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Einleitung




Ich denke die Funktion einer Einleitung ist euch geläufig. Also fangen wir gleich mal an und beschreiben mein Leben.
Ich bin Alba und 17 Jahre alt, komme aus Amerika, genauer Texas, genauer ein Dorf namens Cabbithill. Ja und mich kann so schnell nichts einschüchtern, denn das Dorf hatte es in sich, aber das tut nichts zur Sache, schließlich wohne ich seit 7 Jahren in Deutschland, genauer Bayern, genauer München. Als wir da hinzogen sind, war ich ja noch recht jung, 10 eben, und ich denke Deutsche lernen das mit der Geografie und Ortskunde erst später als die amerikanischen Kinder, aber sogar für mich war es eine völlig neue Situtation zu erfahren, dass Bayern in Deutschland ist. Also was ich damit sagen wollte, ich dachte eigentlich Bayern wäre ein eigenes Land und nicht IN Deutschland. Aber ich erfuhr das gleich bei der Anreise, von daher kein Problem. Der Grund warum ich hier her zogen war, dass mein Dad, hier heißt es ja normal Papa, was neues wollte und ihm wahrscheinlich die Decke auf den Kopf fiel. Und meine Mum, also meine Mama, die war ganz entzückt von der Idee und war stolz auf sich, weil sie es endlich geschafft hatte meinen Dad aus diesem Dorf zu bringen. Also meine Mum wollte schon immer raus aus dem Dorf, sie kommt ja eigentlich auch aus Deutschland (deswegen kann ich auch so gut deutsch), und anfangs ist sie ja auch nur mit dahin gezogen, weil sie besprochen hatten, dass das nur als Übergangslösung dient und weil meine Mum gerade schwanger mit mir war und sich deswegen auch keinen Umzugsstress antun wollte, was ja auch berechtigt war, wer weiß wie ich dann geworden wäre. Sowieso schon schlimm genug, dass ich auf der Anreise auch noch mit der Kennenlerngeschichte der beiden konfrontiert wurde und mir somit auch mein manchmal unerklärliches Verhalten herleiten konnte. Da erzählten mir nicht wirklich meine Eltern, dass sie sich in einem Hotel in New York kennen gelernt hatten. Moment das war ja noch harmlos, ich hab ja nichts gegen New York, hätten auch gern dahin ziehen können, aber nein wartet vergesst das wegen der Geschichte die jetzt kommt will ich da NICHT hinziehen, aber haben sich meine Eltern nicht wirklich in dem Hotel kennen gelernt (wo ich dann auch noch gezeugt wurde) als meine Mum sich im Aufzug versuchte das Kleid auf zu machen, weil sie so dringend auf Toilette musste. Ihr könnt es euch sicher denken. Die Tür vom Aufzug öffnete sich, meine Mum zupfte wie wild an ihrem Kleid rum und verknotete dabei ihre Beine notgedrungen und mein Dad stand außerhalb des Aufzugs starrte sie schockiert an und lachte erstmal los bis er merkte, dass meine Mum das ganze gar nicht komisch fand, aber auch gezwungenermaßen stehen bleiben musste, weil sie sich sonst in die Hose gemacht hätte. Ende vom Lied war dann, dass meine Mum es zum Glück noch auf die Toilette schaffte und sich am folgenden Tag gleich mit meinem Dad verabredete und es dann auch gleich heiß herging und wie man feststellen konnte zum Leidwesen meinerseits, ohne Verhütung. Bravo.
Jedenfalls hatten wir in München sogar ein Haus, weil meine Eltern so viel ansparen konnten bzw. ist es ihnen so leicht gefallen etwas anzusparen, weil es eh nichts teures gab in dem Dorf. Es war ein normales Einfamilienhaus, mit gut gepflegtem Vorgarten, zwei Stellplätzen für Autos und einer weißen Fassade, die so weiß wie ein Blatt Papier war. Es war so was wie eine Neubausiedlung, wo alle 20 Meter ein Haus stand, alle eben neu gebaut, jedes luxuriöser als das andere und jeder, wirklich jeder Bewohner der Siedlung hatte 2 Autos, die dann dazu auch nicht mal billig aussahen. Da konnten wir auch noch mithalten, aber irgendiwe waren wir halt doch nicht so deutsch wie diese reichen Schnösel. Und Kinder hatte ihr auch fast keiner. Aber die hätten sowieso nur die ganzen Neuwagen zerkratzt und beschmutzt. Waren eben alles eingebildete Karrieredenker. Zum Glück wohnten wir mehr am Rande dieser Siedlung, so dass eine lange Straße mit Reihenhäusern und kleinen Mehrfamilienhäusern gleich an unsere Straße grenzte.
Mehr dazu später. Was vielleicht noch wichtig ist, ich gehe in die 11. Klasse , also Gymnasium, habe da meine Freunde und nein ich bin nicht die hellste Leuchte in der Schule, aber ich hab es halt bis dahin geschafft und werde es auch noch weiter schaffen, egal wie.

