Aylins Gesicht immer noch puterrot.
„Aber nur manchmal“, beharrte Annemieke.
„Aber deine Schwester wohl immer“, setzte Aylin mürrisch oben drauf.
„Hey, wir haben euch einen Platz freigehalten!“, winkte ihnen Kiki zu, die sich mit den anderen Bandenfreundinnen in der langen Schlange vor der Rutsche angestellt hatte. Besonders an geschäftigen Tagen wie diesen, herrschte hier großer Andrang.
„Könnt ihr euch nicht anstellen, wie jeder andere auch?“, blaffte ein etwa sechzehnjähriges Mädchen die Zwillinge und Aylin an.
„Pech gehabt, dass wir unseren Freundinnen einen Platz in der Schlange reserviert haben!“, drehte sich Fianna mit einem frechen Grinsen um.
„Meine Güte, was seid ihr für alberne Kleinkinder“, regte sich das junge Mädchen weiterhin auf.
„Guckt mal, wer da unten im Becken schwimmt!“, lenkte Emily die Aufmerksamkeit auf die Piranhas.
Lachend und unter lautem Gejohle rutschten die Roten Tulpen nach und nach die Wasserrutsche mit den vielen Kurven herunter.
„Wooohooo, das ist so cool!“, juchzte Fianna, als sie zusammen mit Annemieke und Emily rutschte.
„Mädchenalarm!“, vernahmen sie auf einmal Ömers durchdringende Stimme. Ehe sich die Freundinnen nur umsehen konnten, bekam Mathilda einen Wasserball ins Gesicht, sodass ihre rechte Wange brannte.
„Das wird sich rächen, ihr Fischköppe!“, rief sie empört und schwamm auf die Jungenbande zu.
„Auf in den Kampf!“, schwor Kiki ihre Bande ein.
„Wir werden es den Heinis zeigen!“, nickte Fianna und schwamm einige Meter unter Wasser, damit sie nicht gesehen wurde.
„Wie gesagt, wir Mädchen sind zwar nicht stärker, aber wenigstens klüger und wir können die Jungs dazu bringen, dass sie sich mit ihren eigenen Waffen schlagen“, sagte Emily, die zusammen mit Annemieke und Aylin im Hintergrund blieb.
„Lasst uns nicht hängen, Mädels!“, raunte Lotta ihnen zu.
„Ach was, das tun wir nicht!“, versicherte ihr Annemieke und stürzte sich kopfüber in das Handgemenge.
„Eine für alle, alle für eine!“, nuschelte Aylin leise. Eine heftige Wasserschlacht begann zwischen den beiden Banden, die bis nicht vor all zu langer Zeit verfeindet waren und mittlerweile in den meisten Fällen gut miteinander auskamen. Das Abenteuer in der alten Villa hatte Jungs und Mädchen ein Stück weit zusammengeschweißt. Dennoch neckten sich die beiden Banden manchmal immer noch.
„Hurra, ich habe Sven den Ball abgenommen“, triumphierte Kiki, die Mathilda den Ball zuwarf. Als Michael und Lennart sie von hinten packten, gab sie den Volleyball an Emily ab.
„Ihr unmöglichen Gören!“, rief Sven wütend. Nun kabbelten sich beide Seiten ernsthaft um den Volleyball.
Als Lotta den Ball hatte, kletterte sie schnell aus dem Becken und rannte davon. Ohne zu zögern folgten ihr die anderen, erst die Piranhas und dann ihre eigenen Bandenfreundinnen. Bevor Lotta von Jannis eingeholt wurde, passte sie den Ball zu Annemieke, die ihn wiederum an Fianna weitergab. Michael stellte ihr ein Bein, sodass sie hart hinschlug und kurz aufschrie.
„Kannst du nicht aufpassen, du Spinner?“, fuhr Aylin ihn zornig an.
„Oh nein, Fianna, hast du dir richtig wehgetan?“, war Emily ganz bleich.
„Sollen wir dir helfen?“, kniete sich Kiki neben ihr nieder.
„Nein, es geht schon“, versuchte Fianna die Tränen in der Stimme zu unterdrücken.
„Nein, dir geht es scheinbar nicht gut. Du weinst gerade“, berührte Lotta sie an der Schulter.
„Ja, das tut saumäßig weh!“, schniefte ihre Freundin und rappelte sich langsam wieder auf. Fianna hatte sich beide Knie aufgeschlagen, blutige Kratzer an den Händen und an der Stirn.
„Wir müssen einen Bademeister holen, damit wir sie verarzten können“, lief Annemieke los. Kiki und Mathilda hakten ihre verletzte Freundin unter, die immer noch mit den Tränen zu kämpfen hatte.
„Das habt ihr super hinbekommen, ihr Fischköppe!“, zischte Emily erbost.
„Sorry Fianna, ich wollte dich nicht zu Fall bringen“, gab Michael ihr zur Entschuldigung die Hand.
„Hey, wir tragen eure Freundin zur Bank neben dem Bademeisterhäuschen“, bot Sven an. „Max ist stark genug, dass er so ein Leichtgewicht wie Fianna tragen kann.“
Max nahm Fianna auf die Schulter und trug sie zu der kleinen Hütte, die ein wenig einer Hundehütte ähnelte. Der Bademeister und Annemieke warteten dort, sodass Fianna schnell verarztet werden konnte.
Plötzlich fingen Lotta und Emily an zu kichern.
„Hä? Was habt ihr denn?“, drehte sich Mathilda irritiert zu ihnen um.
„Guck mal, dein Bikiniträger!“, gackerte Lotta laut los.
„Was soll daran so lustig sein?“, sah Mathilda sie ratlos.
„Matti, dein Bikiniträger ist gerissen!“, zischte Annemieke. „Du hast dich obenrum halb entblößt.“
„Oh nein, das darf doch nicht wahr sein!“, lief Mathilda puterrot an.
„Wir sind Gentlemans und haben nicht hingeguckt“, musste sich Lennart ein Grinsen verkneifen. Mathilda wäre am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken, am besten bis hin nach Australien. Das war eine Riesenblamage! Schnell bedeckte sie ihre Brüste mit ihren Händen. Im Eifer des Gefechts hatte sie nicht gemerkt, dass ein Träger ihres Bikinis gerissen war.
„Vielen Dank auch, dass ihr meinen Lieblingsbikini ruiniert und mich vor allen Schwimmbadbesuchern blamiert habt!“, explodierte sie vor den Piranhas. „Ihr könnt was erleben! Na warte, ich hacke euch allen die Fischköpfe ab!“
„Mathilda!“, raunte ihr Emily ins Ohr. „Komm mal wieder runter, du brüllst das ganze Freibad zusammen.“
„Ich glaube, es ist Zeit zu gehen“, seufzte Annemieke.
„Ich bin auch dafür, dass wir unsere Sachen packen und zur Eisdiele fahren“, war Lotta ihrer Meinung. „Mein Vater kann mich abholen und bei der Gelegenheit Fianna mitnehmen, weil sie nach dem Sturz immer noch nicht richtig laufen kann.“
„Sag ihm, dass er euch zur Eisdiele Di Caprio bringen soll“, warf Kiki ein.
„Fianna, hattest du ein Fahrrad dabei?“, fragte Emily.
„Nein, ich wohne doch nur zwei Straßen weiter“, schüttelte sie den Kopf.
„Kommt nach, wir gehen schon mal zu den Umkleiden“, lief Aylin mit Lotta vor. Annemieke blieb mit Fianna, die immer noch humpelte hinten, während ihre Freundinnen die Umkleidekabinen in Beschlag nahmen.
Mathilda teilte sich die Kabine mit Kiki.
„Ich werde mich nicht mehr sehen lassen können, Kiki“, jammerte sie.
„Mach dir nicht so einen großen Kopf drum!“, tröstete Kiki sie. „Du warst inmitten einer Menschentraube, sodass es kaum einer gesehen haben könnte.“
„Ja, aber Lotta und Emily haben gegackert wie blöd“, zischte sie und fügte verbittert hinzu: „Und jetzt ist auch noch mein Lieblingsbikini im Eimer.“
„Notfalls, kann ich den Träger wieder dran nähen“, bot ihr ihre beste Freundin an. „Trotzdem solltest du dir vielleicht überlegen, dir einen neuen Bikini zu kaufen.“
„Wenn du meinst“, brummte Mathilda.
„Wir können nächsten Samstag gemeinsam nach einem neuen Bikini in der Stadt für dich gucken“, machte Kiki das nächste Angebot.
„Du hast Recht, Kiki“, nickte sie. „Der Bikini ist schon drei Jahre alt und mir sogar schon ein bisschen zu eng.“
„Das sehe ich auch“, pflichtete ihr Kiki bei. „Du bist in den letzten beiden Jahren doch ziemlich gewachsen. Ich würde auch nicht mehr in die Sachen hineinpassen, die ich in der fünften Klasse getragen habe.“
Um fünf Uhr trafen sich die Freundinnen vor ihrer Lieblingseisdiele Di Caprio an einem Tisch unter einem Sonnenschirm wieder.
„Herrlich, jetzt genießen wir die letzten Momente unserer Ferien!“, lehnte sich Lotta zurück.
„Wehe, du erinnerst mich noch mal daran, dass wir morgen zur Schule müssen, dann ich schmiere dein Gesicht mit deinem Eis ein“, drohte ihr Mathilda.
„Wehe, dann verkloppe ich dich mit meinem Eislöffel!“, stieg Lotta in das Spielchen ein. Gerade als sie ihre Neckerei beendet hatten, kamen zwei Kellner mit sieben Eisbechern um die Ecke.
„Das waren nun unsere Ferien!“, pickte sich Kiki die Amarenakirsche von der Saunehaube.
„Leider zu kurz, wie immer!“, fand Fianna.
„Wenigstens spannend, als wir den Kunstfälscherhandel in der alten Villa aufgedeckt haben“, meldete sich Emily zu Wort.
„Ne, darauf kann ich in Zukunft verzichten“, schüttelte es Aylin. „Ich hatte eine Todesangst bei diesen bewaffneten Männern, die uns auch hätten töten können.“
„Das haben sie auch nicht getan“, warf Annemieke ein. „Sonst säßen wir nicht hier und essen unser Eis.“
„Ich kam mir vor wie in einem Actionfilm“, glänzten Mathildas Augen. „Als ich in diesem Haus gefangen war, konnte ich es nicht wahrhaben, dass es wirklich passiert ist.“
„Immerhin haben wir den Schatz gefunden und wir haben das Kriegsbeil endgültig begraben“, nickte Emily.
„Oh ja, die Piranhas sind viel netter geworden“, stimmte Lotta ihr zu.
„Außer gerade eben, da waren sie die Arschlöcher, die wir von der fünften bis zur siebten Klasse gehasst haben“, fiel ihr Mathilda ins Wort.
„Wollen wir die Bandenfehde wieder eröffnen?“, schlug Fianna vor.
„Blödsinn, sind wir dazu nicht langsam zu alt?“, schüttelte Lotta energisch den Kopf. Der Rest ihrer Bande war auch nicht scharf darauf den Bandenkrieg wieder auferstehen zu lassen.
Während die Freundinnen ihre Eisbecher genossen, redeten sie über belanglosere Themen und den neusten Klatsch.
„Krass, wir werden morgen schon in der achten Klasse sein“, murmelte Aylin leise vor sich hin und knabberte an einem Stück Melone.
„Stimmt, wir zählen nicht mehr zu den Jüngeren und die älteren Schüler behandeln uns endlich nicht mehr wie Kinder“, pflichtete ihr Lotta bei.
„Trotzdem finde ich nicht, dass es ein riesiger Unterschied zur achten Klasse sein wird. Es sind gerade mal sechs Wochen her, dass wir zuletzt in der Schule waren“, mischte sich Annemieke ein.
„Eben, sechs Wochen sind nichts“, nickte Kiki.
„Leider lässt sich die Pubertät nicht aufhalten“, murmelte Mathilda halb in Gedanken.
„Du würdest doch für immer ein Kindskopf bleiben oder?“, zog Emily sie auf.
„Manchmal wäre ich am liebsten Peter Pan“, gestand Mathilda. „Ein Zauber bewirkt, dass er nicht älter wird.“
„Glaubt mir, ich werde auch noch lange an den Zeiten hängen“, meinte Fianna dazu.
„Oh ja, besonders unsere Bandenzeit“, nickte Kiki heftig.
Nach dem Eisdielenbesuch fuhren Kiki und die Zwillinge, da sie als einzige Fahrräder dabei hatten, noch zum Schrebergarten, um nach dem Rechten zu schauen und den Kaninchenstall auszumisten.
„Der letzte Hauch von Sommerferien!“, murmelte Annemieke, als sie mit der Hand über Nannis samtiges Fell fuhr.
„Ich will gar nicht die Schulbank drücken und nachmittags vor Hausaufgaben ersticken“, seufzte Mathilda, die Hanni in den Auslauf setzte.
„Ich bin schon mal gespannt, ob wir neue Mitschüler kriegen“, wandte Kiki ein.
„Wenn ja, dann soll da bitteschön keine Zicke, kein Idiot und keine Klette dabei sein“, hoffte Mathilda.
„Das können wir uns nun mal nicht aussuchen“, sagte ihre Schwester.
„Immerhin kann ich mit euch allen zusammen im Klassenraum sitzen, das ist mir viel Wert“, war Kiki zuversichtlich für den morgigen Tag. Als sie den Mist auf den Komposthaufen gekarrt hatten, stillten sie drinnen im Wohnwagen ihren Durst mit Apfelschorle aus dem Kühlschrank.
„Ich muss schon sagen, das waren die schönsten und spannendsten Ferien seit langem“, war Annemieke am schwärmen. „Findet ihr nicht auch?"
„Ja, das stimmt“, pflichtete ihr Kiki bei. „Die gemeinsamen Erlebnisse waren gut für unseren Zusammenhalt.“
„Zudem können wir die Piranhas fast schon als Freunde bezeichnen“, fügte Mathilda mit einem schiefen Grinsen hinzu und lehnte sich lässig gegen die hölzerne Außenwand des Geräteschuppens.
„Aber eben nur fast", betonte Kiki das letzte Wort.
„Ich muss los“, ließ Annemieke ihre Schippe fallen.
„Was ist denn los?“, schaute Mathilda irritiert zu ihr auf.
„Ich muss noch Klarinette üben. Ich hoffe, ihr schafft das zu zweit“, schloss ihre Zwillingsschwester bereits ihr Fahrrad auf. Kurz darauf winkte sie und war auf und davon.
„Dann lass sie gehen“, brummte Kiki, die ganz damit beschäftig war, die Holzspäne im Stall zu verteilen. Mathilda war ganz glücklich, dass sie mit ihrer besten Freundin alleine sein konnte, ohne dass eine weitere Rote Tulpe in der Nähe war. So sehr sie ihre Schwester liebte, aber sie wollte sich in manchen Momenten von ihr abgrenzen und eigene Sachen machen.
„Guten Abend, ihr beiden! Hättet ihr Lust zu mir zu kommen? Ich habe Vanillepudding gekocht“, winkte ihnen Josephine zu, die am Gartentor stand Bei so einer Verlockung konnten die Mädchen nicht nein sagen.
„Steh endlich auf, wir haben zehn Minuten verschlafen, du alte Schlafmütze! Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät!“, wurde Mathilda von einer vertrauten Stimme geweckt. Annemieke saß auf ihrem Bett und riss ihr die Decke weg.
„Verdammt, heute ist der erste Schultag! Manno, ich hätte gerne noch länger Ferien gehabt“, fiel es Mathilda schlagartig ein und war plötzlich hellwach. In Windeseile zog sie sich an und rannte ungestüm die Treppe hinunter. Unten im Flur lief sie um ein Haar in ihre Mutter hinein.
„Guten Morgen, Mäuschen!“, wurde sie von ihr begrüßt. „Wir dachten beinahe, ihr wollt noch ein paar Tage länger Ferien machen.“
„Ich hätte gerne noch ein paar Tage frei“, brummte Mathilda und setzte sich auf ihren Platz.
„Wo ist deine Zwillingsschwester?“, fragte ihr Vater.
„Annemieke muss erst stundenlang überlegen, was sie anzieht“, antwortete Mathilda und biss in ihr Brötchen.
„Passt das hellgrüne Top zu dem geblümten Rock?“, kam Annemieke aufgeregt in die Küche gestürmt. Mathilda nickte und schenkte sich Orangensaft ein.
„Du musst dir unbedingt deine Haare kämmen, bevor du zur Schule gehst, Matti!“, fand ihre Mutter.
„Das sehe ich auch so, dir stehen die Haare vom Kopf ab“, bekräftigte ihre Schwester. Mathilda stöhnte genervt und sah ihre Schwester mit einem müden Blick an. Annemieke hatte ihre hellen Locken mit einem hellgrünen Bandana gebändigt. Zudem trug sie goldene Kreolen, die ihr ihre Oma letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Murrend stand Mathilda auf und ging hinauf ins Badezimmer. Fluchend kämmte sie ihre Haare durch und betrachtete unzufrieden ihr Ergebnis im Spiegel. Ihre Locken standen immer noch in alle Richtungen ab.
„Dass ich meine blöden Locken nicht bändigen kann!“, schimpfte sie leise und schnappte sich ein Haargummi, um sich einen Pferdeschwanz zu machen.
„Das sieht schon hundert Mal besser aus!“, dachte sie zufrieden und putzte anschließend ihre Zähne.
„Ihr müsst langsam los!“, drängte ihre Mutter aus der Küche. „In zwanzig Minuten müsst ihr da sein.“
„Ich habe mir noch nicht einmal die Zähne geputzt!“, rief Annemieke und rannte die Treppe hoch.
„Beeil dich, Micky!“, rief Mathilda ihr ungeduldig hinterher und zog sich ihre grünen Sneakers mit den gelben Streifen an. Es war bereits noch so warm, dass sie ohne Jacke nach draußen gehen konnte.
„Soll ich eure Fahrräder aus der Garage holen?“, fragte ihr Vater.
„Gerne, Papa!“, antwortete sie und trat nach draußen.
„Ich wünsche euch beiden einen ersten netten Schultag!“, wünschte ihre Mutter und umarmte beide Schwestern zum Abschied. Ihr Schulweg führte entlang der Bochumer Straße und an der vierten Kreuzung mussten sie in Richtung Stadtzentrum fahren.
„Wer als Letzter an der Schule ist, muss in der ersten großen Pause eine Milchschnitte ausgeben!“, rief Mathilda und trat ordentlich in die Pedale. Sie fuhr ihrer Schwester davon und ärgerte sich, dass sie an einer roten Ampel anhalten musste und Annemieke problemlos zu ihr aufschließen konnte.
„Meine Güte bist du schnell!“, keuchte sie.
„Ich will schließlich die Milchschnitte nicht von meinem eigenen Geld bezahlen!“, antwortete Mathilda frech und fuhr weiter, als die Ampel auf Grün schaltete. Am Ende der Straße kam ihre Schule in Sicht, die sie seit mehr als eineinhalb Monaten nicht mehr gesehen hatten.
„Gewonnen!“, rief Mathilda ihrer Schwester siegesgewiss entgegen. „Heute geht die Milchschnitte auf dich!“
„Na gut!“, keuchte Annemieke und schloss ihr Fahrrad neben Mathildas Fahrrad ab.
Die Fahrräder ihrer Freundinnen standen bereits in den Fahrständern. Sie erkannten Aylins rosa Mädchenfahrrad, Emilys blaues Damenfahrrad und Lottas sportliches Mountainbike zwischen hunderten von Fahrrädern wieder.
„Verdammt, wir sind bestimmt zu spät!“, zischte Mathilda und strich sich eine Locke, die sich aus ihrem kurzen Pferdeschwanz gelöst hatte, aus ihrem Gesicht. Hastig eilten sie über den Schulhof und stießen die Tür zum Eingang auf.
„Hallelujah!“, entfuhr es Mathilda, als sie sich unter hunderten von neuen Fünftklässlern und deren Eltern wieder fanden. Viele jüngere Kinder rannten lärmend durch die Gegend, Eltern unterhielten sich bei einer Tasse Kaffee und einige Lehrer suchten nach ihren Kollegen. „Wo ist dieser verflixte Raumplan?“, jammerte Annemieke und hakte sich ihre Zwillingsschwester unter, um sie im Gedränge nicht zu verlieren. Im nächsten Moment klingelte es. Hastig zog Mathilda Annemieke hinter sich her und hielt vor dem Infoboard am Ende der Pausenhalle an.
„Wir sind im Neubau im Raum A11“, sagte sie. „Wir müssen schnell in das andere Gebäude.“
Voller Eile drängelten sich die Zwillinge durch die Menschenmasse und bogen nach links ab.
Zaghaft klopfte Mathilda an die Tür ihres neuen Klassenraumes im Erdgeschoss.
„Herein!“, hörten sie eine Stimme sagen. Zaghaft öffnete die Mathilda und trat herein.
„Es tut uns sehr leid, dass wir zu spät sind“, entschuldigte sie sich. „Guten Morgen, wir haben leider verschlafen.“
„Guten Morgen, Zwillinge!“, begrüßte sie Frau Schellhardt. „Kommt rein und setzt euch. Es ist kein Weltuntergang, dass ihr zwei Minuten zu spät seid.“
Mathilda und Annemieke sahen sich um, wo noch ein Platz frei war. Kiki winkte ihnen freundlich zu, aber neben ihr saßen schon Lotta und Fianna.
„Mist, in der ganzen Reihe dort hinten ist kein Platz mehr frei“, wisperte Mathilda.
„Setzt euch eben an diesen Tisch“, deutete Frau Schellhardt auf einen Tisch in der ersten Reihe. „Wir werden die Sitzordnung eh gleich neu auslosen.“
Seufzend nahmen die Zwillinge am Tisch vor dem Lehrerpult platz.
„Herzlich willkommen in der Klasse 8a! Ich hoffe ihr habt die Sommerferien gut überstanden und habt neue Kraft geschöpft. Bevor wir mit etwas anderen beginnen, werde ich euch eure neuen Mitschüler vorstellen“, kündigte die Klassenlehrerin an. „Anja Marie Vogelberg ist vor wenigen Wochen von Solingen nach Freudenburg gezogen und ist dreizehn Jahre alt. Jacob Anders kommt von der Realschule und ist gestern vierzehn Jahre alt geworden, herzlichen Glückwunsch nachträglich! Katja Niemeier ist vierzehn Jahre alt und wiederholt die Klasse. Unsere letzte neue Schülerin heißt Teresia Jankowski und sie ist zufällig die Nichte von Filmstar Andy Jankowski. Sie wird allerdings zur dritten Stunde kommen, da sie im neuen Film ihres Onkels mitspielt und heute Morgen einen Drehtermin hatte.“
Danach kamen die Neuzugänge nach vorne und stellten sich vor.
„Diese Katja finde ich ganz schön hochnäsig und arrogant“, flüsterte Mathilda ihrer Schwester ins Ohr. „Sieh dir einmal ihr geschminktes Gesicht und ihren Haarschnitt an!“
„Mathilda, sei auf der Stelle leise!“, wurde sie von Frau Schellhardt ermahnt.
„Außer Shoppen gehen, mag ich meinen Kater Miro, Hiphop, Tennis und Mode sehr gerne“, fuhr Katja fort und strich sich eine aschblonde Strähne hinter ihr Ohr.
„Ich heiße Jacob Anders und bin gestern vierzehn geworden. Meine Hobbys sind naturwissenschaftliche Experimente, Computer programmieren, Roboter bauen und mit meinem Hund spazieren gehen“, stellte sich Jacob knapp vor und überließ Anja das Wort.
„Anja, kannst du ein wenig lauter reden? Die Schüler in der letzten Reihe können dich garantiert nicht verstehen“, bat Frau Schellhardt. Das schüchterne Mädchen spielte nervös mit seinem hellbraunen Haaren und schaute auf den Boden.
„Anja, du kannst deinen Mitschülern noch etwas mehr von dir erzählen“, munterte die Klassenlehrerin sie auf.
„Ich mag Pferde, Hunde und Katzen sehr gerne“, sagte Anja leise. „Außerdem reite ich seit fünf Jahren, spiele seitdem ich vier bin Klavier und gehe gerne Shoppen.“
Die neuen Schüler setzten sich wieder hin und Frau Schellhardt schrieb den neuen Stundenplan schrieb den Stundenplan an die Tafel und teilte einen Elternbrief aus. Danach wurden die neuen Plätze ausgelost.
„Mathilda, du sitzt vorne ganz vorne mit Katja an einem Tisch“, winkte ihr Finn zu. Nachdem jeder Schüler seinen Platz gefunden hatte, wurde es wieder ruhig in der Klasse. Mathilda drehte sich um und sah, dass Annemieke rechts von Freya saß. Der andere Platz neben ihr war frei, dort sollte später Teresia sitzen. Katja schien so vertieft in ihrem Notizbuch zu lesen, dass sie nicht einmal bemerkte, dass Mathilda neben ihr saß.
In der großen Pause zog Mathilda ihre Schwester als erstes in die Cafeteria.
„Muss es hier immer so voll und stickig sein? Bis wir unsere Milchschnitten haben, ist die Pause schon längst vorbei“, stöhnte Annemieke und stellte sich an.
„Was versprochen ist, ist versprochen!“, lächelte Mathilda zuckersüß und klimperte mit den Wimpern.
„Hö, du hast mich mit deinem doofen Wettrennen total überrumpelt“, entgegnete ihre Schwester und ärgerte sich über einen kleinen Jungen, der ihr auf den Fuß trat. Es dauerte beinahe eine Viertelstunde bis sie an die Reihe kamen. Eilig hasteten sie zum Treffpunkt der Roten Tulpen. Ihre Freundinnen warteten an der Sandsteinmauer auf sie.
„Besprechen sich Zwillinge immer so lange auf der Toilette?“, empfing sie Lotta mit Spott. Anstatt zurück zu schießen, antwortete Mathilda ruhig: „Nö, wir mussten uns so lange in der Cafeteria anstehen. Die Schlange war riesig, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.“
„Aha, unsere Zwillinge finden immer tolle Ausreden“, bemerkte Kiki spöttisch.
„Sagt mal, wollen wir nicht den Schuljahresbeginn beim nächsten Bandentreffen feiern?“, wechselte Mathilda das Thema, damit nicht noch mehr Spott auf sie und ihre Schwester niederprasselte.
„Die Idee ist super“, fand Aylin. „Ich werde meine Mutter fragen, ob sie etwas für uns bäckt.“
„Ich werde eine XXL-Packung Ostfriesentee besorgen“, meldete sich Annemieke begeistert zu Wort.
„Einigen wir uns doch darauf, dass jede von uns etwas mitbringt“, meinte Kiki.
„Ich nehme meine neue Bluetoothbox mit“, schlug Lotta vor. „Die hat echt einen geilen Sound."
„Mach das ruhig, Lotta“, sagte Kiki. „Musik ist immer nice to have.“
Länger konnten die Freundinnen nicht diskutieren, denn es klingelte zur dritten Stunde. Mathilda hakte sich bei ihrer Schwester und Kiki unter.
„Ich bin gespannt, wie meine Sitznachbarin sein wird. Sie soll die Nichte von Andy Jankowski sein, das ist der pure Wahnsinn. Dieser Typ hat schon in so vielen Kriminalfilmen mitgespielt und ich habe schon einige Filme, in denen er mitspielt, gesehen. Er ist ein brillanter Schauspieler“, wisperte Annemieke, als sie zum Klassenraum gingen.
„Schwesterlein, seit wann hast du mit irgendwelchen albernen Schwärmereien begonnen?“, neckte Mathilda ihre Schwester. Annemieke zog beleidigt die Mundwinkel nach unten und wendete sich von ihr ab.
„Matti, hack nicht gleich auf jedem rum, der anders fühlt und denkt als du!“, ermahnte Kiki sie. „Warum darf Micky ihn nicht gut finden? Ich meine Andy Jankowski ist doch ein sehr bekannter Schauspieler und hat schon in manchen Hollywoodproduktion mitgewirkt.“
„Aha!“, bemerkte Mathilda und tat so, als wäre sie gelangweilt.
Gerade als alle Schüler Platz genommen hatten und ruhig waren, ging die Tür auf. Ein großer Mann mit einer schwarzen Sonnenbrille und einem Anzug kam herein, neben ihm ging ein etwa dreizehnjähriges Mädchen mit gewellten blonden Haaren.
„Ist das Andy Jankowski?“, wurde überall aufgeregt in der Klasse getuschelt. Frau Schellhardt begrüßte das Mädchen und ihren Begleiter und gab beiden die Hand.
„Ich kann euch schon einmal sagen, dass Teresias Begleiter nicht ihr Onkel ist“, wandte sie sich wieder an die 8a.
„Schade! Ich hätte so gerne ein Autogramm von ihm gehabt“, flüsterte ein Mädchen in der letzten Reihe enttäuscht. Mathilda betrachtete den letzten Neuzugang noch genauer. Teresia hatte strahlende blaue Augen, ein ovales Gesicht, sonnengebräunte Haut und war ziemlich schlank, aber nicht zu dünn. An ihren Ohrläppchen baumelten glitzernde Ohrringe und passend dazu trug sie eine Kette mit einem Diamantenanhänger und ein blaues Sommerkleid, welches garantiert von einem Designer stammte. Mathilda bekam sofort den Eindruck, dass sich dieses junge Mädchen im Klassenraum verirrt hatte und eigentlich bei einer Modenschau auftreten sollte.
„Das ist unsere neue Mitschülerin Teresia Madeleine Jankowski. Sie wird nur ein paar Wochen unsere Klasse besuchen, da sie mit ihrem Onkel in Freudenburg einen Film dreht“, stellte Frau Schellhardt die letzte neue Schülerin vor und übergab das Wort an die neue Mitschülerin.
