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Jere hasst den Winter.

Er hasst ihn wirklich, denn es ist einfach nur abscheulich, Winter eben.

An kalten Tagen heult ihm eisiger Wind unter den Mantel, Schnee verfängt sich in seinen schwarzen Haaren, rinnt ihm, sobald er schmilzt, eklig in den Kragen und die Wege sind so Spiegelglatt, dass es ihn viel zu oft zu Fall bringt. Das Bild der Großstadt, in welcher er lebt, ist dann meist auch jämmerlich, nur im Dezember von lächerlicher Weihnachtsdekoration beleuchtet. Die Straßen sind voller braunem Schmand, während seine Hündin vor lauter Salz nicht mehr auf den Gehwegen laufen kann.

Doch wenigstens die Kälte quält die kleine Mischlingsdame nun nicht mehr. Oder sollte es zumindest, würde sie sich endlich den soeben gekauften Mantel anziehen lassen!

Anklagende Hundeaugen sehen ihn an, während er selbst fast flehend zurückblickt.
„Was ist denn bitte so schlimm daran diesen einfachen, schwarzen, extra für Hunde geschneiderten Mantel zu tragen, um nicht mehr neben mir herzu trampeln? Von Alex lässt du dir doch auch alles Mögliche gefallen, wieso nicht einmal etwas Sinnvolles von mir?“, Jeres Stimme nimmt langsam einen wimmernden Unterton an. Er hockt immer noch vor der Tierhandlung, wo er dieses offensichtliche Folterinstrument gekauft hat. Seit gut fünf Minuten hat es sogar schon einen Zuschauer.

Bisher unbemerkt hat der junge Verkäufer des Tierfachhandels seine Pause genutzt, um seine Lunge mit dem blauen Dunst einer Zigarette zu schändigen. Mittlerweile überlegt er, ob er sich herablässt außerhalb seiner Dienstpflicht verzweifelten Haustierbesitzern zu helfen. Immerhin musste er das schon über sieben Stunden machen und dieses Schauspiel ein paar Meter neben ihm ist einfach zu amüsant.

„Schaut aus als hätte ihre kleine Diva mächtig was gegen Klamotten über ihrem schönen Fell.“

Zeitgleich drehen Jere und Maja, so übrigens der Name der Hündin, den Kopf zu dem Mann im roten Arbeitshemd.* Reichlich erschrocken stammelt Jere etwas Zustimmendes. Zumindest fasst der Andere das so auf, da er, ein freches Grinsen aufgelegt, seine Hilfe anbietet.

„Danke, das ist heute irgendwie ein richtiger Sturkopf. Normalerweise lässt sie sich alles gefallen“, erwidert Jere erleichtert, als er sich von seinem Schrecken erholt hat.

„Wenn es der Hund nicht von klein auf gewohnt ist, sieht er ja auch keinen Sinn daran so ein störendes Teil zu tragen“, ist die fachmännische Erwiderung. Der Verkäufer mit den wildabstehenden blonden Strähnen und den lebendigen grünen Augen hockt sich zu ihm, hält seine offene Hand der Hündin zum Beschnuppern hin,

„ich bin übrigens Antii.“

„Oh! Ähm, ich heiße Jere und das ist Maja.“

„Wie die Biene?“

Seine Lippen verlässt ein leises angenehmes Lachen.

„Ja, mein kleiner Bruder Alex hat sie so getauft“, gibt er Auskunft und überreicht dem Verkäufer, nein Antii den Mantel,

„na dann versuch mal dein Glück.“

„Eine meiner leichtesten Übungen“, feixt der Blondschopf, nimmt Jere das Teil ab und knüpft es erst mal auf, um es dann blitzschnell über den Kopf der Mischlingsdame zu stülpen. Jere streicht sich backenplusternd den langen Pony aus den rehbraunen Augen;

„Angeber, ein Glück das sie nicht mal weiß was Beißen überhaupt ist.“

„Ach, du würdest doch nicht nach mir schnappen. Bist doch ein braves Mädel, oder Maja?“

„Blödmann“, grinst er und beobachtet wie Antii die Knöpfe schließt und die Leine wieder an Majas Halsband befestigt. Dann stehen sie beide auf und Jere bekommt die Leine in die Hand gedrückt.

Antii lächelt ihn an;

„Hast du jetzt noch Zeit?“

„Hm, ich denke schon. Zumindest ist für heute nichts mehr geplant.“

„Perfekt! Dann können wir ja noch irgendwas machen. Karo schreibt mir die halbe Stunde bis Feierabend bestimmt nicht an“, weil Jere aber nur ein verständnisloses Gesicht zur Schau trägt, setzt Antii noch eine Erklärung hinzu, „Du bist mir nämlich sehr sympathisch und ich fände es ziemlich schade dich jetzt einfach so gehen zu lassen.“

„Grundsätzlich habe ich da ja auch nichts gegen. Aber ich frage mich gerade, ob ich irgendwo an mir `Schwul und Single` stehen habe?“

Wieder kommt er in den Genuss des schönen Lachen des Anderen.

„Nein, aber den Button eines einschlägig bekannten Clubs am Kragen. Da hab ich wohl ins Schwarze getroffen.“

Daraufhin wird Jere kirschrot und stimmt in das Lachen ein;

„Aber wenn wir heute noch etwas unternehmen wollen, solltest du dich lieber ganz schnell in normale Klamotten werfen.“

„Na dann, du entschuldigst mich kurz?“
Damit und mit einem angedeuteten Handkuss eilt Antii nach drin.

Jere sieht ihm lächelnd nach, wie er seiner Kollegin etwas zuruft und eine lachende Antwort bekommt, aber auch keine fünf Minuten später schon wieder vor ihm steht.
Jere lächelt immer noch:

„Na wird aber auch Zeit! In der Zwischenzeit kann man ja erfrieren.“

„Keine Sorge, ich hätte da schon meine Mittel und Wege, um dich wieder aufzutauen“, grinst Antii, während er den Arm um die Schultern des kleineren Jeres legt und sie in Richtung Weihnachtsmarkt loslaufen.

„Ach ja Jere“, wispert er ihm mit rauchiger Stimme ins Ohr, „ich glaub ich hab‘ meine Telefonnummer im Laden vergessen. Bekomm‘ ich deine?“

„Na, für den Spruch ganz bestimmt nicht du Spinner“, lacht er.

„Und für was dann?“

„Lass dir was einfallen.“

Hündin Maja trottet derweil nur schmollig neben den beiden her, dieser blöde Mantel aber auch.

Impressum

Texte: coverphoto © 2009 photobucket
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2009

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