Fangen wir an



Ich ging wie jeden Tag in die Schule. Eigentlich mehr wegen meinen Freunden als wegen des Unterrichts. Vor dem Gebäude traf ich mich ebenfalls wie jeden Tag mit meiner besten Freundin. Gleich sprang sie mir um den Hals und schrie lauthals über den gesamten Schulhof: "Ich muss dir dringend was erzählen, Alba. Du weißt ja gar nicht wie sehr dich das interessieren wrid." ,Ja Emma, ich kanns mir denken so wie jedes mal. Üblicher Blödsinn wie: ich hab meinen Nachbarn gesehen und ich hatte nur eine Jogginghose an und war ungeschminkt oder im Supermarkt bei uns um die Ecke arbeitet ein neuer junger Kerl.' Also das dachte ich natürlich nur, würde ich das jedesmal laut aussprechen, wäre ich schon längst tot. Ich wartete eigentlich gespannt darauf, dass sie endlich anfing, aber sie blinzelte mich nur an und wirkte schon wieder desinteressiert. Als ich mich versicherte, dass sie wirklich nicht anfangen wollte, schob ich sie zur Seite, ging an ihr vorbei und sagte: "Komm lass uns reingehen." Sie folgte mir, immer noch geistig abwesend. Als wir im Gebäude waren, stoppte ich und wartete, dass sie endlich anfangen würde zu erzählen. Es kam erneut nichts. Fast schon überrascht über ihr Schweigen, stieß ich ihr leicht mit meinem Ellbogen in die Rippen. Endlich schaute sie mich mal wieder an und diesmal war ihr Blick wieder lebendiger. Sie sagte aber immer noch nichts also fragte ich sie mit aufgeregter Stimme: "Wolltest du mir jetzt was erzählen oder nicht?" Der Satz löste wieder so etwas wie eine Belebung ihres Geistes aus und sie schien wieder richtig bei sich zu sein: "Ja also, sorry hab das ganze nochmal durchgespielt. Also pass auf, ich war gestern Abend noch mit meiner Mama im Palma und wir haben was gegessen. Und dann haben wir gezahlt und wir gingen raus und da stand dann so ein Typ mit so ganz verwuselten Haaren und mit Jeans und Jacket und zum Glück war es noch hell und er sah einfach so gut aus und dann hab ich..." "Könntest du bitte auch mal einen Punkt machen und nicht dauernd 'und' dazwischen sagen?!" Unterbrach ich sie. Mich nervte das so sehr, immer wenn sie erzählte kamen so viele "Unds" hintereinander, dass man am Ende einen Satz mit 483736 Teilen hatte. Inklusive dem Bindewort "und". Sie schaute mich verstört an und fuhr fort: "Jedenfalls ist mir dann was richtig peinliches passiert. Ich hab den Kerl angestarrt und bin aber weiter gelaufen und dann hat meine Mama anscheinend gefragt, ob ich nicht mal schnell ihre Handtasche nehmen könnte und das hab ich aber nicht gehört und dann konnte ich erstmal knapp einer Mülltonne ausweichen und meine Mama wollte mir in dem Moment die Handtasche geben und verließ sich darauf, dass ich ihr die abnehme, aber ich hab das ja nicht gehört und dann viel ihr Prada-Täschchen in den Müll. Und wer hat den Ärger bekommen und musste sie dann rausfischen...ICH! Ich hätte sie dafür echt umbringen können, weil der Typ das alles gesehen hatte." Die "unds" dazwischen brachten mich nicht aus dem Konzept, aber es schien mir als müsste ich viel mehr Information verarbeiten. Ich konnte ihr weitgehenst folgen und wusste sofort was zu sagen war: "Mach dir nichts draus, diesen Kerl triffst du bestimmt nicht mehr, München ist groß genug." Etwas enttäuscht sah sie mich an. Sie hat sich bestimmt mehr erhofft, aber ich war um die Uhrzeit einfach noch nicht in der Lage mir philosophisch groß was einfallen zu lassen. Ich zwinkerte ihr zu und deutete mit einer leichten Kopfbewegung nach rechts an, dass ich weiter gehen wollte. Den Blick hatte ich dabei aber immer noch auf sie gerichtet und so merkte ich nicht, dass 2 Meter neben mir ein Typ mit seiner Schultasche beschäftigt war. Also stieß ich total gegen ihn, da ich ihn auch beim Loslaufen nicht gesehen hatte. Er zuckte zusammen, so wie ich auch. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich aus der Trance wieder rauskam und vor mir hat sich nun der Typ wie ein Schrank aufgebaut und schaute mich grimmig an. Etwas kleinlaut wollte ich mich entschuldigen, aber ich bekam vor Schreck keinen Mucks raus. Zu allem Überfluss hat er seine Hände auch noch in die Hüften gestemmt. Was für ein furchteinflössender Kerl. Anscheinend viel ihm auf, dass ich mir echt fast vor Angst in die Hosen machte, weil er auf einmal ein kleines Lächeln in sein Gesicht brachte. Am liebsten wäre ich einfach weggerannt, aber er packte mich am Arm. Also für ihn sollte es wohl ein sanftes Nehmen sein, aber ich fühlte seinen Daumen schon in meinen nicht sehr stark ausgeprägten Oberarmmuskeln. "Nächstes mal besser aufpassen, Fräulein." sagte er mit einer mahnenden aber freundlichen Stimmt. Ich blickte im in die Augen. Das machte mir nur noch mehr Angst und ich wollte jetzt noch dringender einfach wegrennen. Dann wanderte mein Blick seinen Arm entlang bis zu meinem Oberarm, den er immer noch fest im Griff hatte. Nicht schmerzhaft, aber ich konnte es deutlich spüren. Ich überlegte mir einen geeigneten Satz und stammelte dann los: "A..Al..Also t..tu..tut m..mii.miirrr echt leid, hab dich nicht gesehen." Ich spürte wie ich kurz davor war los zu heulen. Ich heule ja normalerweise nicht so schnell, aber wenn mir etwas so derartig seltsames und gruseliges passiert, konnte ich doch schnell meine Kontrolle verlieren. Endlich ließ er meinen Arm los, aber stattdessen dass der Arm wieder an seinen Körper wandert, berührte ein Finger mein Kinn und klappte meinen Mund zu. Wie peinlich, ich hatte nach dem Reden wohl meinen Mund offen gelassen. Fiel mir gar nicht auf, wahrscheinlich war ich so geplättet von seiner so überaus großen Hand und seinen Oberarmmuskeln. Schnell sagte er: "Ist ja nichts passiert." Er nahm seinen Finger von meinem Kinn und hielt ihn noch einen Moment so. Mein Blick wanderte von meinem Oberarm auf seinen Finger, den er jetzt leicht gekrümmt hatte. Diese Hände. Aber das war nicht das einzige, dass mich so vergessen ließ wo ich war und wer ich bin. Seine Stimme war so männlich und so tief. Auch wenn er mich echt böse geschimpft hätte, hätte ich sie immer gern gehört. Er wartete vermutlich darauf, dass ich endlich gehen würde, aber ich konnte nicht. Ich hatte echt Wurzeln geschlagen. Ihm schien langsam klar zu werden, dass ich noch länger da stehen würde also zog er seine Hand weg, beäugte mich noch einmal kurz und drehte sich weg. Ich wollte schon fast durchatmen, als er sich nochmals zu mir umdrehte, mich wieder kurz beäugte und dann sein Gesicht gewagt nah an meins bewegte: "Kann ich vielleicht deine Nummer haben?" Meine Augen wurden groß und mein Herz machte innerlich irgendwelche Seilspringübungen. "Ähm.." Er legte seinen Kopf schief, aber richtete seinen Blick immer noch auf mein Gesicht. "Ja moment" Ich durchstöberte mein Gehirn und musste feststellen, dass der Typ einfach alles durcheinander gebracht hatte. Zum Glück hatte er die Abteilung -Wichtige Nummern- nicht angerührt. Ich rasselte meine Nummer herunter und merkte gar nicht, dass es viel zu schnell war. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich vom Gierigen zum Fraglichen. Ich wiederholte meine Nummer langsam, Ziffer für Ziffer und als ich mich versicherte, dass er sie aufgeschrieben hat, drehte ich mich um. Hinter mir stand immer noch Emma. Sie hat das ganze nur zur Hälfte mit bekommen, denn als ich mit dem Kerl zusammen stieß, gackerte sie gleich mit Nina, die zufällig im selben Moment vorbeikam. Ich schnappte Emmas Hand und zog sie Richtung Treppe. Währenddessen machte ich mir Gedanken, ob ich es Emma erzählen soll oder warten soll bis sie sich vielleicht selbst erkundigt, was jetzt genau vorgefallen ist. An der Treppe ließ ich ihre Hand los und schaute sie an. Ihr Gesichtsausdruck drückte ebenfalls eine Unverständlichkeit aus. "Ist was?" fragte ich sie. Langsam antwortete sie: "Was war das eben für ein Kerl? Hab das nur so im Augenwinkel gesehen, dass du dich mit ihm unterhalten hast." War die etwa blind? Ich hab mich doch nicht mit ihm unterhalten. Verwundert schaute ich sie an und meinte: "Ich hab mich doch nicht mit ihm unterhalten. Und ich kenne diesen Kerl nicht. Bin zufällig mit ihm zusammen gestoßen." Ich denke es war genug Information für Emma. Aber die hackte sofort nach: "Er hat also nichts zu dir gesagt?" Puh, ich überlegte, ob ich ihr die Wahrheit sagen sollte. Am Ende käme sie noch auf die Idee ihn dann ganz zufällig (also schon absichtlich) auch mal anzurempeln um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ich beließ es dabei und schüttelte den Kopf. Ich hoffte, sie hört endlich auf mit den Fragen, was sie dann auch tat. Bis wir die Treppe oben waren, denn es viel ihr auf, dass wir dafür, dass wir nichts zueinander sagten, ziemlich lange angewurzelt dastanden. "Aber was habt ihr denn dann gemacht? Und jetzt sag nicht ihr wart diese 3 Minuten schweigend gegenüber gestanden und habt den anderen nur doof angeglotzt." Ich überlegte mir wieder eine Antwort. Die Sache wurde mir langsam echt zu doof. Soll sie ihn doch absichtlich zufällig anrempeln. Innerlich gereizt, aber unbemerktbar in meiner Stimme, erzählte ich ihr: "Doch aber halt nur so was wie Entschuldigung und so. Und doch, doof angelotzt haben wir uns auch." Ich hatte im Reden meinen Plan doch nicht durchgesetzt und ihr die Details erspart. Das muss sie doch nicht interessieren, dass er eine super sexy Stimme hatte und dazu meine Handynummer. Sie gab sich mit meiner Antwort zufrieden und wir gingen ins Klassenzimmer. Dort setzten wir uns dann nebeneinander auf unsere Plätze und eigentlich fand ich das Schweigen schon wieder fast erschreckend und untypisch, aber musste ich gar nicht, weil Emma schon wieder anfing über das Thema von eben etwas zu sagen: "Ich hab den Typen auch noch nie in unserer Schule gesehen." Ich ließ mir die Worte durch den Kopf gehen und stöberte auch sämtliche Gesichter der Schule in meinem Kopf durch, aber ein Gesicht, dass zu diesem Typen passt, gab es keins. Reflexartig antwortete ich also: "Ja ich auch nicht." Wir beließen es dabei und widmeten uns unseren Schultaschen.
