Die geflügelte Grotte
Kapitel II- Der geheimnisvolle Fremde
Jonathan kniete im Dickicht des Waldes, der sich in der Mitte der Insel schier ins Unendliche erstreckte. Seid dem Tag seiner Ankunft war viel Zeit vergangen, doch wie viel Zeit genau das vermochte er nicht mehr einzuschätzen. Zu viele Stunden war er herum geirrt, immer wieder an der Grotte ausgekommen um wieder aufs neue den Weg in die Freiheit zu erreichen. Voller Verzweiflung hockte er hinter Felsen, versteckte sich hinter Sträuchern und Bäumen um ja keinen laut von sich zu geben. Diese Insel war der reinste Irrgarten und Jonathan befürchtete seinen Verstand zu verlieren. Während der ganzen Zeit in der er herum irrte, fühlte er sich verfolgt und traute sich nur selten sich um zudrehen. Er hörte ein Hecheln, ein Schmatzen oder Schlürfen, ständig spürte er den Atem eines vermeintlichen Verfolgers im Rücken. Er rannte, sprang, stürzte, rappelte sich wieder auf, rannte wieder und das bis zur Dunkelheit. In die Grotte traute er sich nicht zurück, und so beschloss er im Freien zu bleiben.
Im Schutz des Waldes, wenn es diesen überhaupt gab. So im Dickicht hockend zog sein ganzes bisheriges Leben an ihm vorüber. Seine Kindheit die an und für sich recht angenehm verlaufen war, der Abschluss an der Uni, seine erste Ehe mit Syndia , ihr Sohn, der erste Rausschmiss in der Firma.
Er erinnerte sich wieder an seinen Eintritt bei der WWF (World Wide Fund For Nature), an seinen ersten Aufenthalt in der Südafrikanischen Sektion die schon seid 1961 bestand. Es war sein erster Auftrag den er damals erhielt und er erinnerte sich mit wie viel Engagement, mit wie viel Inbrunst er sich sich schon damals für Tiere und Natur einsetzte. Mit einer Gruppe anderer Freiwilliger hatte er sich in diesen schwierigen Tagen gegen Wilderer zur Wehr gesetzt und ihnen die Stirn geboten. Elfenbeinjäger, Jäger die wahrlos seltene Schlangen töteten um ihr wertvolles Gift zu rauben und es in Europa für Unsummen an Universitäten und reiche Privatleute zu verschachern, die damit ihrer Perversität frönten.
Jetzt hier auf dieser Insel, die Knie wund gescheuert, blutend und hungrig erinnerte er sich an die Worte seines Vaters.
„Es bringt rein gar nichts den Samariter zu spielen“; so waren seine Worte damals. Das alles war so abstrus, das Jonathan laut lachen musste.
Ein Lachen welches aus Tränen des Schmerzes entstand. Doch dann hielt er gestockt den Atem an, denn da war es wieder; dieses undefinierbare Geräusch, welches ihn zusammen zucken ließ und das Blut in seinen Adern gefror. Dieses schrille Kreischen, dieses gequälte unterdrückte Quieken das an sein Ohr drang. Noch tiefer kauerte er sich ins Geäst und bewegte sich nicht. Er dachte wieder an den Tag seiner Ankunft. Das verlassene Zelt, diese merkwürdige Grotte die so unheimlich wirkte, den geschmolzenen Umriss den es in der Wand gab, und er dachte an Fuchs und seine Enkelin Lissy. Ob sie wohl noch am Leben waren? Was war das wohl für ein Ding was aus der Wand fiel und über Fuchs Kopf hinweg geflogen war, und wo waren die Fledermäuse? Überhaupt hatte Jonathan hier wenig Tiere auf der Insel ausgemacht. Die Vorräte würden noch eine Weile reichen, doch was dann? Was wäre wenn er nicht rechtzeitig da war wenn das kleine Fischerboot anlegte. Wie sollte er wissen welcher Tag war, welche Uhrzeit? Wenn es hier etwas böses gab, und er war sich sicher das es hier etwas sehr böses gab, dann wäre die Anlegebucht ein schlechtes Ziel. Es war ausschließlich offenes Gelände und er wäre ein leichtes Ziel. In seinem Kopf drehte sich alles und er hätte große Lust gehabt zu schreien, nur dass es endlich aufhörte, vorbei wäre. In Gedanken versunken bemerkte er die groben Umrisse gar nicht die sich direkt vor seinen Füßen aufbauten . Diese schummrige Gestalt die ihn am Hals packte, in die Luft hob und ihm einen herben Schlag versetzte. Fast mit einem dankbaren Lächeln sackte er zusammen und übergab sich der Dunkelheit. Als Jonathan wieder zu sich kam, erblickte er zunächst verschwommen, dann klarer wo er sich befand. Es war eine mittelgroße kugelförmige Hütte, eher eine Art Iglu; welches aus Sträuchern und Ästen errichtet schien. Es stank furchtbar nach Urin und Resten von vergammeltem Fleisch. Er richtete sich auf und blickte sich um. Im hinteren Teil des Kugelförmigen Baus erkannte er eine Gestalt die am Boden kauerte, und seltsam hin und her wippte.
Diese Gestalt wirkte wie ein Grashalm der sich im Winde wog. Er versuchte diese Gestalt anzusprechen, auch wenn er sie immer noch nicht vollständig erkennen konnte. „Sind sie Fuchs“, fragte er immer wieder. Doch die völlig verstört wirkende Gestalt zischte nur ein Pssssst und winkte mit den Händen ab. „Bloß nicht reden, sie können uns hören.“ dann legte diese Person die Jonathan jetzt erkennen konnte die Finger an die Lippen. „Sie sind doch Fuchs oder? Was ist mit ihrer Enkelin und wer kann uns hören? Nun sagen sie schon, geht’s ihr gut?“
Doch der Mann der wohl wirklich Fuchs zu sein schien, brach in schreckliches Winseln aus, und krümmte sich wie ein Tier. Doch schon war von draußen ein fürchterlicher markerschütternder Schrei zu hören, und eine Sekunde darauf wurde eine ganze Hälfte des Unterschlupfs heraus gefetzt und ein Wesen halb Mensch, halb Fledermaus flog direkt auf Fuchs zu, schnappte ihn mit seinen Krallen wie ein totes Stück Fleisch, um mit seiner Beute zur zweiten Hälfte des Schutzbaus heraus zu brechen um in der Nacht zu verschwinden. Jonathan war völlig zu Stein erstarrt und unfähig sich zu bewegen. Das einzige was er mitbekam, waren die schrillen Todesschreie des zum Untergang geweihten Opfers welches in der Ferne entschwand.
Texte: Alle Rechte liegen beim Autoren Falk Peter Scholz
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Jürgen Wulf