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Inhalt

Alle Handlungen und Personen in diesem Roman sind frei erfunden.

 

Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die in dieser Welt benachteiligt werden, aus welchen Gründen auch immer.

 

Maria hat schon seit einiger Zeit Gefühle für Peter. Auch wenn sie ab und zu beruflich zu tun haben, so hatte sie bis dato nicht den Mut, ihn darauf anzusprechen. Unter einem Vorwand lockt sie ihn in ein Eiscafe und dort findet er dies dann heraus. Es entwickelt sich eine leidenschaftliche Beziehung. Doch Maria konnte gar nicht ahnen, was da noch alles auf sie zukommt. Nicht nur, dass der Mann Saiten in ihr aufzeigt, die sie selber noch nicht kannte. Sie wird dann auch noch in einen Strudel von Macht und Mauschelei hineingezogen. Als die beiden dann bei einem Spaziergang Zeuge eines schrecklichen Verbrechens werden, geht es drunter und drüber. Werden die beiden diese schwere Prüfung überstehen?

1999

Peter Hofburg saß, wie verabredet, in dieser Münchener Eisdiele und wartete auf Maria. Maria Bauer war, wie man es neudeutsch nannte, Assistentin der Geschäftsführung und arbeitete in der Modellagentur, die auch Peter betreute. Es verwunderte ihn allerdings, dass sie ihn hier treffen wollte und nicht, wie sonst, in der Agentur. Aber er wollte sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Vielleicht wollte sie nur mit ihm was besprechen, während sie schon auf dem Weg nach Hause war. Auf der einen Seite war es mal eine willkommene Abwechslung und nicht immer nur dieses kühle Büro. Vielleicht ließen sich hier die Dinge leichter besprechen. Peter war 29 Jahre alt und hatte sein Leben, trotz einiger kleinerer und größerer Stolpersteine in den Jahren, sehr gut im Griff, wie er fand. Er war auch nicht so dumm, dass er dachte, er könne diesen Job als Modell ewig machen, daher hatte er sich so langsam ein zweites Standbein aufgebaut, was mittlerweile ordentliche Profite abwarf. Es war nie sein Bestreben gewesen, Modell zu werden. Irgendwie musste er seinen Mitschülern, die ihn in der Schule gemobbt hatten, wohl dankbar sein. Seine Eltern waren noch vor seiner Geburt aus dem hohen Norden hierher nach Bayern gezogen, die Arbeit hatte seinen Vater hierher verschlagen. Und in dem kleinen Örtchen mit damals knapp 5000 Einwohnern kannte Jeder Jeden und wenn man dann auch noch, wie in diesem, angeblich, erzkonservativen, katholischen Städtchen nicht jeden Sonntag zur Messe ging und sich auch nicht unter Druck setzen ließ, wie zum Beispiel: „Du musst doch bei dem Stadtfest mitmachen.“, und so, und eben nicht mitzog, war die Familie schon fast unten durch. Hinzu kam, dass Peter seit seiner Geburt leicht schielte, und Kinder können grausam sein. Schon in der Schulzeit mobbte man ihn und oft kam Peter weinend nach Hause. Doch als er in die 4. Klasse ging, las er eine Anzeige in der Zeitung, die sein Leben veränderte. Damals machten die ersten Fitnessstudios auf und im Nachbarort war ebenfalls ein solches. Er wollte sich dort auspowern, seine Wut dadurch rauslassen. Sowohl er, wie auch seinen Eltern, die ihm immer Rückhalt gaben, wussten, dass er hier im Ort in keinem Verein oder so glücklich werden würde. So fuhr seine Mutter mit ihm zu diesem Studio. Die Betreiber hatten anfangs Bedenken, schließlich war Peter gerade erst 10 Jahre alt. Aber nach einem langen Gespräch willigten sie ein. Peter war von seinen Eltern so erzogen, dass er wusste, Gewalt löst keine Probleme, sie schafft nur neue. Und doch war es für ihn oft sehr befreiend, sich die Boxhandschuhe zu nehmen und teilweise stundenlang einfach nur auf den Sandsack einzuprügeln. Aber dann fing er auch irgendwann an, alle anderen Geräte zu nutzen, auch Hanteln. So kam es, dass sein leichtes Übergewicht schnell verschwand, was sich in der Schule auch im Sportunterricht bemerkbar  machte. Zusätzlich wurde aus dem leicht pummeligen Peter mit der Zeit ein durchtrainierter und dann muskulöser junger Mann. Als dann die Pubertät einsetzte, verstärkte sich sein Muskelaufbau noch und auch manche der Mädchen, die ihn früher gemobbt hatten, wurden auf ihn aufmerksam. Aber die Wunden waren zu tief und so ließ Peter sie eine nach der anderen abblitzen. Er hatte sich dazu einen Standardspruch zurechtgelegt: „Wie sagtet ihr immer? Keiner will was mit dir zu tun haben, du schielendes Etwas!