In letzter Zeit brauche ich immer weniger Schlaf. Ich schlafe meistens gegen 00:00 Uhr ein und wache, frisch erholt, gegen 04:00 bis 05:00 Uhr auf. Mein Bruder nannte das gestern senile Bettflucht, was ich sehr lustig und charmant finde. Als Erstes geht mein Griff morgens zur Fernbedienung. Wir sind ja ständig irgendwo fernbedient. Immer erst n-tv. Immer erst schauen, ob der Großteil der buckeligen Menschheit es heute schon geschafft hat, wenigstens etwas Konstruktives zu leisten. Schaut euch die werdenden Mütter an, DIE leisten etwas Konstruktives!
Wenn ich ein Bild bekomme, weiß ich, dass die Menschheit zumindest noch existiert. Wenn mir nach 3 Minuten Nachrichten schauen noch nicht die Kotze hoch kommt, dann schaue ich erstmal weiter. Keine Ahnung, ob der Sender rein privat sendet, auch er scheint mir manchmal fernbedient. Ein kleiner Bericht zu den neuen Start-ups. Die Lütten werden immer jünger und erfolgreicher, Katja macht immer noch die Börse. Im Gegensatz zu mir scheint sie immer jünger zu werden.
Das erinnert mich daran, als ich, direkt nach Abschluss meiner Malerlehre, zwischen 1989 und 1992 Aktienfonds vertrieben habe, zu einer Zeit, als Fonds in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckten. Die Leute hatten ihre tollen Bausparverträge und Kapital-Lebensversicherungen und ich fürchte, einige haben die leider heute noch.
Ich hatte keinen Bezug zu Geld, war mein Leben lang nicht besonders interessiert an Materiellem und Reichtum in Form von Geld und anderen Luxusgütern. Fonds waren sowas völlig neues hier. Zwar war die Spanne zwischen An und Verkauf nicht besonders attraktiv, aber mir gefiel der revolutionäre Gedanke etwas zu vertreiben, woran der Staat erstmal nicht so viel verdient. Wegen der Kapital-Ertragssteuer.
Auf jeden Fall lief ich tagsüber im Anzug herum, las Bücher von Dale Carnegie und Napoleon Hill, fuhr zu Meetings und Schulungen in Hotels nach Hamburg. Abends und an den Wochenenden zog ich dann meine Goth-Punk Sachen an und ging mit den Jungs am Bahnhof abhängen oder wir trafen uns in Köln beim Domplatten-Treffen.
Mein ehemaliger Malerkollege, der auch jetzt Anzug trug, und dessen damalige Freundin wollten mich bekehren. Sie hielten mein schwarzes Erscheinen an den Casual Fridays für sowas wie eine vorübergehende Geisteskrankheit. Naja!
Es ist toll und interessant mal Dinge auszuprobieren, es bedeutet wenigstens keinen geistigen Stillstand.
Und ja, wer eine helfende Hand sucht, findet sie am ehesten an den unteren Enden seiner Arme. Aber, es gibt auch noch echte Freunde. Man muss sie nur finden und pflegen.
Texte: Ralf Dellhofen
Bildmaterialien: Ralf Dellhofen
Tag der Veröffentlichung: 26.08.2017
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