"Heiss, heiss!", ruft man,
wenn du einem versteckten Etwas nahe kommst.
"Ganz kalt!!", hoert man,
wenn du dich davon wieder entfernst.
Mulier calida ist nicht frigide,
sondern ein heisses Weibsstueck.
So narren uns Sprachen.
Wie hängen Temperamente zusammen mit Temperaturen zwischen bitterkalt und kochend heiss?
Man spricht metaphorisch von heißen Herzen und kühlen Köpfen, aber auch vom Hitzkopf und vom „Kalten Herz“ bei Hauff, vom heißblütigen Draufgänger und kaltblütigen Mörder. Alt wird kalt, und junges Herz ist heiß, das Haupt vom Greis wird weiß. Lebende sind warm, Tote sind kalt. Verträgt sich kühler Verstand mit Warmherzigkeit oder ein heißes Herz mit Kaltblütigkeit? Und es gibt wärmere Farben und Töne wie Orangerot und kühlere Farben wie Himmelblau.
Die Literaturgeschichte kennt kühle Temperamente wie Paul Valéry mit seinem reinen Kopfmenschen „Monsieur Teste“ oder heißlaufende Gemüter wie Heinrich von Kleist mit seiner rasend gefühlsverwirrten Penthesilea, die den zum Fressen heißgeliebten Todfeind kalten Stahls bekämpft.
Dantes "Göttliche Komödie" zeigt mit dem Führer Vergil die menschliche Tragödie, aber im Inferno sind die Verdammten in ihrer finsteren Höllenglut interessanter gezeichnet als die Seligen im Paradiso.
Die europäische Grübelgeschichte kennt eher kühle Denker wie Erzlogiker Spinoza und hitzköpfige Geister wie Tathändler Fichte. Man könnte eine Philosophiegeschichte schreiben als ständigen Kampf nicht zwischen Idealismus und Materialismus, sondern zwischen kühlem Denken und hitzigem Handeln, zwischen eisgrauer Theorie und blutroter Praxis. Aristoteles bevorzugte das nur beschauliche Leben (vita contemplativa) des bíos theoretikós, obwohl er durchaus noch heute wirkungsmächtige Beiträge auch zur praktischen Philosophie lieferte. Aber auch er wollte Herrscher wie den mazedonischen Alexander zu großen „Philosophenkönigen“ machen wie sein Lehrer Platon (der in die Sklaverei verkauft wurde und von reichen Verwandten teuer ausgelöst werden musste, als er dem Tyrannen Dion von Syrakus als weiser Berater lästig wurde).
Der platonische Eros befeuert die Liebe zu einer Dirne namens Sophie, aber altgriechische Pädophilie galt eher den warmen Brüdern und Homophil(osoph)en, wo der Erast hinter dem Eromenos her ist. Platonismus steigt auf von warmen schönen Leibern zur kühlen Idee von deren Schönheit selber.
Biblisches „Erkennen“ : Kühles Betrachten und Denken oder heißes kopfloses Trachten (und Köpfen), das ist die Frage.
Ein Stoiker wie Seneca wollte Herrscher wie Nero politisch beeinflussen, der ihn am Ende zum Selbstmord zwang. Ein Hedonist wie Epikur zog sich unter Frauen und freigelassenen Sklaven in seinen philosophischen Garten zurück mit der Losung „Lathé biósas!“ (Lebe im Verborgenen). Rationalist Descartes wollte die schwedische Königin Christine wie Rationalist Leibniz die preußische Königin Sophie Charlotte philosophisch indoktrinieren, um durch Denken Politiker zu lenken. Rationalist Spinoza zog sich aus allen weltlichen Geschäften und Händeln ins weltliche Kloster seiner Studierstube zeitlebens zurück. John Locke beeinflusste die Wirtschaftsliberalisten im britischen Händlerstaat, Thomas Hobbes lehrte den "sterblichen Gott“, den „Leviathan“ Staat, der Schutz gegen Gehorsam der Bürger tauschte.
Die großen deutschen Idealisten Kant und Fichte, Schelling und Hegel waren gespalten. Kant forderte nur kalte preußische Pflichterfüllung und den bürgerlichen Wettstreit unter republikanisch „ewigem Weltfrieden“., während der deutschnationalistische Idealist Fichte seine „Wissenschaftslehre“ auf hitziges „Tathandeln des Ich“ aufbaute. Schelling mutierte in seinem langen Leben vom glühenden Verteidiger der Französischen Revolution zum katholischen Denker des kalten Metternich-Staates. Während der trockene Hegel vom (napoleonisch ermäßigten) Heißsporn des Jahres 1789 sich entwickelte zum abgekühlten konstitutionellen Erbmonarchisten Reformpreußens (das allerdings erst zwanzig Jahre nach seinem Tod Realität wurde).