“ Damit ließ er sie dann stehen. Er konzentrierte sich auf die Schule und wenn er dann nachmittags in dem Fitnessstudio war, machte er es dann nur noch aus Spaß. Er wurde auch mal angesprochen, ob er nicht professionell Bodybuilding machen wolle, aber darum ging es ihm gar nicht. Jetzt war der Ehrgeiz nur darauf entbrannt, eine gute Figur zu haben. Auch lehnte er Steroide, Anabolika und auch diese Nahrungsergänzungsmittel ab. Mit 19 hatte er dann sein Abitur in der Tasche und war Schulbester, was ihm natürlich viele nicht gönnten, entweder die Jungs, die neidisch waren, oder die vielen Mädchen, die er abgewiesen hatte. Da seine Eltern etwas Geld zur Seite gelegt hatten, ging er nach München und studierte BWL. Auch hier fand er schnell ein Fitnessstudio und im 2. Semester wurde er dann angesprochen von einem Mann, der Männer wie ihn zum Modeln suchte. Peter wollte erst nicht, aber als er hörte, um was für Summen es ging, und nach zähen Verhandlungen und einem Gerichtsprozess mit der Agentur, machte er neben dem Studium doch gutes Geld, so dass er kein Bafög brauchte und sogar seinen Eltern etwas zurückgeben konnte. Und da München ein ganz anderes Pflaster war als der Ort, wo er aufgewachsen war, ergab sich die eine oder andere Liaison mit den Mädchen oder jungen Frauen. Auch einige der weiblichen Modells machten ihm Avancen, aber er wollte nicht in diesen Schicki-Micki-Zirkus reingezogen werden. Mit 25 hatte er sein Diplom in der Tasche. Doch schon vorher hatte er sich Gedanken gemacht, wie es weiter gehen sollte. Vieles von dem Geld, was er als Modell verdiente, legte er zurück. Er betrieb natürlich, schon aus dem Grund des Modellseins, weiterhin seinen Sport. Mit seinen 190 cm Körpergröße und 120 kg war er durchaus muskulös. Wann immer es ging, fuhr er heim zu seinen Eltern. Hier war er immer herzlichst willkommen und er genoss es mittlerweile, wenn die mittlerweile zu Frauen und Männern herangewachsenen Mitschüler über ihn tuschelten. Bestimmt hatten sie das eine oder andere Foto von ihm auf irgendeinem Plakat oder Katalog gesehen, sei es im Anzug, als Unterhosenmodell oder wie auch immer. Im Alter von 27 Jahren tat er dann das, was im ganzen Ort für Furore sorgte und damit war er dann endgültig unten durch. Der alte Huber, wie sie ihn alle nannten, konnte seinen Kredit für den Hof nicht mehr bedienen und irgendwann hatte die Bank genug und der Hof ging in die Zwangsversteigerung. Der Hof umfasste 40 Hektar, dazu mehrere Stallungen, eine Scheune, ein kleines Gästehaus, es glich einem Einfamilienhaus und ein sehr schönes Haupthaus. Peter wusste, dass man dort einiges machen musste, aber er wollte sein eigenes Zuhause. Er wollte nicht mehr in München wohnen, wo alles eng auf eng wohnt, er wollte seinen Freiraum. Er wollte den Hof nicht bewirtschaften, ihn reizte die Lage und die Ruhe. Er besorgte sich die Unterlagen und wie er im Studium gelernt hatte, war er sich fast sicher, dass die erste Runde der Versteigerung scheitern würde. Die Bank wollte, seines Erachtens, viel zu viel Geld. Und so kam es dann auch. Niemand war bereit, für dieses Grundstück, auch wenn es riesig war, so viel Geld zu zahlen. Auch die Gemeinde, wo ja alle aufgeschrien hatten, sie müssten dem alten Huber helfen, konnte natürlich nicht einschreiten. Doch bei der zweiten Versteigerung, da war Peter da. Und natürlich dann auch die Stadt, die sich das große Grundstück einverleiben wollte. Als der Bürgermeister ihn damals sah bei der Versteigerung, schluckte er nur. Anscheinend war mittlerweile im Dorf rumgegangen, dass Peter nie etwas ohne Grund und ohne darüber nachzudenken tat, sondern immer mit einem guten Plan. Da es eine offene Versteigerung mit einem Auktionator war entwickelte sich schnell ein kleiner Bieterkampf zwischen ihm und der Stadt. Schließlich erhielt er, wie er fand, für läppische 550.000 DM den Zuschlag. Am besten gefiel ihm natürlich das zerknirschte und leicht erboste Gesicht des Bürgermeisters, dessen Sohn übrigens oft der Wortführer des Mobbings war. Doch da wenigstens der Auktionator von außerhalb kam, konnte die Stadt nichts mehr drehen. Der Bürgermeister meinte zwar am Ende nur böse zu ihm, er könne die Summe gar nicht aufbringen, so viel Geld könne ein dummer Junge aus dem Norden ja nicht haben, aber Peter überwies bei Fälligkeit die komplette Summe von seinem Konto, nicht von irgendeiner Bank. Eine Woche später war der Hof komplett geräumt und Peter beging alles mit einem Innenarchitekten und Gutachter. Ihm war klar, dass er dieses Haus sanieren musste. Und da war er froh, dass seine Modellkarriere so gut lief. Vier Monate nach dem Kauf war alles so hergerichtet, wie er es wollte. Zwei der Stallungen hatte er in Lagerräume umwandeln lassen, da er sich ein zweites Standbein aufbauen wollte. Und das lief nach kurzer Startphase mehr als gut. Durch seine lange Zeit in Fitnessstudios hatte er auch viele Kontakte zu Herstellern eben von Nahrungsergänzungsmitteln. Er fing an, diese über Kataloge zu vertreiben und modelte nebenbei weiter. Zwar musste er dann teilweise 14 Stunden schuften, aber es machte ihm Spaß. Und im Ort wunderte man sich, wie oft da große LKWs auf seinen Hof fuhren. Als dann 1998 der Startschuss für das Internet fiel, da rumste es gewaltig. Peter musste seine Modellkarriere zurückdrehen, denn nun boomte auch das Onlinegeschäft. Aber ganz aufgeben wollte er es nicht. Zwar war mit einem halben Tag Fotos machen bei ihm gern mal 100.000 DM zu machen, aber auch das andere Geschäft durfte er nicht vernachlässigen, denn er war sich sicher, spätestens mit 35 Jahren wollte ihn keiner mehr buchen.