„Hey, wie ihr schon wisst, heiße ich Teresia Jankowski und bin dreizehn Jahre alt. Ich wohne zusammen mit meinen Eltern in München, aber gerade wird in Freudenburg ein Film gedreht, in dem ich mitspiele. Es ist insgesamt mein fünfter Film und wenn ich nicht vor der Kamera stehe, bin ich auf dem Laufsteg unterwegs. Ich habe als Kindermodel schon einige Preise abgesahnt. In meiner Freizeit tanze ich sehr gerne Hiphop, gehe mit meinem Hund Romeo spazieren, verabrede mich mit Freunden und gehe Shoppen“, stellte sich Teresia selbstbewusst vor und sandte ein strahlendes, filmreifes Lächeln in die Runde. Mathilda spürte wie Teresia magisch die Blicke ihrer Klassenkameradinnen auf sich zog, es würde nicht lange dauern, bis sie einen eigenen Hofstaat um sich herum hätte.
„Neben Annemieke ter Steegen in der letzten Reihe ist noch ein Platz frei, dort wirst du sitzen“, wandte sich die Klassenlehrerin an Teresia. Nachdem sich alle Schüler wieder beruhigt hatten, begann Frau Schellhardt mit der Wiederholung aus dem letzten Schuljahr. Das war gar nicht so einfach, denn die Schüler hatten sechs Wochen lang ihre Beine hochgelegt und dabei mehr als die Hälfte vergessen. Pauline, Thomas und Jule befreiten die Klasse mehrmals aus der Zwickmühle, wenn niemand mehr weiter wusste.
„Ich mache gerade den Unterricht mit drei Leuten“, beschwerte sich die Klassenlehrerin. „Wie wäre es, wenn Emily die nächste Geradengleichung an die Tafel schreibt?“
Emily stand auf und ging mit wackligen Beinen an die Tafel. Mathilda tat Emily leid, ihre Freundin war noch nie besonders gut in Mathe gewesen. Der Gong erlöste sie schließlich, bevor sie noch weiterhin minutenlang ahnungslos die Tafel anstarrte.
„Gut Emily, du bist erstmal erlöst, aber ich empfehle dir trotzdem, dass du in den nächsten Woche deine Defizite aufholst“, meinte Frau Schellhardt.
In der kleinen Pause bildete sich rasch ein Grüppchen um Teresia.
„Kann ich ein Autogramm von deinen Vater haben?“, betete Freya ihre neue Mitschülerin beinahe schon an. „Ich finde ihn so toll, er ist einer meiner Lieblingsschauspieler und ich habe ein Poster von ihm in meinem Zimmer hängen.“
„Ich bringe dir morgen selbstverständlich ein Autogramm von Andy mit“, antwortete Teresia und jedes Wort von ihr kam sehr routiniert rüber.
„Das ist sehr lieb von dir“, hauchte Freya ehrfürchtig. Teresia nickte Freya freundlich zu und wandte sich an die übrigen Mitschüler: „Wer will noch ein Autogramm von meinem Onkel?“
„Ich, ich, ich!“, riefen einige ihrer Mitschüler.
„Ich natürlich auch!“, rief Katja und sprang auf. Mathilda blieb sitzen und verdrehte genervt die Augen. Warum musste dieses eingebildete Mädchen sofort alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Mathilda mochte solche Leute allgemein nicht und sie wird diese Leute nie in ihrem Leben besonders mögen. Endlich klingelte es zur vierten Stunde, aber erst als Frau Schellhardt die Klasse betrat, dachten die Schüler daran sich wieder auf ihre Plätze zu setzen.
„Mathilda, kannst du die Gleichung lösen, die ich an die Tafel geschrieben habe?“, fragte die Klassenlehrerin und stand direkt vor ihr.
„Äh, was soll ich machen?“, stammelte Mathilda und schreckte hoch.
„Ich habe dich gebeten, dass du an die Tafel gehst und die Gleichung löst“, wiederholte Frau Schellhardt. Obwohl Mathilda eigentlich gut in Mathe war, flitzten die Zahlen unkoordiniert durch ihren Kopf.
„Mathilda, was ist mit dir los?“, fragte Frau Schellhardt streng. „Vor den Ferien warst du noch eine der Besten, aber jetzt hast du meine schöne Gleichung ziemlich verhunzt.“
Teresia, die in der letzten Reihe saß, zeigte auf.
„Teresia, willst du Mathilda helfen?“, fragte die Mathelehrerin. Teresia kam nach vorne, wischte Mathildas Fehler weg und schrieb die richtige Lösung an die Tafel.
„So geht es! Das ist nicht all zu schwer!“, meinte Teresia locker und grinste siegesgewiss zu Mathilda hinüber.
„Sehr gut, Teresia!“, lobte Frau Schellhardt. Mathilda fühlte einen harten Stein in ihrem Magen. Warum musste diese arrogante Gans über ihr thronen?
„Ich werde dieser Ziege nicht die Füße küssen und meine Freundinnen werden es auch nicht tun! Sie wird noch sehen wer die Roten Tulpen sind!“, dachte sie trotzig und versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Als Jule und Kiki Fehler an der Tafel machten, meldete sich Teresia nicht und korrigierte sie.
„Wahrscheinlich hat sie es bei mir extra gemacht“, dachte Mathilda trotzig.
Endlich klingelte es und die Schüler wurden in die Hofpause entlassen.
„Endlich, kriege ich endlich wieder den Kopf für eine Viertelstunde frei“, sagte Mathilda zu Lotta, als sie zusammen auf den Pausenhof gingen.
„Ich habe bereits auch die Hälfte vergessen“, gab Lotta zu. Fianna stieß an der Treppe zu ihnen.
„Ich finde es irgendwie voll doof, wie Teresia dich korrigiert hat und dabei mega auf dich herabschaut hat“, sagte sie zu Mathilda.
„Ich weiß, die ganze Klasse hat es gemerkt“, erwiderte Mathilda mit einem finsteren Blick. „Sie hat mich wie eine Idiotin aussehen lassen.“
„Fair ist das nicht“, meinte Lotta. „Sie kennt dich noch nicht einmal und dann gleich so eine Aktion.“
Ohne etwas zu sagen, biss Mathilda von ihrem Nutellabrot ab
„Ich zeige Teresia die Schule. Sie ist neu und kennt sich hier noch nicht aus“, kam Annemieke auf dem Schulhof auf sie zu.
„Ich komme mit“, sagte Lotta sofort und stellte sich zu Annemieke und Teresia.
„Das ist sehr lieb von euch, dass ihr so nett um mich kümmert. Ich werde mich hier in den nächsten Tagen schon perfekt zurecht finden und das Gefühl haben, dass ich gar nicht mehr neu bin“, sagte Teresia und streifte eine blonde Haarsträhne hinter ihren goldenen Haarreif.
„Hallo Mädels, Kiki wartet schon auf euch“, kam Emily von hinten und berührte Mathilda an der Schulter.
„Warum soll Kiki unbedingt auf euch warten?“, fragte Teresia etwas pikiert. „Ihr könnt doch selber entscheiden, mit wem ihr die Pause verbringt.“
Das wurde Emily zu viel.
„Das geht dich nichts an, du olle Gans!“, zischte sie Teresia von der Seite an.
„Pah, wer erlaubt dir, mit mir so zu reden! Du solltest erstmal lernen, was es bedeutet Respekt vor mir zu haben“, erwiderte Teresia schnippisch und ihre Augen verengten sich zu zwei engen Schlitzen.
„Kommt mit!“, forderte Emily ihre Freundinnen auf. Als sich Mathilda wieder umdrehte, sah sie, dass Annemieke mit Lotta und Teresia verschwunden war. Aber im diesem Moment war es Mathilda egal, ihre Schwester wollte Teresia nur die Schule zeigen und mehr nicht.
„Sag mal, Mathilda, wo hast du deine Schwester gelassen?“, fragte Kiki sie als erstes.
„Genau, ihr beide tretet sonst nur im Doppelpack auf“, fügte Aylin hinzu.
„Sie führt Teresia durch die Schule“, antwortete Mathilda.
„Hm!“, machte Kiki. „Aber warum ist Lotta nicht da?“
„Sie hat sich an Annemieke und Teresia dran gehängt“, sagte Emily.
„Na gut, wenn sie nur eine Pause mit Teresia verbringen ist das auch nicht so schlimm“, fand Kiki. „Ich glaube nicht, dass sie sich gleich mit ihr anfreunden.“
Wenig später beendet der Gong die Pause und die fünf Freundinnen gingen untergehakt zum Klassenraum zurück.
Am Montagmorgen stand in Biologie in der ersten Stunde die Klassensprecherwahl an.
„Ich denke, ihr werdet in den ersten Tagen eure Mitschüler ein wenig kennen gelernt haben. Wir wollen heute die neuen Klassensprecher wählen, die für unsere Klasse Verantwortung übernehmen und sich um ihre Mitschüler kümmern“, sagte die Klassenlehrerin und wischte die Tafel. Sofort schnellten einige Hände in die Höhe.
„Ich schlage Finn vor“, rief Thomas.
„Und ich Sven!“, rief Jannis.
„Ruhe, schreit nicht durcheinander! Jeder kommt dran, keine Panik“, rief Frau Schellhardt genervt. Kiki schlug Mathilda vor und Lotta stellte Fianna zur Wahl auf. Die Piranha-Jungs schlugen sich gegenseitig vor und Jolanda nannte Saskia. Schließlich hob Teresia langsam ihren Zeigefinger nach oben.
„Ich schlage Annemieke vor“, sagte sie akzentuiert.
„Okay, jetzt müssten wir genug Kandidaten haben“, sagte Frau Schellhardt. „Ich bitte euch kleine Zettelchen zu machen mit einer Erst- und einer Zweitstimme zu machen und dann gebt ihr die Zettel zusammengefaltet bei Jule und Pauline ab.“
Jule entfaltete die Zettelchen und las die Namen vor, während Pauline an der Tafel stand und die Striche hinter die Namen machte.
„Fianna Erstimme und Annemieke Zweitstimme“, las Jule vor und faltete den nächsten Zettel auseinander. Hinter Mathildas Namen waren bereits sieben Stimmen und Annemieke schloss langsam zu ihr auf, aber noch lag Jannis mit acht Stimmen an der Spitze.
„Um Himmels Willen, lasst mich nicht zusammen mit Jannis Klassensprecherin sein“, dachte Mathilda und fühlte sich bei diesem Gedanken schon unwohl. Zwar waren die Piranhas und die Roten Tulpen keine Erzfeinde mehr, aber trotzdem noch sowas wie Rivalen oder „Manchmal-Freunde“. Das letzte Abenteuer vor einige Wochen hatte gezeigt, dass beide Banden zusammen halten konnten, wenn es brenzlig wurde. Trotzdem wollten sich die Mädchen der Roten Tulpen die Piranhas nicht als gute Freunde bezeichnen.
„Wow, es gibt einen Gleichstand zwischen dir, deiner Schwester und Jannis. Keiner hätte das für möglich gehalten“, raunte Aylin Mathilda zu.
„Zu unserem Wunder haben drei Kandidaten die gleiche Anzahl an Stimmen“, sagte die Klassenlehrerin. „Wir müssen wohl eine Stichwahl machen, denn es kann nur zwei Klassensprecher geben. Macht euch neue Zettel und diesmal gebt ihr nur eine Stimme für einen der drei Kandidaten.“
„Oh, ich wünschte ihr Zwillinge könntet zusammen Klassensprecherinnen sein“, hörte Mathilda Lotta aus der letzten Reihe wispern.
„Mathilda, Mathilda und noch mal Mathilda“, las Jule vor. Mathilda wurde vor Freude innerlich hibbelig und konnte es nicht unterlassen, untern dem Tisch mit den Füßen zu trippeln. Katja sah Mathilda genervt an und schnalzte zickig mit ihrer Zunge. Die nächsten Stimmen gingen an ihre Schwester und Jannis bekam ebenfalls immer wieder eine Stimme.
„Das Ergebnis steht fest, die Zwillinge werden unsere neuen Klassensprecherinnen sein“, verkündete Frau Schellhardt und bat die beiden Mädchen nach vorne. Hinter ihnen wurde leise gejubelt und getratscht. Mathilda sah, dass Teresia Annemieke einen Highfive gab.
„Herzlichen Glückwunsch, euch beiden! Nehmt ihr die Wahl zum Klassensprecher an?“, fragte die Klassenlehrerin und gab ihnen die Hand. Die Zwillinge bejahten und sahen sich strahlend an.
„Wir werden bestimmt ein superstarkes Klassensprecherinnenduo sein“, freute sich Annemieke.
„Ja, das werden wir sicherlich sein!“, versicherte ihr Mathilda und legte lässig einen Arm um ihre Schwester.
„Wir werden die bärenstarken ter-Stegen-Zwillinge sein und uns kann keiner was, denn wir halten zusammen wie Pech und Schwefel und niemand kann sich zwischen uns drängen“, dachte Mathilda stolz und fühlte sich zehn Zentimeter größer als vorher.
„Ihr könnt euch wieder hinsetzen“, sagte Frau Schellhardt zu ihnen. „Wir wollen jetzt mit dem Unterricht weitermachen.“
In der großen Pause wurden die Zwillinge von ihren Freundinnen und einigen anderen Mitschülern umringt und beglückwünscht.
„Ich finde es einfach nur super, dass ihr zusammen Klassensprecherinnen seid“, freute sich Kiki legte ihre Arme um ihre beiden Freundinnen.
„Punktgenau, Zwillinge sind zusammen wie eine große Mauer und wer gegen sie rennt, zerbricht an ihnen“, rief Emily. „Ihr werdet besser zusammen halten als Jannis und Kiki im letzten Schuljahr.“
„Dass im letzten Jahr ausgerechnet zwei Erzfeinde Klassensprecher geworden sind, grenzt fast schon an ein Wunder“, fand Aylin.
„Ein Hoch auf unsere Lieblingszwillinge!“, triumphierte Fianna und tanzte um ihre Freundinnen herum.
„Herzlichen Glückwunsch, Zwillinge!“, sagte Anja, eine neue Mitschülerin und trat in den Kreis, der sich um die Zwillinge gebildet hatte. Einen Augenblick später stellten sich Katja und Teresia dazu.
„Ach ja, ich habe vergessen dir auch zu gratulieren, Mathilda!“, sagte Teresia geziert und gab Mathilda zaghaft die Hand und zog ihre Hand schnell zurück.
„Carlotta und Annemieke, ich muss euch ein cooles Video zeigen“, wandte sich Teresia an Annemieke.
„Äh, warte kurz“, erwiderte Annemieke. „Ich muss schnell noch eben…“
„Na, komm schon gleich ist die Pause rum! Wir haben nur noch sechs Minuten und das Video dauert mindestens fünf Minuten“, drängte Katja.
„Na gut, wir kommen schon“, sagte Annemieke beschwichtigend. Mathilda sah wie ihre Zwillingsschwester und Lotta mit Katja und dieser unausstehlichen Teresia fort gingen. Jetzt stand sie alleine im Kreis ihrer Mitschüler, der sich langsam lichtete. Gerade noch im Mittelpunkt gewesen, fühlte sich Mathilda plötzlich ziemlich alleine gelassen. Nur Kiki, Emily und Aylin standen bei ihr.
„Ich fasse es nicht!“, zischte Aylin leise.
„Was ist denn?“, fragte Mathilda irritiert.
„Fianna hat angebissen!“, bemerkte Emily trocken.
„Oh man, jetzt schlendern sie zu fünft über den Schulhof!“, stöhnte Mathilda.
„Mir ist diese Teresia gar nicht recht“, schimpfte Kiki. „Seht euch an, wie viele Leute sie um sich scharrt. Schlimm genug, dass Micky, Lotta und Fianna jetzt auch zu ihrem Hofstaat gehören.“
„Gerade deshalb rege ich mich auf!“, raunte Aylin wütend. „Wir sind erst seit wenigen Tagen wieder in der Schule und dann sowas!“
Zu allem Überfluss sah Mathilda, dass sich ihre Schwester bei Teresia und Katja untergehakt hatte. Bei diesem Anblick wurde ihr beinahe schlecht.
„Bah, bei Teresia wird mir ganz anders“, würgte Mathilda langsam und angeekelt hervor.
„Es fehlt nur noch, dass sie bald zusammen in die Stadt abdampfen und sich mit irgendeiner dämlichen Tussimode eindecken“, lästerte Emily halblaut. Mathilda sah sie traurig und getroffen an.
„Mannomann, mir macht es gerade gar keinen Spaß mehr, ausgerechnet mit meiner Schwester Klassensprecherin zu sein“, seufzte sie.
„Mach dir nicht viel daraus, du hast schließlich noch uns“, sagte Aylin tröstend. Doch ihre Worte konnten sie kein bisschen aufmuntern, denn sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Zwillingsschwester und zwei ihrer Freundinnen an Teresia verloren hatte. Der Schultag zog sich wie ein Kaugummi in die Länge und Mathilda konnte es nicht unterlassen ständig auf die Uhr zu gucken.
Am Nachmittag gingen die Zwillinge zuerst zur Musikschule und danach hatten sie Hockeytraining, welches jetzt immer montagabends stattfand. Mathilda war die schlechte Stimmung nicht mehr anzumerken, das Trübsal des Vormittages war wie weggeblasen. Nun hatte sie Annemieke wieder für sich und niemand konnte sich zwischen sie drängen.
„Wir sind schon spät dran!“, rief Annemieke. „Schnell, wir müssen uns noch umziehen!“
„Jaja, ich komm doch schon“, schnaufte Mathilda. „Alte Omas wie ich sind kein D-Zug.“
Über die Selbstironie ihrer Schwester musste Annemieke herzlich lachen und bald hielten sich beide Zwillinge vor Lachen den Bauch. In der Umkleidekabine empfing sie Hilda, die Mannschaftskapitänin.
„Ihr seid spät dran, zieht euch um und kommt in die Halle. Wir machen uns bereits schon warm“, sagte sie und verschwand wieder in der Halle. In Windeseile zogen sich die Schwestern um. Mathilda warf ihre Jeans und ihren Pullover auf den Boden, während Annemieke ihre Sachen sorgfältig zusammen faltete.
„Oh man, bist du unordentlich! Ein wenig Zeit für Ordnung wäre dir aber noch geblieben“, tadelte Annemieke ihre Schwester, doch sie meinte es nicht böse.
„Hehe, dafür bin ich schneller fertig als du“, erwiderte Mathilda keck. Es war an der Tagesordnung, dass sich die Zwillinge gegenseitig neckten und anschließend darüber lachten.
In der Halle wurden sie von ihren beiden Freundinnen Kim und Janet empfangen.
„Hey, Zwillinge!“, rief Kim und gab beiden einen Highfive.
„Ich habe gedacht ihr kommt nicht mehr“, sagte Janet und gesellte sich zu ihnen.
„Das liegt daran, dass Annemieke eine halbe Stunde lang stehen geblieben ist, um sich irgendwelche Pferde auf der Weide anzugucken“, erzählte Mathilda.
„Jetzt übertreibst du aber, Schwesterherz!“, rief Annemieke mit gespielter Empörung. „Ich bin legendlich einen Moment stehen geblieben, aber never eine halbe Stunde.“
Die Zwillinge kannten Kim und Janet aus ihrer Grundschulklasse, sie waren Cousinen und hatten einen Opa, der aus England kam. Zwar hatten beide blaue Augen, aber sonst sahen sie gar nicht miteinender verwandt aus. Kim hatte kurze rotbraune Haare und war ziemlich groß für ihr Alter, während Janet einen Kopf kleiner war als sie und immer einen dunkelblonden Pferdeschwanz trug. Das Gespräch der Mädchen wurde durch einen schrillen Pfiff von der Pfeife ihrer Trainerin unterbrochen.
Die Zwillinge trabten neben ihren beiden Freundinnen her und erzählten ihnen, dass sie heute zu Klassensprecherinnen ernannt wurden.
„Voll cool!“, freute sich Kim. „Zwischen einem Zwillingspärchen gibt es keinen Spalt, sodass nicht mal eine Mücke dazwischen passt.“
„Hey, konzentriert euch auf das Laufen!“, wies die Trainerin die Mädchen zurecht. Die Zwillinge erhöhten ihr Tempo und schlossen zu ihren Mannschaftskolleginnen auf. Wenig später dribbelten die Mädchen mit einem Hockeyschläger durch einen Parcour und mussten versuchen an Miriam, der zweitkampfstärksten Spielerin, vorbei zu kommen. Mathilda versuchte mit Körpertäuschungen und Tricks an Miriam vorbei zu kommen, doch ihre Gegenspielerin ließ sich nicht beirren und nahm ihr bei jeder Kleinigkeit doch den Ball ab.
„Mathilda, ich sehe, dass du ganz besonderen Trainingsbedarf hast“, meinte die Trainerin.
„Wieso ich?“, entfuhr es Mathilda.
„Du verlierst bei jeder Gelegenheit den Ball, wir müssen dringend deine Zweikampfstärke schulen, aber deine Schnelligkeit und deine Schusskraft sind gut“, rief die Trainerin ihr zu. Beim Torschusstraining wollte es Mathilda allen Kritikerinnen zeigen und versenkte jeden Ball im Tor.
„Ich glaube du sollst besser im Angriff als in der Abwehr spielen, Matti!“, lachte Hilda und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter.
„Nein, die ter-Steegen-Abwehrmauer muss bestehen bleiben“, rief Kim.
„Genau, sie lassen nicht einmal einen Millimeter Platz für den Gegner“, bekräftigte Sarah. Am Ende wurde noch ein lockeres Trainingsspiel gemacht, in dem beide Schwestern zusammen fünf Tore schossen.
„Ich glaube, du kannst im Angriff und in der Abwehr gleichzeitig spielen“, flachste Annemieke. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals vier Tore geschossen hast.“
„Ich auch nicht“, schüttelte Mathilda den Kopf und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Zum Abendessen zuhause gab es mit Käse überbackene Tortellini mit Brokkoli und Kochschinken. Sowohl Mathilda, als auch Annemieke langten kräftig zu.
„Kann es sein, dass ihr heute Lächelwasser getrunken habt?“, fragte ihre Mutter.
„Wisst ihr schon, dass wir zu Klassensprecherinnen gewählt sind?“, erzählte Annemieke mit leuchtenden Augen.
„Hey, das ist doch toll!“, rief ihr Vater.
„Ich glaube fest daran, dass ihr wie Pech und Schwefel vor der ganzen Klasse zusammenhält“, meinte ihre Mutter. „Ihr habt euer ganzes Leben lang zusammengehalten, auch als ihr früher von euren Mitschülern geärgert worden seid, weil ihr so wilde Locken habt.“
Bis die Zwillinge fast zehn Jahre alt waren, hatten sie in Bremen gelebt und dort eine Grundschule besucht, bevor sie nach Freudenburg gezogen waren. In Freudenburg besuchten sie ein Jahr die Grundschule am alten Stadttor und waren danach auf das Altstädtische Gymnasium gewechselt.
„Mama, wir werden unser Leben lang quasi Seelenverwandte und beste Freundinnen bleiben. Wir wollen zusammen studieren und zusammen mit unseren Freunden in eine WG ziehen“, erklärte Annemieke.
„Und zusammen sterben werden wir auch“, bemerkte Mathilda ironisch.
„Ich glaube, damit könnt ihr euch Zeit lassen. Ihr seid noch sehr jung“, lachte ihre Mutter.
„Annemieke, jetzt komm endlich!“, schrie Mathilda beinahe schon. „Wenn wir jetzt nicht losfahren, kommen wir garantiert zu spät und du weißt, dass unser Physiklehrer Verspätungen hasst!“
„Ja, ich bin gleich fertig“, kam Annemiekes gedämpfte Stimme aus dem Bad. „Ich muss nur noch den Lidschatten machen. Moment!“
„Ich fasse es nicht!“, sagte Mathilda kopfschüttelnd zu ihrer Mutter.
„Ich verstehe es auch nicht, warum sich deine Schwester neuerdings für die Schule so schick macht“, erwiderte ihre Mutter. „Schule ist Schule und kein besonderes Event.“
Da konnte Mathilda ihrer Mutter nur Recht geben.
„Annemieke!“, riefen sie und ihre Mutter im Chor.
„Hetzt mich nicht so!“, rief Annemieke gestresst und öffnete mit einem Ruck die Badezimmertür.
„So gehst du nicht in die Schule!“, rief ihre Mutter bestimmt.
Auch Mathilda entglitten die Gesichtszüge, noch nie hatte sie ihren eigenen Zwilling mit Hotpants, einem bauchnabelfreien Top, riesigen goldenen Creolen und so viel Schminke im Gesicht gesehen.
„Sag mal, es muss wohl ganz gewaltig unter deinem Pony piepen!“, herrschte Mathilda ihre Schwester an.
„Und du ziehst dir auf der Stelle andere Sachen an und schminkst dich ab!“, befahl ihre Mutter streng.
„Das tue ich niemals!“, rief Annemieke beleidigt und wütend zugleich. „Ihr könnt mir nicht befehlen, wie ich mich zu kleiden habe.“
„So lass ich dich nicht in die Schule!“, wurde ihre Mutter richtig böse.
„Mir doch egal, ich bin fast vierzehn und kann selber entscheiden!“, schrie Annemieke.
„Wer hat dir ins Gehirn geschissen?!“, regte sich Mathilda auf. „Ich fahre jetzt los, ich will nicht wegen dir zu spät kommen. Sieh zu, wie du klarkommst!“
„Dann fahr doch los, du blöde Kuh!“, brüllte Annemieke mit Wuttränen in den Augen und schlug die Zimmertür krachend hinter sich zu.
Mathilda schaffte es außer Atem gerade eben noch pünktlich zum Unterricht zu erscheinen, als Herr Weiser den Physiksaal aufschloss. Wenigstens saß sie hier mit Kiki, Aylin und ihrer Schwester in einer Reihe.
„Wo ist deine Schwester?“, fragte Kiki.
„Nicht da“, erwiderte Mathilda.
„Ist sie etwa krank?“, bohrte Kiki weiter nach.
„Nein“, sagte sie mürrisch und hatte keine Lust zu antworten. Seitdem diese Teresia in die Klasse ging, war die halbe Klasse von diesem fürchterlichen Teresia-Virus befallen. Die Mädchen machten sich schick und die Jungs stylten sich ihre Haare.
„Oh man, es sieht beinahe so aus, als wären wir Außenseiter“, seufzte Aylin. „Sie bilden einen Hofstaat um dieses eingebildete Miststück, sogar die Piranhas hecheln nach ihr.“
„Ich versuche mir gerade vorzustellen wie Piranhas hecheln“, sagte Mathilda und musste lachen. Zwanzig Minuten nach Unterrichtsbeginn klopfte es an der Tür.
„Guten Morgen, Annemieke! Kannst mir erklären, warum du zu spät bist?“, wies der Physiklehrer Annemieke zurecht.
„Ich habe verschlafen!“, erwiderte Annmieke mit hochrotem Kopf.
„Wieso war dann deine Zwillingsschwester pünktlich?“, bohrte Herr Weiser zu Annemiekes Unbehagen weiter nach.
„Sie ist einfach ohne mich gefahren“, sagte Annemieke kleinlaut und wollte sich am liebsten vor der gesamten Klasse in Luft auflösen.
„Annemieke, du sitzt in der Pause zur Strafe nach. Setz dich erstmal hin und halte den Unterricht nicht weiter auf“, meinte der Physiklehrer streng. Annemieke drehte sich zu der Klasse um und ging an Mathildas Tisch vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie ließ sich neben Katja und Teresia nieder. Es traf Mathilda wie einen Hammerschlag ins Gesicht, sodass sie erstmal nach Luft schnappte. Entsetzt sah sie ihre Schwester neben den beiden aufgetakelten Ziegen sitzen und fühlte einen dicken Kloß im Hals, der sich nicht auflösen wollte. Der Platz links von ihr war immer noch leer. Kiki legte ihr die Hand auf die Schulter und warf ihr einen tröstenden Blick zu. Erst jetzt begann sich der Kloß in ihrem Hals langsam aufzulösen.
„Kiki, ist einfach genial!“, dachte Mathilda bei sich. „Sie weiß immer, wie sie auf mich reagieren muss, ohne dass ich ihr etwas sage.“
Kiki und sie waren seit der vierten Klasse ein Herz und eine Seele. Sie waren unzertrennbar, außer wenn sie sich stritten, aber meist vertrugen sie sich schnell und schienen durch einen Streit noch enger zusammen gewachsen zu sein. Nicht umsonst war sie die beste Freundin, die Mathilda in ihrem Leben jemals hatte.
„Mach dir aus Annemiekes merkwürdigen Verhalten nichts“, bemerkte Aylin in der kleinen Zwischenpause.
„Aber ich würde trotzdem gerne mit ihr sprechen. Wisst ihr, ich war vorhin so sauer auf sie, weil sie getrödelt hatte und ich wegen ihr nicht zu spät kommen wollte. Deshalb bin ich entnervt ohne sie los gefahren“, versuchte sich Mathilda zu rechtfertigen.
„Du brauchst dafür nicht zu rechtfertigen, Mathilda“, meinte Kiki und legte ihr die Hand auf den Unterarm.
„Ich finde, du sollst trotzdem mit ihr reden. Probleme kann man nur zusammen aus dem Weg räumen und nicht alleine“, sagte Emily, die direkt vor Mathildas Pult stand und fügte leise hinzu: „Deine Schwester ist wirklich komisch geworden, seit diese aufgebrezelte Schnalle zu uns in die Klasse gekommen ist.“
In der ersten großen Pause konnte Mathilda nicht mit ihrer Schwester sprechen, da Annemieke im Physiksaal nachsitzen musste und die Klassenregeln abschrieb. Gerade als sie kurz auf die Toilette gehen wollte, wurde sie von Teresia an der Treppe abgefangen.
