Es war Abend. Das Meer schauerte in linder Kühlung. Wimpel taumelten im Wind, der vom Wasser kam. Draussen ausserhalb des Kurstrandes lagen zwischen Tang und Muscheln Quallen, sie verdunsteten, sie trockneten ein. Am hohen Ufer sassen Mauerschwalben schlafend in der Steilwand.
Aus den weissen Häusern traten Menschen, braungebrannt, sie schlenderten über die Promenade, sie löffelten, Windlichter auf dem Tisch, beim Italiener Himbeereis, sie blickten auf die sich mehr und mehr beschattende See. In der Strandhalle begann die Tanzkapelle zu spielen. Auf den Tischen, imitierter Marmor, Sektkübel, Exportbier, und grad waren jene Damenhandtaschen in Mode, durchsichtig, gaben sie freimütig Einblick, die Hilfsmittel für weibliche Schönheit, fluid lotion, Ersatzwimpern, Deckcreme für das Erblassen. Denn die Gesichter, salzfrisch, knusprig, zeigten die Wirkung der Sonne. Eine fischbeinblasse Madonna, die Augenbrauen streng gezogen, ruckte und zuckte mit Robert im Sambaklang. Aus ihren Haaren stieg der Duft von Feuchte und Meer, vor dem Abendessen war sie, ohne Badekappe, morgen die Rückreise, noch einmal geschwommen. Auch Inge und Marion sollten am nächsten Morgen abreisen. Robert hatte sie am Strand beim Ballwerfen kennengelernt. Inge war das langhaarige Mädchen, das gerade mit Wiebig tanzte, dem Versicherungskaufmann, der mit Robert das Zimmer teilte im »Seestern«. Wiebig tanzte schleppend. Seine Hosenbeine waren mit Gin-fizz getränkt, den er dem Kellner beschwingt und kurzarmig vom Tablett geschlagen hatte. In dieser Nacht fand Robert keinen Schlaf. Die Fenster standen weit offen. Er hörte die Brandung. Fahl brach der Morgen an. Wiebig lag in seinem lagoblauen Anzug auf dem Bett. Robert sah im Waschbecken den Rest des Erbrochenen.
Übelkeit und Unrast trieben Robert hinaus. Mit Turnschuhen und Trainingsanzug stand er in der Haustür, Tau am Türgriff benetzte seine Hand, als er die Klinke draussen schloss. Zum Strand führte ein Kiesweg. Hart das Knirschen, die Farben von graufrüher Empfindungslosigkeit, herrisch der Zug in den windbewegten Pappeln, das Gelb und Grün und Blau der Strandkörbe ausgelaugt, Robert sah das Seebad nüchtern, die Natur legte sich über alles, die pastellfarbenen Autos standen, der Erosion preisgegeben, herrenlos im wuchernden Grün. Scharfer Wind kam vom Meer. Die Promenade, ein Betonpfad, Beute der schmuddelig-grauen See, die drüber hinwegschwappte. Hinten ragte das Hohe Ufer auf mit seiner hellen Steilwand, mit einem Schopf oben aus Wald und Strauch. Robert setzte sich in einen Strandkorb. Er zog fröstelnd die Beine an, den Körper zusammen. Der Wind trieb den feinen Sand gegen das Korbgeflecht. Ein Geräusch wie ein Flüstern. Es war gut, so zu sitzen, nach der schlechten Nacht. Die Tage waren davongerieselt. Dieses Vorübertreibenlassen leicht gekleideter Menschen, Ballspielen, Sonnenbäder, einige Küsse nachts auf der Landungsbrücke, - wenn das alles war?
Robert fühlte eine Klarheit, an die er sich später gut erinnern konnte. Beim Anblick des leblosen Strandes tauchte das Bild jenes jungen Mädchens mit dem dunklen Haarzipfel vor ihm auf. Er hatte sie gesehen, als sie eintraf. Flink, langbeinig war sie aus dem Auto geklettert. Jeden Abend spielte sie Tennis. Die Bälle gingen vorbei, sprangen ins Nirgendwo. Der Trainer war ärgerlich. Robert, am Gitter, die Hand im Draht, sah die Jungen, sie jagten den Bällen nach, brachten sie, vier umspannt in jeder Hand. Leute waren vorbeigegangen. Das Mädchen trug einen flotten weissen Dress, die Hosen dreiviertellang. Die Gebärde, mit der sie der Mutter nach dem Spiel den Schläger gab, - Trotz, Enttäuschung oder was hatte darin gelegen? Sie zeigte sich in sehr unterschiedlicher Aufmachung, gern ging sie in Cordhosen, dreiviertellang, mit schnellen Schritten über die Promenaden, ihre Sandalen klapperten, sie strebte, sie eilte, ihr beschleunigter Gang hatte etwas Flüchtendes. Nun ja, ein Schulmädchen, vielleicht 17.
Robert lief die Promenade entlang. Bazar auf Bazar spiegelte sein Bild. An der Milchbude machte er Halt, lehnte sich an die Bretterwand, und während die Übelkeit quälend in ihm hochstieg, dieses Gemisch aus Sodbrennen und Langeweile, sah er den Bus abfahren, der die Urlauber über den Deich davontrug. Robert setzte sich in seinen Strandkorb. Er hörte das Stimmengewirr, Kinderschreie, die Lautsprecheransage, 10 Uhr, die Kurverwaltung sagt die Luft- und Wassertemperaturen durch, wünschte einen erholsamen Tag, - Robert schlief ein.
Der Strandkorbmann kam in die Nachbarburg, trug den Strandkorb davon, den Inge und Marion benutzt hatten. Robert stand auf, nahm seine Kamera vom Haken, stapfte zur Promenade, bückte sich, und als er die Schuhe übergestreift hatte, sich aufrichtete, sah er sie kommen.
Sie war im Strandanzug, die Strandhose dreiviertellang. In ihren dunklen Haaren, kurz geschnitten, kreuz, quer, toll, wirbelte der Wind. Sie ging zwischen zwei kleinen Jungen. Robert hob die Kamera ans Auge und drückte ab. - Ich würde gern noch ein Foto von Ihnen machen. Am besten bei der alten Badeanstalt. Er sah sie nahe, - ihre wachen dunklen Augen, ihr leicht gebräuntes Gesicht, die blassroten Lippen. - Ich kenne Sie gar nicht, sagte sie und schob die beiden Brüder vor. Sie gingen zusammen weiter. Sie hatte die Jungen jetzt an der Hand. Robert blickte zur Seite, - sie ging mit, sandalenklappernd, hornhautbewehrt. Ein Lederstreifen der zwischen der grossen und der nächsten Zehe hielt die Sandalen an ihren Füssen.