Da wurde er dann plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, denn er erblickte Maria. Sie kam gerade die letzten Meter auf ihn zu. Sie trug ein leichtes, weißes Sommerkleid. Manchmal dachte er, Maria sei die Einzige in der Agentur, die noch nicht an sich hatte herumschnippeln lassen. Die anderen Frauen, egal, ob jung oder alt, sahen teilweise doch sehr künstlich aus. Da passte mal die extreme Oberweite nicht zu der schmalen Taille oder die Stirnfalten waren weg. Peter mochte Natur. Er fasste sich nochmal kurz zur Kontrolle an seine Krawatte, die er zu dem blauen kurzärmligen Hemd und der beigen Sommerhose trug und stand dann auf, um Maria den Stuhl zurechtzurücken.

„Schön, dass du es einrichten konntest.“, sagte Maria.

„Kein Problem.“, entgegnete er, als er sich ihr gegenüber setzte. „Was gibt es denn so Dringendes, dass ich auf einem Freitagnachmittag noch nach München rein muss?“

Doch bevor sie antworten konnte, kam bereits die Kellnerin und fragte nach den Wünschen. Maria bestellte einen Cappuccino.

„Machen Sie 2 draus.“, sagte Peter und wandte sich wieder Maria zu. „Also, was ist so dringend?“

Maria holte einen Umschlag aus der Handtasche und reichte ihn rüber zu Peter.

„Ich wollte dir nur schnell die Abrechnungen geben von diesem Monat.“

Peter war nun doch verdutzt. Die Abrechnungen kamen normalerweise mit der Post, warum musste er also deswegen extra nach München? „Das kann doch nicht der Grund sein, schließlich kriege ich die sonst mit der Post. Also, was ist der wahre Grund? Will die Agentur mich nicht mehr?“, fragte er und wurde leicht sauer auf sich selbst. Wenn Maria hier bei ihm saß, dann konnte sie wahrscheinlich nichts dafür, eher ihr Chef. Doch Peter merkte auch, dass sie sofort den Kopf leicht senkte, so als sei sie bei einer Lüge ertappt worden. Doch anstatt etwas zu sagen, wartete er geduldig auf ihre Reaktion, beziehungsweise Antwort.