„Soso, du lässt einfach deine Schwester stehen und blamierst sie vor der ganzen Klasse. Das ist aber gar nicht fein!“, zischte Teresia und ihre Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. Mathilda sah Teresia einen Moment verdattert an. Hatte diese blöde Ziege ihr etwa absichtlich aufgelauert?
„Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein!“, warf sie Teresia wütend an den Kopf.
„Annemieke ist nun meine neue beste Freundin. Sie hat mir alles erzählt und sie fand dein Verhalten richtig abartig“, behauptete Teresia und schaute ihr Gegenüber herablassend an.
„Das geht dich gar nichts an! Annemieke ist meine Schwester und nicht deine. Du hast dich nicht in unsere Angelegenheiten einzumischen“, fauchte Mathilda und packte Teresia an der Schulter.
„Lass mich los!“, schrie Teresia und stieß ihre neue Feindin von sich weg.
„Ich würde dir am liebsten eine scheuern“, fauchte Mathilda wutentbrannt.
„Ich zeige dich an, wenn du mich weiter belästigst!“, drohte Teresia.
„Du kannst mich noch nicht anzeigen, ich werde erst am Ende des Monats vierzehn und außerdem habe ich dir nichts getan, weder beleidigt noch geschlagen!“, höhnte Mathilda und hielt Teresia immer noch am Arm fest. Frau Breisinger, die Kunstlehrerin kam um die Ecke und sah den beiden Kontrahentinnen einen ermahnenden Blick zu. Schnell ließ Mathilda Teresia los und rannte nach draußen.
„Mannomann, du siehst vielleicht gereizt aus!“, sagte Emily, als sie ihre Freundin auf sich zu kommen sah.
„Ich fasse es nicht, Teresia mischt sich in die Angelegenheiten zwischen mir und meiner Schwester ein!“, regte sich Mathilda auf. „Sie hat sich da raus zu halten, sie kennt Annemieke erst seit einer Woche und Annemiekes beste Freundin heißt immer noch Emily, aber nicht Teresia.“
„Deine Schwester fühlt sich für mich nicht mehr an, wie eine beste Freundin“, drehte sich Emily zu ihr um. „Sie hat mich in letzten Tagen nur flüchtig begrüßt, aber mich sonst alleine stehengelassen.“
„Oh man, gibt es die Roten Tulpen eigentlich noch?“, seufzte Aylin niedergeschlagen.
„Ich habe den Eindruck, das war es endgültig“, sagte Kiki düster. „Wir sind höchstens nur noch ein Außenseiterclub Es ist schon bitter, dass sich Lotta und Fianna ebenfalls den Zicken angeschlossen haben.“
Bei Kikis Worten spürte Mathilda einen schmerzhaften Stich in der Magengegend und hatte keinen Appetit mehr auf ihr Pausenbrot.
„Ich frage mich, was in unsere Klassenkameraden gefahren ist?“, fragte sich Aylin. „Seht euch an, wie sich Teresia bedienen lässt. Die Jungs halten ihr die Tür auf und tragen ihr die Tasche.“
„Unglaublich!“, schüttelte Mathilda den Kopf.
„Sie nutzt eh nur ihre Untertanen aus“, meinte Emily. „Nur sie merken es nicht. Ich weiß, dass sie Sven und Jannis in die Cafeteria schickt, damit sie ihr ein Sandwich kaufen.“
„Das geht zu weit!“, rief Kiki entschlossen.
In den darauf folgenden Stunden ignorierte Annemieke ihren Zwilling komplett, dies machte Mathilda ziemlich wütend und traurig. Mitten in der Englischstunde stiegen ihr die Tränen in die Augen, die sie mühsam wegblinzelte.
„Bloß nicht vor der ganzen Klasse anfangen zu heulen, Mathilda!“, sagte sie sich und zwang sich zu beherrschen. In der zweiten großen Pause fasste sie sich ein Herz und ging ihre Schwester suchen. In der hintersten Ecke des Schulhofes fand sie Annemieke mit ihrer neuen Clique.
„Was willst du hier?“, fragte Edgar aus der Zehnten. Breitbeinig stand er vor ihr und grinste sie hämisch an.
„Ich will mit Annemieke sprechen, aber sofort!“, sagte Mathilda in ihrem härtesten Befehlston.
„Was hast du bei uns verloren?“, fragte Annemieke und trat vor ihre ältere Zwillingsschwester.
„Was ich hier verloren habe?“, wiederholte Mathilda langsam. Sie glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen und biss sich vor Wut auf ihre Unterlippe.
„Merkst du gar nicht, dass ich ziemlich sauer auf dich bin!“, redete Annemieke ihre Schwester über den Haufen. „Was du dir heute morgen geleistet hast ist echt eine Frechheit? Haha, von wegen Zwillinge halten wie Pech und Schwefel zusammen! Das ich nicht lache! Wer hat mich heute Morgen im Stich gelassen und mich vor der ganzen Klasse wie eine Idiotin aussehen lassen? Das warst du, Mathilda ter Steegen!“
„Super Micky, zeig’s ihr!“, jubelte Teresia und gab ihren Freunden einen Highfive.
„Ich glaube, es ist Zeit, dass du Land gewinnst“, sagte Anton zu Mathilda und schubste sie unsanft nach hinten. Wie ein geprügelter Hund schlich Mathilda davon und ließ ihren Kopf hängen.
„Mensch Matti, was ist los mit dir? Du siehst so deprimiert aus“, hörte sie Kikis Stimme.
„Das hast doch bestimmt gesehen, wie Annemieke mir eine Abfuhr erteilt hat und mir die Schuld für den blöden Streit gibt“, murmelte Mathilda niedergeschlagen und schaute nach unten. Kiki umarmte ihre beste Freundin.
„Das tut mir so leid für dich!“, sagte sie tröstend.
„Oh man, deine Schwester ist echt nicht mehr zu retten“, mischte sich Emily ein. „Ich habe zufällig gesehen, wie die Clique dich behandelt hat!“
„Hallo, habt ihr euch zerstritten?“, hörten sie jemanden fragen. Die drei Freundinnen drehten sich um, vor ihnen stand Anja, die seit letzter Zeit sehr häufig bei ihnen in der Nähe stand.
„Was geht dich das an!“, rutschte es Mathilda heraus. Diese Nervensäge hatte ihr nach diesem miesen Tag gerade noch gefehlt.
„Ich….ehm, ich dachte nur, dass ich mich zu euch gesellen könnte“, stammelte Anja verlegen und traute sich nicht der wütenden Mathilda ins Gesicht zu schauen. Kiki zog ihre beiden Freundinnen weg und ließ Anja alleine stehen. Es war nicht das erste Mal, dass Anja versucht hatte etwas über Kiki und ihre Freundinnen zu erfahren. Sie ging den Mädchen oft hinterher und fragte sie aus. Kiki war schon ziemlich genervt von ihr und versuchte Anja aus dem Weg zu gehen. Anja plauderte jede Kleinigkeit, die sie von ihren Mitschülern erfuhr, vor der ganzen Klasse aus. Erst vor einigen Tagen verbreitete sie unter ihren Klassenkameraden, dass Kikis Vater ein Sinti war.
„Igitt, ist dein Vater etwa ein Zigeuner?“, hatte Teresia gestern in der Deutschstunde gefragt. Mathilda wusste, dass Kiki ihr dafür am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte.
Nach der Schule ging Mathilda mit ihren Freundinnen zum Fahrradständer.
„Mickys Fahrrad ist weg“, rief Aylin.
„Stimmt das?“, fragte Mathilda empört und wurde richtig böse. „Diese blöde Ziege ist ohne mich nach Hause gefahren. Ich glaube, ich spinne!“
Sie schloss ihr Fahrrad auf, verabschiedete sich flüchtig von ihren Freundinnen und schwang sich auf ihr Rad. Auf der Hauptstraße trat sie heftig in die Pedale und dabei wurde sie immer schneller und schneller. Sie beschloss ihre angesammelte Wut aus sich heraus zu lassen. Bald hatte sie das Gefühl mit ihrem Fahrrad abzuheben und verlor die Kontrolle über ihre Geschwindigkeit. Plötzlich hörte sie es scheppern und spürte den dumpfen Aufprall auf dem Boden. Kurz war ihr schwindelig und musste einen Moment die Augen schließen, aber dann realisierte sie, dass sie bäuchlings auf einem Grasstreifen neben der Straße lag.
„Alles in Ordnung mit dir?“, hörte sie eine männliche Stimme über sich.
„Ja“, antwortete Mathilda und spürte erst jetzt, dass sie am ganzen Körper zitterte.
„Warte, ich helfe dir hoch“, sagte der junge Mann und zog sie hoch.
„Danke“, stammelte Mathilda.
„Sei froh, dass uns beiden nichts passiert ist“, meinte der Typ. „Ich heiße übrigens Elias und bin achtzehn Jahre alt. Wie heißt du eigentlich? Ich kenne dich doch irgendwoher, du gehst in die Mittelstufe oder?“
„Ich bin Mathilda und gehe in die achte Klasse“, sagte sie.
„Du hast doch eine Zwillingsschwester oder?“, fragte Elias. Mathilda nickte und brachte ein schwaches Lächeln über ihre Lippen.
„Ihr seht euch so ähnlich, dass ich euch nie und nimmer voneinander unterscheiden kann“, sagte er.
„Das stimmt!“, gab Mathilda zu. „Annemieke und ich sind eineiige Zwillinge.“
„Ich kenne auch zwei Mädchen aus meinem Jahrgang, die Zwillinge sind. Sie heißen Franziska und Patricia, aber Patricia hat sich die Haare schwarz gefärbt und Franziska rot.“
Mathilda nickte: „Ich glaube, ich kenne sie vom Sehen.“
Mathilda und der Junge schoben ein Stück auf dem Gehweg nebeneinander und unterhielten sich noch eine Weile. Es stellte sich heraus, dass Elias in der gleichen Straße wohnte wie sie, deshalb fuhren sie das letzte Stück zusammen.
Zuhause schob sich Mathilda eine Tiefkühlpizza in den Backofen und setzte sich vor den Fernseher. Es war ungewohnt für sie, alleine zu sein. Normalerweise war immer Annemieke da, aber in diesem Moment machte es ihr nichts aus, dass ihre Schwester nicht da war. Dieser blöden Ziege wollte sie heute nicht mehr all zu oft begegnen. Im Fernsehen lief gerade die Mädchen WG, in der es zwischen Franzi und Lilly einen heftigen Streit gab. Schnell schaltete Mathilda den Fernseher ab, denn Streit hatte sie heute schon genug gehabt. Wenig später holte sie die Pizza aus dem Ofen und setzte sich an den Tisch, wenigstens leisteten ihr ihre beiden Nymphensittiche Piet und Klaas im Käfig Gesellschaft. Obwohl sie normalerweise von Pizza nie genug bekam, schmeckte die Pizza heute extrem pappig und Mathilda aß sie nicht ganz auf. Sie legte sich auf das Sofa, um sich zu entspannen und nickte dabei ein. Wenig später hörte sie die Stimme ihrer Mutter im Flur.
„Hallo, Zwillingsmäuse! Wo seid ihr?“, rief sie fröhlich. „Ich war gerade eben noch beim Bäcker und habe einen Zitronenkuchen mitgebracht.“
„Das ist großartig, Mama“, rief Mathilda begeistert und setzte sich auf.
„Wo ist Annemieke?“, fragte ihre Mutter, während sie zu zweit auf der Terrasse saßen und den Kuchen aßen.
„Keine Ahnung“, zuckte Mathilda mit den Achseln. „Ich habe nach der Schule ihr Fahrrad nicht mehr gesehen und mir hat sie auch nicht bescheid gesagt.“
„Das ist merkwürdig“, erwiderte ihre Mutter kopfschüttelnd. „Normalerweise sagt sie immer bescheid, wo sie hingeht. Ich werde heute Abend mit ihr darüber ein ernstes Wörtchen sprechen müssen.“
Wenig später ging Mathilda in ihr Zimmer, um ihre Hausaufgaben zu machen.
„Verdammt, ist das schwer!“, dachte sie verzweifelt. Die achte Klasse war kein Vergleich zum vorigen Schuljahr kein Zuckerschlecken. Das bekam sie besonders in allen Sprachen und Gesellschaftswissenschaften zu spüren.
„Bestimmt werden bei mir die ersten Klassenarbeiten ziemlich in die Hose gehen“, dachte Mathilda deprimiert und kritzelte in ihrem Workbook für Englisch herum. Sogar Mathe, welches sonst eines ihrer stärksten Fächer war, war nun viel schwieriger geworden und in Physik verstand sie jetzt auch nur noch Bahnhof. Dass die achte Klasse nicht leicht werden würde, stand bereits jetzt schon fest und mit Annemiekes Noten wird es auch vorbei sein, wenn sie sich jeden Nachmittag in der Stadt herum trieb.
Annemieke kam erst kurz vor dem Abendbrotessen mit zwei Tüten voller Klamotten zurück und musste eine Standpauke ihrer Mutter über sich ergehen lassen.
„Was ist daran so schlimm, dass ich mit Teresia, Lotta und Katja in der Stadt war?“, regte sich Annemieke auf.
„Du hast niemanden bescheid gesagt und außerdem hättest du in der Zeit deine Hausaufgaben machen müssen“, schimpfte ihre Mutter.
„Meine Hausaufgaben kann ich auch jetzt machen“, rief Annemieke trotzig und warf ihre Tüten in die Ecke.
„Annemieke ist echt verrückt geworden und total am durchdrehen und das nur wegen einer Tussi namens Teresia Jankowski“, dachte Mathilda. Annemieke verschwand in der Küche und aß einen fertigen Salat, den sie sich aus der Stadt mitgebracht hatte.
„Kannst du mir sagen, was in deine Schwester gefahren ist?“, wandte sich ihre Mutter an Mathilda, als sie die Küchentür hinter sich geschlossen hatten.
„Frag mich nicht, ich verstehe das selber nicht“, erwiderte sie kopfschüttelnd. „Sie hat sich in den letzten Tagen ernorm verändert. Weiß der Geier wieso?“
Am Donnerstag in der siebten Stunde stand das erste Treffen der Theater-AG an. Noch vor einer Woche hatten sich alle Mitglieder der Roten Tulpen und einige der Piranhas sich dafür euphorisch in die Liste eingetragen. Mathilda wartete mit Kiki, Emily und Aylin vor dem Musikraum.
„Verdammt, seht euch das an!“, flüsterte Emily. „Teresia und Katja machen auch mit!“
„Oh nein, das ist das Allerletzte!“, stöhnte Kiki und verdrehte die Augen.
„Ich leide jetzt schon“, verzog Aylin das Gesicht.
„Das Grauen hat einen Namen!“, hauchte Mathilda und schnitt eine gruselige Grimasse, so dass ihre Freundinnen anfingen zu lachen. Teresia warf ihnen böse Blicke zu, doch das hielt Mathilda und ihre Freundinnen nicht davon ab, weiter zu lachen.
„Warum lacht ihr wie Kleinkinder und tuschelt wie die Hühner hinter unserem Rücken?“, fragte Annemieke ihre Ex-Freundinnen vorwurfsvoll.
„Weil wir gerade die Laune dazu haben!“, antwortete Kiki ihr rotzfrech.
„Halt die Fresse, du Zigeunerin!“, rief Teresia unwirsch.
„Wie bitte! Wie hast du mich gerade genannt? Kannst du das einmal wiederholen?“, rief Kiki zornig, mittlerweile war ihr Lachen einem bitterbösen Gesichtsausdruck gewichen.
„Du kriegst alles zurück, was du gesäht hast“, mischte sich Katja ein. „Wer verbietet uns, dass wir an der Theater-AG teilnehmen dürfen? Ihr etwa?“
„Keiner verbietet euch das, aber ich würde es euch am liebsten verbieten“, rutschte es aus Mathilda heraus. „Ihr könnt gar nicht richtig schauspielern, ihr könnt höchstens nur heucheln und euch einschleimen.“
„Ach ja, warum bin ich professionelle Nachwuchsschauspielerin und bin mehr als in fünf Filmen zu sehen?“, erwiderte Teresia ziemlich arrogant und zickig.
„Guten Mittag, liebe Schüler“, hörten sie Herr Michels Stimme. „Macht einmal bitte die Tür frei, damit ich den Raum aufschließen kann.“
Sofort war das Gezicke der Mädchen beendet.
Zuerst stellten sich die Mitglieder der Theatergruppe in einem großen Kreis auf.
„Wow, sind das Viele!“, dachte Mathilda erstaunt und ließ ihren Blick von Person zu Person wandern. Von den vielen fremden Gesichtern erkannte sie nur das von Hanna, Edgar und Anton.
„Herzlich Willkommen in unserer Theatergruppe!“, begann Herr Michels zu sprechen. „Ich bin positiv überrascht, dass in diesem Schuljahr so viele Schüler das Interesse haben Theater zu spielen. Es steht seit einigen Wochen fest, dass wir mit dem Stadttheater kooperieren und kurz vor den Herbstferien das Märchen Dornröschen als Theaterstück aufführen werden.“
„Mega cool!“, wisperte Emily ihren Freundinnen zu.
„Damit dass Stück zu einem großen Erfolg wird, werden euch ein paar Schauspieler und Tänzer vom Theater coachen“, fuhr Herr Michels fort. Die Augen der Schüler leuchteten noch mehr.
„Ich wusste gar nicht, dass Schultheater so professionell sein kann, da muss ich wenigstens die Hauptrolle ergattern“, hörte Mathilda Teresia sagen. Wenig später begannen sie mit Kennlernspielen und mit Übungen zum Warmmachen. Die Schüler liefen durch den Raum und mussten auf Kommando stoppen, die Richtung wechseln oder rückwärts gehen.
Beim Rückwärtslaufen stieß Mathilda ausgerechnet mit Teresia zusammen.
„Kannst du nicht aufpassen, du Trottel?“, warf Teresia Mathilda an den Kopf.
„Solange ich am Hinterkopf kein zweites Augenpaar habe, wirst du wohl damit rechnen müssen, dass wir uns mal unbeabsichtigt berühren“, erwiderte Mathilda ironisch und konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Teresia trollte sich schnaubend. Wenig später stieß sie mit Sven zusammen und entschuldigte sich sogar leise bei ihm.
„Mich kann es so aufregen, dass Teresia jede Gelegenheit nutzt, um dich doof anzumachen“, sagte Kiki zu Mathilda. „Die scheint dich nur dafür zu hassen, dass einfach nur da bist."
Mathilda nickte nur schwach und war froh, dass Kiki es genauso sah und ihr Bauchgefühl bestätitigte.
„Die wird es bald zurück kriegen. Uns fällt garantiert ein lustiger Streich ein“, prophezeite Emily.
„Hey Mädchen, konzentriert euch!“, rief Herr Michels und klatschte in die Hände. Schweigend gingen die Freundinnen nebeneinander her. Wäre Herr Michels nicht dabei gewesen, hätte Mathilda Teresia am liebsten über den Haufen gerannt.
Bei der Vertrauensübung mussten sich je zwei Schüler gegenseitig in die Arme des Partners fallen lassen und der Andere musste ihn auffangen. Mathilda machte die Übung mit Kiki zusammen, denn sie konnte ihrer besten Freundin am meisten vertrauen. Mathilda konnte Kiki ohne Probleme auffangen, denn Kiki war um Einiges leichter als sie selbst. Aber als Kiki sie auffangen musste, hatte sie zuerst Bedenken, doch es klappte ohne Probleme.
„Jetzt teile ich euch einen anderen Partner zu“, unterbrach Herr Michels die Übung. „Ihr müsst auch lernen, dass ihr Personen vertrauen müsst, mit denen ihr nicht befreundet seid.“
Der Gruppenleiter formierte ganz neue Paare, die zuvor noch niemand gesehen hatte. Emily wurde Edgar zugeteilt und Kiki musste die Übung mit einer Neuntklässlerin zusammen machen. Mathilda wurde fast ohnmächtig, als Herr Michels sie zu Teresia stellte.
„Wer von uns fängt an?“, fragte Teresia mit zusammengepressten Lippen.
„Wie meinst du das?“, fragte Mathilda.
„Na, wer von uns lässt sich zuerst fallen“, erwiderte Teresia. „Ist das etwa zu viel für deinen Verstand?"
„Na diejenige, die zuerst fragt“, sagte Mathilda pragmatisch und ging nicht auf ihren schnippischen Kommentar ein.
Teresia stellte sich vor sie und bewegte sich kein Stück.
„Wird's was?“, wurde Mathilda ungeduldig.
„Nichts, wieso?“, sagte Teresia ruhig. „Ich stehe und warte noch einen Moment.“
Plötzlich ließ sie sich unangekündigt fallen, sodass Mathilda gerade noch zupacken konnte.
„Aua, spinnst du!“, beschwerte sich Teresia lautstark. „Das tat gerade voll weh.“
„Ich hätte dich lieber fallen lassen sollen!“, zischte Mathilda. „Aber das wäre für deine zerbrechlichen Knochen nicht gut gewesen.“
Teresia zog einen Schmollmund und kehrte ihrer Feindin den Rücken zu. Mathilda war mehr als erleichtert, als der Gruppenleiter wieder neue Paare zusammenstellte. Diesmal machte sie die Übung mit Hanna aus der Neunten und musste sich von ihr kein Gezicke anhören.
„Sag mal, die große Blonde“, flüsterte Hanna. „Ist die immer so zickig?“
Mathilda nickte gequält: „Und obendrein ist sie noch ziemlich arrogant.“
Sie und Hanna bekamen mit, wie Teresia einen Jungen aus der 8b fertig machte, weil er sie nicht halten konnte.
„Teresia, du vergreifst dich gerade ziemlich im Tonfall“, sagte Herr Michels streng und blieb vor ihr stehen.
„Aber nein, das war von mir nicht so gewollt“, erwiderte Teresia mit einem engelhaften Lächeln, doch der Lehrer ließ sich von ihren Gehabe nicht beeindrucken.
„Bekomme ich noch einmal mit, wie du Mitschüler so unhöflich behandelst, kannst du gehen“, drohte er ihr.
„Endlich sagt einer dem Miststück gehörig seine Meinung“, dachte Mathilda zufrieden. Am Ende der Stunde machten sie ein Pantomimespiel, bei dem jeder Schüler ein Kärtchen zog und die Pantomime vor der ganzen Gruppe machen musste. Mathilda bekam eine Karte mit „hechelnder Hund“.
„Das wird peinlich!“, stöhnte sie innerlich. Ihr zog sich alles zusammen, als sie nach vorne musste und ihre Pantomime präsentieren musste.
„Warum bin ich überhaupt in diese bescheuerte AG gegangen?“, dachte sie reuevoll. Teresia, Katja und ihre eigene Zwillingsschwester kicherten hinter vorgehaltenen Händen, als Mathilda hechelnd auf dem Boden herum krabbelte. Herr Michels warf ihnen einen bösen Blick zu. Mathilda fand es sehr verletzend und bloßstellend, dass sogar Annemieke über sie gelacht hatte. Das war in ihrem Leben noch nie so in der Art vorgekommen. Zwar hatten sie und ihre Schwester sich gegenseitig geneckt und aus Spaß übereinander gelacht, aber sie wurde von ihrer Schwester noch nie ausgelacht. Mathilda schwor Rache und lachte umso lauter, als Annemieke vorne einen Zahnarzt mimen musste.
„Mathilda!“, rief Herr Michels streng. Sofort war sie wieder leise, doch warum wurde sie ermahnt und die Mädchen vorhin nicht?
Nach der Stunde fuhr Mathilda wieder alleine nach Hause. Wo Annemieke war, das interessierte sie nicht.
„Mir doch egal, was Annemieke und die anderen Zicken treiben?“, dachte sie trotzig und trat heftig in die Pedale.
„Hey!“, hörte sie eine Stimme warnend rufen. Mathilda machte eine Vollbremsung.
„Ups, wir wären beinahe wieder zusammen gestoßen“, sagte sie und schaute zu Elias hinauf.
„Haha, das ist jetzt das zweite Mal“, sagte er und fragte: „Warum fährst du immer so schnell wie eine gesengte Sau und wo ist deine Zwillingsschwester?“
„Sie ist halt nicht da“, antwortete Mathilda gereizt.
„Hm, das klingt irgendwie nach Streit“, vermutete Elias.
„Exakt!“, erwiderte sie seufzend.
„Das stelle ich mir wirklich nicht so schön vor“, sah er sie tröstend an. „Falls du ein Problem hast, kannst du gerne mit mir reden.“
Mathilda stiegen in dem Moment Tränen in die Augen, nun kochten die Emotionen in ihr, die sie in der Schule verdrängt hatte.
„Nimm es nicht so schwer!“, munterte Elias sie auf und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. „Ein Streit geht auch irgendwie wieder vorbei.“
„Aber nicht so lange wie Teresia Jankowski in unserer Klasse ist“, brach es in diesem Moment frustriert aus Mathilda heraus. „Sie bringt alle Freundschaften durcheinander und hat mich erfolgreich mit meiner Schwester und zwei weiteren Freundinnen auseinander gebracht."
„Ist dieses Mädchen nicht die Nichte von Andy Jankowski?“, fragte Elias. „Ich habe das einmal so beiläufig mitbekommen, denn die ganze Schule redet über sie."
„Ja, das ist sie“, sagte sie und verdrehte dabei die Augen. Plötzlich huschte ein schelmisches Grinsen über das Gesicht ihres neuen Kumpels.
„Hör mal, wenn sie dir dumm kommt. Warum spielst du ihr keinen Streich“, schlug er vor.
„Die Idee finde ich klasse“, fand Mathilda und musste auch grinsen.
Einen Tag später hatten sie nur vier Stunden, weil Kunst und Englisch ausfielen. Der Himmel war wolkenlos, es war ziemlich warm und die Sonne brannte erbarmungslos auf den dunkelgrauen Asphalt des Schulhofes.
„Wenn das Wetter heute so schön ist, können wir direkt nach der Schule an den Waldsee fahren“, schlug Kiki vor. Mathilda und Emily nickten begeistert und gaben ihrer Freundin einen Highfive.
„Haben wir heute nicht Reiten?“, fragte Aylin.
„Nein, es fällt aus, weil meine Tante krank ist“, sagte Emily und biss von ihrem Apfel ab.
„Umso besser!", freute sich Mathilda.
„Wenn ihr wollt, bringe ich Heidelbeermuffins mit", meinte Emily.
„Klar, Muffins gehen immer", war Kiki begeistert und fügte hinzu: „Ich bringe dann noch Zitroneneistee mit."
„Darf ich auch mitkommen?“, fragte Anja, die sich zu den Freundinnen gesellt hatte. Mathilda und Kiki wechselten unsichere Blicke. Einerseits wollten sie Anja nicht ausgrenzen, aber andererseits ging es ihnen auf die Nerven, dass sie oft hinter ihnen her lief und darum bettelte, in ihre Bande aufgenommen zu werden.
„Von mir aus kannst du mitkommen, Anja“, sagte Aylin. „Wir treffen uns um zwölf Uhr mit unseren Fahrrädern hier auf dem Schulhof.“
„Okay, ich komme mit“, sagte Anja lächelnd. Einen Moment später klingelte es zur dritten Stunde. „Nun müssen wir noch eine Doppelstunde Mathe über uns übergehen lassen und dann haben wir Feierabend“, sagte Mathilda glücklich.
Dann fiel der Blick der vier Freundinnen auf Annemieke und Teresia, die Arm in Arm an ihnen vorbei gingen und ihnen keinerlei Beachtung schenkten.
„Ich habe Micky noch nie in so teuren Markenklamotten gesehen", murmelte Kiki.
„Das gab auch echt Ärger als Annemieke damit nach Hause kam", begann Mathilda zu erzählen. „Ihr neues Outfit hat einige hunderte Euro gekostet und Mama hat noch den Bon in einer der Einkaufstaschen gefunden. Ohne Witz, Micky und Teresia haben sich ordentlich in der teuersten Boutique der Stadt ausgetobt."
„Wer kann, der kann", zuckte Emily unbeeindruckt mit den Achseln und widmete sich wieder ihrem Apfel.
„Micky hat dafür fast die Hälfte ihres Sparbuches gelündert und deswegen waren unsere Eltern so sauer auf sie", fuhr Mathilda fort.
„Das kann ich mir vorstellen", nickte Aylin. „Ich hätte Zuhause auch großen Ärger bekommen. Gleichzeitig stehen die neuen Klamotten deiner Schwester einfach so mega gut."
„Hat Micky abgenommen?", fragte Kiki, der nicht entgangen war, dass Annemieke in ihrem neuen, eleganten Oberteil eine gute Figur machte.
„Kann sein", brummte Mathilda. „Jedenfalls macht sie jeden Abend so ein komisches Workout, geht nachmittags joggen, trinkt zuckerfreie Cola und isst gefühlt nur noch Rohkost. Als mein Vater vorgestern Pizza bestellt hat, wollte sie nur einen Tunfischsalat haben."
„Irgendwie nicht gesund", fand Emily.
„Und dabei hat Micky bereits eine gute Figur", fand Kiki. „Ich wünschte, ich hätte auch schon solche Kurven."
Mathilda und ihre Freundinnen trafen sich am frühen Nachmittag auf dem Schulhof wieder.
„Hey, Mathilda!“, rief Anja schon von weitem. „Voll toll, dass wir endlich zusammen chillen. Ich bin so froh, dass ich auch endlich neue Freundinnen gefunden habe. Ich habe gleich zwei Tüten Gummibärchen eingepackt, die wir noch hatten.“
Mathilda nickte nur und hörte sich das Gerede von Anja nur zur Hälfte an. Obwohl Anja ein ruhiges und schüchterndes Mädchen war, trauten ihr Kiki und Mathilda nicht richtig. Erst vor ein paar Tagen hatte sie in der Klasse ausplaudert, dass Kikis Vater ein Sinti war. Kiki hatte Anja deshalb immer noch nicht richtig verziehen.