Wir hatten noch ein paar Minuten bis zum Unterrichtsbeginn. Ich hatte wie immer nichts gelernt und werde auch jetzt kurz vor der Stunde nichts mehr lernen. Sind sowieso in einer Woche Sommerferien. Ich lehnte mich mit dem Stuhl an die Wand und kauerte da so rum. Emma sah sich ihre Mathearbeit an, wo sie eine 4- hatte, und fluchte: "Der hat doch echt nen Knall. Woher soll ich denn bitte wissen, was eine Lotgerade ist? Der sollte mal wieder seinen Psychologen aufsuchen und seine psychischen Störungen weniger an uns auslassen." Ich verkniff mir ein Grinsen. Sie regte sich einfach über so banale Dinge auf, die sie eh nicht ändern kann und fand dazu auch noch die schrägsten Argmunente. Ich schenkte ihr nicht weiter viel Aufmerksamkeit und musterte unser Klassenzimmer. Mir fiel auf, dass in der hintersten Ecke eine alte Brotzeitdose lag. Also von mir nicht, aber die kam mir trotzdem bekannt vor. Ich blieb mit meinem Blick nur kurz an der Brotzeitdose hängen und drehte mich dann nach vorne, weil ich mir einbildete jemanden durch die Tür gehen zu hören. Mir stockte fast mein Atem als da dieser Kerl von eben reinspazierte. So als wäre nichts gewesen, pfeifend und gut gelaunt. Sogar ein breites Lächeln hatte er aufgezogen. Nichts mehr mit der fiesen Miene von vorhin. Also entweder er war vorhin echt böse als ich ihn versehntlich übersah oder hatte einfach nur ein besonders tolles Erlebnis, was ihn das von mir wieder vergessen ließ. Er ignorierte die gesamten Mitschüler und setzte sich an einen Tisch ganz hinten im Raum. Emma stupste mich an und machte mir deutlich, dass Herr Gablonza sich annäherte. Also nicht dem Klassenzimmer, oder dem Pult oder der Tafel, sondern MEINEM Tisch. "Denvile!" sagte er grimmig und mit verzogener Miene. "Denvile!" wiederholte er sich lauter als er direkt an meinem Tisch stand. Ich war noch ziemlich perplex von dem Einmarsch von diesem Kerl und das machte mir jetzt die Situation mit Herrn Gablonza echt nicht leichter. Ich schaute ihn fragend an und er meinte nur, zum Glück wieder in normalen Ton: "Ich hoffe, sie haben heute endlich ihre Mathearbeit dabei." Plötzlich sah ich nur noch Flackern vor mir. Ich realisierte erst nach ein paar Sekunden, dass es Emma war mit ihrer Mathearbeit. Vorbildlich wollte sie Herrn Gablonza ihre Arbeit geben. Ich stieß sie mit dem Fuß um ihr an zu deuten, dass das gerade sowas von unpassend war. Abgesehen davon, dass Herr Gablonza eine Menge Strenge und Drill in seinen Unterricht einbrachte, hatte ich eher wenig Respekt vor ihm. Schließlich war das mein 4. Jahr bei ihm. Zwar erst das 2. in Mathe, aber um zu wissen wie er tickt musste man ihn nicht nur in Mathe gehabt haben. Er kann einfach keiner Fliege etwas zu leide tun. Und wenn doch würde er es wenige Minuten später sofort bereuen und so tun als würde jetzt die Welt untergehen, weil er einer Fliege etwas zu leide getan hat. So läuft es bei ihm auch in der Schule. Er konnte keinem lange böse sein. Verschmitzt lächelnd blinzelte ich ihn an und setze dazu meinen liebsten Welpenblick auf. Sein Gesichtsausdruck blieb trotzdem stets ernst, wie immer. Er wollte schon wieder kehrt machen als ich provozierend sagte: "Ach sie wollen meine Arbeit doch nicht?" Er stützte seine Hand auf meinem Tisch ab und wartete auf den entscheidenden Moment. Erwartungsvoll verfolgte er meine Finger, die in meiner Tasche hin und her grabschten. Endlich fand ich die Arbeit und zog sie langsam heraus. Man konnte förmlich sehen wie Herr Gablonzas Augen je mehr man das Blatt sehen konnte, leuchteten. Nun hielt ich die Arbeit vollkommen in beiden Händen und hielt sie ihm nochmal fein unter die Nase. Herr Gablonza nahm seine Hand von meinem Tisch, riss mir die Arbeit aus den Händen, verzog wieder seine Miene und lief Richtung Pult. Auf dem Weg murmelte er noch etwas Unverständliches. Ich schaute Emma strafend an um ihr nochmal zu verdeutlichen, dass sie sich soeben nicht auf meiner Seite dieses Kampfs befand. Für mich ist der Tag schon gelaufen, was kann bitte noch schlimmeres und peinlicheres passieren als die Aktion eben mit Herrn Gablonza und die Aktion vorhin mit dem seltsamen aber gut aussehden Typen. Mir wurde bei dem Gedanken bewusst, dass ich nicht mal seinen Namen weiß und er auch nicht meinen. Aber meine Handynummer. Wie er mich wohl in seinem Handy einspeicherte. Womöglich etwas peinliches wie: Die kleine Anremplerin oder so. Ich legte den Gedanken beiseite, er lenkte mich zu sehr ab.
Endlich läutete es zur Pause. Doppelstunde Mathe war echt nicht das Schönste, was ich mir vorstellen konnte. Der Typ hatte den ganzen Unterricht lang nichts gesagt, sich nicht gemeldet, ihm ist kein Stift runtergefallen, einfach keinen Mucks hat man von da hinten gehört. So als würde da keiner sitzen. Mein Blick viel oft zufällig da hinter. Auch wenn ich mich dann sofort erwischte, dass ich eigentlich nicht zufällig da hin sah.
Ich verließ mit Emma und Lisa den Raum und biss in mein Pausenbrot. Emma redete schon wieder wie wild von irgendwelchen Geschichten und deshalb vergaß ich den Typen. Bis mich plötzlich was am Arm packte. Erschrocken riss ich meinen Arm weg, aber die Hand wollte einfach nicht loslassen. Ich drehte meinen Kopf blitzschnell nach rechts, wo mich zwei dicke Bärenaugen anblickten. Das Gesicht kenn ich doch. Und die Handbewegung ebenfalls. Denn wieder wanderte eine Hand von meinem Oberarm zu meinem Kinn und klappte meinen Mund zu. In mir stieg leichte Wut auf. Das war doch nicht zu fassen. Da wagte es dieser Kerl doch tatsächlich mich einfach anzupacken und festzuhalten und mir dann wieder einen Schrecken einjagte. Kann der mich nicht einfach in Ruhe lassen. Langsam bereute ich es, ihm meine Nummer gegeben zu haben. Der schien ja eine richtige Klette zu sein. Jetzt roch ich auch erst sein ebenfalls so männliches Parfüm. Schnell kam ich wieder in die Realität und schnauzte ihn an: "Was soll das?" Entschuldigend sah er mich an und runzelte die Stirn. "Ich wollte eigentlich nur wissen, wie du heißt. Du warst vorhin so schnell weg da konnte ich dich nicht mehr fragen." Genervt sah ich ihn an und sagte: "Alba. Den Nachnamen hast du ja wohl von Herrn Gablonza laut und deutlich gehört." Ich nahm seinen Arm. Also eigentlich nahm ich ihn um ihn wegzuziehen, damit ich endlich gehen kann. Aber ich konnte ihn gar nicht loslassen. Er hatte raue Haut und er war so warm. Man konnte die Männlichkeit richtig fühlen. Endlich befreite ich mich aus dem Bann und riss seinen Arm weg. In schnellem Laufschritt hechtete ich davon. Mein Blick ging alle 2 Meter über die Schulter um zu sehen, ob er mir folgte. Vor lauter Hechten hätte ich fast eine Stufe ausgelassen. Ich konnte mich zum Glück gerade noch fangen. Unten an der Treppe angekommen war ich mir sicher er würde mir nicht mehr hinter her kommen. Ich verschnaufte kurz, biss in mein Brot und suchte nach Emma und Lisa. Ich brodelte vor Wut. Nicht weil er mich wieder festhielt oder so, sondern weil ich einfach wieder weggerannt bin wie ein feiges Huhn. Ich wollte ihm einfach nicht in die Augen blicken. Das war mir alles so unangenehm, aber noch unangenehmer war mir, dass ich mich mit jedem Davonhechten noch mehr bei ihm blamierte. Er musste doch denken ich wäre ängstlich und schüchtern. Dabei bin ich genau das Gegenteil.
Total außer Puste kam ich in die Aula. An einem der vielen Tische saßen Emma und Lisa mit Nina. Ich setzte mich dazu und hörte dem Gespräch zu. Es dauerte nicht lang bis ich wusste um was oder besser um wen es ging. Sie ließ sich lautstark über Herrn Gablonza aus und über seinen Unterricht und nebenbei erwähnte sie dann auch noch die Aktion von mir. Ich machte auf mich aufmerksam indem ich ihr meine Hand winkend vor ihr Gesicht hielt. Endlich bemerkte sie mich und stoppte ihr Gespräch. Ein entschuldigender Blick wanderte in ihr Gesicht. Ich winkte ab und biss wieder in mein Brot. Mir war es echt egal, ob sie die Gesichte jedem erzählt, aber fragen kann sie mich doch wohl mal. Nina interessierte sich kaum an dem Gespräch und wandte sich zu mir. "Hey Alba, wer war das vorhin? Der sah ja richtig gut aus, kannst du mir den mal vorstellen? Und woher kennst du den überhaupt?"
Musste denn jetzt jeder fragen, wer das ist. Sie kann ihn gerne haben, denn mir war das alles so peinlich. Am liebsten würde ich ihn nie wieder sehen. "Ich kenn ihn nicht, bin nur zufällig mit ihm zusammen gestoßen." Sie sah mich enttäuscht an. Ich wollte schon fast zornig sagen, dass ich auch nichts dafür kann, dass ich versehntlich mit ihm zusammen gestoßen bin, aber ich denke sie war nicht enttäuscht, dass ICH mit ihm zusammen gestoßen bin und nicht sie, sondern dass ich ihn ihr nicht vorstellen kann, weil ich ihn selbst nicht kannte. Sie tut mir aber in dem Moment auch gar nicht leid. Ich denke es ist sogar besser für sie, dass ich ihn nicht kannte und ihn ihr nicht vorstellen kann. Wer weiß, was sie dann mit ihm machen würde. Nina ist ungefähr so naiv wie ein 5-jähriges Kind wenn es um den Weihnachtsmann geht. Also nicht, dass sie noch nie irgendeinen Kerl hatte, der das nicht ausgenutzt hat, aber der Großteil hat sie leider ausgenutzt. Die leidtragende Person war dabei weniger sie, sondern ich.
Plötzlich sah sie mich entgeistert an und dann an mir vorbei. Ich ging mit meinem Kopf leicht zur Seite um ihr nicht die Sicht zu versperren. Ich folgte ihrem Blick und drehte meinen Kopf ein Stück nach hinten. Der Typ wird langsam echt zur Klette. Er läuft seelenruhig 2 Meter hinter mir vorbei. Ich sah sofort wieder zu Nina. Ihre Augen funkelten und ihr Blick folgte ihm. Sie musterte ihn von oben bis unten und von unten wieder nach oben. Hätte echt nur noch gefehlt, dass ihr der Sabber aus dem Mund läuft. Schnell hielt ich ihr meine Hand vor die Augen. Sie entwich meiner Hand und legte ihren Kopf auf den Tisch. Es klingelte wieder zum Stundenanfang.