Als Robert an der Badeanstalt die Aufnahmen machte, Eva an einen schiefen Pfosten gelehnt, im Bauschutt vor Meer und Strand, waren die Brüder davongelaufen. - Ich werde nie was auf Bildern, sagte sie und blies den Haarzipfel aus der Stirn. Sie gingen zurück, kletterten zwischen Strandburgen, über Sandwälle. Robert nahm Evas kühle, schmale Hand. Sie liess es zu. - Toll, sagte sie, diese Urlaubsfreuden, das muss man festhalten. Robert sah, wie ihre kleinen, gebräunten Finger den Federzug der Schmalfilmkamera betätigten. Sie hob den Sucher ans Auge. Während sie filmte, blickten sie nacheinander auf, der beleibte Herr mit dem Papiersegel auf der Nase. Die jungen, storchbeinigen Federballspieler. Und ein junges schmales Mädchen, das vom Baden kam, blieb stehen mit zitternden, vor der Brust gekreuzten Armen, das Wasser tropfte den Sand unter ihr dunkel. Eva und Robert gingen weiter. -
Sie nehmen das nicht ernst, nicht wahr? fragte Robert. - Könnte man es denn? sprach Eva, bog ab und führte ihn zum Strandkorb Nr. 72. - Ich zeige Ihnen mal meinen Skizzenblock, sagte Eva. Abgegrenzt gegen den rieselnden Sand lagen sie neben dem Strandkorb auf einer Decke. - Sind Sie allein hier? - Ja, antwortete Robert. - Wie lange bleiben Sie noch? - Zwei Tage, antwortete Robert. - Ich noch zwei Wochen. Die Schulferien sind so lang und Mutti findet es hier überhaupt nicht langweilig.
Robert war knistertrocken. Er blinzelte. Ruhig atmend lag Eva da, die Hände nach hinten gelegt. Brustkorb, Hügel, jung, unerschreckt, hell der Hautrand, der sich aufschob. - Wollen wir nicht schwimmen gehen? schlug er vor. Sie ging zur Mutter, sprach auf sie ein. Kramte aus der Strandtasche einen zitronengelben Badeanzug. - Eva schwimmt sonst immer nachmittags, sagte die Mutter. Sie ist etwas zart. Sie darf nicht zu lange im Wasser sein. Die Brüder mussten den Bademantel vor den Strandkorb halten, während Eva sich umzog. Flink und langbeinig kam sie herausgeklettert, knapp sass der Badeanzug an. Ihre Schenkel waren schmal und blass. - Jetzt sieht man wenigstens die Figur, rief Robert, und als er das sagte, sah er, dass oberhalb ihrer Knie sich längliche Narben hinzogen. Eva knipste das Halteband der Badekappe fest. Robert sah ihr Profil gegen den Himmel, klar, knapp, zu Lippen zu einem Lächeln gestrafft. Er nahm ihre Hand. Sie liess sich ins Wasser führen.
Als sie herauskamen, stand Evas Mutter am Ufer und hielt den Bademantel auf. Eva hüllte sich ein. Sie zog die Badekappe ab, schüttelte die Tropfen über Robert. - Brr, nass sind meine Haare, Ihretwegen. Müde vom Schwimmen legten sie sich in den heissen Sand. Eva deckte den Bademantel auf. - Puh, jetzt bin ich wieder warm. Sie hüpfte zum Strandburg, kam im Strandanzug zurück. - Wieder die berühmten Dreiviertel-Hosen. Sie sollten kurze Hosen tragen. - Ich mag nicht, wenn die Leute mich anstarren, sagte sie, eine Falte zwischen den Augenbrauen. Sie schob die Unterlippe vor und pustete den Haarzipfel aus der Stirn. Urtümlich, wieder trocken, standen die Haare kreuz, quer, toll. - Ich möchte noch einige Fotos machen, sagte Robert. Sie mit Anorak und Cordhose. Eva liess sich von der Mutter den Schlüssel geben. - Ihr könnt Tom und Michael mitnehmen, sagte die Mutter. - Keine Lust, sagte Tom.
Neben der Strandhalle, vor der grossen Palme, die in einem riesigen Topf stand, machten sie die Fotos. Eva musste auf einen Tisch klettern, die Zweige der Palme warfen ihr Greifschatten auf die Haut. Dann stand Eva vor ihm, die Hand auf dem Tragriemen der Kamera. Sie scheuerte mit der Fussspitze den Kies auf. Eva fuhr sich mit der Hand über die Stirn und blieb mit dem Fingernagel an einem Blatt Schorf hängen, zwischen den Augenbrauen. - Ich kratze die Stelle immer wieder auf, sagte sie schuldbewusst. Mutti schimpft darüber. Unterhalb ihrer knappen Nase standen winzige Tropfen. Es ist heiss, sagte sie, kaufen Sie uns Eispralinen? und gab ihm das kleine rote Portemonnaie. Als Robert zurückkam, sass Eva auf der Balustrade zur Tanzfläche des Gartencafés. Sie nahm sich mit spitzen Fingern von den schokoladenüberzogenen betauten Eiswürfeln. - Ich kaufe mir oft so etwas, schon um etwas zu tun zu haben. Dann erschien auf der Promenade plötzlich die Mutter mit einer riesigen Strandtasche und den beiden Brüdern. - Wir wollen uns lieber hier verabschieden, sagte Eva und lief davon.
Nach dem Mittagessen erwachte Robert im Strandkorb Nr. 72, in dem er gewartet hatte. Vor ihm stand Eva. Sie trug eine vollgestopfte Strandtasche und war allein. - Die anderen schlafen noch, sagte sie und setzte sich zu Robert. Sie legte die Arme um die Knie, sass in die Ecke des Strandkorbs geschmiegt. Unerwartet tauchte die Mutter auf. Wollt ihr paddeln? rief sie. Das Boot, das zehn Meter weiter halb im Wasser, halb auf dem Sand lag, wurde flottgemacht. Die Mutter bezahlte, Eva stieg übertrieben vorsichtig ein. Als sie fest auf ihrem Platz sass, vorn im Boot, rief sie Abfahren! Robert handhabte die leichten Doppelpaddel. Rasch schnitt das Boot durchs Wasser. Die Stimmen vom Strand, Kindergeschrei, Lachen und Rufe, wurden schwächer und verstummten. Die Sonne blitzte in den Wassertropfen, die von den Schaufeln des Paddels schwirrten. Als sie auf der Höhe der Steilküste waren, drehte sich das Boot. Eva wandte sich um. - Pause, sagte Robert und legte das Paddel hinter sich. Dann beugte er sich vor, hob die hölzerne Rückenstütze aus dem Rahmen, erfasste Eva und zog sie langsam, während das Boot schwankte, zu sich heran. Es war so heiss, dass sich seine Finger in ihren Achselhöhlen benetzten. Er nahm den anmutigen jungen Duft wahr. Sie lag in seinem Arm. Er drehte ihr Gesicht zu sich hin. -Weglaufen kann ich nicht, sagte sie, und wenn ich mich wehre, kippen wir um, Das Boot pendelte, als Robert sie küsste und blieb mit Schlagseite liegen, während sein Mund auf ihren Lippen lag, die geschlossen waren. Au, sagte sie, Sie drücken mich gegen die Kante! Robert setzte sie vor sich auf das Kissen. Zieh' bloss diese dreiviertellange Hose aus, sagte er. - Sagen Sie mal, was machen Sie denn? sagte sie, als er begann, die seitlichen stoffüberzogenen Knöpfe aufzuknöpfen. - Du wirst ja nie richtig braun, sagte er. Sie nahm seine Hand fort. - Jetzt sind keine Leute da, sagte er. Sie streifte die Strandhose ab. Sie trug den gelben Badeanzug drunter. - Hübsches Muster, nicht? sagte sie. Robert sah die Narben. Einzelne, rund und klein. Andere gross und langgezogen. Wie Farnpflanzen, die sich an ihren Schenkeln hochzogen. - Ich war neun Jahre alt, sage sie, Phosphor.
