Ich lese morgens die Zeitung und sehe im Anzeigenteil unter »Glückwünsche und Persönliches« den Spruch »Alles Gute und bleib so wie du bist!«.
Einige Tage später sehe ich meine Klatsch-Nachbarin mit ihrer erklärten, liebsten Nachbarin reden. Über die hatte meine Klatsch-Nachbarin gestern erst mit einer anderen erklärten, liebsten Nachbarin gelästert. Die Beiden verabschieden sich voneinander, weil ich nicht hören soll, was sie so reden. Es hätte mich ganz ehrlich auch nicht interessiert.
Ich habe einen IQ von 500 und weiß genau, was die Nachbarn meinen, wenn sie nur »Guten Morgen« sagen. Ich kann deren Charakter und IQ auf drei Stellen nach dem Komma errechnen, in fünf Millisekunden!
Die Beiden verabschieden sich voneinander und eine sagt zur anderen, »mach´s gut und bleib so wie du bist!«. Man hätte stattdessen auch sagen können, »leck mich am Arsch, gehe deinen stupiden Weg weiterhin, du interessierst mich eh nicht!«.
Es gibt Menschen, langjährige gute Freunde, Leute aus der Verwandtschaft oder der eigenen Familie, deren gut gemeinten Rat »bleib so wie du bist!« kann man ungesehen Glauben schenken und befolgen, wenn sie sich sicher sind, dass sie auch wissen, was sie da sagen.
Hüte dich vor den Leuten, die das anders meinen!
Es kann nämlich auch heißen, dass, wenn du nicht so bleibst wie du bist, diese Leute damit nicht klarkommen würden. Sie sind selbst so wenig flexibel und veränderlich, dass sie deine Veränderung kopfmäßig nicht mitmachen können. Und dich aussortieren, aus ihrem schematischen Denken. Das ist unter anderem auch der Grund, wieso Menschen andere Menschen vorschnell in Schubladen einsortieren, ohne, sie überhaupt gut genug zu kennen. Sie kommen dann gefühlsmäßig besser mit ihrem Gegenüber klar, wenn sie ihn irgendwohin einordnen können, anstatt diesem Menschen die Chance zu geben, er selbst sein zu dürfen. Es nimmt ihnen ihre immerwährende Angst und das Unbehagen vor allem Fremdartigen, neuem.
Sie haben Angst vor deiner Veränderung, weil sie sich selbst nicht zu verändern wissen. Weil sie immer noch auf dem Niveau, dem Bildungsstand und der Entwicklungsstufe stehen, auf der sie irgendwann stecken geblieben sind, und auf der sie dich auch sehen und möglichst lange festhalten wollen. Deine Veränderung, deine Entwicklung macht ihnen Angst. Es fühlt sich für sie an, als ob du ihnen wegläufst oder ihnen etwas wegnimmst. Vielleicht den eigenen Schritt in die Zukunft!
Ihr »bleib so wie du bist!«, kannst du getrost als Warnung sehen. Sie könnten auch zu dir sagen, »bleib da wo du bist!«, auf die Entwicklungsstufe bezogen. Wenn sie jetzt noch das Wort »sonst…« hinzufügen, hättest du den klaren, verbalen Beweis.
Wenn sich Freunde, Bekannte, die eigenen Kinder, der eigene Partner, die Familie und Verwandtschaft plötzlich verändern, egal wie schnell oder langwierig, egal wie mild oder stark, ist es immer befremdlich.
Doch, wenn sich die Menschen, die man lieb hat, eben weiterentwickeln, sollte man die Liebe zu ihnen so ernst meinen, dass man ihnen ihre notwendige Weiterentwicklung gönnt, sie dabei unterstützt und an ihrer Entwicklung aufrichtig interessiert ist. Alles andere ist purer Egoismus und käme dem Zwang der Verbildlichung und Verwirklichung des eigenen Spiegelbildes in anderen gleich.
Natürlich ist das nicht immer einfach. Wir sind in erster Linie Gemütsmenschen und erst ganz zum Schluss Menschen des Verstandes. »Ich bin mein Gefühl, nicht mein Verstand!«. Vielleicht sollten wir alle lernen, Gefühl und Verstand in Einklang zu bringen.
Wenn der Mensch, den man lieb hat, seine Entwicklung in eine für ihn gute und positive Richtung lenkt, kann man die Veränderung getrost mitmachen. Man wird sich an den Menschen, den man lieb hat, schon wieder gewöhnen, auch, wenn dieser nun nicht mehr so ganz »geblieben ist, wie er war«.
Du kannst mit jedem Menschen eine Party machen und jeden deinen Freund nennen, doch, wer steht zu dir, wenn die Party einmal vorbei ist? Die Menschen, die dich so haben wollen, wie du bist und dich so nehmen, wie du schon immer warst, sind die ersten, die deine Party verlassen, wenn du dich einmal zum Negativen entwickelst. Und damit dich und dein Leben verlassen!
Ich habe zwar nicht das Recht meinen Freunden, Bekannten, der Familie und Verwandtschaft zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben, habe aber die Pflicht ihnen das zu sagen, wenn ich an ihnen Veränderungen bemerke, die ich nicht so bedenkenlos hinnehmen kann. Menschen bedenkenlos so zu nehmen, wie sie sind oder von ihnen zu verlangen, dass sie so bleiben, wie sie sind, hat viel mit eigener Nachlässigkeit, Faulheit und Desinteresse an der weiteren Entwicklung dieser geliebten Person zu tun. Man kümmert sich nicht wirklich ernsthaft um diesen Menschen.
Für mich fängt Freundschaft nicht bereits mit dem Freundschaft bekunden an, sondern erst dann richtig und wahrhaft, wenn man mit seinen Lieben auch mal konstruktiv Tacheles reden kann.
Positive Veränderungen meiner Lieben nehme ich gerne hin. Veränderungen zum Negativen, NIEMALS!
Das gibt mir dann, in dem Augenblick wirklich das Recht sagen zu dürfen ... »Bleib so wie du bist!«.
Texte: Ralf Dellhofen
Lektorat: Ralf Dellhofen
Satz: heiße Ohren!
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet meinem deutsch-philippinischen Neffen, Christian Dellhofen, der heute 9 Jahre alt wird und meinem deutsch-irischen Kumpel, Katharina Günther, für die ich damals "Das Haus der Seelen" schrieb, und die 34 Jahre jung wurde. Photo von darkmoon 1968 über pixabay