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DAY oo1

Es war meine Schuld. Meine Schuld. Meine Schuld. Warum hatte ich es auch nur zugelassen. Es war doch mein Leben. Und ihr´s. Ich will es einfach nicht wahrhaben. Obwohl alle sagen, dass ich nicht Schuld sei. Mama. Papa. Oma. Opa. Einfach alle. Aber ich weiß genau: Alle, wirklich alle, denken, nein sie wissen, dass ich Schuld bin. Und das kann man nie wieder gut machen. Nie wieder. Und das allerschlimmste ist: Verdammte Scheiße, ich hab Angst, dass sie nie wieder aufwacht. Dass sie stirbt. Nur wegen mir. Weil ich es auch erlauben musste. Sie war doch noch garnicht so weit gewesen. Warum sonst hatte es Mina, unsere Reitlehrerin, ihr auch verboten. Aber ich dachte sie könnte es schaffen. Am Anfang ist ja alles gutgegangen, aber dann aufeinmal lag sie da. So schnell konnte ich garnicht schaun.
Ich lag in meinen Zimmer. Sie hatten gesagt ich solle mich ausruhen, schließlich war es auch ein schwerer Tag für mich gewesen. Aber was war daran denn bitte schwer gewesen? Ich musste jetzt nicht um mein Leben kämpfen. Ich lag jetzt nicht in diesen kalten Raum mit all den Geräten neben mir. Ich lag jetzt nicht im Koma. Ich war doch nur bei ihr gewesen, hab zu ihr geredet, ihre Hand gehalten. Mich bei ihr entschuldigt, geweint. Und dass nannten sie schwerer Tag. Echt schwer. Wirklich schwer. Aber mich dagegen zu wehren, war sinnlos gewesen. Mama und Papa hatten immer die richtigen Argumente. Außerdem konnte ich wirklich mal ein bisschen Schlaf gebrauchen. Aber ich musste einfach immerzu an sie denken. An gestern denken. An meine Schuld denken. Und dann spürte ich wie mir die Tränen wieder runter flossen. Dass ich überhaupt noch Tränen in den Augen hatte. So viel wie ich in den letzten Tagen schon geweint hatte. Aber sie liefen trotzdem. Und mir war es egal. Lara hätte jetzt gesagt, dass ich aufhören solle mit weinen, sonst würde doch die ganze Schminke verlaufen. Aber Lara war eben nicht da. Sie war nicht wach. Und ich konnte sie auch nicht wecken. Niemand konnte es. Sie musste von ganz allein aufwachen. Zu gern würde ich sie wachrütteln wollen. Ihr Wasser ins Gesicht schütten. Irgendwas machen, damit sie wach wird. Aber es würde ja nichts bringen.
Ich deckte mich mit meiner roten Bettdecke zu. Mir war aufeinmal kalt geworden. Sehr kalt. Ich zitterte. Ich wollte nicht einschlafen, aber ich merkte wie mir die Augen langsam zuvielen.

DAY oo2

Ich habe davon geträumt. Genau deswegen wollte ich nicht einschlafen. Ich wollte es einfach nicht nocheinmal alles sehen. Ich wollte nicht nochmal die ganze Szene vor mir haben. Nicht nochmal Lara da liegen sehn. Aber ich habs gesehn. Alles. Schon zum dritten Mal. Einmal live. Einmal in der ersten Nacht, nach dem Unfall. Einmal heute Nacht. Aber ich will mich nicht an die schrecklichen Bilder erinnern. Ich will einfach alles vergessen. Will dass es nie geschehen ist. Aber die Erinnerungen kommen immer wieder. Immer und immer und immer wieder:
Lara wollte unbedingt auf ihren neuen Pferd Lyla springen. Nina hatte davon nichts hören wollen, denn sie sollte sich erstmal mit Lyla vertraut machen. Sie erstmal richtig kennenlernen. Aber Lara wollte davon nichts hören. Sie verstand nicht warum Nina selbst schon auf Lyla gesprungen war. Sie verstand nicht, dass Nina schon soviel Erfahrung hatte, schon auf so vielen Tunieren auf den verschiedensten Pferden gesprungen war. Und Lara hatte vor Lyla noch kein eigenes Pferd. Sie ist immer auf meinen zwei geritten und gesprungen. Und die waren wirklich das volle Gegenteil von Lyla. Weil wir sie selber eingeritten hatten. Sie hörten immer auf uns und vertrauten uns fast blind. Aber Lyla und Lara mussten sich doch erstmal aneinander gewöhnen. Doch das merkte ich erst zu spät. Viel zu spät. Als der Reitunterricht für Lara vorbei war und Nina weggefahren war, fragte mich Lara ob ich ihr helfen würde. Sie stellte mich zur Wahl: Entweder ich würde ihr helfen und zuschauen oder sie würde alles alleine machen. Sie hätte es also so oder so getan. Aber trotzdem war ich Schuld. Ich weiß es. Dann haben wir Lyla fertig gemacht die Hindernisse aufgebaut. Ich wollte sie zuerst nicht so hoch aufbauen. Aber Lara verstand keine Widerrede. Für ihr Alter war sie ziemlich Stur. Dann setzte sie sie sich auf Lyla. Galoppierte ein paar Runden um sich fit zu machen. Das erste Hinderniss war nicht hoch aufgebaut. Sie galoppierte genau auf es zu, aber Lyla bremste kurz davor. Ich wusste sie waren beide noch nicht bereit. Ich redete auf Lara ein, sie solle aufhören, sie erst richtig kennelernen. Aber sie hörte einfach nicht auf mich. Sie versuchte es gleich nocheinmal und dann sprang Lyla. Ich versuchte ihr klar zu machen, dass das für den Anfang reicht. Aber ich schaffte es einfach nicht. Noch ein paar Worte und sie wäre nicht gesprungen. Lara wollte unbedingt gleich über das nächste Hinderniss springen. Es war viel höher als das andere. Sie galoppierte drauf los. Und dann. Naja. Dann stoppte Lyla und stieg. Sie flippte total aus. Dann lag Lara am Boden. Lyla hatte sich schon wieder beruhigt. Ich rannte zu meiner Schwester. Ich konnte ihr einfach nicht helfen. Sie ist direkt auf den Rücken gefallen. Und ich konnte ihr nicht helfen. Ich konnte ihr einfach nicht helfen. Ich war Schuld. Ich ganz allein war Schuld. Nicht Lara. Nicht Lyla. Ich. Weil ich es zugelassen hatte. Weil ich nichts gemacht hatte.
Mein Handy klingelte. Ich schaute auf den Display. Sina. Eine Freundin. Ich wollte jetzt wirklich nicht mit ihr reden. Manchmal war sie total nervig. Und ihre Pieps-Stimme konnte ich jetzt nicht ertragen. Bestimmt hatte sie mal wieder ein Jungs-Problem. Und ich sollte ihr Tipps geben. Warum sie mich immer fragte? Ich hatte momentan doch echt andere Probleme. Und wenn sie das mit meiner Schwester erfahren würde, dann wusste es gleich die ganze Schule. Dann würden alle über sie lästern. Sie wäre das Thema Nummer eins. In einer andere Situation wäre das vielleicht toll gewesen, aber nicht jetzt.