Robert zog sacht an Evas Haarschopf. Er erreichte den Mund, den sie ihm entgegenhob. Die Innenseiten ihrer Lippen öffneten sich na. Dann sprang sie plötzlich auf, kerzengerade, und sprang ins Wasser. Das Boot schlug voll. Das haben Sie davon, rief sie, die Haare schüttelnd. Er half ihr, wieder ins Boot zu steigen. Sie paddelten auf die Küste zu, landeten, kippten das Boot um, so dass das Wasser herauslief. Die Kissen und Evas Strandanzug legten sie in die Sonne zum Trocknen. Robert räumte einen Platz von Steinen frei. Dann lagen sie im heissen Sand. - Ganz still sein, sagte sie. Regungslos lagen sie in der Sonne und liessen sich trocknen. Robert wischte, als sie schliesslich aufstanden, das weisse Salzpulver von Evas Rücken: du musst dich einreiben. - Ich ziehe den Strandanzug an, sagte sie. Helfen Sie mal beim Zuknöpfen, und Robert schloss die grossen stoffüberzogenen Knöpfe. Sie sind noch da, sagte Eva, als das Boot auf den Strand zulief. Tom und Michael standen am Wasser. Zwischen ihnen wurde die Mutter sichtbar. Eva machte ein mutloses Gesicht. - Es ist sehr spät. Nun fällt die Strandhalle ins Wasser. - Schöne Kinderei, sagte Robert. - Sie sind selbst schuld, sagte sie. Das Boot fuhr auf. Eva patschte durchs seichte Wasser. Im Strandkorb wurde sie von der Mutter in Empfang genommen. Robert holte sich seinen Bademantel und verschwand.
Am Abend war Robert vergeblich über die Promenade gegangen. Er hatte schliesslich einen kleinen Brief in das Hotel gebracht, in dessen 2. Stock der zitronengelbe Badeanzug am Windhaken zum Trocknen hing. Nun stand Robert im Schlafanzug am Fenster und rauchte. Wiebig war mit dem Motorboot im benachbarten Seebad gewesen und wechselte gerade den Anzug. - Ich habe sie dir einmal gezeigt. Beim Tennisspiel, sagte Robert. - Ach, die Kleine, antwortete Wiebig. Die die komische dreiviertellange Tennishose trug? - Ja, sagte Robert. - Ich gehe noch weg, sagte Wiebig, kommst du mit? - Nein, ich bin müde. Robert legte die Zigarette fort und stiess das Fenster weit auf. Längs der Promenade flammten die Neonlampen auf. Tausend Meter langes Band der Lichter. Und dahinter das Meer, abendlich, mit der Brücke, die hinauslief ins Dunkle, hochbeinig, mit weissem Geländer. Der Wind trug Musik aus der Strandhalle heran. Robert legte sich auf das Bett. Einzelne Stimmen von der Strasse. Türenschlagen. Ein Auto, das abfuhr. An der weissen Zimmerwand taumelten Mücken, lang und hastig. Und dann kam der Schlaf, Samtfinger in den Gehirnwindungen.
Als Eva an diesem Abend mit ihrer Mutter aus der Strandhalle zurückkam, fand sie auf dem Tisch unter dem Schlüsselbrett einen Brief, den sie verbarg. Später, als alles still war, ging sie zu Toms Nachtschrank, fand die Taschenlampe, kroch ins Bett. Sie zog die Decke über sich, dichtete alles ab. Dann knipste sie die Taschenlampe an. Plötzlich war ihre kleine Höhle hell. -
Ratsch! Dieses dumme Geräusch, das es beim Aufreissen des Briefumschlags gab. - Eva, jetzt sitzen wir wie zwei Vögel zu beiden Seite eines kleinen Gartenweges und sind ganz sprachlos wie sie, - bis auf den kurzen, ganz schwachen Laut von Wunsch und Sehnsucht (und selbst das ist schon zuviel, und Schweigen wäre am besten).
Eva hörte ein Geräusch. Sie knipste die Lampe aus, horchte. Nichts regte sich. Knacken des schweren Schrankes. Eva schlug die Decke zurück, lag luftschöpfend, mit zerzausten Haaren.
Am anderen Morgen horchte Eva auf das Klopfen, auf das Herunterrauschen des Regens. Auf der nackten Haut zwischen Nachthose und Jacke spürte sie kühl das Bettleinen. Sie zog den Brief vor und las die letzten Sätze: - Sie waren unsichtbar. Unser letzter Tag ist morgen. Ich möchte Ihnen von einem Buch erzählen, aus dem ich den Satz oben zitiert habe. Ich schreibe Ihnen hier schon einmal den Titel auf. Ausserdem einen Satzanfang: 'Täglich und in jeder Stunde, im Gewühl und wo wir einsam sind, aus Gebüsch, unter dem wir liegen, - - - '. Interessieren Sie sich für so etwas? Morgen möchte ich noch auf das Kliff mit Ihnen. Dort gibt es Mauerschwalben, die im gelben Hang nisten. Eva huschte aus dem Bett, zog sich an. Als letztes schlüpfte sie in den regendichten Anorak und ging aus dem Haus.
In der Veranda sass die Mutter mit Tom und Michael am Frühstückstisch. -Unsere Grosse ist ausgerissen, sagte die Mutter. Sie schläft sonst am längsten. Aber sie liebt Regenschauer und nasse Haare.
Robert lief zum Strand. Die Bäume schütteten Schauer über ihn aus. Die Promenade war menschenleer. Auf den Tennisplätzen bildeten sich Wasserränder. Robert suchte Eva im Strandpostamt, im Eiscafé, schliesslich drängte er sich in die überfüllte Lesehalle. Dort roch es nach nassen Kleidern und kaltem Zigarettenrauch. Die Badegäste standen und warteten, dass eine Zeitung und ein Platz frei würden. Da sah Robert an den Pulten, an denen Ansichtskarten geschrieben wurden, Eva. Sie stand eingeklemmt zwischen einem älteren Herrn und einem Kleiderständer und las. Guten Morgen, sagte Robert und erfasste ihr Handgelenk. - Au, sagte sie. Er hob das Buch hoch: - Habe ich mir gekauft, sagte sie. Das Weiss in ihren Augen blitzte. Sonderbar, dass Sie mitten im Jahrhundert im Urlaub an der See einem jungen Mädchen eine Schrift für Philologen aus dem Frühling 1905 empfehlen. Übrigens habe ich noch nicht gefrühstückt.
Er zog sie nach draussen, ins kleine Café neben der Landungsbrücke. - Wo warst du gestern abend? fragte er. Sie ass, hungrig, riss mit ihren kleinen Zähnen an dem krachenden Brötchen, fuhr mit dem Löffel ins gekochte, gelbflüssige Ei. - Wir waren in der Strandhalle. Ich hatte Mutti überzeugt, dass wir unbedingt den Strandkönig-Wettbewerb sehen müssten. Sie wischte sich den Mund. - Wie Sie für mich gesorgt haben. Ich bin satt und habe das richtige Zeug an. Die Kapuze kann ich hochmachen. Gehen wir los? Wir können uns ja vorher noch einmal bei Mutti melden.