„Hi, Anja“, Aylin war die Einzige, die Anja herzlich begrüßte und kurz umarmte. „Kann es endlich losgehen?“, fragte Mathilda ungeduldig.
„Ja, wir sind vollständig“, antwortete Kiki und klappte den Fahrradständer ihres Rads hoch.
Zu fünft fuhren sie die Landstraße entlang und bogen in den Wald ab. Dort war es erträglicher, weil es dort nicht so heiß, grell und staubig wie auf der Straße war. Hier zwitscherten unzählige Vögel zwischen den hohen Tannen, es summten Bienen und ein Eichhörnchen kreuzte den Pfad. Die Mädchen sahen etwas Dunkelblaues zwischen den Bäumen schimmern und glitzern.
„Juhuu, gleich sind wir da!“, jubelte Emily und trat kräftig in die Pedale.
„Gott sei dank, ich dachte schon, dass ich wegen der Hitze schmelze“, seufzte Anja erleichtert. Kurz darauf stellten sie ihre Fahrräder am Seeufer ab und suchten sich einen Platz am Sandstrand, der bereits rappelvoll war.
„Verdammt, das kann doch nicht wahr sein!“, wisperte Mathilda plötzlich.
„Wieso? Was hast du?“, drehte sich Kiki zu ihr um.
„Siehst du es nicht, die halbe Klasse ist da!“, erwiderte Mathilda gereizt. „Wir werden keinen einzigen Moment lang unbeobachtet bleiben.“
„Das hat mir gerade auch noch gefehlt“, seufzte Kiki.
„Oh nein, Teresia und co sind auch da!“, schnappte Emily nach Luft.
„Oh man, meine Zwillingsschwester hat mir gerade noch gefehlt!“, stöhnte Mathilda. „Ich sehe, wie sie sich in ihrem neuen Schickimicki-Bikini zwischen Katja und Teresia sonnt.“
„Ich weiß gar nicht, was ihr habt“, meldete sich Anja zu Wort. „Ich denke, ihr seid ziemlich beliebt bei euren Klassenkameraden und warum soll es euch stören, dass sie auch da sind?“
Weder Kiki noch ihre Freundinnen antworteten ihr. Stattdessen zogen sie ihre Hosen und T-Shirts aus.
„Wer als erstes im Wasser ist!“, rief Mathilda. Als Letzte streifte Anja ihr Top über den Kopf und rannte so schnell sie konnte hinter den Mädchen her.
„Ach, ist das herrlich!“, rief Anja den anderen Mädchen zu und ließ sich auf dem Wasser treiben. Mathilda und ihre Freundinnen schwammen eine Runde und setzten sich anschließend zum Trocknen auf ihre Decke. Anja hörte interessiert zu, wie sich ihre Klassenkameradinnen über Jungs, das Verliebt sein und die Pubertät unterhielten.
„Wisst ihr, noch vor einem Jahr waren wir Kinder“, sagte Kiki zu ihren Freundinnen.
„Stimmt, es hat sich in letzter Zeit alles verändert“, stimmte ihr Mathilda zu. „Früher haben wir Jungs gehasst und nun finden wir sie eigentlich ganz nett. Noch vor einem halben Jahr hätte ich mich geärgert, wenn Jemand gesagt hätte, dass ich auf Sven stehe, aber nun stehe ich dazu.“
„Ich merke noch nicht richtig, dass ich ein Teenager bin. Ich bin immer noch die Kleinste und habe noch nicht einmal meine Periode. Fast alle Mädchen in unserer Klasse haben sie schon, aber ich bin da leider eine Ausnahme“, sagte Aylin frustriert. „Ich bin immer noch die Kleinste und habe noch nicht einmal meine Periode. Fast alle Mädchen in unserer Klasse haben sie schon, aber ich bin da leider eine Ausnahme. Wie immer..."
„Du wirst sie bald ganz sicher auch kriegen“, tröstete Emily sie. „Außerdem ist es nicht immer angenehm seine Tage zu haben, ich habe dabei ganz oft ziemliche Bauchschmerzen und mir tut auch der Rücken weh.“
„Wollen wir noch einmal schwimmen gehen?“, fragte Mathilda. „Mir ist gerade wieder total warm.“
Emily, Kiki und Aylin standen auf und folgten ihrer Freundin.
„Sie mal an, Anja hockt jetzt auch bei den Tussen!“, bemerkte Kiki spitz. „Es sieht ganz so aus, als hätte sie unseren Freundschaftstest nicht bestanden.“
„Ich habe nichts anderes erwartet“, zuckte Mathilda mit den Achseln. „Jetzt will sie doch unbedingt zu Teresias Clique gehören.“
„Lass sie doch!“, meinte Emily. „Sie war zuvor nicht richtig mit uns befreundet und wir brauchen keine Freundin, die dauernd ihr Fähnchen in den Wind hängt.“
Kaum saßen sie auf ihren Handtüchern, stattete Teresia ihnen einen Besuch ab.
„Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel man von euch erfährt“, sagte sie mit zusammen gekniffenen Augen. „Mathilda, rechnest du dir ernsthaft Chancen bei Sven aus? Streich ihn besser aus deinem Gedächtnis, er ist sowieso nicht an Mädchen wie dir interessiert, die Schlabberpullis tragen und wie ein Clown aussehen. Würdest du dich besser anziehen und paar Kilo weniger auf den Rippen haben, wären deine Chancen bei ihm größer. Deine Schwester kleidet sich besser und ist bestimmt fünf Kilo schlanker als du“, degradierte Teresia Mathilda. Anschließend wandte sie sich an Aylin: „Und von dir habe ich gehört, dass du noch nicht mal deine Tage hast. Das ist kein Wunder, du bist gerade mal so groß wie ein Gartenzwerg. Ich frag mich, warum deine Eltern dich dieses Jahr nicht im Kindergarten angemeldet haben?“
„Wie kannst du es nur wagen, meine Freundinnen so zu beleidigen, du elendiges Miststück!“, zischte Kiki und ihre Stimme zitterte vor Wut. „
Halt die Klappe, du dreckiger Zigeuner!“, rief Teresia wütend. Kiki und ihre Freundinnen waren einen Moment lang, nachdem die Zicke gegangen war, sprachlos vor Empörung.
„Woher weiß Teresia das alles?“, fragte Aylin schockiert. „Weil eine Plaudertasche namens Anja Teresia alles erzählt hat, was sie über uns wusste“, sagte Mathilda hitzig.
„Diese blöde Kuh hat sich an uns dran gehängt, damit sie uns aushorchen kann und Teresia mit frischen Infos über uns beliefern kann. Was ist das nur für eine falsche Schlange?“, regte sich Kiki auf.
„Es wird Zeit für einen Streich“, meinte Emily. „Ich habe drei leere Plastikflaschen gefunden, die wir gleich mit Schlamm und Wasser füllen und dann entleeren wir sie über den Köpfen der Ziegen.“
„Emily, du bist einfach genial!“, freute sich Mathilda.
Kiki, Emily und Mathilda gingen zum Wasser und füllten ihre Flaschen mit Sand, Dreck und Wasser.
„Jetzt müssen wir uns nur noch anschleichen“, flüsterte Kiki. „Kommt, wir verstecken uns hinter diesem Busch und warten auf eine günstige Gelegenheit!“
Die Freundinnen hockten sich hinter einen niedrigen Strauch. Teresia, Annemieke und Katja schienen zu dösen. Annemieke hatte sich sogar ihren Sonnenhut auf ihr Gesicht gelegt. Zu ihrem Bedauern war Anja nicht mehr zu sehen, gerade diese Verräterin hätte auch eine Schlammdusche verdient gehabt.
„Eins, zwei, drei!“, flüsterte Kiki und schlich auf Zehenspitzen aus ihrem Versteck. Mathilda und Emily folgten ihr. Kiki zwinkerte ihnen zu und auf Kommando entleerten sie ihre Flaschen über den Zicken.
„Aaahh!“, schrie Teresia wie von einer Tarantel gestochen. Kiki und ihre Freundinnen rannten los und verschwanden zwischen den vielen Badenden und Sonnenanbetern.
„Das werdet ihr uns büßen, ihr blöden Kühe!“, hörten sie Annemieke rufen, die mit Katja und Teresia hinter ihnen her rannte. Mathilda sprang ins Wasser und tauchte einen Moment lang unter. Als sie wieder auftauchte, sah sie ihre Verfolgerinnen nicht mehr und lachte vor Schadenfreude. Kiki kam auf sie zu geschwommen.
„Weißt du was, ich habe gesehen, dass die Zicken ihre Sachen packen“, berichtete ihr ihre Freundin.
„Wir haben sie erfolgreich von hier vertrieben“, rief Mathilda triumphierend.
„Wollen wir nachher unseren Triumph mit einem Eis feiern?“, schlug Emily vor.
„Die Idee finde ich großartig“, erwiderte Kiki. „Lass uns los! Ich kriege Eishunger.“
Schnell packten die Freundinnen ihre Sachen, zogen sich an und schwangen sich auf ihre Fahrräder. Je näher sie der Eisdiele kamen, desto lauter knurrten ihre Mägen.
„Schwimmen macht total hungrig“, fand Kiki und trat noch schneller in die Pedale.
„Ich gönne mir heute einen XXL-Eisbecher mit Cookies, Schokosoße und gaanz viiel Saahne“, erwiderte Mathilda. Die Freundinnen stellten ihre Räder ab und nahmen an einem Tisch unter einem Sonnenschirm platz. Zwanzig Minuten später löffelten sie zufrieden ihre Belohnung und waren stolz auf sich, dass sie es den Zicken richtig gezeigt hatten. Aylin hatte es sogar mit ihrem Handy gefilmt und zeigte das Video ihren Freundinnen.
„Wir werden für immer tolle Erinnerungen an diesen Streich haben“, schwärmte Kiki.
Am Samstag hatte Mathilda ein wichtiges Hockeyspiel gegen ihren Erzrivalen aus Urlingen. Annemieke war nicht dabei, weil es ihr nicht gut ging und war heute Morgen deshalb im Bett geblieben. Die Trainerin ließ Mathilda heute im Angriff spielen. Obwohl sie in der ersten Halbzeit mit zwei Toren zurücklagen, konnten sie das Spiel drehen und gewannen am Ende knapp mit 4:3. Mathilda freute sich über ihren Doppelpack, denn sie hatte noch nie zuvor in einem Spiel zwei Tore geschossen. Das letzte Tor hatte sie für ihre Mannschaft im Herbst des vorigen Jahres erzielt.
„Super gemacht, Matti!“, lobte ihre Trainerin und klatschte sie auf den Weg in die Umkleide ab.
„Solange Annemieke nicht spielt und Viktoria verletzungsbedingt fehlt, bist du unsere Angreiferin Nummer eins“, sagte Hilda zu ihr. Etwa eine Dreiviertelstunde später fuhr Mathilda mit Kim ein Stück die Straße entlang, bis Kim rechts abbiegen musste.
„Ciao, grüß Annemieke von mir“, verabschiedete sich ihre Hockeyfreundin und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Zuhause Mathilda ging ales erstes auf ihr Zimmer, um ihr Buch zu holen. Wie vom Blitz getroffen, blieb sie im Türrahmen stehen.
„Das gibt es doch nicht“, sagte leise zu sich selbst und hielt die Luft an. Annemieke hockte mit Teresia auf ihrem Bett und schaute sich mit ihr ein altes Fotoalbum an. Zu ihrem Entsetzen hatten sich beide Mädchen die Haare karottenrot gefärbt, trugen die gleichen kitschigen T-Shirts mit einem goldenen Herz drauf und die gleichen hässlichen Tussenohrringe. Sie sahen aus wie Zwillinge, aber eben wie falsche Zwillinge. Mathilda war fassungslos und verletzt zugleich. Hatte ihre Schwester Teresia bereits als neuen Zwilling adoptiert?
„Annemieke, wie siehst du denn aus?“, sagte Mathilda langsam und betonte jede Silbe.
„Ist es schlimm für dich, dass ich mir meine Haare getönt habe? Rot steht mir viel besser als dieses grässliche Hellblond“, erwiderte Annemieke schnippisch.
„Viel schlimmer finde ich, dass du unser Team hängen gelassen hast“, wurde Mathilda böse. „Ich habe gedacht du wärst krank, aber nein stattdessen lädst du dir eine Freundin ein und macht euch einen gemütlichen Tag.“
„Mir ging es wirklich schlecht und seit zwei Stunden geht es mir wieder besser. Warum darf ich mir dann keine Freundin einladen? Was ist daran verwerflich?“, fragte Annemieke, die sich keiner Schuld bewusst war.
„Ich glaube dir kein Wort, du Lügnerin!“, zischte Mathilda und packte ihre Schwester an den Schultern.
„Lass Annemieke in Ruhe und pack sie nicht an!“, mischte sich Teresia ein.
„Was geht dich das an, du blöde Zicke?“, blaffte Mathilda. „Du kannst meinetwegen abhauen! Es ist schon schlimm genug, dass du dich in meinem Zimmer aufhältst!“
„Das ist nicht dein Zimmer!“, rief Annemieke wütend. „Es ist immer noch unser Zimmer und ich darf alleine bestimmen, wer hier mit auf unser Zimmer kommt.“
„Das darfst du nicht!“, rief Mathilda hitzig und schubste Annemieke nach hinten.
„Ganz ehrlich, was soll dein komisches Benehmen?“, sagte Teresia ruhig. „Ich finde es ziemlich fies, dass du deine Schwester bei jeder Gelegenheit unfreundlich von der Seite anmachst und von ihr einforderst, dass sie sich dir unterwirft. Annemieke ist ein eigenständiger Mensch und nicht dein Hund. Verstehst du nicht, dass ihr zwei verschiedene Menschen seid und unterschiedlich Wege geht? Warum kannst du es nicht tolerieren, wenn sie ihr eigenes Ding macht? Respektier endlich, dass Annemieke nicht dein zweites Abbild ist!“
„Hör dich gefälligst auf, dich in unsere Angelegenheiten einzumischen!“, schrie Mathilda. Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und verpasste Teresia eine heftige Ohrfeige.
„Mathilda, du spinnst total!“, rief Annemieke. „Raus aus unseren Zimmer und belästige uns nicht weiter mit deiner miesepetrigen Laune!“
Teresias Gesicht war immer noch knallrot, sie hielt sich immer noch die Wange und drehte sich von den streitenden Zwillingen weg.
„Von mir aus, könnt ihr mich in Ruhe lassen und euch woanders hinsetzen“, sagte Mathilda laut. „Ich will nur noch meine Ruhe haben, denn dieses arrogante Miststück ertrage ich hier nicht mehr!"
„Weißt du was, zur Zeit denke ich ganz oft, dass du gar nicht mein eigener Zwilling bist, sondern irgendeine ekelhaft aufgeblasene Kuh!“, schrie Annemieke und warf einen Kugelschreiber nach ihrer Schwester.
Mathilda hob ihr Mathebuch auf und warf es in Annemiekes und Teresias Richtung. Rot vor Wut stürmte sie aus dem Zimmer und knallte die Tür mit einem lauten „Bang“ zu. Ihr brannten dicke Tränen in den Augen, aber sie war viel zu wütend, um zu weinen. Besonders der letzte Satz von Annemieke hatte sie schwer getroffen. Wie konnte Annemieke nur behaupten, dass sie keine Zwillinge waren? Ihr ganzes Leben lang waren sie und ihre Schwester unzertrennlich. Sie hatten sich gegenseitig verteidigt, zusammen gelacht, zusammen viel Spaß gehabt und sich getröstet, wenn eine von ihnen traurig war. Nur wegen Teresia war die Zwillingsidylle innerhalb von zwei Wochen zerstört, wie ein scharfes Messer hatte sie das sonst bärenstarke Zwillingsduo zerschnitten. Bei diesem Gedanken stieg erneut die Wut in ihr hoch und sie kickte mit voller Kraft einen Tennisball gegen die Tür des Gästezimmers.
„Das Gästezimmer!“, fiel Mathilda ein. „Das ist ein guter Rückzugsort für mich.“
Sie ging in den Raum hinein, schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf die Couch fallen. Gähnend streckte sie sich und drehte sich auf die Seite.
Zwei Stunden später wurde sie von ihrem eigenen Magenknurren geweckt.
„Verdammt, wie spät haben wir es“, fuhr Mathilda erschrocken hoch und schaute auf die Uhr. Es war halb Vier und sie hatte immer noch nichts zum Mittag gegessen. Schlurfend ging sie die Treppe runter in die Küche. Ihre Mutter stand an der Spüle und wusch das Geschirr ab. „Hey, wie habt ihr heute morgen gespielt?“, fragte sie, als sie die Küche betrat.
„Wir haben knapp mit 4:3 gewonnen“, antwortete Mathilda.
„Das freut mich! Hast du auch ein Tor geschossen?“, fragte ihre Mutter.
„Sogar zwei!“, erwiderte Mathilda stolz.
„Das ist toll!“, freute sich ihre Mutter und wurde dann auf einmal wieder ernst. „Ich habe mitbekommen, dass Annemieke ihre Krankheit nur vorgetäuscht hat. Meine Meinung davon hat sie bereits gehört. Wenn sie keine Lust hat mehr Hockey zu spielen, muss sie es uns sagen.“
„Ich bleibe auch ohne sie im Hockeyverein“, sagte Mathilda mit fester Überzeugung. „Wir sind zwar Zwillinge, aber zwei total verschiedene Menschen. Ach Mama, ich bitte dich darum, dass du uns nie wieder Zwillinge nennst.“
„Na gut, wenn du es unbedingt willst“, meinte ihre Mutter und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Aber es wird mir verdammt schwer fallen.“
Plötzlich brach aus Mathilda die Geschichte mit Teresia und dem heftigen Zwillingsstreit heraus, als sich ihre Mutter zu ihr an den Tisch gesetzt hatte.
„Oh je mine, wenn ihr euch in die Haare kriegt, ist das kein Zuckerschlecken“, stöhnte ihre Mutter. „Ihr könnt alle beide so stur sein und dann will niemand von euch nachgeben. Ich sag mal so, der Klügere gibt nach!“
Dieser Satz leuchtete Mathilda ein.
„Bis jetzt war ich immer diejenige, die nicht nachgeben konnte“, gestand sie ehrlich. „Meist bin ich diejenige, die Annemieke so lange bearbeitet, bis sie ruhig ist, weil ich schon immer die Dominantere von uns beiden war.“
„Jetzt will deine Schwester dir zeigen, dass sie genauso dominant sein kann wie du“, sagte ihre Mutter. „Sie wird auch älter und ab einem bestimmten Alter lässt man sich nicht mehr alles gefallen.“
„Ich weiß“, seufzte Mathilda.
„Du weißt doch, dass Annemieke eine ruhige und ausgeglichene Natur ist und mit niemanden Streit will“, meinte ihre Mutter und fuhr fort: „Vor ein paar Tagen hat sie sich darüber beklagt, dass du ihr häufige fiese Bemerkungen an den Kopf wirst und ich kann verstehen, dass sie sich irgendwann wehrt.“
„Aber Mama, Annemieke behandelt mich seit anderthalb Wochen wie Luft und hält zu Teresia. Ich komme mir vor wie das fünfte Rad am Wagen“, widersprach ihr Mathilda. „Teresia hat es geschafft aus meiner Schwester eine Modetussi zu machen und unsere Bande zu spalten.“
„Wir müssen versuchen mit ihr zu reden“, schlug ihre Mutter einen anderen Tonfall an. „In einer ruhigen Minute..."
„Aber das hilft doch gar nichts, wenn wir dieses Thema ansprechen, schaltet Annemieke sofort auf stur“, unterbrach Mathilda ihre Mutter genervt und fing an ihre Spagetti zu essen. Die lauwarmen Nudeln schmeckten wie Pappe und die salzige Bolonesesoße brannte beinahe auf ihrer Zunge. Seufzend stand sie auf und holte sich einen Blaubeereistee aus dem Kühlschrank.
Montag in der Schule gingen sich die Zwillinge komplett aus dem Weg, stattdessen kam Anja ziemlich oft in den Pausen zu Mathilda und ihren Freundinnen.
„Lass uns in Ruhe, du Klatschmaul“, sagte Kiki genervt.
„Warum soll ich ein Klatschmaul sein?“, entgegnete ihr Anja empört.
„Ganz einfach, ich habe mitbekommen, wie du alles, was du über uns herausbekommen hast, an Teresia weitererzählt hast“, argumentierte Kiki. Anja blieb wie angewurzelt stehen, nach und nach wich ihr die Farbe aus ihrem Gesicht.
„Ha, das ist der Beweis, dass du etwas verzapft hast! Bitte geh und lass uns jetzt in Ruhe. Wir brauchen keine falsche Schlange als Freundin“, rief Mathilda und deutete mit einer Handbewegung an, dass Anja sich in die hinterste Ecke des Schulhofes verkrümeln sollte. Beleidigt und schweigend ging Anja fort.
„Endlich ist sie weg“, atmete Emily auf. „Wir müssen uns von so einer nervigen Plaudertasche nicht die Pause verderben lassen.“
„Sehe ich auch so“, nickte Aylin.
Anschließend kamen sie auf Annemiekes rotgefärbten Haare zu sprechen.
„Ich finde, es sieht ziemlich merkwürdig und abartig aus“, fand Kiki. „Ich kenne Annemieke nur mit hellblonden halblangen Locken und das ist die einzige Frisur die ihr steht.“
„Nicht nur das, sie glättet sich jetzt jeden Morgen die Haare und verbraucht dosenweise Haarspray“, erzählte Mathilda augenrollend.
„Ich verstehe nicht, wieso Annemieke sich so von Teresia beeinflussen lässt“, sagte Emily kopfschüttelnd. „Wir waren beste Freundinnen und ich kenne sie sehr genau. Normalerweise hat sie ihren eigenen Stil und lässt sich von keinem ins Handwerk pfuschen.“
„Das ist nur zu wahr. Früher hat sich meine Schwester kein bisschen dafür interessiert, was gerade in Mode war. Sie hat einfach die Sachen gekauft, die ihr gefallen haben. Jolanda und ihre Clique haben oft spöttische Bemerkungen über Annemiekes bunten Pullover und Sweatshirts gemacht“, sagte Mathilda.
„Mir fällt auf, dass Jolanda nichts mehr mit Teresia zu tun hat“, stellte Kiki fest.
„Ihr könnt Jolanda fragen, warum sie Katja und Teresia aus dem Weg geht“, schlug Aylin vor. Kiki und Mathilda suchten Jolanda und ihre Freundinnen. Sie fanden sie auf einer Tischtennisplatte sitzend. „Hey, was wollt ihr?“, fragte Jolanda, diesmal klang sie nicht zickig, sondern eher freundlich und offen.
„Hm, wir haben festgestellt, dass du gar nicht mehr mit Teresia redest“, begann Mathilda.
„Na und? Warum soll ich mit dieser falschen Ziege reden?“, erwiderte Jolanda achselzuckend.
„Sie ist so falsch, dass man davon das Kotzen kriegen kann“, mischte sich Saskia ein.
„Erst vor ein paar Tagen hat sie Jolandas Schwarm Edgar in Beschlag genommen“, regte sich Neele auf.
„Sagen wir es so, Teresia ist ein kleines Flittchen, welches anderen Mädchen ihre Jungs ausspannt“, sagte Jolanda und pustete sich ihren Pony aus ihrem Gesicht.
„Das ist typisch Teresia!“, bemerkte Mathilda abwertend. „Teresia will was, Teresia bettelt, Teresia quengelt und Teresia bekommt es.“
Jolanda musste einen kurzen Augenblick lachen, doch dann wurde sie wieder ernst.
„Ich finde Streiche normalerweise total kindisch, aber Teresia können wir ruhig einen spielen“, sagte sie zu Mathilda und Kiki.
„Wir haben ihr schon einen Streich gespielt, als wir Freitag am Waldsee waren“, erzählte Kiki. „Wir haben leere Flaschen mit Dreckwasser gefüllt und dann über Teresias, Annemiekes und Katjas Köpfen entleert.“
„Das klingt lustig“, grinste Tanja belustigt. „Und wie haben sie reagiert?“
„Sie sind wie wild gewordene Hühner über den Strand gerannt und haben laute Flüche ausgestoßen“, erzählte Mathilda gickernd.
„Das klingt super, ihr müsst euch einen Streich einfallen lassen, um Teresia vor der ganzen Schule bloßzustellen, denn sie hat es richtig verdient“, meinte Jolanda und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
Der Pausengong beendete das Gespräch, Kiki und Mathilda nahmen die Abkürzung zum Haupteingang. Mathilda konnte sich nicht daran erinnern, jemals so ein freundliches Gespräch mit Jolanda und ihren Tussenkomitee-Freundinnen gehabt zu haben. Die Tussenkomitee-Mädchen schienen doch nicht so verkehrt zu sein, obwohl sie und die Roten Tulpen sich früher nicht ausstehen konnten.
„Im Notfall wäre Jolanda bestimmt eine gute Verbündete“, dachte sie im Matheunterricht nach. „Aber ich würde trotzdem nur im äußersten Notfall mit ihr enger zusammenarbeiten, dazu müsste ich ihr voll vertrauen können.“
„Mathilda, könntest du bitte an die Tafel kommen und die binomische Formel anwenden?“, riss Frau Schellhardts Stimme sie aus ihren tiefen Gedanken.
„Die was?“, erwiderte Mathilda perplex. Im Hintergrund hörte sie Teresia und ihre Freundinnen schadenfroh kichern.
„Du sollst die binomische Formel anwenden“, wiederholte die Klassenlehrerin geduldig.
„Ich verstehe nicht wie das geht“, gestand Mathilda und wurde rot im Gesicht. „Besser Sie nehmen dran, der gerade besser denken kann als ich.“
Frau Schellhardt rief Lotta auf, die die Klammern der Formel ohne Probleme auflösen konnte
„Wo zum Teufel ist unser Bandenbuch? Ich habe es auf keinen Fall eingesteckt“, fiel es Kiki schlagartig ein und wühlte in ihrer Schultasche.
„Ich weiß nicht, ich hatte es nicht gehabt“, zuckte Mathilda mit den Schultern.
„In der ersten großen Pause haben wir es noch gehabt“, sagte Emily. „Ich habe noch ein lustiges Zitat von unserem Musiklehrer hineingeschrieben.“
„Vielleicht sind an unserer Schule papierfressende Ungeheuer unterwegs, die ständig einen Heißhunger auf Bücher und Hefte haben“, witzelte Mathilda. „Der Verdacht besteht, weil immer wieder Herr Weisers Notizbuch verschwindet und er sich immer ein Neues kaufen muss. Nun wollte es ein wenig Abwechselung und hat sich für unser Buch entschieden."
„Haha, wie lustig!“, Kiki verdrehte die Augen. „Mach dir lieber Gedanken, wo unser Buch sein könnte.“
Die Freundinnen schwärmten zum Suchen in alle Richtungen aus und wollte sich kurz vor dem Pausenende wieder unter der alten Eiche treffen.
Außer Atem kam Aylin ihnen in heller Auffuhr entgegen.
„Verdammt, ich weiß nicht, wo unser Bandenbuch ist“, keuchte sie. „Hat es jemand von euch eingesteckt?“
Die Freundinnen schüttelten ratlos die Köpfe und sahen ziemlich bedrückt aus.
„Eigentlich bist du als Bandenbuchführerin für das Buch verantwortlich, Aylin“, sagte Kiki streng.
„Aber ich habe es nicht als letztes gehabt!“, erwiderte Aylin gereizt.
„Lass uns zum Musiksaal gehen und nachschauen, ob wir es dort vergessen haben“, schlug Emily vor. Zu viert gingen die Freundinnen die Treppen hinauf zum Musiksaal.
„Was wollt ihr hier?“, fragte ein Lehrer. „Geht raus und verbringt die Pause auf dem Schulhof.“
„Wir sind hier her gekommen, um etwas zu suchen“, sagte Mathilda. „Könnten Sie uns bitte den Musikraum aufschließen?“
Der Lehrer nickte und schloss den Mädchen den Raum auf.
Kiki und Aylin suchten die Tische und Stühle ab. Emily schaute hinter den Gardinen und auf der Fensterbank nach. Mathilda vermutete das Bandenbuch zuerst im Waschbecken und dann hinter der Tafel, aber dort war es auch nicht.
„Es muss wohl jemand geklaut haben“, mutmaßte Kiki. „Hier ist es jedenfalls nicht.“
„Aber was wollen Andere mit unserem Bandenbuch?“, fragte Aylin kopfschüttelnd.
„Ich kann mir schon gut vorstellen, was sie damit wollen", hatte Emily einen Verdacht. „Es gibt anscheinend eine Mitschülerin oder einen Mitschüler, der seine Nase in unsere Bandenangelegenheiten stecken möchte.“
„Schnüffeleien sind so ekelig, dass man am liebsten auf der Stelle tot umfallen will“, bemerkte Mathilda mit voller Abneigung. „Derjenige, der unser Bandenbuch gestohlen hat, wird lebenslang von uns verachtet, doch zuvor stellen wir diese Person gepflegt zur Rede.“
Die Hoffnung das Buch zu finden schwand von Minute zu Minute.
„Es klingelt in zwei Minuten“, Aylin schaute beunruhigt auf ihre Armbanduhr.
„Es macht keinen Sinn mehr noch weiter zu suchen, lass uns gehen“, seufzte Emily. Beim Verlassen des Raumes schaute Mathilda zufällig in den Papierkorb neben der Tür.
„Hier ist es!“, schrie sie und rannte ihren Freundinnen aufgeregt hinterher.
„Unser schönes Bandenbuch lag im Mülleimer, aber keine von uns wird es in den Müll geworfen haben“, meinte Mathilda ungläubig.
