Cover

Widmung

 

Dieses Buch widme ich meinen treusten Lesern und Leserinnnen sowie den Menschen, die mich dazu inspiriert haben, dieses Buch zu schreiben. Gleichzeitig widme ich es auch gern all den Mädchen, die selbst ein Bandengirl sind oder es im Herzen sind. Außerdem möchte ich mich bei meinem guten Freund Lennard Nörtemann für das wunderschöne Cover bedanken.

 

Wir sind auch zu finden bei Instagram: die_roten_tulpen

 

1. Kapitel: Neue Klasse, neues Glück

„Carlotta, beeil dich und zieh dich endlich an!“, rief ihre Mutter ungeduldig aus der Küche. „Wir sollen schon um acht Uhr in der Schule erscheinen.“ 

Lotta, die eigentlich Carlotta hieß, saß in ihrem neuen Zimmer auf einem der Umzugskartons und antwortete genervt: „Stand in dem Elternbrief nicht drin, dass wir uns erst um halb Neun treffen sollen?“ „Frau Schellhardt hat uns Freitag mitgeteilt, dass wir extra etwas früher kommen sollten, weil du neu in der Klasse bist und wir noch Einiges zu besprechen haben.“

Lotta stöhnte und griff nach ihrem Koffer. Sie sammelte ihre Kräfte, kniff ihre Augen zusammen und presste die Zähne aufeinander. Dabei hob sie ihren Koffer hoch.

„Hast du auch deine Wanderschuhe und deine Winterjacke eingepackt?“, vernahm Lotta die Stimme ihrer Mutter aus dem Treppenhaus.

„Jaaa“, rief sie laut und erschrak selber, dass sie fast schrie. Warum musste ihre Mutter ständig so penetrant sein und auf ihren Nerven herumreiten? 

 

Lotta und ihre Familie lebten erst seit wenigen Tagen in einem Designerhaus einer Neubausiedlung am Stadtrand von Freudenburg. In ihrem neuen Heim sah es noch ziemlich leer aus und überall standen Umzugskartons herum. Lottas Zimmer im ersten Stock sah nicht anders aus als die anderen Räume. Außer ihrem Hochbett war in ihrem Zimmer noch nichts aufgebaut, ihr kam alles in ihrem neuen Reich sehr kahl und spartanisch vor. Am schlimmsten sah es allerdings im Garten aus.

„Was soll diese große Einöde ausfüllen?“, dachte sie und starrte missmutig auf die leere, matschige Fläche. Erst in wenigen Tagen sollte der Rollrasen verlegt werden und die Gärtner würden erst im März kommen, um den Garten nach den Wünschen ihrer Mutter zu gestalten. Sie wollte unbedingt einen Zengarten haben, während ihr kleiner Bruder Leon darauf bestand, sein Fußballtor im Garten aufzubauen. Lotta wollte weder ein Fußballtor im Garten noch einen Zengarten, ihr war ein normaler Garten mit einem grünen Rasen und schönen Blumen viel lieber.  

 

Lotta hasste generell Montage, besonders diesen. Nicht nur, weil es heute ihr erster Tag in der neuen Klasse sein wird, nein sie musste auch noch mit auf Klassenfahrt und dabei kannte sie niemanden. Am liebsten würde sie jetzt ihren Koffer packen, mit dem Bus zum Bahnhof fahren und den Zug in ihre Heimat nehmen.

„Carlotta! Wir fahren jetzt. Ich muss deinen kleinen Bruder auch noch zu seiner Schule fahren“, drängte ihre Mutter und riss die Zimmertür auf. Dabei ging sie drei Schritte auf Lotta zu und blieb vor ihrem Koffer stehen. 

„Ich komm doch schon sofort“, nörgelte Lotta, stand von ihrem Schreibtischstuhl und schnappte sich ihren Koffer, wobei sie die Zähne zusammenbiss, da er ziemlich schwer war.

„Mama, ich möchte noch einen Kakao haben", hörte Lotta ihren achttjährigen Bruder Leon aus der Küche quengeln.

„Nein, erst muss ich deine große Schwester zur Schule fahren, da sie heute auf Klassenfahrt fährt", erwiderte ihre Mutter und stieß hastig die Haustür auf.

 

  Mit Vollgas fuhr ihre Mutter über die Kreuzung, weil die Ampel von Grün auf orange schaltete.

„Mama, fahr nicht so ruppig. Ich werde ganz durchgeschüttelt“, beschwerte sich Lotta auf dem Beifahrersitz.

„Tja, wir müssen uns sputen und ich mag zu spät kommen nun mal gar nicht. Wärst du schneller angezogen gewesen, hätten wir mehr Ruhe gehabt“, antwortete ihre Mutter kurz angebunden und bog in eine kleinere Seitenstraße ein. Am Ende der Straße tauchte das Altstädtische Gymnasium auf. Lottas Mutter parkte den Wagen auf dem Lehrerparkplatz und beide überquerten die Straße.

„Ich sag doch, wir sind viel zu früh!“, motzte Lotta, während sie sich eine Strähne ihres mittelblonden schulterlangen Haares aus dem Gesicht strich. Es war heute Morgen grau und nasskalt. Der Schulhof war noch ziemlich leer, nur drei Fünftklässler spielten Basketball und zwei Mädchen kamen ihnen Arm in Arm entgegen.

„Bestimmt haben sich schon alle Freunde in meiner neuen Klasse gefunden“, dachte Lotta mürrisch. „Ich werde blöd in der Gegend rum stehen und keiner wird sich freiwillig ein Zimmer mit einer neuen Mitschülerin teilen.“

 

 In der Pausenhalle kam ihnen eine großgewachsene, schlanke Frau mit kinnlangen braunen Haaren entgegen.

„Guten Morgen, Frau Janssen“, sagte sie zu Lottas Mutter und gab ihr die Hand. „Guten Morgen, Frau Schellhardt“, grüßte diese zurück. „Sie haben mich bereits Freitag schon kurz gesehen. Ich bin Carlottas Mutter.“

„Schön, dass Sie den Weg hier her gefunden haben“, sagte Frau Schellhardt. Dann richtete sie sich an Lotta.

„Ich freue mich, dass du nun hier bist und mit uns auf Klassenfahrt fährst. Ich kann mir vorstellen, du bist sicherlich sehr aufgeregt. Aber keine Bange, deine Klassenkameraden wissen, dass du mitkommst und sie werden dir beim Eingewöhnen helfen“, sagte sie freundlich an die neue Schülerin gewandt.

 

Lotta grüßte zurück und gab ihrer neuen Klassenlehrerin etwas zurückhaltend die Hand. Während ihre Mutter und ihre Klassenlehrerin sich vor dem Eingang zur Cafeteria unterhielten, saß Lotta auf einer Holzbank und starrte gedankenverloren Luftlöcher in die Pausenhalle. Immer mehr Schüler gingen an ihr vorbei, die es mehrheitlich eilig hatten. Darunter waren einige kleine Fünftklässlerzwerge, die Lottas Schätzung nach kaum größer als 1,30m waren, aber auch Oberstufenschüler, die aus ihrer Sicht junge Erwachsene waren. Ein Junge mit einer Baseballcap schoss ohne Vorwarnung einen Ball gegen einen Glaskasten, in dem Töpferarbeiten ausgestellt waren. Prompt bekam dieser einen Einlauf vom Hausmeister. Lotta ließ sich auf einer Bank neben dem Treppenaufgang nieder, stützte ihr Kinn auf ihre Hände und seufzte. Am liebsten würde sie selbst mittendrin sein, anstatt von außen zuzuschauen. Wäre sie bloß noch auf ihrer alten Schule, dann würde sie mit Anna, Sarah und Mareike in der Cafeteria sitzen. „Ob ich hier jemals so gute Freundinnen finden werde?“, dachte sie zweifelnd und seufzte erneut.

 

 Nach zwanzig Minuten verabschiedete sich Lottas Mutter von ihr. „Ich muss jetzt leider los, ich muss Leon auch noch in die Schule bringen. Ich wünsche dir ein paar schöne Tage auf Klassenfahrt. Wenn etwas sein sollte, kannst du uns jederzeit anrufen. Aber ich denke bei Frau Schellhardt bist du gut aufgehoben. Bis Freitag!“, sagte sie und nahm Lotta noch einmal fest in den Arm. 

„Wir können schon mal in unseren Klassenraum gehen“, sagte Frau Schellhardt zu Lotta. Lotta nickte stumm und nahm ihre Tasche mit. Der Klassenraum lag im ersten Stockwerk und von dort aus konnte sie aus dem Fenster auf den Lehrerparkplatz schauen. Lotta sah, wie ihre Mutter die Straße entlang fuhr und in der Ferne verschwand.

 

„Hier vorne ist ein freier Platz für dich“, sagte ihre Lehrerin. „Du wirst zwischen Jolanda und Lennart sitzen.“

Lotta ließ sich auf ihrem Platz nieder und gelangweilt stützte sie ihr Kinn auf den Händen auf.

„Guten Morgen, Frau Schellhardt“, sagte ein Mädchen mit hoher Stimme. Lotta hob ihren Kopf, drehte sich zur Seite und sah ein Mädchen mit dunkelbraunen Haaren und einer dicken Brille.

„Guten Morgen, Pauline“, begrüßte Schellhardt eine von Lottas neuen Klassenkameraden. „Ich hoffe, du hast gute Laune mitgebracht.“

„Ja, das habe ich“, sagte Pauline. „und Jolanda kommt gerade auch.“

Ein großes, dünnes Mädchen mit langen hellblonden Haaren kam herein.

„Jolanda und Pauline, das ist Carlotta Janssen aus Mannheim, sie wohnt erst seit letzter Woche in Freudenburg“, sagte die Klassenlehrerin zu den beiden Schülerinnen.

 

„Hallo Carlotta, ich bin Pauline Wehrmann“, sagte das braunhaarige Mädchen zu Lotta und gab ihr die Hand.

„Guten Tag, ich bin Jolanda Hasemeier“, sagte das große Mädchen mit besonders viel Affektiertheit. Sie reichte ihr nur kurz die Hand und zog diese rasch wieder zurück. Jolanda wirkte bereits jetzt geziert und arrogant auf Lotta, aber sie ließ sich davon nichts anmerken und grüßte höflich zurück. Wenig später beachteten die beiden Mädchen sie nicht mehr. Stattdessen tippte Jolanda neben ihr eine Nachricht in ihr goldenes Iphone und Pauline unterhielt sich angeregt mit Frau Schellhardt über Mathematik. Allmählich füllte sich die Klasse mit lachenden und fröhlich redenden Schülern. Lotta hingegen fühlte sich so, als wäre sie gar nicht präsent und saß starr auf ihrem Platz. Endlich klingelte es. Frau Schellhardt begrüßte die Klasse und holte Lotta nach vorne.

„Das ist unsere neue Mitschülerin Carlotta Janssen aus Mannheim. Sie ist zwölf Jahre alt und besucht ab heute unsere Klasse“, stellte die Lehrerin sie vor.

 

Lotta fühlte sich ziemlich unbehaglich zwischen all den fremden Schülern. Sie hasste es von allen Seiten angestarrt zu werden, als käme sie vom Mars. Plötzlich fingen drei Jungs an blöd zu grinsen. Einer von ihnen, ein rothaariger Junge mit Kappy schnitt eine blöde Grimasse und zeigte auf sie. Lottas Magen krampfte sich zusammen.

„Jannis, setze sofort dein Kappy ab und höre auf, Faxen zu machen. Das gehört sich nicht“, ermahnte ihn die Lehrerin harsch. Es klopfte an der Tür und ein junger Lehrer kam herein. „Hallo Christiane, es tut mir leid, dass ich zu spät bin“, begrüßte er seine Kollegin und stellte sich neben Frau Schellhardt.

„Carlotta, das ist Herr Loh, er wird uns als zweiter Lehrer begleiten und außerdem ist er der Ansprechpartner für die Jungen“, fuhr sie fort und wandte sich schließlich an die Klasse, „Jetzt stellt euch einmal bitte vor“ Der Reihe nach begannen sich die Schüler der 6a vorzustellen. Lotta war bereits nach dem fünften Namen überfordert. Ihr Gehirn schaffte es nicht einmal annähernd die Namensflut vollständig zu speichern. Aber ein paar Namen konnte sie sich trotzdem merken, vor allem die von Jannis, Sven und Michael. Das waren die drei Jungs, die gerade so blöd gelacht hatten. „Mit ihnen werde ich noch ein Hühnchen zu rupfen haben“, dachte Lotta grimmig und setzte sich auf ihren Platz zurück. Anschließend klärten Frau Schellhardt und Herr Loh noch einige wichtige Dinge und dann ging es los zum Bus.

 

 Lotta trottete mit starrer Miene hinter ihren Klassenkameraden her. Auf der Treppe wurde sie von Jannis fast über den Haufen gerannt, sodass sie sich erschrocken am Treppengeländer festklammern musste und ihr Koffer ein paar Treppenstufen herunterpurzelte.

„Pass doch auf, du Idiot!“, zischte sie leise.

„Wer soll ein Idiot sein?“, höhnte er. „Du sprichst wohl von dir selbst.“

Lotta blendete seinen fiesen Kommentar aus und ging weiter, ohne ihn und seine Freunde zu beachten. Am Straßenrand, vor dem Lehrerparkplatz und der Bushaltestelle stand schon der Bus bereit. Herr Loh und der Busfahrer halfen den Schülern ihre Koffer zu verstauen. Lennart, Sven und Jannis stürmten als Erste in den Bus und belegten die Plätze in der letzten Reihe. Lotta setzte sich alleine an einen Fensterplatz und starrte melancholisch nach draußen in den Nieselregen. Langsam füllte sich der Bus mit lauter schnatternden und lachenden Schülern.

 

„Warum muss ich ausgerechnet hier sein?“, dachte sie trübsinnig und trommelte leise gegen die Fensterscheibe. Draußen standen noch einige Eltern und verabschiedeten sich von ihren Kindern. Pauline stieg schniefend in den Bus und wischte sich die Tränen von der Wange.

„Mein Gott, hat sie nah am Wasser gebaut“, dachte Lotta bei sich. Sie selbst hatte nur einmal geweint, als sie sich von ihren Eltern verabschiedet hatte und das war auf der Klassenfahrt in der zweiten Klasse.

„Was ist los, Pauline?“, fragte eine Freundin von ihr, deren Namen Lotta wieder entfallen war.

„Nichts“, schniefte Pauline. „Es ist nur…“

„Sei nicht traurig“, tröstete ihre Freundin sie.

„Du siehst deine Eltern am Freitag wieder“

„Wenn ich das sehe, könnte ich auch glatt weinen“, dachte Lotta und seufzte leise.

 

„Hey, du brauchst nicht so ein mürrisches Gesicht machen“, sagte ein Mädchen mit langen schwarzen Zöpfen zu Lotta. „Ich setze mich neben dich, wenn es für dich kein Problem ist. Ach ja, ich bin übrigens Kristina Morawski. Bitte nenne mich Kiki, so nennt mich jeder, sogar Frau Schellhardt.“

„Ich bin Carlotta Janssen, aber nenn mich ruhig Lotta“, antwortete Lotta mit einem zaghaften Lächeln.

„Du brauchst dich nicht noch mal vorzustellen“, meinte Kiki freundlich. „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“

„Ich habe am achten Oktober Geburtstag“, antwortete Lotta.

„Cool, ich werde in drei Tagen zwölf“, sagte Kiki und fügte freudig hinzu. „Das wird eine große Party mit meinen Mädels geben. Denn dann bin ich endlich auch zwölf.“

 

Kiki stellte Lotta noch einige Fragen, aber bald verstummte das Gespräch zwischen den beiden Mädchen. Daraufhin begann Kiki ihr alle Klassenkameraden vorzustellen.

„Schräg vor uns sitzen Aylin und Fianna. Siehst du das Mädchen mit den rotblonden Haaren, das ist Fianna O’Hara. Ihr Vater ist Ire, aber ihre Mutter kommt aus Deutschland. Das Mädchen mit den schwarzen Locken neben ihr ist Aylin Yilmaz. Ihre Eltern kommen aus der Türkei und außerdem ist Aylin Fiannas beste Freundin“, erzählte Kiki. „Das große Mädchen mit den braunen Haaren ist Emily Heuberger, sie ist eine gute Freundin von mir und den Zwillingen. Hinter uns sitzen unsere beiden Holländerinnen Mathilda und Annemieke ter Steegen. Mit ihnen kann man viel Spaß haben und dort wo sie sind, gibt es immer etwas zu lachen und zu scherzen. Nicht wahr, Micky und Matti?“ 

 

Lotta drehte sich um, ein Mädchen reckte seinen Kopf neugierig nach vorne und grinste spitzbübisch, sodass sich seine Sommersprossen kräuselten.

„Goedendag! Hoe gaat het?“, sagte das Mädchen freundlich.

„Mathilda hat die Angewohnheit jeden Neuen auf Niederländisch zu begrüßen“, erklärte Kiki. „Außerdem kann sie ziemlich stur sein und reize sie bloß nicht, sie hat manchmal eine spitze Zunge. Annemieke, ihre Zwillingsschwester, ist im Gegensatz zu ihr ein braves Lämmchen, sie lernt immer fleißig und traut sich nicht unfreundlich zu sein.“ Neben Mathildas Kopf tauchte ein zweiter hellblonder Lockenkopf auf. Beide Zwillinge hatten kinnlange hellblonde Locken, eine Himmelfahrtsnase, ein Gesicht voller Sommersprossen und blaugraue Augen. Zudem trugen sie beide ein geringeltes Sweatshirt, was es nicht leichter machte, sie zu unterscheiden.

 

„Wie werde ich sie jemals auseinanderhalten können?“, dachte Lotta, aber sie mochte die Zwillinge auf Anhieb.

 Mathilda und Annemieke zogen synchron lustige Grimassen, rollten mit ihren Augen, berührten mit ihren Zungen ihre Nasenspitzen und wackelten mit ihren Ohren. Lotta konnte sich vor Lachen kaum noch halten. In ihren Augenwinkeln bildeten sich bereits Lachtränen. 

„Hinten sitzen die Piranhas. Das sind Sven, Ömer, Lennart, Michael und Jannis. Das sind die größten Idioten der Klasse“, fuhr Kiki fort und rollte mit den Augen. „Du meinst wohl, die Fischköpfe!“, unterbrach sie Mathilda mit ihrer forschen Art. „Stimmt“, nickte Kiki und fuhr fort: „Fast alle Jungs sind zum Vergessen, nur Patrick, Julian, Finn und Thomas sind okay. Neben Freya sitzt Pauline, unsere Klassenstreberin“ „Ich weiß, sie hat sich vorhin mit Frau Schellhardt eine Viertelstunde über rechte Winkel und Geometrie unterhalten“, erzählte Lotta.

 

„Ich finde das Tussenkomitee fast noch schlimmer“, wisperte Annemieke.

„Wer ist das Tussenkomitee?“, horchte Lotta auf. „Das sind Jolanda, Saskia, Neele und Tanja. Die vier "Modeexpertinnen" und Klatschbasen. Am besten lässt man die Finger von ihnen, sie verbreiten viele Lügen und benehmen sich wie die größten Angeberinnen“, erklärte ihr Mathilda. Das Tussenkomitee saß in der vorletzten Reihe, sie hielten alle eine Cola-Dose in der Hand und eine von ihnen legte lässig ihre Füße auf die Armlehne des Sitzes vor ihr. „Ich kann mir immer noch nicht alle Namen merken“, wisperte Lotta. „Das macht nichts, schließlich bist du heute den ersten Tag hier. Ich versichere dir, dass du dir die Namen mit der Zeit merken kannst“, beruhigte Kiki sie und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter.

 

Nach drei Stunden Fahrt bog der Bus von der Autobahn ab und fuhr einen bewaldeten Hügel hinauf. Einige Kinder jubelten, als sie die Jugendherberge näher kommen sahen.

„Juhuuu! Wir sind da!“, fingen Kikis dunklen Augen freudig an zu strahlen

„Na endlich, mir sind beinahe die Füße eingeschlafen“, sagte Lotta, streckte ihre Arme und Beine aus, während sie neugierig aus dem Fenster schaute. Derweil rollte der Bus auf einen hellgrauen Gebäudekomplex mit einem leuchtend roten Dach zu.

„Die Jugendherberge sieht ziemlich cool aus und einen großen Spielplatz gibt es auch“, hörte Lotta einen Mitschüler hinter sich sagen. Nachdem der Bus auf dem Parkplatz hielt, konnten sich manche Jungen nicht mehr auf ihren Plätzen halten.

 

„Hey hey, ganz ruhig!“, rief Herr Loh. „Jannis, setz dich wieder hin!“

„Du kannst gerne mit auf unser Zimmer kommen“, sagte Kiki zu Lotta. „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht einfach ist, mit einer fremden Klasse auf Klassenfahrt zu fahren. Falls es dir nicht gut geht, kannst du dich immer an mich wenden und wenn die Piranhas wieder blöde Bemerkungen machen, sag es mir, ich bin die Klassensprecherin.“

„Genau, lass dir nicht alles von diesen stinkenden Fischköpfen gefallen“, setzte Mathilda oben drauf. „Sonst machen wir Fischstäbchen aus ihnen.“

„Nein, Rollmops wäre mir lieber“, spottete ihre Zwillingsschwester Annemieke.

„Never ever!", hielt Mathilda dagegen. „Ich bestehe auf Fischstäbchen, die schön goldbraun gebrutzelt aus der Pfanne kommen."

Lotta fing leise an zu kichern, als sich die beiden Schwestern anfingen leicht zu kabbeln.

 

Auf dem Parkplatz kam ein großes Mädchen mit langen braunen Haaren auf Kiki zu. Lotta erinnerte sich, dass Kiki ihren Namen im Bus erwähnt hatte, doch Lotta hatte ihren Namen bereits wieder vergessen.

„Schläft die Neue in unserem Zimmer?“, fragte das große braunhaarige Mädchen und fügte nachdenklich hinzu: „Hatten wir nicht am Freitag abgesprochen, dass wir mit den Zwillingen auf ein Zimmer gehen?“

„Eigentlich schon, aber Lotta ist ganz neu in unserer Klasse und kennt noch keinen. Wir müssten erst einmal abwarten, was für Zimmergrößen es überhaupt gibt“, erwiderte Kiki.

„Hey, dein Koffer steht da. Willst du ihn dort alleine stehen lassen? Ohne dich fühlt er sich bestimmt ganz allein“, Lotta merkte, wie sie von einem der beiden Zwillingsschwestern angetippt wurde.

„Ähm…Danke, Mathilda!“, konnte sie gerade noch so hervorbringen. 

 

„Nein, ich bin Annemieke!“, antwortete ihre neue Mitschülerin prompt und konnte sich dabei ein breites Grinsen nicht verkneifen.

„Hey nein, ich bin Annemieke!“, tauchte der zweite hellblonde Lockenkopf neben ihr auf.

„Und ich bin Mathilda!“

„Nein, das bist du nicht!“

„Okay, dann bin ich Annemieke und du Mathilda!“

„Hä, nein!“

„Schluss jetzt mit dem Verwechslungsspiel!“, ging Kiki dazwischen und stoppte das inszenierte Verwirrspiel. Die Zwillinge giggelten immer noch und Lotta war nun endgültig verwirrt.

„Die sind heute mal wieder rotzfrech!“, wandte sich die große Braunhaarige an sie.

„Du bist Mathilda“, packte Kiki das Mädchen in der roten Jacke an der Schulter.

„Und das ist Annemieke“, zog Fianna, die Rothaarige, den zweiten Zwilling ein Stück nach hinten.

„Ehm danke für die Auflösung des Rätsels“, lachte Lotta kurz auf, schnappte sich ihren Koffer und folgte dem Schülerstrom.

 

 

2. Kapitel: Neue Freundinnen und große Pläne

Die 6a traf sich im Foyer der Jugendherberge wieder. Lotta stand mitten in der Menge von Schülern, die sie nicht kannte. Kiki und deren Freundinnen hatte sie längst aus den Augen verloren.

„Eine wichtige Sache vorweg: Handys werden nur auf euren Zimmern oder nur während der Zeit der freien Verfügung genutzt", kündigte Frau Schellhardt als erstes an. „Lasst eure Handys im Gruppenraum oder während des Programmes einfach in euren Hosen- oder Jackentaschen."

„Das kommt beinahe einem Handyverbot gleich", hörte Lotta Jolanda neben sich motzen und auch einige andere Schüler stöhnten leise auf.

„Und jetzt teilen wir die Zimmer unter uns auf“, rief Herr Loh in die schnatternde Schülermenge und klatschte in die Hände. Die Schüler verstummten gleichzeitig und Frau Schellhardt kam mit den Zimmerschlüsseln zurück.

„So ich habe Schlüssel für acht Zimmer bekommen“, verschaffte sich Frau Schellhardt Aufmerksamkeit. „Die beiden Einzelzimmer sind für Herrn Loh und mich. Für die Jungen gibt es drei Viererzimmer und für die Mädchen ein Vierer- sowie zwei Sechserzimmer“

 

Die Jungs konnten sich schnell einigen, wer mit wem auf ein Zimmer ging. Bei den Mädchen war es deutlich komplizierter. Pauline, Freya, Sina und Jule bekamen den Schlüssel für das Viererzimmer.

„Warum bekommen wir das Viererzimmer nicht?“, beschwerte sich Neele.

„Pauline hat mich im Bus zuerst gefragt“, sagte Frau Schellhardt bestimmt.

„Pauline!“, grummelte Saskia verächtlich. Jetzt waren elf Mädchen übrig, sechs von ihnen versammelten sich um Kiki. Das Tussenkomitee stand am anderen Ende des Raumes.

„Ihr seid elf Mädchen, ihr müsst euch aufteilen, sechs in das eine Zimmer und fünf in das Andere. Wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, muss ich es tun“, meinte die Lehrerin.

„Ich gehe auf keinen Fall zu denen“, sagte Emily stur und verschränkte ihre Arme.

„Carlotta kann doch zu Jolanda ins Zimmer gehen“, schlug Herr Loh vor.

„Carlotta soll bei uns bleiben“, sagte Kiki. „Sie kennt mich am besten und deshalb ist es gut für sie, wenn sie bei mir bleibt.“

 

„Mathilda und ich gehen freiwillig zu Jolanda ins Zimmer“, meldete sich Annemieke endlich und erntete einen leichten Rippenstoß von ihrer Schwester.

„Sehr gut, dann haben wir das geklärt“, sagte Frau Schellhardt zufrieden. Die Schüler stürmten los, sie wollten so schnell wie möglich auf ihre Zimmer kommen. Auf der Treppe verlor Lotta Kiki erneut aus dem Auge und sie ärgerte sich über ihren sperrigen Koffer.

„Mist, mit dem Ding komm ich kaum die Treppe rauf“, fluchte sie leise und im nächsten Augenblick stieß mit Jemanden zusammen. Die Wucht des Zusammenstoßes ließ sie wie einen Kegel umfallen. Aua! Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt sich Lotta ihr linkes Knie. Einen Moment später schaute sie auf und blickte ausgerechnet in Jannis giftgrünen Augen.

„Kannst du nicht aufpassen!“, warf er ihr an den Kopf. „Offensichtlich hat Gott dich übergangen, als es um die Vergabe des Augenlichtes ging!“ 

In Lotta fing es wie in einem Vulkan an zu brodeln. Sie versuchte sich eine spitze Bemerkung zusammenzubasteln, aber Kiki kam ihr passend zur Hilfe.

„Ich glaube, Fischköppe wie du, haben auch keine Augen im Kopf, sonst hättest du Lotta doch kommen sehen und sie nicht über den Haufen gerannt“, sagte Kiki herablassend zu ihm. Ihre Worte wirkten wie ein Zaubermittel, Jannis verstummte und trollte sich fort. Kikis dunklen Augen funkelten währenddessen vor Siegesgewissheit.

 

 Als sie ihr Zimmer betraten, kam Fianna ihnen freudestrahlend entgegen.

„Wisst ihr, was hier das Beste ist? Unser Zimmer hat sogar ein eigenes Badezimmer“, sagte sie aufgeregt.

„Wow, wie cool ist das denn!“, entfuhr es Lotta und Kiki gleichzeitig und gaben sich einen Highfive.

„Die Betten müssen auch nicht mehr bezogen werden, denn das wurde schon für uns getan“, sagte Aylin und warf sich auf ihr Bett.

 „Ihr könnt beide ruhig oben schlafen. Wir waren so egoistisch und haben die unteren Betten in Beschlag genommen“, meinte Emily und ließ sich auf ihre Matratze fallen. Weder Lotta noch Kiki machte es was aus, oben zu schlafen. Ganz im Gegenteil: so hatte Lotta einen schönen Überblick über das ganze Zimmer. Nach einer halben Stunde klopfte es an der Tür. Es waren die Zwillinge, die vorwitzig ins Zimmer lugten.