Die Mutter holte den Schirm vor. - Lass doch den Schirm. Ich bin regenfest angezogen. Der Wind zerrte an Roberts Mantel, riss Evas Kapuze vom Kopf, warf die Haarzipfel hin und her. Das Meer lag im Schleier der Regenschauer. Alles war anders. Die Lautsprecher stumm, die Strandkörbe starr und geduckt, wie gescholtene Kinder. Sie rannten auf die Landungsbrücke. Als sie am vordersten Pfeiler standen, griff Eva unter ihren Anorak, faltete den Bogen auseinander: - Ihr Brief ist angekommen, sagte sie. Der sprühende Regen traf das Papier und liess die Schrift auseinanderlaufen. - Lass es regnen, sagte Robert. Den Arm über Evas Kapuze quer gegen den salzgebleichten Pfahl gedrückt, hatte er Eva vor sich. Mit der freien Hand hob er ihr Kinn. Sein Mund war vor ihren blassroten regenfrischen Lippen. Er sah die weissen Zähne, die nicht ganz in der Reihe standen. - 'ANHELITUS ORIS', sagte er. Wie bei Ovid. Hauch und Nähe. Dann rannten sie zurück. Ein neuer, prasselnder Schauer scheuchte sie in den Schutz des vorspringenden Dachs der Strandhalle. Neben ihnen schoss aus einem Rohr, das ein Loch hatte, das Regenwasser heraus. Wir holen die Fotos ab! rief sie. Hin über den Deich, hinunter die Böschung. Knatternde Fahnen, flatterndes Zeltleinen. Mit blitzenden Zähnen, die Unterlippe vorgeschoben, pustete Eva die herabrinnenden Wassertropfen vom Nasenrücken.
Sie gingen die Promenade entlang. Der Wind trocknete die Steinplatten. Als der feste Weg aufhörte, brach unter ihren Füssen der weisse Sand durch. Rechts wuchs der Steilhang empor. Gelb, zerklüftet, von Sturzbächen aufgerissen. Oben stand ein Zelt. Eine Gestalt huschte heraus, verschwand in den Sträuchern, kehrte eilig zurück. Der Strand wurde steinig. Eva und Robert fassten sich an. Sie mussten klettern. Was haben Sie für warme Hände.
Der Himmel wurde heller über Küste, Meer und Wald. Als sie die ersten Strandkörbe wieder erreichten, brach die Sonne durch und liess das graue Bild des Strands bunt aufleuchten.
Sie unternahmen es, die Sandwälle der Burg neu aufzuschaufeln. Als sie damit fertig waren, reichte Robert Eva Muscheln und Steine. Sie sagte, was sie benötigte, und er holte es. 'Seefalke' stand nun in Muschelschrift auf dem Bug. Zuletzt setzte sich Eva vorn in die Schiffsspitze, ihre Finger formten den Panzer einer Schildkröte. Sie haben Talent, sagte Robert. - Sie können mir lieber etwas nassen Sand bringen, antwortete sie. Robert nahm den kleinen Eimer und füllte ihn halb mit Wasser und halb mit Sand. Beim Arbeiten war Evas blassroter Mund fest verschlossen. Sie hielt die Augenlider verschlossen, weil Robert sie fortwährend ansah. Die Mutter war gekommen und sah aus der Entfernung zu. Eva suchte lange nach einem passenden Stein, den sie dann als Kopf auf den Rüssel der Schildkröte setzte. Fertig, sagte sie, wischte sich den Sand von den Knien. Ihre weisse Leinenhose hatte einen feuchten Hosenboden. - Der Wind wird sie trocknen, sagte Robert.
Kommen Sie mit auf das Hohe Ufer, bat Robert, aber ziehen Sie lange Hosen an, da oben gibt es Brennesseln. Eva stieg in die Cordhose, band sich die braunen Sandalen unter die Füsse. - Ciao, Mutti, sagte sie und stapfte neben Robert durch den Sand zur Promenade. Dort schüttelte sie die Sandalen. - Toll, dass Mutti es erlaubt, sagte sie. Der Weg führte aufwärts ins Land. Birken standen zur Seite. - Hier oben war ich noch nicht, sagte Eva. Als sie am Abgrund standen. Zehn Meter, eine gelbe Wand, ging es steil hinab. Dann führte der Weg am Steilufer entlang. Die Frucht der Felder wechselte: Saubohnen, Futterrüben, Kartoffeln, Weizen. Robert wies nach vorn: Dort sprang eine zweite Uferhöhe vor, mit einem Schopf von Wald und Strauch. Sie erreichten die Schlucht. Auf Stufen stiegen sie hinab. Im Wasserlauf lagen Steine, auf die man treten konnte. Auf der anderen Seite erkletterten sie mit einem Anlauf, Eva voraus, den Hang. Warte! Rief Robert, hockte sich vor Eva hin und schlug die Aufschläge ihrer Cordhose herunter. Jetzt kommen die Brennesseln. Eva lief voran, tauchte gebückt ins Unterholz. Robert folgte dem Rauschen und Klatschen der Zweige. Dann war es still. Robert drang vor. - Vorsicht! Rief Eva, neben ihm am Abgrund, gegen die Büsche gedrückt. Unten weiss der Strand und, endlos, die See. Der Sonnenschein traf den Meerboden, liess das Wasser leuchten. Es gab dunkle Stellen. Dort wuchsen Meerpflanzen. Die Wolken warfen ihre Schatten, So, wie der Wind sie schob, so wanderten auf dem Meeresgrund die Schattenfelder mit. Luftschöpfend sagte Robert, - mehr können hier aber nicht stehen. Darauf Eva – kommen denn noch welche? Sie hockten sich hin. Aufgebrochen vor ihnen der bröckelnde Rand des Ufers. Grasnarben, Baumwurzeln ragten in die Luft. - Die maritime Erosion, erklärte Eva, wir haben das gerade in der Geologiestunde gehabt. Sie nahm einen Stein, der lose in der Kante sass, warf ihn hinab. Er polterte hart nach unten, scheuchte die Mauerschwalben aus ihren Löchern. Der Wind wischte Zweige raschelnd über ihre Rücken, - Wirklich wenig Platz, sagte Robert und drückte Evas Schultern in die Grasbüschel. Das Sonnenlicht brach durch Zweige und Blätter, fiel grün auf die Haut. Robert berührte mit seinen Lippen Evas Wangenknochen. Sie wandte den Kopf. Robert traf die Nase. Weich, warm den Mund. Ihre Lippen wölbten sich auf. - Wie halten sich eigentlich diese Dinger an deinen Füssen, sagte er und löste die verstaubten Sandalen. Seine Hand umschloss ihre Fesseln, hielt den kleinen Fuss. - Bitte nicht, sagte sie. Ich bin so empfindlich. Wieder rollte ein Stein den Steilhang herab. Die Mauerschwalben schimpften. Robert zog den Reissverschluss der Windjacke auf. Eva trug eine schmalgestreifte Bluse. Roberts Hand lag auf Evas klopfendem Herzen, die andere hielt sie fest. Ein Käfer kletterte in den Halmen. -
Nicht, sagte sie, als Robert seine Hand befreien wollte. Zwei Möwen unten auf dem Strandstreifen zankten sich. Trotzig, hochgetürmt aus Lehm und Geröll, das Ufer. Verstummt die Mähmaschine, die auf dem Feld geknattert hatte. Nichts zu hören vom Seebad und vom Strandgeschrei Eva schob das Handgelenk mit de Armbanduhr vor Roberts Augen. Der Sekundenzeiger ruckte und zuckte wie ein Mückenbein. - Mutti kürzt mein Taschengeld, wenn wir nicht bald zurück sind. - Praktisch, dass dein Haar so kurz ist. Robert hielt Eva am Hinterkopf. - Im Frühjahr habe ich noch Zöpfe gehabt. Das war ein Drama, als sie abgeschnitten werden sollten. Vati war dafür. Mutti und ich waren dagegen. Als es passiert war, war da ein ganz komisches Gefühl. Sie fehlten immer. Ich griff immer wieder hin. Aber da war nichts. Ich fühlte mich wie eine gesengte Katze und schämte mich.