„Weißt du….“, begann sie und schaute ihn fast hilfesuchend an. Dann rettete sie erst einmal die Kellnerin, die die Cappuccinos brachte. Peter dankte ihr, dann schaute er erneut zu Maria rüber, die anscheinend mit sich rang, wie sie nun weitermachen sollte.

„Weißt du, Peter, es ist so, dass ich…. schon sehr lange….. mal mit dir alleine reden wollte außerhalb der Agentur.“, versuchte sie es schleppend erneut.

„Und warum?“

Erst druckste sie ein wenig herum, doch dann schien sie sich ein Herz zu fassen und begann: „Weißt du, du bist so anders als all die anderen, die wir betreuen, auch anders als alle meine Kolleginnen und Kollegen.“

Peter war mehr als irritiert. Anscheinend konnte Maria das in seinem Gesicht ablesen, denn sie fragte: „Weißt du jetzt nicht, was ich meine?“

„Nein, ehrlich gesagt, nicht.“

„Weißt du, es fängt schon damit an, wie du dich gibst. Wir betreuen viele Modells und alle sind so hochnäsig, als seien sie was Besseres. Du bist immer nett, höflich, hältst mir und den anderen Damen die Tür auf oder wie eben, du stehst auf, wenn ich erscheine und rückst mir den Stuhl zurecht. Oder deine Kleidung...“

„Was ist mit meiner Kleidung?“, hakte Peter nach.

„Na, schau sie dir doch an. Du bist geschmackvoll gekleidet, aber nicht dauernd mit diesen Hip-Marken wie Gucci, Versace und wie sie alle heißen. Du strahlst mit dir und deiner Kleidung irgendetwas aus, sowas wie… Hier bin ich und mir gefällt es. So als legst du keinen Wert darauf, deinen, nennen wir es ruhig Reichtum, nach außen zu zeigen.“

Peter hörte die Worte und doch war er der Meinung, etwas zwischen den Zeilen zu hören, etwas, was Maria nicht oder noch nicht ausgesprochen hatte. Er war nie ein Freund davon, um den sprichwörtlichen heißen Brei herumzureden. Peter war für Tacheles. Auch wenn es dem Gegenüber nicht gefiel. Trotzdem wollte er, wenn er schon als Gentleman der alten Schule beschrieben wurde, nicht total mit der Tür ins Haus fallen, daher wollte er Maria noch eine Chance geben und forderte sie in ruhiger und freundlicher Stimmlage auf: „Wenn du mir was sagen willst, dann tu es einfach, gerade und direkt.“

Maria schien damit und mit seiner Reaktion so nicht gerechnet zu haben. Erst versuchte sie, seinem Blick auszuweichen, dann taxierte sie ihn, als wolle sie feststellen, ob Peter sauer sei und dann schien sie all ihren Mut zusammenzunehmen und fragte ihn etwas, womit er so nicht gerechnet hatte: „Findest du die Frauen bei uns im Büro attraktiv?“

Peter dämmerte, dass sie irgendwie auf dem Weg war, ihm zu sagen, dass er ihr am Herzen lag. Natürlich hätte er sagen können, dass er wusste, was sie wollte, aber ihm gefiel das Spiel, daher spielte er mit.

„Attraktiv ist relativ. Ich werde es mal so ausdrücken: Ich mag es nicht, wenn Frauen oder Männer so extrem fett sind, so wie es leider immer öfter der Fall ist. Die Proportionen sollten schon stimmen. Aber ich bin auch kein Freund davon, dass Menschen, egal welchen Geschlechts, auf Teufel komm raus, jung und attraktiv sein wollen und sich dafür extra unters Messer legen. Es gibt gute Gründe, warum es die plastische Chirurgie gibt, aber ich brauch keine Frau, die sich extra die Hupen vergrößern lässt und ein Facelifting machen lässt, wie manche Damen der High Society. Ich mag es, wenn sie so aussehen, wie die Natur sie gemacht hat. Und ich mag keine Frauen, bei denen ich, wenn ich sie nackt sehe, die Rippen zählen kann. Ich nenne jetzt mal keine Namen, aber manche der Damen bei euch sehen mir doch so aus, als seien sie schon so manchen Urlaub nicht am Strand, sondern beim Chirurgen gewesen. Beantwortet das deine Frage?“ Schon während seiner Aussage hatte er bemerkt, wie ein leichtes Lächeln über Marias Gesicht huschte.

