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Kreuz am Haken


Dieser Schrei, aus allen verbleibenden Lebenskräften gefertigt, war ein tausendfaches Widerhallen in Terrys Kopf. Ein alter Mann schließt die Augen, atmet im Gleichgang der Gezeiten. Leben. Ich will, dass du lebst, dachte er. Als Terry die Augen öffnet, ist er genau dort wo er immer ist. Er ist wieder am Grab, am Grab ohne Kreuz..
“ Dieser scheiß Friedhof, dieser beschissene Friedhof und doch ist er das kostbarste was ich besitze. Meine Heimat, hier bin ich zu Hause.“
Terry wurde unsanft aus seiner Lethargie gerissen. Lautes Dröhnen durch fuhr Ihn augenblicklich.
“Das ist der Bagger. Er ist es und er wird mir alles nehmen."
Mit einem Satz sprang Terry auf und ging im Eiltempo auf den Bagger zu.
„Ihr verdammten Leichenschänder was denkt Ihr euch? He ich rede mit euch." Die beiden Männer erwiderten das Gebrüll nicht. Einer von Ihnen war aus dem Bagger gestiegen.
Er war groß und er hatte eine kräftige Statur. Einen Vollbart und er sah sauer aus! Wie ein wütender Holzfäller. Der andere war der eher der nordische Typ. Blaue Augen, helle ins rötlich gehende Haare, fast ein bisschen schmächtig mit Sommersprossen gesprenkelt. Eine Schippe, die er auf der Schulter trug, hob er jetzt bedrohlich in die Höhe.
„Sie werden jetzt nach Hause gehen, ins Altersheim oder wo Sie sonst hin wollen." Der schmächtige spuckte auf Totenerde.
„Aufhalten kannst Du uns ja sowieso nicht alter Mann. Verpiss Dich einfach ok."
„Einen Scheiß wird ich tun“, Terrys Kopf glühte. Er schwitzte wie ein Schwein und an seinem verschrumpelten Hals, der aussah wie gegerbtes Leder traten die Adern hervor. Die Wut begann unermesslich in Ihm zu kochen. Dann fiel er auf die Knie. Er begann zu beten, er flehte.
“Ich bitte Euch habt doch ein Herz. Seit 33 Jahren komm ich hierher, jeden Tag . Egal ob es hagelt, schneit, oder Scheiße regnet. Jeden verdammten Tag komm ich an diesen Quell des Leides, an diesen Quell der Liebe. Es ist mein zu Hause." Seine Stimme säuselte benebelnd und war kaum noch zu verstehen. Doch statt Ihn zu verstehen, spotteten Sie nur.
„Leg dich doch dazu Opa, so kannst Du dir den Heimweg sparen." Zwei Wochen war es her, dass Terry zu Hause saß. An einem Dienstag Nachmittag. Geregnet hatte es auch noch. Terry hatte es sich mit seiner Katze Minzi, auf dem Sofa bequem gemacht als es klingelte und er Besuch von der Friedhofsverwaltung , in Form eines Mannes mit schlecht sitzender Krawatte bekam.
„Es ist uns sehr wichtig, dass sie dieses Problem verstehen Herr Sebert. Das Grab Ihrer Frau muss weg und zwar schnell. In spätestens zwei Wochen machen wir ernst." Der Stinker grinste süffisant, nickte bedeutungsvoll und ging. Terry Sebert eigentlich Dr. Sebert, war ein 77 jähriger kleiner Mann . Er war früher Lehrer gewesen. Er lehrte Sprachen und Mathematik, eben ein Mann den die Arbeit stets zufrieden gemacht hatte. Er lebte ein erfülltes, wenn auch nicht perfektes Leben. Bis er seiner Frau das erste mal begegnete. Mit dieser Erinnerung kehrte auch das Lächeln in sein Gesicht zurück. Was war Sie doch für eine Frau.
