Cover

Über Bukowski

Es war Ende 2001. Ich hatte bis dahin noch nicht viel von Bukowski gehört und auch noch nie etwas von ihm gelesen.

Ich kannte die sogenannten Beat-Poeten, die mir aber nichts gaben. Sie waren einfach nicht meine Generation. Oder ich nicht deren!

Ich schrieb damals regelmäßig mit Gregory Mc Cormick, alias Itchy, von der Detroiter Band Shock Therapy. Er saß im Knast in Michigan wegen einer kleinen Brandstiftung. Wir schrieben über sehr viele private Dinge. Auch über die Bücher, die wir so gelesen hatten und mochten.

Er mochte nicht nur Bukowski, er liebte ihn!

Itchy hatte einige Jahre zuvor den Song „genius of the crowd“ nach einem Gedicht von Bukowski auf einem seiner Alben herausgebracht. Ein dusseliger, überkandidelter, amerikanischer Anwalt verlange 5000 Dollar von Itchy, wegen „unerlaubter Nutzung geistigen Eigentums“.

 

Was für ein Arschloch!

Bukowski rief daraufhin Itchy persönlich an, bedankte sich für den tollen Song und riet dem Anwalt sich ins Knie zu ficken!

Seit dem Tag, als Itchy mir diese wahre Geschichte schrieb, liebte auch ich „Onkel Buki“, wie Itchy und ich ihn liebevoll nannten.

Itchy bekam sein gut verrauchtes Exemplar von „Stripperinnen vom Burbank“ durch die Gefängnis-Post und schickte es mir. Ich las mein erstes Buch von Bukowski. Die Illustrationen von Crumb in dem Buch waren klasse. Einmalig!

Da Weihnachten vor der Tür stand und Itchy selbst malte, weil ihm kaum einer Briefe schrieb, schaffte ich es, ein kleines Buch mit Illustrationen von Crumb meinerseits durch die Gefängnis-Post zu schleusen, um Itchy damit eine Freude zu machen.

Genauso allein gelassen, wie Itchy von der Menschheit im Knast verrottete, so allein gelassen und einsam fühlte ich mich selbst die meiste Zeit auf Erden. Ich konnte Familie, Verwandtschaft, Bekannte, ja sogar so etwas wie Freunde um mich herum haben, trotzdem kam ich mir immer einsam und alleine vor. Der Großteil der Menschen in meinem Heimatland sprach eine komplett andere Sprache und auch bei der Auswahl des richtigen Planeten hatte ich wohl kein gutes Händchen bewiesen.

In Onkel Bukis Büchern fand ich zum ersten Mal intelligentes Leben. Ich verstand nicht nur seine Sprache komplett, sondern sogar seinen Dialekt. Bukowski konnte in nur ein bis zwei Sätzen ausdrücken, was andere Schreiberlinge nicht in einem ganzen Buch schafften.

Er verband, meiner Meinung nach, den Intellektuellen mit dem Arbeiter. Als er zum Beispiel einmal kurz und knapp schrieb, dass er keine Gedichte schreibt, die sich reimen, wusste ich sofort, was er meinte. Er schrieb keine „gelangweilten Hausmütterchen-Reime“, sondern kotzte sich richtig aus.

Seine Kurzgeschichten und Gedichte strotzten vor Verzweiflung, täglichem Kampf, täglicher Aufgabe und Wiederbefüllung mit neuer Energie. Von wirklichem, echten Anarchismus im Grunde der Wort-Herkunft und Wort-Bedeutung. Er brachte in einer einzigen Kurzgeschichte ein ganzes Leben unter und in einem einzigen Buch ein ganzes Universum.

Und er erbrachte den Beweis, dass Menschen mit einer eigenen, unerschütterlichen Meinung und dem dazu passenden Lebensstil, nicht zwangsläufig von allen anderen Menschen geächtet, gehasst und gemieden, in ihrer abgedunkelten Kammer verkümmern und vorzeitig krepieren sollen. Bis dahin war es für ihn aber oft ein sehr beschwerlicher Weg, mit vielen Tagen Obdachlosigkeit, Armut und Defiziten an so ziemlich allem, was mit Lebensqualität zu tun hat.

Onkel Buki brachte aber oft genau an diesen selbstgewählten Orten, in einer abgedunkelten Kammer, mit genügend Portwein, Scotch und Bier, und leiser, klassischer Musik aus einem alten Radio, seine besten Werke zustande. Ohne Ablenkung durch von ihm verachtete, äußere Umstände, konnte er genau an diesem dunklen Ort in sein inneres Reich zurückkehren und sich die Dinge des Lebens, seines Lebens und seiner Sichtweise auf die Dinge, von der Seele schreiben. Er knallte seine Seele in die Schreibmaschinen Tastatur.