„Die Tussen müssen sich für das Mittagessen zurecht machen“, sagte Mathilda schnippisch. „Damit sie sich gleich mit Tomatensoße besudeln können, denn heute gibt es Tortellini in Tomatensoße mit Parmesan.“

„Woher wisst ihr das?“, fragte Fianna.

„Wir haben zufällig den Speiseplan gesehen, der unten neben dem Aufenthaltsraum aushängt“, erwiderte Annemieke.

„Soso, die verfressenen Zwillinge“, sagte Aylin scherzhaft tadelnd. „Nachher seid ihr so rund, dass wir euch nach Hause rollen müssen.“ 

Für diese Bemerkung wurde Aylin von Mathilda und Annemieke aus dem Bett gezogen und durch gekitzelt.

„Jo, krall sie dir, Micky!“, rief Mathilda laut lachend. „Ich erledige den Rest.“

„Wird getan, Matti!“, antwortete ihre Schwester. Einige Minuten lang wälzten sich die Mädchen kichernd und nach Luft schnappend auf dem Boden.

„Ich gebe auf“, keuchte Aylin mit rotem Gesicht. „Ihr habt gewonnen, aber zwei gegen eins ist trotzdem nicht fair."

Ihre schwarzen Locken standen in alle Richtungen von ihrem Kopf ab.

 

„Es ist halb eins“, erinnerte Emily ihre Freundinnen und schaute auf ihren Wecker: „Gleich gibt es Mittag.“ 

„Los, dann nichts wie hin!", rissen die Zwillinge die Zimmertür auf und stürmten los. Die anderen Mädchen polterten hinter ihnen ebenfalls die Treppe herunter. Sie waren mit die Ersten, die im Aufenthaltsraum erschienen waren. Nur vier Mädchen, die Küchendienst hatten, stellten Teller und Schüsseln auf die Tische. Kiki zog Lotta zu einem Gruppentisch am Fenster. Bald gesellten sich auch Emily, Fianna, Aylin und die Zwillinge dazu. Das Essen schmeckte fantastisch. Lotta nahm noch einmal Nachschub, was sie sonst eher selten tat. Bald war die Schüssel leer und eine Mitschülerin, deren Namen Lotta bereits wieder vergessen hatte, brachte ihnen eine neue Schüssel mit Tortellini.

„Es schmeckt zu gut!", schwärmten die Zwillinge, die sich eine Monsterportion aufgetan hatten.

„Definitiv!", gab ihnen Kiki mit einem Nicken Recht.

 

Annemieke nahm sich bereits zum zweiten Mal nach.

„Pass auf, dass du nicht wie ein Ballon platzt, sonst müssen wir deine Fetzen zusammen fegen“, spottete Mathilda, die sich nur einmal nachnahm. Selbst Kiki und Fianna, die beide eher klein und dünn waren, nahmen sich erneut eine Portion. Emily nahm als Einzige nicht nach.

„Ich bin zurzeit auf Diät. Ich habe bereits sechs Kilo abgenommen, ich wiege bei einer Größe von 1,68m ungefähr 71 kg, aber ich will bis zum Sommer auf 62 kg abnehmen“, sagte sie. Lotta war nicht der Meinung, dass Emily zu dick war. Sie war etwas stämmig, aber das war längst kein Beinbruch. Zum Nachtisch gab es einen Quark mit Erdbeeren. Annemieke und Lotta waren bereits so satt, dass sie nur ein kleines Schächen der Nachspeise schafften.

„Da hätte mehr Zucker rein gemusst. Dieser Quark schmeckt ja nach gar nichts“, beschwerte sich ein Junge am Nachbartisch. Annemieke wurde nach dem Essen ganz bleich im Gesicht und ging mit Mathilda auf ihr Zimmer. Kiki und Lotta blieben noch ein bisschen sitzen und unterhielten sich mit ihrer Klassenlehrerin.

 

 Später gingen sie ebenfalls auf ihr Zimmer. Aylin hatte sich zum Schlafen auf ihr Bett gelegt, Fianna hörte Musik und Emily blätterte in einem Pferdebuch.

„Wer geht mit mir raus?“, fragte Kiki.

"Ich komme mit", meldete sich Lotta als Erste. Aylin antwortete nicht und Emily schüttelte nur den Kopf, aber Fianna sprang begeistert von ihrem Bett auf.

„Ich komme mit“, rief sie überschwänglich. „Wartet, ich muss mir eben meine Schuhe und meine Jacke anziehen!“

Als sie fertig angezogen waren, klopften die drei Mädchen an die Tür des Nachbarzimmers.

„Kommt ihr mit nach draußen? Wir wollen das Gelände erkunden“, fragte Kiki. Mathilda war angetan von der Idee und zog sich schnell an.

„Will Annemieke auch mitkommen?“, fragte Fianna.

„Ne. ihr geht es nicht gut. schüttelte Mathilda den Kopf. „Sie hat vorhin zu viel gegessen. Nun ist ihr richtig schlecht. Frau Schellhardt ist gerade vorbei gekommen und hat ihr eine Tablette gegen Übelkeit gegeben. Dabei habe ich Micky eindringlich gesagt, sie soll sich nicht überfressen.“

 

„Ja ja, wer hört schon gerne auf seine große Schwester?“, erwiderte Kiki und ihre Stimme triefte vor Spott.

„Sind Zwillinge im Normalfall nicht gleich alt?“, fragte Lotta etwas verwirrt.

„Eigentlich sind wir gleich alt“, meinte Mathilda. „Aber ich wurde am 31. August kurz vor Mitternacht geboren und Annemieke am ersten September fünf Minuten nach Mitternacht. Ich bin 13 Minuten älter als sie.“

„Meine große Schwester ist fünfzehn und mein großer Bruder schon neunzehn. Ich bin mit Abstand die Jüngste unter meinen Geschwistern“, erzählte Kiki und meinte: „Große Geschwister sind manchmal sehr hilfreich, aber sie können auch ganz schön lästig sein.“

„Kleine Brüder sind manchmal auch eine Plage“, rief Lotta. „Ihr kennt meinen kleinen Bruder noch nicht. Meine Güte, kann der auf meinen Nerven herumreiten!“ 

 

Lotta, Kiki, Fianna und Mathilda waren nicht die Ersten, die das Gelände des Schulheimes erkundeten. Zwei Mitschülerinnen saßen auf einer Bank und teilten sich eine Packung Buchstabenkekse. Freya und Sina hießen sie, wie Lotta von Fianna erfuhr. Auf einem Bolzplatz flog ein Ball hin und her. Es waren die Piranhas, die dort Fußball spielten. Der pummelige Michael musste dabei das Tor hüten und die Schüsse seiner Kameraden halten.

„Achtung!“, schrie Lotta plötzlich und sah den Ball bedrohlich in ihre Richtung fliegen. Boing! Mathilda bekam einen harten Schuss von Jannis in den Rücken.

„Holt ihn euch wieder, ihr Fischköppe!“, rief Mathilda und kickte den Ball im hohen Bogen über den Zaun. Lotta konnte ihr Kichern nicht mehr verbergen. Neben dem Bolzplatz gab es noch einen Spielplatz.

„Oh, da müssen wir hin!“, jubelte Fianna begeistert, stürmte los und setzte sich auf das Karussell. Leicht außer Atem kamen ihr die anderen Mädchen nach.

„Soll ich euch Anschwung geben?“, fragte Lotta.

„Mach doch!", nickte Kiki. Die Mädchen ließen sich von ihr schwindelig drehen, sodass sie quietschten und lachten. Schließlich sprang Lotta selbst auf das drehende Karussell.

 

Wenig später ging es auf der Wippe ernster zu. Es wurde über die Jungs gesprochen, in erster Linie über die Piranhas.

„Wie lange sollen wir uns dieses unmögliche Verhalten von Jannis und seinen Freunden noch gefallen lassen? Als erstes rennt Jannis Lotta auf der Treppe um und beleidigt sie. Gerade eben hat er Matti beim Fußballspielen angeschossen und ich weiß nicht, was sie in den nächsten Tagen vorhaben werden“, sagte Kiki zu ihren Freundinnen. „Entweder wir lassen uns von ihnen schikanieren oder wir schießen zurück. Sich einfach so ergeben ist totlangweilig, lasst uns selbst eine Gegenbande gründen“

„Eine Bande ist eine tolle Idee. Ich wollte immer schon zu einer coolen Bande gehören“, jubelte Mathilda. „Am besten wir Vier verschwören uns gegen die Jungs. Oh nein, ich habe meine Schwester vergessen. Okay, dann sind wir zu fünft“

„Ihr habt Aylin und Emily auch noch vergessen“, fügte Fianna hinzu.

„Stimmt, wir sollten mindestens fünf oder sechs Mädchen sein“, dachte Kiki laut nach. „Die Piranhas sind zu fünft und wahrscheinlich holen sie noch Max ins Boot. Dann wären sie zu sechst. Es wäre nicht schlecht, wenn wir in der Überzahl wären.“

„Wuhuu! Schlagt ihr ein?“, jubelte Lotta und hielt ihre Hand zum Schwur hin.

 

 „Eine Bande auf dem Spielplatz gründen, das ist für unser Alter zu affig“, erwiderte Mathilda spottend und schaute verächtlich drein: „Wir sind doch keine Kindergartenkinder mehr und außerdem fehlen doch die anderen.“

Lotta wurde leicht rot im Gesicht, als hätte sie eine Abfuhr bekommen. Mathilda bemerkte das und legte ihre Hand auf Lottas Arm.

„Ich wollte dich nicht verletzen, ehrlich“, sagte sie.

„Mathilda sagt Jedem klar und deutlich, was sie gerade denkt“, mischte sich Fianna ein. „Aber manchmal kann sie ihr großes Affenmaul wirklich nicht halten.“

Bruchteile von Sekunden später schrie Fianna kurz auf, Mathilda zog spielerisch an einer Strähne von Fiannas rotblonden Haaren.

„Mathilda hat manchmal eine sehr direkte und freche Art drauf, aber ihre Schwester ist im Gegensatz zu ihr eine reine Seele. Annemieke bekommt sofort Mitleid, wenn sie Obdachlose auf der Straße sieht und manchmal kommen ihr bei traurigen Filmen die Tränen. Erst vor ein paar Wochen hat sie bei Titanic im Kino einen Kübel Tränen vergossen“, flüsterte Kiki Lotta ins Ohr.

 

 Um halb Vier sollte es Kaffee und Kuchen geben. Lotta und ihre Freundinnen beschlossen daher in den Aufenthaltsraum zu gehen. Gerade als sie in den Raum eintraten, läutete Herr Loh mit einer großen Glocke, die im Gemeinschaftsraum neben dem Tresen von der Decke hing.

„Oh mein Gott, es gibt Waffeln mit heißen Kirschen und Vanilleeis“, freute sich Kiki. „Gott sei Dank, kann ich wieder etwas essen.“ 

Aylin, Emily und Annemieke saßen schon an einem Tisch und winkten ihre Freundinnen zu sich rüber.

„Geht es dir besser?“, fragte Mathilda ihre Schwester.

„Deutlich besser als vorhin, aber ich mag trotzdem nichts essen“, erwiderte Annemieke enttäuscht. „So sehr ich Waffeln auch mag."

„Macht nichts, wir halten eine Waffel für dich zurück“, meinte ihre Zwillingsschwester tröstend. 

 

„Was habt ihr gemacht, während wir draußen waren?“, fragte Kiki.

„Wir haben den Piranhas Juckpulver in die Betten getan“, flüsterte Emily Kiki ins Ohr und presste ihre Hand auf den Mund, um nicht los zu giggeln.

„Woher wisst ihr, wo sie schlafen?“, fragte Lotta, die direkt neben Kiki saß.

Mathilda gab ihr einen Rippenstoß und legte den Zeigefinger auf den Mund.

„Sshhh! Nicht so laut, sonst können es alle mithören!“, raunte sie.

„Das Zimmer in dem Jannis, Sven, Ömer und Michael schlafen konnten wir ganz schnell ausfindig machen“, flüsterte Annemieke ihrer Schwester zu. „Lennart schläft mit Max, Paul und Julian in einem Zimmer. Ich konnte sein Bett ganz schnell ausfindig machen, es war das mit der Schalke04-Bettwäsche.“

„Das wird heute Abend eine große Überraschung geben!“, wisperte Aylin grinsend. „Ich weiß, was wir heute Abend tun werden. Neben dem Jungenzimmer gibt es einen großen Wandschrank. In diesen passen drei von uns hinein. Wir müssen uns kurz vor Zehn darin verstecken, denn ab zehn beginnt die Nachtruhe.“

 

Lotta musste so heftig kichern, dass ihr ein Stück Waffel von der Gabel fiel und auf ihrem Schoß landete. Als sie sich einen strengen Blick von Emily einfing, verstummte sie wieder. Ein neuer Teller mit Waffeln wurde auf den Tresen gestellt und sofort bildete sich eine kleine Schlange. Alle Schüler bis auf Annemieke und Emily genossen die frischen Waffeln. Lotta sah aus dem Augenwinkel, wie Jannis von  den Piranhas einen neuen Teller voller Waffeln zu seinem Tisch trugen.

„Sieh mal einer an, die sind noch verfressener als wir zusammen“, stichelte Fianna drauf los, worauf Kiki und Emily schwach nickten.

„Ihr habt noch bis halb sieben Zeit, danach gibt es Abendbrot“, meldete sich Frau Schellhardt zu Wort. „Um halb neun kommt der Förster und nimmt uns mit auf eine kleine Nachtwanderung.“

„Ich hasse Nachtwanderungen. Wer weiß, was uns Schauderhaftes begegnet“, stöhnte Aylin und strich eine ihrer widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. 

„Du glaubst doch nicht etwa an Gespenster und so nen Spuk!“, bemerkte Mathilda spitz. „Hat dir deine Mutter in deiner Kindheit zu viele Gruselgeschichten mit Zombies, bösen Hexen, Feuer speienden Drachen und Blut saugenden Vampiren  vorgelesen?“ 

Kiki bemerkte, dass Aylin rot wurde.

„Mathilda, langsam reicht es mit deinen überflüssigen Bemerkungen“, lenkte sie ein. Sie hatte Recht, Mathilda übertrieb manchmal wirklich mit ihren Bemerkungen und Kiki hatte ein gutes Gespür dafür, wann es genug war.

 

Gerade als Lotta das Wort „Bande" erwähnte, beschlossen die Mädchen in ihr Zimmer zu gehen, zumal die Piranhas gerade Küchendienst hatten. 

„Als Matti, Fianna, Lotta und ich auf dem Spielplatz waren, kam uns eine Idee", begann Kiki und fuhr fort: „Da die Piranhas eine Bande haben, wollen wir auch eine gründen. Was haltet ihr davon?"

„Eine Bande ist der Oberhammer!", sprang Mathilda von Aylins Bett auf und hüpfte durch die Gegend.

„Ich wäre auch auf jeden Fall dabei!", war Annemieke sofort Feuer und Flamme. „Ich wollte schon immer zu einer coolen Bande gehören, so wie die Wilden Hühner."

„Aber wir werden noch cooler als die Wilden Hühner sein, denn die sind voll Neunziger", kommentierte Mathilda ungeniert darauf los. 

„Ach was, die Wilden Hühner sind immer noch aktuell", entgegnete ihr Emily.

„Und sie kommen nicht aus der Mode", fand Annemieke.

 

„Kiki, bist du dir ganz sicher, dass Fianna und ich bei dieser Bandensache mitmachen dürfen?", fragte Aylin leicht verlegen. „Immerhin sind wir beide noch nicht sehr lange mit Emily, den Zwillingen und dir befreundet."

„Warum solltet ihr nicht mitmachen dürfen?", sah Kiki sie leicht irritiert an. „Immerhin kennen wir Lotta doch auch erst seit heute."

„Wir brauchen noch einen Bandennamen und einen Schwur", warf Emily ein. „Hat eine von euch da eine Idee?"

„Puh, so aus dem Stehgreif fällt mir nichts ein", knetete Lotta ihr Schmusekissen in ihren Händen.

„Vielleicht "The Seven Cool Friends"?", überlegte Fianna.

„Niemals!", schüttelte Mathilda entrüstet den Kopf. „Viel zu langweilig."

„Dann bring doch selbst einen besseren Vorschlag, Mathilda", klang Fianna etwas beleidigt.

„Die Besti-Schwestis!", platzte es wenige Sekunden später enthusiastisch aus Emily heraus.

„Bitte nicht!", fuhr ihr Kiki sofort in die Parade. „Das ist so verdammt kitschig."

 

Die Mädchen zerbrachen sich mindestens eine halbe Stunde lang die Köpfe über einen Namen, mit dem sie alle zufrieden waren. Entweder waren die Vorschläge zu albern, zu altmodisch oder die Banden existierten bereits.

„Es kommt einfach nichts zustande", resümmierte Emily, die zig Begriffe auf ihrem Notizblock schrieb und anschließend wieder durchstrich.

„Zumindest habe ich schon ein paar Ideen für den Bandenschwur", meldete sich Aylin zu Wort.

„Ich auch", rief Kiki. „Cool, dann lass uns doch zusammen tun. Emily, darf ich dein Notizbüchlein dafür haben?"

„Klar, aber pass gut darauf auf, denn da stehen auch meine Gedichte und Kurzgeschichten drin", nickte diese und warf Kiki das kleine dunkelblaue Buch mit der goldenen Musterung rüber.

„Wie wollt ihr eigentlich den Schwur schreiben, wenn wir noch keinen Bandennahmen haben?", sah Lotta Kiki und Aylin fragend ein.

„Ganz einfach, wir setzen den Namen einfach in den Text ein, wenn wir endlich einen haben", erklärte ihr Kiki.

 

Während Kiki und Aylin nebeneinander am kleinen Tisch vor dem Fenster saßen, holte Annemieke ihr Uno-Spiel aus ihrem Koffer. Kurz darauf schlichen Lotta, Fianna, Emily und die Zimmer aus dem Raum, um ihre beiden Freundinnen nicht während des Schwurschreibens störten. Im Aufenthaltsraum war nicht viel los. Nur Jolanda und Saskia saßen auf der kleinen Couch neben dem Getränkeautomaten und beachteten sie nicht weiter.

„Vielleicht nennen wir uns einfach die Uno-Girls", frotzelte Annemieke, während sie die Karten mischte.

„Allein für diesen Vorschlag dreht dir Kiki bestimmt den Hals um", meinte ihre Schwester.

„Manchmal ist Kiki auch zu ernst", fand Fianna.

„Na und? Immerhin steht Kiki für bestimmte Dinge ein und klemmt sich dahinter", meinte Emily.

 

 

 

 

3. Kapitel: Eine Nachtwanderung und zwei Streiche

Der Förster kam pünktlich um acht Uhr und begrüßte die 6a mit seiner lauten tiefen Stimme: „Guten Abend, liebe Lehrer und Schüler! Ihr habt alle schon mitbekommen, dass es heute Abend auf Nachtwanderung geht. Ich werde euch den Wald in der Dunkelheit zeigen und ihr werdet sehen, dass der Wald in der Nacht ganz anders aussieht als am Tag. Vielleicht werden wir die Wölfe hören und ein paar Schleiereulen sehen. Ihr bekommt gleich alle eine Laterne mit einem Teelicht, damit ihr seht, wo ihr hintretet und ich bitte euch darum, dass ihr zusammen bleibt und keinen Krach macht. Die Tiere die tagaktiv sind, mögen es gar nicht, in ihrer Nachtruhe gestört zu werden.“

 „Wollen wir nebeneinander gehen, Lotta?“, fragte Annemieke, nachdem die kleinen gläsernen Laternen an die Schüler ausgehändigt wurden. Lotta nickte und zog ihre Strickmütze über ihre Ohren.

 

Draußen war es bestimmt kalt und windig. Auf einmal klingelte ihr Handy. Es war ihre Mutter.

„Hallo mein Liebling, wie geht es dir und wie seid ihr im Schullandheim angekommen?“, fragte ihre Mutter am anderen Ende der Leitung.

„Es geht mir gut. Wir sind gut im Schullandheim angekommen. Auf der Autobahn gab es zum Glück keinen größeren Stau“, erwiderte Lotta.

„Wie verstehst du dich mit deinen neuen Klassenkameraden?“, wollte ihre Mutter wissen.

„Ziemlich gut, einige Mädchen sind sehr nett zu mir. Mama, können wir ein anderes Mal darüber sprechen? Wir gehen gleich auf Nachtwanderung“, drängte sie und wünschte ihrer Mutter noch eine gute Nacht. Schnell packte Lotta ihr Handy wieder in die Jackentasche, da sich die Gruppe in Bewegung setzte.

 

Im Gegensatz zur Stadt war es hier wirklich sehr leise und dunkel draußen. Nur manchmal gab es ein leises Rascheln in den Bäumen und in den Büschen. Der Förster und Frau Schellhardt liefen mit Fackeln vorneweg und Herr Loh bildete mit seiner Fackel das Schlusslicht. Es war bitterkalt und der Mond war noch nicht aufgegangen, doch dafür waren unzählige Sterne zu sehen. Lotta umschloss mit ihrer rechten Hand fest den Henkel ihrer Laterne, an ihrer linken Seite ging Annemieke.

„Es ist irgendwie total gemütlich mit der Laterne durch den Wald zu gehen“, schwärmte Annemieke. „Das erinnert mich an früher, als wir im Kindergarten und in der Grundschule Laterne gelaufen sind. Einmal hat es Mathilda geschafft ihre selbst gebastelte Drachenlaterne, auf die sie sehr stolz war, in einem Teich zu versenken und daraufhin hat sie die ganze Zeit geweint. Papa musste ihr seine Taschenlampe geben, damit sie wieder zufrieden war. Trotzdem wollte sie danach nie wieder Laterne laufen. In der Grundschule ging sie immer mit einem blau leuchtenden Darth Vader Schwert Laterne laufen.“

 

Lotta und Annemieke waren so tief in ihr Gespräch verwickelt, dass sie nicht bemerkten, was die Piranhas himter ihnen ausheckten. Jannis und seine Freunde schlichen sich heimlich davon und warteten hinter einem Busch. Jannis, Ömer, Max und die Anderen hatten sich Gruselmasken aufgesetzt. Jannis hatte seine Hand voller weißem Pulver und zählte leise auf null runter. Mit lautem Geheule und Geschrei stürzten sie aus dem Unterholz. Jannis warf das Pulver in die Richtung der Mädchen. Kiki und Mathilda, die vor Lotta und Annemieke gingen, fingen vor Schreck an zu schreien und ließen gleichzeitig ihre Laternen auf den harten Waldboden fallen, sodass die Kerzen erloschen. Lotta zuckte nur zusammen und schaute in Annemiekes weit aufgerissenen Augen.

„Diese Idioten! Der Teufel soll sie holen und sie in die Hölle verbannen!“, schrie Kiki vor Wut und wischte sich das weiße Pulver aus ihrem Gesicht. Aylin, die neben Fianna ging, hatte sich so dermaßen erschreckt, dass sie hinfiel. Obwohl Emily ihr sofort wieder auf die Beine half, fing Aylin leise an zu schluchzen.

„Jungs, ihr dürft euch nicht einfach aus der Gruppe entfernen und eure Klassenkameraden in Angst und Schrecken versetzen“, wies Herr Loh die Jungenbande zurecht. „Jetzt machen wir die Kerzen in euren Laternen wieder an und ihr benehmt euch wieder. Zudem kommt Jannis an meine Seite."

 

Jannis nahm seine Maske ab und bekam keinen Ton aus sich heraus. Schuldbewusst ging er den ganzen Weg neben Herrn Loh her und sagte kein Wort mehr. Aylin hatte sich wieder beruhigt, nachdem ihr Fianna und Emily ihr gut zugeredet und sich bei ihr eingehakt hatten.

„Könnt ihr uns bitte sagen, was ihr uns für ein Pulver ins Gesicht geworfen habt?", knöpfte sich Mathilda Ömer und Michael vor.

"Ha ha ha, das war doch nur Mehl", höhnte Ömer. „Da brauchst du doch nicht gleich derart in Panik verfallen."

„Für mich ist das nicht lustig, denn ich reagiere auf einige Dinge allergisch", fauchte Mathilda entrüstet.

„Psst! Seid mal kurz ruhig", wisperte ein Schüler, der direkt vor Lotta stand. In der Ferne hörten sie wirklich ein paar Wölfe heulen und Freya entdeckte ein leuchtendes gelbes Augenpaar auf einem kahlen Ast einer riesigen uralten Eiche.

„Das ist garantiert eine Schleiereule“, meinte der Förster. „Seid einen Augenblick ganz leise, vielleicht ruft sie gleich.“

Die Schüler blieben gebannt stehen. Nur eine kleine Maus hörten sie rascheln.

 

Auf dem Rückweg freute sich Lotta schon auf ihr warmes Bett, mittlerweile waren ihre Füße zu Eisklötzen geworden und ihre Nase war rot vor Kälte.

„Wir gehen sofort auf unser Zimmer, wenn wir wieder da sind“, flüsterte Kiki. Emily heftete sich unauffällig an die Fersen von Lennart, Ömer und Sven. Bei der Ankunft im Schullandheim war es halb zehn. Die Lehrer wünschten ihren Schülern eine gute Nacht und verschwanden selbst in ihren Zimmern. Die Piranhas machten sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum, um eine Runde zu kickern. Lotta folgte ihnen unauffällig, um sich zu vergewissern, dass die Piranhas auch wirklich am Tischkicker standen. Erst als Lotta merkte, dass sie vom Tussenkomitee bemerkt wurde, die auf dem Sofa neben dem Getränkeautomaten Platz nahmen, schlich sie wieder hinaus.

„Wir müssen uns beeilen, es ist zehn vor zehn“, drängelte Aylin und die Zwillinge kamen in diesem Augenblick ins Zimmer gestürmt.

 

„Gleich werden wir uns im Wandschrank im Jungentrakt verstecken. Ich denke mal, es passen dort höchstens drei von uns hinein“, erklärte Kiki ihren Freundinnen den Plan. „Ich kann freiwillig darauf verzichten, denn ich bin ziemlich müde und weiß nicht, ob ich noch in der Lage bin, um leise genug zu schleichen.“

„Ich will auf jeden Fall mitgehen“, meinte Emily. „Schließlich war es mein Juckpulver und ich will hören, wie die Fischköpfe vor Wut explodieren.“

Im Anschluss einigten sie sich darauf, dass Lotta, Annemieke und Emily sich in dem Schrank verstecken sollten. Wie Indianerinnen schlichen die Mädchen auf Zehenspitzen durch die düsteren Korridore der Herberge und hielten vor jeder Ecke inne, bevor sie weiter gingen. Lotta wagte es kaum Luft zu holen, da sie Angst hatte, auch nur das leiseste Geräusch zu machen. Ihr Herz schlug ihr vor Aufregung fast bis zum Hals.

„Ihr könnt ruhig weiter gehen!", flüsterte Emily. „Die Luft ist rein! Hier ist gerade kein Mensch." 

Vorsichtig und ganz langsam im Zeitlupentempo öffnete Annemieke die Schranktür, ohne dass sie knarrte. Zu dritt hatten sie gerade noch genügend Platz im inneren des Schrankes, allerdings war es sehr stickig und staubig.

 

Es dauerte Ewigkeiten, bis die Piranhas kamen. Lottas Handy zeigte bereits fünf Minuten nach zehn an.

„Voll geil, Jungs! Wir haben Thomas, Finn und Lukas mit 10:1 abgezockt“, prahlte Sven. Lotta wusste sofort, dass es sich hierbei um eine Tischkickerpartie handelte.

„Hier gewinnt nur der BVB, der BVB, der BVB!“, grölte Michael über den Flur.

„Halts Maul! Schalke ist tausend Mal besser“, rief Lennart. „Auf Dortmunder Schweine pissen wir!“

„Wer ist zweimal deutscher Meister hintereinander geworden?“, entgegnete ihm Michael provokant.

„Das ist nur der BVB!“, kam es zurück.

„Fußball!“, wisperte Emily verächtlich und wurde von Lotta angestupst, damit sie ruhig war.

Endlich verschwanden die Jungs in ihren Zimmern. Die Mädchen im Schrank konnten es nicht mehr erwarten. Annemieke presste ihre Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Wenig später hörten sie ein lautes und langgezogenes „Ahhhhrrrrggggg!“ von Sven.

„Er hat sich wohl in seine Federn gelegt“, flüsterte Emily und Annemieke kriegte sich vor Kichern nicht mehr ein.

„Wer hat uns diesen Mist in die Betten getan?“, brüllte Jannis. Nun bekam auch Lotta einen Lachkrampf und presste sich prompt die Hand auf den Mund.

„Ich muss sofort unter die Dusche“, rief Sven aufgebracht.

„Nein, ich gehe zuerst duschen“, hörten sie Jannis rufen.