Ich ging die Treppe hinunter. Mama und Papa waren nirgendswo zu sehen. Eigentlich auch gut so, denn ich wollte jetzt nicht reden. Wahrscheinlich würden sie mich wieder mit fragen bombantieren. Und dann musste ich mich wieder erinnern. Ich ging zur großen Kaffemaschine in die Küche und machte mir erst mal zwei Espressos. Genau das konnte ich jetzt gebrauchen. Auf den Tisch lag ein Zettel von Mama geschrieben, was ich an ihrer Handschrift erkannte. Sie wollten zuerst zu meiner Schwester ins Krankenhaus und dann zum Reitstall und nach Lyla schauen. Wahrscheinlich werden sie wieder auf die Idee kommen, Lyla zu verkaufen. Aber das würde ich schon verhindern. Lara hätte es nicht gewollt. Sie hätte gewollt, das Lyla bei uns bleibt. Oh. Mein. Gott. Das hört sich ja schon fast so an, als ob Lara, als ob sie - Ich kann es nicht ausprechen. Aber es hat sich tatsächlich so angehört. Ich wollte nicht so denken. Ich wollte an überhaupt nichts denken. So wie bei The Vampire Diaries. Da können Vampire ihre Gefühle einfach abschalten. Ich wollte es jetzt auch. Und ich wollte auch nicht an die blöde Fernsehsendung denken. Meine und Lara´s Lieblingssendung. Wir haben sie immer zusammen gesehen. Keine Folge verpasst. Ob ich sie je wieder mit ihr sehen würde? Nein. Schonwieder. An so etwas durfte man nicht denken. Sonst würde es tatsächlich passieren. Immer positiv denken. Immer positiv denken. Immer positiv denken. Auch das hatte Lara mir so oft eingeredet. Und immer hatte es geholfen. Aber jetzt nicht. Lara war nicht da. Sie redete es mir nicht ein. Ich redete es mir ein. Und das war das Problem. Ich konnte mir einfach nichts selber einreden. Ich beschloss zum Stall zu fahren. Ein bisschen runterkommen. Wenn man das überhaupt konnte. Nach Lyla schauen. Und nach Channel und Louis. Meinen zwei Pferden. Das eine ein Schimmel, das anderer ein Brauner. Ich liebte sie überalles. Warum konnte Lara nicht einfach auf einen von den beiden Springen. So wie immer. Aber nein. Sie musste es ja unbedingt auf Lyla versuchen. Warum hatten wir nicht auf Nina gehört? Warum? Warum hatte ich es nicht verhindert?
Channel und Louis ging es gut. Sie sahen aus wie immer. Waren schon auf der Koppel gewesen. Eigentlich ritt ich sie jeden Tag einmal. Beide. Aber gestern und heute hatte ich einfach keine Lust. Ich musste Nina sagen, dass sie auf ihnen reiten sollte. Sie brauchten ihren Auslauf. Und ihr Training. Sie mussten in Form bleiben. Dann ging ich zu Lyla. Sie war in ihrer großen Box. Hatte genügend Heu. Der Stall war frisch ausgemistet. Ich ging hinein und streichelte sie. Ich redete sogar auf sei ein. Wie zu einem kleinen Kind: „Es wird alles wieder gut. Es ist nicht schlimm. Nicht dein Fehler!“ Ich wusste, dass sie das Erlebnis auch nicht so schnell vergessen würde. Und deswegen durfte man sie jetzt auch nicht verkaufen. Ich würde auf sie aufpassen. Auf Lara und auf Lyla. Wenn es sein musste Tag und Nacht. Nina würde mir helfen, meine Eltern zu überreden. Es war ja nicht Lyla´s Schuld. Sie war einfach noch nicht daran gewöhnt. Und Lara war eben keine perfekte Reiterin. Sie musste noch so viel lernen. Sie hatte zwei-drei Jahre später mit Reiten angefangen als ich. Lyla war noch jung. Es war nicht ihre Schuld gewesen. Es war meine Schuld gewesen. Das schwarze Pferd war so schön. Von der besten Zucht. Es war Schweine-Teuer gewesen. Teuerer als Louis. Ihn hatten wir, als er noch ein Fohlen war, gekauft. Auch die beste Zucht. Channel dagegen war in den Stall geboren. Wir besaßen noch mehr Pferde. Aber diese wurden meisten nicht von uns geritten. Nur wenn es ein Problem gab. Meine Mutter liebte die Tiere genauso wie wir. Nur das sie als Anwältin nicht so viel Zeit hatte. Immer neue Fälle.
Ich stand einfach in der Box. Streichelte Lyla. Ich weiß, meine Pferde haben es genauso verdient, aber Lyla durfte man jetzt nicht alleine lassen. Sie brauchte jetzt jemanden, genauso wie Lara. Auch wenn sich das blöd anhören mag, es war so. Genauso und nicht anders. Pferde sind sensible Tiere. Sie brauchten jemanden genauso wie Hunde, Katzten und Menschen. Alleine waren sie einfach einsam. Und dass machte sie krank.
Ich war Stundenlang im Stall. Bestimmt zwei, vielleicht auch drei. Dann beschloss ich ins Krankenhaus zu Lara zu fahren. Ich musste bei ihr sein. Ich konnte sie jetzt einfach nicht alleine lassen. Ich schnappte mir meinen 25er Roller und fuhr zu ihr. Nach na halben Stunde war ich da. Ich ging in die Station. In ihr Zimmer.
Und da war sie. Sie lag da. In diesem Bett. An diesen Geräten angschlossen. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich neben sie. Ich nahm ihre Hand. Sie war so kalt. Lara war nie kalt. Es passte einfach nicht zu ihr. Sie war doch immer so warm. Sie liebte die Wärme. Und jetzt lag sie in diesem kahlen, kalten Raum und war eiskalt. Es war alles falsch. Es durfte nicht so sein. Wenn sie aufwachte sollte sie warme Farben sehen. Und nicht diese weißen Wände, die ganzen Geräte. Es durfte einfach nicht sein. Es war nicht war. Ich redete auf sie ein: „Es wird alles wieder gut. Ich wollte es nicht. Es tut mir so Leid. Wirklich..“ Und dann kamen sie wieder. Die Tränen. Ich weinte neben ihr. Ich hatte einmal gelesen, dass es Komapatienten (wie sich das schon anhörte) helfen würde wieder ins Leben zu finden, wenn man ihnen schöne Geschichten von früher erzählen würde. Und das hatte ich jetzt auch vor. Wir hatten schonso viel gemeinsam erlebt. Sie war nur ein Jahr jünger als ich. Ich 16. Sie 15. Also genug Zeit für gemeinsame Erlebnise. „Weißt du noch damals? Natülich weißt du es! An deinem achten Geburtstag? Am Anfang war alles traurig. Diesesmal waren keine Ferien und du musstest in die Schule. Du warst so enttäuscht, weil dir fast keiner gratuliert hat, obwohl doch alle wussten dass du Geburtstag hast. Du sagtest, dass du es immer und immer wieder betont hast. Und auch da hast du nicht auf mich gehört. Man darf doch nicht damit prahlen, dass man bald Geburtstag hat. Das habe ich dir so oft gesagt. Und trotzdem hast du es gemacht. Du kamst nach Hause und Mama und Papa waren nicht da. Sie waren noch mal schnell unterwegs. Wir hatten ja eine Überraschungsparty geplant, aber das wusstest du natürlich nicht. Wie auch? Wir konnten es so gut vor dir Geheim halten? Du warst ja auch noch jung. Dir standen dir Tränen in den Augen, als du gemerkt hast, dass sie nicht dawaren. Ich nahm dich in den Arm und tröstete dich. Dann gab ich dir mein Geschenk. Eine Kette. Ich wusste das sie nicht viel Wert war, weil ich dir etwas wirklich besonderes schenken wollte. Ich hatte die gleiche. Ein Heru mit deinem und meinen Anfangsbuchstaben eingrafiert. L*S. S*L. Lara und Sophie. Sophie und Lara. Wir haben sie immer getragen. Dann sind wir zum Stall gerannt. Wir haben die Pferde fertig gemacht und gesattelt. Damals hatten wir noch keine eigenen Pferde. Nur Chanel war schon da. Aber da war sie ja noch ein Fohlen. Also schnappten wir uns einfach Mama´s Pferde. Lary und Mary. Du Lary. Und ich Mary. Wir ritten aus. In dem Wald in dem wir immer gespielt haben. Dann hielten wir an den großen See und banden die Pferde an. Ich sprangen samt Klamotten hinein. Schwimmten. Tollten. Wir hatten so viel Spaß. Dann lagen wir in der Sonne. Erzählten uns Geschichten. Märchen. Eigentlich nur dummes Zeug. Aber trotzdem war es total schön. Als wir wieder trocken waren sind wir zurück geritten. Haben die Pferde abgestellt und sind nach Hause gelaufen. Dann sahst du es. Die Lufballons die vielen Gäste. Es war einfach total schön gewesen. Wir kümmerten uns um deine Gäste. Aßen Kuchen, tranken. Am Abend grillten wir. Und danach gab es ein riesen Feuerwerk. Das war auch meine Idee gewesen. Du liebst Feuerwerke. Obwohl dir die Tiere dann immer Leid tuen. Wir sind spät ins Bett gegangen, aber trotzdem kammst du am Abend in mein Zimmer und hast mich umarmt. Du meintest, es war der beste Tag deines Lebens und das schönste Geschenk sei von mir gekommen. Ich war so glücklich, dass dir die Kette gefallen hat. So überglücklich“ Leicht drückte ich ihre Hand. „Hier. Sie ist beim Unfall auf den Boden gefallen. Ich hab sie gefunden. Zum Glück ist sie ganz geblieben. Damit ich dich immer bei mir hab. Damit du mich immer bei dir hast.“ Ich drückte ihr die Kette in die Hand. Ich wollte, dass sie wusste, dass ich immer bei ihr war. „Ich weiß nicht, ob du mich jetzt gehört hast oder nicht. Aber ich hoffe es.“ Dann flüsterte ich „Ich liebe dich.“ Ich ging. Fuhr nach Hause. Aß ein wenig. Und legte mich schlafen.