„Das ist es eben auch, was ich an dir….. mag.“, sagte sie nach kurzem Zögern. „Du kannst dich gut ausdrücken und bist direkt, aber nicht verletzend. Du nennst die Dinge beim Namen. Wahrscheinlich ist die Frage überflüssig, aber darf ich dir auch was ganz direkt sagen?“

„Na klar, immer raus mit der Sprache, meine Mutter meinte immer, sonst erstickt man dran.“

Es folgte ein letzter, hörbarer, tiefer Atemzug von Maria, dann sagte sie: „Du bist für mich mehr als nur ein Mandant, den ich betreue. Ich freue mich immer, wenn ich sehe, du kommst zu uns. Ja, du hast Recht, es war ein Vorwand, dich hierher zu locken, ich wollte dich außerhalb der Agentur sehen, mal privat mit dir sprechen. Ja, ich weiß, dass du seit einem Jahr etwa Single bist und ja, ich würde es gern ändern, natürlich nur, wenn du auch bereit dazu bist. Vielleicht magst du mich ja  auch ein ganz klein wenig.“ Den letzten Satz sprach sie aus wie ein ängstliches Kaninchen, das vor dem Wolf auf der Flucht ist.

Jetzt war es also raus. Peter schaute sie an, ihr Kopf war leicht gerötet, wahrscheinlich vor Aufregung. „Maria……..“, begann er, „Maria, du begibst dich da auf sehr dünnes Eis. Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag oder so. Aber wenn du dich wirklich mit mir einlassen willst, dann solltest du eines wissen.“, sagte er und schaute sie an.

„Und das wäre?“

„Du solltest wissen, meine letzte Beziehung ist nicht deswegen zerbrochen, weil ich sie mit einem Anderen im Bett erwischt habe oder so, sondern weil sie diese strafenden Blicke nicht mehr ertragen konnte. Ich wohne in dem kleinen Städtchen Bockhorn und meine Eltern und ich, wir sind die ungeliebten Personen da im Ort, oder Dorf, so groß ist Bockhorn ja nicht. Spätestens seitdem ich vor 2 Jahren dem Bürgermeister den Bauernhof weggeschnappt habe, bin ich da so etwas wie die Persona non grata. Ich wohne da, aber wehe, ich will mal eine Auskunft oder so. Das hat Petra damals nicht mehr ausgehalten. Ich kann das nachvollziehen. Sollte es also so sein, dass du meine Freundin oder Lebensgefährtin bist, dann sei versichert, du wirst in diesem angeblich so konservativem christlichen Kaff genauso ignoriert wie meine Eltern und ich.“

Peter sah, wie sie bei diesen, doch sehr harten Worten, schlucken musste. Aber was sollte er machen? Die Wahrheit beschönigen? Er war ein Verfechter des Standpunkts, immer gleich mal klare Fronten zu schaffen.

„Das ist ja nicht so schön.“, gestand sie offen. „Aber, wenn du erlaubst, würde ich dich trotzdem gern besser kennenlernen.“

Peter setzte ein schelmisches Grinsen auf und fragte: „Wie mutig bist du denn?“

Diese Frage überraschte Maria dann doch. „Wie… wie meinst du das?“

„Ich hab heute leider keine Zeit mehr, ich habe noch einen Termin. Aber wenn du magst, dann komm doch morgen bei mir vorbei und sorge für ordentlich Lästerstoff im Kaff. Aber ich warne dich auch gleichzeitig. Ich kann nicht nur modeln. Meine Mutter war eine gute Lehrerin, was Kochen angeht.“

Jetzt musste sogar Maria lachen. „Also, dass ein Mann für mich kocht, das wäre nun wirklich eine Premiere.“

„Wenn es eine Premiere werden soll, musst du erscheinen. Ich gehe mal davon aus, du hast dir schon meine Adresse irgendwo aus den Akten notiert, oder irre ich mich da?“

Wie eine ertappte Diebin senkte sie leicht den Kopf. Peter grinste und meinte nur: „Ist schon in Ordnung. Aber so leid es mir tut und so sehr ich deine Gesellschaft genieße, ich muss jetzt wirklich los. Daher wünsche ich dir einen schönen Abend.“, sagte er und winkte die Kellnerin zu sich und zahlte mit einem Trinkgeld die Rechnung.

„Warte mal!“, rief Maria.

Peter drehte sich um und schaute sie an. „Was ist denn?“

„Wann darf ich denn erscheinen?“

„Nicht vor dem Aufstehen, ansonsten bin ich den ganzen Tag zu Hause.“, grinste er und wollte sich schon umdrehen, da spürte er den sanften Kuss auf seiner Wange.

