Der Ernst des Lebens spielt sich ab in der bekannten Berufsarbeit, das Privatvergnügen im sogenannten Hobby. „Wechselnd in Müh und Ruh ist alles freudig“ (Hölderlin). Hoch zu Ross kann sozial paradieren, wer Feierabends oder Feiertags auf seinem Steckenpferdchen sitzt, Hüh hott ruft und nicht von der Arbeitsstelle kommt. Für passionierte Hobbys lässt man sich allerdings nicht bezahlen, sondern verschuldet man sich eher. Wochentagsüber tun wir Dinge, die wir hassen, für Leute, die wir fürchten und verachten, um uns Dinge kaufen zu können, die wir nicht brauchen, aber in der Freizeit abends und am Wochenende geht der rechtschaffen Erwerbstätige in seinen Bastelkeller, um Modelleisenbahnen zu komplettieren oder unveräußerliche Segelschiffchen aus Streichhölzern zusammenzuleimen – nur zur Erholung und Entspannung.
Natürlich sollte alles genau umgekehrt sein in dieser verkehrten Welt. Statt die frischesten Tagesstunden an stupide und sinnlose Brotarbeiten zu verschwenden, um danach ausgelaugt seine Arbeitskraft für den nächsten Werktag zu regenerieren, allein vor der geliebten Briefmarkensammlung (statt mit dem Ehegespons vor dem Fernsehgerät), sollte ein Mensch, der diesen Namen sich verdient, sein geliebtestes Naturtalent in der besten Tageszeit an ein menschenwürdiges Interessenfeld wenden dürfen, um seinen erschöpften Zustand danach dann für den eigenen Lebensunterhalt in Fabriken oder Büros zu vertrödeln. Wer seine beste Schaffenskraft in die bloßen Beschäftigungstherapien der gesellschaftlichen Arbeitswelt steckt, behält natürlich nur noch Energie und Freizeit übrig für so anspruchsvolle Hobbys wie antidepressive Oldtimer- oder Bierdeckelsammlungen.
In einer vernünftigen Welt gäbe es Dichter und Denker, die für ihre hochfliegenden Poesien und Philosophien sich nicht bezahlen ließen, sondern daneben beliebige Jobs ausübten, um das in bescheidenem Lebensstandard finanzieren zu können. Max Horkheimer warf Thomas Mann vor, von seinen Romanen statt nur für seine Romane zu leben, obwohl Mann durch seine reiche Einheirat bei den Pringsheims gar nicht mehr für Geld hätte schreiben müssen. Doch der Lübecker Kritikphobiker brauchte seine Honorare als perverse Anerkennung seiner geistigen Leistungen.
Aber erst wenn der Brotberuf zum notwendigen Hobby-Übel wird, kann der Liebhaber-Dilettantismus zur allesbeherrschenden Lebensaufgabe aufrücken. Kein erschöpfter Mensch kann noch schöpferisch sein. Keine „höhere“ Tätigkeit sollte sich prostituieren auf dem Markt, Geist wird verschenkt und nicht verschachert. Für sein edleres Hobby braucht jemand Bildung, für sein ekliges Jobby nur Ausbildung, also Spezialdressur. Das erstere ist sich zu gut für jegliche Vergütung, das letztere lohnt keine letzte Verausgabung. Wer verdient, der dienert nur. Und das wahre „Steckenpferd“ sollte als vollblütiges Rasserennpferd im Lebenslauf ein einziger vernichtender Frontalkritiker und haushoher Besieger jedes Amtsschimmels und Ackergauls und jeder elenden Labor-Schindmähre werden. Und natürlich verraet so einer keinem Arbeitgeber jemals sein wahres Interessenparadies.
Der Aficionado ist eher ein artistischer Gaukler hoch oben in der Zirkuskuppel des Lebens. Der Amateur verausgabt sich gratis und riskant - oder haushaltet eben lebenslang hausbacken mit sich selbst.
Tag der Veröffentlichung: 22.12.2024
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