Und er hatte eine Seele. Sogar mehr Seele, als ihm viele zugestanden haben. Leute, die selbst wenig Seele hatten und ihn nicht einmal kannten oder überhaupt richtig verstanden. Leute, die in ihm nur den Säufer, das ewige Arschloch und den Frauenschläger sahen. Und nicht den Menschen dahinter.

Sein Alkoholismus hat ihm und den Menschen in seinem näheren Umfeld sicher vieles im Leben erschwert und oft genug sogar zerstört. Die schlechten Dinge im Leben können durch keine Entschuldigung der Welt ungeschehen gemacht werden. Sie sind nicht zu entschuldigen, sondern nur ein Beweis für die eigene Herkunft und den eigenen Lebensweg.

Die Iren sagen sinngemäß…„ Alkohol hat uns stark für den Kampf gemacht. Ohne Alkohol gäbe es uns, gäbe es Irland in der heutigen, immer noch ursprünglichen Form, längst nicht mehr“. Man mag davon halten, was man will.

Die Menschen glauben sowieso nur das, was sie glauben wollen, ganz gleich, ob es der Wahrheit entspricht. Solange es ihre Wahrheit ist und bleibt.

Fakt ist, dass auch der Alkohol Onkel Buki seine ursprüngliche Art erhalten und dessen ganz eigene Handschrift geprägt hat. Ich bin damals auf jeden Fall immer gleich in den nächsten Laden gegangen, um mir Bier zu besorgen, weil mir eine seiner Kurzgeschichten mal wieder Durst gemacht hatte und ich Onkel Buki nicht alleine trinken lassen wollte. Und auf die Pferderennbahn wäre ich gerne gegangen, wenn ich es mir nur irgendwie finanziell hätte leisten können.

Ich bin nun schon seit einigen Jahren Anti-Alkoholiker, lese aber immer noch gerne und immer wieder seine Bücher, kann aber persönlich besser und kreativer schreiben, seit ich das Saufen dran gegeben habe.

Für mich war der 1920 in Deutschland geborene und 1994 in Los Angeles gestorbene Charles Bukowski, einer der intelligentesten Menschen mit echtem Durchblick auf diesem Planeten. Und er würde mir sicherlich jetzt den Arsch ramponieren, weil ich nicht geschrieben habe…„er war der intelligenteste Mensch im ganzen Universum“, was wieder einmal nur Ausdruck seiner innerlichen Verletzbarkeit wäre. Eine Verletzbarkeit, die er immer wieder versuchte in Schau-Boxkämpfen innerhalb und außerhalb des Rings, abzuhärten.

Leider kam ich nie dazu mal mit Bukowski die Boxhandschuhe zu kreuzen, um ihm seine Runkel zu verbiegen. Ich hätte es, ganz ehrlich, auch nicht gewollt.

 

Ich schlage keine Freunde!

Nachwort

Immer, wenn ich mal Zeit im Krankenhaus verbrachte, hatte ich mindestens drei seiner Bücher demonstrativ auf dem Beistelltisch neben meinem Krankenbett liegen. Einige der Schwestern sahen sich die Cover leicht errötet an. Die polnischen Schwestern gaben mir extra große Portionen an Essen und besonders viel Nachtisch. Und die Ärzte behandelten mich, bis auf wenige Ausnahmen, mit Respekt.

Leider hat mich Bukowskis einzige Tochter dort nie besucht. Ich würde sie mit Kusshand und ohne zu zögern, noch am Krankenbett heiraten. Ganz gleich, ob sie ihrem Vater äußerlich ähnelt. Doch sie wird dessen Herz und dessen Seele haben.

Und nur das zählt. Für mich zumindest!

 

Impressum

Texte: Ralf Dellhofen
Bildmaterialien: Gregory-John Mc Cormick / Ralf Dellhofen
Cover: Gregory-John Mc Cormick / Ralf Dellhofen
Lektorat: Ralf Dellhofen
Satz: heiße Ohren!
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet allen, die Bukowski kennen oder auch noch nicht kennen und vielleicht bald kennen werden. Evtl. Anwaltsschreiben von Korinthenkackern und Wichtigtuern bitte ich an meine Gesprächstherapeutin zu senden und die Anwaltsrechnungen an das für mich zuständige Wohngeldamt ;-)

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