„Dann müssen sie eben zu zweit duschen“, gickerte Annemieke.

 

 Die Mädchen verstummten wieder, als die Tür des anderen Jungenzimmers aufging und eine Person in das Zimmer der Piranhas ging.

„Wer hat mir Juckpulver auf mein Bett gestreut?“, fragte Lennart böse.

„Na, wer wohl!“, entgegnete ihm Ömer forsch. „Denk doch mal an unsere Indianerin und an diesen neuen Blondschopf.“

Lotta wusste, dass sie und Kiki damit gemeint waren.

„Rede doch nicht so einen Stuss!“, fuhr ihn Jannis an. „Die beiden waren den ganzen Nachmittag draußen und nachher haben sie im Essensraum mit einigen ihrer Freundinnen Karten gespielt.“

„Aber Kiki war nicht dabei, als sie dort Uno gespielt haben", wandte Michael ein.

„Egal! Ich gehe jetzt Frau Schellhardt suchen“, schimpfte Jannis. „Das ist ja wohl eine Unverschämtheit!“

Plötzlich kitzelte es in Lottas Nase. Jetzt durfte sie auf gar keinen Fall niesen, sonst würden die Jungs sie aufspüren und der ganze Streich wäre umsonst gewesen. Deshalb hielt sie sich die Nase zu. Nachdem die Jungs fort waren, kletterten sie aus dem Schrank und huschten zu ihrem Zimmer zurück.

 

„Na, war es erfolgreich?“, fragte Aylin gespannt. Die drei Mädchen nickten synchron und Annemieke bekam einen heftigen Lachkrampf. Ihre Freundinnen wurden ebenfalls von ihrem Lachen angesteckt und schon bald japste Lotta nach Luft.

„Schade, dass ihr nicht mitbekommen habt, wie die Piranhas ausgerastet sind“, erzählte Emily. „Jetzt wollen sie zu den Lehrern gehen und sich beschweren.“

„Wir hätten uns auch mindestens hundert Mal beschweren können“, meinte Mathilda trocken. „So oft wie sie uns schon geärgert haben, aber bis jetzt haben wir uns kein einziges Mal beschwert. Mein Gott noch mal, sind das wehleidige Memmen!“

Lotta fiel bereits jetzt auf, dass die vorlaute und ungestüme Mathilda immer das letzte Wort haben musste.

„Möchte wer? Irgendwie habe ich auf einmal einen schrecklichen Hunger“, sagte Emily und öffnete eine Tüte Gummibären, die sie ihren Freundinnen hin hielt.

 

„Hier drinnen ist es voll stickig", stand Kiki auf, drehte die Heizung auf Null und riss die beiden Fenster auf. Im nächsten Moment fuhr ein heftiger Windstoß durch das Zimmer. Emilys Colaflasche auf der Fensterbank drohte umzufallen und im nächsten Augenblick hörte Lotta ein lautes „Verdammt!".

„Was ist passiert?", sah Aylin verwundert auf.

„Ich bin ein Tollpatsch!", jammerte Emily los. „Ich wollte die Colaflasche vor dem Abflug bewahren und habe ganz vergessen, dass ich mein Notizbüchlein noch in der Hand hielt. Jetzt habe ich es aus dem Fenster geworfen."

„Oh mein Gott, Emily!", kicherte Annemieke in diesem Moment los und steckte auch ihre Zwillingsschwester und Fianna an.

„Das ist gar nicht lustig!", zischte Emily und sofort erstarb das Lachen ihrer Freundinnen wieder.

„Oh nein, unser Bandenschwur!", entfuhr es Kiki entgeistert. „Wir müssen das Büchein sofort wiederholen!"

„Aber wir dürfen nach zehn nicht mehr durch das Haus schleichen und schon gar nicht nach draußen, ohne dass wir Ärger riskieren", merkte Aylin an.

„Mir egal, ich will es mir jetzt wiederholen", raunzte Emily. „Kommt jemand mit?"

 

 

4.Kapitel: Ein Bandenname durch einen Zufall

Lotta und Mathilda beschlossen Emily bei der Suche zu helfen. Auf leisen Sohlen schlichen sie sich raus und erschraken sich fast zu Tode, als vor der Seitentür, die nicht abgeschlossen war, der Bewegungsmelder vom Scheinwerfer ansprang. Lotta und Mathilda konnten sich gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund pressen, bevor ihnen ein Schrei entfuhr.

„Meine Fresse, ich das war knapp am Herzinfarkt vorbei", wisperte Mathilda.

„Oh ja, bei mir auch", nickte Lotta. 

„Nicht reden, suchen!", zischte Emily. Dreimal mussten sie um die Ecke laufen, bis ihnen ihre Freundinnen aus einem geöffneten Fenster zuwinkten. 

„Augen auf, hier muss es irgendwo hingefallen sein!", flüsterte Emily.

„Hab es!", hob Mathilda ein kleines Buch mit einem dunkelblauen Cover auf und drückte es Emily in die Hand.

„Danke!", umarmte Emily ihre Freundin kurz.

 

Den nächsten Fund machte Lotta neben dem Gartenschuppen. Dort hob sie einen Strauß mit roten Tulpen auf.

„Was hast du da?", fragte Emily aufgeregt.

„Tulpen", erwiderte Lotta. "Rote Tulpen!"

Im nächsten Moment nahm ihr Mathilda den Strauß aus der Hand und stellte fest, dass es sieben Tulpen waren.

„Was für ein Zufall!", wisperte sie aufgeregt. „Ich glaube, ich habe unseren neuen Bandennamen."

„Lass es uns wissen!", stupste Emily sie an.

„Die Roten Tulpen", spannte Mathilda sie nicht länger auf die Folter.

„Oh mein Gott, das ist es!", war Emily ganz aus dem Häuschen und setzte zu einem Freudensprung an.

„Nun müssen auch noch die anderen damit zufrieden sein", bremste Lotta die Euphorie der beiden Freundinnen vorerst ein wenig.

„Willst du den Strauß etwa mit aufs Zimmer nehmen?", sah Emily Mathilda leicht argwöhnisch an. „Den hat doch sicherlich jemand verloren."

„Na und? Um diese Uhrzeit treibt sich doch niemand mehr hier herum, um nach ein paar verlorenen Tulpen zu suchen", entgegnete ihr Mathilda. Die drei Mädchen spekulierten kurz, wer den Strauß verloren haben könnte.

„Vielleicht der Hausmeister, der ein Date hatte", mutmaßte Lotta.

„Keine Ahnung und jetzt rein mit uns! Es wird kalt", schob Emily ihre beiden Freundinnen in Richtung der Seitentür.

 

Stolz präsentierten die drei Mädchen ihren Freundinnen den Tulpenstrauß und den neuen Bandennamen, als sie die Zimmertür hinter sich schlossen. 

„Das ist doch ein fantastischer Name, der super zu uns passt", war Annemieke ganz begeistert. „Ich liebe Tulpen und es gibt gar keine schöneren Blumen."

„Die Roten Tulpen: das ist ein toller Name für uns", fand Kiki. „Oder wie seht ihr das?"

Auch die anderen Mädchen schienen mit dem Bandennamen zufrieden zu sein. Niemand hatte etwas gegen "Die Roten Tulpen" einzuwenden und somit war die Sache geritzt. Fianna jubelte los und wurde prompt von Emily ermahnt wieder leise zu sein. Kiki wickelte die Tulpen aus dem Papier und gab jeder Freundin eine. Lotta kramte ihr Handy hevor, stellte es an eine Glasflasche gelehnt auf den Tisch, stellte einen Timer von zehn Sekunden ein und schoss somit das erste Bandenbild, auf dem sie alle eine Tulpe in der Hand hielten.

 

„Ist der Bandenschwur inzwischen auch fertig?“, fragte Mathilda aufgeregt.

„Aber natürlich haben wir ihn“, sagte Kiki mit einer Selbstverständlichkeit. „Eine Bande ohne ihr Credo ist alles andere als eine standfeste Bande. Ich muss eben mal Emilys Notizbuch haben. Ich muss eben was ändern und unseren neuen Bandennamen ergänzen.“

„Donnerlüttchen, was du so alles aus dem Hut zaubern kannst, Kiki!“, rief Mathilda bewundernd.

„Das war ich aber nicht alleine“, erwiderte ihre beste Freundin. „Aylin hat mir sehr viel geholfen. Sie kann sich viel besser mit Worten ausdrücken als ich."

„Ja, wir haben den Schwur kurz vor dem Abendessen aufgeschrieben", nickte Aylin strahlend.

„Aylin hat es wirklich drauf, denn sie hat oft die coolsten Ideen“, fügte Fianna stolz hinzu und legte ihrer besten Freundin den Arm auf die Schulter. Kiki sammelte währenddessen die Tulpen wieder ein und stellte sie in ein Weckglas, welche sie zur Hälte mit Wasser füllte.

 

„Hey, wenn wir schon eine Bande gründen, sollte es hier auch ein bisschen feierlicher sein!“, schnipste Annemieke mit ihrer Hand.

„Oh ja, da gebe ich Micky vollkommen Recht! Es könnte ruhig ein wenig gemütlicher sein“, nickte Emily.

„Coole Idee, ich hätte noch meine Lavalampe“, kletterte Aylin von Kikis Bett herunter.

„Zufälligerweise habe ich noch drei kleine Windlichter dabei“, fiel Emily ein. „Aylin, könntest du sie eben bitte aus meiner Tasche holen?“

„Ich habe auch noch eine große Kerze und ein riesiges Seidentuch, das wir aufhängen könnten“, kletterte Lotta in Windeseile die Bettleiter herunter. Aylin und sie zündeten die Kerzen an, knipsten die Lavalampe an und löschten das große Licht. Das Seidentuch befestigten sie am großen Spiegel neben der Tür zum Bad. Im Zimmer machte sich eine behagliche Atmosphäre breit.

 

„Wie wäre es mit ein bisschen Musik für die gute Stimmung?“, schlug Mathilda vor.

„Aber nur so als Hintergrundmusik“, bestimmte Kiki.

„Mögt ihr die Flowergirls?“, fragte Aylin in die Runde. „Erst vor wenigen Tagen ist ihr neues Album erschienen."

„Das ist ausgezeichnet“, fand Annemieke. Lotta fiel ein, dass sie noch die Schokomuffins dabei hatte, die sie gestern Nachmittag mit ihrer Mutter gebacken hatte. Schnell holte sie die Tupperdose aus dem Koffer.

„Okay, wir sind bereit! Jetzt kommt dein Part, Aylin!“, wisperte Kiki, als Lotta und Aylin wieder zwischen ihren Freundinnen saßen. Zu siebt hockten sie dicht gedrängt auf Kikis Bett in einem kleinen Kreis.

„Die Rote Tulpen: Das sind wir! Nicht nur beste Freundinnen, sondern auch Schwestern im Herzen. Auch im Sturm halten wir zusammen. Wie Pech und Schwefel - Das sind wir. In guten sowie in schlechten Zeiten werden wir füreinander da sein. Kein Geheimnis überschreitet die Bandengrenze und kein Streit wird uns entzweien, denn wir sind Die Rote Tulpen und einfach unzertrennlich!“, las Aylin vor.

 

Die Mädchen streckten ihre Hände zur Mitte aus, sodass sie sich berührten und wiederholten den Schwur, den Kiki in Emilys Notizbüchlein mit einem pinken Glitzerstift niedergeschrieben hatte. Anschließend spukten sich die Mädchen auf ihre Finger und rieben sie aneinander. Damit war der Schwur besiegelt und sie waren nun offziell "Die Roten Tulpen". Mathilda öffnete eine Cola-Flasche, die aus ihrem Zimmer mitgebracht hatte und ließ sie kreisen.

„Damit der Schwur auch ewig hält, besiegeln wir ihn mit meinen Muffins“, zauberte Lotta die Tupperdose hinter ihrem Rücken hervor und stellte sie in die Mitte.

„Prima, hast du sie extra für die Klassenfahrt gebacken?“, machte Annemieke große Augen.

„Jaaa, die sind alle für mich!“, leuchteten die Augen ihrer Zwillingsschwester heller als die Kerzen.

„Du Vielfraß!“, gab Kiki ihrer Freundin einen Rippenstoß.

„Genau, jeder kriegt erstmal einen“, bestimmte Lotta und fügte hinzu: „Ja, die habe ich gestern mit meiner Mutter gebacken. Das sind Schokomuffins mit Smarties.“

 

„Oh, wie lecker!“, jauchzte Fianna.

„Nein, sie sind sogar göttlich!“, sagte Emily halbvollem Mund und teilte sich einen weiteren Muffin mit Kiki.

„Lotta, kannst du mir das Rezept geben?“, bat Annemieke.

„Klar gerne!“, Lotta wurde vor Verlegenheit, dass ihre neuen Freundinnen die Muffins sehr lobten, leicht rot im Gesicht, aber dies war im Dämmerlicht der Kerzen nicht zu sehen. Des Weiteren machten die Mädchen es sich in ihren Betten bequem. Aylin und Fianna saßen in Lottas Bett und die übrigen Mitglieder der Roten Tulpen nahm auf Kikis Bett Platz. Sie teilten sich Chips und Süßigkeiten, bis Lotta fast davon schlecht wurde.

„Ich glaube, wir sollten lieber gehen“, sagte Annemieke zu ihrer Schwester, als es fast halb zwölf war. „Wir müssen Morgen früh aufstehen, weil unser Zimmer Küchendienst hat. Komm Matti!“

Mathilda murrte etwas Unverständliches und ließ sich von ihrer Schwester aus dem Zimmer führen.

 

 In dieser Nacht war Lotta so müde, dass sie sofort einschlief. Dabei fiel ihr wenige Sekunden, bevor sie einschlief ein, dass sie vergessen hatte zu duschen. Egal, das konnte sie am nächsten Tag nachholen. In der Nacht träumte sie kaum etwas, doch um kurz nach halb sieben am nächsten Morgen wurde sie durch Geräusche aus dem Nachbarzimmer geweckt.

„Wer muss sich um diese Uhrzeit föhnen?“, dachte Lotta verärgert und prompt fiel ihr ein, dass sie duschen musste. Sie schloss die Badezimmertür hinter sich ab, stellte die Dusche an und ließ das warme Wasser über ihren Rücken laufen. Sie roch an ihrem Shampoo, irgendetwas war merkwürdig. Zumindest roch es nicht gerade angenehm, sondern eher nach stinkigem Fisch.

 

Lotta hüllte sich in ihr Handtuch und ging wieder in das Zimmer zurück.

„Was ist mit meinem Shampoo los?“, fragte sie laut. Kiki und Emily wachten auf.

„Was ist denn los? Warum bist du so sauer?“, fragte Kiki verschlafen. Lotta reichte ihr das Shampoo.

„Puh, das stinkt ja wirklich“, sagte Kiki angeekelt. Plötzlich dachte Lotta an Emily, die das Juckpulver dabei hatte. Wahrscheinlich hatte sie auch weitere Scherzartikel von Zuhause mitgenommen.

„Emily, hast du damit etwas zu tun?“, fragte sie ihre Zimmergenossin verärgert.

„Warum soll ich dir dein Shampoo verderben?“, erwiderte Emily verständnislos.

„Weil du die ganzen Scherzartikel dabei hast und wer soll außer uns und den Zwillingen das Zimmer betreten haben?“, fauchte Lotta.

„Es ist unfair, dass du den Verdacht auf mich lenkst“, rief Emily aufgebracht und warf ihre dunklen Haare in den Nacken.

 

„Hört auf zu streiten!“, ging Kiki dazwischen. „Lotta, es ist wirklich nicht fair, dass du den Verdacht auf Emily lenkst. Warum sollte sie so etwas tun? Emily ist doch eine von uns.“

Plötzlich stand Fianna auf und flitzte ins Badezimmer.

„Iihhh, mein Shampoo stinkt auch nach Fisch“, rief sie wenig später. Die Mädchen schauten sich ratlos an und dann liefen sie alle ins Badezimmer. Tatsache: Auch Kikis und Emilys Shampoos rochen nach altem Fisch. Nur Aylin blieb von der Fischgestankattacke verschont, da sie ihr Duschgel noch in ihrem Koffer war.

„Ich glaube, ich spinne!“, rief Emily außer sich. „Das waren bestimmt die Piranhas, darauf wette ich!“

„Wie konnten sie in unser Zimmer kommen?“, rief Lotta fassungslos.

„Wir waren nur fünf Minuten weg, als wir den Fischköppen das Juckpulver in die Betten getan haben“, fiel Aylin ein.

„Verflixt und zugenäht, wir haben vergessen die Tür abzuschließen!“, gab Emily fluchend zu.

„Das kann doch nicht wahr sein!", schlug Kiki die Hände über den Kopf zusammen.

 

 Beim Frühstück war die schlechte Stimmung wieder vorbei. Lotta entschuldigte sich bei Emily für die falschen Anschuldigungen. Den Piranhas am Nachbartisch war nicht entgangen, dass Lotta und ihre Freundinnen sehr eng zusammen gluckten.

„Na, habt ihr Sieben auch einen Club gegründet?“, fragte Jannis spöttisch.

„Das hat einen Oberfischkopp wie dich, nicht zu interessieren“, erwiderte Kiki herablassend. 

„Seid ihr einen Prinzessinnenclub oder doch ein Hexenverein?“, wollte Lennart wissen.

Gerade als Mathilda eine bissige Bemerkung auf der Zunge lag, kam die Klassenlehrerin hinein.

 „Guten Morgen, liebe Klasse! Ich möchte euch eins sagen, gestern haben sich einige Jungen bei mir beschwert, weil ihnen irgendjemand Juckpulver in die Betten getan hat. Wir mussten um halb Elf die Betten komplett abziehen und ich möchte nicht, dass sowas noch mal vorkommt. Ich finde, solche Kinderstreiche könnt ihr euch sparen, ihr seid nicht mehr im Kindergarten“, sprach Frau Schellhardt zu ihrer Klasse. Plötzlich wurde Aylin, Emily und Annemieke ziemlich unwohl. Sie verhielten sich still und hatten kaum Appetit.

 

Nach dem Frühstück hatten die Schüler bis zum Mittagessen Freizeit. Die Lehrer erlaubten ihnen in kleinen Gruppen ins Dorf zu gehen, welches einen halben Kilometer von der Jugendherberge entfernt war. Lotta und ihre Freundinnen suchten den nächsten Supermarkt auf. Sie wollten sich ein neues Shampoo kaufen.

„In Zukunft schließen wir unser Zimmer immer ab, damit Niemand irgendwelchen Unfug anstellen kann“, beharrte Kiki, worauf ihre Zimmergenossinnen einstimmig nickten. Im Laden gingen Lotta, Fianna, Kiki und Emily in die Abteilung für Seife und Körperpflege. Alle bis auf Fianna konnten sich schnell für ein Shampoo entscheiden.

„Soll ich eins mit Lavendel-, Orangen- oder Mandelduft nehmen?“, murmelte sie. Vor ihr erstreckte sich eine große Auswahl an Shampoos und Duschgels.

„Los Carrot, entscheide dich, wir wollen hier nicht bis Ostern bleiben!“, drängelte Emily. Schließlich griff Fianna nach einem Shampoo, das nach Vanille und Mango roch. Nun mussten sie nur noch Aylin und die Zwillinge wieder finden.

 

„Sie stehen schon an der Kasse“, raunte Fianna ihren Freundinnen zu. Emily, Kiki und Lotta drehten sich um und folgten ihr.

 Aylin und die Zwillinge luden inzwischen Chips, Schokolade, Gummibärchen, Limonade, Cracker, Kekse und Eistee auf das Band.

„Ui, ist das viel!“, vor Staunen bekam Lotta große Augen.

„Wir haben noch drei Nächte vor uns und übermorgen hat Kiki Geburtstag“, meinte Aylin. Die Zwillinge grinsten, sodass sich ihre Sommersprossen kräuselten.

„Bestimmt kann sich unser Zahnarzt an die Arbeit machen, wenn wir zuhause sind. Wenigstens wird ihm nicht langweilig, wenn er uns hat“, scherzte Mathilda.

„Oh, das willst du garantiert nicht“, entgegnete ihr Annemieke kopfschüttelnd. „Ich sehe dich in der Zahnarztpraxis vor Angst aus dem Fenster springen.“

Dafür bekam sie von ihrer Schwester einen so heftigen Rippenstoß, dass sie sich am Regal hinter ihr festhalten musste.

„Passt doch auf, ihr Gören!“, ärgerte sich eine ältere Dame, denn Annemieke stieß gegen ihren Einkaufswagen.

„Kabbeln und zanken könnt ihr euch draußen“, sagte eine Frau, die ein Regal einräumte. Die Zwillinge guckten sich beschämt an.

„Entschuldigung, wir wollten Sie nicht stören“, sagte Annemieke kleinlaut und schaute schuldbewusst drein.

 

 Lotta ging mit Kiki, Aylin und Emily in mehrere Modegeschäfte. Die Zwillinge und Fianna hatten dazu keine Lust, sie saßen neben dem Brunnen auf einer Bank und teilten sich zu dritt eine Tüte gebrannter Mandeln, die sie an einer Bude neben der Gebetskirche gekauft hatten. 

„Lotta, weißt du schon, dass wir am letzten Abend eine Kostümparty haben?“, fragte Aylin.

„Das stand im Elternbrief drin und ich will mich als Gärtnerin verkleiden“, erwiderte Lotta und entdeckte ein blau-weiß kariertes Hemd, welches auf 15 € herabgesetzt war. Sie probierte es gleich darauf an und betrachtete sich im Spiegel. Es passte gut zu ihrem herzförmigen Gesicht, zu ihren grauen Augen und zu ihren mittelblonden Haaren. Sie entschloss sich, es mitzunehmen.

„Meine Güte, habt ihr lang gebraucht. Ich dachte schon, ihr wärt im Geschäft kleben geblieben oder eingeschlafen!“, neckte Mathilda ihre Freundinnen, weil sie so lange warten musste. Bei dem Blick auf die Kirchturmuhr, beschlossen die Freundinnen, den Rückweg anzutreten und kamen am zugefrorenen Dorfteich vorbei.

 

„Ich probiere kurz aus, ob das Eis mich hält! Wollen wir wetten?“, rief Mathilda herausfordernd.

„Lass das bleiben, Matti!“, schrie ihre Schwester ihr hinterher, „Eine Eiswette ist keine gute Idee. Das ist gefährlich! Du weißt überhaupt nicht ob das Eis dich hält“

Da Mathilda ein Sturkopf war, ließ sie sich nicht beirren. Nicht einmal ihr eigener Zwilling drang in dem Moment zu ihr durch. Ihre Freundinnen folgten ihr, denn sie wussten wirklich nicht, was Mathilda vorhatte. Vorsichtig setzte diese ihren linken Fuß auf das Eis. Es knackte nicht, trotzdem hielt Annemieke ihr die Hand hin. Erst als sie sich mit dem zweiten Fuß auf die Eisdecke stellte, knackte es laut und das Eis brach ein. Mathilda schrie vor Schreck auf und klammerte sich an den Arm ihrer Schwester fest.

„Das hast du nun davon, dass du so unvernünftig und leichtsinnig bist“, schimpfte ihre Schwester. „Du hättest auf mich hören sollen!“

„Jetzt habe ich ganz nasse Füße und dass auch noch bei dieser Kälte!“, jammerte Mathilda und schaute ihre Freundinnen bedrückt an. Annemieke schüttelte den Kopf und machte ihrer Schwester erneut Vorwürfe. 

„Matti ist wirklich ein Kindskopf!“, bemerkte Kiki und verdrehte die Augen. 

„Tja, wer nicht hören will, muss fühlen", zuckte Lotta mit den Achseln.

5.Kapitel: Besuch auf dem Biobauernhof

Nachdem Mathilda in das Eis eingebrochen war, gingen die Mädchen schnell zur Jugendherberge zurück. Sie wollten nicht, dass sich ihre Freundin eine Erkältung holte. Lotta und Kiki setzten sich bis zum Mittagessen in den Gemeinschaftsraum und blätterten in ihren Jugendzeitschriften. Die Piranhas standen am Tischkicker und machten einen ohrenbetäubenden Lärm.

„Gewonnen!“, schrie Jannis durch den ganzen Raum.

„Hier gewinnt nur der BVB!“, schob Michael triumphierend hinterher und Kiki verdrehte nur die Augen.

„Wen interessieren irgendwelche doofen Fußballvereine aus der Bundesliga?“, wisperte sie verächtlich.

„Mich nervt eher der Affenzirkus, den sie hier veranstalten, gegen Fußball habe ich nichts. Ich finde es sogar spannend wer deutscher Meister wird“, meinte Lotta.

„Pah, das werden doch eh fast immer die Bayern. Langsam ist daran gar nichts mehr spannend“, bemerkte Mathilda gelangweilt. Die Jungs bedienten sich während der Spielpause am Getränkeautomaten und setzten sich hin.

 

„Ich bin gespannt, wen wir von den Mädchen als erstes auf dem Bauernhof auf den Misthaufen katapultieren werden“, sagte Sven und seine Freunde schlugen sich vor Lachen auf die Schenkel. Lotta und Kiki wurden hellhörig und spitzten ihre Ohren. Auf einmal machte es einen Sinn die Fischköpfe zu beschatten.

„Wenn das eine oder andere Mädchen frech wird, helfe ich euch gerne dabei“, bot Max an, der ein Stück größer und kräftiger war als die übrigen Piranhas. Er ging ebenfalls seit wenigen Wochen in diese Klasse, nachdem er wusste, dass er mit mehreren Fünfen die siebte Klasse nicht schaffen wird und wiederholte die Klasse freiwillig. Lotta war sich bewusst, dass sie sich nachher in Acht nehmen musste. Am besten, sie sagte den anderen Mädchen Bescheid. Im nächsten Moment riss sie das Läuten der Essensglocke aus den Gedanken und die Schüler, die Tischdienst hatten, rollten die Speisen mit ihren Wägelchen herbei.

 

Heute gab es zum Mittagessen panierte Hühnchenschnitzel und Röstis mit Möhrensalat. Diesmal saß die Rote Sieben im Raum verteilt. Die Lehrer waren der Meinung, dass die Cliquen und Freundesgruppen einmal getrennt voneinander sitzen sollten. Fianna und Aylin saßen mit Max an einem Tisch.

„Karottenkopf, kannst mir bitte das Wasser reichen?“, spottete Max. Fianna wurde rot im Gesicht. Sie hasste es wie die Pest, wegen ihrer roten Haare gehänselt zu werden. Nur ihre Freundinnen durften sie bei ihrem Spitznamen "Carrot" nennen und selbst diese durften es damit nicht übertreiben.

„Nimm es dir selber, du Knallkopf!“, rief sie beleidigt. Kiki und Emily hatte ihre Ruhe. Sie saßen mit den Lehrern, Pauline und Freya an einem Tisch und unterhielten sich mit ihnen angeregt. Lotta und die Zwillinge saßen ausgerechnet mit Jannis, Sven und Michael an einem Tisch.

 

Jannis ließ die Gelegenheit nicht aus, Annemieke, Mathilda und Lotta aufzuziehen.

„Kaasköppe, Kaasköppe, Kaasköppe!“, rief er mit fipsiger Stimme. Annemieke und Mathilda wurden rot. Erst als Annemieke Jannis Ketchup in sein Glas schüttete, gab er Ruhe. Nun verteidigte Sven seinen Freund und warf Möhrenstückchen nach ihr und ihrer Schwester. Doch die Zwillinge ließen sich nicht einschüchtern und bombardierten die Jungs ebenfalls mit Möhrensalat. Lotta unterstützte ihre Freundinnen und warf ein paar Möhrenstückchen gezielt nach Jannis.

„Wenn ihr nicht sofort aufhört mit Essen zu werfen, geht ihr auf eure Zimmer!“, schimpfte die Küchenhilfe los. „Das ist nicht zu fassen, wie alt seid ihr denn?“

Lotta, die Zwillinge, Sven und Jannis erstarrten vor Schreck. Annemieke ließ ihre Gabel auf den Boden fallen. Nun stand Frau Schellhardt auf und kam zu ihnen an den Tisch. Sie sah nun gar nicht mehr freundlich aus.

„Ihr werdet nach dem Essen abräumen! Strafe muss sein und zudem möchte ich euch nicht nochmal ermahnen müssen. Habe ich mich da klar ausgedrückt?“, sagte sie eindringlich und ging zu ihrem Platz zurück. Lotta war inzwischen der Appetit vergangen, lustlos stocherte sie in ihrem Essen rum und ließ ein Drittel des Hähnchenschnitzels liegen.