DAY oo3

Ich hatte wieder davon geträumt. Immer und immer wieder. Als ob es immer und immer wieder geschieht. Als ob Lara immer und immer wieder am Boden lag. Wann würde das endlich aufhören? Nicht heute. Nicht Morgen. Nicht in einer Woche. Es würde nie aufhören. Niemals in meinen ganzen Leben. Immer würde ich Schuldgefühle haben und das war auch gut so. Denn ich war Schuld. Ich. Ich. Ich. Kein anderer. Ich war Schuld. Ich ganz allein. Ich wollte nicht aufstehen. Aber liegen bleiben auch nicht. Wenn ich liegen bleib, dann würde ich eh wieder einschlafen. Und das wollte ich aufgarkeinen Fall. Ich wollte es nicht schon wieder sehen. Schon wieder diesen ganzen Mist. Ich wollte sie nicht schon wieder am Boden liegen sehen.
Es klopfte. Mist, ich hatte vergessen mein Zimmer abzuperren. Meine Mutter machte die Tür auf und schaute mir besorgt ins Gesicht.
„Guten Morgen, mein Schatz“, auch sie sah erschöpft aus. Sie kam auf mich zu und setzte sich neben mich auf mein Bett, „Wie geht es dir heute?“, fragte sie mich besorgt.
Ich wollte sie nicht anmaulen, anmotzen, wie auch immer, aber ich tat es: „Fantastisch Mama! Ich bin ja nur Schuld dass meine Schwester diesen scheiß Unfall hatte und dass sie in diesen scheiß Koma liegt und das in diesen scheiß Krankenhaus!“
„Schatz, es ist nicht deine Schuld. Wie oft soll ich dir das denn jetzt noch sagen? Keiner ist Schuld. Und am allerwenigsten du!“
„Was passiert mit Lyla“, fuhr ich ihr ins Wort.
„Was soll denn mit ihr passieren? Lara hätte nicht gewollt, dass wir sie weggeben.“
Ich schaufte. Zum Glück denkten sie genau so wie ich. Es war zwar einerseits gut wegen Lyla. Andererseits denken sie auch „sie hätte nicht gewollt“. Es war so schrecklich. Alle dachten so. Konnte dass denn dann überhaupt gut gehen? „Denk nicht so, Mama.“
„Ich weiß es ist falsch. Aber... Kommst du dann mit zu ihr oder willst du wieder alleine fahren. Vielleicht reitest du heut mal wieder.“
„Ich fahr allein zu ihr. Ich hab keine Lust auf Reiten.“
Entsetzt schaute sie mich an: „Du hast keine Lust zum Reiten? Das ist doch dein Hobby. Du liebst es doch. Du kannst es doch jetzt nicht aufgeben. Komm schon. Es wird dir doch Spaß machen!“
„Ohne Lara macht es keinen Spaß“, und wieder liefen die Tränen. Wie sollte es auch Spaß machen. Ich war doch immer, oder zumindest meistens, mit Lara geritten. Und wenn nicht, dann haben wir uns immer gegenseitig zu geschaut. Gefilmt. Und Fotos gemacht. Ich wollte erst wieder reiten, wenn Lara wieder wach war. Und fals sie nie wieder aufwachen würde, dann würde ich auch nie wieder reiten. Nie in meinen ganzen Leben.
Mama nahm mich in den Arm. Ich brauchte das jetzt. Obwohl ich schon 16 war. Manchmal brauchte ich meine Mutter wie ein kleines Mädchen. Sie drückte mich fest an sich. Und dann weinten wir zusammen. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Fünfzehn Minuten. Zwanzig Minuten..
Dann ließ meine Mutter mich los. Gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging. Und jetzt war ich wieder alleine. Meine Gedanken hatten wieder freien Lauf zum denken. Und ich musste mir meine Gedanken wieder anhören. Schrecklich. Wieder und wieder. Vielleicht würde ich tatsächlich noch mal zum Stall gehen. Aber Reiten? Erst, wenn Lara mir wieder dabei zusehen konnte. Zumindest das, denn die Ärtzte hatten gemeint, dass sie vielleicht nicht mehr gehen könnte. Das wäre schrecklich für sie. Und für mich. Denn dann wäre ich Schuld, dass Lara nie wieder Reiten könnte. Nie wieder in ihren ganzen Leben. Es wäre so schrecklich. Für uns beide.
Ich zog mir ein grünes Tanktop an und einen schwarzen Caridgan. Dann schnappte ich mir meine dunkelblaue Jeans. Ich band meine langen braunen Haare zu einen Dutt zusammen und schminkte mich ein wenig. Danach putze ich meine Zähne. Ich wollte gut aussehen, wenn ich zu Lara ins Krankenhaus fahre. Grün war ihre Lieblingsfarbe, deswegen hatte ich auch das grüne Top gewählt. Außerdem war Grün die Farbe der Hoffnung. Und ich musste jetzt wirklich hoffen. Ich ging hinunter. Meiner Vater war schon weg. Er musste zur Arbeit. Zu viel war zu tun. Leider. Er war Chefartzt in einer Klinik für Kinder. Es war ein harter Job. Aber er wollte den Kindern eben helfen. Es war seine Berufung. Wortwörtlich.
Meiner Mutter saß da und aß ein Brötchen mit Käse. Ich machte mir wieder einen Espresso. Dann noch einen. Ich trank beide auf Ex. Der Geschmack in meinen Mund war zwar ein bisschen eklig, aber genau das brauchte ich jetzt. Dann setzte ich mich zu meiner Mutter an den Tisch, trinkte ein wenig O-Saft und aß eine Semmel mit Tilsiter. Mein und Lara´s Lieblingkäse. Es war so ruhig. Mit Lara war es nie ruhig. Auch nicht beim Essen. Sie redete die ganze Zeit. Wirklich die ganze Zeit. Meistens irgendetwas sinnloses oder etwas was nur sie und ich verstand. In unserer Geheimsprache. Wir hatten sie damals von unserer Tante gelernt, welche leider schon ein paar Jahre tot war. Seitdem unterhielten wir uns immer in dieser Sprache, wenn kein anderer etwas davon mitkriegen sollte. Die meisten Leute hatten uns deswegen zwar komich angeschaut, aber dass war uns egal gewesen. Sie hätten uns nämlich noch viel schräger angeschaut, wenn sie es verstanden hätten.