Nudeln und Kaviar


Ich lief unsere Straße entlang und hörte Musik. An unserer Haustür angekommen, sperrte ich die Tür auf. Meine Mutter kam schon angerannt, als ich noch nicht mal einen Fuß im Haus hatte. Bevor sie mich begrüßte oder sonst eine nette Geste der Begrüßung mir entgegenbrachte, sagte sie leise, aber aufgeregt: "Da sitzt unsere neue Nachbarin in der Küche. Ich möchte, dass du dich vorstellst. Sie hat sogar ihren Sohn dabei. Er müsste sogar dein Alter haben." Ich schob sie zur Seite, damit ich endlich eintreten konnte. Mein Weg führte in die Küche. Aber nicht, weil ich so heiß darauf war unsere neue Nachbarin und ihren Sohn kennen zu lernen, sondern weil ich mir einfach was zu essen machen wollte. Als ich kurz vor der Küchentür war wurden meine Schritte langsamer. Ich hatte doch nicht etwa Angst da jetzt rein zu gehen. Langsam spähte ich um die Ecke um den Tisch zu sehen. Meine Mutter hechtete an mir vorbei und setzte sich auf den freien Stuhl am Tisch. Ich hob meinen Kopf so als würde ich nicht wissen, dass da jemand in unserer Küche sitzt. Ich erstarrte auf der Stelle als ich den Typen in unserer Küche sitzen sah. Mit meiner Lieblingstasse vor sich. Mein Blutdruck schnellte in die Höhe. Am liebsten hätte ich sie ihm auf den Schoß geschubst und sie ihm dann weggenommen. Darf doch nicht wahr sein, der war echt 'ne Klette. Schnell wandte ich den Blick von ihm direkt zu seiner Mutter. Blonde lange Haare, sie trug sie offen. Das Gesichte sah ihm echt ähnlich. Wobei sie einen leichten russischen Einschlag hatte. Sie sah nicht mal alt aus. Ich schätze sie auf 30. Das schien mir aber gleich danach zu unwahrscheinlich, wenn ihr Sohn in meiner Klasse ist. Schnell sagte ich Hallo und wandte mich dem Kühlschrank zu. Ich fühlte mich irgendwie beobachtet, also versuchte ich so schnell wie möglich einen Teller mit Essen zu finden. "Ganz unten links!" half mir meine Mutter. Ich zog den Teller mit Nudeln heraus, warf zornig die Tür zu und lief zur Mikrowelle. Ich spührte wie die Blicke nicht von mir abließen. Ich hoffte, dass der Dreiertisch endlich wieder das Reden anfing. Wieder half mir meine Mutter in dieser hoffnungslosen Situation. Sie beendte das Schweigen. "Also das ist Alba, meine Tochter, wie ich vorhin ja schon erwähnt habe." Moment mal, die hat schon was über mich erzählt. Ich hoffte nichts peinliches oder schlechtes, ich hoffte einfach, dass sie nur sagte sie hat eine Tochter, die 17 ist. Da ich meinen Namen gehört hab, riss ich meinen Kopf herum. Das war wohl ein Zeichen für sie, weiter zu machen: "Alba, das ist Svenja." Sie zeigte mit ihrem Finger auf die russische junge Frau, die mich sofort freundlich anlächelte. "Sie ist mit ihrem Sohn in eins der Mehrfamilienhäuser neben uns gezogen." Ich zwingte mir ein Lächeln auf, das sich sofort wieder legte als der Finger meiner Mutter auf den Typen wanderte. "Und das ist Justin." Justin hieß er also. Mein Gesicht blieb reglos. Seines nicht. Er sagte mit seiner männlichen Stimme: "Hi Alba." Ich warf ihm einen fiesen Blick zu und war froh, dass in diesem Moment die Mikrowelle klingelte. Ich nahm meinen Teller heraus und verbrannte mir fast meine Finger. Schnell griff ich nach einem Geschirrtuch und nahm damit erneut den Teller. Ich spazierte aus der Küche, aber nicht ohne ein letztes Mal an den Tisch zu schauen. Justin schmunzelte, was ihm aber verging als ihm erneut einen fiesen Blick zuwarf.
Ich stellte den Teller auf meinen Schreibtisch und wollte anfangen zu essen, als ich merkte, dass ich den Löffel in der Küche vergaß. Genervt riss ich meine Tür auf und stieß direkt mit jemandem zusammen. Ich machte einen Satz zurück und warf die Tür wieder zu. Geschockt stand ich da und wartete einige Sekunden. Ich machte die Tür einen kleinen Spalt auf um zu sehen, wem ich da gerade reingerannt bin. Justin. Ich riss die Tür auf und schrie ihn an: "Was machst du hier oben?" Er zückte einen Löffel hinter seinem Rücken hervor. Und einen zweiten mit der anderen Hand. Was hatte der denn vor?! Ich riss ihm einen Löffel aus der Hand und schmiss erneut die Tür zu. Voller Wut ließ ich mich auf meinen Schreibtischstuhl flacken. Es klopfte an der Tür. Ohne eine Reaktion zu zeigen, schaufelte ich meine Nudeln in mich hinein. Plötzlich öffnete sich die Tür. Justin stand mit einem breiten Grinsen im Türrahmen. Er erwartete eine Reaktion von mir. Da ich meine Nudeln so reingeschlungen hab, passte in meinen Bauch echt nichts mehr rein. Ich nahm den Teller und streckte ihn in seine Richtung. Er nahm mein Angebot mit einem Lächeln an. Aber anstatt mit dem Teller das Zimmer zu verlassen, ließ er sich auf meinem Bett nieder. Ich kreiselte ein paar Runden mit meinem Stuhl und blieb dann mit Blick auf mein Bett stehen. Der Teller war leer. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und bekam den Teller. Diesen positionierte ich auf meinem Schreibtisch und legte meinen Löffel so wie Justin in den Teller. Er verschaffte sich erstmal einen Überblick über mein Zimmer. Dann klopfte er mit seiner Hand auf mein Bett um mich neben ihn zu bitten. Fragend sah ich ihn an. "Willst du dich nicht neben mich setzen?" Kam es von ihm. "Wieso sollte ich?" kam ich mit einer Gegenfrage. Ich verzog mein Gesicht und wartete bis er etwas sagte. "Weiß nicht." Kleinlaut stellte er fest, dass ihm kein Argument einfiel. Er nahm die Hände über den Kopf und lehnte sich zurück. "Hat dich meine Mum hoch geschickt?" wollte ich genervt wissen. Er tat wohl so als würde er mich nicht hören. Ich fragte ihn nochmal lauter: "Warum bist du hoch gekommen? Hat dich meine Mum geschickt?" Wieder kam keine Reaktion von ihm. Langsam wurde es mir zu blöd mit ihm in einem Raum zu sein. Ich nahm den Teller und lief in die Küche. Also ich nahm sonst NIE meinen Teller und stellte ihn in die Küche. Normalerweise standen Teller tagelang in meinem Zimmer rum. Aber ich wollte Justin einfach entkommen also durfte ich nicht so faul sein. Ich kam in die Küche und musste feststellen, dass keiner mehr am Tisch saß. Mein erster Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war zugleich der schlimmste: Seine Mutter ist wieder nach hause gegangen und hat ihn einfach nicht mitgenommen. Ich rannte ins Wohnzimmer und musste feststellen, dass hier ebenfalls niemand ist. Und im Garten war auch niemand. Und im Flur auch niemand. Bevor ich noch mehr an dem Gedanken hing, rief ich einfach nach meiner Mum. Sie riss die Tür vom Bad auf. "Was denn los, Alba?" Ich zählte 1 und 1 zusammen. Wenn meine Mum aus dem Bad kam, war es fast unmöglich, dass hinter hier auch noch Svenja stand. Also ist Svenja heim ohne ihren bescheuerten Sohn mit zu nehmen. Meine Mum schaute mich verdutzt an. Ohne Reaktion rannte ich wieder nach oben in mein Zimmer. Vor meinem Bett machte ich Halt und schaute auf Justin herab, der immer noch mit den Händen am Hinterkopf an der Wand lehnte. "Deine Mum ist schon weg. Willst du ihr nicht hinterher?" fragte ich ihn. Wieder keine Reaktion. Langsam war ich echt genervt von dem. Der will mich echt reizen. "Ey jetzt antworte mir!" Kein Mucks. Der wird doch wohl nicht auf meinem Bett gestorben sein. Schnell entfernte ich diesen Gedanken wieder aus meinem Kopf. Ich sah ihn von unten nach oben an und merkte, dass er seine Augen geschlossen hat. Ich schlich um ihn herum so dass ich an der einen Bettkante stand. Der machte echt seine Augen zu. Ich beugte mein Gesicht näher an seins. "Schläfst du?" flüsterte ich. Und wie erwartet, keine Reaktion. Ich hörte meine Mum unten rufen. Also ließ ich erstmal von ihm ab und ging runter zu meiner Mum. "Was ist?" fragte ich sie. Sie hatte ihre Jacke an und Schuhe auch. "Wohin gehst du?" fügte ich dann schnell hinzu. "Ich muss noch in die Stadt. Ein paar Besorgungen machen. Soll ich dir was mitbringen?" Also entweder sie hat nicht gemerkt, dass Justin immer noch hier war oder sie wollte einfach nicht auf ihn eingehen. Ich musste mich jetzt entscheiden, ob ich sie darüber informieren soll, dass sich in meinem Bett ein Schrank befindet oder ob ich einfach nichts sage und warte. "Nein danke. Aber Mum..." Ich stoppte und ermahnte mich innerlich, dass ich meiner Mum vielleicht gerade eine Information geben wollte, die sie später eventuell gegen mich verwenden könnte. "Was wolltest du sagen?" hakte sie nach. "Ach nichts." Entgegnete ich ihr. Nochmal Glück gehabt. Ich verabschiedete mich und sprang die Treppen hinauf um zu sehen ob sich Justin nun endlich mal bewegt hat. Nichts. Der Typ lag immer noch so da wie vorhin und immer noch nicht mit geöffneten Augen. Ich beugte mich also wieder über ihn und riss meinen Kopf wieder hoch. Was soll ich denn jetzt machen. Ich hatte echt weitaus wichtigeres zu tun als mich um einen regungslosen Jungen in meinem Bett zu kümmern. Ich ging mehrere Vorschläge in meinem Kopf durch, was ich denn tun könnte bis ich zu dem Entschluss kam, ihn einfach mal anzutippen. Keine Reaktion. Vielleicht war es zu leicht. Also tippte ich ihn nochmal und nochmal an. Immer stärker, bis er plötzlich die Augen aufriss und hochfuhr. Ruckartig machte ich einen Satz nach hinten. Er sah mich entgeistert an. "A..Also deine Mum ist schon gegangen." stammelte ich immer noch erschrocken und hoffte er würde dann endlich gehen. "Ich bin alt genug, ich brauch meine Mama nicht überall dabei haben. Aber danke für die Info." Mein Plan ist wieder mal gescheitert. Der will echt nicht gehen. Ich muss zugeben, so einen gutaussehnden männlichen Typen hatte ich noch nie in meinem Zimmer. Aber das ließ ich mir nicht anmerken. Er lehnte sich wieder zurück. Sofort schrie ich: "Nicht einschlafen!" Er lachte und setzte sich wieder auf. "Hatte ich auch nicht vor. Wollte mich nur entspannen und warten bis dir was einfällt, was wir machen könnten." In mir stieg wieder Zorn auf. Ich weiß verdammt noch mal nicht, was wir machen könnten und eigentlich will ich auch nicht, dass WIR was machen. Aber so schnell werde ich ihn offensichtlich nicht los. Verzweifelt sah ich mich in meinem Zimmer um, um etwas zu finden, was Ablenkung schaffen könnte. Vergeblich. Außer dem Fernseher gab es echt nichts, was mich jetzt seelisch unterstützen könnte. Anscheinend muss ihm aufgefallen sein, dass ich hilfesuchend in der Gegend herumstarrte, weil er plötzlich lachend sagte: "Ich habe hier keine Bombe versteckt." Er macht eine kleine Pause und fügte dann noch hinzu: "Und bei -Verstehen sie Spaß- sind wir auch nicht, also auch keine versteckte Kamera." Beim ersten Satz musste ich grinsen. Das verging mir aber beim zweiten Satz gleich wieder. Ich fand es einfach nicht lustig, dass er mich hier auch noch für dumm verkauft. Jetzt wird es für ihn echt langsam Zeit zu gehen, bevor ich noch auf ihn einschlage vor Wut. Ich beschloss ins Wohnzimmer zu gehen und Fernseh zu schauen. Also wandte ich mich zur Tür und ging. Ich stoppte kurz vor der Treppe um mich zu versichern, dass er mir nicht hinterher kam oder mir hinterherrief. Er tat nichts von beidem und daraufhin rannte ich die Treppe runter. Mein Weg ging direkt ins Wohnzimmer zur Couch. Ich lümmelte mich hin und betätigte die Fernbedienung. Das übliche Nachmittagsprogramm lief. Plötzlich hörte ich jemanden, der die Treppe runterkam. Nicht schon wieder der. Ich tat so als hätte ich ihn nicht gehört und bereitete mich schon darauf vor, dass er jeden Augenblick in der Tür steht. Aber die Schritte wurden leiser bis sie schließlich mit dem Knall der zufallenden Haustür verstummten. Verwundert saß ich nun auf der Couch. Er ist einfach gegangen. Fast so etwas wie Freude breitete sich in mir aus. Nächstes Mal höre ich einfach auf ihn krampfhaft los zu werden, denn dann geht er von selbst.
Eine knappe Stunde danach kam auch meine Mum wieder nach hause. Ich verzog mich in mein Zimmer um eventuelle Fragen zu vermeiden. Als ich dort meine Schultasche erblickte viel mir auf, dass wir Mathe auf haben. Normalerweise mach ich selten meine Hausaufgaben, aber diesmal zwang ich mich einfach mal wieder dazu. Also schloss ich die Tür, packte meine Mathesachen aus und machte mich über die Hausaufgabe. Ich laß die Aufgabe einmal, zweimal, dreimal, bis ich merkte, dass ich gar nicht richtig gelesen habe. Ich war mit meinen Gedanken völlig woanders. Bei Justin. Jetzt hat er schon mein Haus verlassen, da kann er doch auch bitte meinen Kopf verlassen. Ich seufzte und ließ von der Mathehausaufgabe ab. Nachdem ich mich dann ein paar Runden mit meinem Schreibtischstuhl gedreht hatte, schmiss ich mich auf mein Bett. Ich legte die Hände an meinen Hinterkopf und legte mich so darauf, dass ich senkrecht an die Decke sehen konnte. Die Holzlamellen sind echt interessant, dachte ich und fing an sie zu zählen. Von der Tür bis zum Fenster, vom Fenster bis zur Tür. Ich kam nie weit, denn meine Gedanken waren die ganze Zeit bei Justin. Langsam machte sich Enttäuschung breit. Er ist einfach gegangen ohne ein Wort zu sagen. Ich erwischte mich sogar bei dem Gedanken, ob er jetzt sauer sein würde, weil ich ihn so abegwiesen habe. Aber was soll man anderes tun, wenn ein wildfremder Junge plötzlich in deinem Bett sitzt, von deinen Nudeln gegessen hat und danach einschläft. Da wird jeder sauer, auch wenn er noch so gut aussieht. In dem Augenblick kam mir eine sinnvolle Erklärung. Er wollte mich verführen und hat sich einen schönen Nachmittag zu zweit erhofft. Und weil ich dann ins Wohnzimmer abgehaun bin, war er enttäuscht oder verärgert und ist gegangen. Ich nahm meine Hände nach vorne auf meinen Bauch und trommelte wie wild darauf herum. Der Gedanke hat mich vollkommen nervös gemacht. Pass ich überhaupt in sein Beuteschema? Ich mein, ein Typ mit derartig attraktivem Aussehen bekommt sicher andere als mich.