„Selbstverständlich hat es keiner von uns in den Müll geworfen!“, entgegnete ihr Kiki entrüstet.
„Wenigstens ist es wieder da“, murmelte Aylin und klang sogar ein wenig erleichtert. Sie schlug die ersten Seiten auf, bei diesem Anblick blieb ihr und ihren Freundinnen vor Fassungslosigkeit die Spucke weg.
Beinahe auf jeder Seite waren hässliche Kritzeleien und fiese Beleidigungen zu sehen. Ihr Gruppenphoto war mit Nagellack beschmiert, ihr Name „Die Roten Tulpen“ war durchgestrichen und stattdessen stand „Die professionellen Hosenscheißer vom Dienst“ drüber. Kiki wurde als dreckige Zigeunerin beschimpft und Mathilda als hässliche fette Made bezeichnet. Aylin weinte fast, als sie ihren verhunzten Steckbrief zu sehen bekam.
„Ich bin zwar klein, aber das ist kein Grund mich als Zwerg oder Urwaldmenschen zu bezeichnen“, sagte sie weinerlich. Es dauerte einen Moment bis die Mädchen ihre Worte wieder fanden.
„Derjenige, der das getan hat, dem reiße ich den Kopf ab!“, zischte Kiki voller Zorn.
„Das ist noch zu harmlos, wir sperren ihn in Terrarium voller Gifttiere und lassen ihn dort in der Hölle schmoren“, setzte Mathilda zornig obendrauf.
„Ich wette es waren Teresia und ihre Freundinnen“, fasste Emily einen ersten Verdacht.
„Vielleicht war es auch Annemieke“, mutmaßte Aylin. „Ich kann mir vorstellen, dass sie uns eins auswischen wollte.“
„Warum will sie uns übel mitspielen?“, entgegnete ihr Mathilda. „Sie hat von alleine beschlossen mit dieser Teresia befreundet zu sein, aber wir haben sie nicht aus der Bande hinaus geworfen. Versteht ihr?“
„Ja, aber wir können trotzdem mit Lotta, Fianna und ihr reden“, meinte Kiki. „Ich will sicherstellen, dass sie es nicht gewesen sind und hoffe es auch. Falls sie es doch gewesen sind, werden sie etwas Deftiges und Unangenehmes erleben.“
Mathilda und Kiki nutzten die Gelegenheit in der Fünfminutenpause, um mit Annemieke zu sprechen.
„Was kannst du dazu sagen? Hast du mit den Kritzeleien im Bandenbuch etwas zu tun?“, fragte Mathilda kühl und hielt ihr das Bandenbuch unter die Nase.
„Willst du etwa sagen, dass ich das gemacht habe?“, erwiderte Annemieke schockiert und musste schlucken. Das Gespräch der Zwillinge war alles andere als freundschaftlich, es schien sich zwischen ihnen eine unüberwindbare Wand gebildet zu haben.
„Wir wissen nicht wer es war, deshalb fragen wir dich“, sagte Mathilda und sah ihrer Schwester fest in die Augen.
„Warum verdächtigt ihr ausgerechnet mich? Ich habe mit den Schmierereien wirklich nichts zu tun. Glaubt mir, ich war es nicht“, rief Annemieke mit Tränen in den Augen.
„Hört auf hier Falsche zu verdächtigen!“, kam Fianna Annemieke zur Hilfe und warf Mathilda einen wütenden Blick zu. Bevor die Situation noch eskalierte, mischte sich Kiki ein: „Wir verdächtigen hier niemanden expliziert.“
„Aber ich habe mich gerade verdächtigt gefühlt, das ist genauso wie bei einem Verhör. Ihr könnt mir gar nichts nachweisen“, sagte Annemieke wütend, sprang auf und rannte aus der Klasse.
„Unschuldige zu verdächtigen ist wohl das Allerletzte!“, kam es von Teresia und baute sich vor Mathilda auf.
„Nein, wir haben keinen verdächtigt“, versuchte Kiki ihr zu erklären. „Wir wollen nur herausfinden, wer unser Bandenbuch beschmiert hat.“ „Aha! Jemand hat euer Bandenbuch beschmiert. Falls ihr mich verdächtigt, kann ich nur sagen, dass ich sowas Ekelhaftes nicht mache. Ich bin zwar nicht mit euch befreundet, aber ich beschmiere nicht die Bücher anderer“, meinte Teresia.
„Gib es zu, dass du es warst!“, brauste Mathilda auf und hielt Teresia am Ärmel fest.
„Es ist eine Frechheit mich zu beschuldigen, obwohl ich mit der Sache nichts zu tun habe“, sagte Teresia kühl und riss sich von Mathilda los.
„Dir traue ich mittlerweile alles zu, du intrigantes Weibstück!“, zischte Mathilda.
„Mathilda!“, wisperte Kiki eindringlich und zog sie eilig am Arm nach draußen.
„Was hast du denn, Kiki?“, fragte Mathilda irritiert, als sie draußen vor dem Klassenraum standen.
„Wir haben doch noch keine Beweise, wer es war. Teresia ist zwar eine dumme Kuh, aber wir können trotzdem nicht sagen, dass sie es nicht getan hat. Keine Verdächtigungen mehr, bevor wir standhafte Beweise haben! Okay?“, redete ihr Kiki ins Gewissen. Mathildas Gesicht nahm vor Scham die Farbe einer Tomate an.
„Ich weiß, dass ich angefangen habe, wild durcheinander zu verdächtigen, aber mein Temperament ist mit mir durchgegangen“, gestand sie kleinlaut. Die beiden Freundinnen sahen sich schweigend an.
„Soll ich mich bei Micky entschuldigen oder nicht?“, fragte Mathilda ihre beste Freundin nach Rat.
„An deiner Stelle würde ich es tun, du hast doch gesehen, wie verletzt sie war. Außerdem denke ich, dass Annemieke sowas nicht tun würde“, antwortete Kiki.
„Sie würde niemals im Leben meine Entschuldigung annehmen“, jammerte Mathilda. „Es war eine richtige Dummheit von mir, dass ihr unterstellt habe, dass sie das Bandenbuch beschmutzt haben könnte.“
„Gerade deshalb sollst du dich entschuldigen“, meinte Kiki ruhig.
Mathilda war mehr als froh, dass sie nach der sechsten Stunde nach Hause gehen konnte. Sie packte mit dem Klingeln blitzschnell ihre Sachen ein und huschte aus dem Klassenzimmer. Sie machte kurz am Vertretungsplan halt, um nachzusehen, ob sie morgen Vertretung oder Stundenausfall hatten. Erst wenig später bemerkte sie einen kleinen Zettel, auf dem stand:„Mathilda aus der 8a ist eine widerliche Schlampe, die es mit allen Jungs treibt und nur Streit entfacht. GZ Kristina Morawski“.
Mathilda fiel vor Schreck die Kinnlade runter. Wie konnte Kiki sie so heftig beleidigen, obwohl sie ihre beste Freundin war? Ein paar Meter weiter tauchte die nächste Beleidigung an der Wand auf.
„Mathilda ist eine üble Verräterin! GZ Emily Heuberger und Aylin Yilmaz“, stand auf dem Zettel. Für Mathilda fühlte sich es wie ein derber Schlag in den Magen an. Warum waren jetzt sogar ihre Freundinnen gegen sie? Sie war sich keiner Schuld bewusst, dass sie ihnen jemals was getan hatte.
„Selbst meine Freundinnen lassen mich hängen!“, dachte sie verbittert und steuerte in großer Eile auf die Eingangstür zu.
Wieder sah sie einen Zettel an der Scheibe kleben, obwohl sie ihn nicht lesen wollte, zwangen sie ihre Augen dazu. Jedes Wort brannte wie Feuer in ihren Augen und in ihrem Gedächtnis.
„So wie Mathilda sich verhält, kann sich nicht mein Zwilling sein. Ich will mit ihr nichts mehr zu tun haben! GZ Annemieke ter Stegen“, lautete die Nachricht. Draußen füllten sich Mathildas Augen mit Tränen, noch nie hatte sie sich so miserabel gefühlt und sie verstand nicht, warum sie so gehasst wurde. Sie schaute sich um, ob sie eine ihrer Freundinnen sah, aber sie entdeckte keine von ihnen. Noch nie hatte sie sich so alleine gelassen gefühlt wie jetzt. Vor nicht all zu langer Zeit hatte sie gute Freundinnen und eine Zwillingsschwester, mit der man sich Gefühle und Gedanken teilen konnte, aber jetzt war sie eine hoffnungslose Looserin. Niedergeschlagen ging sie zu ihrem Fahrrad und schloss es auf. Tränen bahnten sich ihren Weg und tropften zu Boden. Mathilda konnte ein kurzes, heftiges Aufschluchzen nicht mehr unterdrücken.
„Was hast du?“, hörte sie eine männliche Stimme. Verdammt! Jemand sprach sie in diesem Moment darauf an, dass sie sich just die Augen aus dem Kopf heulte.
„Ach, du bist es, Elias“, sagte sie verwundert und wischte sich über ihre feuchte Wange.
„Ich habe gesehen, dass du weinst“, sagte er. „Erzähl mir ruhig, was passiert ist.“
Mathildas Lippen zitterten, als sie etwas sagen wollte. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht noch einmal in Tränen auszubrechen, denn sie hasste es vor anderen Leuten zu weinen.
„Komm mit, ich zeige es dir“, sagte sie schließlich mit bebender Stimme. Nach und nach zeigte sie ihm alle fiesen Zettel, die immer noch in der Pausenhalle hingen. Auf einem der Zettel wurde noch zusätzlich ein gehässiger Lachsmiley gekritzelt.
„Wir nehmen die Zettel ab und du steckst sie ein“, schlug Elias vor. „Du kannst einen Schriftvergleich machen, um heraus zu bekommen, wer dich so massiv beleidigt hat.“
„Du glaubst also nicht, dass es meine Freundinnen waren?“, fragte sie schniefend.
„Warum sollen deine Freundinnen dich beleidigen, wenn ihr vorher keinen Streit miteinander hatten“, sagte Elias dazu.
Mathilda zuckte mit den Achseln.
„Ich sehe dich jeden Tag mit deinen Freundinnen zusammen über den Schulhof laufen, deshalb finde ich es sehr merkwürdig, dass sie dich plötzlich anfangen so heftig zu beleidigen“, fuhr er fort. „Ich glaube eher daran, dass dir jemand anderes übel mitspielen will“
Mathilda stiegen Hoffnung und Erleichterung auf. „Ich werde mit meinen Freundinnen darüber sprechen“, sagte sie und ihre Miene hellte sich wieder auf. Zusammen mit Elias fuhr sie nach Hause. Mittlerweile war er nicht nur der Junge von nebenan, sondern auch ein guter Freund.
„Wenn Elias nicht gewesen wäre, würde ich jetzt bestimmt noch todtraurig sein und in millionen Tränen zerfließen“, dachte sie.
Zuhause wählte sie gleich als erstes Kikis Nummer.
„Hi, was gibt's?", meldete sich ihre beste Freundin mit halbvollem Mund. „Bin gerade beim Mittagessen, wie du hören kannst."
„Überall hingen in der Pausenhalle Zettel, auf denen ich angeblich von euch beleidigt worden bin", erzählte Mathilda.
„Wow, wirklich?", es war durch das Handy deutlich zu hören, wie Kiki die Spucke wegblieb. „Krass, sowas würden wir niemals tun. Never ever! Wir sind doch deine besten Freundinnen. Mega hinterhältig!"
„Ich dachte schon", seufzte Mathilda auf, dass wenigstens Kiki hinter ihr stand. Aber was war mit Aylin und Emily? Immerhin hatten die sich noch gar nicht bei ihr gemeldet. Wussten sie überhaupt von den fiesen Zetteln?
„Ich setze für halb vier ein Bandentreffen an", beschloss Kiki. „Ich schreib eben was in die Gruppe und du machst Fotos in den Zetteln und postest sie auch in die Gruppe. Ok?"
Mathilda tippte mit den rechten Zeigefinger auf den Gruppenchat und sah gleich als erstes, dass Lotta und Fianna gerade die Gruppe verlassen hatten, nachdem Annemieke bereits gestern ausgetreten war.
Pünktlich um halb vier trafen sich vier Rote Tulpen am Wohnwagen, um herauszufinden, wer Mathilda so massiv beleidigt hatte. Beim Betreten des Schrebergartens überkam sie ein schlechtes Gefühl, welches sie bisher noch nicht kannte. Sie spürte immer deutlicher das Misstrauen in sich. Schließlich hatten sich Emily und Aylin immer noch nicht gemeldet, nachdem Mathilda die Fotos mit den fiesen Beleidigungen in den Rote-Tulpen-Chat gestellt hatte.
„Was bin ich für eine Idiotin! Warum glaube ich immer noch daran, dass sie mir die Zettel geschrieben haben? Kiki hat mir vorhin am Handy gesagt, dass sie sowas nie tun würde“, schimpfte sie insgeheim mit sich selbst. Zuerst ging sie die Kaninchen begrüßen, bevor sie sich an ihre Freundinnen wandte. Hanni und Nanni rupften ihr gierig das Gras aus der Hand.
„Hey Matti!“, rief Kiki zur Begrüßung und umarmte ihre Freundin. Mathilda erwiderte ihre Umarmung und fühlte sich mit einem Schlag viel besser. Aylin und Emily saßen schon im Wohnwagen und tranken Tee.
„Dann zeig mal die Zettel her!“, forderte Kiki sie auf und hakte sie bei sich unter.
Nach und nach legte Mathilda die Zettel mit den Beleidigungen auf den Wohnwagentisch. Die Gesichtsausdrücke ihrer Freundinnen verrieten, dass sie sehr empört über die fiesen Zettel waren.
„Das ist ja abscheulich!“, entfuhr es Emily schockiert. „Sowas würde ich niemals machen.“
„Ich auch nicht, schließlich bist du unsere Freundin und es ist abartig uns das in die Schuhe zu schieben“, fügte Aylin hinzu: „Derjenige, der sowas macht, ist asozial.“
„Und außerdem ist es so gar nicht unsere Handschrift“, warf Emily ein.
„Mir fällt gerade auf, dass die Zettel alle die gleiche Schrift haben“, rief Kiki aufgeregt. „Das M, A und S sind überall gleich.“
„Da hat jemand versucht, die Freundschaft zwischen dir und uns zu zerstören“, sagte Aylin düster.
„Ich kann mir vorstellen, wer das war“, ereiferte sich Emily. „Bestimmt wollte dir Teresia übel mitspielen.“
„Sie wird einen Grund gehabt haben, warum sie das tut“, sagte Mathilda hitzig. „Ich habe sie beschuldigt, dass sie unser Bandenbuch beschmutzt hat und jetzt hat sie sich revanchiert.“
„Wir müssen unbedingt die Handschriften unserer Mitschüler mit dieser Handschrift abgleichen“, sagte Kiki zu ihren Bandenschwestern. „Bevor wir das nicht getan haben, können wir niemanden verdächtigen.“
Mathilda war froh, dass es nicht ihre Freundinnen waren, die ihr die Zettel geschrieben hatten. Trotzdem setzte es ihr zu, dass es Jemand auf sie abgesehen hatte. Zuvor war sie in der Klasse ziemlich gut angesehen, denn sie wurde nicht ohne Grund zur Klassensprecherin gewählt. Doch seitdem Teresia in der Klasse war, schien alles wie verhext. Freundschaften wurden durcheinander gebracht, die Lehrer und Mitschüler achteten sehr auf ihr Äußeres, Annemieke kapselte sich gänzlich von ihr ab und ihre Bande schien sich gänzlich aufgelöst zu haben. Nichts war so geblieben wie es vorher war. Sogar den Piranhas verdrehte Teresia den Kopf, sodass die Jungs ihr des Öfteren kleinere Arbeiten abnahmen, indem sie ihre Tasche trugen, ihr die Hausaufgaben aufschrieben oder ihr Brötchen in der Cafeteria kauften. Mathilda hätte sich nie im Leben, wie eine Sklavin behandeln lassen und schon gar nicht von solchen Zicken wie Teresia und Katja.
Abends versuchte Mathilda mit ihrer Schwester über all das Passierte zu reden, aber Annemieke schien es wenig zu interessieren. Seelenruhig saß sie auf der Terrasse und lackierte sich die Fußnägel in einem unsäglich grellen Pink.
„Du weißt doch ganz genau, dass ich mit den Beleidigungen und dem Bandenbuch nichts zu tun habe“, erwiderte Annemieke genervt. „Bitte, lass mich endlich mit diesem Kram in Ruhe!“
„Du bist eine ganz tolle Schwester! Weißt du das schon?“, brauste Mathilda auf und wurde rot im Gesicht.
„Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als du mich wegen den Kritzeleien im Bandenbuch verdächtigt hast?“, schoss Annemieke genauso scharf zurück.
„Das tut mir auch leid!“, sagte Mathilda und versuchte besonnener zu klingen.
„Es fällt dir reichlich früh ein, dich bei mir zu entschuldigen“, sagte Annemieke spitz und wandte sich wieder ihren lakierten Zehennägeln zu. Wütend schlug Mathilda die Tür hinter sich und rannte durch das Wohnzimmer auf den Flur.
„Was ist denn hier los?“, fragte ihr Vater verwundert, der seine Tochter selten so wütend erlebt hatte.
„Ich hatte Streit mit Annemieke“, erwiderte sie kurz angebunden und machte auf dem Absatz kehrt.
„Aber so heftig?“, bemerkte ihr Vater und runzelte die Stirn. Mathilda nickte und ging schweigend in ihr Zimmer. Gedankenverloren starrte sie einige Minuten aus ihrem Fenster. Sie hasste Streit generell und ganz besonders mit ihrem eigenen Zwilling. Sie gingen seit fast drei Wochen wieder zur Schule und seit zwei Wochen war sie mit ihrem eigenen Zwilling zerstritten. Was konnte es Schlimmeres geben als das? Einen Moment lang betete sie, dass Gott dafür sorgen könnte, dass sie sich wieder vertragen und dass alles so sein könnte wie früher. Schnell verlor sie den Glauben, dass es überhaupt wieder besser werden könnte und malte melancholisch Kringel und Vierecke auf ein leeres Blatt Papier.
Am darauffolgenden Nachmittag unternahm Mathilda den nächsten Anlauf auf ihre Schwester zu zugehen. Die Zwillinge saßen beide zusammen im Wohnzimmer und lasen in ihren Jugendzeitschriften.
„Weißt du, wir haben beide nächste Woche Geburtstag“, begann Mathilda stockend, aber Annemieke reagierte nicht. Einen Moment später setzte sie erneut an, doch von ihrem Zwilling kam immer noch keine Reaktion. Nun hatte es Mathilda endgültig satt.
„Hallo, ich rede mit dir!“, versuchte sie Annemieke die Zeitung wegzunehmen.
„Lass mich gefälligst in Ruhe“, fauchte ihr Zwilling. „Ich habe bereits mit Teresia und unseren gemeinsamen Freundinnen eine coole Übernachtungsparty geplant. Da Teresia dich nicht sehen will, feiern wir bei ihr.“
Mathilda blieb die Spucke weg und musste sich einen Moment lang wieder fangen.
„Jetzt sei doch mal vernünftig! Wir sind Zwillinge und bald ist unser Geburtstag. Das wird der schlimmste Geburtstag unseres Lebens, wenn wir immer noch so zerstritten sind und außerdem halte ich es nicht länger aus, wenn wir nicht mehr miteinander reden. Unser gegenseitiges Geschweige frisst mich langsam auf!“, rief Mathilda laut.
„Zum Glück muss ich mir meinen Geburtstag nicht mit dir teilen, wobei wir schon viel zu viel miteinander teilen müssen. Ich komme super auch ein paar Wochen ohne dich aus“, entgegnete Annemieke schnippisch.
„Mit dir kann man wirklich nicht reden. Du bist einfach so bescheuert!“, explodierte Mathilda und gab ihrer Schwester eine heftige Backpfeife.
„Das sage ich gleich Mama, wenn sie wieder kommt“, hielt sich Annemieke die Wange. Dann lief diese auf die Terrasse und setzte sich auf die Hollywoodschaukel. Mathilda öffnete die Tür zur Terrasse und überlegte, ob sie sich entschuldigen sollte. Sie konnte ihre Zwillingsschwester deutlich schluchzen hören, aber diesmal wollte sie sich nicht auf der Stelle entschuldigen. Annemieke hatte sie gerade ebenfalls derbe verletzt.
„Heul doch!“, zischte sie verächtlich und drehte sich auf der Türschwelle wieder um.
Oben in ihrem Zimmer setzte sich Mathilda an die Mathehausaufaufgaben, um sich ein wenig abzulenken, was ihr wenig gelang. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie die ganzen Fotos von sich und ihrer Zwillingsschwester anschaute, die an der Wand hingen.
„Warum? Warum müssen wir nur so lange zerstritten sein?“, dachte sie voller Kummer und gerade war der Schmerz, der sich seit Tagen in ihre Seele gefressen hatte, nicht aushaltbar. In dem Moment kullerte ihr eine Träne von ihrer Wange mitten auf ihr Matheheft und vermischte sich mit der Tinte ihres Füllers. Die Neun, die sie gerade hingeschrieben hatte, war nicht mehr zu erkennen. Sie klappte das Heft zu und setzte sich auf ihr Bett. Es hatte keinen Zweck die Tränen zurück zu halten. Viel zu oft musste sie sich in letzter Zeit das Weinen verkneifen und jetzt musste es einfach mal raus. Es interessierte zum Glück niemanden, dass sie leise unter der Decke weinte und davon Notiz nahm. Es war auch niemand da, der sie fragte, was sie hatte. Es graute ihr schon vor ihrem Geburtstag. Wahrscheinlich würde dies der allerschlimmste Geburtstag ihres Lebens werden. Dabei hatte sie sich auf eine lustige Party mit ihrer Bande im Wohnwagen gefreut. Nun hatten Teresia und der schlimme Streit zwischen ihrer Schwester alles kaputt gemacht. Am besten plante sie erstmal keine Geburtstagsparty und beschloss wenn, dann nur Kiki zum Kakaotrinken einzuladen.
Später fiel ihr ein, dass sie heute an der Reihe war, die Kaninchen zu versorgen und fuhr rasch zum Schrebergarten. Dort angekommen waren ihre Augen immer noch ganz gerötet und verquollen.
„Hallo, grüß dich!“, winkte ihr Josephine zu, die vor dem Gartentor ihres eigenen Gartens stand.
„Hallo Josephine!“, grüßte Mathilda niedergeschlagen zurück und zerpflückte gedankenverloren einen Löwenzahn in ihrer Hand.
„Du siehst gar nicht glücklich aus. Was ist nur los mit dir?“, sah die ältere Dame sie besorgt an.
„Ach, nicht der Rede wert!“, versuchte Mathilda so gleichgültig wie möglich zu klingen.
„Ich muss nur die Kaninchen versorgen“, sagte sie nach einer kurzen Pause, bevor Josephine zu einem neuen Satz anheben konnte.
„Ich sehe doch, dass es dir ganz und gar nicht gut geht, mein Kind. Lass uns in meinen Garten gehen, dort habe ich noch geernteten Salat und Karotten, die euren Kaninchen munden werden“, forderte Josephine sie auf. Mathilda folgte ihr in ihren Garten und dort setzten sie sich auf eine weiße Holzbank neben dem Holzschuppen.
„Nun erzähl mir ganz, was dich bedrückt, aber natürlich nur, wenn du willst“, begann ihre Schrebergartennachbarin.
Mathilda musste sich einen Augenblick sammeln, um überhaupt vernünftig sprechen zu können. Dann brach die ganze Geschichte mit dem Streit zwischen ihr und ihrer Schwester aus ihr heraus.
„Und das Schlimmste ist, dass wir bald Geburtstag haben und Annemieke ohne mich feiern wird. Sie plant eine Party, bei der sie mich nicht dabeihaben will. Noch nie waren wir an einem unserer Geburtstage so zerstritten, dass wir uns noch nicht mal in die Augen schauen konnten. Wenn wir uns nicht bis dahin wieder vertragen haben, steht mir der schlimmste Geburtstag aller Zeiten bevor“, liefen Mathilda am Ende ihrer Erzählung wieder die Tränen über die Wangen und sank mit dem Oberkörper nach vorne. Mitfühlend legte ihr Josephine die Hand auf den Rücken.
„Weine ruhig, dann geht es dir besser“, sagte die ältere Dame einfühlsam.
„Ich hasse es! Ich heule momentan echt oft und verkomme schon zu einer Heulsuse“, ärgerte sich Mathilda über ihren Gefühlsausbruch, den sie nicht kontrollieren konnte.
„Du brauchst dich für deine Gefühle nicht rechtfertigen. Es ist völlig normal, dass du in so einer Situation weinst. Schließlich belastet dich dieser Streit sehr und ich weiß, wie nah dir deine Schwester steht“, tröstete Josephine sie.
„Weißt du, Annemieke lässt mich überhaupt nicht mehr an sich heran. Was kann ich nur tun?“, schniefte Mathilda.
„Manchmal hilft nur Warten“, meinte ihre Schrebergartenfreundin nur.
„Na toll, ich warte schon Tage, besser gesagt zwei Wochen!“, rief Mathilda gereizt. Sie klang wütender und unbeherrschter, als sie beabsichtigt hatte.
„Glaub mir, es gibt Dinge, die brauchen Zeit“, redete Josephine weiterhin beruhigend auf sie ein. „Deine Schwester wird sicherlich merken, dass ihr euch gegenseitig braucht und bestimmt vermisst sie auch die Harmonie zwischen euch beiden. Ich weiß, wie es ist, eine Schwester zu haben, mit der man sich zanken kann. Ich hatte selbst eine jüngere Schwester, mit der ich mich häufiger gestritten und danach wieder vertragen habe. Ich hatte einmal fast fünf Jahre keinen Kontakt zu ihr, weil sie mit einem Alkoholiker verheiratet war und keinen Rat von mir annehmen wollte. Unsere Beziehung wurde erst wieder besser, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Trotzdem habe ich mich nicht für alles entschuldigt, was ich ihr im Streit an den Kopf geworfen habe. Nun ist meine Schwester vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Vielleicht hört sie mich noch im Himmel, wenn ich abends zu ihr spreche. Ich mache mir immer noch Vorwürfe, dass ich manchmal ziemlich rechthaberisch ihr gegenüber war.“
In Mathildas Augen brannten wieder Tränen. Alleine der Gedanke, dass ihrer Schwester etwas zustieß oder diese nicht mehr lebte, ließ sie erschaudern.
„Ich glaube, fest daran, dass es sich zwischen dir und Annemieke wieder einrenkt. Aber gebt euch gegenseitig die Zeit dazu“, berührte Josephine ihren Unterarm. Mathilda seufzte und hielt ihren Kopf immer noch gesenkt. Dann machte ihr Josephine einen Vorschlag: „Schreibe ihr einen Brief oder gestalte ihr Fotoalbum, wo du die Liebe zu deiner Schwester zum Ausdruck bringst. Du musst es ihr nicht in naher Zukunft geben, aber es wird dir helfen, mit der Situation besser zurecht zu kommen.“
„Die Idee ist gar nicht mal so schlecht“, meinte Mathilda. „Vielleicht bastle ich auch etwas für sie, aber muss es ihr nicht sofort geben,“
Sich Josephine anzuvertrauen, ließ ihr Herz um einige Zentner leichter werden. Einen Moment später rafften sie sich zweit auf, um die Körbe mit dem geernteten Gemüse zu füllen und damit die Kaninchen zu füttern.
„Danke, du bist wunderbar! Für mich bist du gefühlt wie eine dritte Oma“, lächelte Mathilda und verabschiedete sich.
„Danke, das hört man doch gerne“, lachte Josephine kurz auf und verabschiedete sich ebenfalls.
Gerade als Mathilda ihr Fahrrad aufschloss, bimmelte ihr Handy. Es war ihre Mutter, die sich meldete.
„Kommst du gleich nach Hause?", wollte sie wissen.
„Bin in einer Viertelstunde da", erwiderte Mathilda hastig.
„Deine Schwester hat mir erzählt, was vorhin zwischen euch vorgefallen ist", fuhr ihre Mutter fort. „Komm erstmal nach Hause und dann reden wir nach dem Abendessen in Ruhe darüber. Schließlich habt ihr doch übernächstes Wochenende Geburtstag und wir wollen diesen gemeinsam mit der ganzen Familie feiern."
Wenigstens klang ihre Mutter nicht wütend oder vorwerfend. Deswegen löste sich Mathildas Anspannung ein Stück weit, als sich sich auf ihr Fahrrad schwang. Aber ein wenig mulmig war ihr immer noch. Wie würde ihre Schwester sie gleich empfangen?
Beim nächsten Treffen der Theater-AG wurde die Rollenverteilung für das Musical bekannt gegeben. Alleine fünf Mädchen hatten letzte Woche für die Hauptrolle vorgesprochen, darunter auch Mathilda, Annemieke und Teresia.
„Silvia, Anton und ich haben entschieden, dass Annemieke das Dornröschen spielt. Sie hat unserer Meinung am meisten überzeugt“, gab Herr Michels am Anfang der Stunde bekannt. Mathilda spürte einen leichten Stich, aber wenigstens spielte nicht Teresia die Hauptrolle. Mathilda schaute zu Teresia hinüber, sie war gespannt wie Teresia darauf reagierte, dass ihre neue beste Freundin ihr die Hauptrolle weggeschnappt hatte. Weder lächelte sie noch schaute sie grimmig drein, aber sie kniff ihre Augen etwas zusammen. Herr Michels las die Liste mit der Rollenbesetzung vor.
„Heute werden wir beginnen die Tanzszenen zu proben und dafür ist Silvia zuständig“, sagte er und überließ einer jungen dunkelhaarigen Frau das Feld.
