„Sie bietet Trost, inspiriert Hoffnung und ermöglicht es Menschen, ihre Gefühle auszudrücken. Kunst kann als Protestform dienen, gesellschaftliche Missstände aufzeigen und die Plattform für Veränderung aufzeigen", meint heute KI, die elektronische Todfeindin aller menschlichen Kunst.
Wann gab es je eine "heile Welt" - außer in Kuensten? "Krisenzeiten" waren schon immer, es gab niemals etwas anderes seit Beginn der Hochkulturen des "Ackerns" vor zehn Jahrtausenden. Heute herrscht eher ein Biedermeier der schlaflosen Stresshetze ohne Sinn und Verstand. Was fehlt, sind die stillen Elfenbeintürme der Dichter und Denker, denn Großes entstand nioch nie im Getriebe der Aktivisten und Getümmel der Pragmatisten.
Der bürgerliche Fortschrittsidealist Hegel sah schon vor 200 Jahren die Kunst nicht mehr als höchste Form der Wahrheit und die christlich inspirierte romantische Entgrenzung nach allem griechenklassischen Vollendungsmaß als Gipfelpunkt der europäischen Kunstbemühung. Nach Klassik und Romantik samt ihrer Unterformen habe Kunst alle ihr wesentlichen Momente durchlaufen und ihre Möglichkeiten, das Absolute sinnlich konkret darzustellen, endgültig erschöpft. Aber die Geschichte ging nach Hegel bekanntlich weiter und nicht nur durch Marx über seinen Kopf hinaus.
Und heute, nach Flauberts L´art-pour-l´art, Mallarmés Poésie pure, Im- und Expressionismus, Surrealismus, Dadaismus, engagierter Literatur, Entfremdungstheater, Dokumentarkunst, Absurdismus? Der bedeutendste Kunsttheoretiker der Neuzeit, Theodor Adorno in seiner Fragment gebliebenen „Ästhetischen Theorie“ 1970, sah die der Gegenwart angemessene Musik in der Zweiten Wiener Schule von Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton von Webern, die zeitgemäßeste Literatur jenseits der Popkulturindustrie in den intransigent sperrigen Werken eines Samuel Beckett. Diese avanciertesten Anti-Romane und zeitgeistfeindlichsten Tonwerke wurden aber vom Bildungsbürgertum bis heute nicht rezipiert und angenommen, denn diese Kunst gibt weder Trost noch Hoffnung, drückt nur noch das Gefühl der Gefühllosigkeit aus, falls sie überhaupt noch etwas ausdrückt, protestiert und revoltiert gegen nichts Erkennbares und zeigt keine Veränderungsmöglichkeiten oder reformwürdigen Missstände mehr auf.
Becketts „Endspiel", seine Romane „Watt“ und „Molloy“, „Malone stirbt”, “Der Namenlose“ und „Wie es ist“ (1960) zeigen nur noch reduzierte, arm- und beinlose Schrumpfmenschen, die in Mülltonnen gesteckt oder in Blumenvasen getopft dahinvegetieren und ihre nichts mehr sagenden Endlosmonologe vor sich hin hinmurmeln : Ein ständiges Enden, das kein Ende nehmen will und kann.
Das und nur das sei die illusionslose Grundsituation des Menschen der Gegenwart, der alle geistigen und künstlerischen "Überbau"-Aufschwünge als bloße Überanpassungsideologien durchschaut hat, sich in der von reichen Banden (Racketeering) beherrschten und fugenlos „verwalteten Welt“ (Max Horkheimer) mit materiellen Konsumgratifikationen abspeisen lässt und längst nicht mehr weiß, was Leben heißt. Kunst ist da nur noch Betäubungsmittel und Entertainment, Schmuckornament und Sedativ der Massen wie ihrer Eliten zugleich. Aus diesen Auswegen weiß auch die Hochkunst keinen Ausweg mehr und hat das Szepter an KI/AI abgegeben, die mechanisch ihre synthetischen Kunstwelten und Matrix-Biotope simuliert für einige Fluchtstunden aus dem „Gläsernen Gefängnis“ (Ursoziologe Max Weber) der postreligiösen, naturwissenschaftlich-technischen Industriezivilisation.
"Erfolgloses kann, Erfolgreiches muss heute Mist sein."
Das letzte authentische Kunstwerk ist das unverkäufliche Unikat eines verborgenen Unikums geworden.
Kafka hat diesem existenzialistischen Entfremdungsfuror noch eine weitere verstörende Schraubendrehung verpasst : Man dürfe die bestehende Welt nicht um ihren Sieg bringen, denn so, wie sie nun einmal sei, habe sie auch allemal Recht gegen jeden von uns Komplizen und Nutznießern. Seine (mutmassliche) Schizophrenie erlaubte es Kafka, alle Schuld und Unzulänglichkeit nur bei seinem eigenen Versagen selbst und nicht beim „gesellschaftlichen System“ zu sehen. Sein bis heute rätselhaftes Werk rechtfertigt vorbehaltlos alle herrschenden Verhältnisse, und er verurteilt sich selbst ohne Klage und Anklage zum verdienten Tode in „vorwegeilendem Gehorsam“. Ob wenigstens das unsere Empoerung noch einmal wecken kann?
Sein Freund Brod hätte seinen Letzten Willen nicht missachten dürfen, allen Nachlass ungelesen zu vernichten, denn K. sah richtig voraus, nur missverstanden und missbraucht zu werden.
Dier Mensch sei nur dort ganz Mensch, wo er spielt, befand Schiller in seiner „Ästhetischen Erziehung des Menschen“, und alle Kunst hat inzwischen ihre Rolle ausgespielt. Sie führe nicht mehr zur heilsam bitteren Selbsterkenntnis der Zeitgenossen, sondern webe am Schleier mit, der den „Schuld- und Verblendungszusammenhang aller Dinge“ (Adorno) unsichtbar mache in einer komfortablen Paradieshölle der unwahren Waren.
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2025
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