 

„War das peinlich!“, dachte sie missmutig und ärgerte sich, dass sie mitgemacht hatte. Jannis aß inzwischen sein drittes Schnitzel. Die Zwillinge luden sich je ein weiteres Schnitzel auf ihre Teller. Ihnen war genauso wenig der Appetit vergangen wie Jannis. Als die anderen Schüler auf ihre Zimmer gegangen waren, räumten Lotta und ihre Tischgenossen das Geschirr ab und stellten es auf den Wagen. Anschließend gingen sie ebenfalls auf ihre Zimmer, aber viel Zeit blieb ihnen nicht. Um zwei Uhr sollte sich die Klasse im Foyer treffen. 

„Heute bitte keine Konfrontation mit den Piranhas mehr, okay!“, sagte Kiki eindringlich. „Ich glaube, es reicht für heute. Ich habe keine Lust, dass uns Frau Schellhardt weiterhin anzählt.“

Lotta nickte stumm und schloss die Zimmertür hinter sich. Aylin und Fianna lagen in ihren Betten und blätterten in ihren Zeitschriften. Emily hörte Musik mit ihrem MP3-Player und sang laut mit. Fianna warf ein Kissen nach ihr und rief: „Verschone uns mit deinem scheußlichen Gesang! Es hört sich fürchterlich an.“

Emily schwieg etwas beleidigt. Lotta suchte währenddessen nach ihren Wanderschuhen in ihrem Koffer. Sie lagen unter einem Haufen Wäsche begraben, da Lotta zu faul war, um ihre Kleider in den Schrank zu hängen.

 

Plötzlich platzte Mathilda in ihr Zimmer. 

„Hat jemand noch ein paar Schuhe für mich?", fragte sie halb panisch. „Da ich vorhin ins Eis eingebrochen bin, stehen meine Schuhe auf der Heizung und müssen erst trocknen. Ich brauche dringend trockene Schuhe, sonst muss ich gleich hier bleiben."

„Hast du kein Paar Wechselschuhe dabei?", sah Fianna sie stirnrunzelnd an. 

„Nein, Micky und ich haben nur unsere Outdoor-Winterstiefel dabei, die wir letzte Woche zusammen mit Mama gekauft hatten", schüttelte ihre Freundin den Kopf. 

„Welche Größe hast du?", wollte Lotta wissen. 

„38", erwiderte Mathilda. 

„Du hast Glück, dass wir beide die gleiche Größe haben. Ich kann dir gerne meine Schuhe leihen, denn ich wollte mir jetzt die Wanderschuhe anziehen", meinte Lotta. 

„Deine Schuhe sehen echt schickimicki aus mit dem ganzen Glitzerkram dran, aber besser als auf Socken unterwegs zu sein. Trotzdem tausend Dank, Lotta!", sah Mathilda sie erleichtert an. 

 

 Der Bauernhof lag nur zwei Straßen weiter von der Jugendherberge entfernt und daher war es kein weiter Fußmarsch. Auf dem Weg dort hin, machten sich Jolanda und Saskia vom Tussenkomitee sich über die Zwillinge lustig, die direkt vor ihnen liefen.

„Was tragen Annemieke und Mathilda mal wieder für babyhafte Klamotten? Seht euch mal die bunten Flicken auf ihren Hosen an, damit laufen nur Clowns im Zirkus rum!“, lästerte Jolanda halblaut, worauf ihre drei Freundinnen leise kicherten.

„Oh ja, richtig dämlich sehen sie aus! Vor allem ihre Zipfelmützen, so eine hatte ich zuletzt im Kindergarten“, klang Saskia herablassend.

„Ich verstehe auch nicht, wie man so herumlaufen kann! Offenbar brauchen sie einen Stylingberater!“, wisperte Tanja. Wieder brachen die Zicken in Gelächter aus.

„Wisst ihr was, ihr bräuchtet mal einen vernünftigen Kleidungsexperten!“, räusperte sich Kiki. „Sonst würdet ihr nicht mit euren zwölf Jahren so herum laufen, als würdet ihr auf den Strich gehen.“

„Ich bin immerhin schon vierzehn und ich bin entsetzt, mit welchen Kleinkindern ich teilweise konfrontiert werde“, sagte Tanja schnippisch.

„Und das nur, weil du so dämlich bist und zwei Klassen wiederholt hast“, warf ihr Fianna vorlaut an den Kopf und erntete einen bitterbösen Blick von ihrer Klassenkameradin.

„Meine Güte, muss das ständige Gezicke sein?“, rollte Aylin mit den Augen, die zwischen Fianna und Emily ging.

 

Währenddessen spotteten die Mädchen vom Tussenkomitee immer weiter über Annemieke und Mathilda. Lotta wunderte sich, warum sich die sonst so kecken Zwillingsschwestern nicht wehrten.

„Macht euch nichts aus dem hohlen Geschwätz!“, legten sie den beiden Schwestern von hinten die Hände auf die Schultern.

„Hä, was hast du gesagt?“, drehte sich Mathilda leicht irritiert zu ihr um und zog sich einen Kopfhörer heraus, sodass sie mit Lotta reden konnte.

„Hast du nicht mitbekommen, dass sich die Tussen über euch lustig machen?“, runzelte Lotta die Stirn.

„Na und? Mir doch egal, mich interessiert das dumme Gelaber nicht. Ich höre Musik und muss mir den Mist nicht anhören“, zuckte Mathilda gleichgültig mit den Achseln. Annemieke kniff währenddessen ihre Lippen zusammen. Lotta merkte sehr schnell, dass sie diejenige von den Zwillingen war, die deutlich sensibler war und sich schneller Beleidigungen zu Herzen nahm.

 

Bevor Lotta Jolanda am Ärmel packen konnte, hatte die Oberzicke Annemieke die Mütze vom Kopf gerissen und auf den dreckigen Boden gerissen.

„Hey, was soll das?“, wütend und entrüstet drehte sich Annemieke mit einem puterroten Gesicht um. Nun lachten zu allem Überfluss auch die Piranhas.

„Lass dich nicht von diesen ganzen Schwachköpfen ärgern!“, legte Emily kurz ihre Hand auf Annemiekes Schulter, nachdem diese ihre Mütze wieder aufgehoben hatte.

„Genau, am besten ignoriert ihr diese Ziegen“, hakte sich Lotta bei den Schwestern ein.

„Das tun wir doch sowieso schon!“, verdrehte Mathilda leicht genervt die Augen und riss sich wieder von ihr los. Gerade als sich Jolanda und ihre Freundinnen die nächsten gemeinen Bemerkungen ausdachten, schubste Kiki sie ohne Vorwarnung zur Seite, sodass Jolanda und Saskia in eine tiefe Pfütze traten.

„Kannst du nicht aufpassen? Wegen dir habe ich dunkle Spritzer auf meiner hellen Leggins!“, funkelte Jolanda sie wütend an.

„Vielen Dank auch! Wegen dir habe ich nasse Füße“, beschwerte sich Saskia.

„Das habt ihr davon, wenn ihr eure dumme Tussenfresse nicht halten könnt“, grinste Kiki schadenfroh.

„Können wir endlich mit den ganzen Sticheleien aufhören?“, murrte Aylin.

„Ich bin dabei“, nickte Emily. „Langsam reicht es!“

 

Kurz darauf durchquerten sie das Hoftor, wo auf sie ein Mann mitte vierzig wartete.

„Guten Tag, ich bin Andreas Hußmann der Eigentümer dieses Biohofes und werde euch mit auf einen Rundgang nehmen“, stellte er sich kurz vor. Bauer Hußmann führte die Klasse in eine große Scheune. Lotta schaute sich besorgt um, ob dort ein Misthaufen war. Sie wollte nicht gleich als Erste in einem Misthaufen landen. Stattdessen stand ein großer Trecker vor ihnen und viele der Jungs bekamen große Augen. Thomas stellte noch einige Fragen zu Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Geräten. Lotta fing an sich zu langweilen, sie wollte endlich die Tiere sehen. Doch zuvor kletterten sie die Leiter zum Heuboden hinauf und Finn probierte aus lauter Neugier den Lastenaufzug aus.

„Dieser Aufzug wurde früher benutzt, als es noch keine elektrischen Maschinen gab“, erklärte der Bauer. „Bei jeder Ernte half uns der Aufzug dabei, Heu und Stroh auf den Boden zu bringen.“

 

Als nächstes ging es in den Schweinestall. Einige Mädchen rümpften ihre Nasen und Jolanda hielt sich ihre zu.

„Die Piranhas sind zwar Fischköpfe und gehören ins Meer, aber hier könnte man sie auch artgerecht halten“, grinste Annemieke. Einige ihrer Mitschüler starrten sie erstaunt an, solche Sprüche waren sie nur von ihrer Zwillingsschwester gewohnt. Aber heute hatte sich Annemieke vorgenommen, alle ihre Klassenkameraden zu verblüffen. Genauso Mathilda, denn sie spielte das brave Lamm und verkniff sich alle ihre spöttischen Bemerkungen, die ihr mit Leichtigkeit einfielen. Um die Irritation ihrer Klassenkameraden perfekt zu machen, hatten sie sogar heimlich hinter dem Futtersilo ihre Jacken und Mützen getauscht.

 

Nebenan war der Hühnerstall. Lotta ärgerte sich, dass sie gleich in Hühnerkot trat. Bauer Hußmann erlaubte den Schülern seine Hühner zu füttern. Jannis warf eine Handvoll Hühnerfutter nach Lotta und Kiki. Als Revanche stellte Kiki ihm bei der nächsten Gelegenheit ein Bein, als die Erwachsenen nicht hinsahen. Jannis fiel hin und ärgerte sich darüber, dass Hühnerkacke an seiner Hose klebte. Annemieke konnte sich ein lautes Kichern nicht verkneifen, während ihre Schwester versuchte ernst zu bleiben und sich auf ihre Lippe biss.

„Dieser Fleck auf deiner Hose, Jannis?“, fragte Annemieke ihren Klassenkameraden voller Belustigung. „Öhm, ist das so gewollt? Ich muss ja sagen, das sieht echt klasse aus!“

Jannis wurde puterrot im Gesicht. 

„Ich werde noch dafür sorgen, dass du im hohen Bogen in den Misthaufen fliegst, Mathilda!“, schnaubte er vor Wut und versuchte mit einem Taschentuch seine Hose zu säubern.

 

Mathilda musste die Luft anhalten, um nicht laut los zu lachen. Bis jetzt klappte ihr Rollentauschspiel und sie wollte es nicht verderben, wo es gerade so viel Spaß machte, ihre Mitschüler zu irritieren. „Mensch Matti, musst du immer so fiese Bemerkungen gegenüber Jannis raus hauen?“, ermahnte Mathilda ihre Schwester neckend.

„Wer ist wer? Hilfe, ich kann die Kaasköppe nicht mehr auseinander halten“, sagte Jannis verwirrt. Danach ging es zu den Kühen. Links und rechts vom Mittelgang aus gesehen, standen sie in ihren Ställen und fraßen Heu. Bauer Hußmann erzählte interessante Dinge über die Wiederkäuer. Während Lotta aufmerksam zuhörte, bewarf Annemieke Max, Michael und Ömer mit Heu.

„Da ist der Misthaufen!“, raunte Ömer und zeigte zum anderen Ende des Stalles.

„Kleine, freche und ungezogene Mädchen wie du gehören dahin, Mathilda!“, zischte Michael.

„Das sehe ich ganz anders“, erwiderte Annemieke frech. „Fischköppe, wie ihr fühlen sich in einem warmen Misthaufen zuhause.“

Das reichte Max, er krallte sich Annemieke, nahm sie auf die Schulter und rannte mit ihr durch den Stall.

„Lass mich sofort runter!“, schrie Annemieke wie am Spieß und zappelte dabei.  

 

Im nächsten Augenblick landete sie im Misthaufen und kreischte vor Entsetzen auf.

„Hey! Was soll das hier!“, rief Frau Schellhardt böse. „Ich glaube, mein Schwein pfeift! Max, geh hin und entschuldige dich sofort bei ihr!“

Annemieke kam mit einem roten Gesicht zurück. Ihr traten die Tränen in die Augen. Lotta sah ihr an, dass ihr das Rollentauschspiel keinen Spaß mehr machte. Mathilda, die das Ganze mit ihren Augen gesehen hatte, tröstete ihre Schwester und nahm sie kurz in den Arm.

„Jetzt sehe ich garantiert aus, wie ein Schwein“, jammerte Annemieke niedergeschlagen und Mathilda klopfte sie von allen Seiten ab. Frau Schellhardt hielt eine minutenlange Standpauke vor der Klasse. 

„Bei der Nachtwanderung haben ein paar Jungs einigen Mädchen Angst eingejagt, gestern Abend hat Jemand ein paar Jungs Juckpulver in die Betten getan, heute Nacht wurde in einem Zimmer bis zwei Uhr nachts Musik gehört, vorhin haben sich einige Schüler sich gegenseitig mit Essen beworfen  und gerade eben fliegt eine Schülerin in den Misthaufen. Was soll das? Nur weil ihr nicht in der Schule seid, braucht ihr nicht zu denken, dass ihr gegen alle Regeln verstoßen könnt. Noch ein Regelverstoß und wir fahren nach Hause. Mit so einem Verhalten können wir uns nirgendwo blicken lassen“, schimpfte die Klassenlehrerin.

 

Alle Schüler schwiegen peinlich berührt. 

„Warum bestrafen Sie die ganze Klasse?“, sagte Pauline weinerlich und wischte sich die Tränen weg. „Freya, Jule, Sina und ich haben uns nichts zu Schulden kommen lassen. Die Klassenfahrt war gerade so schön, aber nur weil sich manche Jungs und Mädchen sich nicht benehmen können, steht die gesamte Fahrt auf dem Spiel.“

„Pauline, hör auf zu heulen!“, flüsterte Fianna verächtlich, aber Pauline hörte es zum Glück nicht.

„Bei einigen Vorkommnissen kann ich noch nicht mal genau sagen, wer es war. Ich warne euch eindringlich: Passiert noch eine Sache, fahren wir heim!“, redete Frau Schellhardt ihren Schülern ins Gewissen. Eine schwermütige Stimmung breitete sich unter den Schülern aus und nun wurde kein Wort mehr gesagt. 

 

„Ich habe noch eine niedliche Überraschung für euch“, verkündige Bauer Hußmann. „Vor neun Tagen wurde die ersten beiden Zwillingslämmer des Jahres geboren. Ich kann sie euch gerne zeigen. Wir haben ihnen die Namen Lissy und Nina gegeben.“

Die Gesichter der Schüler hellten sich wieder auf. Gemeinsam gingen sie in den Schafsstall, wo die Klasse von einem freudigen Blöken begrüßt wurde. Das Mutterschaf und ihre beiden Lämmchen waren von den anderen Schafen getrennt in einer Ablammbox untergebracht.

„Sie sind so niedlich!“, schwärmte Jolanda und zeigte zum ersten Mal ihre Begeisterung für die Tiere.

„Dürfen wir die Lämmchen auf den Arm nehmen?“, fragte ihre beste Freundin Saskia.

„Ihr könnt sie kurz auf den Arm nehmen, aber nur kurz. Für die kleinen Schäfchen ist das auch ein wenig stressig“, meinte der Bauer.

 

Frau Schellhardt bestimmte fünf Schüler, die mit Bauer Hußmann in die Ablammbox gehen durften. Beide Lämmchen lagen im Stroh, aber sie schliefen nicht. Bauer Hußmann nahm ein Lamm hoch und gab es Lotta. Es war leicht und fühlte sich ganz weich an, Lotta wollte es am liebsten gar nicht mehr hergeben.

„Darf ich es auch einmal haben?“, fragte Mathilda und nahm Lotta das kleine Tier aus dem Arm. Doch das Lämmchen fing auf Mathildas Arm an zu strampeln und plötzlich ließ sie es mit einem kurzen Aufschrei fallen.

„Was ist passiert?“, fragte Thomas irritiert, der sich zwischen Lotta und Kiki durchgedrängelt hatte.

„Es hat nur gekackt, aber es hat mich zum Glück nicht getroffen“, sagte Mathilda erleichtert. Das Lämmchen lief zu seiner Mutter und fing an zu trinken. Bald setzte Jolanda das zweite Lamm wieder auf den Boden, welches ebenfalls zu seiner Mutter lief und seinen Durst stillte.

 

 Am Ende gab es noch ein weiteres Highlight für die Schüler, jeder Schüler durfte eine Runde auf dem Sandplatz reiten. Jannis wankte her und her und bemühte angestrengt das Gleichgewicht auf dem Pferderücken zu halten.

„Er hängt wie ein Mehlsack vom Pferd“, lästerte Lotta. Sie ritt schon seit einigen Jahren und würde demnächst wieder Reitunterricht in Freudenburg nehmen. Pauline hatte als einzige von den Mädchen Angst auf das Pferd zu steigen und musste erst von Freya überredet werden. Danach kam Kiki an die Reihe, sie saß kerzengerade auf dem Pferderücken und ritt wie eine Indianerin.

„Hast du schon mal Reitunterricht genommen?“, fragte Lotta ihre Freundin.

„Emily, die Zwillinge und ich nehmen jeden Freitagnachmittag seit zwei Jahren Reitunterricht bei Emilys Tante Rachel“, erzählte Kiki. Lottas Augen wurden vor Begeisterung ganz groß.

„Ich reite seit ich sechs Jahre alt bin und habe schon dreimal an Turnieren teilgenommen“, sagte sie begeistert. „Wir werden Emilys Tante fragen, aber ich denke, dass du nächsten Freitag einmal mitkommen kannst. Lass uns mit Emily nachher darüber reden“, meinte Kiki. „Ich denke, es wird bestimmt klappen.“ 

Lotta sprudelte innerlich vor Freude.

„Meine Eltern werden es mir sicherlich erlauben“, jubelte sie und fiel Kiki um den Hals.  

 

Nach dem Reiten war der Besuch noch nicht beendet. Die Frau von Bauer Hußmann hatte für die Gäste fleißig gebacken und einen leckeren Vanillepudding gekocht. Zum Abschluss lud sie die ganze Klasse zum Kaffeetrinken ein. In der Diele waren zwei lange Tische aufgebaut, an denen die Schüler und Lehrer Platz nahmen.

"Komm hier her!", winkte Kiki Lotta zu sich. Bei Kuchen, Kakao und Pudding ließen sie den Nachmittag in Ruhe ausklingen. Die Mitglieder der Piranhas und der Roten Tulpen verhielten sich friedlich, ohne sich gegenseitig zu provozieren. Ihnen schmeckte der Kuchen und der Pudding viel zu gut, um sich gegenseitig mit kleinen Nadelstichen die Stimmung zu vermiesen.

6.Kapitel: Ein aufregendes Abenteuer in der Bärenhöhle und ein Schock für Emily

Nach dem Besuch auf dem Bauernhof war weder den Piranhas noch den Roten Tulpen zu Streichen und Bandenrivalitäten zumute. Lotta und ihre Freundinnen spielten im Aufenthaltsraum bis halb neun Rundlauf an der Tischtennisplatte. Sogar Jolanda und Saskia ließen sie mitspielen und erstaunlicherweise kamen weder von Jolanda noch von Kiki und Mathilda bissige Bemerkungen. Normalerweise konnten besonders Kiki und die Zwillinge das Tussenkomitee nicht besonders leiden. Zu ihrer Überraschung bot Jolanda ihnen sogar etwas von ihren spanischen Orangenkeksen an. Die Zwillinge boten ihnen im Gegenzug ein niederländisches Teegbäck an. Jannis, Max und Sven spielten mit Pauline, Freya und Jule am Tischkicker. Der Rest der Klasse stand am Billardtisch. Die Lehrer saßen in der Sofaecke und tranken einen Espresso. 

 

Als Lotta eine Fanta am Automaten zog, bekam sie mit, wie sich die beiden Lehrer unterhielten.

„Meinetwegen könnte jeder Abend so entspannt und friedlich sein“, meinte Frau Schellhardt und strich ihre braunen Haare zurück.

„Du hast Recht, Christiane“, sagte Herr Loh. „Seit dem Ausflug auf dem Bauernhof ist nichts mehr vorgefallen. Sie scheinen sich nun am Riemen zu reißen.“

„Ich bin gespannt, wie morgen die Besichtigung der Bärenhöhle verläuft“, erwiderte die Klassenlehrerin. „Vor allem dort ist es wichtig, dass sich die Schüler vernünftig verhalten, denn ich habe keine Lust stundenlang nach vermissten Schülern zu suchen und das auch noch im Dunkeln.“

„Darauf verzichte ich auch gerne", meinte ihr Kollege.

 

Am nächsten Tag stand eine lange Wanderung an und deshalb hasste Lotta diesen Tag schon vornherein. Sie mochte es nicht, stundenlang mit halbabgefrorenen Füßen bei Minusgraden durch den Wald zu laufen und noch mehr verabscheute sie dunkle Höhlen. Jedes Mal bekam sie in dunklen und engen Räumen Platzangst. In einer dunklen und muffeligen Höhle würde es noch schlimmer werden als in einem engen Raum. Still lief sie neben Emily und Fianna her und brachte kein Wort aus sich heraus. Nur Mathilda und Annemieke freuten sich offensichtlich auf die bevorstehende Höhlenexkursion.

„Vielleicht werden wir wirklich einen richtigen Bären sehen“, sagte Mathilda aufgeregt zu ihrer Schwester und mimte einen furchteinflößenden Grizzly. Annemieke lachte kurz auf, tippte sich gegen ihre Stirn und sah ihre Schwester verächtlich an.

„Hahaha, das glaubst du wohl nicht im Ernst, Schwesterherz!“, spottete sie. „Wir werden höchstens ein paar schlafende Fledermäuse sehen und das wars!“

„Schade, ich habe mich auf mehr gefreut“, murrte Mathilda und machte ein langes Gesicht.

 

Nach zwei Stunden Waldwanderung waren sie da, die Klasse wartete vor einem Kassiererhäuschen und Lotta starrte missmutig auf das große Schild über dem Eingang zur Höhle. Im Gegensatz zur Jugendherge lag hier ein wenig Schnee. Lotta wusste, was einige Höhenmeter bereits ausmachten und gefühlt lag die Höhle 500 m höher als die Herberge. Hier war der Wind wesentlich rauer und eisiger als weiter talabwärts.

„Die Höhle heißt ja wirklich Bärenhöhle!“, bemerkte Emily und zeigte auf das Schild.

„Soll sie doch von mir aus!“, grummelte Lotta. „Aber das wird nichts daran ändern, dass ich dunkle Höhlen wie die Pest hasse.“ 

Am liebsten würde sie vor dem Eingang stehen bleiben und keinen Schritt weiter gehen, aber andererseits wollte sie auch nicht als Angsthase dastehen. Ein junger Mann und eine Frau kamen auf sie zu.

„Guten Morgen, mein Name ist Lutz und das ist meine Kollegin Patricia. Wir bieten seit einigen Jahren Erkundungstouren in der Bärenhöhle an und heute wollen wir euch ein paar Tiere zeigen, die in der Höhle leben und überwintern“, begrüßte der junge Mann mit den struppigen aschblonden Haaren die Klasse.

„Wir werden heute vor allem Fledermäuse sehen, die in der Bärenhöhle ihren Winterschlaf halten“, fuhr seine Kollegin Patricia fort. „Wir bitten euch darum, dass ihr in der Höhle leise seid und zusammenbleibt. Es gibt Stellen, die glatt sind und an denen man leicht abrutschen kann. Haltet euch deswegen durchgehend rechts am Geländer fest.“

 

Die Klasse wurde in zwei Gruppen aufgeteilt. Lotta, die Zwillinge und Kiki waren in der ersten Gruppe und gingen mit Lutz und Frau Schellhardt durch den Höhleneingang. Lotta fühlte sich zunehmend unwohler und griff nach Kikis Hand. Zwar hatte jeder Schüler eine Taschenlampe, aber die Dunkelheit umgab sie von allen Seiten. Lotta zuckte zusammen als Wassertropfen von der Decke auf ihre Haare tropften. Tiere konnten sie noch nicht entdecken, aber dafür sah sie eine hässliche braune Nacktschnecke an der Wand hoch kriechen.

„Wenn ihr an die Decke schaut, werdet ihr viele Fledermäuse entdecken. Sie hängen im Schlaf kopfüber von der Decke und haben sich in ihre Flügel eingewickelt“, erzählte Lutz und leuchtete mit seiner Taschenlampe an die Decke. Tatsächlich, dort hingen mindestens hundert schlafende Fledermäuse an der Decke.

„Mir wäre es lieber, wenn sie uns um die Köpfe fliegen würden“, meinte Mathilda und flatterte dabei kurz mit ihren Armen, als wollte sie selbst in die dunklen Gänge entschweben wollen.

 

Die Gruppe ging weiter. Jetzt wurde der Gang schmaler und steiler. An der rechten Felswand gab es ein Geländer zum Festhalten. Trotzdem waren besonders die von Moos bedeckten Stellen besonders rutschig und jeder musste höllisch aufpassen. Lotta, die am Ende der Gruppe lief, fiel auf, dass ihr Handy aus der Tasche gefallen sein musste und ging ein Stück zurück. Glücklicherweise lag es einige Meter hinter ihr unversehrt auf dem nasskalten Höhlenboden. Sie steckte es wieder hastig in ihre Jackentasche und schaute auf. Bis auf den Kegel ihrer Taschenlampe war es stockduster. Zu ihrem Schrecken war sie ganz allein. Großer Mist! Lotta wollte schreien, doch ihre Stimme versagte beinahe und deshalb brachte sie nur ein leises und schwaches "Wo seid ihr?" aus sich heraus. Verdammt! Niemand schien sie zu hören. Zu allem Überfluss wurden die Gänge immer enger und unbequemer. Lotta blieb zitternd stehen und war den Tränen nahe. Zu ihrem Entsetzen konnte sie niemanden mehr sehen.

 

„Lotta, wo bist du?“, zischte Jemand. Es war Kiki. Für einen Moment atmete Lotta erleichtert auf, aber dann packte sie die Angst. Panisch rannte sie in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

„Warte! Bleib stehen!“, rief Kiki. „Bist du nun völlig verrückt geworden?“

Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihrer Freundin hinterher zu laufen. Sie war eine gute Läuferin und hatte Lotta bald eingeholt.

„Wir müssen zum Eingang zurück!“, raunte sie Lotta zu. „Die Gruppe werden wir niemals wieder finden.“

Lotta und Kiki hielten sich an den Händen fest, denn sie wollten sich auf keinen Fall verlieren. Plötzlich hörten sie Jemanden aus der Ferne rufen.

„Wer war das?“, wisperte Lotta voller Angst.

„Ich weiß es auch nicht!“, flüsterte Kiki. „Lasst uns in die Richtung gehen, aus der wir gekommen sind.“

„Hilfe!“, schrie eine verzweifelte Stimme und das Echo antwortete mehrmals.

 

„Hilfe, Hilfe, Hilfe! Warum hört mich niemand!“, wiederholte die Person verzweifelt. Lotta und Kiki gefror das Blut in den Adern und beide hielten sich gegenseitig an den Schultern fest. Das Rufen verstummte wieder und die Mädchen atmeten erleichtert auf. Vorsichtig tasteten sie sich vorwärts. Auf einmal rutschte Lotta weg und verlor den Boden unter ihren Füßen. Es war so als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie spürte nur noch einen dumpfen Aufprall. Einen Moment lag sie wie gelähmt auf dem Boden.

„Lotta! Bist du verletzt?“, hörte sie Kiki panisch rufen. Lotta erwachte aus ihrer Starre. Vor Angst und Wut fing sie an zu heulen.

„Lotta!“, schrie Kiki außer sich und ihre Stimme überschlug sich vor Angst.

„Ich bin in einen Spalt gefallen. Wie soll ich jemals hier raus kommen?“, rief Lotta schluchzend und rappelte sich auf, wobei sie stark zitterte und fast wieder zusammensackte.

 

Sie war geschätzte drei Meter tief in eine Spalte gestürzt, doch zum Glück war sie auf ein Moospolster gefallen, sonst hätte sie sich wahrscheinlich übel verletzt. Nur eine blutige Schramme hatte sie an ihrer linken Hand und ihre Seite tat weh, sonst war nichts. Ratlos stand sie vor der glitschigen Wand. Handyempfang gab es hier unten auch nicht, also konnte sie noch nicht einmal ihre Lehrer anrufen.

„Kiki, was mache denn nun? Ich komme hier doch niemals alleine wieder raus“, rief sie mit tränenerstickter Stimme, als sie die steile Wand vor sich sah. Im nächsten Augenblick hörte sie Jemanden leise und bitterlich weinen, aber es war nicht Kiki. Denn Kiki stand oben und leuchtete in die Höhle, in die Lotta gefallen war. Lotta drehte sich verwirrt um und sah im Licht von Kikis Taschenlampe eine Person, die zusammengekauerte am Boden lag.

 

Erst als sie die blonden Locken sah, wusste sie, um wen es sich hier handelte.

„Annemieke!“, rief sie überrascht und hörte auf zu weinen. Das Mädchen rührte sich nicht und schluchzte leise. Lotta ging auf sie zu und berührte sie am Arm.