Im 'Nordpol' tranken sie etwas. Eva einen kleinen bissherben Campari. Robert einen halben Liter Bier. Als Eva sah, wie er das grosse Glas ansetzte, taubeschlagen, bat sie – lass mich probieren! Sie trank. Schmeckt toll, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken den Schaumschnurrbart ab. - Mein Taschentuch muss ich auf dem Kliff verloren haben. Robert probierte den bitteren Campari. - Brr, machte er. Im Norden muss man trinken, was der Norden braut.
Die Dunkelheit gab ihrem Unternehmen etwas Heimliches, Verbotenes. Sie zogen sich am Strand um, Eva im benachbarten Strandkorb. - Bist du fertig? Nein! rief sie. Schliesslich lief sie aus der Burg, ans Wasser. - Nur ganz kurz, sagte sie. Laut brach das Rauschen in die Stille. Eva schwamm hastig. Dunkel und feindlich wirkte das Wasser. - Ih, hier ist Tang! rief Eva. - Komm hier herüber, hier ist alles frei! Eva schwamm zu Robert heran. Sie stellte sich hin. Das Wasser reichte ihr bis zum Kinn. - Lass uns schnelle zurückgehen, bitte. - Was hast du, Eva. - Ach, sagte sie. Die alte Geschichte. Die Herzschläge stolpern. - Komm, sagte Robert und hob sie hoch. Nass, kühl, schwer war sie. Sie hielt sich fest, den Arm um seinen Hals gelegt. Er trug sie an Land, tapste schwer durch den Sand, der noch warm vom Tage war. Im Strandkorb hängte er ihr den Bademantel um. Sie zitterte. - Herunter mit dem nassen Zeug, sagte er. - Es geht schon, antwortete sie. Ihre Zähne klapperten. Ihre Bewegungen waren schwach und ziellos. Robert nahm das Frottétuch und begann, sie warmzureiben. Dann zog er den nassen Badeanzug herunter. Er trocknete sie ab. Der Strandkorb knarrte. Er rieb und drückte, bis sie ganz warm war. Er zog die Badekappe ab. Dann trocknete er die Stellen, die noch nass waren, die Ohrmuscheln, die Haarspitzen im Nacken, die Achselhöhlen, die schmalen Schenkel, deren Haut rauh von den Narben war, das dunkle Dreieck, die Kniekehlen. - Roberto, was machst du? Ihr Blut war zurückgekehrt. - Du hast so wenig Sachen, sagte er und hielt die unwahrscheinlich kleinen Ringelsocken hoch. - Für Nylon war mir der Abend nicht feierlich genug, antwortete sie. Nun kniete Robert und nahm ihre Füsse, trocknete mit dem Frottétuch die Ballen, die ganz versandet waren. Dann nahm er jede einzelne Zehe, bog sie auseinander und trocknete den Zwischenraum. - Meine Lippen sind blass, ja? fragte sie. Der Tag war ein bisschen viel. Beim Abschied vor dem Hotel gab sie Robert ihre schmale Hand – morgen früh zum Frühstück, ja? Ganz früh. Kalt und narbig stand der Mond über dem Deich, als Robert zum 'Seestern' ging.
Ich kann nicht schlafen, Mutti, sagte Eva und krabbelte zur Mutter ins Bett. Und als sie in der Wärme lag und die Augen schloss, sagte die Mutter, - du musst dich zusammennehmen.
Der Frühstücksraum war leer. Von der Teeküche her hörte Robert Tellergeklapper. Er ging hinüber. Eva stand am Herd. Sie war wie ein Junge angezogen. Zum Polohemd trug sie eine kurze Hose. - Guten Morgen, sagte Robert; du siehst flott aus. - Bisschen eng, sage und und verzog Nase und Mund. Nun geben Sie bitte die Tür frei. Sie wissen ja, - Teemachen, Tennis spielen und Tanzen sind die drei Kulthandlungen, die uns in dieser götterlosen Zeit geblieben sind. Zitat aus Ihrem klugen Buch.
Im Café-Garten der Strandhalle war niemand um diese Zeit. Eva zeigte Robert die Entfernungseinstellung der Schmalfilmkamera. Dann schnurrte der Film. Eva war im Bild. Sie lief über den Kies, verlor eine Sandale, bückte sich, fuhr wieder hinein. Unter der Palme (Riesenkübel) setzte sie sich auf den Rand des Holzbottichs. - Sie sind zu dicht heran, beachten Sie die Parellaxe, sagte sie. Robert nahm Eva mehr links in den Sucher. Wieviel Zeit haben wir noch? Fragte Eva. - Um 12 Uhr fährt der Bus, antwortete Robert. - Wollen wir paddeln?
Sie wussten, dass es das letzte Mal war. Eva lag heruntergerutscht, den dunklen Schopf auf den lindfarbenen Kissen. Der Strand blieb weit zurück. - Ich habe den Feldstecher bei Mutti gelassen. - Sechsfache Vergrösserung, sagte Robert, dann müssen wir sechsmal so weit fahren. Draussen vor dem zweiten hohen Ufer bleiben sie liegen. Die See glitzerte. Eva riss die langen Beine zur Seite, zappelte im Kuss mit den Füssen, stiess damit gegen die Bootswand. Sie biss. Robert setzte ab. - Ich tu Ihnen nicht weh. Bestimmt, sagte sie, ich tu es nicht wieder, und tat es doch, als Robert sie wieder küsste. Plötzlich und grausam der Schmerz. Sie sahen das Wasser auf dem Deckholz trocknen. Es war heiss. Robert schob den Oberteil von Evas Badeanzug herunter. Mutti wird sich wundern, wieso ich überall braun bin, sagte sie. - Für ein Sonnenbad reicht die Zeit nicht mehr, sagte er. Sie half beim Paddeln. Schlag, Schlag. Rasch hin und her ging die Spitze des Bootes. Eva war blass unter der braunen Haut. - Du übernimmst dich, sagte Robert, hör auf.