Ich ging in hoch. Ich öffnete die Tür von Lara`s Zimmer. Es war grün gestrichen und total caotisch. Überhall hingen Poster, Fotos und Bilder an der Wand. Ich beschloss die riesen Pinnwand, welche von Boden bis zur Decke reichte, abzuhängen und zu Lara ins Krankenhaus zu bringen. Ich wollte, dass sie sich daheim fühlt, wenn sie aufwacht. Dann schnappte ich mir noch einen Rucksack und packte ein paar Klamotten für sie ein. Sie würde bestimmt nicht die ganze Zeit in diesen ekligen Krankenhausklamotten darum liegen wollen. Sie liebte Mode. Sie wollte später mal bei einer Modezeitschrift arbeiten wollen. Das war ihr Traum. Und sie würde es auch schaffen. Ganz ganz sicher. Und sie meinte immer, dass sie dann über meine Modelinie schreiben würde. Das war mein Lebenstraum. Designerin zu werden. Unsere Eltern hielten nichts davon. Sie waren ja auch Anwältin und Chefarzt. Da konnte man nichts anderes erwarten. Aber ich und Lara hatten uns immer und immer wieder versprochen, dass wir uns immer unterstützen würden. Und jetzt musste ich eben Lara unterstützen. Bei ihren Kampf ums überleben. Ich musste ihr zeigen, dass ich unser versprechen einhalten würde.
Ich hatte Mama gebeten die Pinnwand ins Krankenhaus zu bringen. Sie tat es. Ich war gerade angekommen. Sah Mama in der Cafeteria sitzen. Sie wusste, dass ich alleine bei ihr sein wollte. Und wenn ich wieder fahren würde, würde sie mich dann „ablösen“.
Gegenüber von Lara´s Bett waren zwei Fenster. Ich stellte die Pinnwand in Mitten der beiden Fenster leicht-schräg an die Wand. So würde Lara sie sofort sehen, wenn sie aufwacht. So würde sie all die wunderschönen Fotos sehen von den Menschen die sie liebte. Ich setzte mich wieder neben sie. Nahm wieder ihre Hand und drückte sie wieder leicht. Auch streichelte ich ihre Hand leicht. Die Kette war nicht mehr da. Ich entdeckte sie auf den kleinen Tisch neben ihr. Wahrscheinlich hatte sie irgendeine Schwester dahin gelegt. Hauptsache sie bei ihr.
„Ich habe schlecht geschlafen, meine Kleine“, so nannte ich sie immer. Wenn sie traurig war. Wenn wir über irgendetwas redeten. Wirklich immer. Ich fing wieder an zu erzählen. Von einem Erlebnis, von mir und ihr: „Weißt du noch, als ich in der vierten war und du in der dritten. Wir hatten zusammen Wandertag. Wir sind in einen Freizeitpark gefahren. Wir sollten in Gruppen bleiben. Du, ich und noch drei andere waren bei uns in der Gruppe. Und Frau Mayer war die Aufsichtsperson. Wir zwei waren schon davor oft alleine in den Park rumgegangen. Unsere Eltern hatten es uns erlaubt. Und wir hassten Frau Mayer. Zuerst sind wir ein wenig in der Gruppe mitgegangen. Als Frau Mayer dann schnell aufs Klo musste und die anderen drei Kinder nicht hingeschaut haben, sind wir einfach weggelaufen. Einfach so. Wir sind Achterbahn gefahren. Wasserrutsche gefahren. Ich weiß noch, du hast dich ziemlich weit über den Rand gelehnt und warst dann total nass. Aber dass war uns egal. Wir haben Eis gegessen. Waren auf den riesen Spielplatz. Sind Kettenkarussell gefahren und Geisterbahn. Und immer wenn irgendeine andere Gruppe in Sicht war sind wir weggelaufen. Wir wollten nicht, dass sie uns erwischen. Wahrscheinlich hatte Frau Mayer schon nach uns gesucht. Aber das war uns egal gewesen. Wir machten Spaßfotos in einer dieser Automaten. Weißt du, die die wir immernoch besitzen. Wir hatten so viel Spaß. Und als sie uns dann gefunden haben, konnten sie uns die Laune auch nicht mehr verderben. Es war einfach total cool. Wir haben dann zwar zwei Wochen Haussarrest bekommen und von Frau Mayer ne riesen Strafabreit, aber es war ein tolles Erlebnis. Frau Mayer hat uns jeden nen fünf-Seiten-Aufsatz-warum-ich-bei-einen-Ausflug-nicht-wegglaufe aufgegeben. Und wir haben voll den Mist reingeschrieben. Es war einfach toll.“
Ich schaute auf die Uhr. Ich war jetzt schon zwei Stunden hier. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verabschiedete „Ich hab dich sooo Lieb“ mich. Dann ging ich.
Ich fuhr mit meinen Roller ein wenig rum. Daheim aß ich, duschte und ging ins Bett. Eigentlich lief ja The Vampire Diaries, aber die wollte ich ohne Lara nicht sehen.

DAY oo4

Ich wachte mitten in der Nacht auf. Ich habe wieder von den Unfall geträumt. Doch diesesmal war er anders. Ich noch nie deswegen augewacht. Aber heute schon. Er war anders. Lara lag nicht nur am Boden, dieses Mal hat sie geschrien. Total laut geschrien. Und dann hab ich auch geschrien. Im Traum oder in Wirklichkeit? Oder beides? Ich wusste es wirklich nicht. Ich wollte nicht wieder einschlafen. Ich wollte nicht wieder träumen. Doch dann vielen mir die Augen wieder zu. Leider.
Am Morgen wachte ich auf. Ich hab wieder geträumt. Von den Unfall. Aber dieses mal war der Traum wieder normal. Zumindest annähernd normal. Naja, normal war dafür glaub ich kein Wort. Aber diesesmal hat sie nicht geschrien. Zum Glück. Ich hätte es nicht nocheinmal ertragen können. Ich konnte Lara noch nie schreien hören. Schon als wir noch klein waren konnte ich sie nicht schreien hören. Ich wusste nicht warum, aber es war so. Wirklich. Ich machte mich fertig. Diesesmal war es kein grünes Top, sondern eine grüne Hose. Ich wollte jeden Tag ihre Lieblingsfarbe bei mir haben. Heute würde ich sei besuchen, danach zum Stall. Ich würde zuerst mit Chanel auf den Platz gehen. Danach mit Louis. Und zum Schluss mit Lyla. Ich würde sie nicht reiten. Auf keinen Fall. Ich würde sie longieren. Dann hätten sie ein wenig Auslauf. Und ich könnte mich ein wenig ablenken.
Ich ging runter. Wieder saß nur meine Mutter da.
„Guten Morgen“, sagte ich. Sie erschrack. Gestern hatte sie mich auch schon nicht kommen gehört. Sie war einfach in ihren Gedanken gefangen.
„Guten Morgen, mein Schatz. Du siehst gut aus!“
„Danke. Was hast du heut vor?“
Sie antwortete: „Ich fahr in die Stadt und heute Nachmittag ins Krankenhaus. Passt dir das, oder?“
„Ja klar, ich wollte heute Nachmittag eh zum Stall“, ich war froh dass unsere Pläne übereinstimmten. So würde Lara nicht alleine sein. Und wir nicht beide im Krankenhaus. Wir wollten beide alleine mit Lara sein, wenn wir sie besuchten, da nützte es nicht viel wenn wir zusammen dort hinfahren würden. Eine von uns beiden würde sowieso nur in der Cafeteria sitzen. Und da war es so total langweilig. Und es stinkte nach Krankenhaus. Eigentlich hasste ich Krankenhäuser. Ich konnte ja auch garnicht verstehen, dass mein Vater jeden Tag in so einen verbrachte. Ich tat mir den Geruch nur wegen Lara. Und ich wusste, dass sie es auch wegen mir machen würde. Sie würde alles für mich machen. Und das tat ich jetzt auch für sie.
Ich machte mich gleich auf den Weg. Ich fuhr zu einen Möbelhaus. Kaufte ein grünes Kissen und vier hellgrüne, fastdurchsichtige Vorhänge. Das Kissen würde ich mit dem von Lara austaschen. Die Vorhänge an die Fenster machen. Es hingen zwar schon welche da. Weiße, sterile. Aber die sahen so kalt aus. Was der Raum brauchte war etwas warmes. Schönes. Und ich verwandelte ihn jetzt. In einen warmen, schönen Raum. Nur für Lara.