„Nein, ich bin Mathilda, Lotta! Ich bin vorhin auf Moos ausgerutscht und bin in die Tiefe gestürzt. Nun komme ich hier nicht raus und mein Handy hat keinen Empfang“, sagte Mathilda heiser. Erst jetzt sah sie, dass Kiki oben auf dem Felspodest stand.

„Oh mein Gott, Kiki! Du bist es! Du bist gekommen, um mich aus dieser fürchterlichen Höhle zu holen!“, es dauerte einen Moment, bis Mathilda ihr Glück begriff und jubelnd aufsprang. Erleichtert fiel sie Lotta in die Arme und fing vor Erleichterung wieder an zu weinen.

„Kiki ist mir nur gefolgt, weil ich in diesen engen, dunklen Gängen Panik bekam und einfach nur noch ans Tageslicht wollte“, sagte Lotta und schüttelte dabei den Kopf und bat Kiki, dass sie Hilfe holen sollte.

„Ich traue mich nicht mich vom Fleck zu rühren. Ich will mich hier auf keinen Fall verlaufen“, antwortete ihnen Kiki.

„Du musst es versuchen, Kiki! Bitte!“, schrie Mathilda verzweifelt und brach beinahe wieder in Tränen aus. Lotta sah, dass auch Kiki, die über ihnen am Abgrund stand, den Tränen nahe war.

 

 „Mir ist es gerade wieder eingefallen! Es sind oben an den Wänden ab und zu Wegweiser mit Pfeilen angebracht, die zum Ausgang weisen", sagte Mathilda auf einmal.

„Ok, gut zu wissen. Ich gehe schon los und hole Hilfe!", nahm Kiki all ihren Mut zusammen. 

„Aber pass auf, dass du dich nicht verirrst", gab ihr Lotta besorgt auf den Weg. 

„Mach dir keine Sorgen! Ich kann Fährten lesen und außerdem habe ich schon mehrfach meinen Weg aus einem stockfinsteren Wald gefunden. Notfalls helfen mir die Wegweiser", beruhigte Kiki Lotta. Dann machte sich diese alleine mit ihrer Taschenlampe auf dem Weg. 

„Ich will hier auch nur noch raus“, murmelte Lotta. 

 „Ich auch, obwohl ich Schiss vor der Standpauke habe, die mich gleich erwarten wird, weil ich mich davongestohlen habe. Wenn meine Eltern noch mehr Beschwerden über mich hören, wird mein Taschengeld nur noch mehr gekürzt. Du musst wissen, ich habe es in der letzten Zeit ein wenig mit Streichen und Scherzen übertrieben", sah Mathilda niedergeschlagen aus. Lotta und Mathilda legten sich gegenseitig die Arme um die Schultern. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu warten und es dauerte eine Ewigkeit, bis sie endlich vertraute Stimmen vernahmen. 

 

„Carlotta und Mathilda, hört ihr mich?", vernahmen sie Herr Lohs Stimme. 

„Ja, wir können Sie deutlich verstehen, Herr Loh", antwortete Lotta. 

„Gut! Kristina teilte mir mit, dass ihr nicht ernsthaft verletzt seid", sagte der junge Lehrer, als er das Seil für die Rettung vorbereitete. Nun tauchten auch Patrick, Michael und Lennart auf dem Felspodest auf, die ihm bei der Rettungsaktion helfen sollten. 

 „Geh du zuerst", ließ Mathilda Lotta den Vortritt. So fest, wie sie nur konnte, umklammerte diese das Seil mit ihren Händen und Beinen. Rasch zogen Herr Loh und drei Jungs Lotta hoch. Lennart streckte seine Hand aus, die sie dankbar ergriff. Glücklich stand sie mit ihren Füßen auf festem Boden und umarmte Kiki vor Freude. Nun wurde Mathilda gerettet. Sie wurde ebenfalls hochgezogen, aber sie kletterte auch ein Stück eigenhändig und die Jungs mussten ihr nur auf den letzten Metern helfen. Geschafft! Kiki und Lotta schlossen Mathilda mit in ihre Umarmung ein.

„Christiane, wir haben die vermissten Mädchen endlich gefunden und gerettet“, sprach Herr Loh in sein Walkie-Talkie. „Wir gehen sofort zum Ausgang zurück.“ 

Draußen war es trotz des bewölkten Himmels so hell, sodass Lotta ihre Augen zusammen kniff. Die Gruppe mit Frau Schellhardt und Lutz war noch nicht da. Kiki, Lotta und Mathilda setzten sich auf einen flachen Stein und nahmen einen Schluck Wasser aus ihren Flaschen.

 

„Matti, da bist du endlich!“, rief Annemieke erleichtert. „Ich hatte so eine immense Angst um dich, wir haben ständig nach euch gerufen und euch gesucht.“

In Tränen aufgelöst umarmte sie ihre Schwester ganz fest und ließ sie ein paar Minuten nicht mehr los.

„Du brauchst doch nicht zu weinen, Micky!“, meinte Matilda lässig. „Aus der Höhle wäre ich irgendwie wieder heraus gekommen.“

„Matti, du nimmst deinen Mund zu voll“, gab Kiki ihren Senf dazu. „Ich hab doch mitbekommen, dass du in der Höhle gesessen und wie ein Schlosshund geheult hast.“

„Bitte mach so etwas Unvernünftiges nicht noch einmal“, flehte Annemieke und sah ihre Schwester streng an.

„Nein, ich werde mich in Zukunft vernünftiger verhalten“, meinte Matilda kleinlaut. „Es war meine Schuld, dass ich in eine tiefer gelegene Höhle gefallen bin, ich hätte nicht so leichtsinnig sein dürfen. Aber ich wollte unbedingt sehen, was in der Höhle so schön glitzert und dann bin ich näher ran gegangen. Plötzlich bin ich ausgerutscht und gestürzt. Ich habe mich nicht richtig verletzt, außer dass mir mein Knie wehtut und ich eine Schramme an meiner Hand habe.“ 

Ein kleines Donnerwetter blieb Mathilda und Lotta trotzdem nicht erspart, da sie sich unerlaubt von der Gruppe entfernt hatten.

 

Auf dem Rückweg gingen Annemieke, Mathilda, Lotta und Kiki Arm in Arm nebeneinander her. Inzwischen hatte sich auch die Sonne hinter den Wolken hervorgekämpft und blendete die Mädchen beinahe schon. Wenigstens spendete sie ein wenig Wärme.

„Ich finde, wir sollten mit den Piranhas langsam Frieden schließen“, meinte Lotta. „Schließlich haben uns Lennart und Michael geholfen.“

„Ich schlage erst mal einen Waffenstillstand vor“, unterbrach sie Kiki. „Ein Friedensvertrag ist noch etwas Anderes.“

„Solange die Jungs uns nicht ärgern, ärgern wir sie auch nicht“, meinte Mathilda und fügte hinzu: „Wir wollen Frau Schellhardt schließlich nicht länger reizen, sodass sie uns gleich nach Hause schickt. Mir macht die Klassenfahrt gerade so viel Spaß.“

Kiki nickte daraufhin und sagte: „Ich will meine Mitternachtsparty hier mit euch feiern und nicht alleine in meinem eigenen Zimmer.“

 

„Habe ich da etwa Mitternachtsparty gehört!“, rief Jannis mit verstellter Stimme.

„Hab ich etwa gesagt, dass ich eine Mitternachtsparty veranstalte“, fuhr Kiki ihn an. „Ich glaube, da hast du dich gewaltig verhört!“

Kiki und Lotta hatten ein dumpfes Gefühl im Bauch. Eigentlich sollten nur ihre Freundinnen von der Mitternachtsparty wissen. 

„Das bleibt unter uns“, flüsterte Kiki Lotta ins Ohr. „Die Party beginnt kurz vor Zwölf.“

„Sei kurz vor Zwölf in unserem Zimmer“, flüsterte Lotta Mathilda ins Ohr. Mathilda gab die Nachricht an ihre Schwester weiter.

 

Statt in der Jugendherberge Mittag zu essen, kehrte die 6a in der Jägerhütte ein. Es gab wahlweise Wienerschnitzel oder Hähnchenschnitzel mit Pommes zur Auswahl. Für zwei Vegetarier in der Klasse wurde eine Gemüsepfanne mit Feta aufgetischt. An zwei langen Holzbänken nahm die Klasse Platz. Frau Schellhardt setzte sich mit den Jungen an einen Tisch, während Herr Loh sich zu den Mädchen gesellte. Lotta spürte beim ersten Bissen, wie hungrig sie war. 

„Meine Güte, habe ich einen immensen Abenteuerhunger“, meinte Mathilda mit vollem Mund.

„Man spricht nicht mit vollem Mund, Schwesterherz!“, wurde sie von ihrer Schwester ermahnt.

„Sieh mal, es schneit!“, bemerkte Kiki und stupste Lotta an. Tatsächlich, dichte weiße Flocken wirbelten draußen durch die Luft.

„Morgen können wir eine Schneeballschlacht machen, wenn es so weiter schneit“, meinte Fianna. „Dann kriegen es ganz gewisse Jungs ganz besonders ab.“

„Ach, ich weiß nicht, ob ich darauf Lust habe“, sagte Emily betrübt und schob ihr Schnitzel auf ihrem Teller hin und her.

„Was ist eigentlich mit dir los, Emily?“, fragte Annemieke besorgt. „Du siehst heute so unglücklich aus.“

„Ich erzähl es euch draußen, hier drinnen kann ich es nicht erzählen“, erwiderte Emily. „Die ganze Klasse würde es sonst mitbekommen.“

 

 Als die Klasse den Rückzug zur Jugendherberge antrat, schneite es nur noch ganz leicht. Plötzlich lief Emily eine Träne über die Wange.

„Oh Gott, Lily, warum weinst du?", fragte Annemieke schockiert und nahm ihre Hand.

„Mein Vater hat eine neue Freundin“, schnäuzte Emily in ihr Taschentuch. Die Roten Tulpen blieben bewusst ein Stück zurück, damit der Rest der Klasse nichts von der Trennung von Emilys Eltern mitbekam.

„Gerade hat mir meine Mutter eine Nachricht geschickt, dass mein Vater seit Sonntag nicht nach Hause gekommen ist. Na gut, das kommt immer wieder mal vor“, erzählte Emily mit Tränen in den Augen. „Das Größte war, dass meine Mutter ihn mit einer jungen rothaarigen Frau im Cafe gesehen hat. Er hat sie sogar geküsst und das mehrmals.“

„Das tut mit total Leid für dich“, sagte Aylin und legte den Arm um sie.

„Wisst ihr wie schlimm dies für meine Mutter und mich ist?“, sagte Emily mit bebender Stimme und wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht.

 

„Kann ich mir vorstellen, meine Eltern haben sich vor einigen Jahren scheiden lassen“, meinte Kiki einfühlsam und erzählte: „Damals war ich neun Jahre alt. Ich konnte mich gar nicht abfinden, dass unsere Familie auseinander gerissen wurde. Mein großer Bruder Florian zog kurz nach der Trennung zu Papa, dafür zog Mamas neuer Freund kurz darauf bei uns ein.“

„Meine Mutter wird sich auch bald scheiden lassen“, schluchzte Emily auf. „Dann werden Mama und ich nur noch zu zweit sein. Mama wollte sich schon länger von ihn scheiden lassen, aber nun wird es bald passieren.“

Die Mädchen sahen alle sehr bedrückt aus, sogar die spitzbübische Mathilda empfand Mitleid und redete aufmunternd auf ihre Freundin ein. Lotta war insgemein glücklich, dass sich ihre Eltern immer noch richtig liebten und sich selten richtig stritten. Dennoch empfand sie in dem Moment Mitleid mit Emily.

7.Kapitel: Süßigkeitenschlacht um Mitternacht

Lotta und ihren Freundinnen fiel es am Abend zunehmend schwerer die Augen offen zu halten. Gerade das Abenteuer in der Höhle und die lange Wanderung durch die Kälte hatten Lotta ziemlich müde gemacht. Kiki und Emily waren bereits um kurz nach zehn eingeschlafen. Zur Sicherheit hatte sich Kiki einen Wecker unter ihr Kissen gelegt, damit sie ihren Geburtstag nicht verschlief. Nur Fianna und Aylin tuschelten leise auf der anderen Seite des Zimmers. Lotta hörte ihnen schlaftrunken zu und sah wie der Minutenzeiger ihres Weckers im Schneckentempo vorwärts kroch. Lotta hielt noch knapp bis eine Stunde vor Mitternacht durch, dann schlossen sich ihre Augen von selbst, sie kuschelte sich in ihre Decke und gähnte mehrmals. Sie brauchte nicht einmal bis zehn zählen und schon war sie in einen tiefen traumlosen Schlaf gefallen. Sie bekam nicht mehr mit, wie sich Aylin und Fianna mit einem Kreuzworträtsel wachhielten.

 

„Wach auf, du Schlafmütze!“, wisperte Aylin und zog Lotta die Decke weg.

„Wir schmücken jetzt den Raum“, flüsterte Fianna und zündete mehrere Kerzen auf der Fensterbank an. Das baldige Geburtstagskind schlief immer noch fest und merkte nicht, wie Aylin, Lotta, Emily und Fianna den Raum verwandelten. Aylin hängte ein großes Plakat mit der Aufschrift „Vorsicht, Rote Tulpen!“ an die Innenseite der Tür. Fianna und Emily schafften es eine Girlande an der Decke zu befestigen. Lotta pustete mehrere Ballons auf und hängte Luftschlangen über die Pfosten der Hochbetten. Aylin stellte ihre Lavalampe auf ihrem Nachttisch auf, während Fianna den Bluetooth-Lautsprecher auf der Fensterbank platzierte. Nun musste es nur noch Mitternacht werden und natürlich mussten die Zwillinge noch kommen.

„Wenn Mathilda und Annemieke nicht rechtzeitig kommen, werden sie morgen beim Frühstück höchstpersönlich gekillt“, raunte Fianna und schaute beunruhig auf Aylins Wecker. Zwei Minuten vor Mitternacht klopfte es an der Tür und die Zwillinge steckten ihre Köpfe zur Tür herein.

 

 „Seid leise!“, flüsterte Aylin. Annemieke und Mathilda nickten und setzten sich friedlich auf Aylins Bett. Fianna begann mit den Fingern von zehn auf null runter zu zählen.

„Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday liebe Kiki, Happy Birthday to you“, sangen die Mädchen. Lotta befürchtete insgeheim, dass es jemand gehört haben könnte.

“Verdammt, ich habe meinen eigenen Geburtstag verschlafen!”, sagte Kiki schlaftrunken und richtete sich in ihrem Bett auf. Ihre schwarzen Haare waren offen und hingen ihr in Strähnen in ihr ovales Gesicht. Die Mädchen sangen noch ein Geburtstagsständchen und da klingelte schon Kikis Wecker. Die Zwillinge fingen laut an zu lachen.

„Seid nicht so laut!“, zischte Lotta etwas verärgert. „Wollt ihr, dass es die ganze Klasse mitbekommt?“

„Jolanda und ihre Freundinnen schlafen wie Murmeltiere, die würden noch nicht einmal mitkriegen, wenn neben uns ein Meteorit einschlägt“, beruhigte Mathilda sie. „Und die Jungs schlafen sowieso in einem anderen Trakt. Da müssten wir bei denen direkt vor der Tür singen, damit die davon aufwachen würden.“

 

Fianna machte leise Musik an, während Aylin die große Sahnetorte anschnitt. Emily, Lotta und Kiki saßen auf Emilys Bett, während es sich die übrigen Mädchen gegenüber auf Aylins Bett gemütlich machten. Fianna verteilte an jeden ein Stück Kuchen auf einem Pappteller. Lotta achtete beim Essen darauf, dass ihr kein Stück Torte auf das Bett von Emily fiel. Beinahe wäre es ihr doch passiert und sie konnte das Stückchen gerade noch mit ihrer linken Hand auffangen.

„Sahnetorte essen ist wohl eine Kunst“, bemerkte Kiki trocken und hielt sich ihren Teller unter ihr Kinn.

„Mist, mir ist ein Stück Kuchen auf meinen Fuß gefallen“, schimpfte Mathilda.

„Versuch dir doch die Sahne vom Fuß zu lecken“, schlug Fianna vor.

„Soll ich das wirklich versuchen, Carrot?“, fragte Mathilda herausfordernd. „Na gut, wenn ihr das wollt, kann ich es versuchen. Wollen wir wetten, dass ich es schaffe?“

„Matti, Matti, Matti!“, wurde sie von Annemieke, Fianna und Kiki angefeuert. Da Mathilda sehr beweglich war, hätte sie es fast geschafft, aber leider verlor sie ihr Gleichgewicht und fiel vom Bett direkt auf den Rest der Sahnetorte.

 

„Oh Nein!“, rief sie laut.

„Oh Nein, oh nein!“, riefen auch Lotta und Aylin entsetzt.

„Unsere arme Torte! Nun hast du sie geplättet“, rief Kiki schockiert. Inzwischen säuberte Mathilda den Ärmel ihres Pyjamas mit einer Serviette.

„Ist halb so schlimm. Dreck lässt sich weg machen“, meinte Mathilda pragmatisch und wischte mit weiteren Servietten den Boden.

„Sie ist manchmal ein richtiger kleiner Schmutzfink“, lästerte Annemieke hinter ihrem Rücken. „Im Kindergarten ist sie immer in die tiefsten Pfützen gesprungen und kam mit dreckigen Hosen nach Hause. Mama hat deswegen immer mit ihr geschimpft.“

„Annemieke Sophia ter Steegen!“, rief Mathilda warnend „Noch eine Geschichte dieser Art und dann…“

„Kille ich dich höchstpersönlich!“, vollendete Fianna ihren Satz schlagfertig.

 

 „Möchte jemand noch ein paar Chips?“, fragte Emily und reichte die Tüte an Kiki und Lotta weiter. „Ich will euch auf gar keinen Fall alles wegfressen.“

„Bist du nicht gerade auf Diät, Lily?“, stieß Fianna sie neckend an.

„Ich glaube das Abnehmen hebe ich mir doch für den Sommer auf“, meinte Emily kauend. „Es ist noch mehr als ein Dritteljahr bis zu den Sommerferien.“

„Ich finde, du bist gar nicht zu dick“, fand Kiki. „Nicht jeder muss so schlank sein wie Lotta, Fianna und ich.“

„Die Zwillinge sind auch nicht gerade schlank wie zerbrechliche Elfen“, meinte Fianna.

„Dankeschön, du Karottenkopf!“, erwiderte Mathilda und warf einen leeren Plastikbecher nach Fianna. Emily hörte auf zu kauen und legte die Chipstüte weg, als hätte sie in dieser Sekunde drei Kilo zugenommen. Lotta spürte, wie unbehaglich Emily sich auf einmal fühlte.

„Könnte ich bloß so schlank sein wie Kiki oder Lotta?“, seufzte Emily so leise, sodass dies nur Annemieke und Lotta hören konnten.

„Nicht jedes Mädchen muss so schlank wie ein Model sein“, sagte Annemieke zu ihr. „Sieh doch mich und Matti an, wir haben von Natur aus einen kräfigeren Körperbau, den wir von unserem Papa geerbt haben.“

 

Lotta fand, dass die Zwillinge etwas robuster gebaut waren, aber auf keinen Fall zu dick. 

„Es sich schmecken zu lassen, ist tausend Mal besser als auf Möhren und Knäckebrot rumzukauen. Kommt Mädels, wir werden die Nacht genießen und daher lassen wir es so richtig krachen!“, meinte Mathilda. Dabei ließ sie eine Handvoll Gummibärchen in ihrem Mund verschwinden und verdrückte darauf noch einen Karamellriegel. 

„Ganz genau! Eine Diät ist gerade fehl am Platz“, pflichtete ihr ihre Schwester bei und stopfte sich inzwischen mit Chips und Salzbrezeln voll. 

Nachdem sie keinen Hunger mehr hatten, spielten sie Wahrheit oder Pflicht. Wer eine Aufgabe verweigerte, musste sich bedingungslos mit Schokolade, Gummibärchen und Chips füttern lassen. Kiki drehte zuerst die leere Cola- Flasche und der Flaschenhals zeigte auf Mathilda.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Kiki. Mathilda entschied sich für Wahrheit, weil sie momentan keine Lust hatte auf dem Schrank zu tanzen oder eine andere verrückte Aufgabe zu lösen.

 

„Wen hast du zuletzt geküsst, Matti?“, fragte Kiki. Mathilda wurde rot im Gesicht und druckste herum.

„Na komm schon, Matti, wir Bandenschwestern haben keine Geheimnisse voreinander!“, drängte Annemieke. „Ich weiß schon die Wahrheit. Sag es, sonst füttern wir dich, bis du platzt und kitzeln dich dabei aus.“

„Ähm… Wenn ihr es wirklich wissen wolltet“, begann Mathilda verlegen.

„Haha, die Spottdrossel hat ihre Stimme verloren!“, stichelte Fianna los.

„Nein, das hat sie nicht“, erwiderte Mathilda. „Letzte Woche nach der Musikstunde habe ich ein Küsschen von Sven bekommen. Er kam einfach auf mich zu und küsste mich kurz. Seine Kumpels waren natürlich nicht dabei, sonst hätte er sich bestimmt etwas anhören dürfen.“

„Uhhh!“, machten ihre Freundinnen im Chor und Fianna deutete einen imaginären Kuss an.

„Ich weiß, dass Sven auf sie steht!“, verriet Annemieke.

„Sei bloß still, Micky!“, fuhr ihre Schwester sie an. Mathilda war es offensichtlich unangenehm, dass sie auf Sven angesprochen wurde.

„Oh mein Gott, eine Romanze zwischen einem Piranha und einer Roten Tulpe“, rief Kiki außer sich.

„Ihr übertreibt es langsam“, raunzte Mathilda Kiki und ihre Schwester wütend an. „Bloß weil ich ihn einmal geküsst habe, sind wir kein Paar!“

„Ich glaube auch, dass Matti nichts von ihm will“, versuchte Annemieke ihren Fehler gut zu machen.

 

Als nächstes war Lotta an der Reihe.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Mathilda.

„Pflicht“, wählte Lotta.

„Okay, drehe dich zehnmal um dich selbst und laufe zur Tür“, sagte Mathilda. Lotta nickte und drehte sich immer schneller um ihre eigene Achse, allerdings konnte sie nicht mehr mitzählen. Das Geradeauslaufen war auch schwieriger als sie gedacht hatte, da der Boden zu wanken schien.

„Pass auf!“, rief Aylin besorgt, aber da war es schon zu spät. Lotta stieß taumelnd gegen Aylins Nachtisch und die Lavalampe fiel auf den Boden. Zum Glück blieb diese heil, dennoch herrschte Aylin sie von der Seite an. Nach Lotta musste Kiki auf den Schrank steigen und rufen: „Ich bin ein Affe. Bitte füttert mich!“ Ihre Freundinnen warfen Süßigkeiten zu ihr hinauf und jedes Mal, wenn sie einen Schokoriegel aß, tat sie so, als würde sie eine Banane schälen. Ihre Freundinnen hielten sich vor Lachen ihre Bäuche.

„Kiki ist doch unsere beste Komikerin!“, kippte Emily beinahe lachend vorneüber.

 

Die nächste Aufgabe richtete sich an Aylin, sie musste den Hit der Woche singen. Da Aylin sehr gerne sang, fiel ihr das nicht schwer. Fianna hingegen verweigerte die nächste Aufgabe, sie wollte sich um keinen Preis ausziehen und mit jemand Anderem den Schlafanzug tauschen. Dafür wurde sie solange mit Weingummi und Chips gefüttert, bis ihr schlecht wurde.

„Es reicht! Mir ist schon ganz schlecht“, rief sie und kapitulierte. Danach musste Emily einen Besoffenen nachahmen und trat dabei auf einen Luftballon. Peng! Erschrocken zuckten Aylin und Fianna zusammen. In der nächsten Runde musste Lotta die Frage beantworten, ob sie schon einmal verliebt war.

„Ich war, als ich noch auf die alte Schule ging, in Enrico aus der neunten Klasse verliebt. Allerdings waren mindestens ein Dutzend anderer Mädchen ebenfalls in ihn verschossen“, erzählte Lotta ehrlich. „Er hatte so schöne dunkelbraune Haare und strahlend blaue Augen, dabei war er auch sehr sportlich. Allerdings hatte ich keine Chance bei ihm, da er ein paar Jahre älter ist als ich und schon mit der hübsche Mara zusammen war.“

 

Lotta drehte die Flasche und nun kam Annemieke an die Reihe. Annemieke wählte Pflicht und musste ein Stück Kuchen essen ohne ihre Hände zu benutzen. Ohne zu zögern, tauchte sie ihr Gesicht in die Sahne. Lotta musste lachen, als sie sah, dass Annemiekes Gesicht ganz weiß war und sie somit einem Geist glich. 

„Da hast du dich auch einmal schmutzig machen müssen, Schwesterherz!“, bemerkte Mathilda und amüsierte sich prächtig, als sich ihre Schwester das Gesicht mit einer Servierte säuberte. Niemand merkte, dass Aylin inzwischen eingeschlafen war und nun gähnten auch die Zwillinge bei jedem zweiten Wort.

„Sollten wir nicht langsam schlafen gehen?“, gähnte Emily. „Ich bin so müde, dass ich wie Dornröschen in einen Jahrhundertschlaf fallen könnte.“

„Ich bin auch dafür“, stimmte Fianna ihr zu. „Außerdem ist mir gerade ganz kalt.“

„Gute Nacht!“, murmelten die Zwillinge und schlichen aus dem Zimmer. Lotta, Fianna und Kiki räumten schnell das Zimmer auf, ehe sie sich selbst in ihre Betten legten und zügig einschliefen.

8.Kapitel: Schlittenfahrt und Schneeballschlacht

Am nächsten Morgen lag mindestens zehn Zentimeter Neuschnee und verlieh der Mittelgebirgslandschaft sowie dem Wald, der an die Jugendherberge grenzte, ein zauberhaftes weißglitzerndes Kleid.

„Ich glaube, wir lassen die Wanderung zum Aussichtssichtsturm sein und dafür gehen wir lieber auf die benachbarte Wiese zum Rodeln“, schlug Frau Schellhardt nach dem Frühstück vor. Lotta war erleichtert, sie hätte sowieso keine große Lust gehabt, stundenlang im wadenhohen Schnee durch den Wald zu stapfen und sich Vorträge über heimische Tiere anzuhören.

„Ich glaube, ich kann gleich wieder ins Bett gehen“, gähnte Kiki.

„Dito“, meldetet sich Fianna zu Wort. „Ich habe außerdem so viel gegessen, dass mir ganz schlecht geworden ist.“

Außer eine Tasse Tee bekam sie nichts runter.

 

Den Zwillingen ging es genauso, auch sie hatten sich bei der nächtlichen Süßigkeitenorgie leicht den Magen verdorben und bekamen daher nur ein Schälchen Joghurt mit Obstsalat in sich hinein.

„Nanu, die Mädels scheinen die ganze Nacht durchgemacht zu haben, sonst hätten sie nicht so dunkle Ringe unter den Augen haben und würden wie schlafende Tiger am Tisch sitzen“, sagte Jannis zu seinem besten Kumpel Sven.

„Bestimmt haben sie es sich heute Nacht richtig schmecken lassen“, vermutete Lennart. „Schaut mal, sie essen fast gar nichts.“ 

„Ich wette mal, dass an deren Mitternachtsparty etwas Wahres dran war", nickte Michael.

Normalerweise lägen Kiki und Mathilda spitze Bemerkungen auf der Zunge, aber den müden Mädchen fiel rein gar nichts ein.

 

Am Vormittag blieb die Klasse in der Jugendherberge und stellte Meisenknödel aus Talg, Sonnenblumenkernen, Samen und Haferflocken her. Lotta und ihren Freundinnen machte dies deutlich mehr Spaß als eine Schneewanderung. Nur einmal verbrannte sich Fianna ihre Hand am heißen Topf und quiekte kurz auf.

„Wenn die Vögel wüssten, dass ich mir für sie die Pfoten verbrenne, würden sie meine Meisenknödel mit besonders viel Respekt und Andacht essen“, meinte Fianna und hielt ihre Hand unter den kalten Strahl des Wasserhahns. 

 „Vielleicht würden sie vor deinem Fenster sitzen und das schhönste Lied für dich singen", ging Aylin auf ihren Kommentar ein. 

„Am besten um frühmorgens, damit du um sechs Uhr nicht mehr schlafen kannst", bemerkte Mathilda trocken und warf bei der nächsten Gelegenheit einen Becher voller Sonnenblumenkerne um, worauf einige ihrer Mitschüler mit einem ironischen Beifall antworteten.