Sie war schön, hatte ein bezauberndes Lächeln und konnte einem doch mit Ihrer ständigen Heiterkeit den letzten Nerv rauben. „Wisst ihr: Ich habe Sie 1932 kennen gelernt. Sie lief mir direkt in die Arme und da blieb Sie 20 Jahre. Sogar jetzt halte ich Sie noch fest, meine geliebte Martha. Verzeih mir meine geliebte Frau." Terry erhob sich jetzt, zog sich Jacke und Hemd zurecht und stand nun fest entschlossen vor dem Grab seiner geliebten Ehefrau.
“Es hat ja sowieso schon länger gedauert als erlaubt." Nun schritt er voran. Geschlossene Augen, Liebe im Herzen und Wut im Bauch. Der große setzte sich in Bewegung, stieg in den Bagger und begann zu fahren. Langsam zwar aber er fuhr.
“Mensch hauen sie endlich ab! Sie sind ja irre." Jetzt schrie auch der Dürre: „Geistesgestört ihr Alten, geh aus dem Weg oder du wirst draufgehen." Er keuchte. Unbeirrbar schritt der Alte auf den Bagger zu.
Schritt für Schritt. Das nächste was Terry spürte war ein dumpfes Knacken, ein tiefer Schmerz. Hämmernd bohrte sich der Schmerz ins Fleisch. Er war geradewegs gegen den Bagger gekracht. Blut ran sein Gesicht hinunter und lief in seine Augen. Rücklings lag er auf dem Leichenklee und alles begann sich zu drehen. Terry sah Sie nun , eine Schönheit. Langsam kam sie näher, das Lächeln kannte er gut.
„Wie geht es Dir mein Herz ?“ Terry bekam nichts mit von den zwei Männern die sich über einen alten schwer verletzten Mann beugten, krampfhaft versuchten die klaffende Wunde zu stoppen. Nun war er da , an dem Platz nach dem er sich die letzten Jahre so sehr gesehnt hatte. Die schöne hell erleuchtete, von einem schimmernden Licht umgebene Frau, beugte sich zu Terry hinunter.Sie streichelte sein Gesicht, küsste Ihn zärtlich und begann zu beten.
„Warum betest Du?", fragte Terry.
„Für mich?" Sie lächelte .
„Nein nicht für dich sondern für mich. Ich bete um Kraft zu bekommen, Kraft für eine Minute in menschlicher Gestalt , um dich berühren zu können. Ein mal nur." Einer der Schatten begann zu sprechen.
“Mit wem redet er da? Ich kann überhaupt nichts verstehen", antwortete Ihm der Zweite. „
Ich habe das alles nicht gewollt. Der Dürre geriet völlig in Panik, so als würde Ihn der Teufel selbst jagen und er rannte davon.
Sirenen!
Das hatte der Holzfäller total vergessen.
„Zum Abhauen war es zu spät!“
Da er sich der Situation bewusst war, drückte er nun fester auf die Wunde. Dieser Lumpen der einst ein Hemd war , blutete aus allen Poren.
„Martha, ich habe dein Kreuz entfernt. Auf dem Grab meine ich. Es tut mir Leid.
Scht…nicht reden. Geliebter Terry, deine Sehnsucht spürte ich jeden Tag aufs neue. Ich hatte starke Schmerzen und das obwohl ich gar nichts spüren kann."
Der Mann der zitternd auf dem Boden des Waldfriedhofs lag, röchelte. Seine Frau legte Ihren Kopf auf seine Brust , einen Teppich aus Blut und Haaren. Sie streichelte Ihn zärtlich und die beiden schliefen im Duett. Zwei Straßen weiter:
In einer kleinen Dachkammer eines alten Hauses, hing ein großes hölzernes Kreuz an der Decke.
Ein Kreuz am Haken.


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Impressum

Texte: Copyright by FSBlaireau
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2008

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Widmung:
Ist einem langjährigen Freund von mir gewidmet!

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