Ich saß wieder neben ihr. Hielt wieder ihre Hand. Streichelte und drückte sie wieder leicht. „Hallo. Ich weiß, du kannst mich vielleicht nicht hören. Aber ich hab gelesen, wenn man jemanden was erzählt, dann hilft es ihn wieder aufzuwachen. Und ich mag unbedingt das du wieder aufwachst. Obwohl du so friedlich aussiehst. Aber ich möchte, dass du jetzt wieder bei mir bist. Ich möchte, dass du weiterkämpfst. Bitte. Bitte tu es für mich. Bitte!“, während ich sie anflehte fing ich wieder an zu weinen. „Lara bitte. Ich sollte doch unser Sommer werden. Wir wollten doch so viel machen. Bitte komm wieder. Bitte Lara. Du wirst jetzt wahrscheinlich nicht auf mich hören, weil ich Schuld bin, aber bitte. Tu es. Ich mach auch alles wieder gut. Wirklich alles. Wenn du willst reite ich nie wieder. Ich mach alles für dich. Und ich setze mich erst wieder auf´s Pferd, wenn du aufgewacht bist. Und mir zuschauen kannst. Wenn du dann überhaupt noch willst, dass ich wieder reite. Du hast doch noch nie so lange geschlafen. Das gibt’s doch nicht. Du schläfst jetzt schon den vierten Tag durch. Bitte. Lara. Wach doch bitte auf. Ich helf dir dabei. Ich erzähl dir jeden Tag ein Erlebnis. Verschönere jeden Tag dein Zimmer. Bis es für dich so schön ist, dass du darin aufwachen willst. Okey. Versprochen. Ich werde dir dabei helfen. Heute will ich zu den Pferden. Keine Angst. Ich will nicht auf ihnen reiten. Ich longiere sie. Channel, Louis und Lyla. Ich werde es jeden Tag machen, damit sie fit bleiben und wieder von uns geritten werden können. Das sie dann nicht schlapp machen. Okey. Weißt du noch damals? Deine erste Reitstunde. Du hattest sie mit fünf. Ich hatte meine schon mit vier. Aber Mama und Papa hatten es dir erst mit fünf erlaubt. Du hast dich so gefreut. Damals war Channel noch nicht da. Louis auch nicht. Lyla natürlich auch nicht. Du solltest auf Jeta reiten, den großen weißen Pferd, was die Mutter von Channel ist, erinnerst du dich? Es war nicht unser Pferd, aber das bravste. Doch du hast noch nichteinmal daran gedacht, dass du auf dieses Pferd steigst. Du wusstest ja, dass sie mit Channel trächtig war. Und du wolltest dem Fohlen nicht wehtun. Und dann hast du angefangen mit weinen. Außerdem war dir Jeta zu groß. Du wolltest lieber auf einen kleinen Pony reiten. Es war ja schließlich deine erste Reitstunde. Ich hab Nina überredet, dass du auf Zwerg reitest. Den kleinsten Pferd. Und es hat geklappt. Sie war noch in der Ausbildung. Aber durfte meistens schon alleine Reitstunden geben. Also machten wir beide Zwerg zusammen fertig. Wir führten es in die Halle. Der Platz war voller Schnee. Mich hat es so sehr gefroren. Aber ich bin da geblieben. Ich wollte dir unbedingt zuschauen. Du wolltest nicht, dass Mama und Papa dir zuschauen. Weil du dich nicht „blamieren“ wolltest. Sie sollten dich erst sehen, wenn du alleine reiten kannst. Aber ich durfte dich seit deiner ersten Stunde begleiten. Du wurdest noch longiert. Du musstest erst mal Leichttrab üben. Es sah so total lustig aus. Ich machte Fotos, aber nichtmal die durfte ich Mama und Papa zeigen. Sie sollten dich erst sehen, wenn du es kannst, dass hast du immer und immer wieder gesagt. Nach der Reitstunde warst du so glücklich. Du sagtest, dass es eins deiner schönsten Erlebnisse war. Wir sattelten Zwerg danach noch ab und brachten ihn in die Box. Du hast so gestrahlt. Ich habe dir den Stahl noch gezeigt, weißt du noch? Du warst so erstaunt wie viele Pferde da stehen. Und ich war so stolz auf dich. Ich bin stolz auf dich! Und werde es immer sein.“ Ich saß noch ein wenig da. Dann verabschiedete ich mich wieder mit einem Kuss auf die Stirn und flüsterte ihr leise: „Love you, Kleine“, ins Ohr.
Ich machte mich auf den Weg zum Stall. Zuerst kümmerte ich mich um Channel. Putzte sie. Striegelte sie. Redete mit ihr. Ich redete immer mit meinen Pferden. Eine Angewohnenheit. Dann führte ich sie auf den Platz und longierte sie etwa eine dreiviertelstunde. Sie hatte so eine schöne Gangart. Eine wunderschöne Gangart. Die schönste die ich je gesehen hatte. Und ihr Galopp? Es war so fabelhaft. Ich hatte schon viele Wettbewerbe mit ihr Gewonnen. Springen und Dressur. Ich liebte Dressur. Aber Westernreiten war auch ganz okey. Nur die Umstellung von Dressur auf Westernreiten war ziemlich gewöhnungsbedürftig. Danach holte ich Louis. Er hatte kein so schönes Galopp, dafür allerdings ein wunderschönes Pferd. Er und Channel waren meine Schätze. Lieblinge. Was auch immer. Zum Schluss longierte ich Layla. Ich hatte schon ein wenig Angst sie galoppieren zu lassen. Aber dann wagte ich es einfach. Ihr Galopp war auch so wunderschön. Fast so schön wie das von Channel. Ihre schwarze Mähne wehte leicht im Wind. Wie ein schwarzer Pegasus. Sie musste nur noch anfangen zu fliegen. Dann wär die Illusion vollkommen perfekt. Ich hatte eigentlich noch nie daran gedacht, wie schön ihr Trab war. Obwohl ich sie schon oft dabei gesehen hatte. Mir war es noch nie aufgefallen, als Lara noch darauf gesessen hatte. Man gibt vielleicht einfach keine Acht auf die Gangart, wenn die kleine Schwester draufsitzt.
Nach dem lonigieren bin ich noch kurz zu McDonalds gefahren und habe mir zwei doppelte Cheesburger, ne Apfeltasche und Coke geholt. Daheim habe ich dies dann noch schnell gegessen, hab mich fertig gemacht, ein wenig Fern geschaut und dann bin ich ins Bett gegangen. Ich hoffte so sehr, dass sich der Traum mit dem Schrei nicht wiederholt! Es wäre schrecklich gewesen, sie noch mal so schreien zu sehen und zu wissen, dass man daran Schuld war. Ich hoffte und hoffte und hoffte, bis ich einschlief.

DAY oo5

Ich wachte auf. Ich hatte wieder davon geträumt. Immer wieder. Kaum war der Unfall vorbei gewesen, hatte ich ihn schonwieder in meinen Traum gesehen. Immer und immer wieder der gleiche Unfall. Als ob sie tausendmal vom Pferd viel. Tausendmal da lag. Tausendmal nicht wieder aufwachte. Das Krankenhaus hat nicht angerufen. Sie ist immer noch nicht aufgewacht. Ich will es. Unbedingt. Aber ich weiß ich kann nichts daran ändern. Ich mach ihr das Zimmer schön, erzähle ihr Geschichten von früher, trage jeden Tag ihre Lieblingsfarbe, kümmere mich um Layla. Bis sie aufwacht. Und sie wird aufwachen. Ich wollte es so unbedingt. Und ich hoffte es. Tag für Tag. Nacht für Nacht.