 

Nachmittags ging es auf die Wiese zum Schlittenfahren. Da der Hausmeister der Jugendherberge nur fünfzehn Schlitten zu verleihen hatte, mussten sich meist zwei Kinder einen Schlitten teilen. Lotta teilte sich ihren Schlitten mit Kiki, genauso auch Fianna und Aylin. Natürlich fuhren auch die Zwillinge zusammen den Abhang hinunter. Nur Emily, Patrick und Pauline hatten einen Schlitten für sich alleine.

„Mir kommt es so vor, als würden die Schlitten jedes Jahr kleiner“, sagte Lotta zu Kiki.

„Mir geht es genauso“, erwiderte Kiki. „Letztes Jahr war ich bestimmt noch zehn Zentimeter kleiner. Damals war ich noch die Kleinste in der Klasse, aber inzwischen habe ich Aylin, Freya, Sina, Michael und Thomas überholt.“

 

„Haltet die Augen offen, ihr Fischköpfe!“, rief Kiki wütend, als sie dem Schlitten von Jannis und Sven in einer scharfen Kurve ausweichen mussten.

„Aber selber, ihr dusseligen Kühe auf zwei Beinen!“, rief ihnen Jannis laut hinterher.

„Es nervt, dass Jannis meint immer das letzte Wort haben zu müssen“, regte sich Lotta auf, als sie den Schlitten den Hang hinauf zog.

„Ach, ärgere dich nicht über stinkenden Fischköppe“, sagte Kiki gelassen und hängte sich bei ihr ein.

„Wollt ihr mit uns eine Schlittenkette machen?“, kam ihnen Mathilda entgegengerannt, als sie wieder oben am Abhang ankamen.

„Gute Idee! Frag doch mal Aylin, Fianna und Emily!“, meinte Kiki. Schnell hatten sie ihre Freundinnen gefunden. Emily, Fianna und Aylin saßen auf ihren Schlitten und unterhielten sich gerade.

 

„Alarmstufe Rot!“, zischte Fianna plötzlich.

„Was ist denn los?“, fragte Lotta irritiert.

„Na, die Fischköpfe planen eine Schneeballattacke“, raunte Fianna und ihre lebhaften, grünen Augen glänzten vor Aufregung.

„Komm mal wieder runter! Die Piranhas stehen dahinten und rodeln mit einigen Mitschülern um die Wette", beruhigte Emily sie. 

„Als ob ich euch Nonsense erzähle!", klang Fianna fast schon pikiert. „Ich schwöre euch, ich bin den Fischköppen gerade noch hinterher geschlichen und habe sie belauschen können. Sie hecken etwas aus!"

„Jetzt chill mal deine Base! Die Piranhas sausen gerade den Abhang hinunter", legte ihr Mathilda beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

 

„Wir wollen eine Schlittenkette machen. Macht ihr mit?“, fragte Annemieke.

„Na klar! Ich bin dabei!", nickte Fianna begeistert. Nachdem die Zwillinge ihre Freundinnen überredet hatten, banden sie alle Schlitten hinter einander fest. Die Zwillinge saßen auf dem ersten Schlitten und Emily bildete das Schlusslicht. Schon auf den ersten Metern ging die Fahrt schief. Der Schlitten von den Zwillingen stellte sich quer, dadurch wurde Lottas und Kikis Schlitten gebremst und bald lagen alle Mitglieder der Roten Tulpen und auch zwei Mitglieder des Tussenkomitees im Schnee.

 „Könnt ihr nicht aufpassen!“, fauchte Saskia böse.

„Och Entschuldigung, wir haben leider nicht riechen können, dass uns zwei Bachstelzen entgegen kommen“, entschuldigte sich Mathilda gespielt.

„Kannst du nicht einmal dein Riesenmaul halten, Mathilda?“, fuhr Jolanda sie wütend an. „Du bist einfach nur noch ätzend."

„Außerdem ist eine Schlittenkette etwas für Kleinkinder und ich glaube auf diesem Entwicklungsstand verharrt ihr gerade“, ätzte Saskia.

„Aha, nur weil ihr euch mit zwölf eure Gesichter mit Make-up einkleistert und euch die Haare blond beziehungsweise schwarz färbt, glaubt ihr, erwachsen zu sein“, erwiderte Mathilda spitz.

„Guten Morgen, sehr geehrte Frau Hasemeier“, sagte Annemieke gekünstelt zu Jolanda. „Schön Sie heute zu sehen. Sie scheinen sich mit Ihren zwölf Jahren sehr erwachsen zu fühlen.“

 

„Annemieke ter Steegen, du bist genauso ein stinkender Käsekopf wie deine Schwester“, giftete Jolanda zurück.

„Weißt du, Jolanda, was du bist?“, rief Mathilda laut. „Ein unechter Blondschopf. Ich habe gestern mitbekommen, wie du dir deine Haare gefärbt hast.“

„Brüll es noch lauter über die Wiese, du unerzogener Schreihals!“, rief Jolanda zornig und ihre Stimme zitterte vor Wut. Beinahe hätte sie Mathilda am Ärmel gepackt, wenn Neele sie nicht davon abgehalten hätte.

„Naa, wie viele falsche Blondinen haben wir hier noch?“, stichelte drauf Kiki los.

„Halt bloß die Klappe, Kristina!“, drohte ihr Neele. „Ich bin blond und das von Natur aus!“

„Mein Gott, ist eure Haarfarbe euer Privileg? Anscheinend gibt es bei euch nichts Wichtigeres als euer Aussehen und das ist schon affig genug!“, rutschte es aus Lotta raus. 

„Wir wissen was Style und Mode bedeuten, während ihr wie die letzten Waldaffen rumlauft“, antwortete Tanja schnippisch und spielte mit der Strähne ihres rotbraunen Haares. Plötzlich beugte sich Matilda vor und tat so, als bekäme sie vor Husten kaum noch Luft.

„Ist etwas nicht mit dir in Ordnung, Matti?“, fragte Lotta besorgt und eilte auf sie zu.

 „Ich bin allergisch gegen Jolandas aufdringliches Deo“, keuchte Mathilda.

 

„Dumme Kuh!“, rief Jolanda. „Besser duften als aus dem Arsch stinken!“

Fianna formte einen Schneeball und warf ihn nach Jolanda. Nur um wenige Zentimeter verfehlte er ihren Kopf. Jolandas stark geschminkten Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen.

„Hiermit erkläre ich die Schneeballschlacht gegen euch für eröffnet“, zischte sie und warf Lotta einen Schneeball gegen die Brust.

„Gegen eine Bande wie uns habt ihr keine Chance“, spottete Kiki. „Ihr seid zu viert und wir sind beinahe doppelt so viele wie ihr.“

„Oh wie süß, ihr seid tatsächlich eine Bande!“, rief Saskia spöttisch. „Was ist das für ein Kinderkram! Warum haben eure Eltern euch nicht in der Krabbelgruppe angemeldet?“

Für diese Bemerkung bekam sie von Lotta einen Schneeball mitten ins Gesicht. Bald war zwischen den beiden Mädchengruppen eine wilde Schneeballschlacht im Gange. Dies blieb bei den Piranhas nicht unbemerkt.

„Wir müssen nun die richtigen Mädchen unterstützen und das ist nicht Kikis Clique“, hörte Lotta Jannis zu seinen Freunden sagen.

„Komm, denen geben wir's mal so richtig!", eilte Lennart herbei.

 

Die Piranhas mischten sich mit lautem Gejohle in die Schneeballschlacht ein und unterstützten das Tussenkomitee. Die Rote Tulpen teilte sich währenddessen strategisch auf: Aylin und Emily kümmerten sich um das Tussenkomitee, während ihre Freundinnen die Piranhas mit Schneebällen bewarfen. Allerdings hatten Aylin und Emily leichtes Spiel mit den Tussen: Erstens konnten Jolanda und ihre Freundinnen nicht zielen und zweitens gaben sie schnell auf, weil ihnen ohne Handschuhe nach wenigen Schneebällen die Hände abfroren. Nun unterstützten Aylin und Emily ihre Freundinnen, während das Tussenkomitee die Jungs laut anfeuerte.

 

„Jannis, weiter so!“, jubelte Jolanda. „Bitte noch ein Schneeball für Mathilda voll in die Fresse!“

„Maxi, konzentriere dich lieber auf Kristina!", rief Neele. „Sie braucht die doppelte Portion.“

„Annemieke und Carlotta sollen auch ihre Packung kriegen“, feuerte Tanja Sven und Ömer an. Die Roten Tulpen kriegten sich vor Lachen kaum noch ein und machten sich über das Gehabe der Zicken lustig.

„Hier sind sie: Unsere Cheerleader vom Dienst“, grinste Mathilda, sodass sich ihre Sommersprossen kräuselten und wedelte mit ihren Händen, als hielte sie Pompons. 

„Du findest für alles das richtige Wort, Schwesterherz!“, lobte Annemieke und die Zwillinge sahen sich einen Moment lang schmunzelnd an. 

„Ihr beide, einfach ihr beide!", legte Kiki mit einem Grinsen ihre Arme um die beiden Schwestern. „Ihr beide schießt gemeinsam jeden Vogel ab."

 

 Bald hatten weder die Piranhas noch die Roten Tulpen Lust die Schneeballschlacht fortzuführen. Ihnen war kalt und zudem taten ihnen ihre steifgefrorenen Hände weh. Außerdem hatten alle Beteiligten einen enormen Hunger. Gut, dass es bald Zeit für den Nachmittagssnack war und Herr Loh mit der Essensglocke läutete. 

„Warum habt ihr es so eilig?", flitzte Lotta hinter Fianna, Kiki und den Zwillingen her. 

„Ganz einfach, weil wir den Apfelstrudel bis hier hin riechen können", leckte sich Annemieke die Lippen.

„Und wir einen Bärenhunger haben", fügte Kiki hinzu. Bevor die Mädchen den Speisesaal betreten durften, mussten sie ihre Winterschuhe gegen Puschen tauschen und ihre dicken Jacken ausziehen.

„Verdammt, die Piranhas und die Tussen haben schon halben Bottich mit der Vanillesoße leer gemacht", ärgerte sich Fianna, als sie feststellte, dass sie nicht Ersten am Büfett waren.

 

„Seit wann sitzen die Tussen bei den Piranhas?“, fiel Mathilda auf. „Oh verdammt! Ich glaube wir haben uns vorhin auf der Piste richtige Feinde gemacht.“

„Mach dir nicht unnötige Sorgen“, beruhigte Annemieke ihren Zwilling. „Ich glaube nicht, dass sie ein Bündnis gegen uns schließen werden.“

„Oh, das werden sie doch“, fiel ihr Kiki ins Wort. „Ich weiß, wie die Tussen und die Piranhas drauf sind. Womöglich steht es Zehn gegen Sieben.“

„Ihr wollt uns unmöglich Angst machen oder?“, meinte Emily, die mitten in der Bewegung verharrte.

„Nein, das ist unser Ernst“, versicherte Mathilda. „Normalerweise sind die vier Barbies unter sich und kennen keinen anderen Menschen um sich herum.“

„Ich würde sagen, sie sind hundertprozentig nach Jungs aus“, meinte ihre Zwillingsschwester.

„Falls die Zicken eine Aktion gegen uns planen, fahren wir die Krallen aus und zeigen ihnen, wer der Stärkere ist“, sagte Fianna selbstbewusst und warf ihre hellroten gewellten Haare nach hinten.

 

Des Weiteren beobachteten Lotta und ihre Freundinnen, welche Zicke mit welchem Fischkopf zusammen saß.

„Jolanda und Jannis, das doppelte J“, stellte Mathilda fest. „Das war klar, dass sie aneinander interessiert sind, beide sind Anführer ihrer Banden.“

„Du kannst unmöglich Jolanda und ihre Freundinnen als Bande bezeichnen“, verdrehte Kiki die Augen. „Sie sind eher ein Pack eingebildeter Ziegen.“

Nur Sven und Lennart saßen ohne ein Mädchen neben ihren Freunden am Tisch.

„Vielleicht ist Sven wirklich in Matti verliebt“, dachte Fianna laut nach.

„Halt bloß deinen Mund, Fianna!“, knurrte Mathilda und sah ihre Freundin böse an. Lotta wusste, dass Mathilda ihn mochte und sogar ein wenig in ihm verliebt war. Erst vorhin hatte sie ihr dies nach dem Mittagessen erzählt. Lotta sowie ihre anderen Freundinnen durften davon niemanden erzählen.

 

9.Kapitel: Die Abschlussdisco

Sofort nach dem Abendessen gingen Kiki und ihre Freundinnen auf ihr Zimmer, um sich für die Abschlussdiso fertig zu machen. Es war nicht irgendeine Disco, sondern zugleich auch eine Verkleidungsparty.

„Mich wird niemand wieder erkennen!“, rief Emily, die sich als Wahrsagerin verkleidet hatte. Sie trug ein langes schwarzes Kleid mit silbernen Sternen, lange Ohrringe und hatte sich ihre Augen dunkel geschminkt. Dennoch hatte sie mit ihren Haaren zu kämpfen.

„Hilft mir mal bitte jemand?“, rief diese verzweifelt. „Ich bin unfähig, meine Haare hochzustecken. Meine Frisur sieht fürchterlich unordentlich aus.“

„Warte eben, ich komme, wenn ich fertig bin“, rief Kiki, die sich als Pocahontas verkleidet hatte. Lotta hatte es mit ihrem Kostüm nicht besonders schwer, sie brauchte nur ihr neues Hemd und ihre grüne Latzhose anzuziehen. Dann machte sie sich links und rechts Zöpfe und setzte sich einen Strohhut auf.

„Bist du nun eine Vogelscheuche, Lotta?“, stieß Fianna sie kichernd an.

„Nein, ich bin eine Gärtnerin“, schüttelte sie den Kopf. 

 

Aylin kämpfte weiterhin mit ihren dunklen ungestümen Locken, die sich nur schwer kämmen ließen.

„Ich kriege es einfach nicht hin, meine Haare zu kämmen und zu Zöpfen zu flechten“, jammerte sie.

„Du musst dir vorher die Haare glätten“, riet ihr Emily. „Komm mit! Ich habe ein Glätteisen.“

Ein wenig später hingen Aylins schwarze Haare geglättet ihren Rücken hinunter und reichten ihr bis zur Taille.

„Lass deine Haare ruhig offen, Aylin“, meinte Kiki. „Dich hat wirklich noch nie Jemand mit glatten und so langen Haaren gesehen. Du siehst klasse aus!“

Aylin befolgte Kikis Rat und setzte nur noch ihren Zauberhut auf. Fianna trug ein schulterloses weißes Kleid und einen Kranz aus Lorbeerblättern.

„Ich bin eine griechische Göttin“, sagte sie zu ihren Freundinnen. „Das ist doch eindeutig oder?“

Nicht einmal zwei Sekunden später klopfte es an der Tür und zwei Katzen kamen herein gestürmt. Lotta hatte die Zwillinge in den schwarzen Ganzkörperkostümen und mit den Katzenmasken kaum wieder erkannt. Zudem hatten sie sich ihre Haare geglättet, sodass ihre hellblonden Haare ihnen bis zur Schulter reichten.

 

„Ratet mal, als was sich die Tussen verkleidet haben?“, sprudelte es aus Mathildas losem Mundwerk. Ihre Freundinnen zuckten mit den Schultern. „Saskia und Neele haben sich als Topmodels verkleidet, Tanja geht als Popstar und Jolanda ist Paris Hilton. Ist das nicht verrückt? Sie tragen alle Stiefel mit Monsterabsätzen. Zwölfjährige mit Absätzen, Feinstrumpfhosen und Make-up-Gesichtern. Wie albern und einfallslos ist das denn!“

„Nicht nur das“, giggelte ihre Schwester und fügte hinzu: „Wenn die Lehrer sehen, dass sie alle einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel haben und Miniröcke tragen, werden sie garantiert wieder auf ihr Zimmer geschickt, weil sie sich umziehen müssen.“

 

Die Party fand in einem anderen Gebäude, in einem Schuppen, der zu einem Discoraum umgebaut war, statt. Geschlossen marschierten die sieben Freundinnen dort hin. Herr Loh und einige andere ihrer Mitschüler waren schon da. Patrick und Finn standen am DJ-Pult und legten Musik auf. Plötzlich verstummte die Musik und Frau Schellhardt trat auf die Bühne. Sie trug einen Anzug, eine Krawatte mit Würfeln drauf und einen schwarzen Zylinder. Wieder flog die Tür auf und die vier Mitglieder des Tussenkomitees stürzten außer Atem auf ihren hohen Absätzen hinein.

„Entschuldigung, dass wir zu spät sind!“, japste Jolanda, die sich bei Saskia untergehakt hatte.

„Egal, setzt euch erst mal hin“, sagte Herr Loh.

„Guten Abend, ich wollte euch sagen, dass unsere Klassenfahrt im Endeffekt doch ganz schön gewesen ist“, begann Frau Schellhardt mit ihrer Ansprache. „Nach anfänglichen Problemen dachten wir, dass wir bald nach Hause fahren müssten. Aber im Endeffekt habt ihr doch echt gut zusammen gehalten und somit unsere Klassengemeinschaft gestärkt. Gerade der heutige Tag hat mir sehr gut gefallen, da ich gesehen habe, wie gut ihr euch versteht. Leider müssen wir morgen nach dem Frühstück wieder abreisen. Aber diesen Abend wollen wir gemeinsam feiern und ich habe noch eine Überraschung parat.“

 

 Das Licht wurde gedimmt und ein Spot auf die Lehrerin gerichtet. Nun fing die Zaubershow an. Frau Schellhardt zauberte zuerst einen Blumenstrauß und ein Stoffkaninchen aus ihrem Hut und ließ beides in einem glitzernden Stofftuch verschwinden. Die Schüler klatschten vor Begeisterung Beifall und Frau Schellhardt hatte noch mehrere Tricks in Petto. Sie ließ die Armbanduhr von Pauline in ihrer Hand verschwinden. Die Klassenbeste riss vor Panik die Augen weit auf und hielt entsetzt die Luft an, doch da zauberte die Lehrerin ihre Uhr in ihrer anderen Hand wieder hervor. Wieder wurde eifrig Beifall geklatscht. Der nächste Trick war nur für welche, die sich etwas zutrauten.

 

„Wer hat den Mut von mir in zwei Teile getrennt zu werden?“, fragte Frau Schellhardt mit mystischer Stimme. „Na los, Mutige vor!"

Keiner meldete sich, bis Jannis zögernd seine Hand hob. Langsam kam er auf die Bühne und schaute die Magierin unsicher an.

„Leg dich in diese Kiste!“, gab sie ihm die Anweisung. Jannis tat wie befohlen und legte sich in die Kiste. Jolanda, die vor Lotta saß, hielt vor Anspannung die Luft an. Frau Schellhardt rammte drei Degen in die Kiste und Herr Loh schob den hinteren Teil der Kiste weg.

„Jannis, lebst du noch?“, fragte Frau Schellhardt.

„Mir geht es gut“, vernahmen seine Mitschüler seine gedämpfte Stimme.

„Nun werden wir dich wieder zu einem ganzen Menschen zusammenfügen“, meinte die Magierin. Jolanda und ihre Freundinnen seufzten erleichtert, als Jannis unversehrt aus der Kiste stieg. Frau Schellhardt hielt Jannis Hand und beide verbeugten sich. Wieder klatschten alle laut Beifall.

 

Nach Frau Schellhardts Zaubernummer war Herr Loh mit seiner Nummer an der Reihe. Patrick legte laute, fetzige Musik mit einem heftigen Beat auf. Die Schüler waren sehr beeindruckt, alle wussten, dass Herr Loh ein junger Sportlehrer war und aktiv Kanuball spielte. Dass er so perfekt im Breakdance war, wusste niemand. Immer sprang er in den Handstand oder drehte sich auf dem Kopf. Frau Schellhardt warf ihm einen roten Gummiball zu, den er wie ein Seelöwe eine Minute lang auf seinem Kopf balancierte und anschließend jonglierte er ihn mit seinen Füßen. Er kickte den Ball in die Luft, drehte sich um seine eigene Achse und fing ihn mit seinem Rücken auf. Die Schüler schrien, johlten, klatschten und trampelten mit ihren Füßen. 

„Zugabe, Zugabe, Zugabe!“, riefen sie minutenlang und ließen erst locker, als Patrick kurz die Musik aufdrehte. 

 

 „Bevor wir richtig anfangen zu feiern, sucht sich jedes Mädchen einen Jungen und natürlich umgekehrt. Wir wollen jetzt einen Paartanz tanzen“, rief die Klassenlehrerin auffordernd in ihr Mikrofon.

„Auch das noch!", seufzte ein Mitschüler hinter Lotta. Auch die Mitglieder der Roten Tulpen wurden gleichzeitig rot im Gesicht. Lotta starrte in die Richtung der Piranhas. Natürlich tanzten sie alle mit den Tussen, nur Michael und Sven hatten noch keine Tanzpartnerin. Sven steuerte schnurrstracks auf Mathilda zu, die immer röter und röter wurde und nicht wusste, wohin sie fliehen sollte.

„Wollen wir nicht zusammen tanzen?“, fragte er locker und strich mit seiner Hand über seine gegelten Haare.

„Meinetwegen“, antwortete Mathilda verlegen und kaute währenddessen auf ihrer Unterlippe herum. Lotta sah, dass es ihrer Freundin gerade ziemlich unangenehm war, dass sie sämtliche Blicke auf sich zog. Michael, der andere Piranha ohne Tanzpartnerin, schnappte sich Annemieke.

 

Lotta wurde von Finn gefragt. Nach dem alle einen Partner hatten, begann die Musik. Sofort merkte Lotta, dass Tanzen nicht ihre große Stärke war und sie immer wieder aus dem Takt geriet. Dabei hatten die Lehrer ihnen minutenlang die Schritte gezeigt und die Schrittfolge mindestens dreimal wiederholt. Finn ging es nicht besser, einmal trat er ihr aus Versehen auf die Füße. Nichts hielt sie davon ab, die ganze Zeit Jolanda und Jannis zu beobachten. Bahnte sich da eine Romanze zwischen ihnen an? Zwar mochte Lotta weder Jolanda noch Jannis. In ihrem Inneren war sie trotzdem etwas eifersüchtig. Je länger sie Jannis in den letzten Tagen beobachtet, desto mehr fiel ihr auf, dass er ziemlich gut aussah: Funkelnde grüne Augen, kurze rotblonde Haare, sportlich und groß. Naja, wäre da nicht sein schlechter Charakter. Aber warum bekamen eigentlich die Zicken immer die Kerle ab, die am besten aussahen?

 

Später standen die Rote Tulpen auf der Tanzfläche und tanzte in einem geschlossenen Kreis.

„Was bahnt sich eigentlich zwischen Jannis und Jolanda an?“, fragte Emily. Ihre Freundinnen konnten ihr keine Antwort geben. Saskia, Jolandas beste Freundin, hörte diese Frage zufällig und drehte sich zu den Bandenmädchen um.

„Und was bahnt sich zwischen Mathilda und Sven an?“, fragte sie spitz.

„Gar nichts, du kuhäugiges Schaf!“, zischte Matilda und hätte dem Topmodel am liebsten ihre Krallen ins Gesicht gehauen. Lotta wusste, dass man Mathilda nie auf Jungs und ganz besonders nicht auf Sven ansprechen durfte. Aylin stellte sich in den Kreis ihrer Freundinnen und fing an ulkig zu tanzen. Sie machte so merkwürdige Bewegungen und Grimassen, dass Fianna vor Lachen das Gleichgewicht verlor und sich an Emilys langem Kleid festhielt.

„Aylin, ich glaube, du hättest dich besser als Clown verkleiden sollen“, kicherte Kiki und wischte sich ihre Lachtränen weg. In diesem Moment bemerkte Emily einen kleinen Riss in ihrem Kleid.

„Hättest du nicht aufpassen können, Fianna!“, warf Emily ihrer Freundin an den Kopf. „Was kann ich dafür, wenn ich umfalle!“, entgegnete Fianna im gleichen Tonfall.

 

„Wegen dir habe ich einen Riss in meinem Kostüm und kann es am Rosenmontag nicht mehr tragen.“

„Stell dich nicht so wegen jeder Kleinigkeit an, Emily!“

„Hat jemand gesagt, dass ich mich anstelle?“

„Du machst ständig aus einer kleinen Mücke einen großen Elefanten.“

„Dieses Mal ist es keine Mücke. Dieses Kleid habe ich zusammen mit meiner Mutter genäht und ich bin sehr stolz darauf gewesen, bevor du es kaputt gemacht hast.“

„Das habe ich aber nicht mit Absicht gemacht." 

„Hört auf euch zu streiten!“, mischte sich Kiki ein. „Ich kann den Riss wieder nähen. Ich habe für Notfälle immer mein Nähset dabei. Komm mit, Emily. Das richten wir jetzt!“

Kiki und Emily verschwanden wieder. Die Zwillinge konnten Fianna mit einem Witz wieder zum Lachen bringen. Es war doch alles halb so schlimm. Nach einer Weile kam auch Emily glücklich wieder zurück. Der Riss war genäht und das Kleid sah genauso schön aus, wie zuvor.

 

Als die Freundinnen keine Lust mehr hatten zu tanzen, setzten sie sich in eine Sofaecke und stopften sich mit Süßigkeiten voll.

„Ich krieg von Chips immer einen riesigen Durst“, meinte Aylin. Annemieke öffnete eine Cola-Flasche. Sprotz! Eine Cola-Fontäne ergoss sich über die lachenden Mädchen.

„Oh nein, ich muss mir wegen dir meine Haare waschen“, rief Mathilda. „Pfui, wie das klebt!“ 

„Haha, plötzlich stellst du dich genauso an, wie eines dieser Tussengirls“, neckte Kiki sie und wartete auf einen Rippenstoß oder auf eine bissige Bemerkung ihrer Freundin. Stattdessen zeigte Mathilda auf die Tanzfläche.

„Seht mal!“, flüsterte sie. „Die Obertussi hat den Oberfischkopf geküsst.“

„Mich ekelt es an, wie sich Jolanda an die Jungs ranmacht“, zischte Lotta. Kiki und Emily gaben ihr Recht.

„Hm, es müsste eigentlich eine Klassenzeitung geben“, meinte Annemieke. „Dann würde auf der Titelseite stehen: Große Liebesromanze – Obermacho knutscht mit Möchtegern Paris Hilton.“

„Ich bin gespannt, wann sie bekannt geben, dass sie zusammen sind“, mischte sich Fianna ein.

„Sie würden das erste Paar in der Klasse sein“, meinte Kiki. „Niemand aus unserer Klasse hat aktuell einen Freund oder Freundin. Nur Tanja, hatte bis vor Kurzem einen Freund.“ 

 

 

10.Kapitel: Bandenpläne und Scheidungskummer

Pünktlich um zehn Uhr erloschen die Lichter und die Musik verstummte. Die Abschlussdisco war vorüber und morgenfrüh ging es wieder in Richtung Heimat. Die Lehrer kontrollierten um halb elf, ob jeder auf seinem Zimmer war. Lotta und ihre Freundinnen waren längst noch hellwach und unterhielten sich leise. Kurz nach elf Uhr schlichen die Zwillinge in ihr Zimmer. 

„Hilfe, wir sind fast an dem Deo dieser Tussen erstickt“, flüsterte Mathilda. „Bei euch können wir endlich wieder problemlos atmen.“

„Sie haben ausgerechnet unsere Betten mit diesem Zeug eingesprüht“, erzählte Annemieke. „Mathilda ist wirklich gegen manche Deos allergisch, das ist wirklich wahr. Sie musste gerade eben so doll husten, dass sie kaum noch Luft bekommen hat.“

„Die Zicken haben sich wegen der Schneeballschlacht gerächt“, raunte Mathilda verärgert. „Und nun haben wir dafür die Quittung bekommen.“

„Ihr könnt bei uns bleiben“, meinte Kiki. Da die Freundinnen noch nicht mal annähernd müde waren, spielten sie auf dem Fußboden drei Partien Uno.

 

Bis weit nach Mitternacht blieben die Bandenmädchen wach und erzählten sich gegenseitig lustige Geschichten. Lotta saß zwischen Aylin und Annemieke auf ihrem Bett, während es sich die Anderen auf Kikis Bett gemütlich gemacht hatten.

„Wisst ihr was“, begann Annemieke nachdenklich. „Stellt euch vor, man hätte eine Dose, in der man alle schönen Erinnerungen aufbewahren könnte. Ich würde meine Erinnerungen an diese Klassenfahrt darin einsperren und wenn es mir später schlecht geht, dann kann ich diese Dose wieder öffnen und wäre wieder glücklich.“

„Werden wir in Zukunft auch noch eine Bande sein?“, fragte Aylin.

„Ich denke schon, es macht total viel Spaß mit euch die Zeit zu verbringen“, nickte Kiki zustimmend.