Sie liefen über die Bretter, nicht im Sand, dann ein Stück auf der Promenade, dann den Kiesweg zur Pension. Als Robert mit dem Koffer aus dem Haus kam, stand Eva unter den Linden. - Nun haben wir noch 10 Minuten Ein Auto wirbelte ihnen den Staub der Strasse ins Gesicht. Robert reichte seinen Koffer dem Schaffner, der auf der Heckleiter stand und das Busdach vollpackte. Hinten im Wagen fand Robert einen Fensterplatz. Er konnte die Scheibe herunterzerren Eva stand im Strandanzug unter dem Fenster. Ihre Brüder waren gekommen. Eva strich Tom das Haar aus der Stirn, nahm dem kleinen Michael die Kamera ab, die er umgehängt trug. Von der Kurpromenade hörte man die Durchsagen der Badeverwaltung. -
Es ist so weit, sagte sie, trat zurück. Robert sah ihre Lippen, die sie geöffnet hielt, er sah die Haarkringel über dem Ohr. Sie schaute zu ihm hoch: - Was sind Sie eigentlich von Beruf. - Kaufmännischer Angestellter. - Ich dachte, Sie studieren, oder so, sagte sie. Der Bus setzte sich plötzlich in Bewegung, fuhr ein Stück auf der Strandstrasse, drehte, kam zurück, erkletterte den Deich und fuhr davon.
* * *
Das Schreibbrett vom Strandkorb auf aufgeklappt. Eva hielt den Füllfederhalter in der Hand, mit dem sie in der Schule ihre Deutschaufsätze schrieb. Sie schraubte den Verschluss ab und begann zu schreiben, das Briefpapier schräg gelegt. Hallo Roberto! Gestern Mittag, als Sie weg waren, habe ich erst einmal zwei Stunden geschlafen. Ich sitze im Augenblick ganz allein hier. Hinter mir, am Strandweg, heben sich die Wipfel der Bäume scharf vom blässlichblauen Himmel ab. Ich sehe das mit fotografisch durch Sie geschultem Auge. Mutti und die Jungen sind auf dem grossen Kinderfest. Heue morgen habe ich eine halbe Stunde gepaddelt. Ich bin hübsch in der Nähe geblieben. Ich habe nicht wie ein Verbrecher das Verlangen, den Ort der Tat aufzusuchen. Ich habe herrliche Weintrauben hier. Ich reisse sie einzeln mit den Zähnen ab. (Bitte nicht beissen, Eva). In der Strandkorbecke liegt eine leere Keksschachtel. Ob ich mir gleich auch noch Eispralinen kaufe? Il mestiere di vivere, - kennen Sie Pavese? Man übt das Lebenshandwerk nicht sehr vollkommen aus. Die Zeit, ein hohler, bedrängender Schlauch, kommt auf mich zu. Ich bin einfach hilflos. Ich muss mir etwas kaufen. Als kleines Mädchen habe ich oft Kaffeebohnen gekaut. 'Brrr' würden Sie jetzt machen, ja? Nichts ereignet sich hier. Der Sand türmt sich tatenlos. Ab und zu höre ich die Stimme eines Kindes durch die Stille geistern. Ich schreibe gute Aufsätze, erzählte ich Ihnen davon? 'Die Schrift ist in beschämender Weise vernachlässigt'_ steht allerdings meistens hinter der Zensur. Ende der Durchsage. Eva. p.s. Ich will Mutti überreden, dass sie noch mit ins Dorf kommt. Der Lindenweg ist so hübsch. Ausserdem können wir dann diesen Brief noch einstecken. Ich habe für einen Wochenendbesuch bei Ursel den kleinsten Koffer gepackt, den wir haben. Vielleicht kann ich mir den Schmalfilm ansehen. Ich habe ihn an die Umkehranstalt geschickt. Wie war doch noch Ihre Telefonnummer?
Am Sonnabendnachmittag nach seiner Rückkehr nahm Robert die Sonnenbrille, ein Handtuch, den Rest von Sonnenöl, tat alles in seine Mappe und ging aus dem Haus. Unten im Tabakladen kaufte er sechs Zigaretten von der Sorte, die er an der See geraucht hatte. - Ich bin an der Elbe, beim Lotsen, sagte er zu dem Tabakmann. Unten in Övelgönne an der Ufermauer standen Liegestühle, die für 30 Pfennig in der Stunde zu mieten waren. Der Sand hier war weissgrau, mit Steinkohlenstückchen und Holzsplittern durchsetzt. Robert schlief. - Für Sie, sagte die Frau, die vor ihm stand, wie er blinzelnd sah. Robert folgte ihr zum Telefon. Er fühlte das Seidenfutter des Jacketts auf der nackten Haut. Wer ist das nur? Fragte er sich und rief seinen Namen in die Muschel.
- Hier spricht die Badeverwaltung, kam es gedehnt vom anderen Ende. - Eva, sagte Robert. - Hast du meinen Brief bekommen, fragte sie. - Einen Brief? Sie haben mir einen Brief geschrieben? - Nur einen ganz kleinen, sagte sie. Ihr Tabakhändler konnte mir sagen, wo Sie sind. Der Schmalfilm ist fertig. - Wo können wir uns treffen?
Das Haus, das Eva ihm genannt hatte, wirkte Düster. Robert stieg im Treppenhaus mit dem gusseisernen Geländer bis in den 4. Stock, klingelte. Die Tür öffnete sich. Eva stand vor ihm. Sie sah blendend aus. Der weisse Niki aus Merinowolle betonte das Braun ihrer getönten Arme. Ihr Haar war geschnitten worden. Es fiel jetzt auf, dass ihre Wangenknochen leicht vorstanden. - Wie findest du es? Fragte sie und wandte den Kopf. - Du bist ja nun ein Junge. - Nein, sagte sie, es ist noch alles da, und hielt ihm den Kopf hin. Er griff in den dichten, supermodernen Schopf. - Au, sagte sie. Sehen Sie einmal, was ich mir gekauft habe. Sie nahm einen Wettermantel vom Garderobenhaken, knöpfte das Futter heraus. Mögen Sie ihn? Sie sagten doch am Regenmorgen, dass man so etwas haben muss. Ich nehme ihn mit, vielleicht gibt es einen Guss. - Eine tolle Farbe, sagte Robert. - Wie welkes Eichenlaub, nicht? Ursel begleite sie zur Tür und trat mit ihnen hinaus. - Ein schreckliches Haus. Stellen Sie sich vor, heute Nacht haben auf dem Dachboden Leute übernachtet und furchtbaren Schmutz hinterlassen. Die Polizei war schon hier. Robert sah zum Glasdach über dem Lichtschacht hoch: das blinde Drahtglas war von teerigen Streifen durchzogen Eva gab Robert den 50-Mark-Schein. - Bewahren Sie ihn auf? Wir wollen ihn ganz klein machen.
Sie fuhren zur Fotofirma und setzten sich in den abgedunkelten Vorführraum. Auf der Leinwand leuchtete es auf. Kristallscharf rollte das Strandleben ab: leichtgekleidete Blondinen, der beleibte Mann mit dem Papiersegel auf der Nase, das Mädchen mit den zitternden, vor der Brust gekreuzten Armen. Und dann Eva, über den Kies laufend, die Sandale verlierend. Hingebückt schlüpft sie wieder hinein. Dann die Nahaufnahme. Evas leicht mandelförmige Augen, gross, mit dunklen Pupillen, und jetzt, deutlich, scharf, enorm, der Schlag der Wimpern, - Eva und Robert mussten lachen. - Meine Klassenkameradinnen werden staunen, sagte sie.