„Danke.“, sagte er leise, streichelte kurz ihre Wange und ging. Maria blieb noch ein paar Minuten, sie musste ihren Triumpf, denn das war es für sie, in aller Stille auskosten. Sie hatte es geschafft, sie hatte ein Date mit Peter. Sie freute sich riesig.

 

Für Peter fing der neue Tag ganz normal an. Er wusste ja nicht, wann Maria erscheinen würde, also ging er seinen täglichen Ablauf durch, wenn auch mit der Einschränkung, dass er noch Kuchen backte, für den Fall, dass Maria bereits zum Kaffee erscheinen würde. Er ging die Bestellungen durch, die reingekommen waren und machte diese versandfertig, dass am Montag die Post diese nur mitnehmen musste. Dann ging er noch zwei Stunden in sein privates Fitnessstudio, was er sich damals in dem einen alten Stall hatte einbauen lassen. So musste er nicht jeden Tag in die Stadt fahren. Mittlerweile war es kurz vor 14 Uhr. Er hatte alles vorbereitet und dachte sich, er könne noch, da es so schönes Wetter mit fast 30 Grad waren, noch etwas Holz für den Winter hacken. Also ging er zu dem großen Haufen, der darauf wartete, gehackt zu werden. Wie so oft beim Hacken, vergaß er völlig die Zeit. Ein ums andere Stück hackte er klein, und dann hörte er auf einmal das Brummen eines Motors. Er drehte sich um und sah, wie Maria gerade auf den Hof fuhr. Eigentlich hatte er ja noch duschen wollen, aber nun empfing er sie halt nur in Shorts und Sandalen, freiem Oberkörper und verschwitzt. Maria stieg aus und grinste von einem Ohr zum anderen.

„Na, das nenne ich mal einen sexy Empfang!“, rief sie und deutete auf ihn, was auch Peter ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

„Danke für das Kompliment, ich hab total die Zeit vergessen. Schön, dass du da bist, wie spät ist es denn?“

Maria schaute auf die Uhr. „15:30“

„Oh, hab ich mal wieder die Zeit vergessen. Na, egal, komm rein. Das kriegen wir schon hin.“ Peter führte sie ins Haus und er sah sofort, dass Maria von diesem sehr großen, geräumigen Haus überwältigt war. Er führte sie durch den großen Flur nach hinten auf die Terrasse.

„Warum machst du es dir nicht bequem, während ich die Kaffeemaschine anschmeiße und mich eben dusche, dann bin ich bei dir.“

„Ja, gerne.“, sagte sie und Peter tat, wie gesagt. Als er eine Viertelstunde später wieder rauskam, war er geduscht und hatte ein Tablett mit Kaffee, Geschirr und selbstgemachter Schwarzwälder-Kirsch-Torte dabei.

„Sag mal, verwöhnst du alle Frauen so, wenn sie hier das erste Mal erscheinen?“, fragte Maria überrascht.

„Nur die netten und hübschen!“, entgegnete Peter und deckte den Tisch. Er spürte, dass Maria seinen braungebrannten Oberkörper musterte. „Ich hoffe, es schmeckt dir.“, sagte er, während er sich ihr gegenüber setzte, nachdem alles serviert war.

Maria schaute nicht schlecht, anscheinend hatte sie das so nicht erwartet. Sie war wohl eher auf dem Trip, ein Junggeselle kann nicht kochen oder backen. Peter nahm demonstrativ den ersten Bissen und da fielen dann auch bei Maria die letzten Barrikaden.

„Dann erzähl doch mal, warum du so aufgeregt bist.“, wollte Peter wissen und anscheinend hatte er da einen Nerv getroffen, denn Maria errötete leicht.

„Ich glaube, wenn ich dir die Wahrheit sage, dann denkst du von mir, ich sei kindisch.“, meinte sie ausweichend.