Ich ging Duschen, machte mich fertig. Heute war mein Teil für Lara ein grünes Tuch. Sie und ich hatten uns einmal das gleiche gekauft. Ich suchte in ihren Kleiderschrank nach den selben. Ich fand es. Ich wollte es mit zu Lara ins Krankenhaus bringen. Um noch näher bei ihr zu sein. Um ihr noch ein Geschenk zu machen. Dann nahm ich ein paar Bilder von der Wand und brachte sie zu Mama. Sie sollte sie wieder mit ins Krankenhaus nehmen, damit ich sie dann platzieren konnte. Bis her hatten die Ärtzte noch nichts dagegen gesagt, aber würden sie noch lange mitspielen?
Ich aß wieder das gleiche wie gestern. Eine Käsesemmel. Meine Mutter saß mir wieder gegenüber, so wie gestern. Mein Vater war wieder schon weg, so wie gestern. Ich trank wieder das gleiche, so wie gestern. Alles war so wie gestern. Seit sie nicht da war, lebten wir sowieso nur noch aneinander vorbei. Ich dachte, dass lag daran, weil wir alle nur an sie dachten und der Schmerz zu groß war, über sie zu reden. Meine Mutter weinte fast nie, aber ich merkte trotzdem, dass sie traurig war. Sehr traurig. Sie war schließlich unsere Mutter. Meine. Und Lara's.
Ich setzte mich auf meinen Roller, wollte losfahren und: Der Benzin war leer. Auch das noch. Jetzt musste ich mit Mama fahren und in der Cafeteria vergammeln. Oder mit den Rad und schon auf den Weg zu Lara vergammeln. Ich entschied mich für den ersten Punkt. Lieber vergammele ich im Krankenhaus (da kann mir dann wenigstens noch geholfen werden), als auf dem Weg dorthin (dann kann ich Lara nämlich nicht besuchen). Komische Theroie. Aber so dachte ich eben immer. Und sie auch. Wir waren „Seelenverwandte Schwestern“, wenn man das überhaupt so nennen kann. Ich wusste immer was sie dachte, was meistens genauso ein Dreck war, wie dass was ich dachte, und sie wusste immer was ich dachte. Ich sagte doch: Seelenverwandte Schwestern!
Ich ging also wieder in die Küche und fragte: „Mama, kannst du mich bitte mit ins Krankenhaus nehmen. Ich hab kein Benzin mehr. Oder fährst du mich?“
„Ich kann dich fahrn und in etwa zwei-drei Stunden wieder abholen. Passt dir das?“
„Ja. Danke“
„Und ja. Ich bring dir gleich noch Benzin von der Tankstelle mit“, sagte sie mit ihren Blick, den sie immer draufhatte, wenn sie mich durschaute.
„Danke Mama. Du bist echt die Beste!“, ich umarmte sie kurz und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Die Autofahrt zu Lara wahr still. Zwar lief das Radio, aber wir haben kein Wort mit einander besprochen. Kein einziges. Nur als ich ausgestiegen bin und die Bilder aus den Kofferraum geholt hab. Ich hatte mich nocheinmal bei ihr bedankt. Wenn sie mich abholen würde, wusste ich noch nicht was ich machen sollte. Ich wollte nur mal kurz zu den Pferden schauen, aber sie heute nicht longieren. Außerdem reitet Nina sie ja, wenn ich und Lara keine Zeit haben. Ich hatte zwar Zeit, aber ich hatte es ihr ja schließlich geschworen. Und Lara, naja, sie hatte auch Zeit aber sie lag im Koma. Und ich glaube in einen solchen Zustand sollte man sich lieber von allen möglichen Freizeitaktivitäten fernhalten und liegen bleiben. Ich wollte ja wirklich dass sie aufwacht. Unbedingt. 1oo %. Ich wollte es so sehr. Ich betete jeden Abend kurz bevor ich einschlief. Es war mir so verdammt wichtig, sie wieder leben zu sehen. Richtig leben zu sehen. Nur da liegen und nichts machen ist kein Leben. Sie muss reden, lachen, singen, tanzen. Egal was, hauptsache sie tut irgendetwas und wacht auf. Sie musste wieder aufwachen, sonst würden meine Eltern mich nicht mehr lieben, weil ich Schuld war. Meine Freunde, welche es irgendwann erfahren würden, würden mich komisch behandeln. Entweder bemitleiden oder ignorieren. Und ich? Ich könnte nie mehr glücklich sein! Nie wieder in meinen ganzen Leben. Würde immer Schuldgefühle haben und immerzu an sie denken. Ich würde nie aufhören an sie zu denken. Da war ich mir sicher. Aber an meisten Angst hatte ich davor, sie nicht mehr lachen zu sehen. Ihre Stimme zu vergessen und ihr Lachen. Irgendwann nicht mehr zu wissen, wie sie aussieht. Oh. Mein. Gott. Es. Ist. Schon. Wieder. Passiert. Ich. Darf. Einfach. Nicht. So. Denken. Nein. Nein. Nein.
Ich sah sie in diesem Bett liegen. Wie ein Engel. Sie sah schon immer aus wie ein Engel, wenn sie schlief. Sogar als sie noch ganz klein war, erzählte sogar Mama und Papa, weil ich mich nicht mehr wirklich daran erinnern kann. Ich war ja auch noch klein. Sie ist ja nur ein Jahr jünger als ich.
Ich hing die zwei Bilder, welche vom Krankenhaus ausgestattet waren (darauf waren Ölgemälde mit Rehen? Wer so was mag, bitte. Aber nicht in dem Zimmer von Lara!) und tauschte sie mit den Bidlern aus ihren Zimmern aus. Die sahen viel schöner auf, waren bunter und von mir und ihr gemalt. Naja. Geklekst. Aber es war lustig. Wir hatten einfach nur die Farbe draufgegoßen. Geklekst. Wie auch immer. Und schon sind die beiden Kunstwerke entstanden. Was ein bisschen Farbe alles bringt. Der Raum wirkte viel schöner und freundlicher, als mit diesen zwei „Rehbildern“. Meine Eltern hätten die vielleicht schön gefunden, aber ich wusste, Lara hätten sie genauso wenig gefallen wie mir. Vielleicht sogar noch weniger. Ich wusste nicht, wie lange die Ärtzte und Schwestern das noch mitmachen würden. Also, weil ich dass Zimmer so schön machte. Aber vielleicht gefiel es ihnen ja sogar. Und sie machten es bald in jeden Zimmer. Ich sagte doch: Ich werde einmal Designerin. Denn Geschmack dazu hatte ich ja immerhin. Oder sie sagten einfach nichts, obwohl sie es mies fanden. Oder sie würden bald etwas sagen, aber dann würde ich das schon regeln. Ich musste dieses Zimmer einfach verschönern. Sonst würde Lara nie aufwachen. Ich wusste sie würde nicht in diesen hässlichen Raum von irgendwas aufwachen wollen und dass sollte sie ja schließlich auch nicht. Nicht solange ich ihre Schwester war. Und dass würden auch diese Krankenhausmenschen irgendwann merken. 1oo %.
Ich band das Tuch, welches ich auch Trug um ihr Handgelenk. Es hatte ja schließlich kein Metall oder Eisen an sich, also würde es den Geräten auch keine Probleme bereiten! Und dann konnten die Schwestern auch nichts dagegen einwenden.