Es geht weiter


Am nächsten Tag in der Schule erzählte ich nichts von gestern. Ich wollte erstmal abwarten, bevor ich irgendwelche Pferde scheu machte. Emma schien das ganze sowieso schon wieder vergessen zu haben. Sie ist normalerweise die erste, die mir sowas jeden Tag vor Augen hält. Ich mein, so vergesslich bin ich jetzt auch nicht, dass man mich jeden Tag daran erinnern müsste. Schon schlimm genug, dass es so peinlich war.
Emma und ich liefen wieder ins Schulhaus und unterhielten uns. Als wir Lisa trafen, schloss sie sich uns an und wir machten uns zu dritt auf den Weg zum Biosaal. Ich hoffte, dass Justin nicht da stand, denn ich wollte ihn einfach nicht sehen. Ich hoffte sowieso, dass er heut gar nicht in die Schule kommt oder nicht in meinen Unterricht. Wer weiß was passiert wäre, wenn er plötzlich vor mir stand und man uns anmerken konnte, dass gestern noch mehr als nur der Zusammenstoß war. Also nicht, dass da noch was passiert ist, aber ich wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand merkt, dass er gestern bei mir war. Zum Glück waren wir die ersten am Biosaal. Als Emma und Lisa anfingen über die Chemiearbeit zu reden, wo ich nicht mitreden konnte, da ich Chemie abgelegt hatte, war ich mit meinen Gedanken plötzlich wieder nur bei Justin. Verträumt starrte ich durch die Gegend und wippte dabei immer nach vorne und zurück. Plötzlich zwickte mich von hinten etwas in meine Taille. Ich zuckte zusammen. Justin lief an mir vorbei und tat so als hätte er nichts getan. Ich holte schon Luft und wollte Emma antippen um ihr zu zeigen, dass Justin wieder da ist. Aber ich ließ es bleiben, weil ich dachte, ihr könnte dann sofort wieder die Sache von gestern einfallen und sie würde mir dann wieder endlos lange Fragen stellen.
Nach der Schule lief ich zum Bus, als plötzlich jemand meinen Namen rief. Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich blieb stehen und drehte mich nach hinten wo die Stimme herkam. Justin rannte auf mich zu. Wäre er eine Frau und wir in einem Film, könnten wir jetzt Baywatch einblenden. Mir fiel auf, dass er heute nur ein T-Shirt trug, das aber seinen Körper perfekt betont. Ich musste ihn nicht nackt sehen um zu wissen, dass er regelmäßig trainieren geht um seine Muskeln auf zu bauen. Er sah aus wie ein amerikanischer Footballspieler vom College, die immer so beliebt sind an der ganzen Schule.
Als er bei mir ankam war er richtig außer Puste. Ich gönnte ihm keine Pause und lief weiter zum Bus. Er folgte mir hektisch, so als würde ich jeden Moment in den Boden gezogen und wäre für immer weg. "Meine Mama holt mich ab. Magst du vielleicht mitfahren?" kam es von ihm. Ich ignorierte ihn. Daraufhin packte er meine Schulter und riss mich herum. Er wiederholte die Frage und da ich keine Lust auf den vollen Bus hatte, stimmte ich zu. Ich folgte ihm zur Sporthalle, wo viele Mütter ihre Kinder abholten. Wir liefen direkt auf einen kleinen blauen VW-Polo zu. Justin öffnete die Beifahrertür und sprach kurz mit seiner Mum. Dann öffnete er die Hintertür und deutete an, dass der Platz hinter dem Fahrer mir gehört. Ich nahm meine Tasche, schmiss sie auf den Mittelsitz und stieg ein. Hinter mir warf er die Tür zu und stieg vorne ein. Freundlich begrüßte mich seine Mum und ich grüßte zurück. "Wie war's in der Schule?" fragte sie gleich danach. Justin erzählte ihr einiges vom Schultag, was mich teilweise aber nicht betraf. Schließlich sind wir nicht in jedem Unterricht zusammen in einem Kurs. Als Justin fertig mit erzählen war, fragte mich Svenja, ob ich nicht nachher Lust hätte mal bei Justin vorbei zu schauen. Und da ich nicht einfach nein sagen kann, sagte ich: "Danke, aber ich muss mich vorher um meine Schulsachen kümmern." Sie lächelte und Justin schaltete sich ein: "Mama sie wird schon kommen, wenn sie Lust hat." Er sagte das in einem mahnenden Ton, aber lächelte dazu. Vermutlich hat er mit seiner Mum ein gutes Verhältnis. Svenja sah mich an und ich nickte und lächelte. Sie gab sich damit zufrieden. Wir bogen in den großen Parkplatz ein, der vor den Hochhäusern befand und stiegen aus. Svenja schloss das Auto ab und ging voraus. "Justin ich geh schon mal vor. Du kannst dann klingeln." Rief sie ihm noch zu und lief zum Haus. Justin sah mich an und entschuldigte sich für das aufdringliche Verhalten von Svenja. Mit einem Lachen winkte ich ab und schlängelte mich an ihm vorbei. Er lief mir noch ein paar Schritte hinterher und redete währenddessen: "Du kannst ja nachher vorbei kommen. Einfach bei Woistchek klingeln. Und meine Mama ist nachher auch nicht zu hause." Beim letzten Satz lachte er und ich musste schmunzeln. Ich drehte mich um, winkte ihm zu und bog in meine Straße ein. Innerlich war ich unheimlich stolz, weil diese Aktion nichts Peinliches beinhaltete.
Ich sperrte die Haustür auf und ging ins Haus. Meiner Mum viel meine gute Laune gleich auf. Sie musterte mich und erkundigte sich dann: "Was war denn? Irgendwelche guten Noten?" Ich schüttelte den Kopf und antwortete ihr nicht. Schnell rannte ich ins Zimmer, warf die Tür zu und lies mich auf mein Bett fallen. Das Lächeln ging mir einfach nicht aus dem Gesicht. Der Hass auf ihn von gestern war wie weggeblasen. Während ich verträumt auf meinem Bett lag, klingelte mein Handy. Ich vermutete, dass es Emma ist, weil wir heute in die Stadt wollten. Ich tastete blind in meiner Schultasche herum und ging ran. Erschrocken lies ich fast das Telefon fallen, als sich am anderen Ende der Leitung nicht wie vermutet Emma sondern eine Männerstimme meldete. Und zu allem Überfluss erkannte ich sofort, wer das war. Mein Herz klopfte auf einmal wie verrückt und ich war ganz nervös und aufgedreht. "Wollte nur sagen, wenn du meine Mama nicht sehen willst, solltest du nach 15:00 Uhr kommen. Die geht dann ins Fitnessstudio. Und wenn du kommen willst, kannst du dann dein Matheheft mal mitbringen? Muss den Stoff nachlernen." Ich war immer noch verwirrt, weil Justin am Telefon ist. Fast brachte ich auch keinen Ton raus, aber dann konnte ich doch sagen: "Danke. Ich muss noch schauen, weil Emma und ich heute in die Stadt wollten. Und das Heft kann ich dir dann zur Not auch in den Briefkasten werfen." Für die letzte Anmerkung mit dem Briefkasten hätte ich mich am liebsten gleich wieder schlagen können. Justin will nur neue Freunde kennenlernen in der neuen Schule und ich bin so gemein und will ihm nicht mal persönlich mein Matheheft in die Hans drücken. Also fügte ich noch schnell hinzu: "Oder ich klingel einfach heut Abend und du kannst es dir dann bis morgen mal anschauen." Ich war wieder nicht zufrieden mit meinem Vorschlag, weil ich ein schlechtes Gewissen bekam. Er will nett sein und Freunde finden und ich mach ihm das so schwer. Und das Schlimme ist, dass ich nicht mal weiß, warum ich heute nicht zu ihm will. Das wäre doch die perfekte Gelegenheit um ein wenig mehr über ihn zu erfahren. Und mit den neu errungenen Informationen könnte ich mir dann überlegen, ob er für eine Freundschaft geeeignet ist. Plötzlich merkte ich, dass Justin redete. Weil ich nachdachte, bekam ich nicht mit, was er zu mir sagte. Ich hoffte, dass es nichts Wichtiges war und wartete ab. Mein Plan ging jedoch nicht auf als er mir eine Frage stellte, die sich anscheinend auf seinen Monolog bezog. Jetzt hab ich mich schon gefreut, dass vorhin im Auto nichts Peinliches passiert ist und dann passiert sowas. Ich musste mich überwinden und ihn bitten das Ganze nochmal zu wiederholen. Er seufzte und sagte schließlich: "Egal, war nicht so wichtig. Bis nachher oder morgen." Noch bevor ich mich verabschieden konnte, legte er auf. Enttäuscht legte ich das Handy weg und legte mich wieder auf mein Bett. Ich war enttäuscht von mir selbst. Ich hätte das mit Emma verschieben können bzw. es war ja nicht mal ausgemacht, sondern nur so ein Gespräch heut in der Schule. Langsam bereute ich es, Justin am Telefon so abgewiesen zu haben. Die stadt läuft ja nicht weg und mit Emma war ich echt schon oft genug in der Stadt, aber wenn ergibt sich wieder die Chance zu einem so gutaussehnend Typen zu kommen. Ich dachte noch lange darüber nach. Aber Emma meldete sich nicht mehr und so beschloss ich, mein Matheheft zu packen und mich auf den Weg zu den Mehrfamilienhäusern zu machen. Auf dem Weg versichterte ich mich nochmal, dass Emma wirklich nicht geschrieben hat und es auch schon nach 15:00 Uhr ist, weil ich Justins Mum gerade nicht unbedingt sehen wollte. Auch wenn sie nett ist, sogar sehr nett, ihre Fragen und ihr aufdringliches Verhalten kann ich manchmal nicht ertragen.

5


Ich lief über den großen Parkplatz. Kaum einer war besetzt. Aus Reflex schaute ich auf die Uhr und erinnerte mich damit daran, dass auch Svenjas Auto nicht da stehen durfte. Und ich sah es auch nicht. Ich ging langsam, obwohl ich es auf dem Weg über den Parkplatz kaum noch abwarten konnte. Als ich an den Treppenstufen an kam, stieg plötzlich Angst in mir auf. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich dort klingeln soll. Vor den Treppen blieb ich stehen und mein Blick wanderte am Haus nach oben. Das Haus war alt, aber nicht herunter gekommen. Die weißliche Farbe war vom vielen Regen schon abgenutzt und an ein paar Fenstern konnte man feststellen, dass es dort gebrannt haben muss. Ich wurde noch ängstlicher als ich in einem Fenster eine Totenkopffahne als Gardine entdeckte. Was ist, wenn das Justins Zimmer wäre? Was ist, wenn Justin ein totaler Idiot ist und kleine Mädchen entführt oder verführt? Ich versuchte diese Fragen in meinem Kopf hinten an zu stellen. Ganz langsam traute ich mich die Treppe hoch. Ich ging Stufe für Stufe. Ich stoppte wieder, als ich hinter mir jemanden rennen hörte. Langsam drehte ich mich um und sah einen Mann auf dem Parkplatz. Er stand nun da und schaute hektisch in alle Richtungen. So wie wenn er ein Versteck sucht. Der Mann war groß, gut gebaut und um die 30. Plötzlich rannte er weiter in meine Richtung. Ich krallte mich an das Geländer. Und ehe ich die Augen schließen konnte, fuhr ein schwarzer BMW auf den Parkplatz. Er blieb mitten auf dem großen Platz stehen und der Beifahrer stieg aus. Er war normal angezogen, aber hatte einen fiesen Gesichtsausdruck. Auch er schaute sich um, aber nicht hektisch, sondern suchend. Jetzt machte ich mir echt vor Angst in die Hose. Und weil ich zu sehr auf den Mann, der aus dem Auto stieg, achtete, hab ich auch nicht gesehen, wo der andere hin gerannt ist. Und nun stieg auch der Fahrer aus. Er lief schnell, aber nicht rennend, zum Beifahrer. Die beiden fingen an erst leise und dann laut zu streiten. Ich verstand nur einzelne Wortfetzen. Und deutsch war das jedenfalls nicht. Plötzlich schubste der Fahrer den Beifahrer und daraus folgte eine Schlägerei. Die beiden schmissen sich zu Boden und schlugen gegenseitig auf sich ein. Ich stand wie gefesselt da, obwohl ich eigentlich wegrennen wollte. Und meine Augen konnte ich auch nicht schließen, denn die Neugier war größer. Auf einmal rempelte mich etwas von hinten an und stürmte an mir vorbei. Es war der Mann, der vor hin davon gerannt ist und sich versteckt hat. Er rannte auf die anderen beiden zu und trug diesmal eine Pistole bei sich. Das Knallen der Haustür ließ mich zusammenzucken. Nun klopfte mein Herz wie wild. Er richtete sie schon am Ende der Treppe auf sie und näherte sich in schnellem Laufschritt an. Und die beiden Schläger schienen ihn nicht zu bemerken, denn sie prügelten sich weiter. Der Mann mit der Pistole hielt einen kleinen Abstand zu den beiden. Er sagte etwas. Wieder nicht auf deutsch. Die beiden Männer hörten auf sich zu schlagen und schauten zu ihm auf. Ich konnte ihre Gesichter nicht gut genug erkennen um zu sagen wie sie sich fühlten. Aber als die beiden wieder aufstanden, waren die Spuren der Schlägerei deutlich zu erkennen. Der Beifahrer blutete aus der Nase und aus dem Mund. Und sein Fahrer hatte eine große Schürfwunde an der Backe und blutete ebenfalls aus der Nase. Die drei Männer schienen sich zu unterhalten, sie stritten nicht so viel ich sehen konnte. Ich wollte durchatmen, doch plötzlich drehten sich alle drei zu mir um. Geschockt klammerte ich mich noch fester an das Geländer. Mein Herz raste und für einen Augenblick hörte ich sogar auf zu atmen. Doch die drei Männer starrten mich nur an und lächelten kurz. Sie stiegen in den Wagen und kurz bevor der Fahrer einstieg, sah er mich an und rief mir etwas zu, dass so ähnlich klang wie: "Gott segne dich." Er stieg ebenfalls ein, ließ den Motor an und fuhr davon als wäre soeben nichts passiert. Ich stand ratlos auf der Treppe und atmete tief durch...