„Ach komm, wir sind hier unter uns. Was hier gesagt und gemacht wird, das bleibt hier. Also?“

„Also gut.“, stöhnte Maria und holte tief Luft. „Wie ich dir gestern schon sagte, du bist anders als alle anderen, die wir vertreten, du bist gerade heraus ohne Schickimicki. Und wie du ebenfalls richtig vermutet hast, sind viele der Damen operiert, und damit meine ich nicht den Blinddarm oder so.“ Da musste Peter lachen, aber er ließ Maria weiter erzählen. „Die Frauen geben gerne, besonders montags an, wo sie wieder auf irgendwelchen Partys waren, wen sie da alles Tolles getroffen haben und so und ich, naja, ich gehe da nicht hin, ich esse halt gern mal eine Currywurst und nicht nur mittags 3 Salatblätter. Deswegen hab ich vielleicht auch keine Modelfigur, aber ich mag mich so. Ich sitze lieber abends bei einem guten Spielfilm zu Hause oder einem Buch, statt mich auf irgendwelchen Partys zuzudröhnen. Und ich hab so das Gefühl, du bist da ähnlich. Ich weiß, du rauchst nicht, du trinkst nicht. Und ja,…“, sie machte eine Pause, „Ja, ich finde dich attraktiv und sexy, du machst mich mit deinem freien Oberkörper hier ganz wuschig. Ich hab Probleme, mich auf den Kaffee und die Torte, die übrigens hervorragend ist, zu konzentrieren.“

„Danke für das Kompliment wegen dem Kuchen und auch für deine Offenheit. Und ja, du hast Recht, ich verabscheue Drogen und wie du, mag ich es abends auch lieber gemütlich und ruhig. Wenn ich mal zu einer dieser Partys muss, dann sehe ich zu, dass ich da nicht länger als nötig bleibe. Aber das hat ja auch bald ein Ende.“, sagte er. Bei diesen Worten schaute Maria leicht entsetzt.

„Wie meinst du das?“

„Na, schau mich doch an! Ich bin jetzt fast 30 und ich denke mal, ich werde meinen Vertrag, der noch etwas länger als 2 Jahre läuft, nicht mehr verlängern. Ich glaube, dann will mich keiner mehr als Model oder so. Aber das macht auch nichts, ich hab mir schon ein weiteres Standbein aufgebaut. Ich bin nicht mehr auf das Modeln angewiesen. Ich mache es noch, weil es gutes Geld bringt, aber ich hab trotzdem für die Zukunft vorgesorgt.“

Maria schaute interessiert. „Was willst du denn nach deiner Modelkarriere machen?“, wollte sie wissen.

„Das kann ich dir gerne zeigen, wenn wir fertig sind mit dem Kuchen. Dann führe ich dich, wenn du magst, ein wenig herum.“

„Oh ja, gerne!“, freute sich Maria. „Du wohnst hier aber schon ganz schön abgelegen. Magst du das so?“, hakte sie nach.

„Es ist zum Einen so, dass ich es ganz gerne ruhig mag, schon wegen dem ganzen Trubel wegen Modeln und so und zum Anderen erfüllt es seinen Zweck, wie du nachher noch sehen wirst, wenn ich dich rumführe. Wie sieht es aus? Darf ich dir noch ein Stück Torte bringen?“

Maria schaute ihn mit großen Augen an. „Sie schmeckt zwar ausgezeichnet, aber wenn ich noch ein Stück esse, dann platze ich. Dann führ mich lieber etwas herum.“, sagte sie und Peter stand auf und wie ein Gentleman reichte er ihr die Hand, um sie rumzuführen.

 

Peter begann die Führung im Haus und merkte schnell, dass Maria das wohl nicht erwartet hatte. Peter hatte seine Wohnung sowohl zweckmäßig als auch etwas im alten Bauernstil eingerichtet. Anscheinend hatte Maria eine karge Junggesellenbude erwartet. Natürlich war in der Wohnung kein Nippes, wie es die meisten Frauen mögen, mal ein Foto an der Wand, ja, aber mehr eben nicht.

„Wow, das ist ja wirklich toll eingerichtet, hast du das alleine gemacht?“ fragte sie erstaunt.

„Nein.“ Er schüttelte zusätzlich den Kopf. „Ich hatte einen sehr guten Inneneinrichter. Aber so wie es ist, mag ich es.“

„Wirklich toll hier. So hab ich mir dein Zuhause wirklich nicht vorgestellt.“, sagte sie und Peter führte sie raus aus dem Haus. Sie sah gegenüber die alten Stallungen und es fiel ihr sofort auf, dass eine der Türen eine normale Haustür war, während die anderen Türen nur Holztüren waren, die mit Vorhängeschlössern gesichert waren. Natürlich war ihre Neugier sofort geweckt.

„Was ist hinter der Haustür?“, wollte sie wissen, doch statt eine Antwort führte sie Peter einfach hin und öffnete. Da sah sie es. Durch einen kleinen Flur ging es rechts zu seinem Büro und links war sein eigenes, großes Fitnessstudio. Vom Stepper über Laufband, Trimm Rad, Hanteln, alles war da.