„Hallo, mein Name ist Silvia Burdova, ich bin 30 Jahre alt und Tänzerin beim Städtischen Theater“, stellte sie sich kurz vor. „Lasst uns nicht lange reden, sondern sofort beginnen.“
Die Theatergruppe stellte sich in mehreren Reihen hintereinander auf.
„Wir beginnen zuerst mit dem Aufwärmen“, fuhr Silvia fort und demonstrierte die erste Übung, die bei ihr ziemlich leicht aussah. Die Schüler versuchten ihr es nachzumachen, aber es war nicht so einfach wie es aussah. Mathilda hatte das Gefühl, dass sich ihre Beine verknoten würden. Bei Emily und Aylin sah es nicht viel besser aus.
„Oh man, wenn ich mich jetzt schon so blöd anstelle, wie wird es aussehen, wenn ich tanze“, wisperte Mathilda leise in Emilys Richtung.
„Bei mir wird es nicht besser aussehen“, erwiderte Emily.
„Hey, Ruhe jetzt!“, rief Silvia. „Konzentriert euch lieber auf die Übungen!“
Die nächsten Übungen wurden noch schwieriger, Mathilda taten bereits jetzt die Gelenke vom vielen Dehnen weh. Jetzt versuchte Silvia den Schüler eine Abfolge von Bewegungen zu zeigen. Emily und Mathilda vergaßen die Bewegungsabfolge schnell wieder. Beide fingen an zu lachen, als sie beide zur gleichen Zeit das Gleichgewicht verloren und sich gegenseitig festhalten mussten. Sie mussten noch mehr lachen.
„Es reicht! Wer beim Tanzen herumalbert, wird nie viel Erfolg haben, es zu lernen. Entweder ihr macht ernsthaft mit oder ihr könnt euch hinsetzen“, ermahnte Silvia die Mädchen.
Mathilda und Emily rissen sich zusammen und bemühten sich die Schrittfolge richtig einzuhalten. Es klappte zwar besser als gerade eben, aber es sah trotzdem ein wenig unbehände und steif aus.
„Aus mir wird nie eine Tänzerin“, dachte Mathilda bei sich und verlor fast wieder ihr Gleichgewicht. Sie beobachtete ihre Schwester, die auch nicht viel zustande brachte.
„Wenigstens macht es Annemieke nicht besser als ich!“, dachte sie zufrieden. Kiki währenddessen war sehr gelenkig wie eine Katze und meisterte die Übungen mit Bravour. Aber mit Üben und Anstrengung meisterte auch Mathilda die Übungen immer besser.
„Das sieht doch schon mal viel besser aus, als vorher“, lobte Silvia Mathilda. „Wer den Willen hat Tanzen zu lernen, der lernt es auch.“
Nun wurde zu Musik getanzt, obwohl sie den Tanz erst heute gelernt hatten, sah es schon relativ gut aus. Nur einmal kam Mathilda leicht aus dem Takt.
„Sehr gut gemacht!“, lobte Silvia. „Nun nähert sich unsere erste Übungseinheit dem Ende. Ich hätte nie gedacht, dass ich aus euch innerhalb von zwei Schulstunden Tänzer machen könnte. Ich verspreche euch, beim nächsten Mal werdet ihr noch besser sein.“
Am Ende der Stunde verließ Teresia nur mit Katja den Raum und ließ Annemieke alleine stehen. Annemieke war deutlich anzusehen, dass sie verdutzt, aber gleichzeitig auch ein wenig verletzt war. Sie hakte sich stattdessen bei Fianna ein und ging mit ihr nach draußen.
„Mathilda, Teresia scheint doch eifersüchtig auf deine Schwester zu sein“, wisperte Aylin. „Ich habe gesehen, dass sie ohne Annemieke abgedampft ist.“
„Na und?“, erwiderte Mathilda achselzuckend. „Mir doch egal, was sich zwischen den beiden abspielt. Aber wer der anderen nichts gönnt, die ist keine gute Freundin.“
„Das finde ich auch. Ich war noch nie richtig neidisch auf meine Freundin. Wer aus Neid eine Freundschaft beendet, der ist richtig kindisch“, fand Kiki.
Nachmittags ging Mathilda mit Elias und seinem Hund Duffy im Park spazieren. Elias hatte sein Longboard dabei und zeigte Mathilda ein paar Tricks.
„Wie läuft es zwischen dir und deiner Zwillingsschwester? Seid ihr immer noch zerstritten?“, fragte er interessiert, als sie eine kurze Pause machten.
„Genauso wie vorher: Manchmal motzen wir uns an und gehen uns sonst aus dem Weg“, antwortete Mathilda schulterzuckend und richtete ihr Cappy.
„Gehören Zwillinge eigentlich nicht zusammen?“, setzte Elias neu an.
„Eigentlich ja, aber jetzt gehen wir verschiedene Wege“, meinte Mathilda, obwohl in diesem Moment stieg eine unbeschreiblich heftige Sehnsucht in ihr hochstieg. Sie sehnte sich in die Zeit zurück, als sie und ihre Schwester ein unzertrennliches Duo waren und ihre Gefühle teilten.
„Manchmal hätte ich auch gerne einen Zwilling“, sagte er. „Ich hätte immer meinem Berater und Helfer zu Seite und könnte meinen Lebensinhalt mit ihm teilen.“
„Das stimmt wohl, aber auf der anderen Seite ist es echt nervig, wenn man mit dem Zwilling über einen Kamm geschoren wird“, versuchte Mathilda ihm zu erklären. „Mich hat es vorher schon genervt, wenn wir für alle Leute gleich waren und sie uns nur die Zwillinge nannten. Wir hatten oft das Gefühl, dass uns die Leute zu ein und derselben Person gemacht haben.“
„Das stelle ich mir auch ziemlich nervig vor“, nickte Elias verständnisvoll.
Im nächsten Moment holte Mathilda ihr Handy aus der Hosentasche und bekam einen kleinen Schreck.
„Alarmstufe Rot!“, hatte ihr Kiki geschrieben und dazu noch zwei verpasste Anrufe: einen von Lotta und einen von ihrer Mutter. Dass ihr Handy nicht geklingelt hatte, lag daran, dass Mathilda ihr Handy auf lautlos gestellt hatte, um einen gechillten Nachmittag auf der Halfpipe verbringen zu können.
„Was ist um Himmels Willen passiert?“, durchfuhr sie ein ängstlicher Gedanke. Dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, spürte sie sofort. Ihr Herz hämmerte ihr gegen die Rippen. Mit zitternden Fingern schrieb sie Kiki zurück: „Was ist los? Warum Alarmstufe Rot?“
Mathildas Magen zog sich krampfhaft zusammen und ihr wurde richtig übel. Etwas Schlimmes scheint passiert zu sein, das war eindeutig. Vor Angst und Aufregung zitternd wartete sie auf die Antwort von Kiki.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte Elias besorgt und legte seinen Arm um sie.
„Ich habe Riesenangst“, brachte sie tonlos hervor, mehr konnte sie nicht sagen. Zwei Minuten später leuchtete Kikis Nachricht auf dem Display auf: „Annemieke liegt schwer verletzt in der Städtischen Klinik, wir treffen uns in einer Viertelstunde dort.“
Mathilda wurde vor Schreck fast ohnmächtig und ihre Beine wurden puddingweich, sodass sie sich auf die nächste Bank setzen musste.
„Was ist passiert?“, fragte Elias besorgt.
„Meine Schwester…..“, stotterte sie und konnte nicht weiter sprechen.
„Darf ich die Antwort lesen, die dir deine Freundin geschickt hat?“, fragte er. Mathilda gab ihm wortlos ihr Handy.
„Ich weiß, dass ist sehr schlimm für dich, wenn die eigene Zwillingsschwester verunglückt ist. Ich werde dich zum Krankenhaus begleiten“, tröstete er sie. Mathilda erwachte aus ihrer Schockstarre und fing an hemmungslos zu weinen. Elias berührte sie seicht am Unterarm und versuchte sie zu beruhigen.
„Ich bereue es, dass ich mich so mit Annemieke gefetzt habe“, schluchzte sie.
„Dafür brauchst du dich nicht zu rechtfertigen“, meinte Elias. „Ich denke, alle Geschwister streiten sich. Ich habe auch manchmal Streit mit meinem kleinen Bruder.“
Niedergeschlagen gingen sie zur nächsten Bushaltestelle und nahmen den nächsten Bus, der zum Krankenhaus fuhr.
Im Foyer der Städtischen Klinik warteten bereits Fianna, Kiki, Emily, Lotta und ihre Eltern. Aylin kam kurz nach ihr in das Wartezimmer gerauscht.
„Setzt dich ruhig hin, Liebes!“, sagte ihre Mutter und nahm ihre Hand, als sie sich hinsetzten.
„Was ist passiert?“, fragte Mathilda mit belegter Stimme, als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte.
„Sie hat sich bei einem Sturz den linken Arm gebrochen, eine Rippenprellung und eine heftige Gehirnerschütterung zugezogen“, erzählte ihre Mutter.
„Ich kann dir genau erzählen, wie es passiert ist“, sagte Lotta, die nun vor Mathilda und ihren Eltern stand. „Teresia und ihre Freunde haben uns zu einer gefährlichen Mutprobe aufgefordert, damit wir feste Mitglieder in ihrer angesagten Clique werden. Teresia behauptete gegenüber uns, dass sie schon die Mutprobe absolviert hätten, als wir nicht da waren. Annemieke und wurden aufgefordert, eine steile Wand am Steinbruch hoch zu klettern. Ich habe mich geweigert und bin ein Stückchen von ihnen weggegangen. Annemieke wollte mir zeigen, dass sie sich mehr zutraut als ich und ist die Felsenwand hochgeklettert. Ich habe sie zuvor gewarnt, dass sie es nicht tun sollte, aber sie hat nicht auf mich gehört. In etwa drei bis vier Metern Höhe hat sie den Halt verloren und ist in die Tiefe gestürzt. Ich habe gesehen, wie sie bewusstlos auf dem Boden lag und ich habe sofort den Rettungswagen gerufen.“
In Mathilda braute sich eine unfassbar große Wut zusammen, sodass ihr wieder Tränen in die Augen schossen.
„Warum hast du sie nicht davon abgehalten?", warf sie Lotta vor und ging so nah an sie heran, dass ihre Gesichter sich fast berührten. „Warum hast du nur blöd daneben gestanden und nichts gemacht? Warum?"
Das letzte Wort hatte sie Lotta fast schon entgegen geschrien, sodass diese erschrocken zurückwich.
„Ich konnte nicht ahnen, dass dies passieren wird", jammerte Lotta niedergeschlagen.
„Das hättest du dir doch denken können", hielt Mathilda ihr weiterhin vor. Dann wandte sie sich rasch von Lotta ab. Wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen, aber diesmal vor Enttäuschung.
„Mattimaus, Annemieke wird es bald wieder besser gehen“, tröstete ihre Mutter sie und streichelte ihr beruhigend über den Rücken.
„Ich will zu ihr und zwar jetzt“, sagte Mathilda mit stockender Stimme.
„Das können wir gleich, aber erst wenn der Arzt sein Okay gibt“, meinte ihre Mutter.
Es war erlaubt, dass nur drei Personen gleichzeitig das Krankenzimmer betreten durften. Die Bandenmädchen einigten sich darauf, dass Mathilda und ihre Eltern zuerst Annemieke besuchen durften.
„Sie können Ihre Tochter jetzt besuchen kommen“, sagte eine Krankenschwester zu ihren Eltern. „Sie liegt auf der Kinderstation im Raum 212. Sie müssen mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage fahren und sich rechts halten.“
Kiki und Emily begleiteten Mathilda trotzdem zum Krankenzimmer und hakten sich bei ihr unter, während der Rest im Foyer wartete. Zu dritt betraten sie das Krankenzimmer. Annemieke war wach und versuchte sich im Bett aufzusetzen, als sie ihre Familie sah.
„Hey Micky!“, begrüßte Mathilda ihre Schwester herzlich und schüttelte ihre gesunde Hand. Mit einem Turbanverband auf dem Kopf und einem Gipsarm sah ihre Schwester schon etwas fremd aus, aber es war immer noch ihr eigener Zwilling.
„Wie geht es dir, mein Liebling?“, fragte ihre Mutter.
„Schon besser, aber mein Schädel brummt immer noch höllisch“, antwortete Annemieke und fügte hinzu: „Ich sollte besser keine Steinwände mehr hochklettern. Das war echt dumm und gefährlich.“
„Es tut mir leid, dass wir uns so gestritten habe“, entschuldigte sich Mathilda bei ihrer Schwester. „Ich schäme mich im Nachhinein, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe. Ich war echt nicht nett."
„Nein, ich sollte mich schämen, aber nicht du“, unterbrach Annemieke sie. „Ich habe dich links liegen gelassen und dich somit verletzt. Aber in Zukunft werde ich dir genauso viel Achtung schenken wie Teresia. Ihr seid mir beide sehr wichtig, obwohl du für mich noch wichtiger bist, da du meine Zwillingsschwester bist.“
Mathilda war mehr als erleichtert, dass die Eiszeit zwischen ihnen beendet war, der ganze Streit hatte sie in letzter Zeit ziemlich belastet und unglücklich gemacht. Als die Zwillinge in ein Gespräch verwickelt waren, war die Besucherzeit wieder vorbei und sie mussten gehen. Sie ließen Annemieke noch eine Packung Cookies da und verließen den Raum.
Nach dem Abendessen klingelte es an der Haustür, es waren Fianna und Lotta. Mathildas Vater, der vor ihr an Tür war, öffnete sie.
„Guten Abend, Herr ter Stegen! Wir sind gekommen, um mit Mathilda zu sprechen“, sagte Lotta.
„Ich bin schon da!“, rief Mathilda und drängelte sich an ihrem Vater vorbei. Zu dritt gingen setzten sie sich in Mathildas Zimmer. Mathilda eilte noch mal schnell in die Küche, um eine Flasche Limonade und drei Becher zu holen.
„Uns ist es sehr suspekt, dass Teresia und ihre Freunde uns auf einmal zu Mutproben zwingen wollten“, begann Lotta und holte tief Luft. „Ich habe im Verdacht, dass Teresia irgendwie neidisch auf Micky und mich ist, da wir beide sehr gute Rollen für das Musical bekommen haben.“
„Wir können erst den Verdacht bestätigen, wenn wir mehr wissen“, meldete sich Fianna zu Wort. „Wir hängen uns an Teresia und ihre Freunde dran und spionieren sie aus.“
„Fianna war nicht dabei, als der Unfall passierte“, erzählte Lotta. „Ich habe sie kurz danach angerufen und sie war wirklich ziemlich geschockt.“
„Ich habe Kiki angerufen und sie hat für die restlichen Bandenmitglieder Alarmstufe Rot ausgerufen“, fuhr Lotta fort und trank einen Schluck.
„Ich habe das Gefühl, dass man es auf uns abgesehen hat und ganz speziell auf uns Zwillinge“, sagte Mathilda mit zusammengekniffenen Augen und war immer noch verletzt, als sie daran dachte.
„Gerade deshalb werden wir Teresias Clique in den nächsten Tagen ausspionieren“, redete Fianna weiter. „Es muss wohl einen Grund gehabt haben, weshalb sie Micky und Lotta zu einer lebensgefährlichen Mutprobe gezwungen haben. Zuvor waren Annemieke und Teresia beste Freundinnen gewesen.“
„Ich kann mich zu Teresia in den Pausen dazustellen und mit meinem Smartphone heimlich die Gespräche aufnehmen“, schlug Lotta vor.
„Wisst ihr eigentlich, wer mich dauernd anonym beleidigt?“, fragte Mathilda ihre beiden Freundinnen und wechselte somit das Thema.
„Ihr habt doch bestimmt gesehen, dass heute Morgen jemand „Mathilda ist eine fette Kuh“ geschrieben an die Tafel hat oder?“, fuhr sie kurz darauf fort.
„Das haben wir gesehen“, nickte Fianna. „Sowas ist echt fies! Aber ich kann dir sagen, dass es weder Teresia noch jemand anderes von uns gewesen ist.“
„Wer könnte es denn sonst gewesen sein?“, grübelte Mathilda. „Jemand muss es wohl auf mich abgesehen haben.“
„Wir haben mitbekommen, dass du gestern anonym auf Zetteln beleidigt worden bist, die überall in der Pausenhalle aushingen“, sagte Lotta.
„Kannst du uns die Zettel noch mal zeigen?“, fragte Fianna. Mathilda zog die Zettel aus der Hosentasche und händigte sie Lotta aus.
„Ich habe die Handschriften von Teresia und Katja dabei“, Fianna zog ihrerseits ein Blatt Papier aus ihrer Hosentasche.
„Ihre Handschriften passen gar nicht zu den Beleidigungen auf den Zetteln“, stellte Mathilda erstaunt fest. „Oh man, ich stand die ganze Zeit auf dem Schlauch und habe fest daran geglaubt, dass es Teresia gewesen ist.“
„Ich wette eher, dass es Jolanda oder Saskia gewesen sind“, vermutete Lotta.
„Ausgeschlossen!“, schüttelte Mathilda den Kopf. „Ich habe den Eindruck, dass Jolanda und ihre Freundinnen eigentlich ganz ok sind.“
„Kann ich unser Bandenbuch sehen?“, bat Lotta.
„Leider nein, Aylin hat es“, schüttelte Mathilda den Kopf.
In der Nacht träumte Mathilda, dass sie und ihre Schwester von einem Dämon verfolgt wurden, der versuchte ihnen einen Fluch abzuhängen. Schweißgebadet wachte sie aus und drehte sich auf die andere Seite.
„Annemieke?“, flüsterte sie angsterfüllt, doch niemand antwortete ihr. Erst jetzt fiel ihr ein, dass ihre Zwillingsschwester im Krankenhaus lag. Hellwach lag sie in ihrem Bett und konnte nicht mehr einschlafen. Eine innere Unruhe machte sich in ihr breit, sodass sie das Gefühl hatte, auf der Hut sein zu müssen.
„Glaub nicht diesen Unsinn!“, sagte sie leise zu sich selber, aber es half wenig. Mit jeder anonymen Beleidigung mehr, hatte sie das Gefühl, dass eine bestimmte Person hinter ihr her war. Alleine gestern musste sie wieder zwei Zettel mit Beleidigungen von der Wand reißen.
Mathilda zog sich ihre Hausschuhe an und ging in die Küche, um sich eine Tasse Baldrian Tee zu machen. Die Küchenuhr zeigte gerade mal fünf Minuten nach Vier an. Draußen war es immer noch stockduster. Als sie ihren Tee schlürfte, sah eine Katze mit grünen leuchtenden Augen im Garten herumstreunen.
„Ich wäre auch gerne eine Katze, die sich geräuschlos anpirschen und gut verstecken könnte“, dachte Mathilda sehnsüchtig. Nachdem sie ihren Tee ausgetrunken hatte, ging sie wieder in ihr Zimmer und kuschelte sich wieder in ihre Bettdecke. Einschlafen konnte sie trotzdem nicht, weil sie ihre Schwester vermisste. Normalerweise hörte sie Annemieke auf der anderen Seite des Zimmers leise atmen, aber nun war es beängstigend still.
Annemieke blieb noch zwei Tage im Krankenhaus, aber es ging ihr von Tag zu Tag besser. Mathilda ging alleine zur Schule und besuchte ihre Schwester jeden Nachmittag. Die Roten Tulpen versuchten währenddessen heraus zu finden, wer das Bandenbuch beschmutzt und Mathilda beleidigt hatte. Sie wollten es nicht auf sich sitzen lassen, dass ihnen übel mitgespielt wurde. Morgens vor der ersten Stunde kam Jakob auf Mathilda und Kiki zu.
„Ich weiß, wer dich beleidigt“, sagte er zu Mathilda. „Ich habe gesehen, wie Anja kurz in den Klassenraum gehuscht ist, um ihren Erdkundeatlas zu holen und danach stand die Beleidigung an der Tafel.“
„Ich habe nie gedacht, dass Anja zu sowas fähig ist“, sagte Kiki kühl.
„Wenn sie es wirklich gewesen ist, drehe ich ihr den Hals um“, zischte Mathilda und wurde rot vor Zorn.
„Wir vermuten, dass sie es war, aber wir können es noch nicht bestätigen, dass sie es war. Wir brauchen ganz dringend einen Beweis“, wurde sie von Kiki gebremst.
„Wenn ihr die Handschriften unserer Mitschüler vergleicht, werdet ihr denjenigen schon finden“, meinte Jakob. „Ihr könnt heute nach der sechsten Stunde im Klassenraum bleiben, da Herr Meier eh nie abschließt.“
In der ersten großen Pause fragte Mathilda Lotta auf der Schultoilette, ob sie etwas Neues über die Mutprobe wüsste.
„Teresia hat sich noch nicht über die Mutprobe geäußert“, schüttelte Lotta den Kopf. „Aber ich weiß, dass sie Annemieke gestern im Krankenhaus besucht und ihr Nagellack geschenkt hatte.“
Mathilda spürte ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Hingen ihre Schwester und diese Ziege immer noch so eng zusammen? Hatte Annemieke immer noch nicht verstanden, dass ihr Teresia übel mitgespielt hatte oder wollte sie dies einfach nicht wahrhaben? Die sich stets drehende Gedankenspirale verhinderte, dass Mathilda in den nächsten Stunden noch etwas vom Unterricht mitbekam.
„Soll ich dir ein Ungenügend für die heutige Doppelstunde geben?", wurde sie von Herr Meyer in der letzten Stunde getadelt.
Nach Schulschluss warteten Kiki, Fianna und Mathilda vor dem Klassenraum bis kein Schüler und kein Lehrer mehr zu sehen war. Leise schlichen sie in den Klassenraum zurück und schlossen die Tür hinter sich. Kiki steuerte auf den Schrank zu und legte die Vokabelhefte auf einen Tisch. Jedes der drei Mädchen baute einen Stapel vor sich auf und schaute die Hefte durch.
„Jolanda, Saskia, Jule, Pauline und Sven können es nicht gewesen sein“, sagte Fianna und nahm ein weiteres Heft vom Stapel.
„Ich habe den Übeltäter auch noch nicht gefunden“, murmelte Mathilda und klappte das nächste Heft auf. „Von den Jungen wird es bestimmt keiner gewesen sein, aber was sollten sie schon gegen mich haben?“
„Ich hab’s!“, zischte Kiki plötzlich. „Es war doch Anja, genauso wie wir vermutet haben!“
Mathilda und Fianna beugten sich rechts und links von Kiki über das Heft.
„Das ist genau die gleiche Schrift“, bemerkte Mathilda und ihre Miene verfinsterte sich. „Die falsche Schlange, ich werde sie killen und am nächsten Fahnenmast aufhängen!“
Kiki holte das Bandenbuch aus der Tasche, welches Aylin ihr vorhin gegeben hatte.
„Die Kritzeleien sind identisch mit Anjas Handschrift!“, wisperte Mathilda.
„Wir müssen Anja morgen zusammen zur Rede stellen“, sagte Kiki entschlossen. „Am besten noch vor der ersten Stunde.“
„Wir werden ihr zeigen, dass man mit uns nicht alles machen kann“, wurde Mathildas Blick fest wie ein Stein.
Am nächsten Morgen gab es für Anja keinen freundlichen Empfang. Die Bandenmädchen schafften es, sie vor dem Schulgebäude abzufangen und bildeten einen Kreis um sie. Anja war anzusehen, dass sie Angst hatte. Offenbar war ihr nicht entgangen, dass die Roten Tulpen ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hatten.
„Hey, was ist denn los?“, fragte Anja irritiert und versuchte sich zwischen Lotta und Aylin durchzudrängeln.
„Halt, stehen geblieben!“, rief Mathilda barsch und packte die verängstigte Klassenkamderadin an den Schultern. „Du kannst nicht einfach so abhauen!"
„Was wollt ihr von mir?“, fragte Anja noch verunsicherter, wobei ihre Stimme leicht bebte.
„Das weißt du doch am allerbesten!“, fuhr Kiki Anja böse von der Seite an.
„Was sagst du dazu?“, fragte Mathilda und klang ziemlich bedrohlich. Sie hielt Anja die Zettel mit den Beleidigungen und das beschmutzte Bandenbuch hin. Aus Anjas Gesicht war mittlerweile jede Farbe gewichen, sie fühlte sich offensichtlich ertappt.
„Ich wollte unbedingt zu eurer Bande dazugehören, weil ich unbedingt Freundinnen haben wollte, aber ihr wolltet nichts von mir wissen und habt mich immer weggescheucht. Vor Wut habe ich euer Bandenbuch aus Aylins Tasche genommen, es verunstaltet und dann in den Müll geworfen“, gestand Anja zu der Überraschung der Mädchen offen und ehrlich.
„Was kannst du zu den Beleidigungen mir gegenüber sagen?“, bedrängte Mathilda das bleiche Mädchen.
„Ich war wütend auf dich, weil du mich immer wieder blöd angemacht hast und mich weggescheucht hast“, sagte Anja und fügte leise hinzu: „Es tut mir echt leid!“
„Haha, das wird dir noch leid tun, du alte Jammersuse!“, blaffte Mathilda. „Weißt du was, ich finde deine hinterhältige Art echt abartig und unerträglich. Du kannst echt froh sein, dass wir das nicht Frau Schellhardt stecken.“
„Ich weiß, aber ich wollte nur meine Wut rauslassen“, schniefte Anja und fing bitterlich an zu weinen.
„Wir wollten dir eine Chance geben, aber du hast alles, was du von uns wusstest an Teresia weiter erzählt“, meldete sich Kiki zu Wort. „Ich habe dir erzählt, dass mein Vater ein Sinti ist und du hast es in der ganzen Klasse erzählt. Ich war so enttäuscht, dass ich dir nicht vertrauen konnte.“
„Ich weiß, Teresia hat mir ihre Freundschaft angeboten hat, wenn ich ihr alles erzähle, was ich erfahre“, schluchzte Anja auf.
„Hast du nicht gemerkt, dass Teresia dich ausnutzt?“, fragte Emily.
„Das war mir egal, aber ich wollte nicht ohne Freunde dastehen. Ich bin neu hier und habe niemanden, wirklich niemanden!“, heulte Anja und wischte sich mit einem Taschentuch ihre Krokodilstränen weg.
„Hör endlich auf zu heulen, dass zeigt, dass du noch ein Baby bist und in den Kindergarten gehörst!“, warf Mathilda Anja an den Kopf. Sofort hörte Anja auf zu weinen und putze sich geräuschvoll die Nase.
„Ich will mich dafür entschuldigen, was ich getan habe. Ich weiß, dass ich eine falsche Schlange war“, sagte sie niedergeschlagen. „Und nun kann ich mich nicht mehr bei euch sehen lassen, auch wenn ihr mir nicht den Kopf abgerissen habt."
„Wenigstens siehst ein, dass du Fehler gemacht hast und entschuldigst dich. Ich verzeihe dir, aber wir werden bestimmt keine guten Freundinnen mehr werden“, meinte Mathilda und ihre Stimme klang wieder freundlicher und milder. Es klingelte zur ersten Stunde und die Mädchen gingen zu ihrem Klassenzimmer, Anja alleine und die Roten Tulpen zusammen.
Mathilda war rundum zufrieden und schnatterte heimlich mit Emily, die zwei Plätze entfernt von ihr saß.
„Emily und Mathilda, wenn ihr nicht sofort aufhört euch zu unterhalten, setze ich euch vor die Tür und ihr könntet eine Strafarbeit machen“, ermahnte Herr Heinen, ihr Englischlehrer, die beiden Mädchen streng. Sofort waren sie ruhig und folgten dem Unterricht. Auf eine extra Strafarbeit konnten sie bei den vielen Hausaufgaben getrost verzichten. Die Doppelstunde Englisch zog lang wie ein Kaugummi hin. Im letzen Schuljahr hatte Mathilda eine Vier mit einem dicken Minus auf dem Zeugnis, aber sie hatte ihren Eltern fest versprochen, sich zu verbessern. Eigentlich war sie genauso pfiffig wie ihre Zwillingsschwester, aber sie war oft zu faul, um die Vokabeln und die Grammatik zu pauken. Sie hatte schon richtig Bammel vor der nächsten Englischklassenarbeit, die in drei Wochen geschrieben werden sollte. Herr Heinen hatte bereits angekündigt, dass bei der nächsten Arbeit eine Textanalyse drankommen wird und bei dem Gedanken daran wurde Mathilda ganz anders.
Zwei Tage vor Mathildas Geburtstag, kam Annemieke wieder zur Schule. Lotta, Emily und die anderen Bandenmädchen empfingen sie freundschaftlich und unterschrieben auf ihrem Gips.
„Da Annemieke einen Gips trägt, kann man euch jetzt noch besser auseinander halten“, meinte Jannis und ging grinsend an ihnen vorbei.
„Nicht nur das, Annemieke hat ihre Haare rötlich getönt“, fügte Kiki hinzu. Mathilda sah ihrer Schwester an, dass sie verwundert war, als Teresia einfach an ihr vorbei ging und sie nicht begrüßte.
„Hi Tessie!“, winkte Annemieke Teresia mit ihrer gesunden Hand zu, als sie kurz vor ihr stehen blieb und stattdessen Katja zur Begrüßung umarmte.
„Hallo!“, erwiderte Teresia kurzangebunden und wandte sich wieder Katja zu. Auch Mathilda wunderte sich. Warum war Teresia plötzlich so kühl zu ihrer Schwester? Freute sie sich nicht, dass sie endlich wieder zur Schule kam? Teresia machte noch nicht mal Anstalten auf ihrem Gips zu unterschreiben.
„Komm doch wieder zu uns“, sagte Mathilda und zog ihre Schwester am gesunden Arm zu sich rüber.
