Die meisten Menschen verbinden diesen Ausdruck mit einem schönen Ereignis, dem Kennenlernen zum Beispiel, oder vielleicht auch einem freudigen Erlebnis. Ich habe mehrere Jahrestage und ich habe meine eigene, spezielle Definition dafür:
Ein Tag im Leben, an den man sich erinnert – ob positiv oder negativ – er ist gegenwärtig und beeinflusst, wenn auch unbewusst, das Verhalten – zumindest ist das bei mir so.
Zum Einen ist da ein positiver Tag, derjenige nämlich, an dem ich meine erste offizielle Verabredung mit meinem Mann hatte – nachdem eine Freundin uns unbedingt verkuppeln musste. Dieses Jahr werden wir ihn zum 20. Mal feiern. Nicht richtig feiern natürlich, ich bin nicht der Typ zum 'Schick Ausgehen' oder etwas Besonderes machen. Aber wir wissen, dass es der Tag ist und das ist gut so.
Ein Tag, der leider auf ewig in meinem Gedächtnis bleiben wird, ist der heutige. 21 Jahre liegt das Ereignis zurück, das mich jedes Jahr sobald das Wetter besser wird, besonders aber im Juni, daran denken lässt. Und je mehr die Umstände denen von damals ähneln, umso schlimmer ist es für mich. Eigentlich wollte ich in diesem Jahr Überstunden abfeiern, was aber mangels genügend Stunden nicht funktioniert. So richtig hätte ich auch gar nicht gewusst, was ich an dem Tag hätte machen sollen. Ablenkung, etwas tun, das Spaß macht, einfach um nicht daran zu denken, ist meistens leichter gesagt als getan.
Letztes Jahr spielte wenigstens das Wetter mit. Da verfluchte ich den Tag zwar, weil es wie aus Eimern schüttete und ich mit einem gebrochenen Fuß an Krücken laufen musste. Aber es erinnerte mich wenigstens keine Sonne daran, weshalb ich eben nicht die Wärme ihrer Strahlen genießen konnte. Nicht, dass ich keine Wärme mögen würde – ich kann Kälte nicht ausstehen und friere prinzipiell schon bei leicht kühlen Temperaturen. Aber wie andere nur am Strand oder auf einer Wiese zu liegen, ist nicht meine Welt, war es noch nie wirklich, aber ich hatte zumindest nicht immer so ein verdammt ungutes Gefühl dabei.
Irgendwann in grauer Vorzeit genoss ich auch einfach nur die Ruhe in Parks, eine ganze Rasenfläche nur für mich allein. Aber damals hatte ich auch keinen Grund, das nicht zu tun. Nicht, dass ich das jetzt gar nicht mehr könnte, ich habe schon manche Mittagspause in den nahegelegenen Gartenanlagen verbracht, aber es ist anders als früher. Ich fühle mich nicht wohl, wenn es so warm ist, dass man es eigentlich nur bauchfrei und kurzbeinig aushält. Auf einer Wiese lag ich schon lange nicht mehr allein – das letzte Mal waren zumindest die Kinder mit und ganz ehrlich, ein Freibad ist halt etwas anderes. Und sobald ich aus irgendeiner Richtung ein Fahrrad vernehme, ist es aus mit der Ruhe und ich würde am liebsten davonrennen. Warum suche ich mir auch einen Park aus, in dem Radfahren untersagt ist, wenn es dann doch jeder macht? In diesen Momenten hasse ich das, was dieser Tag mit mir gemacht hat.
Die Radfahrer können natürlich nichts dafür – und doch gebe ich ihnen die Schuld daran, dass jedes Mal, wenn jemand zu knapp an mir vorbeifährt, mein Puls in die Höhe schnellt und ich automatisch beschleunige. Die Sonne trägt auch keine Schuld – und doch denke ich, wenn es damals nicht der heißeste Tag im Monat gewesen wäre und ich keine knappen Klamotten getragen hätte, vielleicht wäre dann doch alles anders gekommen. Eigentlich weiß ich dass es Blödsinn ist, hätte ich mich etwa in Wintersachen in die Sonne legen sollen? Es hätte nichts daran geändert, außer vielleicht Regen – dann wäre ich garantiert nicht dort gewesen. Und schließlich Parkanlagen – die können am wenigsten dafür, dass ich mich nicht wohl fühle in ihnen. Sie geben sich allergrößte Mühe sich herauszuputzen für ihre Besucher, sich von ihrer schönsten Seite zu zeigen und sowohl sonnige Plätze als auch schattige Ecken bereit zu halten. Und dennoch ist mir jedes Mal mulmig zumute, wenn ich einen schwer einsehbaren Teil durchquere. 'Ich hätte mich damals für eine andere Richtung entscheiden müssen', kommt mir dann in den Sinn – mag sein, aber es ist nicht gesagt, dass es dann anders gelaufen wäre.
Vor wenigen Wochen wurde ich gefragt, ob ich denn wenigstens am helllichten Tag mit dem Fahrrad ohne Probleme unterwegs sein könnte. Denn viel mehr als zwischen Arbeit und Wohnung hin- und herpendeln mache ich zur Zeit nicht. Irgendwie tat mir die Person ja leid, weil sie nur versuchte, mich zu verstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas nicht nachts passiert und nicht in dunklen Ecken, ist ja auch sehr gering. Aber so ist das eben. Ich hab mir weder ausgesucht, dass etwas geschieht noch die Umstände drumherum. Immerhin habe ich mich schon gesteigert: ich verbringe immer mehr Pausen im Park, nur nicht heute – der Jahrestag bleibt ausgenommen. Da habe ich einfach zu viel Angst, dass ich in alte Muster verfalle und etwas Unüberlegtes machen könnte.
Den heutigen Tag verbringe ich auf Arbeit und später werde ich mich zuhause mit einem Buch verkriechen – ohne Sonne, Wiesen und Radfahrer, die einen erschrecken.
Seit Tagen höre ich mir an, dass es ab heute wieder schön werden soll. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb: Mein Jahrestag – meine Entscheidung, wie ich ihn verbringe.
Texte: Jasmin Frei
Tag der Veröffentlichung: 08.06.2017
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Widmung:
Für alle, die besondere Jahrestage haben - aus welchen Gründen auch immer.