Sein linker Schüler Marx allerdings machte mit der Dialektik, der zündenden Vereinigung von Feuer und Wasser, der Geschichte wieder mal Dampf. Nicht nur die gerade erfundene Dampflok der Industriekapitalisten nimmt Fahrt auf, sondern auch diese Ausbeuter müssen sich nun warm anziehen, seit die Unterdrückten aller Länder ihnen kräftig einheizen. Revolutionäre zündeln, Höllenmaschinen fliegen, die Vita activa überschlägt sich hyperaktivistisch, und das Licht der Vernunft will zum gierigen Freudenfeuer werden, indem eine Epoche verbrennt, damit Brandneues entsteht. Kann Bismarcks Feuerwehr der Reaktion den roten Flächenbrand rechtzeitig "sozialstaatlich" ersticken?
Schopenhauer hat von Natur ein helles heißes Herz und weiß es durch eine kalte schwarze Philosophie vorm Untergang zu bewahren. Mit ihm ist alles Feuerwerk vorbei. Er sieht die Menschen als Stachelschweine, die sich aneinanderdrängen, um sich zu wärmen, aber dann doch abgekühlt auf Distanz gehen, wenn die spitzen Stacheln sie im Fleisch brennen : Brutwarme Gemeinschaft der Herdentiere als ungesellige Geselligkeit. Sein Werk wird wie das seines renitenten Schülers Nietzsche zum Lagerfeuer der Künstler bis heute. Der Staat ist für den ewig kränkelnd geisteskranken Lebensphilosophen Nietzsche „das kälteste aller Ungeheuer“, und seine homophil(osophisch)e Liebesglut gilt wieder altgriechisch den verbotenen schönen nackten Jünglingen an Italiens Stränden.
Ganz wie bei seinem homophil(osophisch)en Antipoden Wittgenstein, Urahn der bis heute weltweit führenden „Analytischen Philosophie“ der Angelsachsen. Dort triumphiert die neue Eiszeit des professionellen Denkens mit einer ganz logi(sti)schen Winterpretation der Welt im Ganzen. Die Eiskristalle der sprachtheoretischen Logikkalküle überziehen alles, was ihnen in die Finger kommt. Dicke mathematische Gletscher legen sich auf die Welt, die nun im analytischen Gefrierfach des uni-philosophischen Kühlschranks überwintert.
Etwas weniger radikal ist der studierte Mathematiker Husserl, dessen phänomenologisch „reine Wesensschau“ zwar wieder nur platonische Ideen aus warmen Körpern aller Objekte herausliest, aber dann durch Existenzphilosophen Feuer unter den Hintern bekommt. Der süddeutsche Heißsporn Heidegger verbrennt sich die Schreibfinger dann rechtssozialistisch, der Pariser Aktionist Sartre spiegelbildlich linkssozialistisch. Von allem bleibt nur ein kalter Haufen Asche, aus dem kein neuer Vogel mehr steigen will.
Fazit : Wenn die kühle Besonnenheit des Denkers sich in die Hitze der politischen Kämpfe wagt, wird er kopflos und aus dem klugen Kopf ein größerer Dummkopf als jeder gewöhnliche Sterbliche. Ist der goldene Mittelweg zwischen Kältewelle und Hitzewelle deren rhythmischer Wechsel oder das lauwarme Einerlei?
Wird glühende Liebe, die eiskalte Duschen erhält,
stahlhart?
Die Liebe erkaltet nicht,
Mutter Erde erwärmt sich für uns.
Motivieren heißt anfeuern, ohne einzuäschern.
Jeder Tropfen auf dem heißen Stein der Weisen
trägt bei zum Nebel im Leben.
Die nicht kaltsinnig misshandelt werden,
werden liebevoll missbraucht.
Heiße Eisen werden nur mit kalten Eisen angepackt.
Was für den Willen nur kaltes Licht,
ist für das Wissen dunkle Wärme.
Weltklimaziel gegen die energiesparende Erderhitzung : Neue Eiszeit und Kalter Krieg, mehr coole Kids und frigide Frauen.
Unsere Industrie bekämpft Erderwärmung
durch soziale Kälte.
Forscher empfehlen nun wärmstens kältere Gletscher.
Das Licht der Welt erhellt,
das Licht der Vernunft wärmt.
Ketten klirren wie die Kälte,
Freiheit kocht wie die Volksseele.
Leben heißt : Man hütet das Feuer
und sich vor ihm zugleich.
Gebranntes Kind scheut das Feuer:
Nur Schisshasen haben Erfahrung.
Die Hölle ist ein Totenreich ewiger Finsternis und ewigen Feuers zugleich. Man sieht nichts und brennt, man hat Entzündung durch Erkältung.
Dialektik heißt ja, dass die Vereinigung
von Feuer und Wasser uns Dampf macht.
Geistesblitze : Mündigkeitsfeuer aus Lebensläufen.
Langeweile : Hölle im Himmel.
Tränenmeer : Himmel und Feuerwasser im Höllenfeuer.
Wo Weihrauch ist,
kann auch (erloschenes) Freudenfeuer sein.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2024
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Widmung:
Fuer Elke