Sie gingen in den Ausstellungspark zum grossen Sommerschlussfest. Sie schlossen sich der riesigen Menschenmenge an, die in breiter Front gegen die Kassen vorrückte. Auf dem Erdboden lagen unzählige Silberhüllen von 'Eis am Stiel'. Die Beleuchtungskörper waren anmutig, schlank, modern, - gefallen mir, sagte Eva. Sie gingen am Tropenhaus vorbei, einer riesigen Kabine aus Glas. Aus dem kühn geschwungenen Orchesterhaus verbreiteten sich die Klänge abgelebter Operetten über die zähflüssig weiterquellende Besucherschar. Ein spezielles Ausstellungspark-Lied mit dem Refrain 'wo die Blumenkinder wohnen, / Paradies der Millionen' erscholl, von der Menge mitgesummt, die rhythmisch angeregt schulterwiegend nun langsamer vorantroff. Enttäuscht wandten sich Eva und Robert zum Parksee. Ach, das ist die Wasserorgel! Rief Eva und reckte sich auf, um über die Mauer der Zuschauer hinweg einen Blick zu erhaschen. Unablässig schossen die Wasserstrahlen empor. Aus Lautsprechern unmittelbar über der Wasseroberfläche, von unschuldigen Enten umkreist, röhrte die 'Blaue Serenade'. - Aus 200 Düsen schiesst das Wasser bis zu 50 Meter hoch, erklärte Robert. Das Wasser soll zur Musik passend aufsteigen und fallen. 60 Unterwasserscheinwerfer geben wechselndes farbiges Licht. - Jetzt ist es ganz hübsch, sagte Eva, als in der letzte Reihe der Wassersäulen kleinere Fontänen wie Wasserfinger, wie Schilf auftröpfelten. Robert führte sie zur Rollschuhbahn. - Was ist den hier los? sagte sie. Unzählige Paare tanzten auf der grossen Betonfläche. Eine Polizeikapelle spielte „Du hast so wunderschöne blau Augen'. - Ich werd' verrückt, sagte Ev. An der Adria, in Riccione, da habe ich schon einmal so etwas gesehen, als sie das Fest der Romagna feierten. Zu den Kuranlagen gehörte eine kleine Rollschuhbahn. Dort tanzten die jungen Leute genau wie hier, aufgeregt, mit vorgestrecktem Hals. - Hoffentlich finden wir Ursel. Es ist schon eine Stunde später. Sie bahnten sich hinter den Seeterrassen den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Im Tanzgarten lagen gelbe Kabel neben dem Plattenweg. Sie lasen ein Schild: 'Heute findet eine Fernsehübertragung statt. Wir setzen das Einverständnis unserer Gäste voraus, im Bild zu erscheinen.' Ein Jüngling stand auf einer Plattform mit Gummirädern hinter einer Kamera und nahm die Tanzenden auf. Unter einem Fliederstrauch neben der Tanzfläche fanden sie Ursel. - Das ist Horst, stellte Ursel vor. - Hier ist es aber südlich, sagte Eva bewundernd mit einem Blick auf die Palmen. Lasst uns was Italienisches trinken. - Grazie, sagte sie zu dem kahlköpfigen Mann, der ihnen die Gläser vorsetzte, in denen sich rot der Campari mit Gin und Wermut mischte. Sie hob ihr Glas, nahm den Duft des am Innenrand aufgespritzten Orangenöls wahr und sagte: è proprio la cosa che ho bevuto in Italia. Die Kapelle begann zu spielen.
Sie tranken, dann, im Aufstehen, nochmals einen grossen Schluck, gingen, die Hände ineinander gelegt, zur Tanzfläche. Hoch in einem Aluminiumgerüst waren Scheinwerfer angebracht. - Jetzt werden wir ferngesehen, sagte Eva. Sie tanzten, dicht an dicht. Neben der Tanzfläche lag ein Wasserbassin, in dem sich Wasserrosen ausbreiteten. Sie hörten einen Frosch quaken. Die fahrbare Fernsehkamera wurde zurückgezogen. Die Scheinwerfer erloschen. Eva und Robert konnten jetzt den Mond neben der blaufahlen Säule des Neonturms sehen. Im Turm, der das Geschenk einer Leuchtröhrenfabrik war, glitt erleuchtet der durchsichtige Fahrkorb in die gläserne Höhe. Schaulustige, die die Treppen benutzten, zeichneten sich als schwarze Striche ab. Da erlosch übergangslos die blaufahle Lichtsäule. Die Tanzkapelle brach mitten in einem slowfox ab. Robert und Eva blickten hoch: das Feuerwerk begann. Riesenknall der Eröffnung. Dann regneten die giftgelben, zyan-blauen künstlichen Farben nieder. Robert und Eva flüchteten unter eine Palme - Lass uns uns hier drunter bleiben, bat Eva. Rakete auf Rakete ging hoch. Ein Geschwader von gelben Schlangen huschte leuchtend davon. Dann stiegen Feuerwerkskörper auf, die man zuerst nur hörte, pfeifend, und die sich hoch in der Luft öffneten, Sterne verspritzend. Die Gäste hatten den Garten verlassen, um besser sehen zu können. Eine Weile war es still. Jetzt sah man im Mondlicht durch die Zweige milchige Nebel ziehen, die einen stumpfen Geruch verbreiteten. - Widerlich, dieser Chemiegeruch, sagte Eva, an Robert angelehnt. Ich mag so etwas nicht. Nun kam ein Riesenschlag. Dann, in schneller Folge, das herzlose Bellen kleinerer Kanonenschläge. Dann Stille Und in diese Stille hinein stieg ein blausilberner Komet, zerteilte sich lautlos.
Eva schaute hin, sah das niederschwebende Licht. - Ich muss an den Bomberpiloten denken, sagte sie, den ich nach einem Luftangriff sah. Er hing am Fallschirm. Ich fragte mich, wo er auftreffen würde. Der Wind trieb ihn. Warum pendelt der so komisch in und her, dachte ich, - bis ich begriff, dass er tot war . . . Ach, Roberto, meine Füsse stehen nicht mehr sehr fest. Ausserdem muss ich einmal verschwinden.
Erleichtert und mit frisch nachgezogenen Lippen kam sie zurück. Das Feuerwerk war verstummt. Eva sah, dass der Trompeter aufstand. Schnell, sagte sie, und sie liefen zur Tanzfläche, die der Kapelle am nächsten war. Sie tanzten langsam, auf der Stelle, hoben die Füsse zu kleinen Schritten, tappten mit den Fussspitzen nach der Melodie, die jetzt schräg und rein in den Abend kletterte, ziehend in der Magengegend – 'call it september'. Evas Mund formte Worte, dicht an Roberts Ohr gesprochen: - In der bar turismo, in Riccione, da war auch so ein toller Trompeter. Wir waren eines Abends dort, tranken Moscato di San Marino. Ein Akkordeonspieler brachte Solostücke, und als er fertig war, sah ich, wie der Trompeter seine Trompete nahm. Sie war gestopft. Er nahm den Topf heraus, setzte an, begann, - und Vati brach auf. Er mochte das nicht, das Moderne. Und als wir die 'Viale Dante' hinuntergingen, hörte ich ihn, und nachher, im 'Zanarini', wo wir draussen vor der Bar auf Stahlrohrstühlen sassen, zwischen zwei Sätzen, die Vati sprach, hörte ich den Schrei der kleinen, blitzenden Trompete . .