„Sag mal… hast du dir hier deinen privaten Traum erfüllt?“, wollte sie wissen.

„Ja, hier ist es so, wie ich es wollte überall. Ich wollte nicht jeden Tag in den Nachbarort und so hab ich es mir hier eingerichtet. Die Tür da hinten, die geht zum Bad und Dusche.“ Er zeigte auf die eine Tür, die hier noch abging.

„Wow. Also wenn ich mal einen Personal Trainer brauche, kann ich dann zu dir kommen?“, fragte sie und man sah ein leicht schelmisches Grinsen in ihrem Gesicht.

„Darüber können wir verhandeln. Und da ich so einen fragenden Blick in deinen Augen sehe, fragst du dich, womit ich das alles bezahlt habe?“

„Ja, das auch. Das scheint ja hier nicht gerade billig gewesen zu sein.“

„Dann komm mit.“, meinte Peter und führte sie raus und dann in eine andere Tür. Diese war nur mit einem Vorhängeschloss gesichert. Er schloss auf und sie sah einen Stall, allerdings waren hier keine Tiere mehr. Einen Teil hatte er sich als Werkstatt zurechtgemacht, ansonsten lag hier alles voller Holz, gehackt und gestapelt.

„Damit ich es im Winter schön warm habe.“, sagte er und ihnen beiden schlug eine Welle heißer Luft entgegen, da dieser Teil nicht belüftet war. Maria stöhnte und dann ging es weiter zu dem anderen Stall. Peter schloss auf und Maria sah jede Menge Regale. Alle vollgestellt mit Dosen und Behältern.

„Was ist das denn?“, fragte sie.

„Das, meine Liebe, ist mein zweites Standbein. Ich habe mir schon vor einiger Zeit Gedanken gemacht, wie es mit mir weitergeht, nach dem Modeln. Und da ich mich oft in Fitnessstudios herumtreibe, habe ich dann angefangen, einen Versandhandel aufzumachen für sogenannte Nahrungsergänzungsmittel. Die Meisten in diesen Studios meinen, sie müssten die zu sich nehmen, besonders Bodybuilder. Also habe ich mir einen Vertrieb aufgebaut und der läuft sehr gut. Das ist auch die Antwort auf deine Frage, warum dieser Hof. Der ganze Stall ist voller Ware. Hier packe ich die Pakete und einmal am Tag kommt die Post und holt alles ab.“

„Also… Also, du erstaunst mich immer mehr. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

„Siehst du. Und deswegen werde ich auch sanft fallen, wenn in ein paar Jahren mein Vertrag ausläuft. Durch das Internet, was jetzt im Kommen ist, boomt mein Geschäft noch weiter.“

„Ja, das glaube ich dir.“, meinte Maria etwas geistesabwesend. Anscheinend musste sie das alles erst einmal verdauen.

„Und jetzt zeige ich dir noch etwas.“

„Was denn noch? Ich glaube, viel mehr vertrage ich nicht.“

Peter führte sie um das Hauptbaus herum. Neben dem Haupthaus deutete er auf das Einfamilienhaus, was auch noch zum Grundstück gehörte.

„Das habe ich auch noch modernisieren lassen. Vielleicht biete ich irgendwann auch mal Ferien auf dem Land an, mal schauen. Es ist komplett saniert, nur Möbel fehlen noch.“ Dann zog er sie sanft um die Ecke und sie sah ein Haus, das fast wie ein Treibhaus aussah. Die Scheiben waren von innen beschlagen.

„Was ist das denn?“ fragte sie neugierig.

Peter sagte nichts. Das Haus war ca. 35 Meter lang und 20 Meter breit. Er öffnete die Tür und dann staunte Maria nicht schlecht.

„Du hast…. einen eigenen Pool hier?“

„Ja. Und das Dach kann man auf oder zumachen, je nach Jahreszeit.“

„Ich werd‘ verrückt!“, platzte es aus ihr heraus.

„Bitte nicht, ich mag deine Anwesenheit. Sonst muss ich den Arzt rufen.“, grinste er. Daraufhin musste selbst Maria lachen. Peter führte sie wieder auf die Terrasse und sie setzten sich.

„Na, brauchst du jetzt einen Sekt oder so?“, wollte er wissen.

„Ja, bitte.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 25.06.2018
ISBN: 978-3-7438-7324-7

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieser Roman ist all Jenen gewidmet, die sich in irgendeiner Weise ausgegrenzt fühlen.

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