 

„Du weißt doch, dass eine Gruppe von Freundinnen nicht sofort eine Bande ist, Kiki“, sagte Mathilda. „Zu einer richtigen Bande gehören wöchentliche Treffen, ein Bandenquartier, gemeinsame Aktivitäten, ein Schwur, ein Bandenbuch und eine Gegenbande.“

„Den Schwur und die gegnerische Bande hätten wir bereits“, meinte Annemieke. „Wir brauchen unbedingt eine gemeinsame Bandenaktivität. Wer von euch reitet?“

Alle bis auf Fianna und Aylin meldeten sich.

„Lotta will auf jeden Fall in unsere Reitgruppe eintreten“, sagte Kiki. „Aber was ist mit euch, Fianna und Aylin? Hättet ihr freitags Zeit?“

Fianna machte ein skeptisches Gesicht.

„Freitags habe ich immer Nachhilfe in Mathematik und Chemie“, sagte sie und dann hellte sich ihre Miene plötzlich auf: „Ich kann die Nachhilfe auch auf Mittwoch verlegen. Wie ich meine Eltern kenne, würden sie bestimmt meine Reitstunden bezahlen.“

 

Lotta merkte, dass Aylin Tränen in die Augen stiegen.

„Was hast du?“, fragte sie besorgt.

„Es ist so“, begann Aylin stockend. „Wir sind vier Geschwister: meine große Schwester, meine beiden jüngeren Brüder und ich. Da bleibt insgesamt nicht viel Geld übrig. Vor einem Monat hat meine Mutter ihren Job verloren und nun sind wir auf das Gehalt meines Vaters angewiesen. Zwar verdient meine große Schwester ein wenig mit Zeitungsaustragen und Babysitten hinzu. Dennoch reicht es vorne und hinten nicht. Meine Eltern erlauben mir deswegen niemals ein teures Hobby.“

„Wir werden auf alle Fälle eine Lösung finden“, meinte Kiki aufmunternd.

„Wir haben noch nicht über unser Bandenquartier gesprochen“, wandte Mathilda ein. „Eine Bande braucht einen Treffpunkt. Wir haben in unserem Garten ein Gartenhäuschen, aber unsere Eltern würden verrückt werden, wenn wir dauernd so viele Gäste zu Besuch hätten.“

„Wir haben ein großes Wohnzimmer“, mischte sich Lotta ein. „Aber meine Mutter erlaubt mir, dass ich höchstens zwei Freundinnen auf einmal mitbringen darf.“

Lotta, Kiki und Fianna zerbrachen sich bis um fünf Uhr morgens die Köpfe über ihr zukünftiges Bandenquartier. Aylin und Annemieke, die neben Lotta lagen, schliefen bereits tief und fest. Irgendwann fielen auch Lotta die Augen zu.

 

 Nur drei Stunden später klingelte Kikis Wecker. Lotta wachte schlaftrunken zwischen Annemieke und Aylin auf. Zuerst bemerkte sie, wie Annemiekes wilden Locken sie im Gesicht kitzelten und dann spürte sie Aylins Ellenbogen in ihrem Rücken.

„Uah, ich bin so müde“, gähnte Fianna. „Ich will noch nicht aufstehen.“ 

„Schade, dass die Fahrt so schnell vorbei ging“, bemerkte Mathilda und machte ein langes Gesicht.

„Mach dir keine Sorgen, Matti!“, klopfte Kiki ihr auf die Schulter. „Als Bande werden wir noch genug Spaß haben und der richtige Bandenspaß wird erst noch kommen.“ 

„Oh ja, das wird so phänomenal toll werden! Ich freue mich so riesig auf unsere zukünftigen Abenteuer!“, wurde Mathilda vor Freude ganz hibbelig.

„Und den Piranhas werden wir auch noch öfter eins auswischen!“, grinste Kiki frech.

„Au ja, da mach ich mit!“, rief Fianna begeistert.

„Verdammt nochmal, wir müssen uns sputen!“ rief Annemieke und schreckte beim Blick auf Emilys Wecker hoch: „In einer Dreiviertelstunde gibt es Frühstück und wir haben noch nichts gepackt.“ 

 

Alle Mädchen standen auf, zogen sich an und fingen an ihre Taschen zu packen. Nur Emily blieb lethargisch auf ihrem Bett sitzen.

„Ich will gar nicht mehr nach Hause, wenn ich ehrlich bin“, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen.

„Nimm es nicht so schwer! Dein Vater ist ein elendiger Idiot!“, tätschelte Mathilda liebevoll ihren Rücken und setzte sich neben sie.

„Trotzdem werde ich es keine Sekunde mehr aushalten, wenn meine Mutter dauernd vor Liebeskummer weint, mein Vater einfach nicht mehr da ist und meine Eltern nicht mehr normal miteinander reden können“, drohte Emily in Tränen auszubrechen. Lotta wusste nicht, wie sie Emily aufmuntern konnte. Auch Fianna und Aylin fiel nichts Gescheites ein.

„Wenn ich wieder da bin, dann werde ich abhauen!“, begannen Emily die Tränen über die Wangen zu laufen. Weinend sank sie in sich zusammen.

„Du kannst auf alle Fälle zu uns kommen, wenn du es nicht mehr aushältst. Unsere Eltern haben nichts dagegen, wenn du ab und zu bei uns übernachtest“, tröstete Annemieke ihre beste Freundin und nahm sie in den Arm.

„Ich weiß, was du durchmachen musst, Lily“, musste Kiki schlucken. „Bei meinen Eltern war das genauso schlimm.“

 

Schnell packten die Freundinnen ihre Koffer zuende und checkten, dass sie nichts vergessen hatten. Bereits nach dem Frühstück sollte die Abfahrt sein. Lottas Gefühle waren gemischt, einerseits hat ihr die Klassenfahrt sehr viel Spaß gemacht, da sie sehr liebenswerte Freundinnen gefunden hatte und viele interessante Dinge erlebt hatte. Andererseits freute sie sich darauf Freudenburg richtig kennen zu lernen und ihre Familie wieder zu sehen. Kurz vorz halb neun schlenderten die Bandenmädchen zum Gemeinschaftsraum. Dabei kreuzten die Piranhas ihren Weg. Sie schnitten fiese Grimassen und lachten dabei höhnisch. Dann zeigte Lennart auf Aylin und machte sich besonders klein. Lotta spürte, wie unbehaglich sich Aylin fühlte. Schließlich war sie für ihr Alter wirklich klein. Erst als Annemieke sich bei Aylin unterhakte und ihr etwas Aufmunterndes zuflüsterte, wirkte diese wieder deutlich selbstbewusster und konnte wieder lächeln.

 

Als sie in den Gemeinschaftsraum eintraten und sich an einen freien Tisch setzten, war es ungewohnt ruhig. Die meisten Schüler schienen ziemlich müde zu sein und hatten nur wenig Appetit, da es gestern auf der Party viel zu naschen gab. Lotta aß in Zeitlupentempo ein Körnerbrötchen und nahm zwischendrin einen Schluck Kakao. Ab und zu musste sie gähnen, denn die Nacht war wirklich sehr kurz. Auch Kiki und die Zwillinge, die sonst zu Scherzen aufgelegt waren, verhielten sich ungewohnt still. Es war ruhiger als in den letzten Tagen. Nur Pauline und Freya unterhielten sich intensiv mit Frau Schellhardt.

„Könnten Sie nicht alle Bilder und Videos auf einen Stick ziehen, Frau Schellhardt?“, schlug Pauline vor.

„Das ist auf jeden Fall eine tolle Idee“, meinte Frau Schellhardt. „Wir können irgendwann in einer Mathestunde eine Diashow machen.“

„Meine Eltern würden sich bereit erklären, allen Schülern dieser Klasse einen USB-Stick mit Fotos zur Verfügung zu stellen“, wandte Freya ein. „So hat jeder eine schöne Erinnerung an die Fahrt."

 

Als Frau Schellhardt in die Teeküche verschwand und dort von einer Küchenhilfe in einen Plausch verwickelt wurde, begannen sich Jolanda und ihre Freundinnen am Nachbartisch zu unterhalten.

„War das nicht geil heute Nacht?“, sagte Jolanda leise zu Saskia. „Wie wir die ganze Nacht mit Jannis und seinen Kumpeln rum gemacht haben. Richtig lustig wurde es, als Max eine Flasche Sekt und ein Sixpack Bier aus seiner Tasche geholt hat.“

„Nananana, Alkoholexzesse auf der Klassenfahrt!“, bemerkte Kiki kopfschüttelnd. Dabei sprach sie so leise, dass es nur ihre Freundinnen am Tisch mitbekamen. Lotta schielte zum Tisch der Piranhas rüber. Jannis und seine Freunde schienen leicht neben der Spur zu sein. Bestimmt hatten sie einen mitgetrunken.

„Wenn sie sich mit Alkohol cooler fühlen, dann ist ihnen auch nicht mehr zu helfen“, drückte Annemieke ihre Abneigung aus. „Sie denken schon, sie seien so erwachsen.“

 

„Für sie sind wir wie kleine Kinder“, fügte ihre Zwillingsschwester hinzu. „Das Tussenkomitee hat uns das die letzten Tage dauernd zu verstehen gegeben und irgendwann hat das ziemlich genervt.“

„Ich fand die Klassenfahrt jedenfalls viel cooler als Schule“, meinte Fianna zufrieden. „Eine Woche ohne Hausaufgaben und Stress, das war phantastisch! Allerdings habe ich meine Eltern und meinen Zwillingsbruder Tom schon etwas vermisst.“

„Du hast einen Zwillingsbruder, Fianna!“, rief Lotta erstaunt. „Meine Güte, in Freudenburg scheinen fast alle einen Zwillingsbruder oder eine Zwillingsschwester zu haben.“

Kiki schüttelte den Kopf. „Nein, ich kenne zwei Zwillingspärchen. Das sind einmal Matti und Micky und dann Fianna und Tom.“ 

„Und mein Vater hatte auch einen Zwillingsbruder", wandte Aylin. „Allerdings kam dieser vor über zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben."

 

Auf der Rückfahrt schlief Lotta fast durchgehend, bis sie von Kiki wachgerüttelt wurde.

„Lotta, ruf deine Eltern an! In einer Viertelstunde werden wir ankommen“, sagte ihre Freundin und ein enig später kamen sie vor der Schule an. Auf dem Lehrerparkplatz warteten bereits viele Eltern, Angehörige und Geschwister.

„Tom!“, schrie Fianna vor Freude und rannte auf einen Jungen mit kurzen dunkelblonden Haaren zu. Annemieke und Mathilda wurden währenddessen von ihren Eltern umarmt. Lotta schaute sich um, aber ihre Mutter war noch nicht zu sehen. Kiki stellte Lotta ihrer Mutter vor: „Das ist meine neue Freundin Carlotta Janssen, sie ist erst seit Anfang dieser Woche in unserer Klasse.“

Kikis Mutter sah ihrer Tochter überhaupt nicht ähnlich, sie hatte blaue Augen und rotbraune Locken, während Kiki schwarze Haare und dunkle Augen hatte.

„Carlotta“, hörte Lotta Jemanden rufen. Sie drehte sich um, es war ihre Mutter.

„Mama!“, rief sie glücklich und fiel ihr um den Hals.

„Hallo Schätzchen, es tut mir so leid, dass ich zu spät bin“, entschuldigte sich ihre Mutter. „Ich musste Leon aus der Schule abholen. Komm wir müssen uns beeilen, Leon wartet schon im Auto auf uns, er wird sonst ungeduldig.“

„Immer nur Leon, Leon, Leon und Leon!“, dachte Lotta genervt, aber sprach diesen Gedanken nicht aus. Sie schaute sich kurz darauf nach ihren Freundinnen um, aber sie sah nur noch Emily und Aylin.

„Mama, ich verabschiede mich eben von meinen Freundinnen“, sagte sie. 

„Tschüss, Lotta!“, winkte Emily ihr hinterher.

"Bis denne, Emily! Wir sehen uns Montag", rief Lotta. 

 

Als sie im Auto saßen, quengelte ihr kleiner Bruder: „Warum musste das so lange dauern? Ich habe Hunger und will außerdem an meiner Legoburg weiter bauen.“

Lotta ignorierte seine Bemerkung und begann von ihrer Klassenfahrt zu erzählen.

„Es ist doch schön, dass du dich in deiner neuen Klasse so wohl fühlst“, meinte ihre Mutter und fügte hinzu: „Lotti, wir haben dein Zimmer komplett eingerichtet sieh dir das gleich unbedingt an und seit gestern haben wir Rollrasen im Garten. In den nächsten Wochen kommen die Gärtner und werden unseren Garten noch weiter verschönern.“ 

Lotta nickte gähnend und lehnte sich zurück.

„Zuhause werde ich erst mal ein paar Stunden schlafen“, sagte sie und unterdrückte ein Gähnen.

„Na sowas, ich kenne es von dir überhaupt nicht, dass du dich tagsüber freiwillig hinlegst“, bemerkte ihre Mutter und merkte an: „Übrigens Anna hat in den letzten Tagen zweimal angerufen.“

„Verdammt, ich wollte ihr eine Nachricht schicken, aber ich habe es total vergessen“, fiel es Lotta ein. Anna war ihre bisherige beste Freundin aus Mannheim. Wie konnte sie bloß Anna vergessen, dachte sie peinlich berührt. Dabei hatte sie ihrer besten Freundin geschworen, dass sie auch nach dem Umzug beste Freundinnen bleiben würden. 

  

 

11.Kapitel: Lottas neue Heimat

Lotta beschloss sofort nach dem Mittagessen bei Anna anzurufen und ging dazu in ihr Zimmer. Gerade warf sie sich selbst vor, dass sie beste Freundin fast eine Woche lang mehr als vernachlässigt hatte.

„Hallo, hier ist Anna Skellberg“, nahm ihre Freundin ab.

„Hallo Anna, hier ist Lotta“, meldete sich Lotta überschwänglich und ließ sich mit dem Handy in der Hand auf das Sofa in der Ecke ihres Zimmers fallen.

„Wie war die denn Klassenfahrt? Ich dachte bereits, ich wäre dir fast schon egal, nachdem du dich fast eine Woche lang nicht mehr bei mir gemeldet hast. Ich gehe davon aus, dass du eh schon neue Freundinnen gefunden hast“, meinte Anna und Lotta glaubte heraus zu hören, dass sie leicht verletzt klang.

„Natürlich bist du mir nicht egal, schließlich bist immer noch meine beste Freundin“, widersprach sie ihr sofort. „Ich hatte eine echt aufregende Klassenfahrt hinter mir und jeden Tag volles Programm. Jeden Abend war ich so müde, dass ich ziemlich schnell eingeschlafen, daher habe ich mich noch nicht gemeldet.“

 

„Hast du schon neue Freundinnen gefunden?“, wollte Anna mit Nachdruck wissen.

„Ja, ich habe sechs wirklich tolle Mädchen kennen gelernt, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstanden habe“, erwiderte sie.

„Wie heißen sie?“, fragte Anna weiter.

„Kiki, Mathilda, Annemieke, Emily, Aylin und Fianna“, zählte Lotta auf.

„Das sind zum Teil aber komische Namen“, bemerkte ihre Freundin. „Wie kann man nur Annemieke oder Mathilda heißen? Wer nennt seine Kinder so?"

„Ich glaube, der NameAnnemieke kommt aus Holland“, fuhr Lotta fort. „Ach ja und Kiki heißt eigentlich Kristina. Weißt du, meine neuen Freundinnen sind mit unserer alten Clique überhaupt nicht vergleichbar. Während wir den ersten Jungs hinterher geschwärmt hatten, kriegen sich meine neuen Freundinnen mit einigen Jungs so richtig in die Haaren. Anna, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie bescheuert einige von ihnen sind. Die schlimmsten Idioten gehören zu einer Jungenbande, die sich „Piranhas“ nennen. Sie haben die größte Klappe weit und breit. Noch schlimmer ist, dass sie vor niemanden Respekt haben. Weil wir die Schnauze voll hatten, gründete Kiki mit mir und einigen ihrer Freundinnen eine Gegenbande.“

 

„Eine Bande? Nicht im Ernst oder? Doch nicht in eurem Alter!“, lautete die argwöhnische Reaktion ihrer Freundin.

„Na klar, warum nicht?“, erwiderte Lotta. „Ich finde, dass wir eine Bande nicht zu alt sind. Ganz im Gegenteil, ich habe erfahren, dass man mit richtigen Bandenfreundinnen richtig Spaß haben kann und der Zusammenhalt einzigartig ist.“

Die beiden Freundinnen telefonierten noch eine Weile miteinander, bis Anna einfiel, dass sie noch zum Tennistraining musste. Lotta merkte schon, dass sich zwischen ihr und Anna eine gewisse Distanz aufgebaut hatte, obwohl es nur anderthalb Wochen her war, dass sie hier her gezogen war. Hoffentlich nahm ihr Anna es nicht krumm, dass sie innerhalb kürzester Zeit in Freudenburg neue Freundinnen gefunden hatte. Trotz allem schwor sie Anna am Ende des Telefonats, dass sie weiterhin beste Freundinnen blieben.

 

Am Montag in der Schule zeigte Aylin ihren Freundinnen in der großen Pause stolz ihr Bandenbuch.

„Seht mal, daran habe ich bis gestern gearbeitet“, sagte sie lächelnd und schlug das rote Samtbuch auf.

„Die ersten Seiten habe ich absichtlich frei gelassen. Dort sollen später Fotos von uns rein“, erzählte sie und sechs Köpfe ihrer Freundinnen beugten sich über sie.

„Wow, ist das schön geworden!“, freute sich Kiki.

„Ein Foto habe ich bereits doch in das Buch geklebt“, sagte Aylin. „Nämlich das Klassenfoto, was wir vor der Bärenhöhle aufgenommen hatten. Ich werde nachher aufschreiben, was wir auf unserer Klassenfahrt erlebt haben. Ein richtiges Bandenphoto haben wir leider noch nicht, doch die Bandenbeschreibung und eure Steckbriefe habe ich schon fertig. Seht euch das ruhig an!“

Sie ließ das Bandenbuch einmal rum gehen, sodass ihre Freundinnen einen Blick hinein werfen konnten.

 

„Das ist spitzenmäßig geworden!“, rief Emily begeistert. „Darf ich das Bandenbuch mit ein paar Einhorn-Glitzerstickern verzieren?“

„Ich weiß nicht, ich finde das zu tussenhaft“, lehnte Mathilda ihren Vorschlag ab.

„Was findest du bitteschön nicht tussenhaft?!“, wandte sich Annemieke genervt gegen ihre Schwester und sagte zu Emily: „Ein paar Sticker und Verzierungen sind bestimmt schön, aber es dürfen nicht zu viele sein.“

Lotta zeigte ihren Freundinnen, was sie als Erinnerungsstück von der Klassenfahrt mitgenommen hatte. Es war ein Tannenzapfen, den sie auf einen ihrer Wanderungen gefunden hatte.

„Wir brauchen unbedingt eine Erinnerungsbox, in der wir Gegenstände aufbewahren können“, schlug Annemieke vor.

„Na klar, ich habe vor einiger Zeit eine Schatztruhe auf einem Flohmarkt ergattert. Sie ist zwar nicht besonders hübsch, aber wir können trotzdem unsere Erinnerungsstücke darin aufbewahren“, meinte Lotta.

 

Die erste Woche in der Schule verging wie im Flug. Lotta war selbst überrascht, wie schnell sie sich mit ihrem neuen Zuhause, ihrer neuen Schule und der neuen Umgebung zurecht finden konnte. Während Leon in seiner Klasse noch keinen richtigen Spielkameraden gefunden hatte, hatte Lotta schnell in ihrer Klasse blitzschnell Anschluss gefunden. Am Rosenmontag besuchte sie zusammen mit ihrer Bande den Karnevalsumzug in der Innenstadt und ging anschließend mit Kiki und den Zwillingen zum Kinderkarneval im Jugendzentrum. Auch eine Sightseeing-Tour am darauf folgenden Tag durch Freudenburg durfte nicht fehlen. Ihre neuen Freundinnen waren die authentischten Stadtführerinnen, die Lotta jemals erlebt hatte. Besonders Fianna, Kiki und Mathilda stachen dabei mit ihrem schauspielerischen Talent heraus.

 

„Matti und ich waren hier vor einigen Jahren auch neu in dieser Stadt“, erzählte Annemieke. „Wir kommen aus Bremen und sind am Anfang der vierten Klasse hier her gezogen.“

„Das war vielleicht ne Umstellung! Von einer Großstadt in Nordeutschland in so ein Kuhkaff in Rheinland-Pfalz“, nickte ihr Zwilling.

„Nenn Freudenburg nicht noch mal Kuhkaff“, gab ihr Kiki einen Rippenstoß.

„Ich finde, dass Freudenburg ist eine schöne Stadt ist. Vor allem die Altstadt mit den historischen Gebäuden mag ich sehr. Ich bin mal gespannt, wie die Burg Freudenburg aussieht“, war Lotta sehr begeistert von ihrer neuen Heimat.

„Ich bin mir sicher, dass du unser Wahrzeichen schon gesehen hast. Das wird abends immer beleuchtet und thront oben auf dem Berg“, drehte sich Kiki zu ihr um.

„Und wenn nicht, dann zeigen wir ihr die Freudenburg“, gab Annemieke die Marschrichtung vor. Gutgelaunt hängte sie sich bei Lotta ein.

 

Zu siebt schlenderten sie über eine mittelalterliche Brücke und liefen eine steile Straße mit Kopfsteinpflaster hinauf. Die Mädchen konnten sich nur auf dem Burghof umsehen, da das Burgmuseum wegen Renovierungsarbeiten geschlossen hatte. Stattdessen  boten die anderen Mädchen Lotta eine kleine Theaterszene, indem sie eine Legende nachspielten, die sich auf der Burg abgespielt haben soll.

„Wow! Habt ihr das etwa vorher geprobt?“, klatschte Lotta kurz Beifall und musste schmunzeln.

„Nein, wir sind nur Meisterinnen im Improvisieren“, grinste Fianna kurz.

„Woher wisst ihr so viel über die Stadt?“, war Lotta immer noch ganz erstaunt.

„Das haben wir sehr lange Zeit im Geschichtsunterricht durchgenommen“, meinte Emily.

„Ganz genau, das spannenste Thema in Geschichte seit langem“, nickte Mathilda.

 

Lotta war sehr gespannt, als Kiki sie am Freitag zu ersten Reitstunde abholte.

„Gleich wirst du Rachel kennen lernen. Sie ist unsere Reitlehrerin und gleichzeitig Emilys Tante. Du kannst heute noch nicht an der Stunde teilnehmen, aber nach der Stunde kannst du gerne noch eine Runde reiten“, sagte Kiki zu ihr, als sie auf ihren Fahrrädern saßen und stadtauswärts fuhren. Der Reiterhof lag etwas außerhalb der Stadt zwischen Feldern und Wiesen am Waldrand.

„Ein hübscher kleiner Hof!“, war Lotta sofort entzückt, die nur ihren alten Reitstall in Mannheim kannte, der mindestens dreifach so groß war.

„Ja, das ist hier sehr familiär und das gefällt mir sehr“, pflichtete Kiki ihr bei, die ihr Fahrrad unter einer massiven Kastanie neben der Reithalle abstellte.

„Hey, da seid ihr ja!“, winkte ihnen Emily zu, die ihnen in einer karierten Reithose entgegenkam.

„Wo sind eigentlich die Zwillinge, reiten die nicht auch mit euch in einer Gruppe?“, sah sich Lotta suchend um.

„Heute haben sie ein Vorspiel mit dem Kinderorchester und sind nicht dabei“, wusste Kiki bescheid.

 

„Lotta, du kannst dich schon mal auf die Bank hinter der Bande setzen“, nahm Emily sie mit.

„Ach was, ich helfe euch gerne beim Fertigmachen der Pferde“, widersprach Lotta ihr und stellte sich sehr ordentlich an, als es ums Striegeln und Hufeauskratzen ging.

„Du scheinst echt vom Fach zu sein“, lobte Emily.

„Na klar, ich reite schon seit dem sechsten Lebensjahr“, sagte Lotta.

„Rachel!“, rief Emily nach einer Frau mit einem wilden goldblonden Lockenkopf.

„Emily, was gibt es?“, drehte sie sich um.

„Ich habe eine Freundin mitgebracht. Sie heißt Lotta und möchte heute zugucken", erwiderte Emily. „Sie heißt Lotta und möchte heute zugucken."

Emily machte Lotta und ihre Tante miteinander vertraut. Lotta fand Emilys Tante auf Anhieb sehr sympatisch.

„Schön, dass du hier bist, Lotta. Es freut mich sehr, dass du hier anfangen willst zu reiten“, lachte die Frau herzlich und schüttelte ihr überschwänglich die Hand. Lotta lächelte zurück und fieberte bereits jetzt ihrer ersten Reitstunde im neuen Stall entgegen. Rachel schien eine sehr lebensfrohe und liebe Person zu sein. Daher konnte Lotta es kaum noch abwarten, dass ihre Eltern sie hier zum Reitkurs anmeldeten.

 

Lotta nahm auf einer Bank platz, die auf einer kleinen Empore stand. Von dort aus hatte man einen guten Überblick über die ganze Halle. Mit Emily und Kiki waren es insgesamt acht Reitschülerinnen, die ihre Runden durch die Halle drehten. Jedes Mal wenn Kiki und Emily an der Empore vorbei ritten, winkten sie eifrig. Lotta seufzte leise und versprühte eine große Sehnsucht selbst wieder auf dem Pferd zu sitzen. Zwar war ihre letzte Reitstunde drei Wochen her, aber es fühlte sich in dem Moment so an, als wären Jahre vergangen. Während Rachel Anweisungen gab und die Reiterinnen sich jedes Mal zu einer neuen Abteilung sortierten, tippte Lotta gelangweilt auf ihrem Handy herum. Selbst reiten machte auf jeden Fall viel mehr Spaß als nur zu zugucken.

 

Nach einer Zeit war die Stunde endlich vorbei und Emily winkte Lotta zu sich in die Halle hinunter.

„Du darfst gerne noch ein Paar auf Caruso drehen“, sagte Emily und wollte Lotta in den Sattel helfen.

„Du brauchst mir nicht helfen, das bekomme ich schon alleine hin“, schwang sich Lotta ohne Probleme in den Sattel und thronte kerzengerade auf dem Rücken des Pferdes. 

„Emily, kannst du Lotta bitte führen?“, wandte Rachel an ihre Nichte.

„Eigentlich kann ich auch alleine reiten“, murrte Lotta leise, sodass es niemand hören konnte.

„So ist meine Tante halt, sie ist sehr vorsichtig. Sie kennt dich noch nicht, aber sobald du hier auch Reitstunden nimmst, wird sie sehen, dass du reiten kannst“, zwinkerte ihr Emily zu. Obwohl sie nur geführt wurde, genoss Lotta es, dass sie wieder auf einem Pferd sitzen durfte.

„Wie ein Stück Heimat!“, dachte sie bei sich und sog die angenehme Stallluft tief ein.

12.Kapitel: Kirmes, Achterbahn und Bandenspaß

An einem Wochenende im März trafen sich die Roten Tulpen zum vierten Mal außerhalb der Schule. Kiki hatte vorgeschlagen auf den Jahrmarkt zu gehen, der für eine Woche Station in Freudenburg machte. Sofort sagten die anderen Bandenmitglieder der Roten Tulpen zu, sodass die sieben Freundinnen am Sonntagnachmittag gutgelaunt über die Kirmes schlenderten.

 „Mädels, schaut mal her! Ich habe Jannis roten Haare entdeckt“, wisperte Fianna aufgeregt.

„Oh nein, nicht schon wieder diese Idioten!“, rollte Emily mit den Augen.

„Am besten halten wir die Fischköppe schön auf Distanz“, sah Lotta ebenfalls nicht begeistert aus.

„Hm, ein wenig ärgern könnten wir sie schon“, meinten die Zwillinge dazu und grinsten spitzbübisch.

„Aber nur wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt“, drehte sich Kiki zu ihnen um.

 

„Erstmal machen wir einen Abstecher zum Riesenrad“, beschloss Emily.

„Ich habe aber Höhenangst, ich war noch nie in so einem großen Ding“, wurde Aylin ganz bleich.

„Einmal ist immer das erste Mal“, zwinkerte ihr Mathilda ermutigend zu.

„Nimm meine Hand, wenn du dich fürchtest“, bot ihr Annemieke an. „Ich gebe zu, dass ich manchmal auch ein wenig Höhenangst habe.“

Emily und Kiki stellten sich am Kassenhäuschen an und besorgten sieben Fahrtenchips. Zu siebt passten sie gerade einmal in die kleine Gondel.

„Wackelt nicht so! Das kann ich gar nicht ab“, beschwerte sich Aylin, als Lotta ihren Platz mit Fianna tauschte.