Himmel und Hölle


Ich öffnete die Augen und sah direkt in ein Gesicht. Ich kannte es nicht. Es war von einer alten Frau oder zumindest waren viele Falten im Gesicht, die darauf hinweisen könnten, dass es eine ALTE Frau gewesen sein muss. Sie lächelte und strich mir sanft über den Kopf. Kurz darauf schloss ich wieder meine Augen und ließ den Kopf vor Erschöpfung zur Seite fallen. Ich hörte wie die alte Frau etwas rief. Und es war ebenfalls nicht deutsch. Eine weitere Person betrat kam heran. Ich wusste nicht, ob wir uns außen oder in einem Gebäude befanden, also öffnete ich erneut meine Augen und sah ein paar Füße direkt neben mir stehen. Da diese Füße Socken trugen, schloss ich darauf, dass wir in einem Zimmer sein mussten. Ruhig rappelte ich mich auf und wartete darauf, dass mir jemand eine Erklärung für das ganze geben würde. Doch die Frau und die andere Person unterhielten sich und ich verstand nichts. Ich erkundete mit einem Rundblick den Raum. Ein großer Schrank, ein Tisch mit ein paar Gläsern und Tellern, ein Fernseher, eine weiß-rote Tapete und ein Sofa, auf dem ich jetzt saß. Ich blickte zurück zu den beiden Personen und erkannte Justin. Erleichterung stieg in mir auf. Ich rief seinen Namen und er schaute zu mir rüber. Ich lächelte und er fragte: "Hey Alba, wie geht's dir?" Ich streckte meinen Daumen nach oben und antwortete: "Super. Aber was ist eigentlich passiert?" Wollte ich dann wissen. Die alte Frau verließ den Raum und nickte mir nochmal freundlich zu als sie durch die Tür ging. Sie war sehr sypmatisch, obwohl ich sie nicht kannte. Justin setzte sich neben mich auf das Sofa und lachte. "Du musst wohl auf der Treppe vor unserem Haus zusammengeklappt sein. Aber du hast dir nichts getan und lange warst du dort nicht gelegen, weil meine Oma das ganze vom Fenster aus beobachtet hat." Erleichtert sah ich ihn an und erzählte ihm, was sich davor abgespielt hatte. Sein Blick wurde immer geschockter bis er plötzlich aufsprang und anscheinend nach seiner Oma rief, denn die kam gleich darauf ins Zimmer gestürmt. Sie lächelte mich wieder an und erkundigte sich hilfsbereit, warum sie gerufen wurde. Justin zog sie aus dem Zimmer und haute hinter sich die Tür zu. Beim Knall zuckte ich zusammen. Sie schrien sie laut und wild, dass ich jedes Wort akkustisch verstand, aber es war eben nicht deutsch, also konnte es mir auch egal sein. Nach wenigen Minuten kam er herein, nahm wieder neben mir Platz und fing an zu erzählen: "Mach dir keine Sorgen. Die kommen hier öfter vorbei, wenn du nichts machst sind sie nett." Er machte ein Pause und ich sah ihn sehr entgeistert an. In mir stieg Wut auf und ich schrie ihn an: "Wie können die nett sein? Ja der Fahrer hat -Gott segne dich- zu mir gesagt, zumindest hab ich das verstanden, aber nett sahen die sicher nicht aus. Ich hatte Angst." Meine Nerven lagen blank und mir lief eine Träne über mein Gesicht. "Ich war noch nicht fertig." Sagte Justin stumpf und emotionslos. Ich wurde noch wütender und vor Wut kam auch keine Träne mehr. Am liebsten wäre ich ihm an den Hals gesprungen, weil ich so wütend über seine Gefühlslosigkeit war. Er verstand mich nicht. Doch ich ließ ihn weiter erzählen: "Ich denke, bevor du verzweifelst, sollte ich dir eins noch sagen. Aber versprich mir, dass du erstens keinem davon erzählst und zweitens selbst nicht am Rad drehst, wenn ich dir das jetzt sage. Ich komme damit selbst nicht richtig klar und meine Oma auch nicht so recht. Also der Mann, der erst auf den Parkplatz rannte und dann seine Waffe aus dem Haus geholt hatte, das ist mein Stiefvater. Der neue Freund meiner Mama also." Erst dachte ich, ich wäre in einem schlechten Film, aber als keine weitere Anmerkung von ihm dazu kam, war ich mir sicher, dass es Realität ist. Ich stand auf und ging zur Tür. Ich war enttäuscht und wütend. Enttäuscht, weil ich dachte, Justin wäre normal und wütend, weil mich meine Neugier in Schwierigkeiten gebracht hat. Wäre ich daheim geblieben, hätte ich das ganze nicht sehen müssen und ich hätte nie erfahren, dass Justin so einen gefährlichen Stiefvater hat. Und Justin wagte es auch noch zu sagen, dass ich mir keine Sorgen machen soll und dass die alle nett sind, wenn man ihnen nichts tut. Ich lief aus dem Zimmer und aus der Wohnung. Im Treppenhaus ließ ich mich auf eine Stufe fallen und legte meinen Kopf in den Schoss. Mir liefen Tränen über die Wangen bis ich richtig schluchzte und heulte. Gerade als ich anfangen wollte, Justin wirklich kennen zu lernen, bekam ich so eine derartig abschreckende Nachricht. Er hat nichts besseres zu tun, als das Vertrauen zu zerstören, das noch nicht mal vorhanden war. Und überhaupt, dass ich gerade daran denk, dass es mal Vertrauen geben hätte können, verwirrte mich noch mehr.
Plötzlich legte jemand seine Hand auf meine Schulter. Ich erschrack, aber war zu schwach um zu sehen wer es war. Die Person setzte sich neben mich auf die Stufe und sagte: "Es tut mir leid. Ich hoffe, du magst mich trotzdem." Justin. Ich sprang auf und schnaubte ihn an: "Du erwartest von mir, dass ich dich mag? Ich hab es gewagt heute zu dir zu kommen um dich besser kennen zu lernen, weil ich mir überlegte, dass sich eine Freundschaft mit dir aufbauen lassen könnte. Aber du zerstörst das Vertrauen, das noch nicht mal da war." Ich sagte ihm einfach gerade heraus, was ich dachte und rannte und davon. Ich sah nicht mal seine Reaktion.