„Warum ist Teresia so abweisend zu mir?“, fragte Annemieke bedrückt.
„Reg dich nicht über die dumme Kuh auf!“, versuchte ihr Zwilling sie zu beruhigen.
„Doch sie ist aber meine Freundin!“, widersprach ihr Annemieke. Mathilda schüttelte innerlich den Kopf, aber sie hatte keine Lust wieder einen Streit mit ihrer Schwester anzufangen, nachdem sie sich vor kurzem wieder vertragen hatten. Kurzentschlossen hakte sie Annemieke bei sich unter und zog sie wieder in Richtung Klassenzimmertür.
Am Anfang der großen Pause ging Annemieke zum Lehrerzimmer, um Kreide zu holen. Mathilda, Emily, Kiki und Aylin setzten sich auf die Tischtennisplatte und ließen ihre Beine schaukeln. Einige Minuten später kamen Lotta und Fianna aufgeregt auf sie zu gerannt.
„Wir haben den Beweis!“, keuchte Fianna triumphierend.
„Was denn?“, fragten ihre Freundinnen überrascht.
„Teresia hat die Mutprobe strategisch geplant, um an allererster Stelle Annemieke für das Musical aus dem Rennen zu werfen. Nur damit sie selbst die Hauptrolle kriegt. Teresia und die anderen haben diese beschissene Mutprobe nicht absolviert, obwohl sie immer vorgeben haben, erfolgreich an der Felsenwand hochgeklettert zu sein“, fuhr Fianna fort. „Lotta hat alles das, was Teresia und ihre Freunde gesagt haben, mit ihrem Handy aufgenommen.“
Lotta spielte ihre Handyaufnahmen ihren Freundinnen vor und die Mienen der Mädchen wurden bitterböse.
„Ich habe doch gewusst, dass Teresia Annemieke aus dem Verkehr ziehen wollte“, regte sich Mathilda auf und kickte wütend einen Kieselstein weg. „Es war klar, dass die Freundschaft nur so lange hält, bis Annemieke für sie zur Konkurrenz wird. Diese Glamourzicken haben noch nie gelernt, zurück zu stecken und zu teilen.“
„Teresia wird heute nach der Schule ihr blaues Wunder erleben!“, prophezeite Kiki und ihre schwarzen Augen glänzten bedrohlich.
„Wir werden sie noch heftiger auseinander nehmen als Anja“, meinte Mathilda. „Anja ist nur ein Wickelkind, aber Teresia braucht es eindeutig härter."
„Wo ist eigentlich deine Schwester?“, fragte Aylin.
„Ich glaube, sie wollte Kreide holen“, sagte Emily.
„Da kommt sie schon!“, wisperte Fianna. Annemieke steuerte alleine auf sie zu.
„Na, was gibt es?“, fragte sie ihre Freundinnen und strahle dabei gutgelaunt.
„Micky, komm mal her, wir müssen dir etwas sagen“, begann Mathilda ernst. „Wir haben den Hintergrund zu der gefährlichen Mutprobe heraus bekommen. Teresia wollte dich aus dem Weg haben, damit sie die Hauptrolle im Musical spielen kann.“
„Aber das kann doch gar nicht sein!“, rief Annemieke entrüstet. „Sie hat mich im Krankenhaus besucht und hat mir versprochen, dass wir weiterhin gute Freundinnen bleiben.“
„Wenn du es nicht glauben willst, hör selber. Ich habe das ganze Gespräch mit meinem Smartphone aufgenommen“, meinte Lotta und fing an ihre Tonaufnahme vorzuspielen. Annemieke entglitten all ihre Gesichtszüge. Dann wurde sie kreidebleich um die Nase und schließlich füllten sich ihre Augen mit dicken Tränen. Noch bevor die Tonaufnahme zuende war, rannte sie schnell davon und verlor dabei ihren goldenen Armreif, der zu Boden rollte und neben dem Mülleimer liegen blieb.
„Micky!“, riefen ihre Freundinnen im Chor. „Hey, warte auf uns! Annemieke, bleib stehen!“
Im nächsten Moment klingelte es zum Pausenende. Mit einem beklemmenden Gefühl steuerte Mathilda mit Kiki auf die Schultür zu und hob den Armreif ihrer Schwester auf.
In der dritten Stunde hatten sie Mathe bei Frau Schellhardt. Die Klassenlehrerin ging schnell die Anwesendheitsliste durch und natürlich fiel auf, dass Annemieke fehlte.
„Mathilda, weißt du wo deine Schwester ist?“, fragte sie.
„Annemieke hat sich gerade eben mit heftigen Bauchschmerzen in das Krankenzimmer gelegt“, erfand Mathilda eine passende Ausrede.
„Magst du eben nach ihr schauen, ob es ihr besser geht?“, bat Frau Schellhardt.
„Das kann ich machen“, nickte Mathilda und huschte aus dem Klassenraum. Sie schlich die Gänge entlang und schaute in der Pausenhalle nach.
„Annemieke!“, wisperte sie leise. Hoffentlich war ihre Schwester nicht einfach so abgehauen, sonst würde es riesigen Ärger geben. Ohne die vielen Schüler, war es in den Gängen gespenstisch ruhig und das Ticken der Schuluhr war nicht zu überhören.
„Annemieke könnte sich auf der Toilette versteckt haben“, kam ihr der Gedanke.
Leise schlich sie zurück und öffnete die Tür zur Mädchentoilette und als hätte sie es fast geahnt, hörte sie jemanden leise schluchzen und schniefen.
„Annemieke!“, flüsterte sie leise. Nur ein Schluchzer antwortete ihr.
„Hey Micky, antworte mir doch mal!“, rief Mathilda lauter und schaute unter der Toilettentür durch, ob es wirklich ihre Schwester war. Tatsächlich! Es waren Annemiekes Sandalen.
„Annemieke mach auf, sonst hole ich dich raus!“, drohte Mathilda und klopfte mit der Faust gegen die Tür. Wieder antwortete ihr ein leises Weinen und heftiges Geschniefe. Mathilda verlor beinahe die Geduld und bollerte mit beiden Fäusten gegen die Tür.
„Ich mach gleich schon auf!“, sagte ihre Zwillingsschwester mit dünner Stimme und schluchzte erneut.
„Na gut, lass dir einen Moment Zeit!“, meinte Mathilda beruhigend. Nach ein paar Minuten öffnete Annemieke die Tür und stand mit rot geweinten Augen vor ihrer Zwillingsschwester. Die Tränen hatten zusammen mit Wimperntusche und Eyeliner ein wirres, schwarzes Muster auf ihr pausbäckiges Gesicht gemalt. Mathilda nahm sie tröstend in den Arm und hatte auch einige Tränen in den Augen.
„Ich hätte nie gedacht, dass Teresia so falsch zu mir ist“, schniefte Annemieke und fuhr mit klarer, wütender Stimme fort: „Sie hat mir ein paar Wochen perfekte Freundschaft vorgespielt und dann sowas. Ich war so dumm, dass ich ihr vertraut habe und dafür euch im Stich gelassen habe. Wegen mir hätten sich die Roten Tulpen beinahe aufgelöst. Ich glaube, ich bin eine total schlechte Freundin und habe eigentlich gar keine Freundinnen verdient.“
„Du bist gar keine schlechte Freundin, sondern eine sehr gute sogar“, meinte Mathilda ernst. „Ich kenne niemanden, der so warm im Herzen und einfühlsam bist wie du. Ich wünschte, ich wäre nicht so barsch und kiebig zu anderen Menschen. Manchmal wünsche ich mir, dass ich genauso lieb und geduldig sein könnte wie du.“
Annemieke wischte sich ihre Tränen weg und schaffte es ein kleines Lächeln über ihre Lippen zu bringen.
„Teresia war keine echte Freundin, wenn sie es nicht haben kann, dass du die Hauptrolle bei Dornröschen spielst. Aber du hast immerhin uns, wir freuen uns mit dir, dass du Dornröschen spielst. Nach der Schule fangen wir Teresia ab und machen ihr die Hölle heiß“, sagte Mathilda aufmunternd. Dabei ballte sie ihre rechte Hand zur Faust und schlug sich damit auf die Innenseite ihrer anderen Hand.
„Da bin ich dabei!“, pflichtete ihr ihre Schwester bei. „Ich will dieser intriganten Zicke sagen, was ich von ihr halte.“
Grinsend sahen sich die Zwillinge an und plötzlich mussten sie laut lachen. Im nächsten Moment hielt Annemieke ihr Gesicht unter den Wasserhahn.
„Sehe ich okay aus?“, fragte sie ihre Schwester. „Du bist zwar noch etwas rot, aber es geht“, erwiderte Mathilda. „Wir müssen jetzt zurück in den Unterricht, sonst wundert sich Frau Schellhardt, wo wir bleiben.“
Sie nahm Annemieke bei der Hand als sie die Toilette verließen. Auf dem Flur sahen sie sich wieder grinsend an und kicherten dabei. Was war das für ein tolles Gefühl nach einer endlosen Ewigkeit wieder gemeinsam zu lachen.
Nach der sechsten Stunde schlüpften die Mitglieder der Roten Tulpen als erstes aus dem Klassenraum und versammelten sich vor dem Haupteingang. Endlich kam Teresia, auf die sie gewartet hatten.
„Komm mit!“, sagte Mathilda streng zu ihr und griff sie am Handgelenk.
„He, was soll dieses Kinderspiel?“, fragte Teresia empört.
„Du sollst einfach nur mitkommen, Teresia“, wiederholte Mathilda eine Spur barscher.
„Ich verstehe nicht, warum ich mitkommen soll“, sah Teresia die Bandenmädchen mit großen Augen an und fragte pikiert: „Warum behandelt ihr mich wie einen Sträfling?"
„Wir wollen mit dir reden“, meinte Kiki.
„Ich will gar nicht mit euch reden, ich habe überhaupt keine Zeit“, sagte die hochnäsige Blondine wütend und versuchte sich loszureißen.
„Du glaubt wohl nicht, dass du dich einfach so verkrümeln kannst“, rief Fianna aufbrausend und hielt Teresias rechten Arm fest.
„Hast du Angst vor uns? Leider hast du deine Freunde nicht dabei, aber sonst hast du doch auch immer so eine große Klappe“, spottete Emily. Lotta und Kiki packten Teresia an den Schultern und schoben sie hinter ein Gebüsch. Sofort bildeten die Bandenmädchen einen Kreis um Teresia, die aussah, als würde sie gleich platzen.
„Was soll das? Ich muss los, mein Chauffeur wartet auf mich und ich lasse ihn ungern warten“, giftete sie die Mädchen an, wobei zornige Blitze aus ihren perfekt geschminkten Augen Blitze schossen.
„Von mir aus, kann dein Chauffeur sich noch eine ganze Weile lang die Beine in den Bauch stehen“, höhnte Mathilda.
„Kommen wir zum Wesentlichen, Teresia!", baute sich Kiki vor ihr auf. „Du hast Annemieke zu einer gefährlichen Mutprobe überredet, damit du sie außer Gefecht setzen kannst und nur weil du neidisch auf sie bist, da sie die Hauptrolle bekommen hat. Was bist du nur für eine falsche Schlange! Wärst du eine richtige Freundin, dann hättest du Micky die Hauptrolle gegönnt. Aber du kannst offensichtlich keine ehrliche und gute Freundin sein.“
Teresia schnappte nach Luft und zum ersten Mal sah ihr Mathilda an, dass sie nicht wusste, was dem entgegensetzen konnte.
„Hätte ich gewusst wie falsch und hinterhältig du bist, hätte ich mich nie im Leben mit dir angefreundet. Ich bereue es deine Freundin gewesen zu sein, wenn du mich im Endeffekt schachmatt setzen wolltest“, sagte Annemieke kühl und starrte Teresia geradlinig in die kalten blauen Augen, in denen sich Tränen sammelten.
„Eigentlich mochte dich sehr gerne, Micky! Aber ich war neidisch auf dich und deine Schwester, weil ihr Zwillinge seid und so ein enges Verhältnis habt. Ich habe mich bewusst zwischen euch gedrängt, weil ich auch eine allerbeste Freundin haben wollte, mit der ich mein Leben teilen kann. Außerdem war ich wirklich eifersüchtig, weil du die Hauptrolle bekommen hast. Ich habe noch nie eine Hauptrolle bekommen, wenn ich in einem Film mitgespielt habe. Im Endeffekt ist es ziemlich mies, dass ich dich mit einer blöden Mutprobe in Lebensgefahr gebracht habe“, gestand Teresia reuevoll und musste die Tränen unterdrücken.
Mathilda und Annemieke wussten nicht, inwieweit sie Teresia vertrauen konnte, schließlich war dieses Mädchen eine Schauspielerin und konnte ihnen ihre Reue vorgetäuscht haben. Die Mitglieder der Roten Tulpen sahen sie immer noch finster an.
„Du kannst erst gehen, wenn du dich bei meiner Schwester entschuldigt hast“, sagte Mathilda streng.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich dich zu einer Mutprobe überredet habe", sagte Teresia kleinlaut und gab Annemieke die Hand. Ich schäme mich im Nachhinein dafür, dass ich dich außer Gefecht setzen wollte. Nimmst du die Entschuldigung an?“
„Ich nehme die Entschuldigung an, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, deine Freundin zu sein“, erwiderte Annemieke kühl. „Ich habe meine Bandenfreundinnen, die mich nicht hängen lassen.“
Die Roten Tulpen konnten ihr ansehen, dass es ein herber Schlag für Teresia war. Gerade als sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, drehte sich Teresia schnell weg.
„Du kannst von mir aus gehen, dein Chauffeur ist nicht amüsiert, wenn er so lange auf dich warten muss“, rief ihr Mathilda laut hinterher. Noch niemand von den Roten Tulpen hatte dieses Mädchen so lammfromm erlebt wie jetzt. Mit eiligen Schritten rauschte die blonde Diva auf ihren hochhackigen Sandaletten davon. Jannis, Sven und Max kamen auf die Mädchen zu, als Teresia fort war.
„Wow, ihr habt der Tussi ganz schön die Meinung gegeigt!“, lobte Max. „Das hat sie sich aber alle Male verdient, so wie sie gemeint hat, über die Klasse zu herrschen.“
„Dann werdet ihr Teresia in Zukunft keine Pausenbrote mehr kaufen oder ihr die Tasche hinterher tragen“, musste Mathilda lachen.
„Das kann sie fein selber machen“, nickte Jannis. „Wir sind nicht ihre Diener.“
„Wenn ihr Teresia und Katja die Taschen getragen habt, dann könnt ihr gerne unsere Taschen tragen“, grinste Mathilda breit.
„Haha, das hättet ihr wohl gerne!“, erwiderte Sven und verdrehte die Augen.
„Habt ihr es geschafft die eingebildete Diva mundtot zu machen?“, fragte Lennart, der sich erst gerade eben zu der Gruppe gesellt hatte.
„Sie hat sich sogar bei Annemieke entschuldigt“, erzählte Lotta den Piranhas.
„Ich mir nicht sicher, ob sie die Entschuldung vorgespielt hat“, bemerkte Mathilda. „Bestimmt kann sie sich gut verstellen und weint jetzt extradicke Krokodilstränen.“
„Mir ist das egal, mit Teresia habe ich abgeschlossen“, meinte Annemieke. Die Zwillinge waren so glücklich wie seit einigen Wochen nicht mehr, nun waren der Streit beseitigt und die gemeinen Intrigen aufgedeckt.
Am frühen Abend trafen sich die Mädchen spontan am Wohnwagen. Es war schon mindestens ein paar Wochen her, dass sie das letzte Mal zusammen hier gewesen waren. Annemieke brachte sogar einen selbstgebackenen Rosinenkuchen und eine große Packung Ostfriesentee mit. Sogar die Kaninchen freuten sich, als sie von den Mädchen aus dem Stall geholt und gestreichelt wurden.
„So muss ein Nachmittag immer sein“, dachte Mathilda zufrieden und ließ sich von der Sonne ihre Nase kitzeln. Zwar hatten die Freundinnen noch einige Hausaufgaben zu erledigen, aber zuerst musste es gefeiert werden, dass die Bande wieder richtig zusammen gefunden hatte.
„Ich will endlich diese blöde rote Haarfarbe loswerden“, sagte Annemieke zu ihren Bandenschwestern.
„Dann musst du sie ziemlich oft waschen, aber die meiste Farbe ist schon raus gewaschen“, meinte Mathilda.
„Dir stehen immer noch deine hellblonden Naturlocken am besten, Annemieke“, fand Emily.
„Ich kann euch eins sagen, ich färbe nie wieder meine Haare in so einem hässlichen karottenrot“, prophezeite Annemieke ihren Freundinnen.
„Feiert ihr euren Geburtstag?“, fragte Kiki.
„Wir haben noch nichts geplant“, sagten die Zwillinge gleichzeitig. Ihre Freundinnen waren sehr überrascht, Mathildas Geburtstag war schon übermorgen und Annemieke hatte am Sonntag Geburtstag.
„Guten Morgen, Geburtstagskind, alles Gute!“, rief Annemieke und rüttelte ihre Schwester wach. Mathilda gähnte und drehte sich wieder auf die Seite.
„Heute ist dein Geburtstag!“, zischte ihre Schwester. „Warum stehst du nicht auf?“
„Es ist gerade mal zwanzig nach acht! Bitte lass mich noch einen Moment schlafen“, stöhnte Mathilda und zog ihre Decke wieder bis zum Kinn.
„Ich will endlich, dass du mein Geschenk siehst!“, hörte Annemieke nicht auf zu betteln und schaffte es, dass Mathilda grummelnd aufstand.
„Augen zu! Ich führe dich dorthin“, befahl Annemieke und nahm ihre Schwester an der Hand. An der Wand neben der Zimmertür hing ein großer Bilderrahmen in Herzform.
„Wow!“, entfuhr es Mathilda mit weit geöffneten Augen. „Das ist unser ganzes Leben.“
„Das sind genau vierzehn Photos“, nickte ihre Schwester und fuhr fort: „Auf diesem Bild sind wir Babys, auf dem Nächsten kommen in den Kindergarten, hier werden wir eingeschult und dort sind wir gerade umgezogen. Auf dem letzten Bild sind wir in Italien.“
„Du bist genial, Schwesterherz!“, rief Mathilda und umarmte ihre Schwester vor Freude.
Erschrocken fiel ihr ein, dass sie noch kein Geschenk für Annemieke hatte. Als sie sich bis vor kurzem gestritten hatten, hatte sie nie im Leben daran gedacht, dass sie ihren Geburtstag mit ihrer Schwester feiern würde.
„Is was?", sah Annemieke sie verwundert an.
„Em...", machte Mathilda erst nur und sagte dann: „Ich dachte nicht, dass wir pünktlich zu unserem Geburtstag wieder best Sisters sind."
„Das hätte ich auch nicht gedacht", erwiderte ihre Schwester. „Aber zum Glück ist es nun so gekommen."
„Ich habe gar kein Geschenk für dich", gestand Mathilda kleinlaut.
„Ich habe doch erst morgen Geburtstag und an deinem Geschenk habe ich bis in die Nacht hinein gesessen", meinte Annemieke. Im nächsten Moment hörten sie die Stimme ihres Vater, der sie zum Frühstück rief. In ihrem Nachthemden sausten die Zwillingsschwestern die Treppe hinunter.
Es gab ein großes Geburtstagsfrühstück mit Rührei, warmen Kakao, Zimt-Milchreis, warmen Brötchen und Obstmüsli. Mathilda hatte bald das Gefühl, dass sie platzen wird, wenn sie nicht aufhört zu essen. Erst als der Tisch leer geräumt war, fing sie an die ersten Geschenke auszupacken. Von ihren Großeltern bekam sie Geld und eine silberne Armbanduhr geschenkt.
„Lies mal den Brief von Oma vor“, bat Annemieke.
„Liebe Mathilda! Wir wünschen dir alles Gute zum 14. Geburtstag. Nun bist du schon ein großes Mädchen und deshalb schenken wir dir eine silberner Uhr, die du zu jedem Outfit tragen kannst. Wir wünschen dir einen schönen Tag mit deiner Zwillingsschwester, deiner Familie und deinen Freunden. Genieß den Tag und komm wieder für ein Wochenende vorbei! Viele Grüße Oma und Opa!“, las Mathilda vor. Der Brief der anderen Großeltern war auf Niederländisch und sie ihr schenkten einen Gutschein.
„Willst du nicht die anderen Päckchen auspacken?“, fragte ihre Mutter.
„Ich lass mir Zeit, so kann ich mich länger darauf freuen, was da drin ist“, murmelte Mathilda und packte in Zeitlupe ein Buch aus.
„Früher warst du ganz anders, da hast du das Geschenkpapier regelrecht in Fetzen gerissen“, grinste ihre Mutter.
„Tja, auch ich werde älter und auch ein bisschen geduldiger", zwinkerte ihr Mathilda zu.
„Du und geduldig?", sah Annemieke zu neckisch an. „Das ist ungefähr so, als ob Weihnachtsmann und Osterhase gemeinsame Sache machen."
Darauf mussten sie und ihre Eltern herzlich lachen, worauf Mathilda ihnen kurz eine freche Grimasse schnitt.
Nachdem sie alle Geschenk ausgepackt hatte, fuhr Mathilda mit ihrem Fahrrad in die Stadt. Sie brauchte unbedingt ein Geschenk für ihre Schwester, die zum Glück erst morgen Geburtstag hatte. Leider war Mathilda nicht so kreativ wie ihr Zwilling, aber dafür hatte sie immer den richtigen Riecher, was sie Annemieke schenken konnte. Sie schaute zuerst in einem Modegeschäft nach Halstücher und Armbänder, aber sie fand keines, was Annemieke wirklich gefallen könnte. Stattdessen ging sie lieber in die Läden der Seitengasse der urigen Altstadt und wurde dort sehr schnell fündig. Sie entschied sich für einen hübschen Träumfänger und für ein Packet Duftkerzen mit Apfel- und Zimtduft, denn Annemieke liebte alles, was mit Gemütlichkeit zu tun hatte. An der Kasse erlebte sie die nächste Überraschung als es nicht "Dein", sondern "Ihr Bon?" hieß.
„Kaum bin ich 14, werde ich zum ersten Mal gesiezt", schoss es Mathilda durch den Kopf und prompt fiel es ihr ein, dass sie sich erst beim letzten Bandentreffen darüber unterhalten hatten. Lotta hatte erzählt, dass sie auf dem Flug nach Teneriffa von der Stewardess gesiezt und ein Glas Sekt angeboten bekam. Daraufhin hatte Emily erwiderte, dass sie in den letzten Monate beim Einkaufen und im Restaurant hin und wieder mit "Sie" angesprochen wurde.
Es war bereits Mittag. Schnell fuhr Mathilda mit dem Fahrrad nach Hause, inzwischen war bereits ihre Cousine Maren gekommen, die mit Annemieke in der Küche saß. Ihre Cousine war schon fünfzehn und ging in die zehnte Klasse einer Gesamtschule.
„Alles Gute zum Geburtstag, Cousinchen! Ich gebe dir dein Geschenk erst um Mitternacht, wenn Micky auch ein Jahr älter geworden ist“, begrüßte sie Mathilda mit einer Umarmung. Zu dritt setzten sie sich an den Wohnzimmertisch und spielten ein Gesellschaftsspiel. Mathilda nahm den Geruch von überbackenen Gnocci in Tomatensoße aus der Küche war, ihr neuste Lieblingsgericht und konnte das Mittagessen nicht mehr erwarten.
„Habt ihr eine Party geplant?“, fragte Maren neugierig. „Immerhin seid ihr 14 und das muss einfach ne geile Party geben. Für Kindergeburtstage seid ihr irgendwie schon zu alt."
„Mal sehen“, antwortete Annemieke schulterzuckend, aber als Mathilda sich vom Tisch entfernte, flüsterte sie Maren etwas ins Ohr und sie gingen zu zweit aus dem Zimmer. Seit wann hatten die Beiden bitte Geheimnisse vor ihr?
Nach dem Mittagessen vertiefte sich Mathilda in ihren neuen Krimi, der sie so fesselte, dass sie das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Sie bemerkte nicht, dass ihre Schwester und Maren aus dem Haus gingen. Als sie das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es bereits halb Fünf. Sie stand auf um nach Annemieke und Maren zu gucken, aber das Wohnzimmer war leer.
„Micky und Maren, wo seid ihr?“, rief sie durch das ganze Haus und rannte die Stufen hoch zu ihrem Zimmer. Vielleicht hatten sie sich auf ihr Zimmer verzogen.
„Mama, weißt du wo Annemieke und Maren sind?“, fragte Mathilda beunruhigt.
„Ich habe mitgekommen, dass sie raus gegangen sind“, erwiderte ihre Mutter. „Aber ich weiß nicht wohin und wann sie wieder kommen.“
„Warum gehen sie einfach ohne mich?“, fragte Mathilda enttäuscht und ging mit hängenden Kopf in die Küche. Na toll, sie hatte Geburtstag und hing alleine zuhause rum. Zu allem Überfluss war noch nicht einmal Kiki gekommen, die sie auf Kakao und Kuchen eingeladen hatte.
Auf ihrem Platz fand sie kurz darauf einen Zettel, dem „Mathildas Geburtstag, bitte schaue in deine Schuhe!“ stand. Hochgezogenen Augenbrauen las sie den Zettel und schaute in ihren Schuhen nach. Dort war ein weiterer Zettel, den sie entfalten musste.
„17 Uhr am Wohnwagen: Zieh dir bequeme Sachen an und nimm eine Jacke mit, da es nachher bestimmt kälter wird“, las Mathilda und steckte sich den Zettel und das Geschenk für ihre Schwester ein.
„Wo willst du hin?“, fragte ihr Vater.
„Ich fahre jetzt zum Wohnwagen“, antwortete sie.
„Wie lange bleibt ihr dort?“, wollte er wissen. Mathilda zuckte mit den Schultern: „Kann ich noch nicht sagen.“
„Nimm dein Handy mit, damit du uns bescheid sagen kannst, falls ihr den ganzen Abend dort bleibt“, sagte er.
„Ok, bis später!", rief Mathilda, schlüpfte in ihre Sneaker und huschte aus dem Haus.
Mathilda schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr hastig los. Beinahe wurde sie von einem Rentner umgefahren, der ihr etwas Böses hinterher rief. Mit quietschenden Reifen machte sie vor dem Schrebergarten halt und schloss es ab. Zwar standen einige Fahrräder vor der Hecke, aber es war keine Person zu sehen. Mathilda öffnete leise das Gartentor und betrat den Rasen, jedoch rührte sich nichts.
„Wo können sie nur sein?“, fragte sie sich und schaute um sich. Als sie gerade nach ihrer Schwester rufen wollte, kamen ihre Freundinnen, Annemieke, Maren und sogar Elias aus ihren Verstecken hervor.
„Happy Birthday to you! Happy Birthday to you! Happy Birthday, liebe Matti! Happy Birthday to you”, sangen sie. Nach und nach gratulierten sie ihr.
„Hey, Elias! Woher weißt du, dass ich Geburtstag habe?“, fragte sie erstaunt.
„Ich habe vorhin deine Schwester und deine Cousine getroffen. Sie haben mich gefragt, ob ich Lust hätte bei der Geburtstagsüberraschung mitzumachen und dann bin spontan mit ihnen mitgegangen“, erzählte er.
Lotta und Kiki breiteten große Picknickdecken auf dem Rasen aus und stellten für jede Person Plastikbecher und Teller hin. Emily schenkte jedem entweder Tee oder Limonade ein. Aylin trug einen gigantischen Geburtstagskuchen mit vierzehn roten Kerzen heran. Die Zwillinge rissen vor Staunen die Augen auf.
„Ist der Kuchen nur für Matti oder auch für mich?“, fragte Annemieke vorsichtig.
„Eine Hälfte für dich und die andere Hälfte ist für deine Schwester. Aber deine Hälfte essen wir erst nach Mitternacht, weil du jetzt noch nicht Geburtstag hast“, erklärte Aylin und schnitt den Kuchen an.
„Hey, ich muss erstmal die Kerzen auspusten!“, rief Mathilda und holte tief Luft. Beim ersten Versuch schaffte sie es alle Kerzen bis auf eine auszupusten, aber trotzdem klatschten ihre Freunde.
„Matti, bist du mit Elias zusammen?“, stupste Lotta sie neugierig an.
„Nein", schüttelte Mathilda den Kopf und fügte hinzu: „Aber wir sind ziemlich gute Freunde."
„Außerdem habe ich seit einer Woche eine Freundin“, fügte Elias hinzu. „Sie heißt Franziska und hat auch eine Zwillingsschwester, die Patricia heißt.“
„Was für ein lustiger Zufall“, grinste Fianna.
„Ich würde sie auch echt gerne kennen“, meinte Annemieke. „Zwar sind Fianna und Tom auch Zwillinge, aber ich würde mega gerne ein anderes eineiiges Zwillingspaar kennen lernen.“
„Ich kann sie euch Montag in der Schule zeigen“, schlug Elias vor. „Ich wette sind freuen sich auch, ein anderes Zwillingspaar kennen zu lernen.“
Am frühen Abend bahnte sich noch mehr Besuch an.
„Hey, ihr Bandenmädchen, Lasst ihr uns auch rein?“, riefen die Piranhas, die aus heiterem Himmel aufgetaucht waren und vor dem Gartentor standen.
„Sollen wir sie wirklich reinlassen?“, fragte Lotta halblaut und auch Kiki schien sich nicht sicher zu sein.
„Wir waren gerade bei Michis Oma und wollen nun den Zwillingen auch gratulieren!“, rief Michael. Annemieke öffnete ihnen das Gartentor.
„Alles Gute zum Geburtstag!“, gratulierte Jannis zuerst.