Ich setzte mich wieder auf den Stuhl, welcher auch mal ein wenig bequemer sein könnte, nahm wieder ihre Hand, streichelte sie wieder und dann fing ich wieder an zu erzählen: „Hey Kleine. Mama hat mich heut zu dir gefahren. Ich hab mal wieder vergessen, tanken zu fahren, aber das kannst du dir jetzt ja bestimmt denken! Du weißt doch wo ich mein Kopf hab. Aufjedenfall nie dabei. Und du hast mich immer daran erinnert. Und jetzt liegst du da und sagst kein Wort. Lara es geht so nicht weiter. Du musst einfach aufwachen. Verstehst du? Ich schaff doch nichts ohne dich. Mum und Dad vermissen dich doch auch schon. Du musst einfach wieder kommen. Wir brauchen dich. Und Layla? Sie braucht dich auch. Sie denkt jetzt bestimmt sonstwas von dir, und dass will ich nicht. Und du doch bestimmt auch nicht. Also um Himmelswillen wach doch jetzt endlich auf. Du hast doch jetzt genug geschlafen. Lara. Bitte. Wach. Auf. Bitte. Bitte. Bitte. Bitte. Verdammt noch mal: Bitte Lara! Es kann doch nicht so schwer sein! Bitte Lara. Weißt du noch in der fünften, also du warst in der vierten. Ich konnte wirklich alles. Aber dann bin ich extra sitzen geblieben, damit wir zusammen in eine Klasse kommen. Ich hab nur schlechte Noten geschrieben und daheim so ends Ärger bekommen und dann hast du mich immer in Schutz genommen und gemeint, dass ich dass nur wegen dir mach. Und es stimmte. Ich habe nur wegen dir schlechte Noten geschrieben. Nur wegen dir! Damit du und ich in eine Klasse kommen. Und dann wo du in einer anderen warst, haben wir und Spielzeughandschelen an die Hände gemacht, du linkst, ich rechts und haben uns erst wieder voneinander getrennt, als wir sie dann endlich so weit hatten, haben wir den Schlüssel nicht mehr gefunden und mussten zum Artzt. Der hat des dann irgendwie aufgemacht, keine Ahnung mit nem Messer oder so, aufjedenfall sah es gruselig aus! Aber wir sind ja Heil davon gekommen. Zum Glück! Und den Arzt haben wir dann eine „Dankeschön“-karte geschickt. Es war so total lustig. Und unsere Mitschüler haben sich gewundert warum wir beide in der gleichen Klasse sind und in der gleichen Jahrgangsstufe. Weil ich ja ein Jahr älter war als sie und wir somit therotisch ja auch keine Zwillinge sind. Und dann hatten alle voll den Respekt vor mir, weißt du noch? Weil ich älter bin und naja, dass alles schonmal durchgestanden habe. Es war wirklich total toll. Ist es heute noch. Nur das wir uns wieder trennen mussten. Weil wir ja verschiedene Zweige gewählt haben. Aber das ist ja wieder eine andere Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie dir morgen, aber nur vielleicht.“ Ich verabschiedete mich wieder mit einem Kuss und hauchte leise: „Ich liebe dich, Kleines.“ Dann ging ich aus dem Zimmer.
Der Tag verging langsam. Ich war noch bei Lyla, Channel und Louis. Ich hatte sie nicht longiert. Morgen wieder. Heute nicht. Auch wenn ich nicht wirklich wusste, was ich sonst machen sollte, aber heute hatte ich keine Lust. Außerdem hatte sie Nina ja schon geritten. Und das war genug für einen Tag. Sie vermissten mich schon, aber ich würde mich erst wieder draufsetzen, wenn Lara wieder aufwacht. Und daran würde sich auch nichts ändern. Nicht einmal ihnen zu Liebe. Auch wenn sie es verdient hätten. Aber Lara war wichtiger. Dass mussten sie verstehen! Oh. Mein. Gott. Jetzt rede ich schon so, als ob meine Schätze das verstehen würden. Bestimmt nicht. Sie würden sich nur wundern, warum sie nicht jeden Tag von mir geritten wurden. Mehr auch nicht. Pferde würden das nicht verstehen. Auch wenn sie eigentlich die schlausten Pferde der Welt waren! Aber das sind sie bestimmt für jeden Besitzer. Man muss ja realistisch denken. Und das mache ich. Zumindest bei manchen Dingen. Aber eben nicht bei allen.
Danach habe ich David angerufen, meinen Freund. Ich habe ihn die ganze Geschichte erzählt. Den Unfall. Dass Lara im Koma liegt. Einfach alles. Er wollte zu mir kommen und mich trösten, aber ich wollte nicht. Ich brauchte Zeit für mich und dass verstand er. Zum Glück. Er war das dritt Beste was mir je passiert war. Lara war das Beste. Channel und Louis das zweit Beste. Und er war eben das dritt Beste. Er war immerhin unter den Top3 gelandet.
Ich ging an den See, an welchen ich und Lara so oft waren. Ich setzt mich an den Rand und tat einfach nichts. Überhaupt nichts. Ich versuchte aufhören zu denken. Und es gelang mir für einen kurzen Zeitpunkt.
Ich kam spät nach Hause. Meine Eltern waren schon im Bett. In letzter Zeit gingen sie früh ins Bett. Früher als ich und Lara. Aber das kam mit dem Alter. Glaube ich. Wir bleibten immer länger auf, umso älter wir werden. Sie bleibten immer kürzer auf, umso älter sie werden. Komisch.
Ich aß noch eine Kleinigkeit und ging dann ins Bett. Ich war müde, aber wollte nicht schlafen. Ich hatte Angst vor meinen Träumen. Von den Träumen vom Unfall. Von den Träumen von Lara.

DAY oo6

So konnte es einfach nicht weiter gehen. Ich musste mit jemanden darüber reden. Über die Träume. Über die Gedanken. Über meine Schuldgefühle. Nur wem sollte ich das anvertrauen. Natürlich Lara, nur konnte sie mir nicht wirklich antworten und auch nicht helfen. Schließlich war ich ja Schuld an ihren Zustand. Mit Mama und Papa auch nicht. Sie würden sich nur unnötig Sorgen machen. Aber waren sie wirklich unnötig? So langsam fing ich an, mir um mich selber Sorgen zu machen. Und dass sollte schon was heißen, denn ich machte mir nie Sorgen über mich selber. Ich konnte es einfach nicht mehr etragen. Alles. Meine Gedanken. Sie machten mich fertig. Aber so richtig. Ich dachte nur noch daran. An den Unfall und an Lara. Es gab garnichts anderes mehr für mich. Früher habe ich so oft an David gdeacht. Aber jetzt? Ich dachte überhaupt nicht mehr an ihn. Und an Channel, Louis oder Lyla? An die auch nicht. Ich kam mir wirklich blöd vor. Ich dachte ja schließlich nicht mehr an Nummer 2 und 3 auf der Liste der wichtigsten Sachen. Echt der Wahnsinn. Aber was sollte ich nur dagegen machen? Warum hatte denn keiner den Unfall gesehen. Aber das würde ja auch nichts ändern. Schließlich war ich ja Schuld. Wenn ich sie doch nur nicht gelassen hätte, dann wäre alles anders gewesen. Dann wär sie jetzt hier. Wir würden auf Partys gehen und soweiter. Und wir würden zusammen ausreiten. Aber das konnte ich ja jetzt vergessen. Ich machte mich fetig. Band mir das grüne Tuch ums Handgelenk. Schminkte mich ein wenig, obwohl ich jetzt eigentlich nicht gut aussehen wollte, aber Lara hasste es wenn ich mich nicht schminkte. Ich tat es nur für sie. Dann ging ich runter, trank einen Espresso. Zwei. Dann drei. Mehr wollte ich meinen Körper nicht zumuten. Meine Mutter saß noch nicht da. Mein Vater war schon weg. Ich schaute auf die Uhr. Es war gerade erstmal fünf Uhr morgens. Viel zu früh. Eigentlich schlief ich immer länger. Meistens bis um 9:oo Uhr. Manchmal auch bis um 1o:oo Uhr. Aber um fünf stand ich nur auf, wenn ich in die Schule musste. Und noch nicht mal dann immer so früh.
Ich aß nichts. Ich hatte kein Hunger. Und wenn ich etwas essen würde, würde es auch nichts helfen. Zwar wär mein Magen dann gestillt. Aber mein Kopf würde immernoch diese hässlichen Gedanken haben. Aber ich hatte es ja nicht anders verdient. Ich war ja Schuld und das konnten meine Gedanken einfach nicht bestreiten. Es wäre ja schlimm, wenn ich überhaupt keine Schuldgefühle hätte. Aber waren das jetzt denn nicht schon genug? Reichten fünf Tage denn nicht aus? Wie lange würde das denn noch weiter gehen? Warum ist das überhaupt alles passiert? Warum denn nur? Warum wir? Warum kein anderes Geschwisterteam? Was haben wir denn so Schlimmes getan? Was? Warum? Wie lange noch?