7


Als ich das Hochhaus verlassen hatte, trödelte ich zurück zu meinem Haus. Ich brauchte fast die dreifache Zeit, weil ich über alles nachdachte. Und so bekam ich nicht mit, dass ich ann meinem Haus vorbei lief. Bis mich plötzlich jemand von hinten fragte: "Bist du neu hier? Ich nämlich schon, erst gestern hergezogen. Wohnst du hier oder bist du nur auf Durchreise?" Währenddessen lief ich weiter und dieser jemand folgte mir. "Kannst du mir, wenn du von hier bist, mal die Gegend zeigen oder mir was darüber erzählen?" Ich lief immer noch, obwohl ich schon längst gemerkt habe, dass ich schon viel zu weit bin. "Kannst du mal stehen bleiben?" Wütend drehte ich mich um und sagte: "Wenn ich dir nicht ant..." Ich verstummte. Vor mir stand ein Junge, groß und richtig geile Muskeln. Ähnlich wie Justin. Er trug ein Shirt, das seinen Körperbau erahnen ließ und er lächelte mich an. "Wow hätte nicht gedacht, dass eine so hübsche Frau hier durch die Straßen läuft." Ich lachte und war sofort wieder fröhlich gestimmt. Die Wut und Enttäuschung von eben war vergessen nur weil ein gutaussehender Kerl hinter mir her lief und Fragen stellt und mir am Ende ein Kompliment macht. Er reichte mir seine Hand und stellte sich vor: "Merlin." Der Name ist nicht so toll und passt gar nicht zu ihm aber ich schlug in seine Hand ein und stellte mich ebenfalls vor. Als wir schweigend da standen, kam ich mir vor wie in der Grundschule. Man stellte sich vor und danach steht man rum und weiß nicht was man sagen soll oder ist viel zu schüchtern weiter zu sprechen. Ich musterte ihn. Er schien es zu merken, da er das Schweigen brach: "Du bist begeistert oder? Ein Jahr Fitnessstudio, jeden zweiten Tag und dazu gute Ernährung." Er hob lachend seinen Arm um mir seinen Bizeps zu demonstrieren. Ich lachte auch. "Wollen wir bisschen hier durch die Gegend gehen oder musst du weiter?" schlug er vor. Sofort antwortete ich: "Ne ich hab Zeit also los." Ich wusste nicht mal in welcher Straße wir sind und wohin ich wieder zu meinem Haus finde, aber diese Sorgen schieb ich vorrübergehend zur Seite. Wir liefen eine Zeit lang wieder schweigend durch die Gegend. Merlin sah mich dauernd von der Seite an und schmunzelte. Irgendwann fragte ich dann: "Ist was?"
"Ne, aber du bist so unglaublich hübsch." Ich weiß nicht, was er an mir hübsch fand. Vor einer Stunde etwa war ich noch bewusstlos und hab meinen Schock des Lebens durchgemacht. Ich bedankte mich trotzdem und er lächelte. Er lächelte die ganze Zeit und dann musste ich auch immer lächeln, wenn ich das sah. "Wohin wolltest du eigentlich? Ich hoffe, ich hab dich nicht aufgehalten oder so?"
"Weißt du, dass ist eine ganz lustige Geschichte. Ich hab so nachgedacht und bin an meinem Haus vorbei gelaufen. Jetzt weiß ich nicht mehr wie es zurück geht und wenn du nicht da gewesen wärst, würde ich immer noch überlegend hier rumtrödeln." Merlin musste lachen. Erst dachte ich, er lacht, weil ich so dumm bin, aber dann bestimmte er: "Jetzt ernsthaft. Du musst bestimmt wohin und ich hab dich aufgehalten und du traust dich nur nicht -Nein- zu sagen." Merlin glaubt mir nicht. Mir verging das Lachen und die Freude und ich war wieder am Nullpunkt. So als hätte ich etwas genommen, dass genau jetzt seine Wirkung wieder nachlässt. Ich versuchte weiterhin nett zu wirken und versichterte ihm, dass das alles die Wahrheit war. Währenddessen sind wir ziemlich weit gelaufen und nun wusste ich echt nicht mehr, wie ich wieder zurück komme. Ich schaute auf die Uhr und blieb geschockt stehen. "Was ist?"
"Es ist schon 7 und ich finde nicht mehr zuück und meine Mum macht sich Sorgen." Ich bekam Panik. Meine Mum war dabei das geringste Problem. Ich hab morgen Schule, ich hab langsam Hunger und erschöpft bin ich auch noch. "Wo wohnst du denn?" "Blumenstraße 4."
"Kenn ich nicht, sorry." So ein Trottel. Wenn er vorhin meinte, er ist neu hier, dann glaube ich nicht, dass er die Blumenstraße kennt, wenn er da nicht wohnt. Ich wurde wieder wütend und schrie ihn zornig an: "Was mach ich denn jetzt?"
"Komm doch erstmal mit zu mir und dann schauen wir mal."
"Und wo wohnst du? Ich hoffe, du hast dir den Weg gemerkt."
"Klar, komm mit." Verzweifelt folgte ich ihm. Manchmal glaubte ich, wir gehen einen Umweg und dann brüllte ich ihn immer an. Aber Merlin blieb immer ruhig und gelassen.
Nachdem ich erneut brüllte und mich aufregte, nahm er meine Hand und zog mich hinter sich her. Schlagartig wurde ich ruhig und mein Herz schlug schneller. Ich fühlte mich auf einmal so sicher. Und als wir endlich an seinem Haus ankamen, hatte sich meine Wut und Panik gelegt. Auf dem Doppelparkplatz standen kein Auto. Entweder sie haben keins oder seine Eltern sind unterwegs.
Gespannt stand ich vor der Haustür und wartete darauf, dass Merlin mir den Eintritt gewehrt. Kurz darauf trat ich in den großräumigen Flur und staunte. Merlins Familie hat sich mit der Innenarchitektur richtig ins Zeug gelegt. Über dem Flur erstreckt sich eine Galerie und ein dicker Kronleuchter beleuchtet den Eingangsbereich. Rechts war eine Tür und links ebenfalls und gerade aus ging es zur Treppe. Genau genommen waren es zwei Treppen, die eine für die Galerie, eine Wendeltreppe und die andere für das Obergeschoss. Merlin führte mich in die Küche, wo wir uns an einen runden Tisch setzten. Er gab mir ein Glas Cola und wir saßen ratlos da und schwiegen. "Willst du zu Hause anrufen und deine Mama fragen, ob sie dich abholt?" Merlin hatte eine grandiose Idee, die gar nicht grandios war. Ich bin alt genug und bin auf die Hilfe meiner Mum nicht mehr wirklich angewiesen. Auch wenn ich mir manchmal denke, dass sie sich Sorgen um mich macht, anrufen kann ich, aber ich werde niemal zugeben, dass sie mich abholen soll. Also antwortete ich: "Ne. Ich will nicht angewiesen sein auf ihre Hilfe. Ich wohne hier seit 7 Jahren, wie kommt denn das, wenn ich auf einmal sage: Mum ich hab mich verlaufen kannst du mich bei einem wildfremden Jungen abholen? Verstehst du was ich mein?" Er schaute mich mit schiefem Kopf an: "Wie alt bist du eigentlich?" "17" entgegnete ich stumpf. Merlin freute sich und sprudelte los: "Echt, cool, ich auch. Welche Schule gehst du? Oder gehst du nach diesem Schuljahr überhaupt noch in die Schule?" Das waren zu viele Fragen und zu viel Freunde an einem Ort. Ich musste mich erstmal sammeln. "Gymnasium Heinrich Kopp. Und ja vorraussichtlich werde ich da mein Abi machen also bin ich auf alle Fälle noch ein Jahr in diesem Bau. An welche Schule willst du nächstes Jahr gehen?" Ich tat so als würde es mich interessieren. "Da wollte ich auch hin." Er schien mit jedem Wort, das ich sage, sich immer mehr zu freuen. Wie ein kleiner Junge und das ging mir langsam ein bisschen auf die Nerven. "Ganz ruhig. Find ich cool, vielleicht sieht man sich da mal." Dass er 17 Jahre alt ist merkt man ihm nicht an, denn er strahlt immer noch wie ein kleiner Junge an Heilig Abend. Tatsächlich fuhr er wieder runter und verhielt sich wieder normal. "Ich ruf jetzt trotzdem mal bei meiner Mum an und frag, ob sie mir nicht irgendwie helfen kann." sagte ich. Also rief ich meine Mum an und als sie nicht ranging, fiel mir ein, dass sie mit Dad essen gegangen ist. Mist. Ich legte auf. "Und was war?" Wollte Merlin sofort wissen. Betrübt und hilflos schaute ich ihn an und schüttelte den Kopf: "Ist keiner zu Hause, weil meine Mum mit meinem Dad essen gegangen ist." Wie vorhin saßen wir ratlos und schweigend am Tisch. "Mach dir keine Sorgen, schauen wir eine DVD zur Ablenkung oder so?" tröstete mich Merlin nach ein paar Minuten. Ich lenkte ein und folgte ihm ins Wohnzimmer. Ein riesiger Flatscreen, ich schätze auf 150 cm Diagonale, erstreckte sich an der großen Wand. Daneben 2 IKEA-Regale voll mit Filmen. "Wow echt klein hier." witzelte ich. Merlin lachte und zog mich zu den Regalen. Es waren hunderte, ich würde fast behaupten tausend(e). Ich fand alte Klassiker, wie Frühstück bei Tiffany oder Rocky. Zwischen drin hat sich sogar ab und zu mal ein Porno verirrt. Und als ich die Regale so durchging fand ich einen meiner absoluten Lieblinge: Titanik. Ich zog die DVD heraus und Merlin schaute mich belustigt an. "Willst du den sehen?" Ich nickte und hoffte auf seine Zustimmung, die er mir gleich darauf auch gab: "Du wirst es nicht glauben, aber den Film schaue ich mir immer wieder gerne an." Wir lachten.