„Haha, ich bin Annemieke und nicht Mathilda“, lachte sie. „Ich habe erst morgen Geburtstag. Wenn du jemanden gratulieren willst, dann meiner Schwester.“
Jannis wurde etwas rot im Gesicht.
„Jannis, du Idiot! Wie kannst du sie nur verwechseln? Das war Annemieke, sie hat erst morgen Geburtstag! Man kann die Zwillinge jetzt gut auseinander halten, weil Annemieke einen Gips trägt!“, zischte Sven. „Schau mal, da ist das richtige Geburtstagskind.“
„Herzlichen Glückwunsch, Geburtstagskind!“, sagte Jannis und gab Mathilda die Hand.
„Natürlich haben wir euch auch etwas mitgebracht“, meldete sich Lennart zu Wort.
„Ist das Päckchen nur für mich oder für uns beide?“, fragte Mathilda.
„Es ist für euch beide, obwohl bestimmt eure ganze Bande daran Freude haben wird“, sagte Jannis.
„Ich werde es trotzdem erst um Mitternacht auspacken, sonst ist das unfair gegenüber meiner Schwester“, meinte sie und versteckte das Geschenk im Wohnwagen.
„Wollt ihr eine Abkühlung?“, fragte Ömer und zückte seine Wasserpistole. Kreischend liefen die Mädchen durch den Garten, während die Jungs sie gnadenlos nass spritzten. Mathilda und Fianna fanden zum Glück im Wohnwagen eine angerissene Packung Wasserbomben und drei kleinere Wasserpistolen. Nun war eine richtige Wasserschlacht im Gange, die Mädchen schossen mit prallgefüllten Wasserbomben zurück. Sven und Jannis bekamen gleich mehrere Geschosse von Mathilda ab, die nun laut lachend Jagd mit ihrer Wasserpistole auf Jannis machte. Als Piranhaboss ließ er sich das nicht bieten und hielt Mathilda fest. Bald kugelten sich beide lachend auf dem Boden und versuchten sich gegenseitig im Schwitzkasten festzuhalten. Es wurde ein großer Kreis um sie gebildet.
„Matti, Matti, Matti!“, riefen die Mädchen und die Jungen feuerten ihren Bandenboss mit ohrenbetäubenden Schlachtrufen an. Elias war der Schiedsrichter, der darauf achtete, dass es fair zuging.
„Es steht unentschieden“, beendete Elias den Kampf nach drei Minuten. Beide Kontrahenten saßen keuchend und mit hochrotem Kopf auf dem Boden und sahen zu ihren Freunden hinauf.
„Gut gekämpft, Bandengirl!“, bemerkte Jannis anerkennend. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich fast in Schwierigkeiten gebracht hast, aber nur fast.“
Mathilda fühlte sich geschmeichelt als Sven ihr einen Highfive gab und anerkennend meinte: „Noch ein bisschen Kampftraining und du kannst dich zur MMA-Kämpferin ausbilden lassen."
Im nächsten Augenblick griffen Emily und Lotta nach Mathildas Händen und zogen sie hoch.
„Leute, Oma ist da!“, sagte Michael plötzlich und rannte zum Gartentor.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!, gratulierte Josephine Mathilda. „Ich habe zufällig von meinem Enkel mitbekommen, dass du vierzehn geworden bist. Wo ist deine Schwester, ihr muss ich auch noch alles Gute wünschen.“
„Meine Schwester hat erst morgen Geburtstag!“, erwiderte Mathilda lächelnd.
„Ich bin gekommen, um euch ein Geschenk und etwas für die Party vorbei zu bringen“, sagte ihre alte Schrebergartennachbarin. „Das Geschenk könnt ihr nachher auspacken und ich bin mir sicher, ihr mögt alle Tiramisu!“
„Vielen Dank, Josephine!“, rief sie außer sich vor Freude. „Magst du noch ein Stück Kuchen essen?“
Mathilda schnitt Josephine ein Stück von dem großen Geburtstagskuchen ab und reichte ihr den Teller. Die Zwillinge setzten sich neben sie auf die Decke und unterhielten sich freundlich.
„Ich habe gehört, ihr hättet euch wochenlang gestritten?“, fragte Josephine ungläubig. „Das kann ich mir bei euch gar nicht vorstellen. Ihr seid gerade wie ein Herz und eine Seele.“
„Doch wir haben uns wegen einer neuen Mitschülerin gestritten, die mir meine Schwester ausspannen wollte“, erzählte Mathilda. „Sie hing immer mit Annemieke ab und wollte von mir nichts wissen.“
„Ich war leider so blöd und habe mich mit Teresia angefreundet“, ergänzte ihre Zwillingsschwester und erzählte die ganze Geschichte mit der Mutprobe.
„Es gibt leider einige unmögliche Leute und dieses Mädchen gehört zu denen“, schüttelte Josephine den Kopf.
„Wir gehen eben etwas besorgen!“, rief Jannis. „Kiki und Lotta, könnt ihr uns beim Transportieren helfen?“
„Klar doch!“, nickte Lotta.
„Ich helfe euch auch, wenn ihr noch eine Person braucht!“, bot Elias an.
„Wo wollt ihr hin?“, fragte Mathilda irritiert.
„Sagen wir nicht, das ist eine Überraschung“, meinte Sven. Wenig später war zu hören, wie sie mit ihren Rädern davon fuhren.
„Wenn ihr wollt, können wir in meinen Garten gehen und ich zeige euch meine reifen Früchte“, sagte Josephine zu den Mädchen, die noch da waren.
„So viele reife Kirschen habe ich noch nie auf einen Baum gesehen!“, staunte Maren.
„Unser Kirschbaum hatte fast genauso viele Kirschen, aber wir haben ihn bereits vor einigen Wochen abgeerntet“, erzählte Mathilda. „Annemieke, Emily und Aylin haben damit entweder einen Kirschkuchen gebacken oder daraus Marmelade gekocht.“
Josephine führte sie weiter zu ihren Himbeerbüschen, an denen viele dunkelrote Himbeeren hingen.
„Wenn ihr wollt, dann könnt ihr Welche pflücken“, meinte sie und gab den Mädchen einen großen Eimer.
Fianna, Maren und Emily fingen sich an mit Himbeeren voll zu stopfen.
„Hey, ihr wollt doch nicht den ganzen Strauch leer futtern!“, neckte Mathilda ihre Freundinnen.
„Nö, aber sie schmecken gerade so gut“, Fianna steckte sich noch eine Himbeere in den Mund.
„Josephine, unser Eimer ist voll!“, rief Annemieke.
„Bringt ihn her! Dann zeige ich euch noch die Erdbeeren“, meinte die alte Frau.
„Das ist ja noch besser!“, rief Fianna grinsend und ließ zwei Erdbeeren gleichzeitig in ihrem Mund verschwinden.
„Pass auf, dass du dir nicht den Magen verdirbst, Carrot!“, rief Annemieke tadelnd und musste gleichzeitig auch grinsen. Die Mädchen ernteten Erdbeeren, Heidelbeeren, Zwetschgen und ein paar Äpfel, die jetzt schon reif waren. Josephine war sprachlos vor Freude, dass sie ihre Bäume und Büsche abgeerntet bekam, aber es machte den Mädchen Spaß. Neben der Arbeit wurde viel gelacht, erzählt und gescherzt.
„Schaut mal, aus unserem Garten steigen Rauchwolken auf!“, rief Fianna aufgeregt. So schnell sie konnten, rannten die sechs Mädchen wieder zurück in ihren eigenen Garten.
„Puh, zum Glück ist das nur der Grill!“, rief Mathilda und seufzte erleichtert.
„Habt ihr gedacht, wir würden euren Wohnwagen abfackeln?“, bemerkte Jannis spöttisch und legte die ersten Würstchen auf den Grill.
„Haha, sehr witzig!", grummelte Mathilda nur und warf ihm einen scheelen Blick zu. Lotta zündete währenddessen einige Kerzen und Fackeln an, die sie überall im Garten aufgestellt hatte. Fianna und Emily hängten bunte Lampions an eine Leine, die sie zwischen Wohnwagen und Kirschbaum gespannt hatten. Sven holte seine Box aus dem Rucksack und drehte die Musik auf.
„Wir können Cocktails machen?“, schlug Ömer vor. „Der große Junge da hat einen Shaker dabei.“
„Ganz genau und wir haben vorhin noch ein paar Zutaten eingekauft“, nickte Elias.
„Cool, einen Pina Colada mit einem Schuss Rum bitte!“, schnippte Sven mit der Hand.
„Bist du dafür nicht ein bisschen jung?“, runzelte Maren, die Cousine der Zwillinge die Stirn.
„Ich wollte es nur einmal gesagt haben: Wir mixen Cocktails, aber ohne Alkohol!“, bestimmte Elias.
„Ganz genau, sonst torkeln wir noch besinnungslos von unseren Fahrrädern“, kicherte Kiki.
„Weißt du was, wir fangen schon einmal an und mixen uns etwas Tolles!“, sprang Mathilda motiviert auf und half ihrer Schwester auf.
„Yeah, wir machen unseren eigenen Cocktailstand auf!“, jubelte Annemieke.
„Cool, dürfen wir mitmachen?“, fragten Kiki, Lotta und Emily gleichzeitig.
„Das sind mir zu viele Leutis auf einem Haufen, sorry“, lehnte Mathilda ab.
„Aber wir können uns doch abwechseln“, schnitt Lotta ihr das Wort ab.
„Das ist ein Deal“, war Mathilda einverstanden und holte das Crushed Ice aus der Tiefkühlfach.
„Die Cocktailparty kann kommen!“, gaben sich die Zwillinge einen Highfive. Kiki und Lotta räumten einen Gartentisch frei, der nun als Cocktailstand herhalten sollte.
„Wisst ihr was, ich habe eine neue Cocktail-App auf dem Handy“, sagte Lotta zu den Zwillingen. „Ich kann euch genau sagen, was ihr in die Drinks rein tun müsst.“
„Ausgezeichnet!“, schnippte Mathilda mit den Fingern. „Ich habe noch nie in meinem Leben Cocktails gemixt.“
„Dann wird es aber langsam mal Zeit“, fand Emily. An dem Cocktailstand bildete sich eine lange Schlange.
„Da habt ihr aber gut zu tun, Zwillingsmäuse!“, zwinkerte Aylin ihnen zu.
Langsam wurde es dunkel und die Zwillinge saßen beim Essen nebeneinander auf ihrer Decke.
„Ein Glück, dass ihr wieder ein Herz und ein Seele seid“, fand Aylin.
„Oh ja, als ihr euch gestritten habt, fühlte sich das an wie hundert Grad minus am Nordpol“, fügte Kiki hinzu.
„Für mich fühlte es sich wie ein Orkan auf hoher See an“, meinte Emily. „Aber zum Glück haben sich die Wogen geglättet.“
„Für mich war diese Zeit einfach nur fürchterlich“, gestand Mathilda und biss in ihre Bratwurst.
„Wegen diesem blöden Streit haben wir fast vergessen unseren Geburtstag zu feiern“, sagte Annemieke und verdrehte die Augen.
„Gerade deshalb müssen wir die Zwillinge diesen Abend besonders feiern!“, rief Kiki enthusiastisch und stieß mit den anderen Partygästen an.
Plötzlich klingelte bei Mathilda das Handy in der Hosentasche, schnell ging sie hinter den Wohnwagen und nahm den Anruf entgegen.
„Hallo, dit is je vader", meldete sich ihr Vater auf niederländisch und fuhr auf deutsch fort: „Deine Mutter und ich fragen uns, wo ihr bleibt.“
„Wir sind jetzt immer noch mit unseren Freunden im Schrebergarten und essen Bratwürstchen“, erwiderte Mathilda und befürchtete einen Moment lang, dass sie Ärger kriegen könnten.
„Kommt ihr gleich nach Hause?“, hakte ihr Vater nach.
„Bitte Papa, Annemieke will in ihren Geburtstag hineinfeiern und es wäre echt blöd, wenn sie das nicht könnte. Können wir bis Mitternacht bleiben?“, bettelte sie.
„Ich kann eben Mama fragen, was sie dazu meint“, wandte sich ihr Vater kurz ab.
„Aber Mama wird es garantiert erlauben“, redete Mathilda auf ihn ein.
„Mathilda, deine Mutter ist einverstanden, aber wir kommen um kurz vor ein Uhr und holen euch ab. Ist das okay für euch?“, ging ihr Vater wieder an den Hörer.
„Danke Papa, das ist großartig!“, jubelte Mathilda
„Dann wünsche ich euch noch einen tollen Abend! Tschüss!“, verabschiedete sich ihr Vater.
„Tschüss Papa!“, legte Mathilda auf.
Mathilda kehrte wieder zu ihren Freunden zurück.
„Wer war das?“, fragte ihre Zwillingsschwester.
„Ach, es war nur Papa“, antwortete sie. „Er wollte, dass wir gleich nach Hause gehen.“
„Er will doch nicht, dass wir jetzt schon nach Hause gehen! Bis zu meinem Geburtstag sind es nur noch etwas mehr als zwei Stunden“, bemerkte Annemieke enttäuscht und machte ein langes Gesicht.
„Nein, nein! Ich habe ihn dazu überreden können, dass wir bis nach Mitternacht bleiben dürfen, aber er wird uns später abholen“, munterte Mathilda ihre Schwester auf.
„Du bist genial, Zwillingsschatz!“, jubelte Annemieke und schlang von hinten ihre Arme um Mathildas Oberkörper. Max legte einen bekannten Hit auf, nach und nach sprangen die Partygäste auf und fingen an zu tanzen.
„Autsch, mir ist ein Apfel auf den Kopf gefallen!“, rief Ömer laut.
„Ups! Wir haben wohl noch nicht alle Äpfeln geerntet“, sagte Fianna und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Los, tanz mit mir!“, forderte Mathilda ihren Zwilling auf.
„Au, du hast mich gerade an meinem Gipsarm erwischt!“, rief Annemieke mit schmerzverzehrtem Gesicht. Mathilda griff nach Annemiekes gesunden Arm und zog sie mitten in das Getümmel. Die Freunde bemerkten beim Tanzen und Feiern nicht, wie die Stunden vergingen.
Aus dem Nichts stimmte Emily ein Geburtstagsständchen für Annemieke an.
„Was? Ist es schon Mitternacht?“, fragte Kiki schockiert.
„Es ist genau zwei Minuten nach Mitternacht“, las Emily von ihrer Armbanduhr ab.
„Happy Birthday to you! Happy Birthday to you! Happy Birthday, liebe Micky! Happy Birthday to you!”, sangen sie im Chor. Mathilda stürmte als Erste auf ihre Schwester zu und gratulierte ihr herzlich.
„Wollen wir die Zwillinge nicht hochleben lassen?“, schlug ihre Cousine vor.
„Da brauchen wir nur noch zwei Stühle“, rief Kiki und rannte in den Wohnwagen, um welche zu holen. Gleichzeitig wurden die Zwillinge vierzehn Male und ihren Freunden hochgehoben, die laut mitzählten.
„Aaahh, Hilfe!“, schrie Annemieke und fiel von ihrem Stuhl, aber Elias konnte sie gerade noch rechtzeitig vor einem Sturz bewahren.
„Zwei gebrochene Arme zu haben, ist nicht der Sinn einer Geburtstagsfeier zu haben“, bemerkte Emily trocken.
Nun durften die Zwillinge endlich ihre Geschenke auspacken und griffen zuerst das Geschenk der Piranhas.
„Na, wie gefällt euch eure Fahne mit eurem Logo?“, fragte Jannis.
„Danke, ich habe nicht gedacht, dass Jungs wie ihr auf solche guten Ideen kommen“, sagte Annemieke.
„Am besten befestigen wir sie sofort am Wohnwagen“, pflichtete ihr Mathilda bei. Die Zwillinge ließen das große Päckchen ihrer Bandenfreundinnen als Letztes liegen und packten stattdessen das Geschenk von Josephine aus. In dem Päckchen befanden sich zwei gleich aussehende blaue Strickmützen mit ihren Namen.
„Eigentlich ist es für Strickmützen in dieser Jahreszeit zu warm“, fand Mathilda.
„Aber der Herbst wird bald kommen und dann steht der Winter vor der Tür“, sagte ihre Schwester.
„Setzt euch mal die Mützen auf!“, forderte Lotta ihre Freundinnen auf und zückte ihr Smartphone.
„Wow, das sieht echt trendig aus!“, fand Maren. Zum Schluss öffneten die Zwillinge das Geschenk ihrer Bande. Was mochte wohl dort drin sein? Ganz langsam streifte Mathilda das Geschenkpapier ab.
„Nun mach doch etwas schneller oder willst du an Ostern noch hier sitzen und das Geschenk auspacken?“, drängte Annemieke. Mathilda riss das Geschenkpapier ab und stieß einen lauten Freudenschrei aus. Sie hielt zwei T-Shirts in die Luft, auf beiden stand, „M&M – Zwillinge gehören für immer zusammen!“
Das M&M stand für Matti und Micky.
„Das ist richtig genial!“, rief Annemieke. „Tausend Dank dafür, Tulpis!“
Sofort zogen sie sich ihre Zwillings-T-Shirts an.
„M&M passt gut zu euch, aber dann bin ich das dritte M im Bunde“, sagte Maren grinsend.
„Ich habe noch etwas für euch fast hätte ich es vergessen!“, fiel es Kiki ein, griff in ihre Handtasche und holte zwei Paare bunte Federohrringe hervor.
„Wow, sind sie schön gworden!“, vorsichtig betastete Annemieke den bunten Federschmuck. „Wow, sind sie schön gworden! Hast du sie selber gemacht oder gekauft?“
„Ich habe sie selbst gemacht“, erwiderte Kiki. „Ich hoffe sie gefallen euch.“
„Macht sie euch rein! Ich will sehen, wie ihr mit Kikis Indianerohrringen ausseht“, forderte Emily die Zwillinge auf. Annemieke schaffte es problemlos sich die neuen Ohrringe einzufädeln, aber Mathilda brauchte Hilfe von ihre Schwester, da ein Ohrloch bei ihr fast zugewachsen war und der Ohrring durchgestochen werden musste.
„Hey, das sieht klasse aus!“, rief Fianna.
Fianna, Emily und Aylin mussten schon kurz nach Mitternacht nach Hause fahren, aber die anderen Gäste blieben noch etwas länger. Um kurz nach Mitternacht kamen Lottas Eltern, um Lotta, Emily und Kiki abzuholen. Auch die Piranhas machten sich auf den Weg, als Svens Vater am Schrebergarten aufkreuzte.
„Danke, dass ihr hier ward! Es war ein echt schöner Abend mit euch“, rief Annemieke den Jungs hinterher. Einen Moment später erschienen auch ihre Eltern am Gartentor.
„Alles Gute, Liebling!“, gratulierten ihre Eltern und umarmten sie kurz.
„Wie kommt ihr beide nach Hause?“, sah ihre Mutter Fianna und Aylin an.
„Das ist kein Problem. Wir fahren gleich mit dem Fahrrad nach Hause“, meinte Fianna.
„Ihr könnt gerne mit uns fahren", meinte die Mutter der Zwillinge und ergänzte: „Ein Glück, dass wir mit dem großen Auto gekommen sind, in das wir auch zu sechst passen."
„Aber dann müsst ihr zu mir fahren, denn Aylin übernachtet bei mir", sagte Fianna schnell.
Elias verabschiedete sich mit einem Winken von ihnen und machte sich auf dem Weg zu seinem Motorrad. Als die Zwillinge mit ihren Eltern, Maren, Fianna und Aylin im Auto saßen, hatten sie das Gefühl, die beste Geburtstagsfeier ihres Lebens gehabt zu haben.
„Es war bis jetzt der schönste Geburtstag überhaupt“, schwärmte Annemieke.
„Und die beste Zwillingsparty aller Zeiten“, ergänzte Mathilda mit einem breiten Lächeln und fühlte sich in diesem Moment so, als ob das Glück zum Greifen nah war. Es war schade, dass es nicht möglich war, solche glücklichen Momente in ein Weckglas zu sperren und sie wieder bei Bedarf in Erinnerung zu rufen, wenn das Leben mal wieder lauter saure Zitronen in petto hatte. Zur Feier des Tages spielte ihr Vater über das Autoradio laut „Happy birthday" ab, wobei sie ausgelassen mitsangen.
„Auf die fabelhaften Zwillis!", jubelte Maren und Fianna blies in eine Tröte.
„Ich zeig dir mal was", sagte Annemieke, nachdem sie sich die Zähne geputzt und ihre Nachthemden angezogen hatten. Sie machte das große Licht an und führte Mathilda zum Kleiderschrank. Im nächsten Augenblick zog sie ein wunderschönes Kleid am Kleiderbügel heraus.
„Wow!", entfuhr es Mathilda. So ein funkelndes Kleid in Nachtblau hatte sie noch nie zuvor in natura gesehen. Am meisten bestach allerdings der Schnitt, der den Rücken und die Schultern frei ließ. An der Taille glitzerte ein mit weißen und dunkelblauen Strasssteinen besetzter Gürtel.
„Das hast doch nicht gekauft oder?, hakte Mathilda vorsichtig nach, denn das Ballkleid sah so aus, als hätte es einen Preis jenseits von gut und böse gehabt.
„Nein, das hat mir Teresia geschenkt", schüttelte ihr Zwilling den Kopf und fügte hinzu: „Allerdings vor der blöden Mutprobe. Sie hat dieses Kleid auf ihrer vorletzten Premiere getragen."
Mathildas Augen klebten immer noch an dem edlen Kleiderstück. Auf einmal sagte sie: „Das ist wirklich sehr schmal geschnitten. Bist du dir sicher, dass es dir passt?"
„Das ist der springende Punkt", nickte ihre Schwester. „In Größe 34 muss ich mich mehr oder weniger hineinpressen."
„Ach, deswegen hast du nur noch Salat gemampft", ging Mathilda ein Licht auf.
„Es war grässlich", stöhnte Annemieke. „Von Salat, Proteinjoghurt und magerem Fisch wurde ich nie ganz satt, sodass ich abends immer hungrig ins Bett ging. Nach drei Wochen habe ich fast sechs Kilo abgenommen, aber wohl habe ich mich irgendwann nicht mehr gefühlt. Vor allem war ich immer müde."
Mathilda musste kurz schlucken, ehe sie sagte: „Du bist keine Bohnenstange, zumindest von Natur aus. Ich aber auch nicht. Nicht jedes Mädel muss gertenschlank sein."
„Eigentlich wollte ich dieses Kleid bei Teresias kommender Filmpremiere tragen", erzählte Annemieke. „Allerdings hätte ich noch weitere fünf Kilo abnehmen müssen."
„Du bist doch verrückt", sah Mathilda sie kopfschüttelnd an und ihr wurde bei dem Gedanken unwohl, dass Teresia ihre Schwester um ein Haar in eine Essstörung geritten hatte.
„Mach dir keine Sorgen", meinte Annemieke und grinste: „Außerdem sind drei Kilo innerhalb kürzester Zeit wieder draufgekommen."
„Ich glaube, wenn man zu den Roten Tulpen gehört, bleibt man nicht schlank", riss Mathilda eine große Packung Nuss-Toffees auf.
„Doch, wenn man Lotta, Fianna oder Kiki heißt schon", meinte ihre Schwester und angelte eine Tüte Marshmallows aus ihrem Rucksack.
„Die setzen auch nach dem tausensten Stück Torte nicht an", erwiderte Mathilda mit halbvollen Mund.
„Dabei würden Lotta und Fianna gerne ein bisschen zunehmen", sagte ihre Schwester. „Lotta hat mir letztens erzählt, dass Fianna und sie in den Ferien häufiger ein Eis- und Nutella-Wettessen veranstaltet haben."
„Warum ist es so, dass in unserem Alter keine mit dem eigenen Körper zufrieden ist?", dachte Mathilda laut nach.
„Weil im TV, auf Instagram und Tiktok sowie in der Werbung meist nur schlanke Leute mit unrealistischen Proportionen zu sehen sind", gab Annemieke zu Bedenken und öffnete eine Schachtel mit hauchdünnen Schokoladenblättchen, die beide Zwillinge liebten. Zeitgleich griffen sie zu, grinsten sich an und ließen die hauchzarte Schokolade auf der Zunge zergehen. Die feinen Aromen katapultierten Mathilda in den siebten Himmel. Was gab es Besseres als eine nächtliche Süßigkeitenschlacht mit der besten Zwillingsschwester der Welt?
1. Geht Teresia noch in eure Klasse?
Mathilda: Nein, sie hat beschlossen lieber Privatunterricht zu nehmen, weil sie sich nicht mehr wohl bei uns fühlte. Aber wir weinen ihr keine Träne mehr hinterher, weil sie sich den Mist selbst eingebrockt hat.
2. Streitet ihr Zwillinge euch öfter?
Mathilda: Das kommt öfter vor, aber meist necken wir uns nur, bis wir wieder lachen. Aber der Streit vor kurzem war der Heftigste in unserem Leben und ich möchte es nicht noch mal erleben.
3. Wird deine Zwillingsschwester mit einem gebrochenen Arm am Musical teilnehmen?
Mathilda: Ja, sie wird mit einem Gipsarm spielen und das ist gut so. Ich finde sie ist das perfekte Dornröschen und sie spielt diese Rolle am glaubwürdigsten. Hätte Teresia die Hauptrolle gespielt, wäre das Musical eher ein Zickentheater gewesen.
4. Was unterscheidet dich von deinem Zwilling?
Mathilda: Sie ist viel ruhiger und sanfter als ich. Manchmal wünschte ich, dass ich ihre Stärken hätte. Ich bin manchmal zu barsch und werde zu schnell sauer. Micky ist die beste Zuhörerin der Welt und kann Andere sehr trösten, während ich oft zu ungeduldig bin.
5. Bist du neidisch auf eine Person?
Mathilda: Manchmal bin ich neidisch auf Kikis schwarzen Indianerzöpfe. Ich hätte lieber ihre Haare, als meine blonden Locken, aber ich lasse sie mir trotzdem niemals färben. Außerdem kann ich manchmal eifersüchtig auf Annemiekes ruhiges Wesen und auf ihre guten Noten sein. Ansonsten bin ich wenig neidisch auf meine Freundinnen oder auf meine eigene Schwester, weil ich es kindisch finde, vor Eifersucht an die Decke zu gehen.
6. Was ist mit Katja und Anja passiert, nachdem Teresia nicht mehr da ist?
Mathilda: Merkwürdiger Weise haben sich die beiden Mädchen angefreundet, weil sonst keiner mehr mit ihnen zu tun haben wollte. Jetzt verbringen sie ihre Pausen mit Maria, Paula und Carolin aus der Parallelklasse. Ich konnte Anja für die Beleidigungen verzeihen, aber ich mag sie trotzdem nicht besonders leiden.
7. Wie läuft es bei dir in der Schule?
Mathilda: Es geht eigentlich, in den meisten Fächer habe ich mich etwas verbessert, weil ich jetzt mehr für die Schule tue als zuvor. In Englisch habe ich letztens eine Drei plus geschrieben, nachdem ich mit meiner Schwester gelernt habe. In Bio und in Musik habe ich Zweien zurückbekommen und bei der gestrigen Mathearbeit habe ich ein sehr gutes Gefühl. Zwar ist der Stoff schwieriger geworden, aber wir lernen auch als Bande zusammen und so konnten wir uns alle verbessern.
8. Geht deine Schwester wieder zum Reiten und zum Hockey?
Mathilda: Micky hat zum Glück ihre absolute Sportmuffligkeit abgelegt, die ihr Teresia eingetrichtert hatte. Jetzt werden wir beim Hockey die Stadtmeisterschaften gewinnen, wenn wir das nächste Spiel gewinnen. Reiten ist bei uns mehr eine Bandenaktivität, die wir zum Spaß, aber nicht zum Erfolg machen.
9. In ein paar Wochen stehen die Herbstferien an. Habt ihr schon etwas Schönes vor?
Mathilda: Bis jetzt haben wir noch nichts Konkretes vor, aber bei uns wird es trotzdem nicht langweilig werden. Kiki und Lotta haben immer gute Ideen, was wir noch machen können. Wir waren erst letzte Woche mit den Piranhas im Kino und am nächsten Samstag wollen wir Schwimmen gehen.
10. Bahnen sich zwischen euch und den Piranhas erste Liebesbeziehungen an?
Mathilda: Ich habe erst vor zwei Tagen herausgefunden, dass Lennart und Emily seit Längerem ein Paar sind. Seit letzter Woche ist Lotta mit Max zusammen. Sven hat im Kino mit mir geflirtet, aber ich habe momentan kein großes Interesse an einer Beziehung, da ich von meiner Cousine Maren weiß, dass eine Beziehung ziemlich stressig sein kann.
Hier ein Bild von mir und Micky, als wir ca. 6 oder 7 Jahre alt waren. Süß oder?
Platz 3: Pussy Cat
So geht’s: Alle Zutaten mit Crushed Ice im Shaker mixen und in Cocktailgläsern (ca. 250-300ml) servieren. Ihr könnt den Cocktail mit Orangen- oder Ananasscheiben garnieren oder mit einem Fruchtspieß verzieren.
Platz 2: Cocoloco
So geht’s: Alle Zutaten mit Crushed Ice im Shaker mixen und in Cocktailgläsern (ca. 250-300ml) servieren. Ihr könnt den Cocktail mit Orangen- oder Ananasscheiben garnieren oder mit einem Fruchtspieß verzieren.
Platz 1: Italian Summer
So geht’s: Alle Zutaten mit Crushed Ice im Shaker mixen und in Cocktailgläsern (ca. 250-300ml) servieren. Ihr könnt den Cocktail mit Orangen- oder Ananasscheiben garnieren oder mit einem Fruchtspieß verzieren.
Tag der Veröffentlichung: 04.08.2013
Alle Rechte vorbehalten