„Was für eine coole Aussicht!“, schwärmte Kiki. Lotta konnte dem nur zustimmen. Auf jeden Fall war es sehr spannend, die neue Heimatstadt von oben zu sehen. Wie schade, dass sie ihre Kamera zuhause vergessen hatte. Aylin, die am meisten Höhenangst hatte, griff nach Annemiekes und Kikis Händen. Nun sagte sie kein einziges Wort mehr und presste ihre Lippen aufeinander.

„Alles gut, gleich bist du wieder auf dem Boden, Aylin!“, tröstete Lotta sie.

 

„Auf jeden Fall müssen wir zusammen mit der Achterbahn fahren!“, nahm sich Kiki vor. Sie deutete auf die mit bunten Fahnen geschmückte Achterbahn, die die meisten anderen Fahrgeschäfte überragte und auch aufgrund der bunten blitzenden Lichter von Weitem gut sichtbar war. 

„Au ja, das wird ein Spaß!“, freute sich Mathilda, die sich bei ihrer besten Freundin einhängte.

„Och nö, habt ihr die große Schlange gesehen? Da warten wir eine ganze Ewigkeit“, moserte Fianna.

„Egal, ich kann auch eine Viertelstunde warten, das macht mir nichts aus“, meinte Lotta dazu, die bereits ihr Portemonnaie gezückt hatte.

„Ist es euer Ernst, dass ihr mich in eine Achterbahn kriegen wollt?“, betonte Aylin jedes Wort einzeln.

„Warum nicht? So schlimm ist das nun auch nicht“, zuckte Fianna mit den Achseln.

„Oh ja, es gibt wesentlich turbulentere Fahrgeschäfte und dabei hat diese Achterbahn noch nicht mal einen Looping“, fügte Mathilda bei.

 

„Okay, ich fahre mit, aber nur weil ihr es seid“, sagte Aylin, nachdem sie eine Weile mit sich selber gekämpft hatte.

„Wow! Du bist eine kleine mutige Heldin, die über sich hinauswächst“, legte ihr Kiki den Arm um die Schulter. In der Achterbahn konnten bis zu vier Personen nebeneinander sitzen. Aylin bestand darauf, dass sie zwischen Kiki und Fianna saß. Lotta saß mit Emily und den Zwillingen eine Reihe hinter ihnen.

„Juhuu, es geht los!“, nahm Mathilda Lottas Hand, während ihre Augen vor Vorfreude strahlten. Lotta fand die Achterbahn nicht besonders spektakulär. Im Disneyland Paris und im Europark war sie bereits mit viel größeren Achterbahnen gefahren.

 

Ruckelnd setzte sich der Achterbahnwagen in Bewegung.

„Aaahh, ich verliere den Boden unter meinen Füßen!“, quiekte Aylin vor ihnen. Der Anstieg dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis es endlich in scharfen Kurven bergab ging. Jedes Mal wenn eine steile Kurve kam oder es im rasanten Tempo nach unten ging, quietschten und lachten die Mädchen vor Vergnügen.

„Das war doch nicht so schlimm, wie ich mir es vorgestellt habe“, war Aylin nach der Fahrt sichtbar erleichtert und fuhr sich mit ihrer Hand durch die windzersausten Locken. Kiki beschloss das Foto zu kaufen, welches kurz vor der Zielgeraden von ihnen geschossen wurde.

„Manno, da sehen meine Haare total unordentlich aus“, meckerte Mathilda.

„Seit wann schickst du dich so?“, stieß Fianna sie neckend an, worauf Lotta und Emily zu kichern anfingen.

„Wir sind dafür, dass wir erstmal zum Schießstand gehen, wir brauchen ein bisschen Erholung von den wilden Karussells“, gaben Emily und Fianna die Marschrichtung vor. Mit Luftdruckgewehren zielten die Bandenmädchen auf kleine Blumen und Sternchen.

 

Hierbei stellten sich Annemieke, Kiki und Lotta besonders geschickt an und suchten sich als Gewinn Stimmungsringe aus, die sie sich prompt an ihre Finger steckten.

„Hallo, da sind die Schnitten wieder!“, zeigte Michael mit dem Zeigefinger auf Lotta und Kiki.

„Ihr Fischköppe habt uns gerade noch gefehlt!“, gab Mathilda ungeniert zurück.

„Ich sag’s doch, diese Stadt ist zu klein für zwei Banden“, sagte Lennart, der sich zu den Mädchen umdrehte.

„Leider, sonst würden wir nicht ständig mit euch konfrontiert werden“, sagte Annemieke dazu.

„Oh man, Aylins Haarreif sieht ja total bescheuert aus“, giggelte Jannis los. „Sag mal, Aylin, gehst du eigentlich noch in den Kindergarten?“

„Bei der geringen Körpergröße gut möglich“, fügte sein bester Kumpel Sven hinzu. Lotta sah, dass sich Tränen in Aylins Augen sammelten.

„Lasst gefälligst unsere Freundin in Ruhe, ihr Hornochsen!“, fauchte sie die Piranhas an.

„Noch ein dummes Wort und ihr könnt als Rollmops nach Hause gehen“, drohte ihnen Mathilda an.

 

„Wer geht mit mir in den Breakdancer?“, fragte Fianna, nachdem die Bandenmädchen den Jungs den Rücken gekehrt hatten.

„Ich nicht, das ist mir zu heftig“, schüttelte Aylin den Kopf. Emily und Annemieke hatten ebenfalls keine Lust und gönnten sich in der Zeit eine Zuckerwatte, während sich Aylin eine kleine Tüte gebrannte Mandeln holte.

 

„Endlich mal ein wilderes Fahrgeschäft!“, freute sich Mathilda auf den bevorstehenden Adrenalinschub.

„Yeah, gleich geht es rund!“, gab Kiki ihren Freundinnen Highfives. Die Mädchen johlten und quiekten, als die runde Platte und die Wagen sich in Bewegung setzten und sich in einem Affenzahn um ihre eigene Achse drehten. Bunte Lichter blitzten auf, der kräftige Bass eines Popsongs wummerte ihnen entgegen und der Rauch einer Rauchkanone hüllte das Fahrgeschäft in eine diesige Wolke. Lotta hatte das Gefühl, als würde sie hin und her geschleudert werden. Bereits nach kurzer Zeit verlor sie komplett die Orientierung.

„Juhuu, ist das cool!“, jauchzte sie.

„Schneller, schneller, schneller!“, riefen Kiki und Fianna. Nach der Fahrt war Lotta doch ein bisschen schwindelig, sodass sie sich kurz bei Mathilda und Kiki unterhakte.

 

„Hat es wenigstens Spaß gemacht?“, wollte Emily von ihnen wissen.

„Klar, das war der erste richtige Nervenkitzel des Tages“, nickte Fianna und wischte sich eine rote Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

„Auf jeden Fall darf der Autoskooter bei einem Jahrmarktbesuch nicht fehlen“, steuerte Annemieke mit Aylin auf den Autoskooter gegenüber zu und besorgte die Fahrtenchips. Lotta zwängte sich mit Aylin und Fianna in einen Wagen, da Aylin und Fianna sehr schmal waren und zusammen auf einen Sitz passten.

„Fischkopfalarm!“, riefen die Zwillinge neben ihnen.

„Kommt, wir crashen sie!“, spornte Kiki ihre Freundinnen an, die mit Emily in einem Autoskooter saß.

„Auf in den Kampf gegen die dümmste Mädchenbande der Welt!“, rief Jannis, der mit seiner durchdringenden Stimme die Musik und die anderen Nebengeräusche übertönte. Lotta, die das Lenkrad in der Hand hatte, raste frontal auf Max und Lennart zu.

„Nein, nein! Bitte nicht!“, bettelte Aylin.

 

Zu spät! Lottas Wagen krachte mit Kiki und den beiden Piranhas auf einmal zusammen. Die Mädchen und die Jungs lieferten sich wilde Verfolgungsrennen und versuchten die Autoskooter der anderen so oft wie möglich zu rammen.

„Man kann von Glück reden, dass man nicht so im richtigen Verkehr Auto fährt“, murmelte Aylin, worauf Lotta sich vor Lachen kringelte. Im nächsten Moment wurden Aylin, Fianna und sie durch einen heftigen Aufprall nach vorne geschleudert. Ein anderer Wagen musste ihnen ungebremst von hinten aufgefahren sein.

„Ihr bösen Zwillinge, ihr ward es also!“, rief Fianna lachend, als sie sich nach hinten umdrehte.

„Wir sind immer für eine Überraschung gut“, musste Annemieke über beide Backen grinsen.

„Pah, das werdet ihr noch zurückkriegen, ihr Kaasköppe!“, erwiderte Lotta mit vorgespielter Empörung.

„Wie hast du uns genannt?“, rief Mathilda gegen die laute Musik an.

„Wenn das mal keinen Ärger gibt!“, fügte ihre Zwillingsschwester hinzu.

„Mädels, bitte nicht mehr so wild!“, bat Aylin. „Langsam bekomme ich davon schon Kopfschmerzen.“

 

Nun hatten die Mädchen genug von wilden Fahrgeschäften und Karussellfahren.

„Langsam kriege ich echt Monsterhunger!“, blieb Mathilda vor einem Crepe- und Waffelstand stehen. Überall roch es verführerisch nach Zimt, Zucker, Schokolade und anderen Leckereien.

„Stimmt, wir sollten uns echt etwas zu essen gönnen“, pflichtete ihr Fianna bei.

„Kommt, wir holen uns den Zuckerschock unseres Lebens“, kicherte Emily, die vorhin schon eine Zuckerwatte gegessen hatte. Da die Mädchen noch ein paar Euro übrig hatten, deckten sie sich mit allerlei Süßkram, Krapfen mit Marmelade und Getränken ein.

„Langsam muss ich echt nach Hause“, warf Aylin einen Blick auf ihre rosa Armbanduhr.

„Jetzt schon? Es ist gerade einmal kurz vor sechs“, zog Fianna die Augenbrauen hoch.

„Trotzdem muss ich pünktlich zum Abendessen zuhause sein. Ihr wisst doch, wie meine Eltern ticken“, erwiderte ihre beste Freundin.

 

Aylin umarmte ihre Freundinnen kurz und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle.

„Wie fandet ihr unser viertes Bandentreffen?“, fragte Kiki in die Runde.

„Es war richtig toll“, war Annemieke die Begeisterung anzusehen. „Da gibt es eindeutig Wiederholungsbedarf.“

„Oh ja, wir müssen uns viel öfter treffen“, pflichtete ihr Fianna bei.

„Da gibt es immer noch das Problem, dass wir noch ein richtiges Bandenquartier haben“, seufzte Kiki.

„Vielleicht können wir uns öfter dem Reiterhof meiner Tante treffen“, schlug Emily vor.

„Aber ein richtiger Ort, an dem wir unter uns sind, ist das auch nicht“, hatte Lotta einzuwenden.

„Nur nicht verzweifeln, wir werden irgendwann schon ein tolles Quartier für die Roten Tulpen finden, schließlich ist unsere Bande noch nicht sehr alt“, sähte Fianna Zuversicht.

Eintrag in das Bandenbuch

Bandenbuch der Roten Tulpen

Gegründet: 05.02.2013 Jugendherberge Wetterberg

Mitglieder: 7 beste Freundinnen

Anführerin: Kiki

Vize-Anführerin: Mathilda

Schriftführerin: Aylin

Bandenquartier:

Geheime Wörter oder Zeichen:

Bandenschwur: „Die Rote Sieben: Das sind wir! Wir sind nicht nur beste Freundinnen, sondern auch Schwestern im Geiste und halten daher wie Pech und Schwefel zusammen. Unsere Geheimnisse werden unsere Bandengrenze nicht verlassen. In guten sowie in schlechten Zeiten werden wir füreinander da sein. Kein Streit wird uns entzweien, denn wir sind die Rote Sieben und einfach unzertrennlich!"

Gegenbande: Die Piranhas

Andere bzw. „Manchmal-Feinde“: Das Tussenkomitee

 

 

 

Steckbriefe 

Kristina Morawski

Geburtstag: 08. Februar

Alter: 12

Spitzname: Kiki

Herkunft: Deutschland

Geschwister: Bruder Florian (19) und große Schwester Mirja (15)

Eigenschaften: selbstbewusst, freundlich, lässt sich nicht einschüchtern, optimistisch, lustig und quirlig

Haare: Schwarz, lang und glatt (trägt meistens Zöpfe)

Augenfarbe: Schwarz

Lieblingsessen: Spagetti, Eierpfannkuchen und Omas Vanillepudding

Lieblingsfarbe: Königsblau

Hobbys: Reiten, Schwimmen, Klettern, Geschichten ausdenken, Handarbeiten, Kochen und Hund Benno spazieren führen

Das hasst sie: Nacktschnecken, Deutsch, Englisch, Grünkohl, Bier, Piranhas, Zimmer aufräumen und Regenwetter

Beste Freundin/nen: Mathilda und neuerdings auch Lotta

Haustier: Ein Hund

Stärken: Sie ist die geborene Leaderin, kann schleichen wie eine Indianerin und hat ihren Kopf voller Ideen – Daher ist sie unsere Anführerin

Schwächen: Kriegt in den Fächern wie Englisch und Deutsch die Krise

Lebensmotto: No risk, no fun!

 

 

 

Mathilda Jacqueline ter Steegen

Geburtstag: 31. August

Alter: 12

Spitzname: Matti

Herkunft: Niederlande / Deutschland

Geschwister: Annemieke (Zwillingsschwester)

Eigenschaften: selbstbewusst, frech, vorlaut, witzig, manchmal leichtsinnig, lebenslustig, ehrlich, offen, quirlig und sagt immer, was sie denkt

Haare: hellblonde, kinnlange Locken

Augenfarbe: blau-grau

Lieblingsessen: Pizza, Lasagne und Vanille Vla

Lieblingsfarben: Orange und Türkis

Hobbys: Reiten, Hockey, Tischtennis, Fahrradfahren, Freundinnen treffen, Querflöte spielen, Streiche und Witze ausdenken

Das hasst sie: Hausaufgaben, Unehrlichkeit, Klassenarbeiten, Englisch, Zicken, Spinat und schlechte Laune

Beste Freundin/nen: Kiki und natürlich auch ihre eigene Schwester

Haustier: Zwei Nymphensittiche

Stärken: Sie lässt sich nie einschüchtern, steckt ihre Freundinnen mit ihrer Lebensfreude an, ist intelligent und steht immer zu ihren Freundinnen

Schwächen: Sie kann manchmal ihr loses Mundwerk nicht halten und würde bessere Noten schreiben, wenn sie nicht so faul wäre

Lebensmotto: Ich bin kompliziert, aber bin gerne so

 

Annemieke Sophia ter Steegen

Geburtstag: 01. September

Alter: 12

Spitzname: Micky und manchmal Anni

Herkunft: Niederlande / Deutschland

Geschwister: Mathilda (nur wenige Minuten älter als Annemieke)

Eigenschaften: vernünftig, ruhig, einfühlsam, witzig, fröhlich, treu, fair, zuverlässig und fleißig

Haare: hellblonde, mittellange Locken (bisschen länger als bei Mathilda)

Augenfarbe: blau-grau

Lieblingsessen: Pizza, Vla in allen Sorten, Eis, Ravioli und Wassermelone

Lieblingsfarbe: Rot

Hobbies: Reiten, Hockey, Tischtennis, Freundinnen treffen, Lesen, Gedichte und Geschichten schreiben, Malen und Klarinette spielen

Das hasst sie: Streit, Gemeinheiten, Lügen, Ungerechtigkeiten, die Leichtsinnigkeiten ihrer Schwester, schlechte Laune, Regenwetter Spinnen, Skorpione und Alpträume

Beste Freundin/nen: Emily und ihre eigene Schwester

Haustier: Zwei Nymphensittiche

Stärken: Sie ist die beste Zuhörerin der Welt, unterstützt ihre Freundinnen, erzählt keine Geheimnisse weiter und hat viele gute Ideen

Schwächen: Im Gegensatz ihrer Schwester gibt sie manchmal zu schnell nach, kann sich oft schwer zwischen zwei Sachen entscheiden und trödelt manchmal

Lebensmotto: Jede Erfahrung ist eine Lehre und deshalb gut

 

Fianna O’Hara

Geburtstag: 17. Mai

Alter: 11

Spitzname: Carrot

Herkunft: Irland / Deutschland

Geschwister: Tom (Zwillingsbruder)

Eigenschaften: freundlich, fair, ehrlich, lustig und treu

Haare: rotblonde, lange, gewellte Haare

Augenfarbe: grün

Lieblingsessen: Nudeln mit grüner Soße, Gemüsepfanne, Vanilleeis und chinesisches Essen

Lieblingsfarbe: Rotorange

Hobbies: Ballett, Tennis, Theater, Computer und Fußball mit ihrem Bruder Tom

Das hasst sie: Hänseleien wegen ihrer roten Haare, viele Hausaufgaben, unfreundliche Lehrer, Streit mit ihrem Bruder, Intrigen, Schimmelkäse, Erbseneintopf, Speck und Regenwürmer

Beste Freundin/nen: Aylin

Haustier: Zwei Meerschweinchen

Stärken: Sie kann sich viele Sachen sehr gut merken, kann ihre Feinde mit Intelligenz austricksen und gibt niemals auf

Schwächen: Manchmal kann sie ganz schön zickig sein und manchmal geht sie ihren Freundinnen mit ihrer Neunmalklugheit auf die Nerven

Lebensmotto: Widme dein Leben nicht der Suche nach Erfolg, sondern widme dich der Suche deines eigenen Glücks

 

Aylin Yilmaz

Geburtstag: 09. März

Alter: 11

Spitzname: hat keinen

Herkunft: Türkei

Geschwister: Schwester Fatima (15), Bruder Erhan (11) und Bruder Onur (8)

Eigenschaften: ruhig, zurückhaltend, witzig, einfühlsam, zuverlässig und manchmal ängstlich

Haare: schwarze, wilde Locken

Augenfarbe: dunkelbraun

Lieblingsessen: Türkische Pizza, Döner, Rührei mit Schinken und Melone

Lieblingsfarben: Pink und Lila

Hobbies: orientalischer Bauchtanz, Malen, Saxofonspielen, Gedichte, Geschichten und Freundinnen treffen

Das hasst sie: Stress, Ärger mit den Eltern, schlechte Noten in der Schule, blöde Jungs, Nachtwanderungen und Diskriminierungen wegen ihrer Herkunft

Beste Freundin/nen: Fianna

Haustier: Hatte bis vor einem Jahr einen Hamster

Stärken: Sie hat ein enormes schriftstellerisches Talent und kann sehr gut zeichnen und malen

Schwächen: Sie lässt sich viel zu schnell einschüchtern und tritt unsicher auf, wenn sie Angst hat

Lebensmotto: Genieße jeden Tag, so wäre es dein letzter Tag

 

Emily Heuberger

Geburtstag: 09. Dezember

Alter: 13

Spitzname: Lilly (wird nur selten so genannt)

Herkunft: Deutschland

Geschwister: keine

Eigenschaften: ruhig, ernst, vernünftig, nachdenklich und treu

Haare: braun, glatt und schulterlang

Augenfarbe: blau

Lieblingsessen: Pizza, Fast Food aller Art, Schokolade, Eis und Erdbeeren

Lieblingsfarbe: Dunkelblau

Hobbies: Reiten, Schwimmen, Kino, Handarbeiten, Katze Enya, Kochen, Backen, Malen und Shopping mit Freundinnen

Das hasst sie: Trennung der Eltern, Eifersucht, Untreue, Übergewicht, Schulstress, Insekten aller Art, Schnecken, Papas neue Freundin, Zickenkrieg und krank sein

Beste Freundin/nen: Annemieke

Haustier: Eine Katze

Stärken: Sie kann sehr realistisch denken, bleibt auf dem Boden der Tatsachen und verrät keine Geheimnisse weiter

Schwächen: Sie leidet manchmal an geringem Selbstwertgefühl und macht sich dauernd Gedanken wegen ihrer Figur

Lebensmotto: Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum

 

Carlotta Janssen

Geburtstag: 08. Oktober

Alter: 12

Spitzname: Lotta

Herkunft: Deutschland (Mannheim)

Geschwister: Bruder Leon (7)

Eigenschaften: freundlich, gelassen, aufgeschlossen, kameradschaftlich, ehrlich, angenehm und pünktlich

Haare: mittelblond und schulterlang mit einem halblangen Pony, den sie immer zur Seite kämmt

Augenfarbe: grau

Lieblingsessen: Omas Nudelauflauf, Gnocci mit Mozarella überbacken, Erdbeerkuchen und Waffeln

Lieblingsfarben: Mag alle Farben außer Braun und Schwarz

Hobbies: Reiten, Schwimmen, Mode, Abenteuer, Freundinnen treffen, Kino, Musik hören, Badminton und Inlineskating

Das hasst: Höhlen, blöde Jungs, Unehrlichkeit, Beleidigungen, Außenseiter sein, nervige Brüder (manchmal) und Stress in der Schule

Beste Freundin/nen: Kiki und Anna aus ihrer alten Schule

Haustier: Ein Hund

Stärken: Sie kann sich gut in eine Gruppe einfügen und weiß genau, wie sich verhalten muss

Schwächen: Sie kann nicht immer ihre Gefühle offen zeigen z.B. wenn sie von Jannis geärgert wird

Lebensmotto: Fallen ist keine Schande, aber Liegenbleiben

 Extra: 10 Fragen an Lotta

1.     Vermisst du deinen alten Wohnort und deine alten Freundinnen?

Lotta: Selbstverständlich, immerhin habe ich dort über zwölf Jahre gelebt und kenne Mannheim wie meine Westentasche. Meine besten Freundinnen Anna, Sarah und Mareike kenne ich seit dem Kindergarten und wir haben in der Grundschule eine Bande gegründet, die wir vor zwei Jahren aufgelöst haben, da Anna und Mareike finden, dass Banden Babykram sind. Trotzdem sind wir gute Freundinnen geblieben.

 

2.     Wie kommt es, dass ihr umgezogen seid?

Lotta: Mein Vater hat eine Arbeitsstelle als Manager in einem internationalen Unternehmen gefunden, wo er ab jetzt ziemlich viel verdient. Meine Mutter wollte eh in einer ländlichen Region leben, da sie früher ganz besonders der Autoverkehr und die schlechte Luft gestört haben. Ich finde an Freudenburg toll, dass man schnell aus der Stadt herauskommt und dann schon in der Natur ist.

 

3.     Wie gefällt es dir an der neuen Schule?

Lotta: Zuerst hatte ich große Bedenken, dass ich keine neuen Freundinnen finden werden, da sich die anderen Schüler mehr als anderthalb Jahre gut kennen. Aber meine neue Klassenlehrerin und viele meiner neuen Mitschüler sind sehr freundlich zu mir und haben mir geholfen, mich einzugewöhnen.

 

4.     Du kennst deine Mitschüler noch nicht lange. Hast du unter ihnen schon neue Freunde gefunden?

Lotta: Das ging sehr schnell, besonders Kiki hat mir geholfen, dass ich mich schnell eingelebt habe und sie war meine erste Freundin in Freudenburg überhaupt. Kikis Freundinnen sind auch sehr freundlich und haben mich sofort aufgenommen. Insgesamt habe ich fünf bzw. sechs Mädchen in meiner Klasse, mit denen ich mich richtig gut verstehe. Gleich am ersten Abend haben wir eine Bande gegründet, um uns gegen eine fiese Jungenbande zu wehren.

 

5.     Was ist der Unterschied zwischen eurem alten Haus und eurem neuen Haus?

Lotta: In Mannheim haben wir in einer Eigentumswohnung gewohnt, die zwar sehr modern war und einen neuen Balkon hatte, aber dort hatten wir auch nicht so viel Platz. In Freudenburg haben wir ein Einfamilienhaus gebaut und dort haben wir auch einen sehr hübschen Garten. Unser Hund wird sich bestimmt wohler fühlen, wenn er mehr Auslauf hat. Mein Bruder darf endlich draußen spielen, was Mama uns immer verboten hat, da in Mannheim viel zu viel Verkehr auf den Straßen ist.

 

6.     Wirst du den Kontakt zu deinen alten Freunden halten?

Lotta: Noch am gleichen Tag als ich von der Klassenfahrt nach Hause kam, habe ich zwei Stunden mit Anna telefoniert und ich werde meine Freundinnen in den Osterferien für einen Tag besuchen. Mit dem Auto braucht man nur zwei Stunden von Freudenburg nach Mannheim, so weit voneinander weg sind die Städte auch nicht. Außerdem gibt es Skype, Insta, Snapchat und Facebook, darüber kann man auch sehr Kontakte halten.

 

7.     Du bist sehr lange geritten und hast schon an mehreren Jugendturnieren teilgenommen. Wann wirst du wieder mit dem Reiten beginnen?

Lotta: Ich habe mit Kiki schon darüber gesprochen, Emilys Tante bietet für Emilys Freundinnen Reitstunden zum Freundschaftspreis an. Nächsten Freitag werde ich mit meinen Freundinnen zum ersten Mal an der Reitstunde teilnehmen. Mit dabei sind auch Fianna und Aylin, die noch nicht reiten können und daher Anfängerstunden bekommen. Ich reite in der Gruppe der Fortgeschrittenen, da ich seit acht Jahren reite und früher habe ich sogar an Juniorenturnieren teilgenommen. Ich bin schon mal sehr gespannt, was für Pferde es dort geben wird. Trotzdem werde Strolch vermissen, da er so ein lustiges und liebenswertes Pony war, das jeden zum Lachen bringen konnte.

 

8.     Gibt es andere Sportarten, die du gerne magst?

Lotta: Sport macht mir generell Spaß, aber neben Reiten mag ich Schwimmen am liebsten. Ich schwimme zweimal pro Woche im Verein und da ich schon ziemlich gut bin, qualifiziere ich mich für Junior-Wettkämpfe und einmal war ich sogar in der Kreisauswahl. Außerdem spiele ich gerne Badminton mit Papa und manchmal erkläre ich mich bereit, mit meinem Bruder Fußball zu spielen, wenn ich nicht gerade auf Inlineskatern unterwegs bin.

 

9.     Gibt es in deiner neuen Klasse Mitschüler, die du nicht magst?

Lotta: Auf jeden Fall die Piranhas, die von den Zwillingen nur die Fischköppe genannt werden. Jannis, der Anführer dieser Bande, hat über mich gelacht und blöde Bemerkungen gemacht, als ich mich vorstellen musste. Seine Freunde sind mindestens genauso blöd und ätzend. Dann gibt es noch die Mädchen um Jolanda, die ziemlich eingebildet und zickig sind.

 

10.                       Wie wird es mit den „Roten Tulpen“ weiter gehen?

Lotta: Wir werden weiterhin eine Bande bleiben, aber leider haben wir kein Bandenquartier und so müssen wir uns im Eiscafé oder bei mir zuhause treffen. Aber trotzdem ist die Bande sehr wichtig für mich, da wir sieben Mädchen sind, die wie Pech und Schwefel zusammenkleben, obwohl wir alle sehr verschieden sind. Natürlich gibt es kleine Streitereien, aber wir vertragen uns wieder sehr schnell.

 

 

 

Das sind wir vor dem Eingang zur Bärenhöhle (für mich eher Hölle anstatt Höhle)

 

 

mit Kiki habe ich sehr schnell eine gute Freundin gefunden :)

Rezept: Lottas unwiderstehliche Schokomuffins

Für zwölf Stück

Zutatenliste: 

  • 60g bis 80g Schokotropfen
  • 200g Mehl
  • 2 TL Backpulver
  • 2 gehäufte EL dunklen Kakao
  • 100g Zucker
  • 2 Eier
  • 1 Päckchen Vanillezucker
  • 200ml Milch
  • 30g Butter
  • zum Verzieren: Kuvertüre, Süßigkeiten, Krokant, Mandeln, ...

 

 

So geht’s

Zuerst heizt ihr den Backofen auf 180 Grad vor (Umluft). Dann wird die Butter vorsichtig geschmolzen, entweder auf dem Herd oder in der Mikrowelle. Mehl, Kakao, Vanillezucker, Zucker und Backpulver miteinander in einer großen Schüssel vermengen. In einer zweiten Schüssel Milch, Eier und die geschmolzene Butter verrühren. Den Inhalt der beiden Schüsseln plus die Schokotropfen miteinander verrühren. Tipp: Teig nicht zu lange verrühren, sonst wird der Teig zu zäh und geht nicht richtig gut auf. Die Muffinförmchen werden nun eingefettet und zu dreiviertel Höhe befüllt. Nach ca. 15-20 Minuten Backen können sie aus dem Ofen geholt. Bevor die Muffins weiter mit Schokokonfitüre und verschiedenen Süßigkeiten (Gummibären oder Smarties) oder Nüssen/Mandeln verziert werden, müssen die Muffins abkühlen.

Dann heißt es: Lasst es euch schmecken!

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

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