Träum süß


Wir legten die DVD ein und ich setzte mich erstmal schüchtern auf das Sofa. Merlin machte es sich gleich in der Ecke bequem und legte sich Kissen und Decke bereit. "Willst du's dir nicht bequem machen?" Er klopfte mit seiner Hand wild auf dem Sofa herum. Ich krabbelte über das Sofa bis zur Lehne hinter und machte es mir so bequem wie möglich. Und so begannen wir Titanik zu schauen.
Obwohl Merlin auf dem Sofa saß, fühlte ich mich einsam und verlassen. In diesem Moment, wenn man nachdenklich wird, weil man einen Liebesfilm schaut, fallen einem wieder seltsame Dinge ein. Und so fiel mir wieder der Tag heute mit Justin ein. Wie ich seinen kriminellen Stiefvater "kennen lernte" und seine Oma und wie ich bewusstlos wurde. Obwohl der Film zu dem Zeitpunkt gar nicht traurig ist, musste ich weinen. Als Merlin dies bemerkte, drückte er auf Pause. Er kam zu mir rüber gekrochen und legte den Arm um mich. "Was ist los, der Film ist doch gerade alles andere als traurig?" Sein Arm gab mir irgendwie Sicherheit und ich konnte mich zusammen reißen und Justin wieder ausblenden. "Ach nichts, es war heut einfach nicht mein Tag." Ein wenig unzufrieden mit der Antwort schaute mich Merlin an, aber strich mir dann tröstend über den Rücken und machte es sich wieder in seiner Ecke bequem. Ich wischte mir währrenddessen die Tränen aus dem Gesicht. Er drückte wieder auf Play.
Nach einer Weile vermisste ich Merlins Arm an meinem Rücken. Ich starrte ihn an. Er bemerkte mich und pausierte den Film. "Was ist?" fragte er. Ich zögerte kurz und weil ich mich so allein fühlte, setze ich mich dann näher an ihn, so dass sein Arm mich jederzeit erreichen konnte. Verwundert schaute er kurz durch den Raum und drückte wieder auf Play. Und dann kam die Stelle als Jack Rose auf dem Deck erwischte, wie sie sich hinabstürzen wollte. Sie schockierte mich immer wieder. Meine Anspannung war mir offensichtlich anzumerken, denn Merlin nahm seine Hand und legte sie auf meine. Mein Herz schlug schneller. Ich rutschte näher zu ihm und kuschelte mich an ihn. Es fühlte sich an, als würde ich Merlin schon ewig kennen und vertrauen. Ich vergaß alles um mich. Den Tag heute, Justin, wie ich nach Hause komme. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihm.
Kurze Zeit später nahm Jack seine Rose in die Arme und das wohl berühmteste Filmbild entstand. Ich kuschelte mich noch mehr an Merlin, ich umklammerte ihn fast. Ich hob meinen Kopf um zu sehen, ob er nicht schon von mir erdrückt wurde. Merlin schaute mich an. In dem Moment war ich nicht mehr ich selbst. Ich verlor jegliche Gedanken und Sorgen und Probleme, die ich den ganzen Tag hatte. Merlin und ich küssten uns. Danach legte ich meinen Kopf wieder auf seine Brust und hörte wie sein Herz gegen seine Brust hämmerte. Er konnte unheimlich gut küssen und ich wusste schon jetzt, dass mir dieser Abend noch lange in Erinnerung bleiben wird. Mein Herz schlug ebenfalls wie verrückt.
Mich zog es immer wieder dazu ihn zu küssen und irgendwann konnte ich mich nicht mehr halten. Die Küsse wurden immer leidenschaftlicher. Es fühlte sich immer vertraut an. Ich schwöre euch, wenn ihr ihn kennen lernen würdet und ihn küssen würdet, ihr könntet auch nicht mehr von ihm los kommen. Er ist wie ein Gott, in seinem Aussehen, in seinem Charakter und im Küssen. Ich verschwendete keinen Gedanken an Justin. An diesem Abend waren nur Merlin und ich die Hauptrollen in meinem Leben. Der Rest der Welt war praktisch gar nicht da. Die Freude kam über mich und ich musste lächeln. Dieses Lächeln verstärkte unsere Leidenschaft nur noch mehr. Aus den leidenschaftlichen Küssen wurde wilde Knutscherei. Ab jetzt gab es kein Halten mehr. Merlin hat mich in seinem Bann. Der Film lief einfach weiter und war Nebensache, genauso wie alles um mich herum auch. Ich faltete meine Hände auf seinem Nacken und schmiegte mich noch mehr an ihn. Es war kein romantisches Kuscheln mehr, es war wilde Knutscherei. Merlin nahm seinen Arm an meine Taille und zog mich auf ihn. Ich nahm meine Hände wieder vor und streichte ihm über seine Brust um wieder etwas Ruhe zu gewinnen. Er griff wieder meine Taille und fuhr mit seinen Händen langsam zum Rücken und gleichzeitig ein wenig unter mein Shirt. Ich musste kurz zusammen zucken, weil es kitzelte. Dann nahm er seine Hände wieder vor, nahm meine Arme und legte sie sich wieder auf seinen Nacken. Er bewegte sich vor bis zur Kante des Sofas, stand auf und trug mich mit seinen Händen auf meinem Arsch nach oben sein Zimmer. Wir gingen über die Galerie in einen großen Raum mit einem Bett und einem Sofa und Schreibtisch und Fernseher. Alles was man eben in einem modernen Jugendzimmer braucht. Merlin ließ mich auf sein Bett fallen und legte sich direkt auf mich. Wir setzten die wilde Knutscherei fort. Er griff mit seinen Händen wieder meine Taille und schob mein Shirt ein wenig nach oben. Plötzlich ließ er von mir ab und setzte sich auf. Sein Gesichtsausdruck war ernst und er fragte: "Bist du noch Jungfrau?" Ich sah ihn entgeistert an und war ein bisschen enttäuscht darüber, dass er mir soeben den Wind aus den Segeln nahm. Ich stützte mich auf meine Ellenbogen und sah ihm in die Augen: "Ja, aber das tut nichts zu Sache." "Hoffe ich doch!?" fügte ich blitzschnell noch hinzu. "Bist du dir sicher, dass du das willst? Ich möchte dich nicht zwingen und es soll doch was Besonderes sein." Sein Mitleid war nett, aber leider gerade so unangebracht. "Wenn ich mir nicht sicher wäre, wäre ich hier schon längst weg." sagte ich stumpf. "Nimmst du die Pille?" Er zieht den Moment immer weiter raus, bis ich irgendwann keine Lust mehr hab. "Na klar!" Schrie ich ihn an. Zum Glück war er jetzt zufrieden und legte sich wieder auf mich. Wir machten weiter, wo wir aufgehört haben. Doch wir merkten beide wie sich die Leidenschaft in Luft aufgelöst hatte. Er rollte sich zur Seite und seufzte. Ein paar Minuten lagen wir so da und sagten nichts. Bis Merlin anfing: "Sorry, aber ich wollte dich nicht enttäuschen oder dich zu etwas zwingen." Ich bastelte mir eine Antwort zusammen: "Nicht so schlimm. Aber legst du immer alle flach, denen du auf der Straße begegnest?" Verwundert drehte er seinen Kopf zu mir. "Ne eigentlich nicht. Ich bin auch noch Jungfrau." Mir fiel die Kinnlade runter. Er war so sicher und hatte alle Handgriffe drauf wie ein Profi und dann ist er noch Jungfrau. Ich war so überrascht, dass ich ein leises "Ouh" ausstieß. "Ehrlich jetzt?" Wollte ich mich nochmal vergewissern. "Ja. Hast du wohl ein Problem damit?" fragte er mich ein bisschen enttäuscht. Ich schüttelte den Kopf und drehte mich zur anderen Seite. Es war so warm, dass ich nicht mal eine Decke brauchte. Merlin drehte sich ebenfalls auf die andere Seite, so dass wir jetzt Rücken an Rücken lagen. Ich war nicht müde und Merlin auch nicht, das merkte ich genau. Alle 30 Sekunden änderte er seine Liegeposition. Mal ließ er seine Hand aus dem Bett baumeln, dann seinen Fuß oder er legte sich auf den Bauch wie ein gestrandeter Wal. Ich konnte auch nicht einschlafen, aber nicht weil Merlin sich so bewegte, sondern weil ich mich an den Tag heute erinnerte. Fast die ganze Nacht dachte ich nach. Sogar Merlin war irgendwann eingeschlafen, nachdem er sich tausendmal hin und her gedreht hat. Aber ich dachte die ganze Nacht über Justin nach und über das was auf dem Parkplatz und in der Wohnung seiner Oma vorgefallen ist. Draußen wurde es sogar schon langsam wieder hell und ich habe keine Ruhe gefunden. Dafür jedoch einen Plan: Heute in der Schule werde ich mich bei Justin entschuldigen. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich normalerweise um die Zeit aufstehe und mich für die Schule fertig machen muss. Als ich mich langsam aufsetzte stellte ich fest, dass der Platz neben mir im Bett frei war. Ich kroch aus dem Bett und ging aus dem Zimmer um das Haus nach dem Bad zu erkunden. Es roch nach frischen Brötchen. Und der Duft machte mich sofort gute Laune. Ich beendete die Suche nach dem Bad und beschloss meiner Nase zu folgen. Der Weg führte mich aber nicht in die Küche, sondern in einen neuen Raum, den ich noch nicht kannte. Die Brötchen lagen auf dem Tisch zusammen mit Marmelade, Nutella, Butter, Schinken, Salami, Gürkchen, Eiern, Milch, Müsli und Honig. Eben alles, was das Frühstücksherz begehrt. Der Tisch war aber so groß, dass die komplette Montur noch ein zweiter Mal darauf gepasst hätte. Ich musste lächeln. Plötzlich stand jemand in der Tür gegenüber und schaute mich mit schiefem Blick an. Ein kleiner Junge mit lockigen Haaren und einem Ganzkörperschlafanzug von "Bob der Baumeister". "Wer bist du denn?" fragte er mich mit süßer Kinderstimme. Geschockt stand ich da. Der Kleine war höchstens 5. "Ich bin Alba und wer bist du?" Ich presste meine süßeste Kinderstimme raus. "Ich bin der Jonas." Er schaute mich immer noch verwundert an und dann rief er: "Merlin, da steht ein fremdes Mädchen in unserem Esszimmer! Ist das die neue Putzfrau?" Ich stieß einen lauten Atmer aus und öffnete den Mund. Jonas schaute mich aber dabei immer noch an, bis plötzlich Merlin hinter ihm in der Tür auftauchte. Er strahlte vor Freude. Und er sah noch genauso gut aus wie er mir in Erinnerung war. Er lachte und beugte sich zu Jonas runter: "Nein, dass ist eine Freundin von mir. Ich denke nicht, dass sie plant bei uns zu putzen." Beim letzten Satz schaute er mich grinsend an und drehte dabei die Augen zu Jonas. Ich musste lachen und schüttelte den Kopf. Dann nahm Merlin Jonas hoch und setzte ihn auf einen Stuhl. Danach kam er zu mir rüber, umarmte mich und küsste mich auf die Stirn. "Hast du gut geschlafen?" erkundigte er sich als er zu einem der vielen Stühle lief. "Klar." sprudelte es aus mir heraus. Was soll man auch anderes antworten!? Er lächelte wieder und bot mir an, mich zu setzen. Das Frühstück war ziemlich lecker und wir lachten ausgelassen, auch Jonas. Dann zeigte Merlin mir das Bad und ich richtete noch ein bisschen Haare und Schminke und verwendete dabei unerlaubt die Sachen von Merlins Mutter. Zum Glück ist nichts kaputt gegangen. Ich sprang die Treppe runter und zog meine Schuhe an. Merlin und Jonas kamen zur Tür um mich zu verabschieden. Vom großen Flur aus konnte ich sehen, dass die beiden es noch nicht geschafft haben, eine einzige Sache vom Tisch zu räumen und ich schmunzelte. Zum Abschied umarmte mich Merlin und gab mir wieder einen Kuss auf die Stirn. Ich lächelte und beugte mich zu Jonas und wiederholte den Abschied von Merlin. Anschließend wuschelte ich ihm durch die Haare und ging aus der Tür. Die beiden winkten mir nach und grinsten. Das Bild war einfach zu schön.

Bosslike


An der Ecke der Straße wartete ich auf ein Taxi. Merlin hat es für mich bestellt und mir ein wenig Geld geliehen, weil ich den Weg zur Bushaltestelle von seinem Haus nicht wusste und er ja noch nicht so lange hier wohnt, so dass er es auch nicht wusste. Ich schaute verträumt durch die Gegend. Nach ein paar Minuten kam das Taxi um die Ecke gefahren und ich stieg ein. Der Taxifahrer war nett und begrüßte mich gleich. Er hatte einen Oberlippenbart und schon ein paar graue Haare. Ich schätze ihn auf Ende 50. Er fuhr los und ich sagte ihm, wo ich hin will. Die Strecke kannte ich nicht bis wir dann endlich an der großen Kreuzung standen, wo ich normalerweise, wenn ich Bus fahre, umsteigen muss. Ab da wusste ich den Weg. Wir fuhren die Schulstraße vor und viele Jugendliche kamem mir entgegegen. Es ist eigentlich nichts Unnormales mit dem Taxi zu fahren, aber ich fühlte mich trotzdem unwohl. Links und rechts von der Straße führte ein Gehsteig entlang und ich hoffte, mich würde niemand erkennen. Ich blickte geradeaus um nach Emma Ausschau zu halten. Tatsächlich lief sie dem Taxt genau entgegen auf dem rechten Gehsteig. Ich wendete mich also nach links, so dass sie mein Gesicht beim Vorbeifahren nicht sehen konnte. Ich hielt den Blick dauerhaft nach rechts bis das Taxi im Wendehammer wendete und die gleiche Straße bis auf Höhe der Schule zurückfuhr. Emma war nirgends mehr zu sehen. Wahrscheinlich, nein hoffentlich, ist sie schon drin und steht hier nicht irgendwo rum. Ich gab dem netten Taxifahrer 25 Euro wie es das Taxometer angezeigt hatte. Anschließend stieg ich aus und bedankte mich nochmal. Ich wusste nicht, ob es üblich ist, sich bei einem Taxifahrer zu bedanken. Man bedankt sich ja auch nicht beim Busfahrer, aber es schien mir trotzdem unhöflich, sich nicht erkenntlich zu zeigen. Schließlich ist es im Taxi ja etwas persönlicher, weil man nicht mit vielen anderen in einem Gefährt sitzt, sondern nur mit dem Fahrer. Er stellt sich ja dafür bereit, mich wohin zu fahren, wo hingegen der Busfahrer mich an einer Haltestelle aussteigen lässt, wo ich dann auch noch laufen muss.
Ich ging über Straße auf die andere Straßenseite. In der ersten Stunde hab ich Mathe, also machte ich mich auf den Weg ins Schulgebäude. Ich schlenderte so die Treppe hinauf, als von hinten plötzlich Emma rief: "Ey Alba warte kurz auf mich." Sie sprintete hinter mir die Treppe rauf und kam verschnauft fast oben bei mir an. Ich lächelte, aber gönnte ihr keine Ruhepause. Nach Luft schnappend folgte sie mir. Ich sah förmlich in ihrem Gesicht, dass sie mir etwas sagen wollte, also lief ich ein wenig langsamer. "Bist du mit dem Taxi gekommen?" Erschrocken zuckte ich zusammen. Woher weiß sie das? Oder Moment sie weiß es ja nicht sie hat mich nur gefragt. Anscheinend war etwas an mir so auffällig, dass man mich auch ohne Gesicht erkennen kann. Ich versuchte ein wenig verwirrt zu wirken und fragte sie verwundert: "Warum Taxi? Wie kommst du darauf?" Sie lachte und sagte: "Da wurde vorhin ein Mädchen mit dem Taxi in die Schule gefahren. Hab sie nur von hinten gesehen, aber sie hatte deine Jacke an und dann dachte ich, dass du vielleicht den Bus verpasst hast oder so, aber anscheinend warst du das nicht in dem Taxi." Ich grinste und schüttelte den Kopf. Wir liefen durch die Tür unseres Klassenzimmers und mein Blick wanderte schlagartig zu dem Tisch, wo Justin sich vor 2 Tagen hingesetzt hat. Der Tisch war leer. Emma und ich setzten uns an unseren Tisch und warteten. Ich wusste nicht auf was Emma wartete, aber ich wartete auf Herrn Gablonza.

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Tag der Veröffentlichung: 20.12.2012

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