Ich machte mich auf den Weg zu Lara. Ich wusste, dass es noch ein wenig zu früh war, aber ich wollte jetzt zu ihr. Ich wollte sie sehen. Bei ihr sein. Mit ihr reden, naja ihr etwas erzählen.
Sie lag immer noch da. Unverändert. Ob sie jeden Tag, dass gleiche trug? Ob sie die Klamotten überhaupt wechselten? Ich hatte ihr ihr Lieblingsshirt mit gebracht. Später würde ich eine Krankenschwester darum beten, es ihr anzuziehen. Die waren so etwas ja gewohnt. Ich könnte es ja eigentlich selber machen, aber ich wollte doch nichts falsches machen. Und ich wollte Lara nicht wehtuen. Ich hatte ihr schon genug angetan. Ich setze mich wieder nehen sie. Nahm wieder ihre Hand. Alles so wie die letzten Tage. „Hallo Lara. Wie geht’s es dir? Ich hoffe aufjedenfall gut. Wie weit bist du mit deinem Kampf ums überleben? Ich will nämlich unbedingt, dass du überlebst. Sonst würde ich. Keine Ahnung. Aufjedenfall kann ich einfach nicht mehr. Ich brauche dich. Und nicht nur deinen Körper, der immer gleich daliegt. Was soll ich denn nur machen? Lara. Bitte. Ich schaff es einfach nicht mehr ohne dich! Ich musste doch schon fünf Tage ohne dich aushalten. Bitte. Ich vermisse dich doch so sehr. Deine blöden Sprüche. Deine geilen Gesichtsaudrücke. Deine Dummheiten die du immer planst. Mit dir weg zugehen. Mit dir auszureiten. Mit dir shoppen zu gehen. Ich vermisse einfach alles mit dir. Ich brauche dich doch so sehr. Wirklich. Ich schaff es einfach nicht. Bitte Lara. Bitte schaff es. Und bitte bald. Bitte. Bitte. Bitte. Lara. Hörst du mich? Ich brauche dich. Und ich liebe dich. So sehr. Du bist einfach die beste Schwester überhaupt. Und ich will dich einfach nicht verlieren! Das würde ich einfach nicht ertragen. Du willst doch auch, dass wir das alles machen können. So wie früher, oder? Ach Lara, du weißt doch wie sehr ich es will, also bitte. Ich bitte idch wirklich darum. Noch nie zuvor hab ich dich so um etwas gebeten wie jetzt. Und jetzt brauch ich dich. Wir haben uns doch geschworen immer füreinander da zu sein“, ich merkte wie mir die Tränen runterliefen, „Lara. Bitte. Ich mach wirklich alles für dich, nur bitte wach auf. Ich mach das Zimmer schön, erzähl dir Dinge, die dir helfen sollen dich zu erinnern. Ich tue alles damit du aufwachst. Wirklich alles. Egal was. Hauptsache du bist wieder da. So richtig da. Hauptsache deine Seele ist wieder da. Mir ist wirklich alles egal, hauptsache du bist wieder richtig da. Ehrlich. Ich habe dir dein Lieblingsshirt mitgebracht. Damit du nicht mehr in diesen hässlichen Krankenhausklamotten da rumliegen musst. Ich werde es nachher einer Schwester geben, damit sie es dir anziehen kann. Ich will es nämlich nicht machen, sonst tue ich dir bestimmt schon wieder weh. Die Krankenhausmenschen haben noch nichts gesagt, ich meine wegen den ganzen Bildern und so. Aber wir haben bis jetzt ja alles geschafft. Weißt du noch, die Matheex? In der sechsten Klasse. Ich hab so was von überhaupt nicht gelernt und unser Mathelehrer war sowieso total uncool. Er hat überhaupt nichts gesagt und immer gesagt, dass wir es mit der Zeit selbst herausfinden und wir es irgendwann schon wissen wie es geht. Fast keiner, außer die Streber, haben etwas verstanden. Naja, ich hab nichts verstanden. Du hast nichts verstanden. Niemand hat was verstanden. Ich hatte so einen neuen Stift der spricht, wenn man hinten draufdrückt. Mitten in der Ex hab ich draufgedrückt und der Stift sagte Im Falle eines Falles ist Schummeln einfach alles. Alle haben gelacht. Zum Glück auch der Lehrer. Und danach haben mich alle gfragt, woher ich den Stift hab und so. Total lustig. Wir haben so gelacht. Weißt du noch? Sicher weißt du es noch. Ich weiß es ja auch noch. Vielleicht können wir dich ja nach Hause holen. Schließlich ist Papa auch Arzt, also wär er sofort da, wenn es dir besser geht und du aufwachst. Warum gibt es das Koma überhaupt? Total gemein. Es gibt so viele Dinge auf der Welt, von denen kein Mensch weiß, warum sie überhaupt existieren!“ Ich verabschiedete mich wieder mit einem dicken Kuss auf der Stirn von Lara und mit einem „Ich liebe ich. Bitte wach auf, meine Kleine. Bitte!“
Ich legte das Shirt auf den Stuhl und ein Zettel, auf dem Das ist ihr Lieblingshirt. Bitte ziehen Sie es ihr an. Tuen sie es für sie. Sie würde nicht in so einen Ding auffwachen wollen! Stand, darauf. Dann ging ich. Ich fuhr in die Stadt und setzte mich auf eine Bank. Hier waren so viel Leute. Manche kannte ich auch, aber ich ignorierte alle. Ich saß einfach nur da. Stundenlang. Ich habe nichts gemacht. Überhaupt nichts. Ich schaltete einfach nur auf Stumm. Aber dann kamen sie wieder. Diese Gedanken. Ich ging ein wenig durch die Menschenmenge. Frauen. Mädchen. Männer. Jungen. Kinder. Baby´s in Wagen. Oma´s und Opi´s. Ich kam an einen Fotoautomaten vorbei und lehnte mich an ihm. Ich brauchte kurz eine Pause. Meine Gedanken machten mich einfach total fertig. Nur leider gibt es keine Pausen für Gedanken! Echt total schade. Wirklich schade.
Plötzlich sprach mich ein Typ an: „Was brauchst du?“
Ich verstand es nicht gleich: „Aufjedenfall brauch ich nicht meine Gedanken. Die sind so scheiße!“
„Du willst alles vergessen?“
„Ähm, ja?“
„Hier“, er drückte mir eine kleine Tüte in die Hand. Es sah aus wie Mehl, aber ich wusste das es Koks war, „Das hilft. Wirklich. Versuchs mal!“
Ich steckte die Tüte weg. Ich meine versuchen kann man´s ja mal: „Was bekommst du?“ Natürlich wusste ich, dass das Zeug nen Schweinegeld wert ist, aber ich hatte noch was dabei.
„5gramm? 5o Euro. Hast du das Geld oder nicht?“
Ich drückte es ihm in die Hand und ging.
Es war die totale Drönung. Und es half. Ich dachte wirklich nicht mehr daran. Ich dachte an nichts mehr. Ich saß in meinen Zimmer auf meinen Bett und war total Gedankenfrei. Wunderbar. Keine Schuldgefühle mehr. Keine Unfallfilme mehr, die sich in meinen Kopf abspielten. Nur noch das nichts. Einfach peferkt.
Vielleicht heute eine Traumlose Nacht? Langsam fielen mir die Augen zu.

Impressum

Texte: Copyright: ALLE RECHTE LIEGEN BEI MIR; DER AUTORIN !
Tag der Veröffentlichung: 17.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
ICH WIDME DIESES BUCH MEHREREN LEUTEN; MEINER FAMILIE; MEINEN FREUNDEN; ABER GANZ BESONDERS DANKEN ICH CAROLIN; SIE HAT KORREKTUR GELESEN UND AUCH SO MANCH EINE IDEEN ZUR GESCHICHTE GEGEBEN

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