Robert zog Eva näher heran, nahm ihre Hand fester, umschloss sie, bittend. Ihr Kopf kam näher, Haarkringel streiften Roberts Schläfe. Sie tanzten Wange an Wange, die Schritte unendlich langsam gesetzt. - So tanzen die Italiener, sagte sie und musste lachen in der Erinnerung. Ihr Bauch wurde erschüttert, drückte gegen Robert. Ihr Körper knickte ein, anmutig sackten ihre Knie. Sie gerieten aus dem Takt. Robert musste fest zugreifen, um Eva zu halten. - Roberto, sagte sie bittend, alles dreht sich, lass' uns stehen bleiben. Sie hielten inne. Evas Stimme war aufgerauht: - Wir sind voll von Gin und Sonne. Ursel und Horst sind längst über alle Berge. Sie sahen am nachtschweren Himmel den Mond hinter dem scharfumrissenen wippenden Palmenzweig. Sie tanzten, bis schon im Garten die Stühle hochgestellt waren und sich die Kellner drinnen zu einem raschen Nachtmahl zusammengesetzt hatten.
Es fuhr keine Strassenbahn mehr, als sie vor dem Haupteingang des Parks standen und Eva fröstelnd den Mantel von der Farbe welkenden Eichenlaubs dichter zusammenzog. Mit einem Taxi fuhren sie bis vor das düstere Haus. - Gib mir bitte den Schlüssel. Robert gab Eva das Schlüsselbund und das restliche Geld. Sie sperrte die Haustür auf. - So, sagte sie, ich lasse offen, damit du wieder hinauskannst. 'Klack' schnappte das Drei-Minuten-Licht an. Laut brach das Knarren der Treppenstufen unter ihren Füssen auf. - Komm, Eva, sagte Robert, als sie vor der Wohnungstür, standen, bitte, Eva, und sie ging mit ihm nach oben zum Boden. Unter dem Glasdach standen sie dann. Robert legte sein Jackett um Eva. - Ich habe lange nicht im Treppenhaus gestanden, sagte sie. - Bist du nächsten Sommer wieder an der See? fragte Robert. Sie schüttelte den Kopf. - Ich komme nach dem Abitur vielleicht zum Studium her. Wenn nicht alles anders kommt. Weisst du, ich kenne jemanden. Schon lange. Sein Vater ist Landarzt. Aber was wollen wir uns das jetzt erzählen.
Das Drei-Minuten-Licht war erloschen. Fahl leuchtete das Mondlicht, von teerigen Streifen unterbrochen, durch das Drahtglas.
- Wie lebst du eigentlich, wir wissen so gut wie überhaupt nichts von uns, Roberto. - Ist es wichtig? fragte er. - 'Aus Gebüsch, unter dem wir liegen. Im Gewühl. Und wo wir einsam sind!' zitierte sie. Du weisst, was ich sagen will. - Hm, machte er. - Wir waren nie traurig, an der See, Roberto. Muss sich das ändern? - Weisst du, Eva, ich kenne auch jemanden. - Ich wusste es. - Auf dem Bartisch im 'Nordpol' liegt jetzt vielleicht der aufgeschlitzte Leib einer Zitrone. Enrico macht seinen Laden dicht Ich werde wie du hin und wieder Zusammenziehendes trinken, - Campari-Bitter. - Zuhause trinke ich nur auf Parties. Du musst nicht glauben, dass ich in der Schule eine Taschenflasche Aperitivo bei mir habe. - Hast du eigentlich eine Freundin, Eva? - Nein. Ich bin eine Einzelgängerin. Ursel kenne ich von ganz früher. Es ist Zeit. - Stia bene, Roberto. Er wollte sie küssen. - Bitte nicht, sagte sie, löste sich, gab ihm sein Jackett. - Addio, Roberto. Sie ging, mit quergesetzten Füssen, damit die Stufen nicht knarrten, nach unten, schloss die Wohnungstür auf, schlüpfte hinein und schloss von innen zu.
Im Treppenhaus flammte das Licht auf. Robert hörte Schritte und Stimmen. Eine blonde Frau, das Haar zu einem Knoten gebunden, ging bis zum 4. Stock und schloss ihre Wohnung auf. Die Tür liess sie offen. Dann erschien auf dem Treppenabsatz ein untersetzter Mann. Er trat schwerfüssig an das Geländer und äugte zum Boden hoch. - Paul, wo bleibst du, fragte die Frau aus der Wohnungstür heraus. - Mir kommt das nicht geheuer vor. Die Haustür wieder nicht abgeschlossen, da stimmt etwas nicht. Er war offensichtlich angetrunken und begann, die Stufen zum Dachboden hochzusteigen.
Heda, Bursche! rief er, hab' ich dich! Hier alles vollzuferkeln, warte nur! Schwerfällig stiess er auf Robert zu. Die Frau kreischte, als sie die Ringenden sah. - Erna, ruf die Polizei! Der Dicke schwitzte. An den Wurzeln seiner rötlichen spärlichen Haare sammelten sich Schweisstropfen, rannen in die Augenbrauen und tropften herab. Er war kurzarmig. Robert presste ihn gegen die Wand und konnte ihn sich vom Leibe halten. Neben der blonden Frau trat jetzt ein junger Mann im Morgenmantel näher, Untermieter bei diesen Leuten. Robert sagte ihm mit zwei Sätzen, wie sich die Dinge verhielten. - Herr Kausche, sagte der junge Mann, lassen Sie mich den Kerl mal ansehen. Diesen Augenblick benutzte Robert und entwich. Er lief die Treppen hinunter. - Die Haustür wird verschlossen sein! schoss es ihm durch den Kopf. Vor der Haustür stand jemand. Robert rüttelte an der Tür. Es war ein Liebespaar. Das Mädchen schloss auf. Es war Ursel. - Sagt der Polizei, ich hätte euch umgerannt, rief Robert ihr zu und lief davon. Ursel und Horst blickten ihm entgeistert nach.
Eva hatte von dem, was im Treppenhaus geschah, nichts wahrgenommen. Sie entnahm dem kleinen Koffer einen Schlafanzug, ganz frisch, noch von zuhause. Sie stieg hinein, kühl-geborgen, und in Ursels Zimmer ganz am Ende des langen Flurs krabbelte sie auf die Couch, die für sie gerichtet war. Sie blätterte in einem Filmjournal, bis Ursel kam und ihr berichtete, was sich ereignet hatte. - Der widerliche Herr Kausche hat mit der Polizei geblufft. Die haben gar kein Telefon. - Il povero Roberto, sagte Eva, sich ausstreckend, die Hände hinter dem Kopf.
Robert stand an der Alster unter den nachtdunklen Bäumen. Er holte seinen Tabaksbeutel vor, stopfte die Pfeife. Dann presste er das Rädchen über den Feuerstein, dass die Funken sprühten. Es gab keine Flamme. Immer wieder sprang nur der kalte Blitz über den Docht.
Verlassen lag das hohe Ufer. Still die nachtschwere See. Über den schlafenden Mauerschwalben oben auf dem Kliff zwischen den Grasbüscheln lag unter dem Gesträuch das weisse Spitzentaschentuch mit dem hellblau gestickten Monogramm, mit dem 'E'. Der Regen nässte es, es gilbte im Sonnenlicht, schmutzig lag es im Schnee.
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2009
Alle Rechte vorbehalten